Marx' Philosophie Von Étienne Balibar
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Titel der Originalausgabe: La philosophie de Marx © Éditions La Découverte, Paris 1993, 2001, 2010 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Übersetzung: Frieder Otto Wolf Lektorat: Katja Diefenbach Korrektorat: Mirjam Thomann Gestaltung: Cornelia Durka Druck: Oktoberdruck, Berlin Produziert mit freundlicher Unterstützung des Centre national du Livre, Paris, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin, und des Berliner Vereins zur Förderung der MEGA-Edition e.V. ISBN 978-3-942214-03-2 Erste Auflage 2013 © der deutschen Ausgabe b_books, Berlin 2013 materialismus + politik 1 b_books Lübbener Str. 14, 10997 Berlin, www.bbooks.de Étienne Balibar Marx’ Philosophie Mit einem Nachwort des Autors zur neuen Ausgabe , übersetzt und eingeleitet von Frieder Otto Wolf Vorbemerkung Dieses Buch wollte ich schon lange übersetzen, hatte sogar schon ein paar Stücke fertiggestellt. Katja Diefenbach von b_books ist es zu danken, dass ich mir endlich die Zeit ge- nommen habe, dieses Projekt zu Ende zu führen. Ich habe versucht, der schwierigen Lage aus dem Fran- zösischen einen Text über einen deutschen Autor zu über- setzen, zu dem auch noch im deutschen und im französischen Sprachraum jeweils eine andere Debatte geführt wird, ge- recht zu werden – vor allem durch erläuternde Fußnoten, zusätzliche Literaturangaben, aber auch durch eine bewusst Missverständnisse vermeidende und insofern präzisierende Übersetzung. Meine Überlegungen zu der Bedeutung, die Balibars Rekonstruktion von Marx’ Tätigkeit als Philosoph einnimmt, habe ich im Vorwort auseinandergelegt. Die Literatur zum Haupttext ist (mit Hinweis auf die deutschen und – falls nicht vorhanden – die englischen Über- setzungen) in den Fußnoten nachgewiesen. Ich danke Étienne Balibar für seine hilfreiche Kooperation. Frieder Otto Wolf Inhalt 11 Die Frage nach Marx’ Philosophie endlich wirklich stellen Vorwort von Frieder Otto Wolf 23 I. Marxistische Philosophie oder Marx’ Philosophie? 26 Philosophie und Nicht-Philosophie 31 Der Einschnitt und die Brüche 32 Nach 1848 33 Nach 1871 37 II. Die Welt verändern: von der Praxis zur Produktion 37 Die »Thesen über Feuerbach« 41 Kritik der Entfremdung 44 Revolution gegen die Philosophie 46 Praxis und Klassenkampf 49 Handeln in der Gegenwart 51 Die beiden Seiten des Idealismus 54 Das Subjekt ist die Praxis 57 Die Wirklichkeit des »menschlichen Wesens« 58 Der theoretische Humanismus 60 Das Transindividuelle 62 Eine Ontologie der Relation 63 Der Einwand Max Stirners 66 Die Deutsche Ideologie 68 Umkehrung der Geschichte 71 Das Proletariat als universelle Klasse 73 Die Einheit der Praxis 75 III. Ideologie oder Fetischismus: die Macht und die Unterwerfung 76 Theorie und Praxis 79 Die herrschende Ideologie 81 Autonomie und Begrenztheit des Bewusstseins 83 Die fiktive Universalität 85 Die geistige Differenz 87 Die Intellektuellen und der Staat 91 Die Aporie der Ideologie 94 Der »Warenfetischismus« 100 Die Notwendigkeit der Erscheinung 103 Die Genese der Idealität 106 Marx und der Idealismus – zum Zweiten 109 Die Genese der Subjektivität 112 Die »Verdinglichung« 115 Der Austausch und die Verpflichtung: das Symbolische bei Marx 117 Die Frage der »Menschenrechte« 119 Freiheit, Gleichheit, Eigentum 121 Vom Idol zum Fetisch 124 Staat oder Markt 126 IV. Zeit und Fortschritt: noch eine weitere Philosophie der Geschichte? 127 Die Negation der Negation 130 Zweideutigkeit der Dialektik 132 Die marxistischen Fortschrittsideologien 137 Der Gesamtzusammenhang der Geschichte 140 Eine Theorie der Evolution? 142 Ein Kausalitätsschema (Dialektik I) 146 Die Instanz des Klassenkampfs 150 Die »schlechte Seite« der Geschichte 154 Der reale Widerspruch (Dialektik II) 156 Auf dem Weg zur Geschichtlichkeit 159 Die Wahrheit des Ökonomismus (Dialektik III) 161 Das Absterben des Staates 163 Die russische Gemeinde 166 Antievolutionismus? 172 V. Die Wissenschaft und die Revolution 173 Drei Pfade des Philosophierens 176 Das Werk als Baustelle 178 Für und gegen Marx 185 Der unversöhnliche Anteil Nachwort von Étienne Balibar 201 Bibliographische Einführung in Marx’ Philosophie Die Frage nach Marx’ Philosophie endlich wirklich stellen Vorwort von Frieder Otto Wolf Balibars kleines Buch ist vor fast zwanzig Jahren in Frank- reich erschienen, und auch die Publikation der englischen Übersetzung liegt über 18 Jahre zurück. Heutige deutsch- sprachige Leserinnen und Leser könnten daher vor der Schwierigkeit stehen, dass sich ihnen nicht gleich genau er- schließt, worum es in bestimmten von Balibar formulierten philosophischen Thesen geht, die in einen anderen histori- schen Kontext eingreifen sollten. Auch wenn sie es ungefähr ahnen werden, denn viele grundlegende Fragen stellen sich hier und heute kaum anders. Um dieser möglichen Schwierigkeit zu begegnen, möch- te ich in diesem Vorwort drei Fragen erörtern: – Worum ging es im Kontext der ersten Publikation dieses Textes? – Worin besteht die anhaltende Herausforderung, die von Balibars Untersuchung von Marx’ Philosophie ausgeht? – Wie lässt sich diese Untersuchung auf die jüngere, vor allem deutschsprachige Debatte beziehen? 