Stadtoberhäupter Bürgermeister und Oberbürgermeister in

Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg Sonderpublikationen herausgegeben von Joachim Kemper Stadtoberhäupter Bürgermeister und Oberbürgermeister in Aschaffenburg

Überarbeitete und ergänzte Neuauflage von: Carsten Pollnick, Aschaffenburger Stadtoberhäupter von 1818 bis 1983 (Würzburg 1983) Autoren: Carsten Pollnick und Susanne von Mach. Unter Mitarbeit von Burkard Fleckenstein, Heike Görgen, Joachim Kemper, Bernhard Keßler, Matthias Klotz, Ulrike Klotz und Christian Patalong

Aschaffenburg 2020 herausgegeben durch das Stadt- und Stiftsarchiv im Auftrag der Stadt Aschaffenburg Das vorliegende Buch basiert auf der 1983 erschienenen Publikation „Aschaffenburger Stadtoberhäupter von 1818 bis 1983“ (Autor: Carsten Pollnick). Seither sind fast 40 Jahre vergangen, so dass auch angesichts des im Frühjahr 2020 anstehenden Amtswechsels eine erweiterte und umfassend ergänzte Neuauflage angeraten schien. Für die Neuauflage sind die Beiträge des früheren Bandes durchgesehen und leicht überarbeitet wor- den. Der Dank geht dafür an Matthias Klotz. Für Ergänzungen sei auch Carsten Pollnick herzlich gedankt. Der Beitrag zu Oberbürgermeister Willi Reiland ist im Vergleich zum Stand von 1983 vollständig aktualisiert worden. Hierfür, für die Einführung zur Neuauflage sowie für den Text zu Oberbürgermeister Klaus Herzog sei Susanne von Mach als Autorin gedankt. Kürzere Vorlagen und Textbausteine zu den Beiträgen Reiland und Herzog ha- ben außerdem folgende Personen verfügbar gemacht: Burkard Fleckenstein, Joachim Kemper, Bernhard Keß- ler, Matthias Klotz, Ulrike Klotz und Christian Patalong. Gedankt für die Unterstützung sei auch dem -Echo (Archiv) sowie diversen Ämtern und Dienststellen der Stadtverwaltung Aschaffenburg. Die Verlagsdruckerei Schmidt hat neben Layout und Druck auch für die Digitalisierung und OCR-Erfassung der Publikation aus dem Jahr 1983 gesorgt.

Titelbild (Umschlag): Schloss Johannisburg samt Mainbrücke, historische Aufnahme ca. 1933 (Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Sammlung Stadelmann); Oberbürgermeister-Amtskette der Stadt Aschaffenburg (Foto: Matthias Klotz).

Die Amtskette der Stadt Aschaffenburg ist noch in königlich-bayerischer Zeit von einem Goldschmied aus München angefertigt worden. An den Amtsketten von Städten der Größe Aschaffenburgs war eine Goldmedaille mit dem Porträt des regierenden Königs angebracht, welche nach dem Thronwechsel auszutauschen war. Nach dem Ende der Monarchie wurde stattdessen das städtische Wappen (Vorderseite), ergänzt um das Große Staatswappen, angebracht.

Layout: Manuela Reich

ISBN: 978-3-922355-38-0

Gesamtherstellung: VDS Verlagsdruckerei Schmidt, D-91413 Neustadt an der Aisch ZUM GELEIT

„Wer an den Dingen seiner Gemeinde nicht Anteil nimmt, ist kein stiller, sondern ein schlechter Bürger.“ Diese dem athenischen Staatsmann Perikles zugeschriebene Weisheit gilt in ganz besonderem Maße auch für den Bürgermeister oder Oberbürgermeister. Dass sie keinen Anteil an den Dingen ihrer Stadt genommen hätten, kann man wohl keinem meiner Vorgänger vorwerfen. Insbesondere seit 1945 haben vier Menschen die Stadt Aschaffenburg jeweils auf ihre eigene Weise geformt und geprägt: Jean Stock, Dr. Vinzenz Schwind, Dr. Willi Reiland und Klaus Herzog. Bei meinem direkten Vorgänger Klaus Herzog hatte ich als dritter Bürgermeister sechs Jahre lang die Möglich- keit, unmittelbar zu erleben, was es heißt, an den Dingen der Stadt Anteil zu nehmen. Das Weiterkommen der Stadt Aschaffenburg, der Frieden in der Stadtgesellschaft, die Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am städti- schen Leben waren 20 Jahre lang seine Maxime. Dafür hat er gelebt und regiert. Und nun: Zum Abschied nach 20 Jahren, in denen unter anderem der von Dr. Willi Reiland begonnene Stadtring geschlossen wurde, die Stadt ein neues Bahnhofsgebäude bekam, ein Bildungsbüro etabliert und der Stadt der Nachhaltigkeitspreis verliehen wurde: Stillstand. Die Corona-Pandemie lähmt seit Mitte März das Leben in der Stadt. Die Abschiedsfeiern für Klaus Herzog mussten abgesagt werden. Den Bürgern wurde die Möglichkeit genommen, sich von „ihrem Klaus“ mit einem Handschlag oder einer Umarmung zu verabschieden. Dieses Buch soll deshalb auch eine Festschrift sein. Sie soll Danke sagen und zusammenfassen, was Ende April in der Abschiedsgala gesagt worden wäre. Sie soll erinnern an große Lokalpolitiker. Nicht nur an Klaus Herzog, sondern auch an die demokratisch legitimierten Bürgermeister und Oberbürgermeister seit 1818. Das dunkle Kapitel der Jahre 1933 bis 1945 wird dabei nicht ausgespart. Danken möchte ich allen, die an diesem Buch mitgearbeitet haben. Zuallererst Carsten Pollnick, der die erste Auflage bis 1983 geschrieben und die Neuauflage unter Einbeziehung von Klaus Herzog angeregt hat. Danken möchte ich aber auch Susanne von Mach sowie allen anderen, die dazu beigetragen haben, dass dieses Buch ein rundes Werk geworden ist. Ich hoffe, dass dieses Buch viele Leserinnen und Leser findet, die, genau wie ich, sich das Leben und Wirken der Aschaffenburger Bürgermeister und Oberbürgermeister zum Beispiel nehmen, an ihrer Gemeinde Anteil zu nehmen.

Aschaffenburg im Mai 2020 Jürgen Herzing Oberbürgermeister INHALT

Einführung zur Neuauflage im Jahr 2020 ...... 7

Vom 14. Jahrhundert an hatte Aschaffenburg – mit Unterbrechungen – Bürgermeister ...... 8

Die kurfürstlich-mainzischen Stadtschultheißen Aschaffenburgs und ihre Aufgaben im Überblick ...... 10

Jakob Leo (1796–1815) ...... 12

Joseph Hörmann von Hörbach (1815–1818)...... 15

Christian Pfaff (1818–1824) ...... 19

Gottlieb Leo (1824–1827 und 1831–1835) ...... 22

Franz Josef Feller (1827–1831) ...... 27

Adalbert von Herrlein (1835–1864) ...... 30

Dr. Bernhard Emil Vogler (1864–1867) ...... 35

Magnus Will (1867–1877) ...... 41

Friedrich Ritter von Medicus (1877–1904) ...... 45

Dr. Wilhelm Matt (1904–1933) ...... 50

Wilhelm Wohlgemuth (1933–1945) ...... 56

Jean Stock (1945) ...... 62

Dr. Vinzenz Schwind (1946–1970) ...... 68

Dr. Willi Reiland (1970–2000) ...... 75

Klaus Herzog (2000–2020) ...... 87 Auf dem höchsten Punkt der Stadt und in direkter Nachbarschaft zur Stiftskirche St. Peter und Alexander liegt das Rathaus – im Bild das 1765 errichtete alte Rathaus (heute Großer Sitzungssaal) und der von 1956 bis 1958 gebaute moderne Neubau. Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Foto: Niebuhr, Kl. Heseback, 1957. EINFÜHRUNG 7

