„Noch Viel in Den Köpfen Und Herzen Begraben“
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Dalia Rabin im Interview • Umgang der „Krone“ mit Wiesenthal • Kür der neuen Generalsekre- täre • Historikerbericht des Dorotheums vor nn Veröffentlichung • Und immer lockt der Bagel Ausgabe Nr. 22(4/2005)uu Kislev 5766 € 3,– www.nunu.at „NOCH VIEL IN DEN KÖPFEN UND HERZEN BEGRABEN“ EDITORIAL Das Gedankenjahr 2005 nähert sich seinem Ende, schon vor längerem beklagt hatten. Schön, dass die Ge- vermutlich ohne dass sich das Gedankengut hierzulan- meinde unseren konstruktiven Anregungen folgt. de entscheidend verändert hätte. Die wirklich große Besonders anregend, um nicht zu schreiben aufregend, Feier folgt ja erst 2006, wenn sich die Republik ihrem ist der Bericht von Petra Stuiber zur Bestellung der zwei „Wolferl“ hingeben wird. Mozartjahr und niemand neuen Generalsekretäre. Endlich lernen wir, was wir wird entkommen. Wenn Sie sich vor hypertrophen unter Transparenz zu verstehen haben. Feierlichkeiten und schriller innenpolitischer Katzen- Ein Sittenbild der besonderen Art ist die Zusammen- musik zurückziehen wollen, ist Ihnen das vorliegende stellung der Kronen Zeitung Berichterstattung zum NU wärmstens zu empfehlen. kürzlich verstorbenen Simon Wiesenthal. Erwin Javor Ein Großer der österreichischen Politik, der frühere zeigt, wie man im Kleinformat von der „überflüssigsten Bundeskanzler Franz Vranitzky, hat uns zum Abschluss Figur auf der österreichischen Szene“ zur „moralischen des Gedankenjahrs ein Interview gegeben, in dem er Autorität“ wird, wenn es der Chef nur für richtig hält. über seine Kindheit im Wien der Kriegs- und Nach- Wenn Sie wissen wollen, woher der Bagel stammt, kriegsjahre, zu seiner Sicht der Feierlichkeiten, zum lesen Sie den vergnüglichen Bericht von Axel Reiserer. „poor man walking“ Jörg Haider und zu seinen Ge- Ja, und wenn Sie völlig furchtlos sind, empfehle ich danken zum Nahen Osten berichtet hat. noch den Beitrag von Harry Bergmann. Eine fast aus- Ein weiteres, tolles Interview hat Danielle Spera aus weglose Geschichte, die Ihnen als Besucher des Israel mitgebracht: Dalia Rabin hat mit ihr zehn Jahre Tempels durchaus bekannt vorkommen wird. nach dem Tod ihres Vaters Yitzhak Rabin über den Frieden gesprochen. Ihre Unterstützung für NU: BA-CA (BLZ 12000) Konto- Fritz Neumann hat sich mit dem Jugendreferenten der Nummer: 08573 923 300. IKG, Maxim Slutski, über dessen Arbeit unterhalten. Er will Anlaufstelle für die etwa 1.500 Kinder und Jugend- Ein fröhliches Chanukka-Fest wünscht Ihnen lichen sein und füllt damit eine Lücke, die wir im NU Peter Menasse, Chefredakteur INHALT Franz Vranitzky Israel Lesung INTERVIEW I Der frühere SPÖ- INTERVIEW II CHRISTIANE HÖRBIGER Kanzler über das Gedenkjahr, die Dalia Rabin über liest aus Biografie Zelmans. FPÖ und seine Kindheit. das Vermächtnis Von Alexia Weiss 30 Von Danielle Spera und ihres Vaters. FOTO: ©ODED KARNI Peter Menasse 4 Von Danielle Spera 18 Kulinarisches BAGEL Das Brot des Lebens. Gedenkjahr Generalsekretäre Von Axel Reiserer 31 VERGLEICH Die Staatsvertrags- IKG I feiern der Zweiten Republik. Die Sache mit der Trans- Dajgezzen und Chochmezzen Von Barbara Tóth 9 parenz. Von Petra Stuiber 22 KOMMENTAR