1. Worum ging es im Kontext der ersten Publikation dieses Textes? Balibar spielte mit offenen Karten. Der Einsatz, um den es ihm in seiner nach dem Ende der orthodoxen Marxismen verfassten Darstellung ging, war klar benannt. Er war eben- so einfach wie anspruchsvoll: Es ging darum, Marx als einen Philosophen wiederzuentdecken, der immer noch, für die ge- genwärtige Philosophie, eine unbewältigte Herausforderung darstellt. Mit dieser deutlichen Geste stellte sich Balibar1 in Frankreich und in der global geführten angelsächsischen De- batte dem damals herrschenden – und inzwischen allenfalls schwächer gewordenen – Trend entgegen, sich mit der his- torischen Verabschiedung von den »offiziellen Marx ismen« zugleich auch von dem zumeist erst in den 1960er Jahren wie- derentdeckten Marx zu verabschieden. 1 Er war dabei nicht allein, vgl. hier und für einige weitere Problematiken die Hinweise in der Bibliographie. 11 In Frankreich hat es seit den 1980er Jahren (fast) keine Fortsetzung der Kapital-Lektüre gegeben, jedenfalls keine, die der »neuen Marxlektüre« in Deutschland oder in Japan vergleichbar wäre.2 Wer im Text Balibars begleitende philo- sophische Reflexionen zu dieser kollektiven Neuaneignung der Marx’schen »neuen Wissenschaft«, der »Kritik der po- litischen Ökonomie«, sucht,3 wird daher unvermeidlich ent- täuscht werden. Auch wer sich bei der einfachen Auskunft beruhigen möchte, Marx habe doch »die Philosophie hinter sich gelassen« oder sich mit der immerhin schon etwas kom- plexeren Botschaft zufrieden gibt, Marx habe uns eine Praxis der Kritik hinterlassen und diese zumindest im Ansatz auf den Begriff gebracht, sollte hier mit der Frage verunsichert werden, was Marx eigentlich »in der Philosophie getan« hat. Balibar – dem es darum geht, Marx’ Aktualität für die Gegenwart des 21. Jahrhunderts zu zeigen – bricht radikal mit den beiden Vorgehensweisen, die in den bisherigen De- batten nur in Sackgassen geführt hatten: Er betreibt weder die philosophische Ergänzung der Marx’schen Theorie durch gängige Philosopheme noch die Konstruktion einer ge- schlossenen marxistischen Philosophie. Ihm geht es vielmehr darum, die Entdeckung, dass Marx eine Bedeutung für die Philosophie besitzt, die heute »größer als je zuvor« gewor- den ist, zu vermitteln: Wir finden also in seinem Buch keine Darstellung der Marx’schen Lehre, sondern vielmehr eine »Untersuchung der Art und Weise, wie Marx in der Philoso- phie arbeitet, und wie die Philosophie in Marx arbeitet«, um derart »die theoretische Bewegung von innen aufzugreifen«. Mit dieser Aufgabenstellung, der Praxis der Philosophie in Marx’ gesamten Arbeiten nachzugehen, überwindet Bali- bar auch die Auffassung, dass die Arbeiten des jungen Marx quasi stellvertretend für dessen philosophischen Positionen stehen, die seit der Entdeckung seiner frühen Manuskripte in den 1930er Jahren immer wieder vorgebracht wurde. Sei- ne Strategie der Lektüre gehört zu den bleibenden Produk- ten des »französischen Momentes der Philosophie«: Balibar radikalisiert die »symptomale« Lektüre, wie sie Althusser in Für Marx und Das Kapital Lesen entwickelt hatte – und 2 Vgl. den Überblick bei Jan Hoff u.a. »Einleitung«, in: Dies. (Hg.), Das Kapital neu lesen, Münster 2006, S. 16–23. 3 Hierzu wäre eher auf Balibars Beiträge zum Gemeinschaftswerk Das Kapital lesen [frz. Paris 1965] und sein Buch Cinq études du matérialisme his- torique [frz. Paris 1974] zurückzugreifen, das immer noch nicht auf Deutsch verfügbar ist, obwohl es durchaus eine Neulektüre verdiente. 12 zwar dahingehend, die Potenziale, aber auch die Aporien von Marx’ Denken aus dessen Texten zu rekonstruieren, ohne sie aufzulösen, um die offenen philosophischen Schwierigkeiten bei Marx genauer begreifen und die insistierenden Probleme des Marxismus weiter bearbeiten zu können. Dabei fasst die- ser Text Untersuchungen aus den 1980er Jahren zusammen4 und führt sie weiter.5 Inhaltlich bildet die Frage, in welchem Verhältnis der Eigenständigkeit oder des Zusammenhangs die »Kritik der Politik« und die »Kritik der politischen Ökonomie« bei Marx zueinander stehen, das Zentrum der Auseinandersetzung.6 Balibar entwickelt hier eine eigenständige Position eines »Materialismus der Politik«, der sich weder auf den Weg ei- ner abstrakten Ontologisierung begibt, wie ihn Alain Badiou7 (ebenfalls im Ausgang von Althussers Philosophieren) einge- schlagen hatte, noch sich auf das Unternehmen einer totali- sierenden Politisierung