ZUR NEUAUFLAGE IM JAHR 2020

„Wenn der Bürgermeister seine Pflicht tut, werden 6. September kehrte er nach Aschaffenburg zurück. kaum vier da sein, die ihn mögen.“ Dieses wenig Seit dem 14. April 1945 lenkte Jean Stock die Geschi- schmeichelhafte Zitat wird Martin Luther zugeschrie- cke einer zerstörten Stadt, bis er neun Monate später ben, doch hätte der Reformator die Aschaffenburger nach Würzburg beordert wurde. späterer Zeiten gekannt, er hätte seinen Ausspruch Als seinen Nachfolger setzte die US-amerikanische revidieren müssen. Aschaffenburg ist, das kann man Militärregierung Dr. Vinzenz Schwind ein, der das Wie- sicher sagen, seinen Oberbürgermeistern treu. Für 24, deraufbauamt leitete. Bei den ersten freien Wahlen 30 und 20 Jahre wählten die Bürgerinnen und Bürger traten Jean Stock und Dr. Vinzenz Schwind gegenein- die Stadtoberhäupter der Nachkriegszeit ins Amt, und ander an; die Aschaffenburger entschieden sich für das ist wohl ein eindrücklicher Beleg dafür, dass Schwind und hielten ihm 24 Jahre lang die Treue. Fünf Aschaffenburgs Oberbürgermeister in ihren Amtsperi- Mal wählten sie ihn wieder, bis nach einem harten oden weit mehr als ihre Pflicht taten. Wahlkampf der jüngere, charismatische Dr. Willi Rei- So kommt es, dass seit Ende des Zweiten Weltkriegs land das Heft in die Hand nahm. gerade einmal vier Oberbürgermeister die Geschicke Und wieder straften die Aschaffenburger Martin Lu- der Stadt lenkten: der von der US-amerikanischen Mi- ther Lügen, denn Dr. Willi Reiland wählten sie ebenfalls litärregierung eingesetzte sozialdemokratische Dru- fünf Mal und damit so lange ins Amt, bis er gehen ckereibesitzer Jean Stock, der promovierte Chemiker musste: nämlich aus Altersgründen. Gern wäre er noch Dr. Vinzenz Schwind (CSU), der sozialdemokratische geblieben. Das gilt auch für Klaus Herzog, seinen Jurist Dr. Willi Reiland und der sozialdemokratische Nachfolger und vierten Oberbürgermeister seit 1945. Gymnasiallehrer Klaus Herzog. Drei Mal schenkten die Aschaffenburger ihm ihr Ver- Die Amerikaner ernannten Jean Stock nach der Kapi- trauen, und dass Klaus Herzog nun aus der ersten tulation Aschaffenburgs am 3. April zum vorläufigen Reihe zurücktritt, liegt wiederum an der Pensionie- Oberbürgermeister; der erfahrene Politiker und De- rungsgrenze. mokrat war wegen seiner sozialdemokratischen Ge- Mit dem Ende der Ära Herzog ist es Zeit, die Ge- sinnung stetig im Visier der Nationalsozialisten, wurde schichte der Aschaffenburger Stadtoberhäupter fort- bespitzelt, kontrolliert und diffamiert. Nach dem ge- zuschreiben und zurückzublicken auf das, was auch in scheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 seinen Amtsperioden aus der Stadt geworden ist, die wurde Jean Stock verhaftet und ins Konzentrationsla- Klaus Herzog wie seine Vorgänger gelenkt und ja, auch ger Dachau gebracht; nach seiner Entlassung am geliebt hat. 8 VOM 14. JAHRHUNDERT AN – die den Städten durch ein Bundesgesetz oder auf- HATTE ASCHAFFENBURG – MIT grund eines Bundesgesetzes übertragenen hoheit- UNTERBRECHUNGEN – BÜRGERMEISTER lichen Aufgaben in Verteidigungsangelegenheiten (auch Wehrersatzwesen und Zivilschutz); – die Angelegenheiten, die im Interesse der Sicher- Die Position eines Stadtoberhauptes – gestern wie heit der Bundesrepublik Deutschland oder eines heute – war und ist stets mit Aufgaben, Rechten und ihrer Länder geheimzuhalten sind. Pflichten verbunden. Zum besseren Verständnis, quasi Der Stadtrat kann dem Oberbürgermeister auch wei- als Einführung, sei hier eine Begriffserklärung vorange- tere Angelegenheiten des übertragenen Wirkungs- stellt, eingebettet in einen knappen historischen Abriß kreises zur selbständigen Erledigung übergeben. Fer- der Aschaffenburger Administration. Der Bürgermeister ner ist er befugt, ‚dringende Angelegenheiten‘ und ist allgemein der Vorsitzende einer Stadt- und Gemein- ‚unaufschiebbare Geschäfte‘ an Stelle des Stadtrates deverwaltung. Seine Stellung ist nach den jeweiligen zu erledigen, wenn er dem Stadtrat so bald wie mög- Gemeindeverordnungen (Gemeindeverfassungen) ver- lich darüber Rechenschaft ablegt. schieden. In deutschen Bundesländern mit einer Bür- Nach seiner Wahl wird er kommunaler Wahlbeamter, germeisterverfassung ist der „Erste Mann“ stets ausfüh- sogenannter Beamter auf Zeit. Mit Beendigung der rendes Organ der Gemeinde. Er ist ehrenamtlich (in Ge- Amtszeit endigt auch das Beamtenverhältnis. Selbst- meinden unter 3000 Einwohnern) oder hauptamtlich, verständlich kann er nach Ablauf der sechsjährigen in Stadtkreisen wie Aschaffenburg als Oberbürgermeis- Amtsperiode wiedergewählt werden …“1 In Aschaf- ter tätig, vertritt und verwaltet die Gemeinde und wird fenburg gab es zu Beginn des 14. Jahrhunderts (1331) von der Gemeindevertretung auf sechs Jahre gewählt. erstmals einen Bürgermeister, der als Repräsentant In Bundesländern mit einer Magistratsverfassung, so in der städtischen Selbstverwaltung galt. Zu seinem Auf- Bayern, ist der Bürgermeister Vorsitzender und Voll- gabenbereich gehörte unter anderem die Erledigung zugsorgan des Gemeinde- bzw. Stadtrates mit vollem kleinerer Streitfälle; ferner setzte er gemeinsam mit Stimmrecht; bei Stimmengleichheit gibt seine Stimme dem Rat die Steuern für die Bürger fest, war gleichzei- den Ausschlag. So obliegen zum Beispiel Aschaffen- tig aber auch Vermögensverwalter. Nach dem Bauern- burgs Oberbürgermeister in eigener Zuständigkeit, ne- krieg (1524/25) wurden die Bürgermeister „entfernt“, ben seiner Repräsentationsaufgabe nach „außen“, als ihr Amt aufgehoben und durch einen Stadtschulthei- Vorsitzender des Stadtrates und als Leiter der Stadtver- ßen sowie ein Schöffenkolleg ersetzt. Der Schultheiß waltung folgende Aufgaben: – er war höherer Richter (Hochgerichtsbarkeit) und vertrat die Stadt mit dem Rat nach außen – war ur- – „die laufenden Angelegenheiten, die für die Stadt sprünglich der Beamte, der die Gemeindemitglieder keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen; 1 Stadt Aschaffenburg: Unsere Stadt Aschaffenburg. Aschaffen- burg 1977, S. 33. zur Einhaltung ihrer Pflichten gegenüber dem Landes- hungsweise rechtskundige Bürgermeister und Ober- 9 herrn anzuhalten hatte, später Vorsteher eines städti- bürgermeister hatte Aschaffenburg in der Folgezeit schen (Stadtschultheiß) oder dörflichen Gemeindewe- nachstehende Stadtoberhäupter: sens. Er und der Rat der Stadt bekamen ihre Direktiven vom Vicedom übermittelt, den es in Aschaffenburg seit 1122 (Warmund) als höchsten Vertreter der kur- 1796–1815 Jakob Leo mainzischen Landesherrschaft gab. Der Vicedom er- 1815–1818 Joseph Hörmann von Hörbach hielt seine Weisungen wiederum direkt aus der Kanzlei des Kurfürsten. Über den Stadtschultheiß gingen alle Erlasse und Verordnungen an die Bürgerschaft bezie- Erst die Gemeindereform von 1818 ermöglichte die hungsweise an die Zunftmeister weiter, die sie schließ- freie Wahl eines Bürgermeisters durch die Bürger- lich auszuführen hatten. Später änderten zwei Neu- schaft. ordnungen (1772 und 1782) dieses System: Das zwölf- köpfige Schöffenkolleg wurde abgeschafft, ein Bür- 1818–1824 Christian Pfaff germeister und drei Stadträte traten an seine Stelle. 1824–1827 Gottlieb Leo Zur Änderung von 1782 hieß es unter anderem: „Die 1827–1831 Franz Joseph Feller Unterordnung der städtischen Belange unter die Inte- 1831–1835 Gottlieb Leo (zweite Amtsperiode) ressen des Gesamtstaates war gerade in der Ordnung 1835–1864 Adalbert von Herrlein von 1782 noch einmal besonders herausgestellt 1864–1867 Dr. Bernhard Vogler worden.“2 1867–1877 Magnus Will Die Funktion des Bürgermeisters änderte sich schließ- 1877–1904 Friedrich Ritter von Medicus lich zu Beginn der bayerischen Verwaltung im Jahre 1904–1933 Dr. Wilhelm Matt 1818, als durch die Gemeindereform eine freie Wahl 1933–1945 Wilhelm Wohlgemuth des Bürgermeisters durch die Bürgerschaft ermöglicht 1945 Jean Stock wurde. Sie brachte auch der Stadt Aschaffenburg die 1946–1970 Dr. Vinzenz Schwind langersehnte Selbstverwaltung. Neben dem Bürger- 1970–2000 Dr. Willi Reiland meister lenkten nun acht Magistratsräte und einige 2000–2020 Klaus Herzog Beamte (für Verwaltungs- und Polizei-Angelegenhei- ten) die Geschicke der Stadt. Der (Ober-)Bürgermeister wurde ab jetzt für sechs Jahre, die Magistratsräte für drei Jahre gewählt. Als Stadtschultheißen – in französi- scher Zeit Maires genannt –, als Bürgermeister bezie-

2 Christ, Günter: Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken. Aschaffenburg. München 1963, S. 105. 10 DIE KURFÜRSTLICH-MAINZISCHEN Dieser Stadtschultheiß vereinigte Verwaltung und STADTSCHULTHEIßEN Teile der Justiz in einer Hand. Ihm unterstanden, wie ASCHAFFENBURGS UND IHRE dem Amtsträger in den Landbezirken, die Polizei, die AUFGABEN IM ÜBERBLICK Administration, das Finanzwesen und die niedere Gerichtsbarkeit. Die Schöffen der Stadt, die ihm zu- geordnet waren, erwiesen sich im 12. Jahrhundert Der bereits 1122 erwähnte erste Aschaffenburger nicht nur als Selbstverwaltung, sondern auch als Vicedom Warmund als höchster Vertreter der kurmain- Schöffengericht. zischen Landesherrschaft war mit erheblichen Macht- Die Geschäfte der städtischen Verwaltung wurden befugnissen ausgestattet (Militär, Administration und vom 13. Jahrhundert bis zu ihrer Neuordnung im Justiz). Der meist adlige Beamte erhielt seine Weisun- Jahre 1772 vom Schultheißen und den zwölf Schöf- gen, wie eingangs ebenfalls schon erwähnt, direkt aus fen geleitet, soweit nicht übergeordnete, landesherr- Mainz und gab sie dem Schultheiß beziehungsweise liche Beamte dafür zuständig waren (ab dem dem Kolleg weiter. Um eine rasche und sinnvolle 14. Jahrhundert standen ihnen für die Verwaltung Durchführung der verlangten Maßnahmen zu ge- noch Bürgermeister und Rat zur Seite). Da das Schöf- währleisten, gelangten die jeweiligen Instruktionen fenkolleg ein „Erbstück aus vergangenen Zeiten“ war und Direktiven an die Schöffen – sie hatten sich dazu (es fehlte auch in keiner Landgemeinde), bewahrte stets im Rathaus einzufinden –, die wiederum der Ge- sich die Stadt Aschaffenburg lange eine der ländli- meinde zur Rechenschaft verpflichtet waren. Auch die chen ähnliche Verfassung, denn dem Stift standen Zunftmeister spielten dabei eine bedeutende Rolle, weder Einfluß auf die städtische Gerichtsbarkeit noch denn sie mußten unter anderem „die Steuern eintrei- auf die Finanzverwaltung zu. ben, die Contributionen einziehen, in Zeiten der Ge- Streitigkeiten zwischen den „Partnern“ Stadt und Stift fahr den Wachdienst vertheilen … und hundert an- ergaben sich jedoch auch manchmal, so zum Beispiel dere Dinge mehr …“.3 Der „Erste Mann“ Aschaffen- im Jahre 1304, als sich die kommunalen Organe ein- burgs nach dem Vicedom aber war der Stadtschult- mal anmaßten, einige Stiftskanoniker vom „Schulthei- heiß, an dessen Arbeit Wohlstand, Fortschritt oder nur ßengericht“ mit Urteilen belegen zu lassen, obwohl Mittelmäßigkeit der Stadt gemessen wurden. In der die geistlichen Vertreter nur von einem geistlichen ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts, im Jahre 1131, wird Gericht verklagt werden durften. Noch im 14. Jahrhun- der erste Stadtschultheiß von Aschaffenburg nament- dert, zum Ausklang der Regierungszeit von Kurfürst lich erwähnt: „Wiehernd Werner, scultetus (1131– Heinrich von Virneburg (1330–1346), bekam Aschaf- 1144), auch Vicedom.“4 fenburg einige Rechte mehr zugestanden; zur Freizü- gigkeit und einigen Sonderrechten bei Gericht erhiel- 3 Köhl, Willi: Aschaffenburg. Urgeschichte, Geschichte, Wirt- ten die Bürger nun neben Steuervergünstigungen schaft, Aschaffenburg 1935, S. 165. auch etwas mehr Selbstverwaltungsvollmachten. Als 4 Schäfer, Emmerich: Die Schultheißen von Aschaffenburg, 1915, S. 3. Hemmschuh dieses Fortschrittes erwies sich in Einzel- fällen jedoch das Stift, das mit seinen verbrieften Son- Pappenberger (1609–1624), kurfürstlicher Rat, Martin 11 derrechten die Arbeit der Schultheißen und des Rates Ehrnhold (1631–1633), von den Schweden eingesetz- behinderte. Diese Errungenschaften wurden aber ter Substitut, Johann Nikolaus Schneidt (1690–1712), durch die im Jahre 1526 von Kurfürst und Kardinal Al- Kurmainzer Hofrat und geistlicher Kommissariats- brecht von Brandenburg (1514–1545) erlassene Alber- Assessor, Matthäus Franz Dampier (1712–1730), eben- tinische Ordnung wieder gestrichen. Die Stadt mußte falls Kurmainzer Hofrat und geistlicher Kommissariats- sich sogar Abstriche an ihrer bisherigen Selbstverwal- Assessor, und Veit Christoph Molitor (1725–1771), kur- tung gefallen lassen, da sich ein Teil der Bevölkerung fürstlicher Hof- und Regierungsrat. am Bauernkrieg beteiligt hatte. Diese Zwangsordnung sollte sich für die weitere Entwicklung der Stadt nega- Der wohl bekannteste Aschaffenburger Stadtschult- tiv auswirken, denn bis zur schon erwähnten Neuord- heiß war aber Nikolaus Georg Reigersberg (1624–1651), nung von 1772 stagnierte die Weiterentwicklung der der in der Dalbergstraße 41 wohnte. Berühmt wurde er Selbstverwaltung. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde das nicht nur wegen seiner Berufung zu vielen Reichstagen zwölfköpfige Schöffenkolleg abgeschafft und an seine und Fürstenversammlungen, sondern wegen seiner Stelle traten ein Bürgermeister (mit anderer Funktion Teilnahme an den Friedensverhandlungen von Osna- als bisher) und drei Stadträte. „Die Funktion des Stadt- brück und Münster im März 1648 nach dem Dreißigjäh- schultheißen als Organ der landesherrlichen Verwal- rigen Krieg (Westfälischer Frieden). Im Auftrag von Kur- tung wurde noch stärker betont, seine Initiative als fürst Johann Philipp von Schönborn (1647–1673) setzte Repräsentant der Stadt noch stärker beschnitten.“5 Reigersberg am 24. Oktober 1648 als erster der reichs- ständischen Vertreter seine Unterschrift unter den Ge- Zwischen dem ersten, schon genannten Wienand Wer- samtfriedensvertrag von Münster.6 ner (1131–1144) und dem letzten Stadtschultheißen von Aschaffenburg, Jakob Leo (1796–1815) hatten Mit den politischen Veränderungen der Jahre 1803 weitere 58 Beamte diese Position inne. Einige von ih- bzw. 1815 änderte sich die Organisation der gesamten nen bekleideten noch andere hohe Ämter: Eberhard Selbstverwaltung und danach auch die Position der Strube (1345), Forstmeister in Hösbach, Heinrich von „Ersten Männer“ der Stadt Aschaffenburg. Diese Über- Gonsrod (1366–1384), Burggraf von und sicht der Stadtschultheißen gibt natürlich nur einen kurfürstlich-mainzischer Oberamtmann, Hans Fecher groben Überblick wieder; ein gesonderter und detail- von Seligenstadt (1529–1537), Verweser, Johann Faust lierter Aufsatz wäre für eine Gesamtdarstellung not- (1547–1555), Richter in Mainz, Leonhard Bertz (1568– wendig. 1572), Oberkeller, Konrad Flach (1574–1594), Verweser, Jakob Krug (1606–1609), Kurmainzer Rat, Dr. Christoph

