Plenarprotokoll 965

BUNDESRAT

Stenografischer Bericht 965. Sitzung

Berlin, Freitag, den 2. März 2018

Inhalt:

Begrüßung einer Delegation der National- Monika Heinold (Schleswig-Hol- konferenz der Gouverneure von Mexiko . . 31 A stein) ...... 58*A Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- Amtliche Mitteilungen ...... 31 B setzentwurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG beim Deutschen Bundestag – Be- Dank an die bisherige Ministerpräsidentin stellung von Minister Karl-Heinz des Saarlandes, Annegret Kramp-Karren- Schröter () zum Beauf- bauer ...... 31 D tragten des Bundesrates gemäß § 33 GO BR ...... 39 A

Zur Tagesordnung ...... 32 A 3. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes – Antrag der Länder 1. Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung Niedersachsen und Mecklenburg-Vor- des Familiennachzugs zu subsidiär Schutz- pommern gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – berechtigten (Drucksache 31/18) . . . . 32 B (Drucksache 39/18) Monika Heinold (Schleswig-Hol- stein) ...... 32 B in Verbindung mit Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) . 33 B 22. Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff des Waffengesetzes – gemäß Artikel 76 (Thüringen) ...... 34 A Absatz 1 GG – Antrag des Landes Hessen Dr. Klaus Lederer () . . . . . 35 B gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksa- che 58/18) ...... 39 B Dr. Emily Haber, Staatssekretärin im Boris Pistorius (Niedersachsen). . . 39 B Bundesministerium des Innern . . 36 C Peter Beuth (Hessen) ...... 40 A Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 Beschluss zu 3: Erneute Einbringung des Absatz 2 GG ...... 37 D Gesetzentwurfs gemäß Artikel 76 Ab- satz 1 GG beim Deutschen Bundestag – 2. Entwurf eines Gesetzes über die Finan- Bestellung von Minister Boris Pistorius zierung der Beseitigung von Rüstungsalt- (Niedersachsen) zum Beauftragten des lasten in der Bundesrepublik Deutschland Bundesrates gemäß § 33 GO BR . . . 41 A (Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz – RüstAltlFG) – Antrag der Länder Bran- Mitteilung zu 22: Überweisung an den denburg, Niedersachsen und Sachsen- Ausschuss für Innere Angelegenheiten 41 A Anhalt gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 43/18) ...... 37 D 4. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) – Effektive Be- Karl-Heinz Schröter (Brandenburg) . 38 A kämpfung von sogenannten „Gaffern“ Boris Pistorius (Niedersachsen) . . . 57*A sowie Verbesserung des Schutzes des

Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon: (02 21) 97 66 83 40, Telefax: (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0720-7999 II Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018

Persönlichkeitsrechts von Verstorbenen 9. Entschließung des Bundesrates zur An- – Antrag der Länder Niedersachsen, hebung des Ausbauziels Windenergie Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein- auf See – Antrag der Länder Schleswig- Westfalen gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – Holstein, , Mecklenburg-Vorpom- (Drucksache 41/18) ...... 41 A mern und , Niedersachsen – Boris Pistorius (Niedersachsen) . . . 41 A (Drucksache 27/18) Barbara Havliza (Niedersachsen) . . 58*B Mitteilung: Absetzung von der Tagesord- Ulrike Höfken (Rheinland-Pfalz) . . 58*D nung ...... 32 A Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- setzentwurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 10. Vorschlag für eine Verordnung des Euro- GG beim Deutschen Bundestag nach päischen Parlaments und des Rates über Maßgabe der beschlossenen Ände- Aufsichtsanforderungen an Wertpapier- rung – Bestellung von Ministerin Barbara firmen und zur Änderung der Verord- Havliza (Niedersachsen) zur Beauftrag- nungen (EU) Nr. 575/2013, (EU) Nr. 600/ ten des Bundesrates gemäß § 33 GO BR . 42 A 2014 und (EU) Nr. 1093/2010 COM(2017) 790 final; Ratsdok. 16017/17 5. Entwurf eines … Strafrechtsänderungs- – gemäß Artikel 12 Buchstabe b EUV und gesetzes – Strafbarkeit der unbefugten §§ 3 und 5 EUZBLG – Benutzung informationstechnischer Sys- (Drucksache 775/17, zu Drucksache 775/ teme – Digitaler Hausfriedensbruch 17) ...... 50 A – Antrag des Landes Hessen gemäß § 36 Beschluss: Stellungnahme gemäß §§ 3 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 47/18) . . 42 A und 5 EUZBLG ...... 50 B Lucia Puttrich (Hessen) ...... 59*B Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- 11. Geänderter Vorschlag für eine Verord- setzentwurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 nung des Rates zur Änderung der Ver- GG beim Deutschen Bundestag – Bestel- ordnung (EU) Nr. 904/2010 im Hinblick lung von Staatsministerin Eva Kühne- auf die Stärkung der Zusammenarbeit Hörmann (Hessen) zur Beauftragten des der Verwaltungsbehörden auf dem Ge- Bundesrates gemäß § 33 GO BR . . . 42 B biet der Mehrwertsteuer COM(2017) 706 final; Ratsdok. 14893/17 6. Entschließung des Bundesrates zur auf- – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – gabengerechten Mittelausstattung der (Drucksache 751/17, zu Drucksache 751/ Jobcenter zur Umsetzung des SGB II 17) ...... 45 D – Antrag der Länder Thüringen, Berlin, Beschluss: Stellungnahme ...... 61*A Brandenburg, Bremen, Rheinland-Pfalz – (Drucksache 26/18) ...... 45 D 12. a) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates Beschluss: Die Entschließung wird ge- zur Änderung der Richtlinie 2006/112/ fasst...... 61*A EG in Bezug auf die Mehrwertsteuer- sätze 7. Entschließung des Bundesrates zur Än- COM(2018) 20 final derung des Einführungsgesetzes zum – gemäß Artikel 12 Buchstabe b EUV Bürgerlichen Gesetzbuche – Antrag des und §§ 3 und 5 EUZBLG – Landes Brandenburg gemäß § 36 Ab- (Drucksache 17/18, zu Drucksache 17/ satz 2 GO BR – (Drucksache 44/18) . . . 45 D 18) ...... 45 D Christian Görke (Brandenburg). . . 61*D Mitteilung: Überweisung an die zustän- b) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates digen Ausschüsse ...... 45 D zur Änderung der Richtlinie 2006/112/ EG über das gemeinsame Mehrwert- 8. Entschließung des Bundesrates – Rechts- steuersystem in Bezug auf die Sonder- sicherheit für KWK-Anlagen bei der Höhe regelung für Kleinunternehmen der EEG-Umlage für Eigenstromnutzung COM(2018) 21 final gewährleisten – Antrag der Länder Thü- – gemäß Artikel 12 Buchstabe b EUV ringen und Hessen, Rheinland-Pfalz, und §§ 3 und 5 EUZBLG – , Sachsen – (Drucksache 23/18) . 46 A (Drucksache 18/18, zu Drucksache 18/ 18) ...... 50 B Martin Dulig (Sachsen) ...... 46 A (Thüringen) . . . 62*C Beschluss zu a) und b): Stellungnahme gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG . . 61*A, 50 C Ulrike Höfken (Rheinland-Pfalz) . . 63*B Beschluss: Annahme der Entschließung 13. a) Mitteilung der Kommission an das nach Maßgabe der beschlossenen Än- Europäische Parlament, den Rat, den derungen...... 47 A Europäischen Wirtschafts- und Sozial- Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 III

ausschuss und den Ausschuss der Re- „Agenda 2030 für nachhaltige Entwick- gionen über einen Überwachungsrah- lung“ – gemäß § 6 Absatz 1 EUZBLG men für die Kreislaufwirtschaft i. V. m. Abschnitt I der Bund-Länder-Ver- COM(2018) 29 final einbarung – (Drucksache 24/18) . . . . 45 D – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 14/18) Beschluss: Zustimmung zu der Empfeh- lung in Drucksache 24/1/18 . . . . . 61*B b) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den 16. Bestellung eines Mitglieds des Verwal- Europäischen Wirtschafts- und Sozial- tungsrates der Kreditanstalt für Wieder- ausschuss und den Ausschuss der Re- aufbau – gemäß § 7 Absatz 1 Nummer 3 gionen: Eine europäische Strategie für und Absatz 2 KredAnstWiAG – (Drucksa- Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft che 11/18) ...... 45 D COM(2018) 28 final – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – Beschluss: Zustimmung zu der Empfeh- (Drucksache 13/18) lung des Finanzausschusses in Druck- sache 11/1/18 ...... 61*B

c) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den 17. Benennung eines Mitglieds des Kurato- Europäischen Wirtschafts- und Sozial- riums der Stiftung „Haus der Geschichte ausschuss und den Ausschuss der Re- der Bundesrepublik Deutschland“ – ge- gionen über die Umsetzung des Pakets mäß § 7 Absatz 3 des Gesetzes zur Errich- zur Kreislaufwirtschaft: Optionen zur tung einer Stiftung „Haus der Geschichte Regelung der Schnittstelle zwischen der Bundesrepublik Deutschland“ – Chemikalien-, Produkt- und Abfall- (Drucksache 40/18) ...... 45 D recht COM(2018) 32 final Beschluss: Zustimmung zu dem Vor- – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – schlag in Drucksache 40/18 . . . . . 61*B (Drucksache 15/18) ...... 50 C

Beschluss zu a) bis c): Stellungnahme 50 D/51 A 18. Gesetz über die Feststellung des Wirt- schaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2018 (ERP-Wirtschaftsplan- 14. a) Mitteilung der Kommission an das gesetz 2018) (Drucksache 56/18) . . . . 45 D Europäische Parlament, den Rat und den Ausschuss der Regionen: Stär- Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 kung des Katastrophenmanagements Absatz 2 GG ...... 61*C der EU: rescEU – Solidarität und Ver- antwortung COM(2017) 773 final 19. Entwurf eines Gesetzes über Vorrechte, – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – Immunitäten, Befreiungen und Erleichte- (Drucksache 757/17) rungen in der Bundesrepublik Deutsch- land als Gaststaat internationaler Einrich- tungen (Gaststaatgesetz) – Antrag des b) Vorschlag für einen Beschluss des Landes Nordrhein-Westfalen gemäß § 36 Europäischen Parlaments und des Ra- Absatz 2 GO BR – (Drucksache 49/18) . . 52 A tes zur Änderung des Beschlusses Nr. 1313/2013/EU über ein Katastro- Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- phenschutzverfahren der Union setzentwurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 COM(2017) 772 final; Ratsdok. 14884/ GG beim Deutschen Bundestag – 17 Bestellung von Minister Dr. Stephan – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – Holthoff-Pförtner (Nordrhein-Westfalen) (Drucksache 756/17, zu Drucksache zum Beauftragten des Bundesrates ge- 756/17) ...... 51 A mäß § 33 GO BR...... 52 B Peter Beuth (Hessen) ...... 51 B Thomas Strobl (Baden-Württem- 20. Entwurf eines Gesetzes über den Beruf berg) ...... 64*A des Operationstechnischen Assistenten und zur Änderung des Krankenhaus- Boris Pistorius (Niedersachsen) . . . 64*C finanzierungsgesetzes – Antrag des Lan- Beschluss zu a) und b): Stellungnahme . 52 A des Nordrhein-Westfalen gemäß § 36 Ab- satz 2 GO BR – (Drucksache 50/18) . . . 52 B Jürgen Lennartz (Saarland) . . . . 65*D 15. Benennung von Beauftragten des Bun- desrates in Beratungsgremien der Euro- Dr. Bernd Buchholz (Schleswig-Hol- päischen Union für die Ratsarbeitsgruppe stein) ...... 66*A IV Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018

Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) 45 A setzentwurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 Lucia Puttrich (Hessen) ...... 60*A GG beim Deutschen Bundestag – Bestellung von Minister Karl-Josef Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- Laumann (Nordrhein-Westfalen) zum setzentwurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 Beauftragten des Bundesrates gemäß GG beim Deutschen Bundestag – Be- § 33 GO BR ...... 52 C stellung von Minister Peter Biesenbach (Nordrhein-Westfalen) zum Beauftrag- ten des Bundesrates gemäß § 33 GO BR 45 C 21. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes zur Verfahrensbeschleuni- 25. Entschließung des Bundesrates – Die Si- gung durch die erweiterte Möglichkeit tuation der Pflege durch Pflegepersonal- der Zulassung von Rechtsmitteln – gemäß untergrenzen spürbar verbessern – An- Artikel 76 Absatz 1 GG – Antrag der Län- trag des Landes Berlin gemäß § 36 der Hamburg, Berlin, Brandenburg, Bre- Absatz 2 GO BR – (Drucksache 48/18) . . 47 A men gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – Dilek Kolat (Berlin) ...... 47 B (Drucksache 51/18) ...... 42 B Annette Widmann-Mauz, Parl. Staats- Dr. (Hamburg) . . . . . 42 B sekretärin beim Bundesminister für Gesundheit ...... 48 C Dr. Dirk Behrendt (Berlin) . . . . . 43 A Mitteilung: Überweisung an die zustän- Mitteilung: Überweisung an die zustän- digen Ausschüsse ...... 50 A digen Ausschüsse ...... 44 A 26. Verordnung zur Änderung der Schweine- pest-Verordnung und der Verordnung 23. Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung über die Jagdzeiten (Drucksache 54/18) . 52 C des Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Verbreitens und Verwendens von Propa- Peter Hauk (Baden-Württemberg) . 52 C gandamitteln und Kennzeichen verfas- Peter Bleser, Parl. Staatssekretär sungswidriger Organisationen bei Hand- beim Bundesminister für Ernäh- lungen im Ausland – Antrag der Länder rung und Landwirtschaft . . . . 54 B Hamburg, Brandenburg, Bremen, Nieder- Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 sachsen, Nordrhein-Westfalen, Schles- Absatz 2 GG nach Maßgabe der be- wig-Holstein, Thüringen und Rheinland- schlossenen Änderungen – Annahme Pfalz gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – einer Entschließung ...... 55 C (Drucksache 52/18) ...... 45 D Beschluss: Erneute Einbringung des Ge- 27. Neubenennung von Beauftragten des setzentwurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 Bundesrates in Beratungsgremien der GG beim Deutschen Bundestag – Be- Europäischen Union – gemäß § 6 Ab- stellung von Senator Dr. Till Steffen satz 1 EUZBLG i. V. m. Abschnitt I der (Hamburg) zum Beauftragten des Bun- Bund-Länder-Vereinbarung – (Drucksa- desrates gemäß § 33 GO BR . . . . . 61*D che 42/18) ...... 45 D Beschluss: Zustimmung zu dem Vorschlag des Ständigen Beirates in Drucksa- 24. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung che 42/18 ...... 61*B von Kammern für internationale Han- delssachen (KfiHG) – Antrag der Länder Nächste Sitzung ...... 55 C Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen gemäß § 36 Ab- Beschluss im vereinfachten Verfahren gemäß satz 2 GO BR – (Drucksache 53/18) . . . 44 A § 35 GO BR ...... 55 B/D Peter Biesenbach (Nordrhein-West- falen) ...... 44 A Feststellung gemäß § 34 GO BR . . . . . 55 B/D Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 V

Verzeichnis der Anwesenden

Vorsitz: Berlin:

Präsident Michael Müller, Regierender Dr. Klaus Lederer, Bürgermeister und Senator Bürgermeister des Landes Berlin für Kultur und Europa

Vizepräsident Daniel Günther, Minister- , Bürgermeisterin und Senatorin für präsident des Landes Schleswig-Holstein Wirtschaft, Energie und Betriebe – zeitweise –

Amtierende Präsidentin Birgit Honé, Dilek Kolat, Senatorin für Gesundheit, Pflege Ministerin für Bundes- und Europaangelegen- und Gleichstellung heiten und Regionale Entwicklung, Bevoll- mächtigte des Landes Niedersachsen beim Dr. Dirk Behrendt, Senator für Justiz, Verbrau- Bund – zeitweise – cherschutz und Antidiskriminierung

Schriftführerin: Brandenburg: Ulrike Hiller (Bremen)

Dr. , Ministerpräsident

Christian Görke, Minister der Finanzen Schriftführer: Karl-Heinz Schröter, Minister des Innern und für Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) Kommunales

Baden-Württemberg: Bremen: , Ministerpräsident Dr. Carsten Sieling, Präsident des Senats, Bür- Thomas Strobl, Minister für Inneres, Digitalisie- germeister, Senator für Angelegenheiten der rung und Migration Religionsgemeinschaften und Senator für Kul- tur , Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Ulrike Hiller, Staatsrätin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Entwicklungszu- Manfred Lucha, Minister für Soziales und Inte- sammenarbeit, Bevollmächtigte der Freien gration Hansestadt Bremen beim Bund, für Europa und Entwicklungszusammenarbeit Peter Hauk, Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz

Bayern: Hamburg:

Prof. Dr. Winfried Bausback, Staatsminister der Dr. Till Steffen, Senator, Präses der Justizbe- Justiz hörde VI Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018

Hessen: Rheinland-Pfalz:

Volker Bouffier, Ministerpräsident , Ministerpräsidentin

Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Ver- Lucia Puttrich, Ministerin für Bundes- und Euro- kehr, Landwirtschaft und Weinbau paangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Hessen beim Bund Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung

Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Saarland: Peter Beuth, Minister des Innern und für Sport Tobias Hans, Ministerpräsident

Jürgen Lennartz, Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei, Bevollmächtigter des Saarlan- des beim Bund Mecklenburg-Vorpommern: Jürgen Barke, Staatssekretär im Ministerium für , Ministerpräsidentin Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr

Lorenz Caffier, Minister für Inneres und Europa

Niedersachsen: Sachsen: , Ministerpräsident , Ministerpräsident Martin Dulig, Staatsminister für Wirtschaft, Dr. Bernd Althusmann, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Arbeit, Verkehr und Digitalisierung Dr. Matthias Haß, Staatsminister der Finanzen Reinhold Hilbers, Finanzminister

Barbara Havliza, Justizministerin

Birgit Honé, Ministerin für Bundes- und Europa- angelegenheiten und Regionale Entwicklung, Sachsen-Anhalt: Bevollmächtigte des Landes Niedersachsen beim Bund Dr. , Ministerpräsident

Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport Prof. Dr. Armin Willingmann, Minister für Wirt- schaft, Wissenschaft und Digitalisierung

Prof. Dr. Claudia Dalbert, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Nordrhein-Westfalen:

Armin Laschet, Ministerpräsident

Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales im Geschäftsbereich des Minis- terpräsidenten

Peter Biesenbach, Minister der Justiz Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 VII

Schleswig-Holstein: Von der Bundesregierung:

Daniel Günther, Ministerpräsident Prof. Dr. Helge Braun, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin Monika Heinold, Finanzministerin Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär bei der Dr. Sabine Sütterlin-Waack, Ministerin für Jus- Bundesministerin für Wirtschaft und Energie tiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleich- stellung Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Dr. Bernd Buchholz, Minister für Wirtschaft, Ver- kehr, Arbeit, Technologie und Tourismus Peter Bleser, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Ernährung und Landwirtschaft Dr. , Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitali- Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin sierung beim Bundesminister für Gesundheit

Dr. Emily Haber, Staatssekretärin im Bundesmi- nisterium des Innern Thüringen: Christiane Wirtz, Staatssekretärin im Bundesmi- nisterium der Justiz und für Verbraucher- , Ministerpräsident schutz Heike Taubert, Finanzministerin

Anja Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Ener- gie und Naturschutz

Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff, Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei

Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 31

(A) (C)

965. Sitzung

Berlin, den 2. März 2018 Sitzung

Beginn: 9.30 Uhr Aus der Landesregierung des Saarlandes und damit aus dem Bundesrat ausgeschieden sind Frau Ministerpräsidentin Annegret Kramp- Präsident Michael Müller: Meine sehr geehrten Karrenbauer mit Wirkung zum 1. März 2018 Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sowie Herr Minister Stephan T oscani am 1. März ich begrüße Sie alle ganz herzlich und eröffne die 2018. 965. Sitzung des Bundesrates. Zu ordentlichen Mitgliedern des Bundesrates wur- Bevor ich mich der Tagesordnung zuwende, möchte den am 1. März 2018 bestellt: Herr Ministerpräsident ich Ihre Aufmerksamkeit auf unsere Ehrentribüne Tobias Hans, dem ich an dieser Stelle ganz herz- lenken. Dort hat eine Delegation der Nationalkonfe- lich zu seiner Wahl gratuliere, renz der Gouverneure von Mexiko Platz genommen. (Beifall) Sehr geehrte Frau Gouverneurin, sehr geehrte Her- ren Gouverneure, meine sehr verehrten Damen und sowie Frau Ministerin und Herr Herren, es ist mir eine Freude, Sie in unserem Plenar- Staatssekretär Jürgen Lennartz. (B) (D) saal begrüßen zu können. Bevollmächtigter bleibt Herr Staatssekretär Ihr Besuch vertieft die Freundschaft zwischen unse- Lennartz, dem ich ebenfalls herzlich gratuliere. ren Staaten. In den Jahren 2008 und 2016 waren be- (Beifall) reits zwei meiner Amtsvorgänger in Ihrem schönen Land Gäste des Präsidenten des Senats der Vereinig- Die übrigen Mitglieder der Landesregierung wur- ten Mexikanischen Staaten. 2010 schließlich besuchte den zu stellvertretenden Mitgliedern des Bundes- uns der damalige Präsident des mexikanischen Se- rates berufen. nats, Seine Exzellenz Carlos Navarrete Ruiz. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit den Die deutsch-mexikanischen Beziehungen stehen neuen Kolleginnen und Kollegen. Den ausgeschiede- auf einer soliden Basis. Intensive Handels- und Wirt- nen Mitgliedern danken wir für die Zusammenarbeit schaftsbeziehungen und ein gemeinsames Verständ- und wünschen ihnen für die Zukunft alles Gute. nis unserer Rollen in der internationalen Politik tra- Danken möchte ich an dieser Stelle ganz besonders gen zu der engen Zusammenarbeit bei. einer Kollegin: Frau Annegret Kramp-Karrenbauer Der rege gegenseitige Kulturaustausch verbindet ist neue Generalsekretärin der CDU und deshalb von unsere Länder auf einzigartige Weise. Neben ver- ihrem Amt als Ministerpräsidentin des Saarlandes schiedenen Kulturstiftungen möchte ich hier insbe- zurückgetreten. sondere die Städtepartnerschaften, zum Beispiel zwi- Sie wurde im Jahr 2000 Innenministerin im Saar- schen Berlin und Mexiko-Stadt, nennen. land. Damit war sie die erste Innenministerin in Meine sehr verehrten Damen und Herren, seien Sie Deutschland. 2011 wurde sie schließlich die erste Mi- herzlich willkommen im Bundesrat! Ich hoffe, Sie nisterpräsidentin des Saarlandes. können diese Sitzung und die anschließenden Ge- Dem Bundesrat hat Frau Kramp-Karrenbauer ins- spräche genießen. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit gesamt über 17 Jahre angehört. Das ist eine lange während Ihres Aufenthalts in Berlin. Herzlich will- Zeit, in der sie sich erfolgreich für die Interessen des kommen! Saarlandes und der Länder insgesamt eingesetzt hat. Sie hat sich immer besonders der Europapolitik und (Beifall) der Bildung gewidmet. Als Vorsitzende der deut- Meine Damen und Herren, nun habe ich gemäß schen Sportministerkonferenz hat sie sich außerdem § 23 unserer Geschäftsordnung noch Veränderungen um die Gründung der Nationalen Anti-Doping-Agen- in der Mitgliedschaft bekanntzugeben: tur verdient gemacht. 32 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 Präsident Michael Müller (A) (C) Meine Damen und Herren, wir durchleben einen Kontingente und mögliche Härtefallbestimmungen rasanten soziokulturellen Wandel und stehen vor der beschließt. Herausforderung, einen guten Weg in die Zukunft zu finden. Ungewisse Veränderungen bieten leider im- Wir aber wollen nicht, dass engste Verwandte, Kin- mer auch einen guten Nährboden für Populisten, für der, Frauen und Männer noch länger darauf warten all jene, die lautstark Ängste schüren und doch im müssen, aus Kriegsgebieten und akuten Krisenher- Kern nur ihre eigenen Interessen im Blick haben. den herauszukommen, um mit ihren Familien bei uns Dem setzt Frau Kollegin Kramp-Karrenbauer einen zusammenleben zu können. Viele müssen schon viel ruhigen, analytischen Politikstil entgegen. Mit aus- zu lange warten. geprägtem Sachverstand und ihren klaren Worten Verantwortung für Flüchtlinge zu tragen ist für uns hat sie sich schon hier die allergrößte Wertschätzung identisch mit der Verantwortung, die wir für die ge- erworben, und ich bin mir sicher, dass ihr dies auch samte Gesellschaft tragen; denn die beste Bedingung in ihrer neuen Position gelingen wird. für erfolgreiche Integration ist, dass Familien zusam- Wir wünschen Frau Kramp-Karrenbauer für ihren menleben können und nicht täglich Angst umeinan- weiteren Weg alles erdenklich Gute, Gesundheit und der haben müssen. Welches Kind kann sich auf stets das nötige Quäntchen Glück und bedanken uns Schule oder Ausbildung konzentrieren, wenn ein El- für die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit. tern- oder Geschwisterteil in Syrien um sein Leben Vielen Dank! bangen muss? Welcher Ehemann kann sich auf sei- nen Sprachkurs konzentrieren, wenn er nicht weiß, (Beifall) ob und wann er seine Frau wiedersieht? Und nun zur Tagesordnung. Sie liegt Ihnen in vor- Meine Damen und Herren, die psychische Belas- läufiger Form mit 27 Punkten vor. tung für diejenigen, die in Deutschland in Sicherheit TOP 9 wird abgesetzt. sind, während enge Familienangehörige unter schrecklichsten Bedingungen in Kriegsländern oder Zur Reihenfolge der Tagesordnung: TOP 3 wird mit Flüchtlingslagern ausharren, ist kaum auszumalen. Punkt 22 verbunden. Nach TOP 5 werden die Punkte Das zeigt: Die Aussetzung des Familiennachzugs er- 21 und 24 behandelt. Nach TOP 8 wird Punkt 25 auf- schwert die Integration in Deutschland. Das aber ist gerufen. Im Übrigen bleibt die Reihenfolge unverän- das Gegenteil dessen, was wir wollen. dert. Gibt es Wortmeldungen zur Tagesordnung? – Das Schleswig-Holstein hat hohes Interesse daran, dass ist nicht der Fall. Integration gelingt, dass die Geflüchteten bei uns Fuß fassen, dass sie in Ausbildung und Arbeit finden, Dann ist sie so festgestellt. uns sogar helfen, mit dem längst begonnenen Fach- (B) kräftemangel besser umzugehen. Wenn Integration (D) Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 1: geben und nehmen heißt, dann ist das gut für unse- Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung des ren gesellschaftlichen Zusammenhalt. Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberech- tigten (Drucksache 31/18) Und selbst für den Fall, dass subsidiär Schutzbe- rechtigte irgendwann in ihre Herkunftsländer zu- Es gibt einige Wortmeldungen. Frau Ministerin rückgehen können: Von ihrer gewonnenen Bildung Heinold aus Schleswig-Holstein beginnt. und Ausbildung, von ihrer Arbeitsmarkterfahrung profitieren sie ein Leben lang – und damit auch das Monika Heinold (Schleswig-Holstein): Herr Präsi- Land, in das sie zurückkehren, das in der Regel Auf- dent, meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein bauhilfe und Know-how gut gebrauchen kann. legt Ihnen heute einen Antrag auf Anrufung des Ver- Doch derzeit ist an Rückkehr nach Syrien nicht zu mittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag denken. Ein baldiges Ende des Krieges ist nicht in vor. Grundlage dafür ist der schleswig-holsteinische Sicht. 2018 gehen die Kämpfe in das mittlerweile Jamaika-Koalitionsvertrag. Dort haben wir uns da- achte Jahr. Immer mehr Konfliktparteien stehen sich rauf verständigt, den Familiennachzug von subsidiär gegenüber. Die türkische Militäroffensive in Afrin geschützten Menschen positiv zu begleiten. verwandelte einen der letzten sicheren Zufluchtsorte Schleswig-Holstein, meine Damen und Herren, will innerhalb Syriens in eine Kampfzone, und besonders familienfreundlichstes Land werden, und das gilt für in Ost-Ghuta eskaliert die Gewalt weiter. Erst in der alle, die bei uns im echten Norden leben. Familien- letzten Woche erreichte uns von dort die schockie- freundlichkeit ist für uns nicht abhängig von der je- rende Nachricht von 250 Todesopfern und über weiligen Nationalität. Deshalb wollen wir auch dafür 1 000 Verletzten innerhalb von 48 Stunden. Verantwortung übernehmen, den Familiennachzug Der Familiennachzug wurde 2016 für subsidiär wieder zu ermöglichen. Schutzberechtigte für eine Zeitspanne von zwei Jah- Es geht, Sie wissen es, um die Gruppe der subsidiär ren ausgesetzt. Die Betroffenen haben sich darauf Schutzberechtigten, die in den letzten zwei Jahren verlassen, ja sie haben darauf gehofft, dass eine Zu- vom Familiennachzug ausgeschlossen war und die sammenführung mit ihren Familien nach Ablauf der nun, nach dem Willen des Bundestages, weiterhin Frist endlich möglich ist. Diese Hoffnung dürfen wir ausgeschlossen sein soll, bis die große Koalition, wenn nicht enttäuschen. In unserem schleswig-holsteini- sie denn zustande kommt, eine neue Regelung über schen Jamaika-Bündnis haben wir uns darauf ver- Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 33 Monika Heinold (Schleswig-Holstein) (A) (C) ständigt, dass wir uns dieser humanitären Verantwor- auf Familiennachzug für diesen Personenkreis soll es tung stellen. nicht mehr geben.