Erwin Javor und Peter Menasse über ÖVP, FPÖ und Simon Wiesenthal Jugend den Verfassungsbogen 36 POSTHUME ROSEN IKG II Berichterstattung der „Kronen Zeitung“ Maxim Slutski ist neuer Jugend- FPÖ einst und heute. Von Erwin Javor 10 referent. Von Fritz Neumann 24 KOMMENTAR Martin Engelberg über die Sehnsucht nach Haider 37 NS-Kunstraub Security DOROTHEUM Historikerbericht vor IKG III Alltagsgeschichten Veröffentlichung. Von Alexia Weiss 13 Eine unkorrekte Betrach- KOMMENTAR Erwin Javor über tung. Von Harry Bergmann 26 den Umgang der „Krone“ mit Werbung Wiesenthal 39 HAUS DER BARMHERZIGKEIT Theater mit einer fragwürdigen Kampagne. NS-ZEIT durch zwei Schlüssel- [email protected] Von Peter Menasse und Erwin Javor 16 löcher. Von Danielle Spera 28 www.nunu.at Die Gags auf dem Heldenplatz fand ich entbehrlich Franz Vranitzky war der erste österreichische Bundeskanzler, der offiziell die dunkle Seite der österreichischen Geschichte angesprochen hat. Als Erster hat er sich für die Verbrechen, die Österreicher während der Nazi-Zeit begangen hatten, entschuldigt. Bnai Brith hat Vranitzky dafür in Wien kürzlich mit dem höchsten Orden ausgezeichnet. Was Vranitzky zu diesen deutlichen Worten veranlasst hat, wodurch er als Kind geprägt wurde und warum Jörg Haider ein „poor man walking“ ist, hat er im Gespräch mit Danielle Spera und Peter Menasse erzählt. NU: Ihr Eingeständnis der Mitschuld von Sie sprechen damit sehr direkt das Ge- behandelt worden. Das ist auch in Ord- Österreichern an den Verbrechen der Nazis, denkjahr an. Es ist sicher mit großem nung so, denn es war ein Schlüsseljahr Ihre Einladung zur Rückkehr der Juden Engagement betrieben worden, nur hat in der österreichischen Zeitgeschichte. nach Österreich war für einen österrei- man sich offenbar nicht von den alten Das Ende des Zweiten Weltkriegs und chischen Bundeskanzler einmalig und ganz Schablonen lösen können, die darin die Befreiung von der Nazi-Herrschaft außergewöhnlich. Was war der Auslöser bestehen, dass man sich in allererster durch die Alliierten sind jedenfalls zu dafür, dass Sie als erster so deutliche Worte Linie der österreichischen Erfolgsstory kurz gekommen. zur Rolle von Österreichern während der nach dem Zweiten Weltkrieg rühmt. Es gibt nach wie vor zu viele Stimmen, Nazi-Zeit gefunden haben? Nun gab es zwar diese Erfolgsstory, aber die behaupten, dass die wirkliche Frei- Vranitzky: Die innenpolitische Situati- sie ist nicht das ausschließliche Erschei- heit erst 1955 erreicht worden sei. Na- on damals war geprägt von einer Mi- nungsbild der Republik Österreich. Ich türlich ist es erstrebenswert, nicht von schung aus den noch nicht ganz abge- habe mit Bedauern festgestellt, dass die fremden Truppen besetzt zu sein, aber klungenen Vorbehalten maßgeblicher Chance nicht genutzt worden ist, be- die eigentliche Beendigung einer ver- Länder der Welt gegen Bundespräsident stimmte historische Wahrheiten besser brecherischen Periode hat 1945 stattge- INTERVIEW Waldheim und dem Jugoslawien-Krieg. ins Licht der Öffentlichkeit zu setzen. funden. Daher wäre es ganz gut, wenn Wir mussten miterleben, dass gewaltsa- Denn ich bin überzeugt, dass der mög- man in den verbleibenden Wochen die- me Auseinandersetzungen, ethnische lichst