5 Christ, Günter: Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken. 6 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 209, 215 und 221 vom Aschaffenburg. München 1963, S. 105. 11. September, 18. September und 25. September 1982. 12 JAKOB LEO Jakob Leo wurde am 10. Februar 1748 in Mainz gebo- (1796–1815) ren. Nach erfolgreich abgeschlossener Schulzeit wid- mete er sich der Rechtswissenschaft, praktizierte bei angesehenen Advokaten und wurde schließlich auf Der letzte in der Reihe der zahlreichen Aschaffenburger Grund seiner juristischen Kenntnisse zum kurfürstli- Stadtschultheißen war der Hofgerichtsrat Jakob Leo, chen Hofgerichtsrat ernannt, 1796 zum Stadtschult- der dieses Amt 1796 übernommen und bis zum Über- heiß von Aschaffenburg berufen. Nach dem Tode sei- gang der Stadt an die bayerische Krone 1814 innehatte.­ ner ersten Frau, der Aschaffenburgerin Margaretha, Er war, wie alle seine Vorgänger, ein untergeordneter geborene Döllinger (1761–1810), heiratete er noch- Beamter des jeweiligen Vicedomes, der wiederum mals, und zwar die 1773 in Frankfurt geborene Sophia seine Anweisungen direkt aus der kurfürstlichen Kanz- Scheidel. lei in Mainz entgegennahm. Ihm zur Seite standen Wie desolat und unsicher die politische Lage im Jahre nach den vergangenen Neuordnungen der Jahre 1772 seiner Ernennung zum Stadtschultheißen von Aschaf- und 1782 drei Stadträte, die das bisherige Schöffenkol- fenburg war, schilderte am detailliertesten der Chro- leg abgelöst hatten. Totale Veränderungen in allen nist Franz Haus: „Am 18. July, im Revolutionskrieg, ka- kommunalpolitischen Bereichen brachte das Jahr men die Franzosen zum ersten Mal in die Stadt, zum 1803: Mit dem Untergang des Kurfürstentums Mainz großen Schrecken der Einwohner. In ihrem Anmarsch infolge der Säkularisation und der Bildung des Fürsten- schossen sie eine Haubitze in die Stadt gegen das Rat- tums Aschaffenburg änderte sich auch der bis dato haus. Dieselbe fuhr oben am Gipfel in die Reichskrone, gültige Status von Stadtschultheiß und Stadtrat. Als ist aber ohne Schaden abgegangen. Die Franzosen dann im Jahre 1810 mit der Organisation des Großher- hoben dahier große Brandschatzung und nahmen zogtums Frankfurt (Dalberg-Ära) nach französischem fünf ansehnliche Männer als Geisel mit nach Frank- Muster neben Hanau, Fulda und Frankfurt auch das reich, als nämlich: Herrn Stadtrat Ameiß, Herrn Meil- Departement Aschaffenburg entstand, wurden aus haus, Herrn Gerster, sodann vom Stift Herrn Kanonikus dem Stadtschultheiß Jakob Leo ein Maire und aus den Merkel und Herrn Kanonikus von Ahr. Diese kamen sechzehn bzw. zwanzig von Fürstprimas Karl Theodor erst anno 1797 wieder zurück. Die Franzosen sind sie- von Dalberg (1744–1817) selbst ernannten Stadträten ben Wochen hiergeblieben. In dem Retirad der Fran- Municipalräte. Diese politische Situation änderte sich zosen ist Herr Kanonikus von Mairhofen auf der hiesi- im Jahre 1814, als Aschaffenburg an das Königreich gen Brücke, als er dem Schauspiel zusehen wollte, in Bayern fiel. Drei Jahre danach löste sich auch die Zent- den Arm blesirt worden, woran er auch gestorben ist.“7 ralverwaltung des ehemaligen Fürstentums auf und An diesem besagten 18. Juli 1796 versuchte Jakob Leo, Aschaffenburg wurde in den „Untermainkreis“, später in zusammen mit Hof- und Regierungsrat Karl Joseph den Regierungsbezirk „Unterfranken und Aschaffen- burg“, mit dem Verwaltungs- 7 Haus, Franz: Chronik von der Stadt Aschaffenburg oder der lus- sitz in Würzburg eingegliedert. tige Zeitvertreib, Aschaffenburg 1855, S. 13.

Unterschrift Jakob Leo. Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, AM, 9752 Will, die Stadt vor weiteren Übergriffen der Franzosen Untersuchungen bei größeren Kriminalfällen und 13 zu schützen. Leo bat den französischen Divisionsgene- deren Exekutionen. Auch als Vorsitzender des Stadtge- ral Jean Etienne Championnet (seine Truppen lagerten richtes, das seit der Reform von 1772 seinen ursprüng- entlang der Aschaff, er selbst hatte im Schloß Quartier lichen Charakter als Schöffengericht verloren hatte, bezogen), den Schutz der Stadt und ihrer Bevölkerung mußte Leo die ordentliche Gerichtsbarkeit ausüben zu garantieren, was dieser aber nur beschränkt ver- bzw. ausüben lassen. Nach 1803, als dem Vicedomamt sprechen konnte. Er versicherte aber in einem persön- die peinliche Gerichtsbarkeit entzogen worden war, lichen Schreiben an die Municipalität der Stadt überließ man dem Stadtschultheißen nur noch die Aschaffenburg: „förmliche Durchführung von Untersuchungen“, die „… Wir bekriegen nur unsere Feinde, verbrüdern Uns Oberhoheit nahm nun das Oberlandesgericht wahr. aber mit friedlichen Einwohnern … und wir machen Mit der Bildung des Departements Aschaffenburg – Uns zur Pflicht, ihre Personen und Eigenthum in Ehren Jakob Leo hieß nun als Stadtoberhaupt, wie anfangs zu halten. Sie können sich auf die französische Groß- schon erwähnt, Maire – wurden ihm aber seine Rechte muth verlassen …“.8 und Zuständigkeiten beschnitten. So blieb ihm bei- So vielversprechend das Schreiben des Generals auch spielsweise noch die Funktion eines Friedensrichters klang, so wenig wurden aber die Anweisungen von bei kleinen Klagen im Justizbereich; die Leitung der den französischen Truppen in den kommenden Wo- Polizei und die Ausrüstung der Polizeigerichtsbarkeit chen ihres „Aufenthaltes“ in der Stadt beachtet; Plün- wurden ihm dagegen entzogen. Dafür war jetzt ein derungen, Erpressungen, Nötigungen und Raufereien Polizeidirektor (Kommissär) verantwortlich. Die in der waren an der Tagesordnung. Stadtschultheiß Jakob Vergangenheit in dem Stadtschultheißen in enger Leo versuchte in dieser schweren Zeit alles Machbare Verbindung mit den Organen der Selbstverwaltung umzusetzen, besorgte, so gut es ging, die notwendigs- verkörperte Einheit des städtischen Gemeinwesens ten städtischen Angelegenheiten und zeichnete sich war nun formell zerstört. durch unermüdliche Hilfe verdienstwürdig aus. Als Maire hatte Leo in erster Linie verwaltungs- und Leos Stellung in der Verwaltungshierarchie – sie muß vermögenstechnische Aufgaben und Pflichten zu be- in steter Verknüpfung mit dem Vicedomamt betrach- sorgen: Er mußte die Aufsicht über das Staatseigen- tet werden – war mit nicht unerheblichen Machtbe- tum führen, die Verteilung der Staatssteuern, die Ver- fugnissen ausgestattet: So unterstanden ihm vor der waltung des Vermögens und die Einkünfte der Stadt „Franzosenzeit“ Polizei, Administration, Finanzwesen überwachen sowie öffentliche Arbeiten (Anlagen, und niedere Gerichtsbarkeit. Er war gleichzeitig auch Denkmäler und Stiftungen) beaufsichtigen. Zur Unter- Beisitzer des Vicedomamtes, dem die Stadt ja unterge- stützung standen ihm drei Adjunkte (Beamte im nie- ordnet war, und wirkte in dessen Polizeiverwaltung deren Dienst) zur Seite, der ehemalige Stadtsyndikus mit. Als besondere Aufgaben unterstanden ihm die Franz Martin Kurz und die bisherigen Stadträte Kaspar Reindel und Jakob Anton Stuirbrink. Diese Form und 8 Bericht des Vicedomamtes von 1796. Qualität der Selbstverwaltung mit Jakob Leo als Maire 14 an der Spitze der Stadt, wie sie Dalberg geschaffen teilweise die Gängelung der Selbstverwaltung durch hatte, trug den „Charakter des Unfertigen, Ungewohn- den Staat. Jakob Leo, seit 1797 auch Mitglied der re- ten, der zu Unzulänglichkeiten führen mußte“. nommierten Aschaffenburger Schützengesellschaft, Nach dem Übergang Aschaffenburgs an das Königreich hat in seiner fast neunzehnjährigen Amtszeit und unter Bayern blieb zunächst der Status quo erhalten; aber wechselnden gesellschaftspolitischen Staatsformen als auch als Leo zurücktrat und der bislang in Augsburger „etwas rauher und autokratischer Beamter“ nach bes- Diensten gestandene Polizeikommissar Joseph Anton tem Wissen und Gewissen versucht, die Stadt zu lenken Hörmann von Hörbach die Verwaltung der Stadt Mitte und „seinen Herren“ gerecht zu werden. Einiges ist ihm des Jahres 1815 übernahm9, änderte sich die innere mißglückt (kein Wunder in dieser wechselvollen und Struktur der Administration nur geringfügig. schweren Zeit), vieles hat er aber für die Aschaffenbur- Erst das schon vielzitierte Gemeindeedikt vom ger Bevölkerung geleistet. Bemerkenswertes und für 17. Mai 1818 und die zehn Tage später auch in Aschaf- die Zukunft Richtungsweisendes soll an dieser Stelle fenburg verkündete bayerische Verfassung beendeten chronologisch festgehalten werden:

1796: Erteilung einer Erlaubnis für den Besitzer der 1804–1807: Kasernenbau in der Goldbacher Straße. Aumühle, Nikolaus Weingärtner, zur Errich- 1807: Errichtung einer Kunstschule durch Staatsrat tung einer Ölmühle. Buchbinder und Buch- Franz Ignaz Hefner und der Forstlehranstalt drucker Melchior Kaufmann darf eine Papier- durch Sebastian Nau. mühle (Grundlage der Aschaffenburger 1810: Daniel Knode (im Dienste der Familie Papierfabrikation) in Damm errichten. Dessauer) darf eine Buntpapierfabrik bauen. 1797: Vorschläge zur Raumaufteilung des neuen Auch mit etlichen Persönlichkeiten traf Leo Rathauses: Wohnungen für Stadtschreiber während seiner Dienstzeit zusammen (Dal- Matthäus Tempel und Polizeidiener Peter bergs Minister Franz Joseph von Albini, Kur- Hessler; Büroräume für das Vogteiamt fürst Karl Joseph von Erthal, Wilhelm Heinse, Schweinheim und das hiesige Stadtamt. 1798: Genehmigung für den Umbau der Lohmühle Jean Paul, Zacharias Werner, Johann Franz durch den Gerbermeister Tobias Biegen. Xaver Sterkel, König Maximilian I., Kaiser 1802: Ausschreibung der Konzessionsurkunde für Franz II. von Österreich und andere), nahm die Gastwirtschaft „Zur Bretzel“ (Dalberg- an bedeutenden Empfängen teil und hielt straße 71) auf Kaspar Reisinger. Festansprachen an bestimmten Ehrentagen, 1804: Anordnung für die Straßenbeleuchtung. obwohl er kein guter Rhetoriker war.

9 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 173 vom 31. Juli 1982. Am 31. Mai 1825 verstarb Jakob Leo, letzter Stadt- schultheiß und einziger Maire, im Alter von 77 Jahren an den Folgen einer Lungenlähmung in Aschaffen- burg. JOSEPH HÖRMANN VON HÖRBACH Joseph Anton Hörmann von Hörbach entstammte ei- 15 (1815–1818) nem erbländisch-österreichischen Adelsgeschlecht. Einige seiner nächsten Verwandten bekleideten wie er staatliche, städtische oder militärische Positionen, so Nach dem Übergang Aschaffenburgs an die bayeri- seine Brüder Joseph (bayerischer Legationsrat in Mün- sche Krone am 26. Juni 1814 wurde die Stadt ein Be- chen) und Franz (bayerischer Leutnant). Er selbst standteil des Untermainkreises. Bei der Übernahme wurde 1778 in Innsbruck geboren, kam über Augs- waren zunächst keine größeren Veränderungen des burg nach Aschaffenburg und wurde hier am 28. Ja- Status quo geplant gewesen, doch die ab 1. Januar nuar 1815 zum Polizeikommissar ernannt. Einige Mo- 1815 für das Fürstentum wirksam gewordene Anglei- nate nach seiner Amtsübernahme profilierte sich das chung der Gerichtsverfassung an den bayerischen neue Stadtoberhaupt in der Öffentlichkeit. Am Staat beeinflußte schließlich auch die innere Struktur 29. Oktober feierte die Bevölkerung der Stadt den Na- der kommunalen Verwaltung. Es entstand sogleich ein menstag von König Maximilian I. Joseph (1806–1825), Stadtgericht (früher Polizeigericht), das nach kurzer wobei Hörmann von Hörbach alle anwesenden Zeit zur Staatsbehörde wurde und somit das traditio- Aschaffenburger Persönlichkeiten und geladene nelle Zusammenwirken zwischen Ziviljustiz und Stadt- Gäste begrüßen konnte. Dazu schrieb die Aschaffen- verwaltung ablöste. Wie bereits erwähnt10, vereinigte burger Presse einen Tag später u. a.: nun der 1815 an die Spitze der Stadt Aschaffenburg „… Die Festlichkeit des Tages begann Morgens 10 Uhr berufene Polizeikommissar Joseph von Hörmann – mit einem feierlichen Hochamte und Te Deum, wel- entgegen der seit 1810 ausgeübten Praxis – Polizeibe- chem die königliche Hofkommission, der gesamte hörde und Verwaltung in Personalunion. Diese Über- Adel, sämmtliche Landesstellen, Lokalauthoritäten gangsphase, gekennzeichnet durch eine übermäßige und Joseph von Hörmann in zahlreicher Menge bei- Gängelung durch den Staat (Trennung von Vermö- wohnten, und worauf durch den Herrn Weihbischof gensverwaltung und städtischer Administration), von Kolborn die Weihe der Fahne erfolgte, welche Se. wurde erst durch das Gemeindeedikt vom 17. Mai Exzellenz, der Herr geheime Staatsrath Freiherr von 1818 beendet. Gruben, dem Landwehrbataillon hiesiger Stadt mit ei- Nachdem der letzte Stadtschultheiß Jakob Leo – er ner gehaltreichen Rede zustellte, die so sehr alle An- war der Vater des späteren Bürgermeisters Gottlieb wesenden ergriff, daß ein allgemeines, fast unaufhörli- Leo (1824–1827 und 1831–1835) – im Jahre 1815 aus ches Lebehoch von allen Seiten erscholl, und die seinem Amt geschieden war, übernahm der zuletzt in Landwehr freudig den Schwur erneuerte, ihren gelieb- Augsburger Diensten gestandene Beamte Joseph An- ten Landesvater stets treu zu seyn, und für ihn und das ton Hörmann von Hörbach als Polizeikommissar die Vaterland gerne Leben und Blut zu opfern …“11 Leitung der Stadt Aschaffenburg.