Unser Jamaika-Bündnis ist ein sehr besonderes Damit ist ein wichtiger Schritt getan für mehr Be- Bündnis. Wir hören einander zu, tauschen Argumente grenzung und mehr Ordnung bei der Zuwanderung. aus und setzen um, was einzelnen Bündnispartnern Das ist auch dringend erforderlich; denn die Integra- besonders wichtig ist. Dazu gehört für uns das klare tionsfähigkeit unserer Gesellschaft ist begrenzt. Das Bekenntnis zum Familiennachzug. sehen wir schon jetzt in vielen Bereichen, ganz aktu- Deutschland hat seit Beginn der Flüchtlingskrise ell im Zusammenhang mit den Problemen bei der Es- Hunderttausende Schutzsuchende aufgenommen. sener Tafel. Oder schauen wir in unsere Gefängnisse: Bund, Länder und Kommunen haben gemeinsam ei- Als Justizminister bekomme ich hier hautnah mit, mit nen finanziellen Kraftakt bewältigt, um Versorgung welchen Herausforderungen unsere Anstalten durch und Unterbringung sicherzustellen und Integrations- einen signifikant gestiegenen Ausländeranteil kon- maßnahmen anzukurbeln. Die Bürgerinnen und Bür- frontiert sind. ger haben mit angepackt und helfen noch immer mit Meine Damen und Herren, wir wollen die aner- unermüdlichem Engagement mit. Sie unterstützen kannten Flüchtlinge vernünftig integrieren und ih- die Flüchtlinge im Alltag, ob bei Behördengängen nen vernünftige Lebensbedingungen bieten. Das ist oder beim Erlernen der Sprache. unsere Verantwortung. Dieser Verantwortung kön- Meine Damen und Herren, der Bundesrat hat heute nen wir aber nur dann vernünftig gerecht werden, die Chance, ein deutliches Zeichen zu setzen: für wenn sie uns als Gesellschaft nicht überfordert. Ver- Humanität und Familienfreundlichkeit, für eine Will- antwortung zu übernehmen heißt deshalb auch, die kommenskultur, die letztendlich der gesamten Ge- Zuwanderung, den Familiennachzug zu begrenzen. sellschaft zugutekommt. Davon bin ich zutiefst über- Sonst sind wir als Gesellschaft irgendwann überfor- zeugt. dert, und damit ist keinem geholfen.

Für unser Land Schleswig-Holstein bitte ich um Zu- Beim Familiennachzug müssen wir zwischen Per- stimmung zur Anrufung des Vermittlungsausschus- sonen unterscheiden, die als politisch verfolgte ses. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurden und somit eine längerfristige Blei- beperspektive haben, sowie solchen, die aufgrund Präsident Michael Müller: Vielen Dank! des Bürgerkriegs in Syrien einen sogenannten subsi- Als Nächster hat das Wort Herr Staatsminister Pro- diären Schutzstatus erhalten haben. Diese Unter- fessor Dr. Bausback aus Bayern. scheidung ist wichtig, da wir sowohl eine humanitäre (B) Verantwortung gegenüber den Schutzberechtigten (D) haben als auch die Verantwortung, unsere Gesell- Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern): Herr Präsi- schaft bei der Integration nicht zu überfordern. dent! Hohes Haus! Verantwortung im Zusammen- hang mit der Migrationsentwicklung heißt für uns Vor dem Hintergrund der großen Zahl an aner- dreierlei: zum Ersten Integration möglich machen, kannten Flüchtlingen, gerade aus Syrien, die durch zum Zweiten Migration, Zuzug kontrollieren und be- internationales und europäisches Recht einen An- grenzen und zum Dritten – nach außen – Fluchtursa- spruch auf Familiennachzug haben, gibt es noch eine chen bekämpfen und vor Ort helfen. hohe Zahl an offenen Anträgen auf Familiennachzug, die derzeit bearbeitet werden. Zusätzlich zu den be- Meine Damen und Herren, das vorliegende Gesetz reits eingereisten Familien von anerkannten Flücht- behandelt ein zentrales Thema der aktuellen Debatte lingen werden für all diese Menschen Wohnungen, um die Steuerung und Begrenzung der Migration: Kindergartenplätze, Beschulungsmöglichkeiten und die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär so weiter benötigt. Dies stellt auch ein wirtschaftsstar- Schutzberechtigten. Durch dieses Gesetz wird auf- kes Land wie das unsere vor gewaltige Herausforde- grund der Vereinbarungen in den Koalitionsgesprä- rungen. Durch die völlige Aufhebung der Aussetzung chen die Aussetzung des Familiennachzugs zunächst des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtig- weiter verlängert. Durch ein Auslaufen der bisheri- ten würden diese Herausforderungen noch um ein gen Regelung hätte ab Mitte März ohne weitere Ein- Vielfaches zunehmen. schränkung ein zahlenmäßig kaum zu prognostizie- render Nachzug eingesetzt. Meine Damen und Herren, wir haben auch gegen- Folgende Zahlen verdeutlichen dies: Seit Beginn über unseren Bürgerinnen und Bürgern große He- der Aussetzung im April 2016 bis einschließlich De- rausforderungen zu bewältigen. Wir dürfen nicht ver- zember 2017 wurde insgesamt 250 438 Personen sub- gessen, dass wir auch gegenüber den anerkannten sidiärer Schutz zuerkannt. Mit anderen Worten: So Flüchtlingen und deren Familienangehörigen eine viele Personen wären grundsätzlich berechtigt, ihre Verpflichtung haben, ausreichende Integrationska- Familie nachzuholen. pazitäten zur Verfügung zu stellen. Zudem hat der Bundestag beschlossen, dass ab Hohes Haus! Eine Rückkehr zum ungebremsten 1. August 2018 monatlich nur bis zu 1 000 Familien- Familiennachzug darf es daher nicht geben. Dafür angehörigen von subsidiär Schutzberechtigten der hätten auch unsere Kommunen und unsere Bürgerin- Nachzug erlaubt werden soll. Einen Rechtsanspruch nen und Bürger keinerlei Verständnis. Weitere Ver- 34 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) (A) (C) zögerungen durch Anrufung des Vermittlungsaus- Ein erster Grund könnte sein, dass die Menschen schusses gingen an der Wirklichkeit vorbei. mit dem Rechtsstatus als „subsidiär schutzbedürftig“ und ihre Familienangehörigen weniger schutzbe- dürftig sind als andere Schutzsuchende. Andere Präsident Michael Müller: Vielen Dank! Schutzsuchende, insbesondere Flüchtlinge im Sinne Als Nächster hat das Wort Herr Minister Professor der Genfer Flüchtlingskonvention, können ihre Kern- Dr. Hoff aus Thüringen. familie uneingeschränkt nachholen. Häufig aber ist die juristische Abgrenzung zwischen dem Status als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention, Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff (Thüringen): der einen uneingeschränkten, sogar privilegierten Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Präsi- Familiennachzug ermöglicht, und dem Status als dent! Kernbestandteil der Politik von Bund und Län- „subsidiär Schutzberechtigter“ – ohne jede Möglich- dern ist die Stärkung von Familien. keit des Familiennachzugs – nicht eindeutig. Das zei- Anders als Sie, lieber Professor Bausback – ich bin gen zumindest die vielen erfolgreichen Klagen von ganz froh, dass ich nach Ihnen sprechen kann, weil subsidiär Schutzberechtigten auf „Höherstufung“ dadurch die Bandbreite der hier im Haus vertretenen oder Anerkennung als Flüchtling nach der Genfer Positionen noch deutlicher wird –, ordne ich das Flüchtlingskonvention. Thema Familiennachzug nicht in das Feld der Be- Anders als es der Begriff „subsidiärer Schutz“ grenzung der Zuwanderung ein, sondern in das Feld möglicherweise nahelegt, sind die Fluchtgründe bei der Erleichterung von Integration, also in das erste subsidiär Schutzberechtigten keineswegs schwächer der von Ihnen eingangs genannten Ziele. als bei Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskon- Immer wieder setzen wir alle uns für die Rechte vention. Den Status als „subsidiär Schutzberechtig- von Kindern und Familien ein, in den einzelnen Län- ter“ erhält bekanntlich nur, wem im Herkunftsland dern, aber auch im Bundesrat. Dabei sind wir uns üb- die Todesstrafe, Folter oder willkürliche Gewalt in- licherweise einig über die Ziele: Wir wollen ein ho- nerhalb eines bewaffneten Konflikts drohen. hes Maß an Schutz, eine starke Unterstützung für Auch die Bleibeperspektive von Menschen mit Familien und Kinder. Das zeigen nicht zuletzt die an- dem Status als „subsidiär Schutzberechtigter“ ist die haltenden Bemühungen in diesem Haus, Kinder- gleiche wie bei Flüchtlingen nach der Genfer Flücht- rechte im Grundgesetz zu verankern. lingskonvention. Das entspricht auf der einen Seite der menschen- Das heißt, Sachgründe dafür, die subsidiär Schutz- rechtlichen Lage. So stellen nicht nur die Landes- berechtigten gegenüber anderen Schutzberechtig- verfassungen und das Grundgesetz Kinder und ten in einem so wichtigen Punkt wie dem Zusam- (B) (D) Familien unter besonderen Schutz. Auch die Grund- menleben mit den Eltern, Ehepartnern oder Kindern rechtecharta der Europäischen Union, die Europäi- zu benachteiligen, gibt es aus meiner Sicht, wie ich sche Menschenrechtskonvention und mehrere völ- hier dargestellt habe, nicht. kerrechtliche Verträge erklären das Zusammenleben von Ehepartnern und die Gemeinschaft von Kindern Ein zweiter Grund könnte die auch von Professor mit ihren Eltern zu einem grundlegenden Menschen- Bausback genannte Integrationsfähigkeit unseres recht. Landes sein. Das ist ein Thema, zu dem wir nicht ein- fach sagen können: Sie übertreiben! Wir wissen von Das Bundesverfassungsgericht betrachtet die Frage, jedem Bürgermeister unserer Kommunen, von ganz ob die Aussetzung des Kindernachzugs mit Artikel 6 vielen Ehrenamtlichen, Freiwilligen Feuerwehren Grundgesetz vereinbar sei, in einem Eilbeschluss vom und anderen, dass das Thema Integration und Auf- 1. Februar dieses Jahres als offen. nahmefähigkeit quer durch die Bevölkerung geht. Diese Haltung entspricht zum anderen der Über- Professor Bausback, ich bin Ihnen dankbar dafür, zeugung, dass Kinder besonders schutzbedürftig dass Sie es immer wieder ansprechen; wir tun es sind. Ihrem Wohl dient es, wenn irgend möglich bei auch. Wir müssen uns auch diesem Themenfeld wid- ihren Eltern aufzuwachsen. Wir sind uns einig, dass men. Kinder versorgt sein sollen. Sie sollen sich zugleich Es liegt auf der Hand, dass alle diejenigen, die die um das Leben ihrer Eltern nicht sorgen müssen. Auch Integration verbessern wollen, den Familiennachzug die Gemeinschaft von Ehepartnern achten wir als zu Menschen, die in Deutschland leben, fördern müs- grundlegendes menschliches Bedürfnis. sen. Darauf hat jeder einen unterschiedlichen Blick. Unserer Politik für Kinder und Familien wider- Ich bin mir sicher – viele, die in Thüringen im Bereich spricht es meiner Ansicht nach, einer Gruppe hier le- der Integration tätig sind, sind sich ebenfalls sicher –, bender Menschen und deren Angehörigen das Zu- dass die Integration leichter ist, wenn die Familien- sammenleben für lange Zeit oder häufig faktisch zusammenführung gelingt. Umgekehrt erschwert es endgültig zu verweigern. die Trennung von ihrer Kernfamilie geflüchteten Menschen erheblich, sich auf ein Leben in Deutsch- Sehr geehrte Damen und Herren, jetzt ist natürlich land einzulassen. Im ersten Redebeitrag ist das schon zu schauen, ob es gute Gründe gibt, bei der Gruppe angesprochen worden. der subsidiär Schutzbedürftigen von der generellen Haltung gegenüber Kindern und Familien, die ich so- Hinzu kommt, dass wir unterschiedliche Wahrneh- eben dargestellt habe, abzuweichen. mungen haben, von wie vielen Personen wir in diesem Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 35 Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff (Thüringen) (A) (C) Feld tatsächlich reden. Lieber Professor Bausback, Sie des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberech- haben in Ihrer Rede die absolute Zahl der subsidiär tigte, also de facto vor allem für Geflüchtete aus den Schutzbedürftigen genannt. Das Forschungsinstitut Bürgerkriegsregionen, etwa in Syrien, stellt die Men- der Bundesagentur für Arbeit – IAB – hat mit empiri- schen vor die grausame und unmenschliche Ent- schen Methoden, unter anderem Befragungen, eine scheidung, entweder mit ihren Familien unter extre- Zahl von insgesamt 50 000 bis 60 000 Menschen er- men Bedingungen – im Bombenhagel – zu bleiben rechnet, die für den Familiennachzug in Frage kämen. oder sie dort zurückzulassen. Wir wissen auch aus den Erfahrungen der vergan- Die Aussetzung reißt Lebenszusammenhänge dort genen Jahre, dass nicht alle, die theoretisch einen auseinander, wo sie Menschen Halt geben sollen, die solchen Antrag stellen könnten, dies, selbst wenn sie sonst alles verloren haben. es wollten, tun können. Für eine Reihe von Men- schen aus Syrien bedeutet das Stellen eines solchen Die Aussetzung zwingt unschuldige Zivilisten, mit- Antrags, zunächst einmal in eines der Nachbarländer ten in den tödlichen Auseinandersetzungen der zu kommen und dort einen Termin bei der Botschaft Kriegsparteien zu verharren. zu erhalten. Das heißt, selbst wenn wir den Familien- Die Aussetzung des Familiennachzugs verletzt nachzug nicht aussetzen würden, kämen in den Grund- und Menschenrechte, insbesondere der nächsten Monaten 50 000 bis 60 000 Menschen nach Kleinsten unter uns. So sieht etwa die Kinderrechts- Deutschland. Mitunter kommt es zu jahrelangen konvention vor, dass das Kindeswohl bei Gesetzge- Wartezeiten auf einen Termin zur Antragstellung in bungsverfahren vorrangig zu behandeln ist. der deutschen Auslandsvertretung. Allein diese Per- spektive, diese Hoffnung würde für viele Menschen, Da hilft auch die vorgesehene Kontingentierung auf die sich hier in Integrationsangeboten befinden und 1 000 Personen pro Monat nichts, die dann doch die mit ihren Gedanken bei ihren Familien in ande- nachgeholt werden sollen. Diese ist nicht human, son- ren Ländern sind, einen Integrationsschub bedeuten. dern zynisch. Und die Kontingentierung wirft erheb- Wir wissen auch um die Bearbeitungszeit bis zur be- liche rechtliche Bedenken mit Blick auf den Gleich- hördlichen Visaentscheidung. heitsgrundsatz und den Schutz vor willkürlicher Ungleichbehandlung nach Artikel 3 Absatz 1 des Der Zuzug zu subsidiär Schutzberechtigten würde Grundgesetzes auf. Wer bestimmt denn, nach wel- sich also, selbst wenn wir in diesem Feld Einigkeit chen objektiven Kriterien wer zu den 1 000 gehört herstellen könnten, auf einem Niveau bewegen, das und wer nicht? Wer entscheidet, welcher Teil einer die hier lebende Gesellschaft nicht überbelastet. Wir fünfköpfigen Familie im Krieg bleiben muss, wenn wissen – wir kennen Beispiele aus vielen kommuna- vorher schon 998 Menschen nach dieser Ausnahme len Einrichtungen –: Trotzdem müssen wir jeden Tag nach Deutschland gekommen sind? (B) auch dafür sorgen, die bestehenden Belastungen zu- (D) rückzuführen. Diese Ausnahmeregelung zwingt die Botschaften und Ausländerbehörden, bei Menschen insbesondere Aus meiner Sicht gibt es im Lichte des von mir Dar- aus Kriegsregionen nach „Härtegraden“ der vorlie- gestellten keine Gründe, subsidiär Schutzberechtig- genden humanitären Gründe für die Notwendigkeit ten den Familiennachzug noch länger zu versagen. der Familienzusammenführung zu differenzieren. Im Gegenteil, nach meiner Auffassung sprechen Zudem muss eine Steuerung der Einreiseverfahren menschenrechtliche Erwägungen, aber auch die Mit- aller Botschaften erfolgen, die wiederum bürokrati- menschlichkeit ebenso für den Familiennachzug wie sche Hürden schafft. die besseren Chancen auf eine erfolgreiche Integra- tion. Das Gesetz wirft weiter erhebliche Bedenken be- züglich der Rechtsklarheit auf. Der Anspruch auf Der Ministerpräsident Thüringens legt in jeder De- Familiennachzug für subsidiär Geschützte steht näm- batte zur Integrationspolitik großen Wert auf die Fest- lich weiterhin in § 29 Absatz 2 des Aufenthaltsgeset- stellung, dass wir uns in einem Spannungsverhältnis zes. Parallel soll im neuen § 104 Absatz 13 des Auf- bewegen zwischen dem Erfordernis, die Integration enthaltsgesetzes stehen, dass dieser Anspruch nicht zu erleichtern, und dem Grundsatz, dass Integration besteht – was widersprüchlich ist. keine Einbahnstraße sein kann, sondern Regeln für alle hier Lebenden zu gelten haben. In diesem Sinne Dazu kommt, dass wir alle wissen, wie wichtig der bitte ich Sie, von einer weiteren Aussetzung des Fa- soziale Nahbereich – oder, wie es Konservative gern miliennachzugs im Sinne einer guten und ausgewo- haben, die vertraute Familie – dafür ist, dass Men- genen Gesamtlösung im Feld der Integration abzuse- schen in ihrem Tun und Handeln gefestigt sind. Wie hen. – Vielen Dank. soll denn soziale und gesellschaftliche Integration funktionieren, wenn wir Geflüchteten nicht die Chance geben, ihre Nächsten um sich zu haben? Präsident Michael Müller: Vielen Dank, Herr Mi- nister! Schleswig-Holstein ist zu danken, den Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses heute hier Das Wort hat Herr Bürgermeister Dr. Lederer aus gestellt zu haben. Ob es nun christliche Nächsten- Berlin. liebe oder integrationspolitische Vernunft ist – ich bin Frau Ministerin Heinold dankbar, dass sie noch ein- Dr. Klaus Lederer (Berlin): Sehr geehrter Herr Prä- mal darauf hingewiesen hat, dass es hier darum geht, sident! Meine Damen und Herren! Die Aussetzung Hoffnung nicht zu enttäuschen, die durch die Ausset- 36 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 Dr. Klaus Lederer (Berlin) (A) (C) zung seit einigen Jahren erst einmal in die Zukunft die Wand gemalte Gespenst eines ungezügelten, un- gestellt worden ist. Aber es ist nie gesagt worden: gebremsten Zuzugs eine absurde Annahme ist –, ein Wir schließen das für alle Zukunft und immer aus. hoher sein wird. Denn Integration ist nicht vorausset- zungslos machbar. Wir müssen sie ermöglichen. Dazu Meine Damen und Herren, die weitere Aussetzung wird hier heute eine Chance vergeben. des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberech- tigte ist falsch. Und genau deshalb steht in den Richt- Die Verlängerung der Aussetzung bedient einen linien der Berliner Regierungspolitik, die der Regie- Diskurs in unserer Gesellschaft, dass Geflüchtete rende Bürgermeister auf der Grundlage unseres prinzipiell und ausschließlich ein Problem seien. Ich Koalitionsvertrags verfasst und die das Berliner Abge- befürchte, dass das Wasser auf die Mühlen rassisti- ordnetenhaus vor rund einem Jahr gebilligt hat – ich scher Mobilisierer sein wird. Ich hoffe, dass perspek- zitiere mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident –: tivisch die integrationspolitische Vernunft wieder Mit einer Bundesratsinitiative mit dem Ziel der mehr Gehör findet. – Herzlichen Dank. Erweiterung des Familiennachzuges auf sons- tige Angehörige, insbesondere Verwandte zwei- Präsident Michael Müller: Vielen Dank, Herr ten Grades (d. h. Eltern u. a.) und volljährige Dr. Lederer! Kinder soll neben der Ausschöpfung landes- rechtlicher Möglichkeiten der Familiennachzug Das Wort hat Frau Staatssekretärin Dr. Haber für erleichtert werden. Dabei bleiben die Vorausset- das Bundesministerium des Innern. zungen zur Sicherung des Lebensunterhalts un- berührt. Die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige wird abgelehnt. Dr. Emily Haber, Staatssekretärin im Bundesminis- Das Landesprogramm für syrische Flüchtlinge terium des Innern: Sehr geehrter Herr Präsident! wird weitergeführt und auf irakische Flüchtlinge Meine Damen und Herren! Familiennachzug – das ist ausgedehnt. ein Thema, das in den letzten Wochen zu intensiven, teilweise auch zu sehr emotionalen Diskussionen ge- Ähnliches steht auch im Koalitionsvertrag Schles- führt hat, nicht nur im Bundestag und über die Me- wig-Holsteins, auf dessen Grundlage die Kolleginnen dien, sondern auch bei vielen Menschen, in Freun- und Kollegen heute in der Sache völlig zu Recht den des- und Familienkreisen. Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses stellen. Uns eint das Ziel, das im Antrag formuliert Das zeigt deutlich, dass unter sehr unterschiedli- ist, die Aussetzung des Familiennachzugs in § 104 chen Gesichtspunkten und aus sehr unterschiedli- Absatz 13 Aufenthaltsgesetz nicht über den 16. März chen Richtungen darauf geschaut wird, wie die künf- hinaus zu verlängern. tige Regelung zum Familiennachzug für subsidiär (B) Schutzberechtigte ausgestaltet sein wird. Deswegen (D) Ob in den Koalitionsverträgen in Schleswig-Hol- ist es wichtig, dass wir eine ausgewogene rechtliche stein oder Berlin oder im Thüringer Kabinettsbe- Lösung für den Familiennachzug schaffen, die die schluss zur Integrationspolitik oder in anderen Ver- Interessen der Schutzsuchenden, aber auch die Inte- einbarungen der Länder: Wir haben es uns als Länder grationsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zur Aufgabe gemacht, Integration zu leisten, zu för- und der hier lebenden Menschen berücksichtigt. dern, zu ermöglichen. Wir wollen als Länder eine hu- Eine derartige Regelung benötigt Zeit, damit wir die mane Flüchtlingspolitik gestalten. verschiedenen Gesichtspunkte gründlich prüfen kön- Diese Länderinteressen sollten heute hier im Bun- nen. desrat nicht nur in Schleswig-Holstein oder in Thü- ringen im Vordergrund stehen. Heute sollte es nicht Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberech- um parteitaktisch motivierte Ergebenheitsadressen tigten wurde vor fast zwei Jahren ausgesetzt, um den an eine mögliche kommende Bundesregierung ge- Zuzug besser steuern zu können und ihn im Hinblick hen, zu deren Vorboten dieses rechtstechnisch feh- auf die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft zu lerhafte, widersprüchliche, inhumane und integra- begrenzen. tionsverhindernde Gesetz gehört. In diesem Zusammenhang möchte ich an die Las- Umso bedauerlicher ist es, dass es Berlin heute nicht ten erinnern, die gerade Sie in den Bundesländern zu gelingt, seine landespolitisch geeinte Haltung hier in tragen haben. In den Kommunen werden Wohnraum, der Abstimmung zum Ausdruck zu bringen, weil die Deutschkurse, Kindertagesplätze, Schulplätze für die Fliehkräfte einer kommenden Koalition im Bund jen- Schutzsuchenden zur Verfügung gestellt, um die seits des hohen Nordens der Republik offenbar schon Grundversorgung der Ankommenden zu sichern und zu wirkmächtig sind. Es ist bedauerlich, dass die Ab- ihnen ein Ankommen erst einmal zu ermöglichen. stimmungsregel bei Dissens der drei Koalitionspart- Das ist eine enorme Kraftanstrengung, die in den ver- ner hier stärker gewichtet wird als das klare Bekennt- gangenen Jahren geleistet worden ist. nis zum Familiennachzug, das die Richtlinien unserer Diese Kapazitäten – nicht nur finanziell, sondern Regierungspolitik enthalten. auch im Hinblick auf den gesellschaftlichen Zusam- Und ich befürchte, dass der Preis, den wir hierfür menhalt – stoßen an Grenzen. Deswegen ist es im zahlen werden – 3 500 Menschen sind es in Berlin; Hinblick auf die Integrationsfähigkeit der Gesell- Kollege Hoff hat schon darauf hingewiesen, dass die schaft wichtig festzulegen, wer in die Bundesrepu- Zahlen deutlich zu relativieren sind und dass das an blik Deutschland kommen kann. Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 37 Staatssekretärin Dr. Emily Haber (A) (C) Klar ist: Zuzug soll auf legalem Wege erfolgen. Einige Bundesländer, wie wir heute gehört haben, Auch dem dient eine eindeutige Regelung zum Fami- sehen in dem heute zu beratenden Gesetz eine Rege- liennachzug. lung, die keine Rechtssicherheit schaffe, da die Ein- zelheiten noch nicht feststünden, und daher sei eine Weiterhin ungehindert können Familienangehörige Überarbeitung des Gesetzes dringend notwendig. von Personen nachziehen, die eine langfristige Per- spektive haben, in Deutschland zu bleiben. Eine Was wäre denn die Alternative? Die Aussetzung langfristige Perspektive haben Flüchtlinge, die nach des Familiennachzugs würde ohne eine Neuregelung der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurden, zum 16. März 2018 auslaufen. Das wäre für mich und Asylberechtigte. Allein aus dieser Personen- keine Alternative. Belastbare Zahlen, wie viele Men- gruppe haben wir für syrische und irakische Staatsan- schen dann einen Antrag auf Familienzusammenfüh- gehörige zwischen Anfang 2015 und September 2017 rung stellen würden und mit welchem Zuzug wirk- über 120 000 Menschen die Einreise nach Deutsch- lich zu rechnen wäre, gibt es nämlich nicht. Unser land gewährt, und zwar trotz parallel hoher Zuzugs- Anliegen ist es daher, Planungssicherheit über die im zahlen. Bundesgebiet Ankommenden zu schaffen, gerade auch im Hinblick auf die begrenzten Kapazitäten in Subsidiär Schutzberechtigten dagegen steht nur den Ländern. ein temporäres Aufenthaltsrecht zu. Sie werden die Bundesrepublik in aller Regel nach Beruhigung der Die Steuerung des Zuzugs von Ausländern ist drin- Konfliktsituation wieder verlassen müssen. Vor die- gend geboten. Sie ist das legitime Interesse eines je- sem Hintergrund erklären sich auch die unterschied- den Staates. Daher haben sich die Fraktionen von lichen Regelungen zum Familiennachzug. Nur für die CDU/CSU und SPD auf eine Begrenzung des Fa- subsidiär Schutzberechtigten wurde der Familien- miliennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte auf nachzug ausgesetzt. 1 000 Personen monatlich verständigt. Wir werden zeitnah einen Vorschlag für eine verlässliche und Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung ausgewogene Regelung vorlegen. Ich würde mich für die subsidiär Schutzberechtigten sehr bewusst. freuen, wenn mit Blick hierauf etwaige Bedenken zu- Sie stellt sich ihrer Verantwortung auf der Grundlage rückgestellt werden könnten. – Vielen Dank. der internationalen und europarechtlichen Regelun- gen und auf der Grundlage des Grundgesetzes. Für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtig- Präsident Michael Müller: Vielen Dank! ten besteht nach ganz überwiegender Auffassung Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. keine Verpflichtung aus dem Völker- und Europa- recht oder aus dem Grundgesetz. Bis Mitte 2015 gab Zur Abstimmung liegt Ihnen ein Antrag Schleswig- es bei uns gar keinen Anspruch darauf. Holsteins auf Anrufung des Vermittlungsausschusses (B) vor. (D) Die Aussetzung des Familiennachzugs war daher rechtlich zulässig. Dies umso mehr, als es über die Wer für die Anrufung des Vermittlungsausschusses Härtefallregelung des § 22 Aufenthaltsgesetz trotz ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist eine der Aussetzung des Familiennachzugs in besonderen Minderheit. Härtefällen möglich ist, dass Familienangehörige in Dann stelle ich fest, dass der Bundesrat zu dem Ge- die Bundesrepublik Deutschland nachziehen. Gel- setz den Vermittlungsausschuss nicht angerufen tend machen können dies Familienangehörige, die hat. sich in einer besonderen Notlage befinden. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2: In diesem Spannungsfeld ist die vorliegende Rege- lung zur Verlängerung der Aussetzung des Familien- Entwurf eines Gesetzes über die Finanzierung nachzugs für subsidiär Schutzberechtigte entstanden. der Beseitigung von Rüstungsaltlasten in der Was wollen wir mit der gesetzlichen Neuregelung er- Bundesrepublik Deutschland (Rüstungsaltlas- reichen? tenfinanzierungsgesetz – RüstAltlFG) – Antrag der Länder Brandenburg, Niedersachsen ge- Erstens. Der Familiennachzug für subsidiär Schutz- mäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 43/18) berechtigte soll noch einmal für wenige Monate, längstens bis zum 31. Juli 2018, ausgesetzt werden. Dem Antrag ist Sachsen-Anhalt beigetreten. Dieser und die unter den Tagesordnungspunkten 3, Zweitens. Ab dem 1. August 2018 – und dies ist im 4, 5, 19, 20 und 24 zu behandelnden Gesetzesanträge Gesetz verbindlich festgeschrieben – können monat- haben Gesetzentwürfe zum Inhalt, die der Bundesrat lich bis zu 1 000 Aufenthaltstitel für Familiennachzug schon in der 18. Wahlperiode beim Deutschen Bun- zu subsidiär Schutzberechtigten erteilt werden, so- destag eingebracht hat. Sie sind der Diskontinuität fern bis zu diesem Zeitpunkt keine gesetzliche Neu- unterfallen. regelung vorliegt. In allen Fällen haben erneute Ausschussberatun- Drittens. Es wird eine Verpflichtung zur Schaffung gen nicht stattgefunden. Über die Punkte wird ent- einer Neuregelung des Familiennachzugs mit folgen- sprechend den Vorberatungen einzeln abgestimmt. den Eckpunkten aufgenommen: 1 000 Aufenthalts- titel monatlich aus humanitären Gründen. Die Ein- Es liegt mir zuvor eine Wortmeldung von Minister zelheiten hierzu sollen noch gesetzlich festgelegt Schröter aus Brandenburg vor. Herr Minister, Sie ha- werden. ben das Wort. 38 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018