unkomplizierte Umgang mit der ses Jahres mit Nachdruck darauf hin- Säuberungen, unfassbare autoritäre Vor- Wahrheit einer Gesellschaft innere Fes- weist. Nicht zuletzt deshalb, weil noch gangsweisen in unserer unmittelbaren tigkeit gibt. immer sehr viel in den Köpfen und Her- Nachbarschaft aufgebrochen sind. Da zen mancher Familien begraben ist. habe ich mir gedacht, es wäre höchste Sie haben in Ihrer Rede anlässlich der Bnai- Viele haben Verwandte, die möglicher- Zeit, mit ein paar stehen gebliebenen Brith-Preisverleihung kritisiert, dass im weise auch schon tot sind, die aber von Ungerechtigkeiten und Ungereimthei- Gedenkjahr 2005 bei allem Jubel über den 1938 bis 1945 Schuld auf sich geladen ten aufzuräumen, auch mit dem Thema Staatsvertrag 1955 das Jahr 1945 doch haben. Ich kenne viele Familien, wo die Opferdoktrin. „verhältnismäßig wenig belichtet“ worden Kinder- oder auch die Enkelgeneration sei. Warum fällt das sonst niemandem auf, noch immer nicht mit sich ins Reine ge- Sie haben damit in Österreich eine „Trend- warum wurde das in der Öffentlichkeit kommen ist. Und es soll niemand sa- wende“ eingeleitet, die aber jetzt wieder kaum thematisiert? gen, dass das einfach ist: der Vater oder umgekehrt worden ist, jetzt wird die Opfer- Das Staatsvertragsjahr 1955 ist bei den Großvater, der bei der SS war, ist ja doktrin von neuem hervorgeholt. verschiedenen Gedenkfeiern prominent trotzdem der geschätzte Vater oder 4 nu 4·2005 FOTO: © PETER RIGAUD »Das Gedenkjahr ist sicher mit großem Engagement betrieben worden, nur hat man sich offenbar nicht von den alten Schablonen lösen können.« 4·2005 nu 5 Großvater. Die Weltanschauung der drei Wege eingeschlagen: die einen sind belesenen Mutter geprägt. Diese Welt- nachfolgenden Generationen ist glück- Nazis geworden, die anderen Kommu- anschauung ist für mich zu einem Ge- licherweise oft eine andere und das er- nisten und die dritten wollten nichts bäude geworden, das bis heute nicht gibt ein Spannungsfeld. mehr von Politik wissen. Mein Vater hat eingestürzt ist. sich auf die linke Seite geschlagen und Ich bin zuerst in die Frauenfelderschule Gab es Aktionen im Gedenkjahr, die Ihnen hat auch meine Mutter dafür eingenom- gegangen, die wurde von Bomben ge- besonders in Erinnerung geblieben sind? men. 1939 wurde er eingezogen, ab troffen, worauf ich in eine andere Schu- Die Ausstellung im Belvedere ist mir in diesem Zeitpunkt war meine Mutter le verlegt wurde, wo wir dann Wechsel- positiver Erinnerung, die Ausstellung mit mir und dann ab 1940, als meine unterricht hatten. Es gab zu wenig Klas- auf der Schallaburg habe ich nicht gese- Schwester geboren wurde, mit uns beiden senzimmer, so dass wir eine Woche am hen, doch habe ich gehört, sie sei gera- auf sich gestellt. Wir lebten in äußerst Vormittag und in der nächsten Woche dezu skandalös einseitig. Die Gags auf bescheidenen Verhältnissen. Noch dazu am Nachmittag Unterricht hatten. Das dem Heldenplatz mit den Hausgärten in einem Haus, das einer ziemlich aus- war dann auch die Zeit der rationierten fand ich entbehrlich. So kann man der geprägt nationalsozialistischen Familie Lebensmittel, der Trockenmilch von heutigen Generation das Hungerelend gehört hat. Wir haben die alltägliche Be-