10 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 167 vom 24. Juli 1982. 11 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 259 vom 30. Oktober 1815. 16 In der Amtszeit Hörmann von Hörbachs (1815–1818) zählten, über die man heute nur noch schmunzeln waren seine Dienststellen, die bayerischen Polizei- kann: Auf der Straße mit Stöcken und langen Tabaks- kommissariate bzw. Polizeigerichte, ausgesprochene pfeifen zu erscheinen, wurde als burschikose Heraus- Verwaltungsbehörden, die eigentliche Rechtsfälle an forderung gewertet, zumal, wenn solches Auftreten in das Stadtgericht weiterzugeben hatten. In Kriminalfäl- größerer Zahl und in Reih‘ und Glied geschah. Deshalb len konnten sie zum Beispiel nur Anzeigen erstatten, beanstandete von Hörmann diese „Störungen und Verhaftungen vornehmen und Täter festnehmen; au- Anmaßungen“ am 9. April 1816 dahingehend, „daß ßerdem durften sie bei geringfügigen Gesetzesüber- Studenten in Reihen von 6 bis 8 singend durch die schreitungen Haftstrafen bis zu drei Tagen ausspre- Straßen ziehen und den Verkehr stören sowie bei Tag chen oder fünfzig Gulden Strafgeld verlangen. Über und Nacht mit brennender Tabakspfeife sich im Freien größere Straftaten entschied das Generalkommissa- zeigen.“12 Der Polizei-Kommissar bezeichnete dieses riat selbst, dem sie auch unterstanden. Durch diese Gebaren als strafbar und ersuchte deshalb das Direkto- Stärkung des Stadtgerichtes verschoben sich naturge- rium, die Abstellung solcher Unsitten zu veranlassen. mäß auch die Kompetenzen der städtischen Organisa- tion. Während früher beim Stadtschultheiß, in franzö- sischer Zeit beim Maire, die Administration und Teile der Justiz in einer Hand lagen, waren jetzt Polizei und Unterschrift Joseph Strafjustiz den städtischen Behörden entzogen. Das Hörmann von Hörbach. Stadt- und Stiftsarchiv Stadtoberhaupt war nun staatlicher Polizeidirektor Aschaffenburg, AM, 4229 geworden, dem aber nur Polizei und Verwaltung un- terstanden. Die eigentlichen Auswirkungen dieser Dementsprechend waren auch seine Machtbefug- „territorialen Umgestaltung“, das hieß, die klare Tren- nisse, die trotz seiner guten Kontakte nach Würzburg nung der Justiz (sie wurde staatlich) von der Verwal- und München, seiner Kenntnisse der Gesetze und sei- tung unter Einschließung der Polizei, wurden erst mit ner Erfahrungswerte fast immer unter staatlicher Kon- dem neuen „Selbstverwaltungsgefühl“ der Kommu- trolle blieben. Ungeachtet des Mai-Ediktes, das der nen vom Mai 1818 spürbar. Stadt eine gewisse Selbstverwaltung garantieren Eine leichte Aufgabe hatte von Hörmann sicherlich sollte, griff die staatliche Aufsicht im Laufe der Zeit nicht, da er ja, wie eingangs schon berichtet, zwei immer stärker in das Gemeinwesen ein; auch von Hör- wichtige Funktionen in Personalunion auszuüben mann konnte dies für Aschaffenburg nicht verhindern. hatte. So mußte er in der ausklingenden Ära der Karls- Gravierende Änderungen seiner Stellung ergaben sich Universität unter den Studenten oft schlichtend ein- nach der Reform kaum. Nach Verkündung der bayeri- greifen, sich mit Direktor Hoffmann über „flegelhafte schen Verfassung am 27. Mai und der Auflösung des Vorkommnisse und Aufregungen“ auseinandersetzen. Disziplinarische Strafen waren häufig die Folge der 12 Scherg, Theodor: Dalbergs Hochschulstadt Aschaffenburg. studentischen Rechtsbewegungen, zu denen einige Bd. 1, Aschaffenburg 1954, S. 650. Fürstentums am 31. Mai hatte er aber in adäquater richt zu Aschaffenburg die Hinterlassenschaft des Ge- 17 Position, nur unter anderer Dienstbezeichnung, noch töteten als Erbschaftsangelegenheit versiegelt hatte. genug Kompetenzen. Zu seiner Wahl zum Polizeidirek- Joseph von Hörmann vermutete in der Hinterlassen- tor am letzten Maitag des Jahres 1818 hieß es in einer schaft Briefe, die auf eine verbotene Verbindung hin- Lokalchronik unter anderem: „… Die drei Pfarrer, Doc- weisen konnten. Er bekam auf dem Stadt- und Kreis- toren und das Stadtgericht haben geschworen im gericht Einsicht in die Papiere, verlangte sie jedoch in Rathaus dem königlichen Polizeydirector von Hör- barschem, unhöflichem Tone zur näheren Durcharbei- mann …“13 tung auf sein Büro, was ihm verweigert wurde. Festge- Nun übte also der bisherige staatliche Polizeikommis- stellt wurde nur, „daß verbotene Verbindungen nicht sar als königlicher Stadtkommissar weiterhin die Kon­ in Frage kommen“. Das Duell muß rein persönliche trolle über die Stadt aus, ein unmittelbares Eingreifen Gründe zum Anlaß gehabt haben, die sich irgendwie in die Magistratsverwaltung war jedoch nicht mehr auf „Aschaffenburger Boden abspielten“.16 vorgesehen. Seine Kompetenzen in Polizeifragen wur- Jahre später, 1835, machte der ehemalige Stadtkom- den schließlich durch eine Verordnung am 15. Sep- missar, inzwischen Geheimrat und Präsident am tember 1818 abgesteckt. Rangmäßig stand er aber Landshuter Appellationsgericht, erneut von sich re- immer noch über dem Bürgermeister und den Magist- den: Im „juristischen Nachspiel“ des Gaibacher Festes ratsräten. Nominelles Stadtoberhaupt und damit „Ers- (27. Mai 1832) führte von Hörbach die Verhandlung ter Mann“ von Aschaffenburg wurde aber im Septem- gegen den Würzburger Bürgermeister Wilhelm Joseph ber 1818 der Handelsmann Christian Pfaff.14 Behr (1775–1851), der in Gaibach eine „aufwiegleri- Joseph von Hörmann blieb aber noch bis 1828 Polizei- sche Rede“ gehalten hatte. Unter anderem machte kommissar in Aschaffenburg und befaßte sich in die- Behr den Vorschlag, „in einer Adresse an den König ser Eigenschaft auch mit den rechtlichen Folgen des den Antrag zu stellen, daß die Verfassung des bayeri- Duells vom 6. September 1824 zwischen dem Forst- schen Staates im Wege des Vertrages zwischen Fürs- kandidaten Ferdinand Freiherr von Andrian aus Kem- ten und Volk dahin geändert werden möge, daß sie nath und dem Studenten Johann Baptist Berg aus St. ihrem Zweck wirklich entspreche und ihre Aufgabe Alban in der Fasanerie, bei dem von Andrian tödlich wirklich befriedigend löse.“17 verletzt wurde.15 Joseph Hörmann von Hörbach verkündete im Einver- Wegen dieses Duells wurden nämlich Justiz und Ver- nehmen mit dem Gericht am 18. September 1835 das waltung eingeschaltet, wobei das Stadt- und Kreisge- Urteil gegen Wilhelm Joseph Behr (er hatte 30 Monate Untersuchungshaft hinter sich), das wie folgt lautete: Behr ist schuldig 1. des fortgesetzten Verbrechens des 13 Haus, Franz: Chronik von der Stadt Aschaffenburg oder der lus- tige Zeitvertreib, Aschaffenburg 1855, S. 24. 14 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 167 vom 24. Juli 1982. 15 Freiherr von Andrian-Werburg, Klaus: Der Tod des Anton Freiherr 16 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, MInn, 158. von Andrian-Werburg am 6. September 1824. Zur Duellsäule in 17 Franz Leininger: 4. Behr, Wilhelm Josef. Staatsrechtler und Po- der Aschaffenburger Fasanerie, in: Mitteilungen aus dem Stadt- litiker 1775–1851, in: Anton Chroust (Hrsg.): Lebensläufe aus und Stiftsarchiv Aschaffenburg 5 (1996–1998), S. 262–272. Franken, 4. Band, Würzburg 1930, S. 29–59, dies: S. 57. 18 nächsten Versuches zum Hochverrat durch seine Am 1. Mai 1840 wurde Joseph von Hörmann von Kö- Schriften vom August 1831 und seine Reden in Gai- nig Ludwig I. (1786–1868) zum Regierungspräsiden- bach, 2. des fortgesetzten Vergehens der Verletzung ten des Isarkreises (Oberbayern) ernannt. Er war zu der dem Monarchen schuldigen Ehrfurcht, besonders diesem Zeitpunkt Staatsrat im außerordentlichen durch seine Vorstellung vom 25. Juli 1832 betreffend Dienst und Appellationsgerichtspräsident im Isarkreis. Nichtvollziehung der Bundesratsbeschlüsse, 3. des Seine Pensionierung als Regierungspräsident erfolgte Verbrechens der Beleidigung der Amtsehre, verübt an mit Wirkung vom 1. März 1847. der königl. Regierung von Unterfranken durch das Am 30. April 1852 verstarb von Hörmann, ein getreuer Protokoll vom 18. April 1832.18 Dieses Urteil bestätigte Staatsdiener, versierter und intelligenter Jurist, aber schließlich am 30. März 1836 auch das Oberappellati- auch ein gefürchteter Polizeikommissar, im Alter von onsgericht in München. 73 Jahren in München.19

19 Putz, Hannelore: Joseph Hörmann von Hörbach (1840–1847), in: Stephan Deutinger, Karl-Ulrich Gelberg und Michael Ste- phan (Hrsg.): Die Regierungspräsidenten von Oberbayern im 18 Vgl. Anm. 12, S. 718. 19. und 20. Jahrhundert, München 2005, S. 107–113. CHRISTIAN PFAFF des Jahres 1819 ihre Arbeit aufnehmen zu können. 19 (1818–1824) Das am 17. Mai 1818 in Kraft getretene Gemeindeedikt zur Wiederherstellung städtischer Selbstverwaltung sah unter anderem vor, daß ein Bürgermeister für Durch das neue Gemeindeedikt vom 17. Mai 1818 sechs Jahre zu bestimmen sei, danach aber „sein Amt wurde die bisherige starke Bevormundung der Ge- niederlegen muß, wenn er nicht aus besonderem Ver- meinden durch die zentrale staatliche Macht weiter trauen wieder gewählt wird“20. Nach Verkündung der abgebaut. Auch die Stadt Aschaffenburg bekam Teile bayerischen Verfassung (27. Mai), dem Ende der „pro- ihres Selbstverwaltungsrechtes zurück, wenn auch visorischen Regierung der Stadt und des Fürsten­ nicht in allen Bereichen. Ein Bürgermeister und acht thums Aschaffenburg“ und dem „Schwur an die könig- Magistratsräte übernahmen nun die Leitung der städ- liche Krone von Bayern“ (31. Mai) wurden am 28. Sep- tischen Angelegenheiten, die seit dem Jahre 1815 ein tember 1818 der neue Magistrat und der Bürgermeis- Polizeikommissar (Joseph Hörmann von Hörbach) in- ter gewählt. Zum ersten Stadtoberhaupt nach dem nehatte. Dieser Kommissar vereinigte entgegen der Ende der „Dalberg-Ära“ berief der Stadtmagistrat im seit 1810 üblichen Praxis Polizei und Verwaltung in ei- Einvernehmen mit den Gemeindebevollmächtigten ner Hand. Die acht Magistratsräte der Stadt Aschaffen- den Handelsmann Christian Pfaff, ehemals Deputatus burg wurden von vierundzwanzig Gemeindebevoll- und Buchhalter des Pfandhauses. Ihm zur Seite stan- mächtigten gewählt, die ihrerseits durch Wahlmänner den als rechtskundiger Rat der frühere Departement- bestimmt worden waren. Die Person des Bürgermeis- sekretär beim großherzoglich-frankfurterischen Minis- ters war allerdings weit weniger profiliert als die des terium, Franz Asmuth (geb. um 1785), und der Stadt- früheren Stadtschultheißen oder der Distriktsmaires in schreiber Karl Anton Wagner (1765–1837). Am 31. De- französischer Zeit. Dem Stadtoberhaupt und den bei- zember übernahm Pfaff mit 8 Magistratsräten und 24 den städtischen Gremien (Magistrat und Gemein- Gemeindebevollmächtigten die Leitung der Aschaf- dekollegium) standen ferner ein rechtskundiger Rat, fenburger Verwaltung. Dazu schrieb die „Aschaffen- ein Stadtschreiber und ab 1819 ein Stadtkämmerer zur burger Zeitung“: Seite. Weiterhin übte aber der staatliche Polizeikom- „Unser neugewählter Magistratsrath ist seit dem 1ten missar, nun königlicher Stadtkommissar, die Kontrolle d., rücksichtlich der Kommunalverwaltung, in voller über die Kommune aus. Seine Kompetenzen über- Tätigkeit. Er besteht aus rechtlichen Männern, von de- schritten „Polizeiangelegenheiten“ allerdings nicht; nen sich die Stadt viel Gutes zu versprechen hat.“21 rangmäßig stand er jedoch über dem Bürgermeister Die eigentliche Installation des neuen Bürgermeisters und dem Magistrat. Das waren die wichtigsten Umge- und des Stadtmagistrats begann am Morgen des staltungen und kommunalpolitischen Voraussetzun- 5. Februar 1819 im Rahmen eines feierlichen Aktes auf gen zu der Zeit, als Christian Pfaff und der neuge- wählte Magistrat im September 1818 an die Spitze der 20 Intelligenzblatt, Nr. 77 vom 23. Juli 1818. Stadt Aschaffenburg gewählt wurden, um zu Beginn 21 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 9 vom 11. Januar 1819. 20 dem Stiftsplatz. Umrahmt von „Bürgermilitär unter Ge- Die zu den Feierlichkeiten am 5. Februar geladenen wehr und begleitet von türkischer Musik“ begaben Honoratioren und Persönlichkeiten der Stadt bedank- sich Christian Pfaff und sein rechtskundiger Rat As- ten sich auf ihre Weise für die Ehre, die ihnen auf dem muth zu Stadtkommissar Joseph von Hörmann. An- „Einführungsfest“ zuteil geworden war. Sie veranstal- schließend holte die illustre und honorige Gesellschaft, teten zwei Wochen später, am 17. Februar, einen Ball- bejubelt von vielen Bürgern, den königlichen „Extradi- abend, zu dem es unter anderem hieß: „… Der ver- tions-Commissair“ Landesdirektionsrat Johann Franz ehrte Herr Bürgermeister Christian Pfaff, der rechts- Bauer in seiner „Wohnung ab, um dem Zeremoniell im kundige Herr Rath, die sämmtlichen Mitglieder und Rathaus beizuwohnen. Was sich im Rathaussaal ab- Angehörige des Magistrats nebst ihren Familien, so spielte, beschrieb der Beobachter der „Aschaffenbur- wie auch das gesammte Bürgeroffizierkorps, und viele ger Zeitung“ wie folgt: „… Sämmtliche Militär-Offiziers- der, schon zum Gesellschaftsverein im Casino gehöri- Korps des hier garnisonirenden 14ten Infanterieregi- gen, angesehenen Bürger der Stadt wurden zu dem ments, sämmtliche öffentl. Behörden hatten sich in Feste schriftlich eingeladen. Der große Theatersaal dem Saale eingefunden, um Antheil an diesem solen- war reich geschmückt und beleuchtet; die sämmtli- nen Akt zu nehmen. Der die Stelle des Stadtschreibers chen königl. Stellen, der Adel, das königl. Militär und vertretende k. Polizeiaktuar proklamirte unter Pauken- alle Mitglieder des Casino, so wie sehr viele eigens und Trompetenschall die Einsetzung des Magistrats eingeladene Bürgersöhne, die Professoren und Stu- von der Altane herab, und beschloß mit dem Ausrufe: dierende, wohnten dem Balle bei, der von 6 Uhr Heil ihm und den Bürgern der Gemeinde. Die Über- Abends bis Morgens 4 Uhr dauerte, und auf welchem gabe der Lokal-Polizei-Verwaltung, welche wegen sich, in einem Zirkel von mehr denn 600 Personen, die Kürze der Zeit nur summarisch geschah, wurde von schönste Eintracht zwischen allen Ständen äußerte. – Bauer vollzogen, welcher eine gehaltvolle, dem Feste Jeder entfernte sich mit lauten, und im Herzen tief angemessene und die Wichtigkeit der Handlung ver- empfundenen Wünschen: Lange noch lebe Maximi- kündende Rede hielt, in welcher Sr. Majestät dem Kö- lian und sein Königliches Haus!“23 nige, Sr. kön. Hoheit des Kronprinzen, dem allerhöchs- Christian Johann Pfaff wurde am 6. Januar 1770 in Ant- ten Staatsministerium und Staatsrathe seiner kön. Re- werpen geboren, kam noch während seiner Schulzeit gierung des Untermainkreises, ein herzliches und nach Aschaffenburg, um sich hier als Handelsmann dankbares Leben hoch unter Pauken- und Trompeten- (später Beamter am Pfandhaus) niederzulassen. Am schall ausgebracht wurde.“22 Das Fest wurde mit einer 23. Februar 1811 beantragte er seine Annahme als Messe in der Stiftskirche und einem Ball im Rathaussaal Bürger und bat um Aufnahme als Mitglied in den hie- mit anschließendem Feuerwerk fortgesetzt und mit sigen Handelsstand; beides wurde ihm nach Vorlage einer „Mitternachts-Rede“ von Christian Pfaff beendet. der notwendigen Unterlagen am 29. März gewährt. Der neue Bürgermeister war inthronisiert. Schon 1801 hatte Pfaff die Aschaffenburgerin Anna