(A) (C) Karl-Heinz Schröter (Brandenburg): Herr Präsi- dem diese von den Bombenkörpern abgetrennt wa- dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ren, sind viele von ihnen auf dem Weg zum Spreng- Krieg hat einen langen Atem. Nach über 70 Jahren platz detoniert. Es weiß niemand wirklich, warum sie sind die Folgen des Zweiten Weltkriegs noch immer so lange nicht auslösten. zu spüren. So gehen noch heute von nicht geborge- ner und unschädlich gemachter Munition bezie- Und immer noch stehen in Brandenburg neben hungsweise von Kampfmitteln erhebliche Gefahren rund 200 000 Hektar Militär- und Konversionsflächen aus. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, und die Uhr tickt. über 350 000 Hektar zivil genutzter Flächen unter Kampfmittelverdacht. Wie viele Weltkriegsbomben bundesweit noch im Boden liegen, ist nicht exakt bekannt. Ich kenne Meine Damen und Herren, das ist die Situation in keine belastbaren Daten. Schätzungen gehen bun- einem einzigen Bundesland. Über 70 Jahre nach dem desweit von circa 100 000 unentdeckten Blindgän- Ende des Kriegs ist das eigentlich kein hinnehmbarer gern aus. Viele davon sind mit chemischen Langzeit- Zustand. zündern ausgestattet. Gestaffelt, Minuten oder erst Warum brauchen die Länder dringend ein Rüs- viele Stunden nach ihrem Abwurf, sollten sie detonie- tungsaltlastenfinanzierungsgesetz? Die Kostenüber- ren. Sie waren damals eine technische Innovation nahme des Bundes beschränkte sich bis vor kurzem und deshalb auch sehr störanfällig. So explodierten aufgrund der sogenannten angeblich bewährten viele Bomben nicht wie beabsichtigt nach Tagen, son- Staatspraxis auf die „reichseigene Munition“. Damit dern gar nicht. Damals ein Segen, heute ein Fluch! scheiden Bergungs- und Vernichtungskosten für So kommt es, dass sie noch heute im wahrsten Kampfmittel der früheren Alliierten aus. Es sind aber Sinne des Wortes als tickende Zeitbomben in der gerade diese Kampfmittel, die uns die größten Sor- Erde liegen. Langzeitbomben sind die gefährlichsten gen und finanziellen Aufwendungen bereiten. Altlasten, weil sie ohne Fremdeinwirkung jederzeit Nicht nur Brandenburg und Niedersachsen als An- auslösen können. tragsteller sind betroffen. Die zunehmend gefährlich Allein in Oranienburg bei Berlin werden noch im- und aufwendig werdenden Bergungen von Blindgän- mer 300 Großbomben vermutet, circa die Hälfte mit gern betreffen alle Bundesländer. Deshalb ist die Ini- jenen chemischen Langzeitzündern ausgestattet. Bis- tiative im Interesse aller 16 Bundesländer und bedarf lang kam es allein in dieser Stadt fünf Mal zu Selbst- ihrer Unterstützung. detonationen – bislang gottlob ohne Personenschä- In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Vor- den. stöße der Länder in Form von Bundesratsinitiativen, Sprengstoff ist aber nicht nur hochexplosiv, sondern den Bund stärker an den Kosten der Bergung auch (B) vergiftet auch die Böden und das Wasser, wenn er aus- von alliierten Blindgängern zu beteiligen, zuletzt im (D) tritt. TNT ist hochexplosiv, giftig, aber schwer wasser- Jahr 2014. Diese Initiativen folgten der Überlegung, löslich. Kommt TNT mit der Umwelt in Verbindung, dass es sich bei der endgültigen Beseitigung der ex- baut es sich um, und zwar zu ADNT. Dadurch wird die plosiven Altlasten des Zweiten Weltkriegs in erster Lage aber nicht besser, sondern eher schlechter; denn Linie um eine nationale Aufgabe handelt, nicht vor- ADNT ist leichter wasserlöslich. Es stellt somit auf- rangig um eine Aufgabe der Länder oder der Ge- grund seiner Giftigkeit und der hohen Wasserlöslich- meinden. Eine, wie ich finde, sehr einleuchtende und keit eine ernsthafte Umweltgefahr dar, insbesondere überzeugende Logik! für unser Trinkwasser. Allerdings wurden alle Gesetzentwürfe vom Bun- Tatsächlich besitzen organische Nitroverbindungen destag entweder abgelehnt oder fielen am Ende der eine erhebliche Giftwirkung, die oftmals sogar höher Wahlperiode der Diskontinuität anheim. Wir dürfen ist als die ihrer Ausgangssubstanzen. Auch hier ist es aber in unseren partei- und länderübergreifenden also lediglich eine Frage der Zeit, bis erhebliche Um- Bemühungen nicht nachlassen. Deshalb nun erneut weltschäden und Gefährdungen für Mensch und Tier der Vorstoß. zu beklagen sind. Parallel sollten wir meines Erachtens alles daranset- Aufgrund der Kampfhandlungen im Zweiten Welt- zen, dass die Richtlinie des Bundes vom 16. November krieg und der großflächigen Bombardierungen von 2016 in jedem Fall verstetigt und finanziell besser aus- Städten sind alle Bundesländer mehr oder weniger gestattet wird. Denn wir können leider nicht sicher betroffen. Ein kurzer Blick auf die Situation in Bran- sein, dass unsere Gesetzesinitiative vom Deutschen denburg: Bundestag so beschlossen wird. Dazu gab es in letzter Zeit zu viele Enttäuschungen. Die bestehende Richt- Brandenburg hat von 1991 bis 2017 über 380 Milli- linie ist also fortzuschreiben. Ihre Anwendungs- onen Euro für die Kampfmittelbeseitigung aufgewen- möglichkeiten sind zu verbessern. Der Finanzrahmen det. Davon wurde lediglich ein Drittel vom Bund er- muss aufgestockt werden. Sie war zweifelsohne ein stattet. Kompromiss, allerdings auch ein klarer Fortschritt. Eine Befristung der Richtlinie bis 2019 macht über- Fast 14 000 Tonnen Kampfmittel wurden aus dem haupt keinen Sinn. Boden geholt und unschädlich gemacht. Allein in der Stadt Oranienburg waren es über 200 Großbomben, Nach Lage der Dinge und nach Einschätzung aller die in dieser Zeit geborgen wurden, auch hier die Experten ist eine kontinuierliche Beteiligung des Hälfte mit den chemischen Langzeitzündern. Nach- Bundes zwingend erforderlich. Mit dem Rüstungsalt- Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 39 Karl-Heinz Schröter (Brandenburg) (A) (C) lastenfinanzierungsgesetz soll der bisher unbefriedi- Vor diesem Hintergrund hatte der Bundesrat auf gende Zustand einer Bundesbeteiligung nur bei Grund einer Initiative Niedersachsens im April 2014 „reichseigener Munition“ beendet und gesetzlich ge- einen Gesetzentwurf zur Änderung des Waffengeset- regelt werden. zes eingebracht. Schon damals wollten wir die Waf- fenbehörden verpflichten, im Verfahren der waffen- Es geht am Ende in keiner Weise darum, die Länder rechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung Informationen zu subventionieren oder Geld der Länder durch Geld bei den Verfassungsschutzbehörden einzuholen. des Bundes zu substituieren. Nein, es geht darum, schnell eine flächendeckende und umfassende Bom- Diese Gesetzesinitiative ist mehrfach dem Grund- benberäumung durchzuführen. Denn nur so können satz der Diskontinuität anheimgefallen. Die zugrunde wir den Wettlauf mit der Zeit gewinnen. liegende Problematik ist aber weiterhin aktuell, nicht zuletzt durch das Auftauchen der Reichsbürger, und Das muss über 70 Jahre nach dem Ende des Zwei- daher erneut einzubringen. ten Weltkriegs endlich gelingen. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte ich um Ihre Zu- Die Innenministerkonferenz hat im November 2016 stimmung zu dem vorliegenden Antrag. – Vielen beschlossen, dass eine tragfähige Lösung gefunden Dank. werden soll. Diese soll sicherstellen, dass die Waffen- behörden für die Zuverlässigkeitsprüfung berechen- Präsident Michael Müller: Vielen Dank, Herr Mi- bar Kenntnis davon erlangen, ob eine Person, die nister! eine Waffe besitzt oder den legalen Besitz einer sol- chen anstrebt, als Extremist eingestuft wird. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Je eine Erklärung zur Protokoll*) haben Minister Pistorius Nach derzeitiger Rechtslage werden extremistische (Niedersachsen) und Frau Ministerin Heinold Aktivitäten von Waffenbesitzern im Rahmen der Zu- (Schleswig-Holstein) abgegeben. verlässigkeitsprüfung nach § 5 Waffengesetz berück- sichtigt. Nach § 5 Absatz 2 Nummer 3 des Waffen- Wir kommen zur Abstimmung. Wir sind übereinge- gesetzes sind Personen, die sich offen gegen die kommen, bereits heute in der Sache zu entscheiden. verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedan- Wer dafür ist, den Gesetzentwurf erneut beim ken der Völkerverständigung stellen, waffenrechtlich Deutschen Bundestag einzubringen, den bitte ich um unzuverlässig. Damit sind diese Personen nicht be- das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. fugt, Waffen legal zu besitzen. Dann ist so beschlossen. Diese Vorschrift findet in der Praxis aber leider keine hinreichend systematische Anwendung. Denn das Wir sind übereingekommen, Herrn Minister Waffengesetz in seiner jetzigen Fassung verpflichtet (B) Schröter (Brandenburg) zum Beauftragten für die die Waffenbehörden im Rahmen der Zuverlässigkeits- (D) Beratungen im Deutschen Bundestag zu bestellen. prüfung lediglich dazu, eine unbeschränkte Auskunft Zur gemeinsamen Beratung rufe ich die Punkte 3 aus dem Bundeszentralregister, eine Auskunft aus und 22 auf: dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrens- register und eine Stellungnahme der örtlichen Polizei- 3. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Waf- dienststelle einzuholen. Ob ein Antragsteller aber fengesetzes – Antrag des Landes Niedersach- verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, ist auf sen gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache diesem Wege nicht zu erfahren, wenn er nicht zugleich 39/18) polizeilich oder strafrechtlich in Erscheinung getreten in Verbindung mit ist. 22. Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Ein umfassendes Bild kann sich also nur durch eine Waffengesetzes – Antrag des Landes Hessen systematische Einbeziehung der Erkenntnisse des gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 58/ Verfassungsschutzes ergeben. Nur die Verfassungs- 18) schutzbehörden verfügen in der Regel über vorge- nannte Informationen, die die Waffenbehörden bei Dem Antrag von Niedersachsen unter Punkt 3 ist der Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit Mecklenburg-Vorpommern beigetreten. dringend benötigen. Wortmeldungen liegen vor. Es beginnt Herr Minis- Um den Waffenbesitz von Personen aus dem extre- ter Pistorius aus Niedersachsen. mistischen Spektrum besser kontrollieren und ein- dämmen zu können, schlägt Niedersachsen erneut Boris Pistorius (Niedersachsen): Sehr geehrter vor, dass die Zuverlässigkeitsprüfung vor Erteilung Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits einer waffenrechtlichen Erlaubnis um eine Verpflich- die Ereignisse rund um die sogenannte Zwickauer tung zur Einholung von Informationen bei den Ver- Terrorzelle NSU haben in schrecklicher Weise ge- fassungsschutzbehörden ergänzt wird. Den Waffen- zeigt, dass rechtsextremistische Gewalttäter bereit behörden müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung sind, zur Durchsetzung ihrer Ziele Waffengewalt an- über die waffenrechtliche Erlaubnis im Einzelfall alle zuwenden. wesentlichen Erkenntnisse über die betreffende Per- son vorliegen. Mit der von Niedersachsen vorgeschlagenen Geset- *) Anlagen 1 und 2 zesänderung werden die Waffenbehörden endlich in 40 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 Boris Pistorius (Niedersachsen) (A) (C) die Lage versetzt, sich sämtliche im Sinne der Gefah- der gespeichert ist, regelmäßig zur Einstufung einer renabwehr notwendigen Informationen zu beschaf- waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit führen soll. fen. Dadurch wird nicht nur eine bestehende Rege- lungslücke, sondern vor allem eine Sicherheitslücke Denn was nützt der Waffenbehörde die Information, geschlossen. – Vielen Dank. dass die Verfassungsschutzbehörden der zuständigen Waffenbehörde einschlägige Erkenntnisse im Rahmen der Regelabfrage übermitteln, wenn diese Erkennt- Präsident Michael Müller: Vielen Dank! nisse waffengesetzlich nicht die Versagung oder den Widerruf einer Erlaubnis rechtfertigen? Wenn wir un- Als Nächster hat Staatsminister Beuth (Hessen) das ser Ziel, Extremisten zu entwaffnen, wirklich errei- Wort. chen wollen, muss unser Waffengesetz auch derart ausgestaltet sein, dass die Prüfung, Kontrolle und Peter Beuth (Hessen): Herr Präsident! Meine sehr Durchsetzung eines solchen Waffenverbots in der geehrten Damen und Herren! Bei der Bekämpfung Praxis einwandfrei funktionieren und die von uns be- von Extremismus und der politisch motivierten Krimi- absichtigte Wirkung erzielen. nalität stehen die Sicherheitsbehörden von Bund und Um den zuständigen Behörden Rechts- und Hand- Ländern momentan vor großen Herausforderungen. lungssicherheit zu geben, muss – wie schon 2016 von Die Anzahl der Extremisten wie auch deren Gewalt- uns vorgeschlagen – § 5 Waffengesetz – Zuverlässig- bereitschaft haben in den letzten Jahren zugenom- keit – in der Weise ergänzt werden, dass Personen men. Damit steigt gleichzeitig auch die Gefahr von regelmäßig dann waffenrechtlich unzuverlässig sind, schweren Gewalttaten. wenn sie bei einer Verfassungsschutzbehörde des Jeder Extremist mit einer Waffe in der Hand stellt Bundes oder der Länder gespeichert sind. In § 5 Ab- eine Gefahr – ich sage: eine große Gefahr – dar. Das satz 2 Nummer 3 Waffengesetz soll die Regelung hat uns auch der Polizistenmord im bayerischen dergestalt aufgenommen werden, dass Personen, de- Georgensgmünd vor mehr als einem Jahr auf sehr ren personenbezogene Daten bei einer Verfassungs- schmerzliche Weise bewusst gemacht. Es liegt nun in schutzbehörde des Bundes oder der Länder auf der gemeinsamen politischen Verantwortung von Grund tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen Bund und Ländern, die gesetzlichen Voraussetzun- oder Tätigkeiten nach § 3 Absatz 1 des Bundesver- gen für ein wirksames Waffenverbot für Extremisten fassungsschutzgesetzes gespeichert sind, die erfor- zu schaffen, damit sich eine solche Tragödie auf gar derliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht besit- keinen Fall wiederholt. Uns allen muss daran gele- zen. gen sein, die Tatmittel von Extremisten so weit wie Eine ähnliche Regelung findet sich übrigens in § 51 möglich einzuschränken. Ein generelles Waffenver- Absatz 3 Satz 2 der Abgabenordnung, wonach bei (B) bot für Extremisten ist daher ein wichtiger und richti- Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des (D) ger Schritt, um politisch motivierte Straftaten vorbeu- Bundes oder eines Landes als extremistische Organi- gend zu bekämpfen. sation aufgeführt sind, widerlegbar davon auszuge- 2017 hatte der Bundesgesetzgeber bereits auf Ini- hen ist, dass die Voraussetzungen für eine Steuerver- tiative des Bundesrates die Anforderungen an die An- günstigung nicht erfüllt sind. nahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit im Ich finde: Was im Hinblick auf Steuervergünstigun- Waffengesetz abgesenkt. War zuvor noch der Nach- gen gilt, sollte doch erst recht für den Umgang mit weis erforderlich, dass Personen verfassungsfeindli- Schusswaffen gelten. Deshalb ist es aus unserer Sicht che Bestrebungen tatsächlich verfolgen oder unter- erforderlich, dass es regelmäßig zur Feststellung einer stützen oder dies innerhalb der letzten fünf Jahre waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit führen sollte, getan haben, so genügt es jetzt, dass Tatsachen die wenn eine Person als Extremist bei einer Verfassungs- Annahme rechtfertigen, dass derartige Bestrebungen schutzbehörde des Bundes oder der Länder gespei- verfolgt oder unterstützt werden beziehungsweise chert ist. wurden. Weiterhin brauchen wir, wie eingangs schon er- Mit dieser – insbesondere aus waffenbehördlicher wähnt, auch die Normierung der Regelabfrage einer Sicht – wichtigen Änderung des Waffengesetzes Waffenbehörde bei den zuständigen Verfassungs- wurde ein Vorschlag eines hessischen Gesetzesan- schutzämtern. Hier kann ich mich den Ausführungen trags wörtlich umgesetzt. von Kollegen Pistorius anschließen. – Vielen Dank. Nach unserer Überzeugung gibt es jedoch weiter- hin dringenden Handlungsbedarf. Präsident Michael Müller: Vielen Dank! Der hessische Antrag geht dabei noch ein Stück Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. über die Initiative der Kollegen aus Niedersachsen hinaus. Die niedersächsische Initiative ist zwar ganz Wir kommen zur Abstimmung zu Punkt 3. in unserem Sinne; denn wir brauchen eine Regelab- Auch bei dieser Vorlage handelt es sich um eine frage beim Verfassungsschutz, damit Extremisten Reprise. nicht mehr auf legalen Wegen an gefährliche Waffen kommen. Wir fordern aber darüber hinaus, dass al- Niedersachsen hat beantragt, sofort in der Sache zu lein schon die Tatsache, dass eine Person bei einer entscheiden. Wer für die sofortige Sachentscheidung Verfassungsschutzbehörde des Bundes oder der Län- ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Mehrheit. Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 41 Präsident Michael Müller (A) (C) Dann frage ich: Wer ist für die erneute Einbrin- des § 201a Strafgesetzbuch nicht auf verstorbene gung des Gesetzentwurfs beim Deutschen Bundes- Personen erweitert wurde, wie Niedersachsen es da- tag? Ich bitte um das Handzeichen. – Mehrheit. mals gefordert hat. Damit wurde es versäumt, Gaf- fern, die bei Unfällen oder Unglücksfällen Bild- oder Dann ist so beschlossen. Videoaufnahmen fertigen und diese häufig auch Herr Minister Boris Pistorius (Niedersachsen) noch verbreiten, Einhalt zu gebieten und die Opfer wird, wie vereinbart, zum Beauftragten des Bundes- umfassend zu schützen. Denn bisher ist der straf- rates bestellt. rechtliche Schutz des § 201a StGB auf die Persönlich- keitsrechte lebender Personen beschränkt. Bereits Den Gesetzesantrag Hessens unter Punkt 22 weise Verstorbene genießen diesen Schutz nicht. Es sind ich – federführend – dem Innenausschuss zu. Fälle bekannt, in denen Menschen von der Tatsache, dass Angehörige Unfallopfer geworden und verstor- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4: ben sind, über Facebook erfahren haben und nicht Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straf- beispielsweise durch die Polizei. gesetzbuches (StGB) – Effektive Bekämpfung von sogenannten „Gaffern“ sowie Verbesse- Auch das Nebenstrafrecht sieht bisher keinen ent- rung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts sprechenden Schutz vor. So ist in § 33 Kunsturheber- von Verstorbenen – Antrag der Länder Nieder- gesetz zwar geregelt, dass ein Foto oder ein Video sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Nord- nicht ohne Einwilligung der Angehörigen verbreitet rhein-Westfalen gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – werden darf. Dieses Verbot bezieht sich aber nur auf (Drucksache 41/18) die Verbreitung und nicht auf die Aufnahme selbst. Und wie sollte man bereits bei der Aufnahme nach- Es liegt eine Wortmeldung von Minister Pistorius weisen, dass eine Absicht zur Verbreitung besteht? aus Niedersachsen vor. Das halte ich für realitätsfern.