22 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 33 vom 8. Februar 1819. 23 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 42 vom 18. Februar 1819. Ursula Bertha (1778–1823) geheiratet, mit der er elf 21 Kinder hatte. Einer seiner fünf Söhne, Adolf Pfaff Unterschrift (1805–1856), war Student der Forstschule und später, Christian Pfaff. Stadt- und Stiftsarchiv 1844, dort Professor. In dieser Position leitete er im Aschaffenburg, AM, 7411 Revolutionsjahr 1848 als Hauptmann das von den Forstkandidaten gebildete Freikorps. 1855 wurde er Bemerkenswerte Projekte für die Stadt Aschaffenburg Forstmeister in Kothen (heute Gemeinde Motten/ und ihre Bürger entstanden in der Amtszeit von Chris- Rhön), starb aber schon ein Jahr danach. tian Pfaff nicht, sieht man von der Errichtung des Er- Leicht hatte es Pfaff in seiner Amtszeit keinesfalls, denn thal-Denkmals (schon 1805 unter Dalberg begonnen) auch das Interesse der Bürger am öffentlichen Leben ab, das 1822 vollendet und in einer Feierstunde mit hielt sich in Grenzen. Der Begriff für die Ehre, vom Ver- Pfaff eingeweiht wurde. Schon im Frühjahr 1823 be- trauen seiner Mitbürger berufen, an der Leitung und gannen die „Unstimmigkeiten“ zwischen Pfaff, dem Verbesserung der Stadt mitzuwirken, fand noch wenig Magistrat und den Gemeindebevollmächtigten. Der Anklang. Um so mehr war man „von oben“ bestrebt, Bürgermeister war dem Amt nicht mehr gewachsen. zum Beispiel den ehrenamtlichen Charakter des Magis- Erstmals verhandelten die Magistratsräte unter Lei- trates hervorzuheben. Zwar sollte Pfaff ein beschränk- tung des neuen rechtskundigen Rates Johann Adam tes Funktionsgehalt von 400 Gulden zustehen, den Ma- Heßler (Asmuth war zu Beginn des Jahres 1822 gestor- gistratsräten aber nur eine Entschädigung von 150 ben) auf einer Sitzung am 10. April 1823 über eine Gulden. Man kam aber überein, dem Bürgermeister vorzeitige Entlassung, bezeichneten sich zwar als „in- jährlich 800 Gulden zuzubilligen; dafür begnügten sich competent“, schlugen Pfaff aber vor, „sich bei der kö- die Räte zunächst mit 50 Gulden monatlich. Aber bald niglichen Regierung einen Urlaub von sechs Wochen fand man die Entlohnung für die aufgewendete Zeit erwirken zu lassen und ihm 200 Gulden Gratifikation und Mühe zu gering; bis in die 30er Jahre hinein währ- zu bewilligen.“ ten die immer wieder vorgebrachten Klagen über eine Einige Wochen später, am 17. Juli, verhandelte man endgültige und feste Verfügung. Die Regierung zeigte die Entlassung erneut, diesmal in seiner Gegenwart. sich in dieser Frage jedoch hartnäckig. Festlegen wollte man sich allerdings immer noch Aber auch die Zusammenarbeit zwischen Bürgermeis- nicht, obwohl er eine „Suspendierung“ nahegelegt ter und Magistrat war kaum befriedigend. Die Magis­ bekam. (Die Meinung der Regierung in Würzburg tratsräte wurden nämlich weitgehend auch zu prakti- sollte abgewartet werden.) Als dann die „Zustim- schen Tätigkeiten eingesetzt und jeder von ihnen hatte mung“ aus Würzburg kam, legte Pfaff sein Amt nieder. eine besondere Verantwortung. Gleichzeitig waren sie Nach monatelanger Vakanz (unter anderem kostete noch, wie auch in früheren Zeiten, die Vorstände der die neue Gehaltsregelung viel Zeit) wurde schließlich Zünfte, meist sogar für mehrere Innungen. Die „Kleinar- im April 1824 Gottlieb Leo zu seinem Nachfolger ge- beit“ der laufenden Geschäfte lag in ihren Händen, wählt. Am 2. Mai 1845 verstarb Christian Pfaff an Al- größere und wichtigere Aufgaben hatten sie wenig. tersschwäche in Aschaffenburg. 22 GOTTLIEB LEO Nach Absolvierung des Gymnasiums immatrikulierte (1824–1827 und 1831–1835) sich Gottlieb Leo an der Karls-Universität zu Aschaffen- burg. Von 1803 bis 1805 studierte er Philosophie (die Im April 1824 wird Gottlieb Leo zum rechtskundigen Prüfungen bestand er ausschließlich mit der Note Bürgermeister der Stadt Aschaffenburg gewählt. Seine „eins“), von 1805 bis 1808 Jura (auch hier hatte er bei erste Amtsperiode betrug drei Jahre. Dann, im Sommer Abschlußtestaten stets sehr gute Zensuren aufzuwei- 1827, löste ihn Franz Josef Feller ab, der jedoch, nach sen). Nach einem Jahr Praxis als Adjuvant (Gehilfe) bei einer ebenfalls nur dreijährigen Amtsdauer, wieder ab- seinem Vater legte er 1809 als zweitbester Studieren- gewählt wurde. Es gelang schließlich Gottlieb Leo, der der die Amtspraktikantenprüfung ab. Mit überdurch- sich 1831 nochmals zur Kandidatur stellte, als bisher schnittlichen Rechtskenntnissen und einem profun- einzigem Stadtoberhaupt zum zweiten Mal das höchste den Wissen beendete er auch seine philosophischen Amt der Stadtverwaltung zu erringen. Nach vier Jahren, Studien (mit seinen Freunden Joachim Wilhelm As- im Frühjahr 1835, löste ihn dann Adalbert von Herrlein, muth und dem später sehr erfolgreichen Juristen volksnaher und lokalgeschichtlich interessierter könig- Hugo Franz Karl Scheppler), bei deren Abschluß ihm licher Advokat, als „Erster Mann“ der Stadt ab.24 die „Ehre der öffentlichen Defension“ zuteil wurde; als Gottlieb Leo, der mit Abstand strengste und bei der jüngster aller zwölf Kandidaten trat er anschließend Bevölkerung nicht gerade beliebteste Bürgermeister mit 23 Jahren zur juristischen Staatsprüfung an, die er im 19. Jahrhundert, war mit diesem Amt bereits „vor- abermals mit einem ausgezeichneten Ergebnis be- belastet“. Schon der Vater Gottlieb Leos, der Hofge- stand. Seine Verwaltungslaufbahn begann Gottlieb richtsrat und letzte Aschaffenburger Stadtschultheiß Leo 1814 als Protokollist am Kreis- und Stadtgericht in Jakob Leo, lenkte als rauher und autokratischer Beam- Aschaffenburg. In dieser Position verblieb er bis 1822, ter von 1796 bis in die Übergangszeit der Stadt an um noch im gleichen Jahr an jener Institution zum Se- Bayern (1814) die Geschicke der unterfränkischen Me- kretär „aufzusteigen“. Am 4. Mai 1824 reichte er dann tropole. 1815 mußte er dann dem Augsburger Polizei- seine Entlassung ein, da er bereits am 6. bzw. am kommissar Joseph von Hörmann weichen. 12. März (von Magistrat und Gemeindebevollmächtig- Gottlieb Leo wurde am 14. November 1786 in Milten- ten) zum rechtskundigen Bürgermeister der Stadt berg geboren. Seine Eltern waren der ehemalige Vog- Aschaffenburg gewählt worden war. teivogt und letzte Stadtschultheiß von Aschaffenburg Am 5. Mai, also schon einen Tag nach seinem Aus- Jakob Leo (1748–1825) aus Mainz und dessen erste scheiden aus der Justizbehörde, hatten nach vorheri- Ehefrau Margaretha, geborene Döllinger, aus Aschaf- ger Absprache mit Leo beide städtischen Gremien be- fenburg. Seine Mutter verstarb bereits am 21. Januar schlossen, ihren „Favoriten“ als Nachfolger für Chris- 1810; sein Vater heiratete dann zum zweiten Mal, und tian Pfaff zu „installieren“. Dazu wurde auf Veranlas- zwar Sophia, geborene Scheidel, aus Frankfurt. sung von Rechtsrat Johann Adam Heßler folgender einstimmiger Wortlaut als Protokollaufnahme verfaßt: 24 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 150 vom 3. Juli 1982. „Von Seiten des Magistrats tritt man den Beschlüssen der Gemeindebevollmächtigten jedoch nur unter der Ein großes Verdienst des Bürgermeisters war die 23 ausdrücklichen Bedingung bey, daß Herr Stadt- und Durchsetzung des Krankenhaus-Neubaues in der Kreisgerichts-Protokollist Leo in der Eigenschaft als Wermbachstraße, denn die Anstalt in der Löherstraße rechtskundiger Rath in allen nach der Verfassung ob- genügte den gestiegenen Anforderungen der Zeit liegenden Geschäften, wenn er nach Ablauf von drey nicht mehr; 1824 konnte der Grundstein gelegt wer- Jahren nicht wiedergewählt werden sollte, für die zu- den. Nach zweijähriger Bauzeit und mit einem Kosten- gestandenen 800 fl. (Gulden) Wartegeld arbeiten aufwand von 28 000 Gulden wurde das Krankenhaus müsse.“25 1826 in Betrieb genommen. Somit war man sich über die Gehaltsfrage nach seiner Ein bedeutsamer Tag im Leben des Gottlieb Leo war Amtszeit als Bürgermeister einig geworden, indem der 4. August 1826, denn König Ludwig I. (1786–1868) man diese „Sicherheitsklausel“ einsetzte. Noch am besuchte mit seiner Gattin Therese (1792–1854) gleichen Tag, aber in einer anderen Sitzung, erläuter- Aschaffenburg. Die königlichen Gäste wurden vom ten beide Gremien diesen Beschluß und erweiterten Bürgermeister herzlichst empfangen und über- ihn noch etwas: schwenglich begrüßt. Über diese Visite berichtete „Falls Leo nicht wiedergewählt werden sollte …, wird huld- und ehrfurchtsvoll die „Aschaffenburger Zei- er die Besorgung und Bearbeitung von städtischen, tung“ in ihrer Ausgabe vom 5. August unter anderem: sowohl Activ- als auch Passiv-Rechts- oder Klagesa- „Seit gestern genießen wir hier eine der größten chen, sowie die Bearbeitung wichtiger Administrativ- Wohlthaten, welche der beste Landesvater und die Gegenstände zu übernehmen haben. Übrigens läßt huldreichste Landesmutter dankbaren Kindern erwei- dessen Billigkeit und Thätigkeit hoffen, daß, wenn sen, indem sie ihnen in ihrer Mitte den Vorzug gönnen, auch keine wichtigen Gegenstände dieser Art zu bear- die ungeheuchelten Empfindungen unbegränzter beiten vorhanden seyn sollten, er doch auch sonstige, Liebe und Ehrfurcht ausdrücken zu können … Es war seinen Dienstkategorien angemessene Gegenstände gestern abends um 7 Uhr, als Ihre Majestäten der Kö- zu bearbeiten übernehmen werde.“26 nig und die Königin, huldumstrahlt, von dem lauten Mit diesem Zusatz wollten sich Magistrat und Gemein- und herzlichen Jubel eines wonnetrunkenen Volkes debevollmächtigte sicherlich die juristischen Dienste begleitet, im erwünschtesten Wohlseyn ihren feierli- Leos sichern, denn er war als guter Rechtsvertreter chen Einzug in hiesiger Stadt hielten. Gewiß waren nie bekannt. Inzwischen hatte Gottlieb Leo auch geheira- reiner die Äußerungen der Liebe und Anhänglichkeit tet, und zwar Maria Margaretha Tempel, geboren am treuer Bürger, als sie sich hier kund thaten, so wie 19. Dezember 1791 in Aschaffenburg. Sie verstarb am überhaupt die Fahrt des längst ersehnten Herrscher- 7. Oktober 1832 nach der Geburt ihres elften Kindes. paares von Würzburg durch den Spessart deutlich das Bild der Triumphzüge der Könige des Alterthumes vergegenwärtigte …“27 25 Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, ProtM 3 (Sitzungsprotokoll des Aschaffenburger Stadtmagistrates vom 5. Mai 1824), S. 215. 26 Ebd., S. 216. 27 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 186 vom 5. August 1826. 24 Im Frühsommer 1827 endete Leos erste Amtsperiode. und Mitwirkung kräftig zu unterstützen. Er wünschte Was Magistrat und Gemeindebevollmächtigte damals Gerechtigkeit, Treue und Gehorsam gegen Regenten im Jahre 1824 (Sitzung vom 5. Mai 1824) zwecks „wei- und Vorgesetzten, Liebe und Friede mit Allen, und be- terer Verwendung“ des Juristen Leo als Klausel be- sondere Liebe gegen Leidende am allermeisten aber schlossen hatten, trat nun ein: Im Namen der Stadt lei- für die Jugend …“.28 tete oder bearbeitete er nun Rechtsfälle aller Art. Aber nicht sehr lange, denn nach Ablösung von Franz Josef Feller als Stadtoberhaupt im Frühjahr 1831 wurde Gottlieb Leo am 11. August zum zweitenmal rechts- kundiger Bürgermeister. Die feierliche (für ihn schon Unterschrift Gottlieb Leo. bekannte) Einführung in sein altes und neues Amt Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, AM, 8742 übernahm Stadtkommissar (ab 1834 Regierungskom- missar) Karl Joseph Hofheim. Zur Installation äußerte Gottlieb Leo „regierte“ nun drei weitere Jahre die Stadt sich wiederum die Aschaffenburger Presse noch am Aschaffenburg. In dieser Amtsperiode nahm unter an- gleichen Tag in ihrer gewohnten pathetischen Art wie derem das nach Aschaffenburg verlegte Appellations- folgt: „Nach Beendigung des Hochamtes (in der Sand- gericht für den Untermainkreis im Schönborner Hof kirche) fand um 10 Uhr die Installirung wirklich statt. seine Sitzungen auf (10. April 1833), wurde die Land- Unser allverehrter Herr Wahl- und Stadtcommissär wirtschafts- und Gewerbeschule errichtet (24. Novem- Hofheim hielt eine ernste gehaltvolle Rede an die Ver- ber 1833) und der Verkehr von Eilschiffen nach Frank- sammlung, worin er sie zur Bürgertreue und redlichen furt aufgenommen (4. März 1834). Allerdings, wie ein- Erfüllung ihrer Pflichten ermahnte. Die herzlichste Bei- gangs schon erwähnt, handelte Leo nicht immer im stimmung, unverkennbar ausgesprochen durch die Sinne der Bevölkerung. Besonders abweisend stand er Ruhe und Freude Aller, die die Worte des Herrn Stadt- oft der Hochschule gegenüber, obwohl er ihr doch commissärs hörten, war die schönste Erwiederung seine ganze Ausbildung verdankte. Er kritisierte stän- seiner Rede, die er mit einem herzlichen Lebehoch für dig die dort herrschende, nach seiner Meinung man- Se. Majestät den König endigte, welches mit großem gelhafte Disziplin und geriet mehrmals in heftigen Enthusiasmus von der ganzen Versammlung wieder- Zusammenstoß mit ihrem Leiter Johann Joseph Ignaz holt wurde; worauf denn Bürgermeister Leo, nachdem Hoffmann. Beispielhaft für seine Antipathie gegen das er dem Stadt- und Wahlcommissär seine Freude über Lyceum war ein Ereignis am 20. Juni 1834. An diesem die geschehene Wahl bezeugt und die Versicherung Tage befaßte sich die Professorenkonferenz mit einer einer treuen Verwaltung seines neuen Amtes gegeben Anzeige des Anstaltspedells Josef Kieser, „daß Herr hatte, sich an die ganze Versammlung wendete, indem Bürgermeister Leo dahier ihn unterwegs gefragt habe, er der ganzen Bürgerschaft für das ihm geschenkte wer die Aufsicht über die Lyceisten in der Studienkir- Zutrauen dankte, forderte er den Magistrat und die Gemeindebevollmächtigten auf, ihn durch ihren Rath 28 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 191 vom 11. August 1831. che führe“. Kiesers Antwort: „Die Herrn Professoren Zwei Jahre vorher geschah etwas, das besonders die 25 und er.“ Leo äußerte sich erbost und bemerkte in rü- kleinliche und auch kommerzielle Art und Weise Leos dem Ton: „Es werde eine schlechte Aufsicht geführt; charakterisierte, als nämlich durch einen Unwetter- die Lyceisten läsen Romane während des Gottesdiens- schaden sein Baumbestand und sein Kohlfeld beschä- tes und betrügen sich unanständig; er selbst habe das digt wurden. Unter Vorsitz von Rechtsrat Wilhelm gesehen.“29 Konrad Bühler (1800–1854) verhandelten die Gemein- Auf diese überzogene Rüge Leos beschloß die Konfe- debevollmächtigten auf einer Sitzung über eine von renz anschließend, „den Bürgermeister zu ersuchen, Leo angestrebte Entschädigung. Sie kamen zu folgen- diejenigen zu nennen, welche sich auf die bemerkte dem Resultat, das ganz in seinem Sinne war: Weise verfehlt haben sollen, damit man weiteres ver- „Die Stadtkämmerei wird angewiesen, an den Herrn fügen könne“30. Das Rektorat nahm daraufhin die Un- Bürgermeister Leo auf den Grund der Kurfürstlich Erz- tersuchung auf. Es stellte sich schließlich heraus, daß kanzlerischen Landesdirections-Verordnung vom ein Lyceist nur ein Erbauungsbuch mit buntem Ein- 3. Jänner 1806 den durch das Protokoll des Königli- band gelesen hatte. chen Kreis- und Stadtgerichts vom 26. November 1831 Dieser Vorfall zeigte eindeutig Leos Einstellung gegen- auf 36 fl. abgeschätzten Schaden für 31 abgehauene über dem Lyceum, wodurch das Ansehen (auf Grund Bäumchen und 25 Stück Rosenkohl mit sechsunddrei- noch einiger anderer solcher Fälle) der Stadt bei Regie- ßig Gulden gegen Quittung zu bezahlen.“ rung, Ministerium und selbst beim König geschädigt Diese beiden Vorkommnisse machten deutlich, daß wurde. Sein Benehmen diesbezüglich war um so un- Aschaffenburgs Bürgermeister Eigenarten besaß, angebrachter, da er als Aschaffenburger Bürgermeis- durch die ihm keine besonderen Sympathien seitens tersohn und wiederum selbst als Bürgermeister weit der Bevölkerung entgegengebracht werden konnten. mehr auf einen guten Eindruck der Stadt hätte halten Gegen Ende des Jahres 1834, am 6. Dezember, stellte müssen. An der Karls-Universität genoß er bekanntlich Leo das Gesuch um Ausstellung eines Verehelichungs- seine ganze Hochschulbildung, deren erfolgreiche Tä- zeugnisses, da er zum zweitenmal zu heiraten ge- tigkeit er bei der Anmeldung zu seinem juristischen dachte. Magistrat, Gemeindebevollmächtigte und Ar- Staatsexamen mit Stolz hervorhob. Um so mehr hätte menpflegschaftsrat hatten nichts dagegen einzuwen- Leo Grund gehabt, dem Lyceum als Nachfolge-Anstalt den, und so ehelichte er eine Woche später Juliane der Karls-Universität Gunst und Wohlwollen entge- Sixtus, geboren am 28. April 1792 in Rothenfels, ver- genzubringen, anstatt ihm in leichtfertiger und übel- storben am 10. November 1858 in Aschaffenburg. wollender Weise Schwierigkeiten zu bereiten. Einige Monate danach war Gottlieb Leos zweite Amts- periode abgelaufen. An eine erneute Wiederwahl war nicht mehr zu denken, auch begann sich sein Gesund- heitszustand zu verschlechtern. Nach einem noch 29 Scherg, Theodor: Dalbergs Hochschulstadt Aschaffenburg. Bd. verhältnismäßig passablen Abgang als Stadtober- I, T. 2, Aschaffenburg 1954, S. 761. 