Der strafrechtliche Schutz des höchstpersönlichen Boris Pistorius (Niedersachsen): Sehr geehrter Lebensbereiches wird nur dann umfassend gewähr- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Täglich leistet, wenn auch Verstorbene vor unbefugten Bild- passieren auf unseren Straßen Unfälle, und in man- aufnahmen geschützt werden. Aus diesem Grund hat chen Fällen wird die Lage der Unfallopfer lebensbe- Niedersachsen die vorliegende Bundesratsinitiative drohlich. Menschen werden schwer verletzt, sie erlei- eingebracht. Nur so können wir das Persönlichkeits- den schreckliche Qualen oder kämpfen sogar um ihr recht Verstorbener umfassend stärken und schützen Leben. Für einige Unfallopfer kommt leider jede sowie den Gaffern, die Aufnahmen von hilflosen Un- Hilfe zu spät. fallopfern machen, das Handwerk legen. Wir tun dies (B) im Interesse der Opfer und zum Schutz ihrer Würde, (D) In solchen dramatischen Situationen gibt es immer meine Damen und Herren. wieder unfassbarerweise Personen, die aus purer Sensationsgier das Geschehen direkt am Unfallort Da bereits der Versuch unter Strafe gestellt werden begaffen wollen. Doch damit nicht genug: Diese so- soll, können die Handys der Gaffer auch schon dann genannten Gaffer beschränken sich nicht darauf, die sichergestellt werden, wenn die Aufnahmen vor Ort Rettungsarbeiten und die Unfallopfer zu beobachten, noch nicht vollendet worden sind. So kann der Schutz was bereits ein abstoßendes Verhalten darstellt. Nein, der Opfer effektiv umgesetzt werden. Ich erhoffe mir sie schrecken nicht davor zurück, mit ihren Handys hiervon auch eine generalpräventive Wirkung. das Geschehen als solches und die verletzten Unfall- opfer zu filmen und zu fotografieren. Die dreistesten Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem unter ihnen – das sind nicht wenige – verbreiten ihre vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir die noch be- Aufnahmen sogar über soziale Netzwerke oder geben stehende Gesetzeslücke schließen. Ich bitte Sie alle, sie an Zeitungen und Fernsehanstalten weiter. Sehr diesem Ziel zu folgen. Denn was Gaffer in Deutsch- häufig behindern diese Personen in ihrem Eifer auch land regelmäßig tun, ist unverantwortlich, menschen- die Rettungsarbeiten. verachtend und abscheulich. Lassen Sie uns deshalb dazu beitragen, dass wir hier zu einer angemessenen Das Verhalten dieser Gaffer, die die Hilflosigkeit Strafbarkeit, aber noch besser schon im Vorfeld zu ei- der Opfer aus Sensationsgier und Wichtigtuerei aus- nem deutlichen Abschreckungseffekt kommen! – Vie- nutzen, ist schlicht und ergreifend abscheulich. Lei- len Dank. der handelt es sich schon lange nicht mehr nur um Einzelfälle. Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Präsident Michael Müller: Ich danke Ihnen. am 30. Mai 2017 in Kraft getretenen 52. Gesetz zur Je eine Erklärung zu Protokoll*) abgegeben haben Änderung des Strafgesetzbuches ist es in einem ers- Frau Ministerin Havliza (Niedersachsen) und Frau ten Schritt gelungen, Gaffer, die die Hilfeleistung Staatsministerin Höfken (Rheinland-Pfalz). von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften be- hindern, strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Wir kommen zu den Abstimmungen. Das begrüße ich sehr. Zugleich bedaure ich es aber außerordentlich, dass im Zuge dieser Gesetzesänderung der Schutzbereich *) Anlagen 3 und 4 42 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 Präsident Michael Müller (A) (C) Bei diesem Antrag handelt es sich ebenfalls um diesem Bereich dringender Handlungsbedarf be- eine Reprise. Zudem liegt Ihnen ein Mehr-Länder- steht: In den letzten drei Jahren sind die Eingangs- Antrag vor. zahlen bei den Verwaltungsgerichten von gut 45 000 im Jahr 2014 auf über 340 000 im Jahr 2017 angestie- Zunächst frage ich, wer dafür ist, heute sofort in gen. Sie machen mittlerweile fast drei Viertel der Ge- der Sache zu entscheiden. Ich bitte um Ihr Handzei- samtbelastung der Verwaltungsgerichte aus. Vergli- chen. – Mehrheit. chen mit den Zahlen aus dem Jahr 2012 bedeutet Ich fahre fort mit dem Mehr-Länder-Antrag. Wer dies sogar eine Steigerung um das Zehnfache. dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Mehr- heit. Diese enorme Verfahrenslast führt nicht nur zu ei- ner Verlängerung der Verfahren in Asylsachen, son- Ich frage nun, wer dafür ist, den Gesetzentwurf dern darüber hinaus auch in den Verfahren der allge- nach Maßgabe der vorangegangenen Abstimmung meinen Verwaltungsgerichtsbarkeit. beim Deutschen Bundestag einzubringen, und bitte um Ihr Handzeichen. – Mehrheit. Ungeachtet dieser hohen Fallzahlen und des er- heblichen Drucks, der dadurch auf den Richterinnen Dann ist so beschlossen. und Richtern lastet, gilt es, die Verfahren gewissen- Wie vereinbart, wird Ministerin Barbara Havliza haft, zeitnah und nach den Regeln des Rechtsstaats (Niedersachsen) zur Beauftragten des Bundesrates zu führen. bestellt. Derzeit ziehen sich Asylverfahren hin, weil Leitent- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 5: scheidungen der Oberinstanzen zu zentralen Fragen fehlen. Gleich gelagerte Fälle, bei denen es um die Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes Situation in bestimmten Herkunftsländern oder um – Strafbarkeit der unbefugten Benutzung infor- die Zulässigkeit von Dublin-Rücküberstellungen in mationstechnischer Systeme – Digitaler Haus- Drittstaaten geht, müssen immer wieder neu ent- friedensbruch – Antrag des Landes Hessen ge- schieden werden – zum Teil mit divergierenden, also mäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 47/18) auseinanderfallenden, Ergebnissen bei den verschie- Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Frau Staats- denen Verwaltungsgerichten oder auch innerhalb ministerin Puttrich (Hessen) hat eine Erklärung zu einzelner Verwaltungsgerichte. Protokoll*) abgegeben. Die Folge ist – neben einer Vielzahl aufwendiger Auch hierbei handelt es sich um eine Reprise. Prozesse – eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Da- runter leiden nicht nur die Funktionsfähigkeit der Wer dafür ist, heute sofort in der Sache zu entschei- Gerichte sowie die Richterinnen und Richter, sondern den, den bitte ich um das Handzeichen. – Mehrheit. (B) auch die Rechtsuchenden. Für sie bedeuten über- (D) Dann frage ich, wer für die erneute Einbringung lange Verfahren und die Tatsache, dass die Recht- des unveränderten Gesetzentwurfs beim Deutschen sprechung uneinheitlich ist, dass ihnen Rechtssicher- Bundestag ist. Ich bitte um Ihr Handzeichen. – Mehr- heit in einem besonders sensiblen Bereich verwehrt heit. bleibt. Dann ist so beschlossen. Mit einem Personalaufbau, einer Personalaufsto- ckung an den Gerichten allein kann dieses Problem Wie vereinbart, wird Staatsministerin Kühne-Hör- nicht gelöst werden. Erforderlich ist eine Änderung mann (Hessen) zur Beauftragten des Bundesrates be- des Asylprozessrechts mit dem Ziel, die Verfahren zu stellt. beschleunigen und für mehr Rechtssicherheit zu sor- Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf: gen.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Asyl- Dieses Ziel verfolgt der Gesetzentwurf, den Ham- gesetzes zur Verfahrensbeschleunigung durch burg heute gemeinsam mit den Ländern Berlin, Bran- die erweiterte Möglichkeit der Zulassung von denburg und Bremen einbringen möchte. Er ist darauf Rechtsmitteln – Antrag der Länder Hamburg, gerichtet, die Zulassung von Rechtsmitteln im Asylge- Berlin, Brandenburg, Bremen gemäß § 36 Ab- setz zu erweitern: Bei grundsätzlicher Bedeutung der satz 2 GO BR – (Drucksache 51/18) Rechtssache und bei Abweichung von obergerichtli- Wortmeldungen liegen mir vor. Es beginnt Senator cher Rechtsprechung sollen die Verwaltungsgerichte Dr. Steffen aus Hamburg. künftig in Hauptsacheverfahren die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zulassen können.

Dr. Till Steffen (Hamburg): Herr Präsident, meine In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Damen und Herren! Die Verwaltungsgerichtsbarkeit – also im Eilverfahren, das besonders wichtig ist, weil muss derzeit große Herausforderungen bewältigen. meistens im Eilverfahren entschieden wird, ob etwa eine Abschiebung erfolgen kann oder nicht – soll die Schon ein Blick auf die Entwicklung der Eingangs- Möglichkeit der Zulassung der Beschwerde bei zahlen in Asylsachen genügt, um zu zeigen, dass in grundsätzlicher Bedeutung eingeräumt werden. Auf diese Weise werden Leitentscheidungen ermöglicht, die die Bearbeitung der Asylverfahren insgesamt ein- *) Anlage 5 heitlicher, effektiver und schneller machen. Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 43 Dr. Till Steffen (Hamburg) (A) (C) Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Im Gegensatz zum allgemeinen Verwaltungspro- könnte diese Leitentscheidungen für seine Prüfungs- zessrecht ist dem Asylprozess die Zulassung von maßstäbe heranziehen und so die Anzahl der Klagen Rechtsmitteln durch die Eingangsinstanz seit 1992 von vornherein senken. fremd. Einfacher gesagt: Das Verwaltungsgericht ist im Asylverfahren regelmäßig die erste und auch die (Vorsitz: Vizepräsident Daniel Günther) letzte Instanz. Daher schlagen wir Ihnen heute hier Meine Damen und Herren, die in dem Gesetzent- eine Angleichung des Asylprozessrechts an das all- wurf vorgeschlagene Reform des Prozessrechts greift gemeine Verwaltungsprozessrecht vor: eine Forderung auf, die schon 2015 und erneut im Herbst 2017 von den Präsidentinnen und Präsidenten Das Verwaltungsgericht soll zukünftig in Hauptsa- der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsge- cheverfahren die Berufung zulassen können, soweit richtshöfe der Länder sowie dem Präsidenten des der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt Bundesverwaltungsgerichts erhoben worden ist. und sie von obergerichtlicher Rechtsprechung ab- Heute ist sie dringender denn je. weicht. Ich freue mich daher, dass der Antrag bereits von Und, noch wichtiger: Das Verwaltungsgericht soll mehreren Mitantragstellern – Hamburg, Berlin, Bran- im einstweiligen Rechtsschutz – hier spielt ja häufig denburg und Bremen – getragen wird. Ich werbe an die Musik – die Beschwerde zulassen können, wenn dieser Stelle ausdrücklich um weitere Unterstützung der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt. im Rahmen der folgenden Beratungen. – Vielen Wenn der Bundesrat und später dann der Bundes- Dank. tag sich auf diese Reform verständigen, stärken wir damit die erste Instanz. Vizepräsident Daniel Günther: Als Nächster hat Se- nator Dr. Behrendt aus Berlin das Wort. Wir ebnen den Weg zu einer gefestigten Rechtspre- chung im Asylrecht.

Dr. Dirk Behrendt (Berlin): Herr Präsident! Meine Wir ermöglichen Rechtsfortbildung in diesem Be- sehr geehrten Damen und Herren! Die Verwaltungs- reich. gerichte in Deutschland stehen – Kollege Steffen hat es angesprochen – beim Thema Asylverfahren vor ei- Wir schaffen dort mehr Rechtssicherheit. ner großen Herausforderung. Ohne eine solche Reform treiben wir – so ist der Sie mögen jetzt zum einen an die stark gestiegene Rechtszustand heute – die Antragsteller häufig in die Anzahl von Verfahren in den letzten Jahren denken. Verfassungsbeschwerde. Fragen Sie einmal Ihre Ver- Da stimme ich Ihnen auch zu. Dies ist in der Tat ein fassungsgerichtshofspräsidenten, sie kennen sich mit (B) (D) Problem. Mein Vorredner hat die Zahlen für die Bun- diesem Thema aus! Schließlich können sich die An- desrepublik genannt. tragsteller gegen falsche Beschlüsse des Verwaltungs- gerichts – so etwas soll ja vorkommen – heute nicht an- Neben dieser Herausforderung der großen Zahlen ders wehren als durch eine Verfassungsbeschwerde. besteht jedoch auch ein verfahrensrechtliches Pro- blem, mit dem wir die Verwaltungsgerichte in der Lassen Sie mich noch etwas zur Verfahrensdauer gesamten Republik nicht alleinlassen sollten. Momen- sagen! tan entscheiden in vielen Fällen jede Verwaltungs- richterin und jeder Verwaltungsrichter in der Repu- Ohne gefestigte Rechtsprechung in höheren Instan- blik mehr oder weniger eigenständig jeden Einzelfall zen ziehen sich die Verfahren vor den Verwaltungs- für sich, ohne sich an obergerichtlicher Rechtspre- gerichten heute ohne Not in die Länge. Die erstin- chung orientieren zu können. Lassen Sie mich das am stanzliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte Beispiel verdeutlichen! orientiert sich üblicherweise an der Rechtsprechung des jeweiligen Oberverwaltungsgerichts. Diese juris- Am Verwaltungsgericht Berlin arbeiten derzeit 126 tische Orientierung führt dazu, dass einzelne Ver- Richterinnen und Richter, von denen 123, also alle bis fahren schneller bearbeitet werden können, so denn auf drei, mit Asylverfahren befasst sind. Im Jahr 2017 wichtige Fragen obergerichtlich geklärt sind. Umge- lag die Zahl der Asylverfahren am Berliner Verwal- kehrt bedeutet das: Fehlt diese juristische Orientie- tungsgericht bei rund 15 000. rung, dauern die Verfahren länger. Hierauf hat zuletzt Daraus ergeben sich zwei wesentliche Probleme: auch der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Zum einen entsteht ein regelrechter Flickenteppich Professor Rennert, hingewiesen und dringend an Einzelentscheidungen, was zu großer Rechtsunsi- eine Änderung im Verfahrensrecht angemahnt. cherheit führt. Zum anderen müssen sich jede Richte- Eine solche Reform, die zu mehr obergerichtlicher rin und jeder Richter mit neu aufgeworfenen Fragen Klarheit führt, hat aber noch einen anderen Vorteil immer wieder neu und einzeln befassen, was zu lan- – Kollege Steffen hat es erwähnt –: Abgesehen von gen Verfahren bei den Verwaltungsgerichten führt. den Verwaltungsgerichten orientiert sich auch das Dieses Beispiel zeigt: Sehr hilfreich wäre eine ge- BAMF, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, festigte obergerichtliche Rechtsprechung zu diesen an der Rechtsprechung. Das fällt ihnen heute schwer, Tatsachenfragen. Eine solche obergerichtliche Recht- weil sie gar nicht wissen, zu welchem Richter die Sa- sprechung ist nach der derzeitigen Rechtslage jedoch che kommt und wie er die Sache sieht. Gibt es aber weitgehend nicht möglich. gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung, vermei- 44 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 Dr. Dirk Behrendt (Berlin) (A) (C) det das Gerichtsverfahren; denn das BAMF kann sich Die Ausgangsposition ist dabei gut. Die deutsche an dieser orientieren. Ziviljustiz und das deutsche Recht genießen weltweit einen hervorragenden Ruf. Deutsche Richterinnen Kurzum: Mit der von uns vorgeschlagenen Reform und Richter verfügen vielfach über internationale Vor- würde das Asylverfahren einheitlicher, effektiver und erfahrungen und ausgezeichnete englische Sprach- schneller gestaltet. Daher bitte ich um Ihre Unterstüt- kenntnisse. Sie gelten zudem in der Welt – völlig zu zung und danke für die Aufmerksamkeit. Recht – als unbestechlich und vertrauenswürdig. Da- rüber hinaus belegt die Bundesrepublik Deutschland Vizepräsident Daniel Günther: Vielen Dank! bei den durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten und Erledigungsquoten im europäischen Vergleich immer Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. wieder ordentliche Plätze, wie das Justizbarometer Ich weise die Vorlage – federführend – dem Innen- der Europäischen Kommission beweist. ausschuss und – mitberatend – dem Rechtsausschuss Aber warum gehört der Justizstandort Deutschland zu. dann – trotz aller Stärken – nicht zur ersten Wahl in- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 24: ternationaler Unternehmen? Ein wesentlicher Grund hierfür findet sich in § 184 des Gerichtsverfassungs- Einführung von Entwurf eines Gesetzes zur gesetzes, der in aller Nüchternheit bestimmt: „Die Kammern für internationale Handelssachen Gerichtssprache ist deutsch.“ Internationale Prozess- (KfiHG) – Antrag der Länder Nordrhein-West- parteien schrecken aber davor zurück, in einer für sie falen, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersach- fremden Sprache vor einem deutschen Gericht ver- sen gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache handeln zu müssen. 53/18) Zwar können Unternehmen – in Nordrhein-Westfa- Es liegen Wortmeldungen vor. Zunächst Minister len seit dem Jahr 2010 – an einigen Gerichten in eng- Biesenbach aus Nordrhein-Westfalen. lischer Sprache verhandeln. Dies betrifft aber nur die Sprachregelung in der mündlichen Verhandlung Peter Biesenbach (Nordrhein-Westfalen): Herr Prä- selbst. Schriftsätze müssen nach wie vor auf Deutsch sident! Hohes Haus! Wir beschäftigen uns heute zum eingereicht werden. Außerdem wird das Urteil zwin- wiederholten Male mit dem Gesetzentwurf zur Ein- gend auf Deutsch verfasst. Dieser Sprachenbruch führung von Kammern für internationale Handelssa- stellt sich – für mich ohne Weiteres nachvollziehbar – chen. Es handelt sich – mit Ausnahme weniger re- als Hemmnis dar, so dass das bisherige Angebot der daktioneller Änderungen – um einen Entwurf, der englischen Verhandlung nur wenig genutzt wird. bereits zweimal – in den Jahren 2010 und 2014 – in Meine Damen und Herren, die Initiativen des Bun- (B) den Deutschen Bundestag eingebracht wurde, aber (D) desrates aus den Jahren 2010 und 2014 zur Einfüh- – für mich unverständlich – jedes Mal der Diskonti- rung von Kammern für internationale Handelssachen nuität zum Opfer gefallen ist. waren daher goldrichtig, was auch renommierte Gegenstand des Gesetzentwurfs ist die Einrichtung Sachverständige im Rechtsausschuss des Deutschen spezieller Spruchkörper bei den Landgerichten, vor Bundestages weit überwiegend bestätigt haben. denen Handelsstreitigkeiten von der Klageschrift bis hin zum Urteil in englischer Sprache geführt werden Dennoch sollten wir im rechtspolitischen Diskurs können. Diese Weiterentwicklung des deutschen auch die Stimmen nicht überhören, die die Einfüh- Zivilverfahrens- und Gerichtsverfassungsrechts ist rung von Englisch als Verfahrenssprache bei den längst überfällig und hat vor dem Hintergrund des Kammern für Handelssachen als nicht ausreichend Brexit noch an Aktualität gewonnen. erachten, um die Attraktivität der deutschen Zivil- gerichtsbarkeit zu erhöhen. Bei den – hoffentlich Nicht wenige erwarten, dass nach dem Ausschei- bald – anstehenden Diskussionen sollten wir uns den Großbritanniens aus der EU die Attraktivität des daher keinesfalls verschließen, auch weitergehende Justizstandortes London nachlassen wird. Die Regie- Überlegungen zu einer strukturellen Stärkung der rungen in den Niederlanden, Belgien und Frankreich Justiz im Bereich handels- und wirtschaftsrechtlicher unternehmen vor diesem Hintergrund bereits große Streitigkeiten anzustellen. Anstrengungen zur Errichtung besonderer Gerichte, vor denen wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten voll- Der Gerichtsstandort Deutschland kann hierdurch ständig in englischer Sprache geführt werden kön- nur gewinnen. Gelingt es, vermehrt bedeutende wirt- nen. In der Presse wird hierüber unter dem Stichwort schaftsrechtliche Verfahren vor deutsche Gerichte zu „Commercial Courts“ berichtet. bringen, wird dies auch die zunehmende Wahl des deutschen Rechts für internationale Vertragsverhält- Hier stellt sich die Frage, ob nicht auch die deut- nisse nach sich ziehen. Der Entwurf ist damit ein sche Justiz der international aufgestellten Wirt- wichtiger Baustein im globalen Standortwettbewerb schaftswelt ein attraktives englischsprachiges Ange- der Rechtssysteme und zu Gunsten von „Law – Made bot im Gerichtsverfassungs- und Prozessrecht zur in “. Verfügung stellen sollte, ja sogar muss. Meine Ant- wort auf diese Frage ist ein klares und überzeugtes Ich bitte Sie daher, die gemeinsame Gesetzesinitia- Ja. Denn eine zeitgemäße und kompetente Justiz ist tive der Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern, Ham- für die Standortentscheidungen großer und mittlerer burg, Hessen und Niedersachsen erneut zu unterstüt- Unternehmen von hoher Bedeutung. zen. – Vielen Dank. Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 45

(A) (C) Vizepräsident Daniel Günther: Als Nächster hat Meine Damen und Herren, deutsche Gerichte Staatsminister Professor Bausback aus Bayern das funktionieren auch auf Englisch, und zwar sicher ge- Wort. nauso gut wie auf Deutsch. Lassen Sie uns also den Gerichtsstandort Deutschland stärken! Ich bitte Sie daher, die gemeinsame Gesetzesinitiative der Länder Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern): Herr Präsi- Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nord- dent! Hohes Haus! Kollege Biesenbach hat es schon rhein-Westfalen erneut zu unterstützen. erwähnt: Zum wiederholten Male – genauer gesagt: zum dritten Mal – beschäftigt sich der Bundesrat mit einem Entwurf zur Einführung von Kammern für in- Vizepräsident Daniel Günther: Vielen Dank! ternationale Handelssachen. Bisherige Initiativen scheiterten stets an der Umsetzung im Deutschen Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Frau Bundestag. Staatsministerin Puttrich (Hessen) hat eine Erklä- rung zu Protokoll*) abgegeben. Kolleginnen und Kollegen, das sollte uns nicht ent- mutigen. Denn bekanntlich sind aller guten Dinge Wir sind auch bei dieser Reprise übereingekom- drei, und gerade die Ereignisse der näheren Vergan- men, heute sofort in der Sache zu entscheiden. genheit führen vor Augen, dass an der Berechtigung dieses Entwurfs kein Zweifel bestehen kann. Wer für die erneute Einbringung des redaktionell angepassten Gesetzentwurfs beim Deutschen Bun- Die Justiz ist ein Standortfaktor für die einheimi- destag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sche Wirtschaft. Das deutsche Recht und die deutsche ist die deutliche Mehrheit. Gerichtsbarkeit sind dabei nicht nur hierzulande be- kannt und bewährt, sondern werden weltweit – zu Dann ist so beschlossen. Recht – hoch geschätzt. Wie vereinbart, wird Minister Peter Biesenbach Dennoch werden bedeutende wirtschaftsrechtliche (Nordrhein-Westfalen) zum Beauftragten des Bun- Streitigkeiten oftmals vor ausländischen Gerichten desrates bestellt. oder vor Schiedsgerichten ausgetragen. Ein wesentli- cher Grund hierfür ist die Gerichtssprache deutsch. Wir kommen zur grünen Liste. Zur gemeinsamen Für internationale Prozessparteien ist der Zwang, das Abstimmung nach § 29 Absatz 2 der Geschäftsord- Verfahren in einer für sie fremden Sprache zu führen, nung rufe ich die in dem Umdruck 2/2018**) zusam- abschreckend. mengefassten Beratungsgegenstände auf. Es sind dies die Tagesordnungspunkte: Daran kann auch die bislang vorgesehene Mög- (B) (D) lichkeit, die mündliche Verhandlung in einer ande- 6, 11, 12 a), 15 bis 18, 23 und 27. ren Sprache zu führen, nichts ändern. Denn die Ver- fahrenssprache ist und bleibt deutsch. Schriftsätze, Wer den Empfehlungen und Vorschlägen folgen die in internationalen Unternehmen regelmäßig in- möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist tern auf Englisch abgestimmt werden, müssen also die Mehrheit. anschließend aufwendig übersetzt werden. Es ist so beschlossen. Der deutschen Justiz gehen durch diesen Umstand nicht nur Streitigkeiten verloren, die zur wesentli- Zu Tagesordnungspunkt 23 ist der Vorlage das chen Weiterentwicklung der Rechtsprechung beitra- Land Rheinland-Pfalz beigetreten. gen können. Bedenklich ist auch, dass dadurch – Kol- lege Biesenbach hat es schon erwähnt – deutsche Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 7: Unternehmen von ihren Vertragspartnern häufig zur Entschließung des Bundesrates zur Änderung Vereinbarung ihnen fremder Rechtsordnungen und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gerichtsstände gedrängt werden. Gesetzbuche – Antrag des Landes Brandenburg Der Entwurf schafft hier Abhilfe, indem er ein rein gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 44/ in englischer Sprache geführtes Verfahren ermög- 18) licht. Wortmeldungen liegen nicht vor. – Eine Erklärung ) Bedeutung hat dies nicht zuletzt vor dem Hinter- zu Protokoll*** hat Minister Görke (Brandenburg) grund des Brexit. Dieser wird zu erheblichen Verla- abgegeben. gerungen gerade im Bereich der Finanzwirtschaft führen, die bislang überwiegend in Großbritannien Ich weise die Vorlage dem Rechtsausschuss – fe- abgewickelt wird. Der Brexit ist damit nicht nur eine derführend – sowie dem Finanzausschuss und dem große Herausforderung für Deutschland, er ist zu- Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und gleich in diesem Bereich eine Chance, sich als inter- Raumordnung – mitberatend – zu. nationaler Gerichtsstandort zu etablieren.

Wettbewerbsfähig sind wir jedoch nur, wenn wir *) Anlage 6 auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Dies **) Anlage 7 wollen wir mit dem vorliegenden Entwurf tun. ***) Anlage 8 46 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 Vizepräsident Daniel Günther (A) (C) Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 8: genstromerzeugung wieder in Kraft tritt, und zwar rückwirkend. Entschließung des Bundesrates – Rechtssicher- heit für KWK-Anlagen bei der Höhe der EEG- Wir, die Ländervertreter, wissen, dass die Verhand- Umlage für Eigenstromnutzung gewährleisten lungen mit der EU-Kommission oftmals ein hartes – Antrag der Länder Thüringen und Rheinland- Stück Arbeit sind. Daher gilt an dieser Stelle mein Pfalz – (Drucksache 23/18) Dank der Bundesregierung, insbesondere den Kolle- ginnen und Kollegen aus dem Bundeswirtschafts- Dem Antrag sind auch Hessen, Saarland und Sach- ministerium, für die bisherigen Verhandlungser- sen beigetreten. gebnisse. Zugleich möchten wir Sie ausdrücklich bestärken, sich auch weiterhin für die Kraft-Wärme- Es liegt eine Wortmeldung vor: Staatsminister Kopplung einzusetzen. Dulig aus Sachsen. Wir dürfen unseren Unternehmen nicht die Mög- lichkeit nehmen bzw. die Möglichkeit zu sehr ein- Martin Dulig (Sachsen): Sehr geehrter Herr Präsi- schränken, sich günstig und sicher selbst mit Strom dent! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Energie- und Wärme zu versorgen. Dies gilt besonders für die wende – man kann es nicht oft genug betonen – ist Unternehmen, deren Produktionsprozesse einen ho- eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Und natür- hen Strom- und Wärmebedarf haben, aber auch für lich bedeutet „Wende“, dass sich etwas ändert. Eine die beispielhaft erwähnten Einrichtungen in öffentli- wichtige Voraussetzung für den Erfolg von Änderun- cher Hand. Die volle EEG-Belastung für den Eigen- gen ist aber die Akzeptanz bei den Betroffenen. Än- verbrauch verlängert die Amortisierung der Anlagen derungen sollten daher die Adressaten nicht überfor- um mehrere Jahre, oder der Betrieb der Anlage ist dern. Sie müssen absehbar und kalkulierbar sein. schlichtweg nicht wirtschaftlich. Genau das ist die Aufgabe des Gesetzgebers. Da- Was sind die Folgen? Anlagen werden stillgelegt. hin zielt auch die vorgelegte Entschließung zur Errei- Strom und Prozesswärme werden perspektivisch ent- chung der Rechtssicherheit für KWK-Anlagen. Dieses koppelt erzeugt. Sinnvolle Investitionen in neue, noch Anliegen und diese Zielrichtung der Entschließung effizientere Anlagen oder damit verbundene Effizi- unterstützt der Freistaat Sachsen ausdrücklich. enzmaßnahmen unterbleiben. Im schlechtesten Fall wird der Energiepreis zum Zünglein an der Waage bei Bei KWK-Anlagen denken wir immer zuerst an die der Entscheidung über die Standortwahl oder eine Er- industrielle Eigenversorgung mit Strom und Prozess- weiterung. wärme. Aber auch zahlreiche nicht industrielle Ein- richtungen nutzen diese Technologie, zum Beispiel Wenn wir also wollen, dass am Standort Deutsch- (B) Schwimmbäder oder Krankenhäuser, etwa als kom- land investiert wird, wenn wir wollen, dass hier Wert- (D) munale Einrichtungen. Wenn dort beispielsweise bei schöpfung stattfindet, wenn wir wollen, dass gute Ar- einer 200-kW-Anlage mit 3 500 Betriebsstunden die beitsplätze erhalten bleiben und geschaffen werden, jährliche EEG-Umlage von 19 000 auf 47 000 Euro und wenn wir wollen, dass sich Unternehmen um- steigt, muss der Kämmerer überlegen, an welcher weltverträglich und kostengünstig mit Energie ver- Stelle im Haushalt dieser Betrag eingespart werden sorgen, dann führt aus meiner Sicht kein Weg an der kann. Bei Anlagengrößen von 1 Megawatt landen KWK-Technologie als ein wichtiger Eckpfeiler in ei- wir ganz leicht bei Mehrkosten im unteren bis mittle- ner umweltbewussten und wettbewerbsorientierten ren sechsstelligen Bereich. Energiepolitik vorbei. Dafür müssen wir die passen- den Rahmenbedingungen schaffen. Zu diesen „pas- Aber natürlich auch für die Unternehmen – hier senden Rahmenbedingungen“ gehört selbstverständ- spreche ich sowohl von den zahlreichen kleinen und lich, dass es nicht zu einer Überförderung einzelner mittelständischen Unternehmen, aber auch von den Anlagen zu Lasten anderer Endverbraucher und da- Global Players, die sich in Sachsen angesiedelt mit auch der privaten Haushalte kommt. Dass eine haben – ist die Beibehaltung der bisherigen Regelun- solche Regelung nicht ganz einfach ist, wissen wir gen von hoher wirtschaftlicher Bedeutung und sendet auch. Aber das Ziel lohnt den Aufwand allemal. zugleich ein Signal für zukünftige unternehmerische Entscheidungen. Als Industriestandort befinden wir Perspektivisch sollten unsere Bemühungen darauf uns im Wettbewerb nicht nur mit unseren europäi- gerichtet sein, die vielen energiepolitischen Regelun- schen Nachbarn, wir müssen uns gleichzeitig dem gen zu vereinfachen und vor allem die Stromneben- globalen Wettbewerb stellen. kosten für alle Verbraucher zu senken. Andernfalls, befürchte ich, wird die Akzeptanz für die Energie- Ein entscheidender Vorteil für den Standort wende abnehmen, und die zahlreichen Bemühungen Deutschland waren bislang immer die Verlässlichkeit zur Entwicklung einer wirtschaftlichen, sicheren und der gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Inves- nachhaltigen Energieversorgung werden auf der titionssicherheit. Das dürfen wir nicht preisgeben. Strecke bleiben. Dafür müssen wir kämpfen. Der Freistaat Sachsen tritt aus den genannten Daher fordern wir die Bundesregierung auf und be- Gründen dem Entschließungsantrag bei. In den Be- stärken sie darin, sich weiterhin gegenüber der mühungen, einen verlässlichen Rechtsrahmen für EU-Kommission dafür einzusetzen, dass die bis zum eine kostengünstige, sichere und umweltverträgliche 31. Dezember 2017 geltende Regelung für KWK-Ei- Energieversorgung unserer Unternehmen am Stand- Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 47 Martin Dulig (Sachsen) (A) (C) ort Deutschland zu schaffen und damit Investitionen schlechte Arbeitsbedingungen zur Folge. Es führt und Arbeitsplätze zu sichern, wissen wir uns eins. – dazu, dass Pflegepersonal abwandert. Aber auch die Vielen Dank. Attraktivität der Pflegeberufe leidet dadurch. Ju- gendliche finden sie dann leider nicht attraktiv.

Vizepräsident Daniel Günther: Weitere Wortmel- Die zweite Auswirkung betrifft die Patientinnen dungen liegen nicht vor. und Patienten. Die Patientenversorgung wird durch Je eine Erklärung zu Protokoll*) abgegeben haben die Engpässe beeinträchtigt. Es ist wissenschaftlich Frau Ministerin Siegesmund (Thüringen) und Frau erwiesen, dass zwischen der Ausstattung mit Pfle- Staatsministerin Höfken (Rheinland-Pfalz). gepersonal und dem medizinischen Erfolg der Be- handlung ein Zusammenhang besteht. Für Kranken- Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- hauspatienten ist es nicht nur wichtig, dass die fehlungen vor. Daraus rufe ich auf: Operation erfolgreich verlaufen ist, es muss anschlie- Ziffer 1, und zwar auf Länderwunsch zunächst ßend auch die Pflege gut funktionieren. Die Folgen Buchstaben a und b gemeinsam! – Mehrheit. – auch die medizinischen – können schwerwiegend sein, wenn die Pflege nicht gut aufgestellt ist. Nun Buchstabe c! – Mehrheit. Wir fordern verbindliche bundeseinheitliche Per- Ziffer 2! – Mehrheit. sonalschlüssel in den Krankenhäusern. Einen ersten Wir kommen zur Schlussabstimmung: Wer für die Schritt hat die Bundesregierung schon getan. In Annahme der Entschließung nach Maßgabe der be- § 137i SGB V wurden bereits Personaluntergrenzen schlossenen Änderungen ist, den bitte ich um das auf den Weg gebracht, allerdings nur für pflegesensi- Handzeichen. – Mehrheit. tive Bereiche.

Dann ist so beschlossen. Das ist ein erster Schritt, er reicht aber in keiner Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 25: Weise aus, um die Problematik rund um die Pflege auch nur annähernd zu lösen. Das Problem bei diesem Entschließung des Bundesrates – Die Situation Weg der Bundesregierung ist, dass es den Vertrags- der Pflege durch Pflegepersonaluntergrenzen partnern – den Krankenkassen und den Kliniken – spürbar verbessern – Antrag des Landes Berlin überlassen wird, welche Bereiche als „pflegesensitiv“ gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 48/ definiert werden und wie der Personalschlüssel defi- 18) niert wird. Wir werden das miteinander beobachten. Ich erwarte, ehrlich gesagt, eine wirksame Vereinba- Die erste Wortmeldung kommt von Frau Senatorin rung nicht. (B) Kolat aus Berlin. (D) Nicht sein darf, dass einzelne Stationen in den Dilek Kolat (Berlin): Sehr geehrter Herr Präsident! Krankenhäusern Personalschlüssel bekommen, an- Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Der dere nicht. Ergebnis darf auch nicht sein, dass mit ei- Mangel an Fachkräften in der Pflege in unserem nem Personalschlüssel nur der Status quo festge- Land ist nicht etwas, was am Horizont droht, irgend- schrieben wird. Ich habe erhebliche Zweifel, dass das wann zu kommen, er ist heute Realität. Wir spüren ausreicht. Insofern ist es an der Zeit, weitere Schritte die Engpässe auf den Stationen und in den Notauf- zu gehen und nicht abzuwarten. Wie Sie wissen, ha- nahmen in den Krankenhäusern. Aber auch in der ben es die Vertragspartner zu verantworten, dass wir Altenpflege, wenn es darum geht, ambulante und in den letzten Jahren einen Abbau an Pflegekräften stationäre Pflegedienste zu finden, spüren wir, dass hatten, keinen Aufbau, wie es bedarfsgerecht ist. es Personalengpässe gibt. Das gefährdet zurzeit die Versorgung im Krankenhausbereich wie in der Al- Wir fordern das Bundesministerium für Gesundheit tenpflege. auf, über eine eigene Verordnung konkrete Maßnah- men zu ergreifen. In dem Berliner Antrag sind kon- Was ist in unserem Land in den letzten Jahren ei- krete Maßnahmen und Maßgaben der Umsetzung gentlich geschehen? Schaut man sich die Zahl der formuliert. Ich denke, die Zeit der kleinen Schritte ist Pflegekräfte in den Krankenhäusern an, erkennt vorbei. Wir brauchen umfassende Maßnahmen für man, dass sie in den letzten 15 Jahren um 30 Prozent eine bedarfsgerechte Versorgung. gesunken ist. Eine Vergleichszahl: Bei den Ärztinnen und Ärzten hatten wir in den letzten 15 Jahren einen Wir haben in unserem Antrag auch klar formuliert, Zuwachs von 25 Prozent. dass die Bundesregierung verpflichtende und umfas- sende Personalschlüssel auf den Weg bringen muss, Was sind die Folgen? Sie sind gravierend – ich und zwar für den Krankenhausbereich wie für die glaube, das ist inzwischen in allen Köpfen angekom- stationäre Altenpflege. men, und es gibt keine Rede eines Politikers, in der das Thema Pflege fehlt –, und zwar für das Pflegeper- Wir fordern, dass der Personalschlüssel für alle Sta- sonal selbst, aber auch für die Patientinnen und Pa- tionen und für die Notaufnahme in den Krankenhäu- tienten. Das Pflegepersonal ist überlastet. Das hat sern gilt. Warum alle Stationen? Aus der Sicht der Pa- tienten und Patientinnen ist es nicht nachvollziehbar, dass es Stationen mit Personalschlüssel gibt, andere *) Anlagen 9 und 10 nicht. Das ist nicht patientenfreundlich. 48 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 Dilek Kolat (Berlin) (A) (C) Auf der anderen Seite: Wenn es innerhalb eines einander zeigen und Trippelschritte reichen nicht Krankenhauses eine Ungleichbehandlung in Bezug mehr aus. Wir brauchen umfassende Maßnahmen auf die Ausstattung mit Pflegepersonal gibt, wird es und konkrete Schritte, die jetzt dringend gemacht zu einer Abwanderung der Pflegekräfte in Richtung werden müssen. Die Bundesregierung muss schnell der Stationen kommen, wo es verbindliche Personal- handeln. Unsere Bundesratsinitiative, der Berliner schlüssel gibt. Hier würde es zu Verschiebungen Entschließungsantrag, zeigt, wie es konkret gehen kommen, die weitere Probleme mit sich brächten. kann. Sie ist ein Fahrplan. Des Weiteren sagen wir, dass für alle Stationen Weil wir die Pflegeproblematik in allen Bundeslän- eine Verhältniszahl Pflegekraft/Patienten definiert dern spüren, hoffe ich auf Ihre Unterstützung – zum werden muss. Das darf nicht den Status quo abbil- Wohle der Patientinnen und Patienten, zum Wohle den, sondern muss eine bedarfsgerechte Versorgung der pflegebedürftigen Menschen und zum Wohle der sicherstellen. Das Ergebnis muss mehr Personal sein. vielen engagierten Gesundheits- und Pflegekräfte in unserem Land und derjenigen, die es noch werden Wir wollen, dass beim Personalschlüssel die Fach- wollen und die wir dringend brauchen. – Danke kräfte zählen, nicht aber Hilfskräfte. schön. Wir wollen, dass der Personalschlüssel zeitlich um- fassend ist, also sowohl den Tag als auch die Nacht umfasst. Warum soll die Versorgung in der Nacht Vizepräsident Daniel Günther: Als Nächste hat hintanstehen? Frau Parlamentarische Staatssekretärin Widmann- Mauz aus dem Bundesministerium für Gesundheit Wichtig ist für uns auch, dass wir den Hebammen- das Wort. bereich einbeziehen. In allen Bundesländern beste- hen Engpässe in den Kreißsälen. Wir in Berlin haben ein Aktionsprogramm „Für eine gute und sichere Ge- Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin burt“ auf den Weg gebracht und sehen, dass wir beim Bundesminister für Gesundheit: Herr Präsident! auch hier verbindliche Personalschlüssel brauchen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich, dass die Einführung von Per- Was die Pflegeheime angeht, sind die Regelungen sonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in zurzeit von Bundesland zu Bundesland unterschied- dem Antrag des Landes Berlin begrüßt wird. lich. Wir fordern auch hier gesetzliche Personal- schlüssel, die bundeseinheitlich festgelegt werden. Die Verbesserung der Personalsituation in der Pflege in unseren Krankenhäusern ist und bleibt ein Damit all das funktioniert, ist es wichtig, dass die zentrales Anliegen. Die Pflegekräfte in unserem Refinanzierung gesichert wird. Personaluntergrenzen Land leisten einen für den Behandlungserfolg unver- funktionieren nur dann, wenn die Refinanzierung (B) zichtbaren Beitrag. Ihre Arbeit ist wertvoll. Eine an- (D) über die Kassen sichergestellt wird. Bisher hat das gemessene Personalausstattung – insbesondere in nicht geklappt. Der Gesetzgeber ist also verpflichtet, der Pflege – ist nicht nur für die Arbeitssituation der dafür zu sorgen, dass die vollständigen Kosten des Beschäftigten im Krankenhaus, sondern auch zur Si- Mehr an Personal abgedeckt werden. Wir werden cherstellung einer qualitativ hochwertigen Patienten- deswegen den Schritt gehen müssen, dass die Re- versorgung unabdingbar. finanzierung des Pflegepersonals aus den Fallpau- schalen herausgenommen wird und dass gesondert Die Bundesregierung lehnt den Antrag des Landes vergütet wird. Die Separierung von der Systematik Berlin dennoch ab. der Fallpauschalenfinanzierung der Krankenhäuser Der Gesetzgeber hat in der vergangenen Legislatur- wäre ein Schritt in die richtige Richtung. periode unter anderem mit dem Krankenhausstruk- Meine Damen und Herren, mehr Personal heißt turgesetz eine Fülle von Maßnahmen zur Verbesse- aber nicht, dass das Personal einfach da ist. Wir se- rung der Personalsituation in den Krankenhäusern hen das auch aktuell an der Forderung in einer initiiert. Ich erwähne nur das Pflegestellen-Förderpro- neuen Koalitionsvereinbarung: 8 000 mehr Pflege- gramm und den Pflegezuschlag, wodurch erhebliche kräfte! Das heißt in der Behandlungspflege nicht, Mittel für die Pflege zur Verfügung gestellt werden. dass die Kräfte gleich da sind. Personaluntergrenzen Nach Überführung der Mittel des Pflegestellen-För- definieren heißt auch, die Ausbildungskapazitäten derprogramms in den Pflegezuschlag werden ab dem bedarfsgerecht zu erhöhen und bedarfsgerecht aus- nächsten Jahr weiterhin jährlich bis zu 830 Millionen zufinanzieren. Das ist eine Grundvoraussetzung. Euro dauerhaft für die Pflege zur Verfügung stehen. Und natürlich ist die Attraktivität der Pflegeberufe Ich will an dieser Stelle auch die mit dieser Gesetz- insgesamt zu verbessern. Die These, die Jugendli- gebung eingeführte hälftige Kostenrefinanzierung chen interessierten sich für diese Berufe nicht, kann von Tarifsteigerungen erwähnen. Auch der Entwurf ich widerlegen. Das Interesse besteht, nur müssen des Koalitionsvertrags sieht eine Weiterentwicklung wir die Attraktivität der Berufe verbessern. Die Aus- vor, nämlich eine vollständige Tarifkostenrefinanzie- bildung darf nicht mehr als reiner Kostenfaktor und rung. Belastung gesehen werden. Es war ein großer Erfolg für die weitere Verbesse- Die Herausforderungen, eine patientenorientierte rung der pflegerischen Versorgung, dass auf der Versorgung sicherzustellen und die Attraktivität der Grundlage der Beratungen der Expertenkommission Pflegeberufe insgesamt zu steigern, sind enorm. Auf- „Pflegepersonal im Krankenhaus“ die Einführung Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 49 Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (A) (C) von Personaluntergrenzen in sogenannten pflegesen- Ich kann Ihnen versichern, dass auch den Selbstver- sitiven Krankenhausbereichen beschlossen wurde. waltungspartnern bewusst ist, dass Untergrenzen so- wohl für die Tages- als auch für die Nachtschichten Das Gesetz ist im letzten Sommer in Kraft getreten. vorzusehen sind. Es sieht zur Verbesserung der Pflegequalität in be- stimmten Krankenhausbereichen, in denen es für die Wichtig ist auch die Frage, durch wen die Unter- Patientensicherheit besonders notwendig ist, künftig grenzen am Ende erfüllt werden müssen. Hier lohnt Personaluntergrenzen vor, die nicht unterschritten ein Blick in die Begründung des Gesetzes. Es ist aus- werden dürfen. Die Selbstverwaltungspartner sind drücklich erwähnt, dass examinierte Gesundheits- aufgefordert und verpflichtet, die Details dieser Re- und Krankenpfleger und -pflegerinnen mit mindes- gelung bis Mitte dieses Jahres vorzuschlagen. Sie tens dreijähriger Berufsausbildung dazu zählen. Es haben dabei einerseits Ausnahmetatbestände und heißt dort aber auch, dass ergänzend beispielsweise Übergangsregelungen zu bestimmen und anderer- auch Pflegehelferinnen und Pflegehelfer berücksich- seits geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von tigt werden können. Die Einzelheiten müssen auch Personalverlagerungen aus anderen Krankenhausbe- hier von den Verhandlungspartnern festgelegt wer- reichen vorzusehen; Frau Kolat hat dies angespro- den. chen. Sie haben dann den Themenkomplex Mehrkosten Wenn die Selbstverwaltungspartner keine solche angesprochen. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Vereinbarung treffen, wird das Bundesgesundheits- daraus folgenden Mehrkosten, die nicht schon ander- ministerium die Pflegepersonaluntergrenzen im Wege weitig im System finanziert sind, durch individuelle der Ersatzvornahme mit Rechtsverordnung zum 1. Ja- Zuschläge vereinbart werden können. Es ist klar, nuar nächsten Jahres festlegen. Die Partner befinden dass wir zu mehr Geld für die entsprechenden Ein- sich derzeit mitten in den Beratungen; sie sind sicher- richtungen kommen müssen, wenn nicht schon ver- lich nicht einfach. Es bleibt abzuwarten, welche Er- einbart. Wichtig ist uns: Wenn die Mindestgrenzen gebnisse sie zustande bringen. Insbesondere in den nicht eingehalten werden, sind Vergütungsabschläge schwierigen Fragen – bei der Festlegung der pflege- für die entsprechenden Häuser als Sanktionen vorzu- sensitiven Bereiche – haben sich die Vertragspartner sehen. in den letzten Verhandlungsrunden bewegt und sich Sie haben das Thema Arbeitsbedingungen ange- bereits auf bestimmte Bereiche verständigt. sprochen. Sie sind dafür verantwortlich, dass die Zu dem Anliegen des vorliegenden Antrags möchte Auszubildenden einen attraktiven Beruf vorfinden. ich gerne in Spiegelstrichen kurz Stellung beziehen. Deshalb ist es aus unserer Sicht notwendig, ein gan- zes Bündel an Maßnahmen auf den Weg zu bringen. (B) Ich möchte zunächst darauf eingehen, dass, wie Sie Ich denke an eine Ausbildungsoffensive, Anreize für (D) fordern, in allen Krankenhausbereichen Maßgaben eine bessere Rückkehr von Teil- in Vollzeit oder ein für das Personal festzulegen sind. Das Gesetz sieht Wiedereinstiegsprogramm für Pflegekräfte nach län- dies für die pflegesensitiven Bereiche vor. Aber Sie geren beruflichen Pausen. wissen, dass die Vorschläge für eine Koalitionsverein- barung vorsehen, dass die Untergrenzen auf alle bet- Wir sind, glaube ich, auf einem guten Weg. Die Er- tenführenden Abteilungen ausgedehnt werden sol- kenntnisse sind groß. len. Demnach könnte Ihrem Anliegen an dieser Stelle Die Entwürfe eines Koalitionsvertrags machen entsprochen werden. deutlich, dass weitere Anstrengungen beabsichtigt Ihr Antrag formuliert die weitere Maßgabe, dass sind, unter anderem die Pflegekosten im Kranken- sich die Untergrenzen auf eine bedarfsgerechte Ver- haus unabhängig von Fallpauschalen zu vergüten, sorgung beziehen sollen. Untergrenzen stellen einen was zu einer deutlichen Verbesserung der Pflegeper- Mindestmaßstab dar, der verhindern soll, dass die sonalausstattung führen kann. Wahrscheinlichkeit des Auftretens unerwünschter Zudem wird – wie bereits erwähnt – die Auswei- Ereignisse entsteht. Sie sollen Patientengefährdun- tung des Konzepts der Untergrenzen auf alle betten- gen verringern. Krankenhäuser mit im Bundesdurch- führenden Abteilungen vorgesehen. schnitt vergleichsweise besonders schlechter Pflege- personalausstattung sollen durch die Untergrenzen Auch vor dem Hintergrund des bestehenden Man- dazu bewegt werden, ihren Personalbestand mindes- gels an examinierten Gesundheits- und Krankenpfle- tens bis zur Untergrenze aufzustocken. Das führt na- gerinnen auf dem Arbeitsmarkt ist es vernünftig, an türlich zu einem Zugewinn an Versorgungssicher- diesem Konzept weiterhin festzuhalten. Wir sind auf heit; denn das Ausstattungsniveau wird angehoben. einem richtigen Weg; denn hätten wir verbindliche Aber das ist nicht die Festlegung einer Personalaus- und bedarfsgerechte Personalschlüssel, wüssten wir, stattung im Einzelfall. dass wir sie mit dem derzeit vorhandenen Personal nicht erfüllen könnten, weil die Arbeitskräfte am Die gesetzlichen Vorgaben beziehen sich im Übri- Markt schlicht nicht verfügbar sind. Damit wäre nie- gen auch auf die Nachtschichten. Sie sind besonders mandem geholfen. zu berücksichtigen; dies war dem Gesetzgeber ein wichtiger Punkt. Wie in Ihrem Antrag gefordert, wird Daher bitte ich Sie, die Verhandlungen der Ver- damit eine zeitlich umfassende Geltung der Unter- tragspartner zu den Pflegepersonaluntergrenzen bis grenzen über alle Schichten hinweg sichergestellt. zur Mitte des Jahres und damit den Weg, den wir 50 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 Parl. Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (A) (C) eingeschlagen haben, abzuwarten. Auf diese Ergeb- Nun bitte ich um Ihr Handzeichen für alle noch nisse können wir gespannt sein. – Vielen Dank. nicht erledigten Ziffern der Ausschussempfehlungen. – Mehrheit. Vizepräsident Daniel Günther: Weitere Wortmel- Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung dungen liegen nicht vor. genommen. Zur weiteren Beratung weise ich die Vorlage dem Die Tagesordnungspunkte 13 a) bis c) rufe ich zur Gesundheitsausschuss – federführend – sowie dem gemeinsamen Beratung auf: Finanzausschuss und dem Kulturausschuss – mitbe- ratend – zu. a) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 10: schafts- und Sozialausschuss und den Aus- Vorschlag für eine Verordnung des Europäi- schuss der Regionen über einen Überwa- schen Parlaments und des Rates über Auf- chungsrahmen für die Kreislaufwirtschaft sichtsanforderungen an Wertpapierfirmen und COM(2018) 29 final zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 575/ (Drucksache 14/18) 2013, (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 1093/2010 b) Mitteilung der Kommission an das Europäische COM(2017) 790 final; Ratsdok. 16017/17 Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- (Drucksache 775/17, zu Drucksache 775/17) schafts- und Sozialausschuss und den Aus- Wortmeldungen liegen nicht vor. schuss der Regionen: Eine europäische Strate- gie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. COM(2018) 28 final Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: (Drucksache 13/18) Ziffer 2, zunächst ohne die eckige Klammer! – c) Mitteilung der Kommission an das Europäische Mehrheit. Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- Nun bitte Ihr Handzeichen für die eckige Klammer schafts- und Sozialausschuss und den Aus- in Ziffer 2! – Mehrheit. schuss der Regionen über die Umsetzung des Pakets zur Kreislaufwirtschaft: Optionen zur Ziffer 5! – Mehrheit. Regelung der Schnittstelle zwischen Chemika- Ziffer 6! – Mehrheit. lien-, Produkt- und Abfallrecht COM(2018) 32 final Damit entfällt Ziffer 7. (Drucksache 15/18) (B) Ziffer 8! – Mehrheit. Wortmeldungen liegen nicht vor. (D) Damit entfällt Ziffer 9. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst zu Tages- Ziffer 11! – Mehrheit. ordnungspunkt 13 a). Ziffer 12! – Mehrheit. Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: Ziffer 13! – Mehrheit. Ziffer 5! – Minderheit. Ziffer 14! – Mehrheit. Nun bitte ich um Ihr Handzeichen für alle noch Ziffer 15! – Mehrheit. nicht erledigten Ziffern der Ausschussempfehlungen. Nun bitte ich um Ihr Handzeichen für alle noch – Mehrheit. nicht erledigten Ziffern der Ausschussempfehlungen. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung – Mehrheit. genommen. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung genommen. Es geht weiter mit Tagesordnungspunkt 13 b). Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 12 b): Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Ich rufe auf: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Än- derung der Richtlinie 2006/112/EG über das Ziffer 4! – Mehrheit. gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug Ziffer 5! – Minderheit. auf die Sonderregelung für Kleinunternehmen COM(2018) 21 final Ziffer 6! – Mehrheit. (Drucksache 18/18, zu Drucksache 18/18) Ziffer 7! – Mehrheit. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ziffer 8! – Mehrheit. Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Ich rufe auf: Ziffer 9! – Mehrheit. Ziffer 3! – Mehrheit. Ziffer 10! – Minderheit. Ziffer 4! – Mehrheit. Ziffer 11! – Minderheit. Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 51 Vizepräsident Daniel Günther (A) (C) Nun bitte ich um Ihr Handzeichen für alle noch Dort, wo bis heute mangelnde Schutzvorkehrungen nicht erledigten Ziffern der Ausschussempfehlungen. getroffen wurden, würden wahrscheinlich künftig – Mehrheit. noch weniger Investitionen stattfinden. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung (Vorsitz: Amtierende Präsidentin genommen. Birgit Honé) Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 13 c). Ich halte es daher für erforderlich, dass die Länder hier und heute ein eindeutiges Signal nach Brüssel Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. senden: Wir stehen jederzeit für solidarische Hilfe im Ich rufe auf: Katastrophenschutz bereit und haben das in einer Ziffer 1! – Mehrheit. Vielzahl von Fällen bereits unter Beweis gestellt. Damit entfällt Ziffer 2. Selbstverständlich stehen wir alle den wichtigen Fragen der Verbesserung des bestehenden Gemein- Ziffer 5! – Minderheit. schaftsverfahrens aufgeschlossen gegenüber. Wir sind auch gerne bereit, uns weitergehend einzubringen, Ziffer 6! – Minderheit. soweit dies notwendig und sinnvoll ist. Ziffer 7! – Mehrheit. Wir stehen jedoch nicht zur Verfügung für eine Ziffer 8! – Mehrheit. Zentralisierung von Katastrophenschutzeinheiten oder eine zentrale Steuerung der Krisenmanage- Nun bitte ich um Ihr Handzeichen für alle noch mentplanungen in den Mitgliedstaaten durch die Eu- nicht erledigten Ziffern der Ausschussempfehlungen. ropäische Kommission. – Mehrheit. Ein gut aufgestellter Brand- und Katastrophen- Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung schutz ist die beste Stärkung der Regionen. Flächen- genommen. deckende, ehrenamtliche Hilfeleistungsstrukturen Die Tagesordnungspunkte 14 a) und b) rufe ich zur sind nicht nur Garant für eine schnelle und wirksame gemeinsamen Beratung auf: Hilfe vor Ort. Die Feuerwehren und Hilfsorganisatio- nen sind außerdem ein nicht hinwegzudenkender a) Mitteilung der Kommission an das Europäische Teil unserer örtlichen Gemeinschaften. Parlament, den Rat und den Ausschuss der Re- gionen: Stärkung des Katastrophenmanage- Die Feststellung der Kommission, dass der Katastro- ments der EU: rescEU – Solidarität und Verant- phenschutz in den Mitgliedstaaten nicht gleicherma- wortung ßen gut aufgestellt ist, muss hingegen geteilt werden. (B) (D) COM(2017) 773 final Und dass die Kommission in Anbetracht der leider im- (Drucksache 757/17) mer wiederkehrenden Waldbrände mit schrecklichen Folgen für Menschen und Natur ernsthaft darüber b) Vorschlag für einen Beschluss des Europäi- nachdenkt, wie der Schutz der Bürgerinnen und Bür- schen Parlaments und des Rates zur Änderung ger in der Europäischen Union verbessert werden des Beschlusses Nr. 1313/2013/EU über ein Ka- kann, ist aller Ehren wert. tastrophenschutzverfahren der Union COM(2017) 772 final; Ratsdok. 14884/17 Ziel solcher Modifizierungen kann es jedoch nicht (Drucksache 756/17, zu Drucksache 756/17) sein, dass die Kommission im Wege der zentralen Er- satzvornahme vorhandene Defizite in den Mitglied- Es liegt eine Wortmeldung von Staatsminister staaten kompensiert. Vielmehr muss sie die Mitglied- Beuth aus Hessen vor. staaten in die Lage versetzen, den Brand- und Katastrophenschutz in den Regionen so zu ertüchti- gen, dass er solchen Großschadenslagen und Notfäl- Peter Beuth (Hessen): Herr Präsident! Meine sehr len gewachsen ist. geehrten Damen und Herren! Wir wollen den Kata- strophenschutz, wie er sich in unserem Land seit Mit der Aufstellung EU-eigener Kräfte würde man Jahrzehnten bestens bewährt hat, vor drastischen hingegen die Mitgliedstaaten aus ihrer Verantwor- Eingriffen aus Brüssel schützen. tung entlassen, die darin besteht, ihre Regionen ange- messen auszustatten. Sie würden daher im Ergebnis Lassen Sie mich deshalb zu Beginn sagen: Die Vor- zu einer weiteren Schwächung des Katastrophen- schläge aus Brüssel dienen keineswegs dazu, den schutzes führen, insbesondere in stark betroffenen Schutz der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Regionen. Vielmehr lassen sie befürchten, dass es dadurch mit- tel- und langfristig zu einem Rückbau der nationalen Den besten Schutz der Bürgerinnen und Bürger ge- Anstrengungen in diesem Bereich kommt. Die Fol- währleisten wir deshalb nur mit einem flächende- gen wären – im wahrsten Sinne des Wortes – „kata- ckend gut aufgestellten Brand- und Katastrophen- strophal“. schutz, dessen Helferinnen und Helfer schnell zur Stelle sind, wenn sie gebraucht werden, und die mit Dort, wo heute flächendeckender Schutz vor- den örtlichen Gegebenheiten bestens vertraut sind. herrscht, würde er durch Parallelstrukturen und ein umständliches Krisenmanagement weit weg von den Wir sind gerne bereit, diese Erfahrungen mit ande- Krisen verwässert werden. ren Ländern zu teilen und uns mit Rat und Tat einzu- 52 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 Peter Beuth (Hessen) (A) (C) bringen. Wir sind jedoch nicht bereit, die über lange Es liegen keine Wortmeldungen vor. – Je eine Er- Zeit gewachsenen Hilfeleistungsstrukturen in unse- klärung zu Protokoll*) abgegeben haben Herr rem Land ohne erkennbaren Grund aufs Spiel zu set- Staatssekretär Lennartz (Saarland) und Herr Minis- zen. – Vielen Dank. ter Dr. Buchholz (Schleswig-Holstein). Wir sind übereingekommen, heute in der Sache zu Amtierende Präsidentin Birgit Honé: Weitere Wort- entscheiden. Daher frage ich, wer dafür ist, den Ge- meldungen liegen nicht vor. setzentwurf beim Deutschen Bundestag erneut ein- zubringen. – Mehrheit. Je eine Erklärung zu Protokoll*) abgegeben haben Herr Minister Strobl (Baden-Württemberg) und Herr Dann ist so beschlossen. Minister Pistorius (Niedersachsen). Wir sind übereingekommen, Herrn Minister Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Laumann (Nordrhein-Westfalen) zum Beauftragten Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: zu bestellen. Ziffer 5, zunächst ohne den letzten Satz! – Mehr- Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf: heit. Verordnung zur Änderung der Schweinepest- Bitte Ihr Handzeichen für den letzten Satz von Zif- Verordnung und der Verordnung über die fer 5! – Mehrheit. Jagdzeiten (Drucksache 54/18) Ziffer 11! – Mehrheit. Es liegen Wortmeldungen vor. Ich rufe Herrn Mi- Wir fahren fort mit Satz 1 der Ziffer 14. – Mehrheit. nister Hauk aus Baden-Württemberg auf. Nun bitte noch Ihr Handzeichen für die restlichen Sätze von Ziffer 14! – Mehrheit. Peter Hauk (Baden-Württemberg): Frau Präsiden- tin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigten vorliegende Verordnungsentwurf geht aus meiner Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. Sicht in die richtige Richtung. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Ich begrüße es ausdrücklich, dass der Bund die genommen. Rechtsgrundlage geschaffen hat, um bereits im Vor- Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf: feld präventive Maßnahmen gegen die Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest treffen zu können, im Entwurf eines Gesetzes über Vorrechte, Immu- Seuchenfall die erforderlichen Bekämpfungsmaßnah- nitäten, Befreiungen und Erleichterungen in men durchzuführen und die nach EU-Recht geforder- (D) (B) der Bundesrepublik Deutschland als Gaststaat ten Notfallpläne sowie den sogenannten Tilgungsplan internationaler Einrichtungen (Gaststaatge- bei Wildschweinepest vorbereiten zu können. setz) – Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 49/ Die vorliegende Verordnung ist im Bundesrat in 18) Höchstgeschwindigkeit bearbeitet worden. Das gilt aber nicht für das ganze Verfahren. Leider ist seit der Mir liegen keine Wortmeldungen vor. Vorlage der ersten Änderungsentwürfe der Schwei- Auch bei dieser Reprise sind wir übereingekom- nepest-Verordnung Anfang des Jahres 2016 durch men, heute sofort in der Sache zu entscheiden. das BMEL viel wertvolle Zeit ungenutzt verstrichen. Ich frage daher, ob der Gesetzentwurf in unverän- Bereits im letzten Oktober hatte der Deutsche derter Fassung erneut beim Deutschen Bundestag Jagdverband gemeinsam mit dem Friedrich- eingebracht werden soll. Wer dafür ist, den bitte ich Loeffler-Institut einen Maßnahmenkatalog für um das Handzeichen. – Mehrheit. die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest bei Wildschweinen im Seuchenfall erstellt. Schon damals Dann ist so beschlossen. haben die Länder auf die fehlenden tierseuchen- rechtlichen Grundlagen zu dessen Umsetzung hinge- Wir sind übereingekommen, Herrn Minister wiesen. Wir werden uns also auch weiterhin mit dem Dr. Holthoff-Pförtner (Nordrhein-Westfalen) zum Be- Thema ASP befassen. Ich sage bewusst: befassen auftragten für die Beratungen im Deutschen Bundes- müssen. tag zu bestellen. Wir brauchen im Ernstfall eine effektive Seuchen- Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf: bekämpfung – das ist klar. Es geht um den Schutz Entwurf eines Gesetzes über den Beruf des unserer Schweine haltenden und produzierenden Be- Operationstechnischen Assistenten und zur triebe. Es geht aber auch um den Schutz der Wild- Änderung des Krankenhausfinanzierungsge- schwein- und Schweinepopulation vor einer tödli- setzes – Antrag des Landes Nordrhein-Westfa- chen Tierkrankheit. Mit Blick auf den Tierschutz len gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache sage ich: einer Krankheit, die zu 100 Prozent zu ei- 50/18) nem qualvollen Tod der Tiere führt.

*) Anlagen 11 und 12 *) Anlagen 13 und 14 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 53 Peter Hauk (Baden-Württemberg) (A) (C) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Än- auch bei allen anderen Seuchenpräventionsmaßnah- derungen der beiden Verordnungen reichen für eine men von großer Bedeutung. wirksame Bekämpfung eines ASP-Ausbruchs bei Wildschweinen alleine noch nicht aus. Personenbeförderungsunternehmen und Postdienst- leister sind nach EU-Recht verpflichtet, die Reisen- Aktuell hat die Agrarministerkonferenz die Prüf- den auf die Verbringungsverbote für Schweinefleisch bitte an den Bund gerichtet, zeitnah einen mit den und daraus hergestellte Erzeugnisse aus den Restrik- Ländern abgestimmten Entwurf eines Bundesgeset- tionsgebieten hinzuweisen. Ich begrüße die Verlän- zes zu erarbeiten, mit dem die zuständigen Behörden gerung und Ausweitung der präventiven Informa- in der sogenannten Kernzone wirksame Tierseuchen- tionskampagne des Bundes zur Verhinderung eines bekämpfungsmaßnahmen ergreifen können. Das ist Seucheneintrags durch illegal nach Deutschland ge- die Zone um einen Ausbruch, wenn er festgestellt brachte und entsorgte Lebensmittel auf das nachge- wird, herum – meistens ist es ein Radius von 3 Kilo- ordnete Straßennetz sowie das Personenbeförde- metern –, um dort wirkungsvolle Maßnahmen zu tref- rungsgewerbe daher ausdrücklich. fen. Besonders zielführend sind die ergänzenden Kon- Ich begrüße daher ausdrücklich die Zusage des trollen des Zustands der Wildzäune sowie der Müll- Bundes auf der vergangenen nationalen ASP-Prä- behältersicherung und -entleerung an den Rast- und ventionskonferenz, in diese Richtung tätig zu wer- Parkplätzen der Bundesautobahnen durch Bediens- den. „In diese Richtung“ ist schon ein wegweisender tete der Straßenbaubehörden. Es war eine gute Ausdruck, aber am Ende ist natürlich Handlung ge- Fügung, dass der geschäftsführende Bundeslandwirt- fordert. Da muss der Bund jetzt liefern. Ich kann nur schaftsminister auch geschäftsführender Bundesver- hoffen, dass sich die Sozialdemokraten ihrer staats- kehrsminister geworden ist. Die Kontrollen kann man bürgerlichen Pflicht bewusst sind, damit wir mög- insbesondere mit Blick auf Vollständigkeit und Ziel- lichst schnell eine handlungsfähige Bundesregierung führung verstärken. haben, die diese Themen tatsächlich aufgreift. Schließlich bitte ich das BMEL, sich auf der EU- Wir müssen auf allen Ebenen arbeiten, um gegen Ebene dafür einzusetzen, dass die Verbringungsver- die Afrikanische Schweinepest gut aufgestellt zu sein. bote für Schweinefleisch und daraus hergestellte Er- Wir im Südwesten haben, wie andere Länder auch, ei- zeugnisse aus den Restriktionsgebieten durch eine nen Maßnahmenplan zur Vorbeugung der Einschlep- Eigendeklaration vor der Einreise in nicht von der pung der ASP ins Land und zu ihrer Bekämpfung be- ASP betroffene Mitgliedstaaten ergänzt werden – das schlossen und hierfür die notwendigen finanziellen soll keine zusätzliche bürokratische Hürde für den Mittel bereitgestellt. Personenverkehr sein, sondern die Sensibilität der Pendler aus den Befallsgebieten erhöhen – sowie eine (B) Der Plan berücksichtigt insbesondere, dass die Re- (D) Rechtsgrundlage zur Durchführung von Stichproben- duzierung der Schwarzwildbestände nur durch die kontrollen des Reiseverkehrs im Binnenraum ge- engagierte Mithilfe der Jäger auf der Fläche gelin- schaffen wird. Sie gibt es derzeit nicht. gen kann. Dabei geht es auch darum, die Motivation der Jägerinnen und Jäger zu erhöhen. Denn Jäger Darüber hinaus müssen wir die bestehende Infor- sind ehrenamtlich tätig, wir können sie nicht staatlich mationspflicht für das Personenbeförderungsgewerbe anweisen. Für die Motivation muss man auch An- über die Verbringungsverbote auf die Beschäftigten reize setzen, und man muss die Regularien entspre- im Transportgewerbe ausdehnen. Die Länder haben chend treffen. nämlich keine Möglichkeit, Kontrollen von Lkws auf illegal mitgeführte Lebensmittel zur persönlichen Es geht nicht darum, dass die Länder in einen ge- Verwendung durchzuführen. genseitigen Überbietungswettbewerb verfallen, wer die höchsten Abschussprämien bietet. Wegen der Auch das Bundesministerium der Finanzen sollte in Abschussprämien wird sich kein Mensch nachts bei die Informationskampagne zur Schweinepestpräven- minus 20 Grad auf das schneebedeckte Feld setzen tion einbezogen sein, nachdem die Kontrollen des und auf die Wildschweine warten. Er bleibt im Bett Reiseverkehrs aus Drittländern nach der bestehen- liegen, weil das bequemer ist. den Verordnung (EG) Nr. 206/2009 über die Einfuhr bestimmter Mengen von tierischen Erzeugnissen zur Man muss überlegen, wie man die Jagdmethoden persönlichen Verwendung bereits durch die Zollbe- und die Jagdmöglichkeiten deutlich verbessert. Da hörden durchgeführt werden. geht es um Investitionshilfen, aber auch um Beratung der Jäger für revierübergreifende Drückjagden. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehr- Wie gesagt, die Länder haben sich da unterschied- ten Damen und Herren, ich hoffe, dass Deutschland liche Dinge ausgedacht. Und es hat sich gezeigt: Dort, möglichst lange von einem Ausbruch der Afrikani- wo es Länderregelungen gibt, erfüllen sie diese. schen Schweinepest bei Haus- und Wildschweinen Hierzu brauchen wir keine Hilfe des Bundes. Der verschont bleibt. Dies setzt aber voraus, dass die Be- Bund soll sich auf die Themen beschränken, für die er völkerung und insbesondere Reisende und Beschäf- zuständig ist, den Kern der Tierseuchenbekämpfung, tigte im Transportgewerbe und natürlich Privatper- und dort handeln, nicht zögern. sonen über die vorbeugenden Maßnahmen gut informiert sind und sie konsequent einhalten. Unab- Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Zu- hängig davon müssen wir auf einen ASP-Ausbruch sammenspiel von EU, Bund und Ländern ist aber vorbereitet sein. 54 Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 Peter Hauk (Baden-Württemberg) (A) (C) Manche fragen: Wie kann man überhaupt infizierte Erhebliche Faktoren bei der Verbreitung sind zum Ware mitbringen? Es geht um Waren, bei denen das einen der Faktor Mensch und zum anderen die Wild- Virus nicht abgetötet ist. Dazu braucht es bestimmte schweinpopulationen. An diesen Punkten ist daher Hitzetemperaturen, Kälte reicht nicht aus. Und es zunächst anzusetzen. gibt Fleischwaren, Wurstwaren, die nicht gekocht oder erhitzt werden, sondern luftgetrocknet oder ge- Das BMEL hat bereits 2014, unmittelbar nach den räuchert werden. Wer Schinken, Salami, Landjäger ersten ASP-Fällen in Osteuropa, eine umfassende etc. aus Befallsgebieten mit sich führt und achtlos mehrsprachige Informationskampagne gestartet. Diese wegwirft, geht das Risiko ein, dass sie von einem Aufklärungskampagne erfolgte durch Plakate an Au- Wildschwein gefressen werden, und dann haben wir tobahnraststätten, Parkplätzen und Autohöfen. Denn den Fall, den Ausbruch. Das ist der entscheidende es ist ganz deutlich: Die Gefahr entsteht insbesondere Punkt. So ist vermutlich auch die Seuche in Tsche- über die Mitnahme von ASP-Virus-kontaminierten chien ausgebrochen, 400 Kilometer von dem letzten Lebensmitteln durch Reisende und Lkw-Fahrer sowie Ausbruchsgebiet entfernt. Es waren keine Wild- über die unsachgemäße Entsorgung dieser Lebens- schweine, die gewandert sind, sondern es war ver- mittel. Gerade in diesen kann der Erreger genauso mutlich ein Ferneintrag über solche Bereiche. enthalten sein wie auf anderen kontaminierten Ge- genständen. Nicht jedes Land in Osteuropa hat, wie wir, eine Tierseuchenkasse. Sie entschädigt die Schweinehal- Darüber hinaus haben wir die für das Veterinärwe- ter, wenn die Tiere krank, hinfällig werden. Das ist sen zuständigen Behörden der Bundesländer und die quasi die Sterbegeldversicherung für die Haus- landwirtschaftlichen Verbände gebeten, unter ande- schweine. Das Problem in Osteuropa ist, dass es keine ren Erntehelfer aus Osteuropa mittels Handzettel zu Tierseuchenkasse gibt, die eine öffentlich-rechtliche informieren. Einrichtung ist. Wenn die Tiere am ersten Krankheits- Besonderes Augenmerk gilt der Gruppe der Jagd- tag Fieber zeigen, wird mancher private Halter dort reisenden, die gezielt mittels Merkblätter über Jagd- schnell schlachten und das Fleisch verwerten. Es reisen-Veranstalter und mittels Beilagen in Jagdzeit- kommt gar nicht zur Untersuchung. Darin besteht die schriften sensibilisiert werden. große Gefahr. Nicht überall ist die Kontrolldichte so hoch, wie es in Deutschland der Fall ist. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ein zen- traler Punkt der Prävention ist das zahnradartige In- Insofern haben wir allen Grund zur Prävention und einandergreifen der Akteure. Bund, Länder, For- zur Vorsicht. Die jetzige Verordnung ist ein guter schung und Verbände müssen hier im gemeinsamen Weg. Dabei dürfen wir allerdings nicht stehenblei- Schulterschluss agieren. Wir haben am Montag die- ben. – Vielen Dank. ser Woche dazu eine Nationale Präventionskonferenz (B) (D) durchgeführt. Sollte sich aber trotz aller Präventions- maßnahmen ein Ausbruch ereignen, ist unverzügli- Amtierende Präsidentin Birgit Honé: Vielen Dank, ches Eingreifen zur Vermeidung einer Weiterver- Herr Minister Hauk! schleppung der ASP notwendig und geboten.

Es liegt eine weitere Wortmeldung vor: Herr Parla- Mit der vom BMEL vorgelegten Verordnung ver- mentarischer Staatssekretär Bleser aus dem Bundes- bessern wir die Instrumentarien, um die Schweine- ministerium für Ernährung und Landwirtschaft. pest wirkungsvoll zu bekämpfen.

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei Peter Bleser, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, be- nister für Ernährung und Landwirtschaft: Frau Präsi- danken, dass Sie es durch den Verzicht auf die übli- dentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! chen Beratungsfristen ermöglicht haben, dass wir Die Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest diese Verordnung bereits in der heutigen Plenarsit- stellt für Deutschland eine große Gefahr dar. zung beraten. Das ist ein weiteres Signal dafür, dass wir gemeinsam handlungswillig und handlungsfähig Die Tierseuche breitet sich in den Wildschweinbe- sind, um die ASP einzudämmen. ständen der betroffenen Regionen in Osteuropa – un- ter anderen Polen und Tschechien – immer weiter aus Mit der Änderung der Schweinepest-Verordnung und ist nur noch 350 Kilometer von Deutschland ent- werden europäische Regelungen für den Fall des fernt. Sie stellt zwar für den Menschen keine Gefahr Ausbruchs der ASP in nationales Recht umgesetzt. dar; denn sie betrifft ausschließlich Haus- und Wild- schweine. Aber ein Ausbruch hätte erhebliche wirt- Darüber hinaus werden weitere wichtige Regelun- schaftliche Konsequenzen für die Schweine halten- gen getroffen, und zwar bezüglich der Reinigung den Betriebe und für den Schweinefleischsektor und Desinfektion von Transportfahrzeugen, der Er- insgesamt. weiterung von Anordnungsbefugnissen und Ermäch- tigungen für die zuständigen Behörden, der Nutzung Wir tun daher alles, um die Einschleppung der ASP von Gras, Heu und Stroh zu Futterzwecken, als Ein- nach Deutschland zu verhindern, und haben die Prä- streu oder Beschäftigungsmaterial, der Ausweitung ventionsmaßnahmen – gemeinsam mit den Ländern – der Maßnahmen zur Erkennung der ASP sowie der bereits seit geraumer Zeit durch verschiedene Maß- Ausdehnung des Gebietes, in dem Maßnahmen er- nahmen intensiviert. griffen werden können. Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 55 Parl. Staatssekretär Peter Bleser (A) (C) Eine weitere zentrale Rolle bei der Prävention spielt Jetzt der Landesantrag in Drucksache 54/3/18! eine gezielte und effiziente Reduzierung des Wild- Bitte Ihr Handzeichen! – Auch das ist eine Minder- schweinbestandes. Deshalb wird in der Verordnung heit. über die Jagdzeiten die Schonzeit für Schwarzwild Weiter mit den Ausschussempfehlungen! Ich rufe aufgehoben. Durch die dadurch – unter Wahrung des auf: gesetzlichen Muttertierschutzes – ermöglichte ganz- jährige Bejagung soll die Schwarzwildpopulation Ziffer 3! – Mehrheit. ausgedünnt werden, wodurch das Risiko einer Ver- schleppung der ASP nach Deutschland vermindert Ziffer 5! – Mehrheit. werden kann. Es folgt der Landesantrag in Drucksache 54/4/18. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, unser Ziel Wer ist dafür? – Das ist eine Minderheit. muss es sein, durch gemeinsame Koordinierung und Nun bitte das Handzeichen für alle noch nicht erle- Maßnahmen für höchstmögliche Sicherheit zu sorgen, digten Änderungsempfehlungen! – Mehrheit. um die Schweinepest in Deutschland zu verhindern. Mit den vorgelegten Neuregelungen stärken wir das Damit hat der Bundesrat der Verordnung entspre- rechtliche Fundament für die Sicherheit der tierhal- chend zugestimmt. tenden Betriebe und ihrer Nutztiere in Deutschland. Es bleibt noch abzustimmen über die empfohlene Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung, damit die ge- Entschließung. Bitte das Handzeichen für: planten Regelungen möglichst schnell in Kraft treten Ziffer 9! – Mehrheit. können. – Herzlichen Dank. Damit hat der Bundesrat die Entschließung gefasst. Amtierende Präsidentin Birgit Honé: Vielen Dank! Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir ha- ben die Tagesordnung der heutigen Sitzung erledigt. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die nächste Sitzung des Bundesrates berufe ich ein Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- auf Freitag, den 23. März 2018, 9.30 Uhr. fehlungen sowie drei Landesanträge vor. Die Sitzung ist geschlossen. Ich beginne mit dem Landesantrag in Drucksache 54/2/18. Wer stimmt zu? – Das ist eine Minderheit. (Schluss: 11.55 Uhr)

(B) (D) Beschluss im vereinfachten Verfahren (§ 35 GO BR)

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Ände- rung der Richtlinien 2013/36/EU und 2014/65/EU COM(2017) 791 final; Ratsdok. 16011/17 (Drucksache 776/17, zu Drucksache 776/17) Ausschusszuweisung: EU – Fz – R – Wi Beschluss: Kenntnisnahme

Korrektur 964. Sitzung Zu Punkt 13 – Richtlinienvorschlag über saubere und energieeffiziente Straßenfahrzeuge –, Seite 20 (B), lautet die Abstimmung richtig: Ziffer 4! – Mehrheit. Damit entfallen die Ziffern 5, 9 und 10.

Feststellung gemäß § 34 GO BR Weitere Einsprüche gegen den Bericht über die 964. Sitzung sind nicht eingelegt worden. Damit gilt der Bericht gemäß § 34 GO BR als genehmigt.

Anlagen

Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 57*

(A) (C) Anlage 1 – zu TOP 2 stücken. Der Bund beteiligt sich hier nicht, obwohl es eindeutig um Kriegsfolgelasten geht. Erklärung Für die Räumung von britischen oder amerikani- von Minister Boris Pistorius schen Fliegerbomben in den Städten übernimmt der (Niedersachsen) Bund damit finanziell keine Verantwortung. Hier zu Punkt 2 der Tagesordnung werden die Länder und Kommunen seit mehr als 70 Jahren alleingelassen. Mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gehen von Fliegerbomben und anderer Mit dem vorliegenden Entwurf eines Rüstungsalt- Kriegsmunition immer noch erhebliche Gefahren aus. lastenfinanzierungsgesetzes soll dieser unbefriedi- Immer wieder werden vor allem in Städten Blind- gende Zustand beseitigt werden. Für die Frage der gänger gefunden. Ganze Stadtteile werden gesperrt. Kosten kann es nicht darauf ankommen, wo die Flie- Menschen müssen ihre Häuser verlassen, damit der gerbombe gefunden wird. Auch die Herkunft der Kampfmittelbeseitigungsdienst seine gefährliche Ar- Bombe darf keine Rolle spielen. beit verrichten kann.

Ich erinnere an einen traurigen und tragischen Vor- Deshalb verfolgt der Gesetzentwurf folgenden fall im Juni 2010, bei dem bei einer Räumungsaktion grundlegend anderen Ansatz: Der Begriff der „Rüs- eine freigelegte Fliegerbombe in Göttingen deto- tungsaltlasten“ wird klar definiert. Es werden alle nierte. Drei niedersächsische Bedienstete des Kampf- Maßnahmen zur Beseitigung von Rüstungsaltlasten mittelbeseitigungsdienstes kamen dabei ums Leben. erfasst, also deren Erkundung, Räumung und Besei- Unfälle wie dieser sind ein trauriger Beleg dafür, dass tigung sowie die Sanierung von belasteten Liegen- die Gefahren, die von alter Kriegsmunition ausge- schaften. Es werden klare Regelungen zur Finan- hen, real sind und Menschenleben kosten können. Es zierung der vorgenannten Maßnahmen getroffen. zeigt sich auch, dass wir uns noch lange mit der Auf- Fundort und Herkunft, wie eben beschrieben, spielen gabe der Kampfmittelbeseitigung werden beschäfti- keine Rolle mehr. gen müssen. Der Gesetzentwurf erweitert die Finanzierungs- Die Kampfmittelbeseitigung belastet die ohnehin pflicht des Bundes im Ergebnis erheblich. Da es hier knappen Haushalte von Ländern und Kommunen zu- um Kriegsfolgelasten im Sinne des Artikels 120 nehmend. Dies gilt vor allem für Länder mit starker Grundgesetz geht, ist dies jedoch verfassungsrecht- Kampfmittelbelastung wie Niedersachsen oder Bran- (B) lich zulässig, ja geradezu geboten. Der Bund wird da- (D) denburg. mit seiner gesamtstaatlichen Verantwortung gerecht, die ihm das Grundgesetz zuschreibt. Der Gesetzent- Der Bund beteiligt sich zwar an diesen Kosten. Je- wurf ist daher überfällig. doch wird der Anteil des Bundes nicht nur von den Ländern, sondern auch von den Kommunen als unzu- reichend angesehen. Im parlamentarischen Verfahren zum Bundeshaus- halt 2016 hat der Bund bis zum Haushaltsjahr 2019 einmalig insgesamt bis zu 60 Millionen Euro aus sei- Dabei haben die Väter des Grundgesetzes 1949 die nen Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt, um die naheliegende Frage beantwortet, wer die Folgen des Länder zu unterstützen. Die Bereitstellung der Mittel Krieges zu tragen hat. Artikel 120 besagt: Der Bund unterliegt aber so hohen Hürden und Beschränkun- trägt die Aufwendungen für die inneren und äußeren gen, dass sie nicht als Kompensation zu einem Rüs- Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung von tungsaltlastenfinanzierungsgesetz angesehen werden Bundesgesetzen. Nur: Eine spezielle gesetzliche Re- kann. Für das vorgenannte Programm hat der Bund gelung liegt bis heute nicht vor. bei uns Ländern die Durchschnittskosten aus drei Abrechnungsjahren abgefragt. Erst wenn der so er- Stattdessen hat sich eine „Staatspraxis“ entwickelt, mittelte Durchschnittswert überschritten wird, erstat- die auf die 50er Jahre zurückgeht. In Anlehnung an tet der Bund – aber auch nur dann – von den darüber das Allgemeine Kriegsfolgengesetz wurden Kosten- hinausgehenden Kosten bis zu 50 Prozent. verteilungsregelungen entwickelt, die jedoch nur im Verhältnis zwischen Bund und Ländern gelten. Eine gesetzliche Regelung ist überfällig. Die finan- Danach trägt der Bund seit April 1956 die Kosten ziellen Folgen der Beseitigung von Rüstungsaltlasten für die Beseitigung sämtlicher Kampfmittel auf bun- müssen gerechter als bisher zwischen Bund und Län- deseigenen Grundstücken. Auf nicht bundeseigenen dern aufgeteilt werden. Nur so können wir sicherstel- Grundstücken werden lediglich die Kosten für die len, dass die Bergung von Kriegsmunition und die Beseitigung ehemals reichseigener Munition über- Sanierung von kontaminierten Flächen in Deutsch- nommen. land zügig vorangehen.

Die Länder tragen die Kosten für die Beseitigung Ich hoffe auf Ihre Unterstützung in den anstehen- alliierter Munition auf nicht bundeseigenen Grund- den Ausschussberatungen. 58* Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018

(A) (C) Anlage 2 – zu TOP 2 Hier ist ein weiteres wichtiges Anliegen des dama- ligen Gesetzentwurfs in diesem Zusammenhang un- Erklärung erledigt geblieben: Der strafrechtliche Schutz der Persönlichkeitsrechte der Opfer gegen das Fotogra- von Ministerin Monika Heinold fieren oder Filmen ist weiterhin lückenhaft. (Schleswig-Holstein) Nach geltendem Recht macht sich zwar strafbar, zu Punkt 2 der Tagesordnung wer unbefugt eine Bildaufnahme, die die Hilflosig- Die Gesetzesinitiative wird grundsätzlich begrüßt. keit einer anderen Person zur Schau stellt, herstellt Schleswig-Holstein weist jedoch darauf hin, dass Re- oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen gelungen zur Beseitigung von Kampfmitteln aus dem Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. Ge- 1. Weltkrieg besonders im Hinblick auf den Verdacht schützt sind dabei aber nur lebende Personen, Auf- der Versenkung im Küstenmeer aufgenommen wer- nahmen von verstorbenen Opfern werden nicht er- den sollten. Darüber hinaus sollte die Zuständigkeit fasst. im Küstenmeer und auf anderen Flächen des Bundes Insoweit hilft auch das Kunsturhebergesetz nicht präzisiert werden. weiter: Dieses stellt nur die Verbreitung, nicht aber Weiter sollten die Ergebnisse der für die Umset- die Fertigung von Aufnahmen selbst unter Strafe. zung der Europäischen Meeresstrategie-Rahmen- Während der Aufnahmen am Unfallort wird aber re- richtlinie (MSRL) erarbeiteten Monitoring- und Maß- gelmäßig noch nicht festgestellt werden können, nahmenpläne, zum Beispiel im Hinblick auf die dass der Hersteller die Aufnahmen auch verbreiten Gefahrerforschung in deutschen Meeresgewässern, will. Das aber ist genau der Zeitpunkt, zu dem ein berücksichtigt werden. Auf die derzeit laufende wis- Einschreiten der Polizei stattfinden muss, will man ei- senschaftliche Forschung wird hingewiesen. Hierzu nen effektiven Schutz erreichen. kann insbesondere der Bund-Länder-Expertenkreis „Munition im Meer“ beitragen. Gegenwärtig besteht dennoch keine rechtliche Handhabe, die Aufnahmen oder Kameras zu be- schlagnahmen, um die drohende Veröffentlichung abzuwenden. Wenn wir einen effektiven Schutz der Rechte von Unfallopfern wollen, muss genau an die- ser Stelle noch etwas geändert werden.

Anlage 3 – zu TOP 4 Der Gesetzesantrag sieht daher eine Erweiterung des Schutzbereiches von § 201a StGB auf unbefugte Erklärung Bildaufnahmen von verstorbenen Personen vor, um (B) die aufgezeigte Strafbarkeitslücke zu schließen. Um (D) eine Ausuferung des Tatbestandes zu vermeiden, soll von Ministerin Barbara Havliza der strafrechtliche Schutz in objektiver Hinsicht auf (Niedersachsen) Unglücksfälle bzw. Notsituationen beschränkt wer- zu Punkt 4 der Tagesordnung den. Der Umgang mit sogenannten Gaffern hat den Bun- desrat bereits im Juni 2016 beschäftigt. Auf Initiative Ferner soll die Einführung einer Versuchsstrafbar- Niedersachsens hat der Bundesrat damals einen Ge- keit dazu führen, dass die anwesende Polizei bereits setzentwurf beim Deutschen Bundestag eingebracht, im Vorfeld der Aufnahmen – etwa wenn „Gaffer“ ihr um den strafrechtlichen Schutz von Unfallopfern ge- Smartphone zücken und sich in „Position brin- gen „Gaffer“ zu verbessern. gen“ – einschreiten und das Smartphone erforder- lichenfalls auf strafprozessualer Grundlage beschlag- Ein Anliegen des Gesetzentwurfs hat der Gesetz- nahmen kann. Dies – so glaube ich – wäre der geber im letzten Jahr aufgegriffen und umgesetzt. schmerzhafteste Eingriff für den Gaffer. Ich bitte Sie Nach § 323c Absatz 2 StGB macht sich nunmehr auch daher, im Interesse der Rechte von Unfallopfern den derjenige strafbar, der bei Unglücksfällen, gemeiner Gesetzesantrag zu unterstützen. Gefahr oder Not Hilfeleistende behindert, auch wenn er dabei keine Nötigungsmittel anwendet. Dies ist ein erster Schritt, um Unfallopfer besser zu schützen, er reicht aber nicht aus, um alle tatsächlich strafwürdigen Phänomene des „Gaffens“ zu erfassen. Insbesondere mit einem weiteren verabscheuungs- Anlage 4 – zu TOP 4 würdigen Phänomen des „Gaffens“ haben Rettungs- kräfte und Polizei ungebrochen zu kämpfen: Erklärung

Immer wieder wird bekannt, dass bei schweren von Staatsministerin Ulrike Höfken Verkehrsunfällen Schaulustige die verunglückten (Rheinland-Pfalz) schwerverletzten oder gar verstorbenen Personen zu Punkt 4 der Tagesordnung nicht nur „begaffen“ und dabei Rettungskräfte be- hindern. Nein, sie fotografieren und filmen diese Tra- Hinsichtlich bloßstellender Bildaufnahmen von ver- gik und stellen die Bilder und Filme anschließend ins storbenen Personen bestehen zurzeit Schutzlücken Internet oder verbreiten sie über soziale Netzwerke. im Rahmen des § 201a Strafgesetzbuch. Rheinland- Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 59*

(A) (C) Pfalz begrüßt es, dass diese geschlossen und die Her- Dies ist jedoch nicht der Fall. Bis heute konnte bei- stellung und Verbreitung entsprechend strafbewehrt spielsweise ein mutmaßlicher Täter nicht rechtskräf- werden sollen. tig verurteilt werden, der mit seinen Mittätern schon vor über fünf Jahren tausende von Computern mit Im Hinblick darauf, dass das Strafrecht das Schadsoftware infizierte, damit ein Botnetz aufbaute schärfste Steuerungsinstrument des Staates darstellt und dies heimlich zum Herstellen von Bitcoins und aus rechtsstaatlichen Gründen nur als letztes nutzte. Mittel (Ultima Ratio) eingesetzt werden darf, beste- hen gegen die Einführung einer Versuchsstrafbarkeit Obwohl die Tat aufgeklärt und der Täter identifi- Bedenken. Die Vorverlagerung der Strafbarkeit in ei- ziert wurde, führt die Komplexität der gegenwärtig nen Bereich, in dem die strafbegründenden Hand- geltenden Strafnormen für das Ausspähen und Verän- lungen schon rein tatsächlich kaum abzugrenzen dern von Daten dazu, dass sich der Bundesgerichtshof sein dürften, spricht ebenso gegen eine solche Straf- nun bereits zum zweiten Mal mit diesem Fall und der androhung wie die zu erwartenden Beweisschwierig- Frage befassen muss, ob die technischen und rechtli- keiten. chen Ausführungen des erkennenden Landgerichts Kempten umfassend genug sind, um den hohen An- Es kommen rechtsdogmatische Bedenken hinzu. forderungen des geltenden Rechts zu genügen. Gemäß § 23 Strafgesetzbuch ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar, der Versuch eines Verge- In Fachkreisen der mit Cybercrime erfahrenen hens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich be- Strafrechtspraktiker ist der von mir geschilderte Fall stimmt. Bei einem Gefährdungsdelikt mit niedriger des Landgerichts Kempten das Paradebeispiel für die Strafandrohung dürfte eine Versuchsstrafbarkeit aus Unzulänglichkeit des geltenden Computerstrafrechts Verhältnismäßigkeitsgründen nicht angezeigt sein. zur Bekämpfung der Botnetzkriminalität. Das geltende Strafrecht weist tatbestandliche Hür- den auf, die es vor allem wegen der daraus resultie- renden hohen Beweisanforderungen für die Verfol- gung von Botnetzkriminalität unbrauchbar machen. Selbst wenn aber Sachverhalte von den geltenden Normen erfasst werden, sind die Strafdrohungen so Anlage 5 – zu TOP 5 niedrig, dass die erforderlichen Ermittlungsmaßnah- men aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht zur An- Erklärung wendung gebracht werden können. So können zum Beispiel verdeckte Ermittler nicht als Scheinkäufer für Botnetze eingesetzt werden, weil die Datenverän- (B) von Staatsministerin Lucia Puttrich (D) derung oder das Ausspähen von Daten keine Strafta- (Hessen) ten von erheblicher Bedeutung darstellen. zu Punkt 5 der Tagesordnung Was wir für einen wirkungsvollen strafrechtlichen Fast täglich lesen wir in den Medien Berichte über Schutz der Vertraulichkeit und Integrität von IT-Sys- neue Sicherheitslücken in Computersystemen und temen brauchen, ist eine Strafnorm, die ohne zu- Softwareprodukten, die wir alle nutzen. Die Lücken sätzliche Hürden den unbefugten Gebrauch solcher existierten auf einer Vielzahl gängiger Prozessoren, Systeme bestraft. Geschützt werden muss das Ge- in Smartphones und Tablets, auf privaten Computern brauchsrecht an IT-Systemen, unabhängig davon, ob und auf Servern im Internet. Kleine Schadpro- bereits Daten auf diesen Systemen verändert, ausge- gramme reichten aus, um die Lücken auszunutzen. späht oder zerstört worden sind. Erforderlich ist ein Es sind sensible Daten von Millionen Nutzern in Ge- abgestufter Katalog, der für Delikte unterschiedlicher fahr. Schwere angemessene Strafen androht. Wir brauchen Qualifikationstatbestände für banden- und gewerbs- Charakteristisch für diese und andere Vorfälle ist, mäßiges Handeln, die für die Strafverfolgungsbehör- dass die Angreifbarkeit der Systeme häufig bereits den die gesamte Palette der Ermittlungsmaßnahmen geraume Zeit besteht und Täter sich dies zunutze eröffnen, um die Täter ermitteln zu können. machen, noch bevor der Endnutzer sich bewusst wird, dass das täglich genutzte Smartphone oder das Um die geschilderten Schutzlücken zu schließen, Tablet für Cyberkriminelle offen zugänglich ist. hatte der Bundesrat in der vergangenen Legislatur- periode den hessischen Gesetzentwurf zur Strafbar- Wir möchten uns eigentlich darauf verlassen kön- keit der heimlichen Infiltration von IT-Systemen, also nen, dass die elektronischen Geräte, denen wir un- des digitalen Hausfriedensbruchs, beschlossen. Die- sere Kommunikation, unsere Erinnerungen in Form ser Entwurf ist der Diskontinuität anheimgefallen, von Fotos, unsere Geschäftstätigkeit und unser On- nachdem ihn die Bundesregierung nicht aufgenom- line-Banking anvertrauen, durch bestehende Sicher- men hatte. heitsmechanismen gegen unberechtigte Zugriffe geschützt sind. Wenn diese Gewissheit wegen der im- Zur Erreichung eines angemessenen Schutzni- mer wieder zutage tretenden, auf Sicherheitslücken veaus für die Vertraulichkeit und Integrität informa- beruhenden Verwundbarkeit von IT-Systemen jedoch tionstechnischer Systeme ist es jedoch nach wie vor erschüttert wird, so sollte wenigstens der strafrechtli- erforderlich, die Rechtsgedanken des § 123 und des che Schutz unserer IT-Systeme lückenlos sein. § 248b Strafgesetzbuch auf IT-Systeme zu übertra- 60* Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018

(A) (C) gen. Diese sind mindestens ebenso schutzwürdig wie Vereinigte Königreich abgeschlossenen völkerrecht- das Hausrecht und wie das ausschließliche Benut- lichen Verträge mit Drittstaaten entfällt. Die Aner- zungsrecht an Fahrzeugen. Derzeit sind sogar Fahr- kennung und Vollstreckung von Urteilen britischer räder besser geschützt als Smartphones oder Tablets Gerichte wird dadurch wesentlich erschwert werden. mit höchstpersönlichen Daten!

Ich bitte Sie daher erneut um Unterstützung des Das ist eine große Chance für deutsche Justizstand- hessischen Gesetzentwurfs. orte. Als Hessin denke ich vor allem an Frankfurt am Main. Frankfurt ist ein wichtiger internationaler Wirt- schaftsstandort. Für viele internationale Streitigkei- ten wird Frankfurt daher der naheliegende Gerichts- standort sein – aber nur, wenn Verfahren hier auch auf Englisch geführt werden können. Wir müssen schnell handeln, um in der Konkurrenz mit anderen europäischen Standorten nicht ins Hintertreffen zu Anlage 6 – zu TOP 24 geraten.

Erklärung Der vorliegende Gesetzentwurf soll nun bereits zum dritten Mal eingebracht werden. Er liegt seit der von Staatsministerin Lucia Puttrich vorletzten Legislaturperiode vor. Die an ihm geäu- (Hessen) ßerte Kritik ist nach wie vor nicht stichhaltig. zu Punkt 24 der Tagesordnung Soweit die Bundesregierung in ihrer Gegenäuße- Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit seiner rung zu dem in der 18. Wahlperiode eingebrachten Jahresgeschäftsverteilung 2018 eine Internationale Gesetzentwurf die Frage aufwirft, ob es möglich sein Kammer für Handelssachen eingerichtet. In ihre Zu- wird, eine hinreichende Zahl geeigneter Richter zu ständigkeit fallen Handelssachen mit einem interna- finden, bin ich optimistisch. In Deutschland gibt es tionalen Bezug, wenn die Prozessparteien übereinstim- zahlreiche Richterinnen und Richter, die die engli- mend erklären, dass sie die mündliche Verhandlung sche Sprache – einschließlich der Fachsprache – her- in englischer Sprache führen wollen. vorragend beherrschen. Aber natürlich bedürfen so- wohl die Richterinnen und Richter wie auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Serviceeinhei- Die Fachöffentlichkeit hat auf diese neue Einrich- ten intensiver Schulungen. Diese Anstrengungen tung sehr positiv reagiert. Sie fordert aber mit Recht (B) dürften es aber wert sein, sie zu schultern. (D) weitere Schritte, damit in Zukunft nicht nur die münd- liche Verhandlung, sondern das gesamte Verfahren auf Englisch geführt werden kann, also einschließlich Soweit eingewandt wird, dass die Einführung von des Protokolls, der gerichtlichen Anordnungen und Kammern für internationale Handelssachen zu einer der zu verkündenden Entscheidungen. Änderung der Voraussetzungen für die Befähigung zum Richteramt führt, weise ich darauf hin, dass die Das ist genau das Ziel, das wir mit der Wiederein- Prozessordnungen heute schon für bestimmte richter- bringung der Bundesratsinitiative zu den Kammern liche Aufgaben besondere Befähigungen und Erfah- für internationale Handelssachen verfolgen. rungen vorsehen. So sollen nach § 37 des Jugendge- richtsgesetzes Richterinnen und Richter bei den Jugendgerichten erzieherisch befähigt und in der Ju- Die bislang geltende Begrenzung der Gerichtsspra- genderziehung erfahren sein, ohne dass die Frage ge- che auf Deutsch durch das Gerichtsverfassungsgesetz stellt wird, ob aus diesem Grund die Voraussetzungen führt dazu, dass bedeutende wirtschaftsrechtliche für die Befähigung zum Richteramt geändert werden. Streitigkeiten entweder im Ausland oder vor Schieds- Gleiches muss für das Beherrschen der englischen gerichten ausgetragen werden. Das ist zum Nachteil Sprache gelten. des Gerichtsstandortes Deutschland und deutscher Unternehmen. Bedeutende grenzüberschreitende Ver- träge werden in Englisch abgefasst. Das führt in der Soweit die Bundesregierung in ihrer Gegenäuße- Regel dazu, dass als Gerichtsstand der englische rung anmahnt, auch Schiedsverfahren mit in den Sprachraum gewählt wird. Dasselbe gilt auch für die Blick zu nehmen, stimme ich dem zu. Wir sollten nur Rechtswahl. Ausländische Vertragspartner und Pro- die beiden Punkte nicht vermengen und damit das zessparteien schrecken davor zurück, in deutscher vorliegende Gesetzgebungsverfahren verzögern. Es Sprache zu verhandeln. Mit dem Gesetzentwurf soll ist nämlich – wie ausgeführt – von ganz entscheiden- in solchen wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten zu- der Bedeutung, dass die Kammern für internationale künftig auch Englisch als Gerichtssprache zugelassen Handelssachen zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens werden. des Brexit schon eingeführt sind und auch schon erste Erfahrungen vorliegen. Mit dem Brexit wird das Vereinigte Königreich aus Sicht des Unionsrechts zum Drittstaat. Auch die Bin- Ich bitte Sie daher um Ihre Unterstützung für die dung an die von der Europäischen Union für das erneute Einbringung. Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 61*

(A) (C) Anlage 7 – Umdruck 2/2018 Punkt 16 Bestellung eines Mitglieds des Verwaltungsrates Umdruck 2/2018 der Kreditanstalt für Wiederaufbau (Drucksache Zu den folgenden Punkten der Tagesordnung der 11/18, Drucksache 11/1/18) 965. Sitzung des Bundesrates möge der Bundesrat gemäß den vorliegenden Empfehlungen und Vor- Punkt 17 schlägen beschließen: Benennung eines Mitglieds des Kuratoriums der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepu- blik Deutschland“ (Drucksache 40/18)

Punkt 27 I. Neubenennung von Beauftragten des Bundesra- Die Entschließung zu fassen: tes in Beratungsgremien der Europäischen Union (Drucksache 42/18) Punkt 6 Entschließung des Bundesrates zur aufgabenge- rechten Mittelausstattung der Jobcenter zur Um- setzung des SGB II (Drucksache 26/18) IV. Zu dem Gesetz einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht zu stellen:

II. Punkt 18 Zu den Vorlagen die Stellungnahmen abzugeben Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans oder ihnen nach Maßgabe der Empfehlungen zuzu- des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2018 stimmen, die in der jeweils zitierten Empfehlungs- (ERP-Wirtschaftsplangesetz 2018) (Drucksache drucksache wiedergegeben sind: 56/18)

Punkt 11 Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des (B) (D) Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/ V. 2010 im Hinblick auf die Stärkung der Zusam- menarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Ge- Den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG biet der Mehrwertsteuer beim Deutschen Bundestag einzubringen und gemäß COM(2017) 706 final; Ratsdok. 14893/17 § 33 GO BR einen Beauftragten zu bestellen: (Drucksache 751/17, zu Drucksache 751/17, Drucksache 751/1/17) Punkt 23 Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Punkt 12 a) Strafgesetzbuches – Strafbarkeit des Verbreitens Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Ände- und Verwendens von Propagandamitteln und rung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Kennzeichen verfassungswidriger Organisatio- Mehrwertsteuersätze nen bei Handlungen im Ausland (Drucksache 52/ COM(2018) 20 final 18) (Drucksache 17/18, zu Drucksache 17/18, Druck- sache 17/1/18)

Anlage 8 – zu TOP 7

III. Erklärung

Entsprechend den Anregungen und Vorschlägen von Minister Christian Görke zu beschließen: (Brandenburg) zu Punkt 7 der Tagesordnung Punkt 15 Das Land Brandenburg weist seit längerem darauf Benennung von Beauftragten des Bundesrates in hin, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschrif- Beratungsgremien der Europäischen Union für ten in Artikel 233 §§ 11 bis 16 des Einführungsgesetzes die Ratsarbeitsgruppe „Agenda 2030 für nachhal- zum Bürgerlichen Gesetzbuche über die Abwicklung tige Entwicklung“ (Drucksache 24/18, Drucksa- der Bodenreform in speziellen Fallkonstellationen zu che 24/1/18) erheblichen Härten geführt hat. 62* Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018

(A) (C) In einer Vielzahl der Fälle galt der Fiskus als Besser- Rechtsfrieden zu stärken. Mit der Entschließung wer- berechtigter, weil die Bodenreformerbinnen und Bo- den dafür die notwendigen Voraussetzungen geschaf- denreformerben ihre Mitgliedschaft in einer Land- fen. Ich bitte Sie deshalb um Unterstützung der Ent- wirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft aufgrund schließung. mangelhafter Aktenlage der DDR-Behörden nicht mehr nachweisen konnten. In anderen Fällen wurde zwar ein für die Land- und Forstwirtschaft genutztes Grundstück in eine Produktionsgenossenschaft ein- gebracht, die Bodenreformerbinnen und Bodenre- Anlage 9 – zu TOP 8 formerben sind aber trotz Aufnahmeantrags dort nicht mehr als Mitglied aufgenommen worden. Erklärung In der Konsequenz führte das zu einem Grund- von Ministerin Anja Siegesmund stücksverlust der Bodenreformerbinnen und Boden- (Thüringen) reformerben. Diese unterlagen entweder in einem zu Punkt 8 der Tagesordnung gerichtlichen Verfahren oder akzeptierten in einem Vergleich die „freiwillige“ Auflassung der Bodenre- Das Jahr 2018 begann mit einem Rekord. Für die formflächen an den Fiskus. meisten unbemerkt, deckten am Neujahrsmorgen die erneuerbaren Energien fast den gesamten Strombe- Das Land Brandenburg hält es für zwingend erfor- darf in Deutschland ab. Um ganz genau zu sein, war derlich, diese aus der Anwendung der Vorschriften so viel Windstrom im Netz wie nie zuvor. zur Abwicklung der Bodenreform entstandenen Här- ten zu beseitigen. Sie bestehen nach wie vor und ru- „Das war ein einmaliges Ereignis“, mag jetzt der fen Zweifel der betroffenen Erbinnen und Erben in ein oder andere von Ihnen denken. Und „das ist in den Rechtsstaat hervor, weil in der Rechtswirklich- Spitzenzeiten möglich, aber nicht als Grundlastver- keit der DDR die Voraussetzungen an die Zuteilungs- sorgung“. Da haben Sie völlig Recht. Aber niemand und Rückführungsgrundsätze der Besitzwechselver- hätte zur Geburtsstunde des EEG im Jahr 2000 ge- ordnung selbst nicht immer mit letzter Konsequenz dacht, dass das 18 Jahre später mehr als Fiktion sein beachtet wurden. könnte. Oftmals wurde im Grundstücks- und Bodenrecht Dieses Bild sollte uns Mut machen auf dem Weg zu der DDR großzügig mit dem geschriebenen Recht einer komplett erneuerbaren Energieversorgung. umgegangen. So blieb in vielen Fällen die fehlende Nur durch eine beherzte Energiewende sichern wir Mitgliedschaft in einer Landwirtschaftlichen Produk- den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Und nur mit tionsgenossenschaft folgenlos. Wenn die fehlende einer beherzten Energiewende schaffen wir die not- (B) (D) Mitgliedschaft aber in der Realität der DDR keine Be- wendige wirtschaftliche Erneuerung. achtung gefunden hat, sollte sie auch in der Bundes- Dabei gilt es, auf allen Ebenen aktiv zu werden republik keine Rechtsfolgen haben, insbesondere und diese Aktivitäten aufeinander abzustimmen. wenn dies zu einer Übertragung von Grundstücken „Was alle angeht, das können auch nur alle lösen“ – an den Fiskus führt. das war der mahnende Appell von Professor Klaus Härten für betroffene Bodenreformerbinnen und Töpfer bei der Erneuerbare-Energien-Konferenz vor Bodenreformerben können sich aber auch aus dem zwei Wochen in Weimar. Und daran möchte ich gerne zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Vertriebe- anknüpfen. nenzuwendungsgesetz ergeben. Von einer Zuwen- In Thüringen bringen wir gerade ein Klimagesetz dung nach diesem Gesetz waren diejenigen ausge- auf den Weg mit dem Ziel, bis 2040 den Energiebe- schlossen, die nach dem 8. Mai 1945 rechtsbeständig darf bilanziell zu 100 Prozent durch einen Mix aus er- Bodenreformland erhalten haben. Rechtsbeständig neuerbaren Energien decken zu können – und das im Bodenreformland haben aber die Erbinnen und Er- Land selber erzeugt. Aber die Anstrengungen, die ben eines Vertriebenen nicht erhalten, die das Bo- wir hier unternehmen, müssen ineinandergreifen mit denreformland letztlich gemäß den Vorschriften über den rechtlichen Rahmenbedingungen auf anderen die Abwicklung der Bodenreform an Besserberech- Ebenen. tigte auflassen mussten. In der letzten Sitzung des Bundesrates Anfang Fe- Ein Antrag auf die Zuwendung konnte allerdings bruar habe ich bereits dargelegt, dass wir dringend nur bis zum 30. September 1995 gestellt werden. Er- Rechtssicherheit für die Betreiber von KWK-Anlagen binnen und Erben eines Vertriebenen, die das Boden- bei der Eigenversorgung benötigen. Ohne die Beihil- reformland erst nach diesem Zeitpunkt an Besserbe- fegenehmigung der EU müssen die Betreiber soge- rechtigte auflassen mussten, waren daher mit ihrem nannter neuer Anlagen bereits ab dem 1. Januar Anspruch auf die Vertriebenenzuwendung ausge- 2018 die volle EEG-Umlage zahlen, zumindest so schlossen, weil sie im Vertrauen auf die rechtsbestän- lange, bis die Kommission einer entsprechenden dige Zuteilung des Bodenreformlandes keinen frist- Neuregelung zugestimmt hat. gerechten Antrag mehr gestellt hatten. Dabei sind hocheffiziente KWK-Anlagen ein wich- Diese Härten sollten beseitigt werden. Ziel ist es, tiger Baustein bei der sektorübergreifenden Nutzung das Vertrauen der betroffenen Bodenreformerbinnen von erneuerbaren Energien, also strom- wie wärme- und Bodenreformerben in den Rechtsstaat und seitig. In Thüringen sind sie schon elementar bei der Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 63*

(A) (C) Energieversorgung von Schulen, Altenheimen oder Dabei brauchen wir doch gerade jetzt eine Vielzahl Krankenhäusern. von Investitionen in neue klimaschonende Technolo- gien. Nur so kann es uns gelingen, die Ziele des Pari- Die Verhandlungen mit der Kommission laufen. Ich ser Weltklimavertrages einzuhalten. möchte daher noch einmal eindringlich dafür wer- ben, im Sinne der Energiewende zu handeln. Flexibel steuerbare hocheffiziente KWK-Anlagen leisten einen wichtigen Beitrag zur kosteneffizienten Gerade kleinere KWK-Anlagen können einen wich- Umsetzung der Energiewende. Sie ermöglichen nicht tigen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele nur eine hohe Flexibilität in der Strom- und Nutz- leisten und als komplementäres Element bei der Inte- wärmeerzeugung, sondern auch die Verknüpfung gration der Erneuerbaren in das Energiesystem hel- unterschiedlicher Energieversorgungsbereiche. Da- fen. mit dient sie heute als Brückentechnologie und ge- Die Entschließung Thüringens gemeinsam mit nauso mittel- und langfristig als Grundpfeiler und Rheinland-Pfalz soll die Position der Bundesregie- wichtige Flexibilitätsoption eines auf erneuerbaren rung in diesen Verhandlungen stärken und sie bei Energien basierenden Energiesystems. dem Ziel unterstützen, dass im Sinne des Vertrauens- schutzes die KWK-Neuanlagen auch weiterhin antei- KWK-Technologie unterstützt bei der Integration lig von der EEG-Umlage befreit werden. einer zunehmend fluktuierenden regenerativen Stromerzeugung in sichere dezentrale Energiever- Die fehlende Regelung hat bereits jetzt direkte sorgungsstrukturen. Schließlich ist KWK-Eigenstrom- Auswirkungen auf die regionale Wertschöpfungs- erzeugung ihrem Wesen nach dezentral und ver- kette, sowohl beim investierenden Unternehmen als brauchsnah. Damit kann sie auch die Notwendigkeit auch beim Hersteller- und Lieferunternehmen. Es für einen zusätzlichen überregionalen Netzausbaube- wird ein Einbruch des KWK-Marktes befürchtet. Da- darf erheblich reduzieren. mit stehen auch Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die rheinland-pfälzische Energieversorgung ist be- Viele kleinere KWK-Anlagen im kommunalen Be- reits heute wesentlich durch die Strom- und Nutz- reich lassen sich nicht mehr wirtschaftlich darstellen. wärmeerzeugung in hocheffizienten KWK-Anlagen So kann befürchtet werden, dass statt klimaschonen- geprägt. In unserem Land stellt die industrielle der hocheffizienter KWK-Anlagen zukünftig wieder Eigenstromerzeugung in KWK-Anlagen mit einem vermehrt normale Heizkessel eingebaut werden. Die Anteil von ca. 40 Prozent eine zentrale Säule der Konsequenz liegt auf der Hand: Diese werden dann Stromerzeugung dar. Zahlreiche Betriebe in Rhein- für die nächsten 20 bis 30 Jahre die Wärmeversor- land-Pfalz haben in den vergangenen Jahren in die gung in den Kommunen und Unternehmen prägen. effiziente und umweltfreundliche KWK-Technologie So weiß ich von einem Thüringer Unternehmen, das investiert. Damit haben sie auch einen aktiven Bei- (B) eine bereits geplante Investition in ein Blockheiz- trag zum Klimaschutz geleistet. (D) kraftwerk wieder storniert hat. Die kurzfristige Ände- rung der Förderbedingungen gefährdet Neuinvesti- Damit diese positive Entwicklung auch weiterhin tionen massiv und verschlechtert ein ansonsten gutes möglich ist, braucht es stabile energiewirtschafts- Investitionsklima. rechtliche Rahmenbedingungen. Investoren müssen sich zumindest auf absehbare Zeit auf diese verlas- Ich würde mich daher freuen, wenn heute vom Bun- sen können. Wir brauchen Planungssicherheit und desrat ein starkes Signal ausgeht, dass dringend not- Vertrauensschutz für unsere Unternehmen. wendige Investitionen in eine effiziente und dezen- trale Energieversorgung nicht storniert und wichtige Um das zu erreichen, ist ein zeitnaher und intensi- Weichenstellungen nicht verpasst werden dürfen. ver Austausch der Bundesregierung mit der EU-Kom- mission zwingend erforderlich. Im Hinblick auf mögliche Neuregelungen ist es ent- scheidend, dass diese für die betroffenen Anlagenbe- treiber rückwirkend ab dem 1. Januar 2018 gelten. Anlage 10 – zu TOP 8 Denn das offensichtliche Versäumnis der Bundesre- gierung darf nicht zu Lasten der Eigenstromerzeuger Erklärung gehen.

von Staatsminister Ulrike Höfken Über angemessene Übergangsregelungen hinaus (Rheinland-Pfalz) gilt es Investitionsentscheidungen zu berücksichti- zu Punkt 8 der Tagesordnung gen, die angesichts der noch im vergangenen Jahr geltenden Rechtslage getroffen wurden. Seit dem 1. Januar dieses Jahres muss auf Strom aus hocheffizienten KWK-Eigenstromerzeugungs- Ich bitte Sie, das Anliegen des Ihnen vorliegenden anlagen, die ab dem 1. August 2014 in Betrieb ge- Entschließungsantrags zu unterstützen. Ich bitte Sie, gangen sind, die volle EEG-Umlage gezahlt werden. ein starkes Signal des Bundesrates für die Wieder- Das entspricht nicht dem Grundsatz von Vertrauens- herstellung der Rechtssicherheit für hocheffiziente schutz und Planungssicherheit und gefährdet nicht KWK-Anlagen in Richtung Bundesregierung zu sen- nur einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb, sondern den. Wir müssen sicherstellen, dass Planungssicher- stellt auch ein fatales Signal für alle potenziellen In- heit und Vertrauensschutz für unsere Unternehmen vestoren in diese Hocheffizienztechnologie dar. wiederhergestellt werden. 64* Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018

(A) (C) Anlage 11 – zu TOP 14 wie sie nach den bisherigen Vorschlägen zum Risiko- management und zur Reserve „rescEU“ zu besorgen Erklärung beziehungsweise vorgesehen sind. Der heute zur Abstimmung stehende, von den Län- von Minister Thomas Strobl dern gemeinsam erarbeitete Beschlussvorschlag ist (Baden-Württemberg) kein Beschluss gegen Europa. Er ist ein Beschluss für zu Punkt 14 der Tagesordnung Europa. Für ein Europa der Subsidiarität, das den Der Katastrophenschutz ist im Interesse des Schut- Mitgliedstaaten innerhalb der von den europäischen zes der Bürgerinnen und Bürger eine der vornehms- Verträgen gesetzten Grenzen bei der Bekämpfung ten Aufgaben des Staates. Angesichts terroristischer von Katastrophen hilft. Und es ist ein Beschluss – ich Anschläge, Naturkatastrophen, Pandemien, Cyber- betone nochmals –, der die gelebte Solidarität der angriffen und ähnlicher Szenarien aus der jüngsten Mitgliedstaaten unterstützt. Vergangenheit ist die intensive Vorbereitung auf sol- Ein über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg che Gefahren aktueller denn je. wirkender europäischer Katastrophenschutz ist unser Dabei sind der Zivilschutz und der Katastrophen- Credo. Dieses kann aber nur durch die Mitgliedstaa- schutz in Europa Sache der Mitgliedstaaten. Der Ka- ten und nur mit ihnen gelebt werden. tastrophenschutz ist in Deutschland aus guten Grün- Der nationale Katastrophenschutz ist und bleibt den bei den Ländern verankert. Denn nur diese sind das Rückgrat für ein Europa, das seine Bürger schützt wirklich mit ihren jeweiligen, in Deutschland schon und beschützt. Ihn gemeinsam mit der Union zu stär- von Bundesland zu Bundesland durchaus verschiede- ken und fortzuentwickeln ist das Ziel des vorliegen- nen Risiken vertraut, kennen die ihnen zur Bekämp- den Antrags. fung zur Verfügung stehenden Ressourcen und kön- nen diese zielgerichtet und zweckentsprechend ausstatten und einsetzen. Natürlich gibt es Situationen, in denen ein Mit- gliedstaat bei der Bekämpfung einer Katastrophe Anlage 12 – zu TOP 14 oder der Vorbereitung hierauf mit seinen Ressourcen an seine Grenzen stoßen kann. Für derartige Szena- Erklärung rien gibt es das Katastrophenschutzverfahren der Union, das sich mit seiner seit 2014 geltenden grund- von Minister Boris Pistorius legenden Neuordnung ausgesprochen bewährt hat. (Niedersachsen) zu Punkt 14 der Tagesordnung (B) Wir verkennen nicht, dass insbesondere die Wald- (D) brände im Sommer 2017 in Südeuropa gezeigt ha- Wir befassen uns heute mit dem wichtigen Thema ben, dass es trotz aller gemeinsamer Bemühungen Katastrophenschutz, und diesmal nicht nur auf unse- und trotz der gelebten Solidarität der Mitgliedstaaten rer ureigenen Länderebene, sondern auf Ebene der bei einzelnen Ressourcen zu Engpässen kommen europäischen Solidargemeinschaft. kann, im schlimmsten Fall mit fürchterlichen Folgen Dabei sei vorausgeschickt: Wir Länder haben das für die Betroffenen. Prinzip der gegenseitigen Hilfe allgegenwärtig vor Wir haben deshalb Verständnis und sind grund- Augen und unterstützen uns gegenseitig bei Kata- sätzlich dialogbereit dafür, dass die EU darüber strophen, seien es Hochwasser, Stürme oder große nachdenkt, verstärkt eigene Mittel zur Beschaffung Unfälle. Genauso stehen wir zusammen mit dem spezieller Ausstattungen im Katastrophenschutz dort Bund und unseren Partnern in der europäischen einzusetzen, wo Mitgliedstaaten nachweislich über- Staatengemeinschaft jedem zur Seite, der Hilfe benö- fordert sind. tigt. Dies haben wir in der Vergangenheit bewiesen und werden es auch in Zukunft tun. Der vorliegende Vorschlag geht aber eindeutig zu weit. Die Schaffung eigener EU-Einheiten unter der Mit dem vorliegenden Beschlussvorschlag und der operativen Steuerung der Kommission ist keine ziel- Mitteilung legt die Europäische Kommission erneut führende Perspektive und muss deshalb abgelehnt eine ambitionierte und inhaltlich äußerst weitrei- werden. chende Initiative auf dem Feld des Katastrophen- schutzes vor. Der Bundesrat hat die Entwicklungen in Überlegungen zum Einsatz von EU-Mitteln mit dem den vergangenen Jahren kontinuierlich begleitet und Ziel der Förderung der Beschaffung spezieller Aus- sich wiederholt veranlasst gesehen, grundsätzliche stattungen durch die Mitgliedstaaten können auch Kritik zu üben. Die Notwendigkeit gegenseitiger So- auf anderer Grundlage angestellt werden, beispiels- lidarität der Mitgliedstaaten bei Katastrophen wurde weise in Erweiterung der bisherigen Regelungen zur dabei aber nie in Frage gestellt. Europäischen Notfallabwehrkapazität beziehungs- weise deren künftiger Entsprechung, dem Europäi- Hintergrund und Motiv für die aktuellen Vor- schen Katastrophenschutzpool. schläge der Kommission ist die Häufung verheeren- der Katastrophen im Jahr 2017. Diese haben nach Ebenso lehnen wir jegliche delegierte Rechtsakte Auffassung der Kommission deutlich gemacht, dass und erweiterte Steuerungsmechanismen der europäi- die derzeitige Struktur und Funktionsweise des Kata- schen Ebene gegenüber den Mitgliedstaaten ab, so strophenschutzverfahrens der Union an ihre Grenzen Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018 65*

(A) (C) kommen. Allzu oft habe das Verfahren nicht die er- cher Unterstützung getragenen Ergebnis zu führen. warteten Ergebnisse erbracht, zu selten sei die tat- Mit dem vorgeschlagenen Artikel 11 sind unter dem sächliche Unterstützung auf entsprechenden Antrag, breiten Dach dieser Regelungen konstruktive Weiter- zu langsam die Reaktion, zu bürokratisch das Verfah- entwicklungen denkbar. Diese betreffen einerseits ren, und auf EU-Ebene insgesamt seien nicht genü- eine Verbesserung der zur Verfügung stehenden Ins- gend Mittel und Kapazitäten vorhanden. trumentarien auf der Grundlage eines tatsächlichen Defizits. Dabei ist eine zentrale Forderung, über die Wir können die aktuelle Problemwahrnehmung der zwischen den Mitgliedstaaten weitestgehender Kon- Kommission aufgrund der Schadenslagen im vergan- sens besteht, dass auch zukünftig das Letztentschei- genen Jahr nachvollziehen. Auch unterstützen wir dungsrecht der Mitgliedstaaten über die Entsendung die Initiativen zur Erleichterung und Fortentwicklung aufrechterhalten bleibt – das Prinzip heißt Freiwillig- der mitgliedstaatlichen Hilfe im Katastrophenfall. Die keit. vielfältigen Katastrophen im vergangenen Jahr – ins- besondere die Ereignisse im Zusammenhang mit den Andererseits sind Lösungen im Rahmen des vorge- Waldbränden in Portugal – sind in höchstem Maße schlagenen Artikels 11 denkbar, die z. B. eine er- bedauerlich. Diese bedrückenden Geschehnisse be- höhte Gemeinschaftsfinanzierung von Einsätzen und dürfen einer vorurteilsfreien und gründlichen Ana- für den Katastrophenschutzpool gemeldeten Modu- lyse und Aufarbeitung, die – das sei an dieser Stelle len vorsehen. Auch könnte man die Schaffung von ausdrücklich erwähnt – bislang ausstehen. Ressourcen in den Staaten unterstützen, bei denen trotz bester Vorbereitung ein für den einzelnen Mit- Demgegenüber hat das seit 2014 gültige Gemein- gliedstaat nicht allein zu bewältigendes erhebliches schaftsverfahren zahlreiche praktische Anwendungs- Risiko festgestellt werden kann. Ob und in welchem fälle erfolgreich bestanden. Überdies ist es bereits Umfang hier Änderungen erfolgen sollen, muss zweimal einer gründlichen Überprüfung unterzogen gründlichen Verhandlungen vorbehalten bleiben. und positiv bewertet worden. Deshalb sehen wir auch das bisherige Verfahren als gut und geeignet Wir danken dem Bund und insbesondere dem BMI an. für seine besonnene Handlungsweise in dem Verfah- ren sowie die bereits eingeleitete Vermittlung zwi- Das Solidarverfahren kann immer nur diejenigen schen den jeweiligen Interessengruppen. Anfragen bedienen, die auch tatsächlich als Portfolio vorhanden sind. Dabei ist es zunächst die jeweilige Wir bitten die Bundesregierung, diese Stellung- einzelstaatliche Verpflichtung, den eigenen Gefah- nahme bei der Festlegung der Verhandlungsposition ren und Risiken ausreichende Abwehr und ggf. Spe- gemäß § 5 Absatz 2 Satz 1 EUZBLG maßgeblich zu zialkapazitäten gegenüberzustellen. Deshalb darf berücksichtigen, da die vorgeschlagenen Maßnah- das Europäische Gemeinschaftsverfahren zur Hilfe men im Schwerpunkt die Gesetzgebungsbefugnisse (B) (D) im Katastrophenfall nicht dazu herangezogen wer- der Länder betreffen. den, teils einzelstaatliche Versäumnisse in Präven- tion oder Vorbereitung auszugleichen. Wir betrachten den Beschlussvorschlag und die Mitteilung der Kommission kritisch. Dies bezieht sich Anlage 13 – zu TOP 20 sowohl auf die Voraussetzungen und die Methodik der europäischen Initiative als auch auf wesentliche Erklärung Punkte ihres Inhalts.

Die Kernaussagen der Kommissionsinitiative, ins- von Staatssekretär Jürgen Lennartz besondere zu Artikel 12 und 6, sind nicht tragfähig. (Saarland) Es drängt sich letztlich die Etablierung eines von der zu Punkt 20 der Tagesordnung Steuerung der Mitgliedstaaten unabhängigen euro- päischen Katastrophenschutzsystems auf. Nach die- Für die Länder Saarland, Hessen, Rheinland-Pfalz sem System steht die EU den Mitgliedstaaten bei der und Sachsen gebe ich folgende Erklärung zu Proto- Wahrnehmung ihrer Schutzverantwortung nicht län- koll: ger nur zur Seite, wie es Normzweck und rechtspoliti- Die oben genannten Länder haben zur 90. Arbeits- sche Intention des Artikels 196 AEUV als „Unterstüt- und Sozialministerkonferenz im Jahr 2013 einen An- zungskompetenz“ erfordern. Vielmehr ergibt sich die trag gleichen Regelungsgegenstands eingebracht, Möglichkeit der EU, einen eigenen Katastrophen- erweitert um das Berufsbild der/des Anästhesietech- schutz zu betreiben und letztlich gleichrangig zu den nischen Assistentin/Assistenten (ATA). primär verantwortlichen Mitgliedstaaten wesentliche Einsatz- und Finanzierungsentscheidungen zu treffen Ein auf Bundesebene durch das Bundesministerium sowie über eigene Kapazitäten auf EU-Ebene zu ver- für Gesundheit eingerichtetes Expertengremium hat fügen. Eine solche Entwicklung können und wollen sich mit der Ausgestaltung dieser beiden Berufsbilder wir nicht mittragen. Das ist nicht der richtige Weg für und deren Finanzierung beschäftigt. unsere Solidargemeinschaft. Die Ergebnisse der Expertengruppe zu den beiden Gleichwohl sind wir entschlossen, die Beratungen Berufsbildern sollten nunmehr in den weiteren Ge- zur Überarbeitung des Katastrophenschutzverfahrens setzgebungsprozess miteinfließen, um dieses Vorha- zu einem erfolgreichen, von breiter mitgliedstaatli- ben zur Sicherung des Fachkräftemangels in den Ge- 66* Bundesrat – 965. Sitzung – 2. März 2018

(A) (C) sundheitsfachberufen zu einem guten Abschluss zu Neben dem Beruf der OTA hat sich in den vergan- bringen. genen Jahren auch der Beruf der Anästhesietechni- schen Assistenz (ATA) bundesweit etabliert und wird jetzt und in Zukunft dringend benötigt. Nicht nur für die OTA, sondern auch für die ATA ist eine zeitge- mäße und den wachsenden Anforderungen entspre- Anlage 14 – zu TOP 20 chende Qualifizierung des Fachpersonals unerläss- lich. Das Regelungsbedürfnis besteht somit nicht nur für die OTA, sondern gleichermaßen für die ATA. Erklärung Bislang werden die ATA nach DKG-Empfehlungen ausgebildet. von Minister Dr. Bernd Buchholz (Schleswig-Holstein) Es sollte angestrebt werden, dass beide Berufe eine zu Punkt 20 der Tagesordnung bundesweite gesetzliche Grundlage erhalten, damit für beide Berufe die formalen Rahmenbedingungen Wir begrüßen die Initiative von Nordrhein-Westfa- für staatlich anerkannte Ausbildungen geschaffen len, eine bundesgesetzliche Regelung über den Beruf werden. Auch für die ATA sollte die verlässliche Fi- des Operationstechnischen Assistenten (OTA) zu for- nanzierungsgrundlage durch die Aufnahme in das dern. KHG geschaffen werden.