30 Protokoll des Aschaffenburger Lyceums vom 20. Juni 1834. haupt verscherzte Leo sich zu Beginn des Jahres 1836 26 allerdings auch einige Sympathien bei den Behörden, aller Umsicht und Rechtlichkeit geführten Geschäfte als er in zäher und nicht immer lauterer Art und Weise des Magistrats sowie auf seinen Ruf als Rechtsanwalt seine Pension bzw. deren Erhöhung einklagen wollte. das volle Vertrauen, daß er diesen für die Stadt in sei- Der Aschaffenburger Magistrat unter seinem neuen ner Folge so wichtigen Rechtsstreit allen Fleiß aufbie- Bürgermeister Adalbert von Herrlein ließ sich aller- ten und alles anwenden werde, was für die Stadtge- dings nicht beirren. Nach eingehenden Prüfungen der meinde ersprießlich ist.“ Forderungen Leos – die Regierung wurde in allen Fra- Zum Abschluß bzw. zu einer Einigung über sein Ruhe- gen stets konsultiert – beschloß das Gremium am 30. geld kam es aber nicht mehr, denn am 18. Februar Juni 1836, sich keinesfalls auf die gewünschte Pensi- 1837 verstarb Gottlieb Leo im Alter von 50 Jahren an onshöhe des Ex-Stadtoberhauptes einzulassen, und den Folgen einer Lungenkrankheit. Heute ist er trotz begründete seinen Standpunkt wie folgt: „Der Magist- zweier Amtsperioden fast gänzlich vergessen und rat hält die angeführten Gründe nicht für hinreichend, steht ganz im Schatten seiner Nachfolger, besonders dem Antrage des Bürgermeisters zu willfahren, im Ge- des berühmten und volksnahen Adalbert von Herrlein. gentheile hat er in Rücksicht sowohl auf die seither mit FRANZ JOSEF FELLER Verheiratet war Feller mit Anna Maria, geborene Men- 27 (1827–1831) ten (1779–1844), aus Aschaffenburg. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor: Christoph (Revierförster in der Rheinpfalz), Eva Maria (sie übersiedelte später Nach Ablauf der ersten Amtsperiode von Gottlieb Leo nach Speyer) und Maria Anna (sie heiratete den Lehrer im Jahre 1827 wählten Magistrat und Gemeindebe- Konrad Buhl). Im Gegensatz zu fast allen seinen Nach- vollmächtigte am 12. Februar des gleichen Jahres den folgern wurde Franz Josef Feller erst im verhältnismä- ehemaligen Kaufmann und jetzigen Kreis- und Stadt- ßig hohen Alter von 54 Jahren zum Bürgermeister der gerichtsschreiber Franz Josef Feller zu seinem Nachfol- Stadt Aschaffenburg gewählt. Nach Ablauf der drei- ger. Der neue Bürgermeister, im Gegensatz zu kom- jährigen Amtszeit von Gottlieb Leo im Frühsommer menden Amtsinhabern nicht „rechtskundig“, war bei 1827 wählten die beiden maßgeblichen Gremien am einigen seiner Dienstausführungen nicht gerade mit 12. Februar 1827 den inzwischen zum Kreis- und einer glücklichen Hand gesegnet. Er konnte auch in Stadtgerichtsschreiber avancierten Feller zu seinem seiner unfreiwillig begrenzten Amtszeit oftmals ent- Nachfolger. standene Kontroversen zwischen ihm, dem Magistrat Neben den obligatorischen Aufgaben und Pflichten und den Gemeindebevollmächtigten nicht ausräu- als Stadtoberhaupt widmete sich Feller in der Folge- men und mußte schließlich schon im Frühjahr 1831 zeit besonders den „Sitten und der Erziehung“ der das höchste Amt der Stadtverwaltung wieder an sei- Schüler und Studenten des Gymnasiums bzw. der nen Vorgänger abtreten. Feller war auch kein gebore- Forsthochschule. Zwei Beispiele aus dem Jahre 1829 ner Kommunalpolitiker, der sich durch markante Bau- spiegelten auch sein persönliches Engagement in der ten, neu angelegte Straßenzüge, reformierende Schul- Schulpolitik wider: Der Schulpatriarch Johann Joseph projekte oder soziale Neuerungen ein Denkmal für die Ignaz Hoffmann (1777–1866), Direktor der Forsthoch- Zukunft setzen konnte. Einige Verdienste hat er sich schule und des Lyceums in Personalunion, glaubte zu natürlich dennoch erworben, durch die seinen Nach- diesem Zeitpunkt, daß zwischen den in der Vergan- folgern manches leichter fiel. In den Annalen der genheit (1827–1828) oft rivalisierenden Studenten Stadtgeschichte ist Feller aber ein Unbekannter ge- und Lyceisten keine „Zusammenstöße“ mehr vorkom- blieben, sieht man von seinem „Fehltritt“ ab, der ihm men könnten, bei denen Polizeikräfte und Bürger- nicht nur seine Position, sondern auch seinen Ruf kos- meister einschreiten müßten. Einen diesbezüglichen tete. Am 6. April 1773 wurde Franz Josef Feller in Rückschlag erfuhr er jedoch erstmals am Neujahrstag Aschaffenburg geboren. Sein Vater, der Feinbäcker des Jahres 1829. Einige Lyceisten trafen sich zu fröhli- Gerhard Feller aus Wittlich in der Eifel, ließ ihn nach cher Wein- und Bierrunde in der Zang‘schen Wirt- Abschluß der Schulzeit den Beruf eines Kaufmanns schaft. Gegen 23 Uhr wurden sie dann nach Benach- erlernen. Auf Grund seiner sehr guten Kenntnisse von richtigung des Wirtes durch die Polizei aufgefordert, „Wort und Schrift“ gelang es ihm später sogar, Proto- nach Hause zu gehen, besuchten aber stattdessen ein kollschreiber am Kreis- und Stadtgericht zu werden. anderes Gasthaus (Völker‘sche Wirtschaft). Dort ver- 28 langten sie erneut, nur etwas lautstärker, Wein und Polizei gestellt und zur Ruhe verwiesen. Dabei kam es Bier, wurden aber nicht mehr bedient und mußten zu einem noch lauteren Wortwechsel zwischen ihnen sich deshalb verabschieden, was sie nicht gerade leise und den Polizisten, wobei beiderseits sehr grobe und taten. Diesen Vorfall von Ruhestörung leitete der an- nicht gut wiederzugebende Worte fielen. Das Ende gerufene Magistrat an Direktor Hoffmann weiter, der war, daß der Hauptschreier Amrhein von dem Bürger- die Betroffenen auch rügte, sich aber trotzdem über meister Feller als Vorstand der Polizeibehörde 12 Stun- die Umgangsformen der Polizei bei Bürgermeister Fel- den Karzer und die Tragung der Kosten des Verfahrens ler beschwerte. Am 2. Januar schrieb er deshalb an das zudiktiert bekam.“ Stadtoberhaupt einen Brief, in dem es unter anderem hieß: „Wenn indessen die Angabe mehrerer Lyceisten ge- Unterschrift Josef Feller. gründet ist, daß ihnen diese Feierstunde geboten Stadt- und Stiftsarchiv wurde mit Ausdrücken wie ‚Jetzt packt euch sogleich Aschaffenburg, AM, 3059 weg!‘, so wird der verehrliche Magistrat die Unschick- lichkeit solcher Äußerungen erkennen und gewiß In seiner Eigenschaft als oberster Dienstherr der Poli- Sorge tragen, daß die Polizei-Mannschaft zwar mit zeibehörde hatte Feller schon 1828 eine „Instruction Ernst, aber doch auch mit der jedem höheren Studie- für die Polizei-Mannschaft der Stadt Aschaffenburg“ renden gebührenden Achtung, sich in solchen Fällen ausarbeiten lassen, die kurz darauf von Magistrat und benehme. Mit ausgezeichneter Hochachtung besteht Gemeindebevollmächtigten abgesegnet wurde und – Hoffmann.“ am 20. Januar 1829 in gedruckter Form erschien. Mit Fellers Rechtsrat Johann Adam Heßler (1764–1832) je- Hilfe dieser Verordnungen und des im gleichen Jahr doch verteidigte die Polizei und wies in einem Ant- als Rechtsrat eingestellten, im Revolutionsjahr heftig wortschreiben vom 22. Januar darauf hin, daß sich die umstrittenen Wilhelm Konrad Bühler (1800–1854), Lyceisten gegenüber der Polizeibehörde „störrisch versuchten Bürgermeister und ausführende Justizor- und herausfordernd“ benommen hätten. Deshalb sei gane, Ruhe und Disziplin zu garantieren, wie die ge- die ausgesprochene Rüge gerechtfertigt. schilderten Beispiele zeigten, obwohl diese strengen Der zweite Vorfall dieser Art ereignete sich am 4. April Maßnahmen nicht im Sinne von Direktor Hoffmann des gleichen Jahres, als die drei Forstkandidaten Karl waren. Amrhein, Franz Hartlaub und Simon Miltenberger we- Die bescheidenen Verdienste, die sich Feller erwarb, gen „überlauter, nächtlicher Ruhestörung“ einen Poli- sind schnell genannt, sollen aber keinesfalls geschmä- zeieinsatz herausforderten, in den sich Bürgermeister lert werden. Durch seine Fürsprache bzw. Vermittlung Feller selbst einschaltete. Im Protokoll vom gleichen war es zum Beispiel der protestantischen Gemeinde in Tag hieß es dazu: Aschaffenburg im Jahre 1830 ermöglicht worden, den „Die drei mehr vom Nichtstun und dem Bummel oblie- ehemaligen Scholasteriehof „Zum Schelmen“ für 4550 genden Kandidaten wurden am 4. April 1829 von der Gulden dem „Stillstand“ abzukaufen, um dort beten und den evangelischen Kindern Religionsunterricht tung“ abgedruckt wurde und folgenden Wortlaut 29 erteilen zu können. (1837 wurde an dieser Stelle der hatte: Grundstein zum Bau der Christuskirche gelegt; die Einweihung fand nach zweijähriger Bauzeit 1839 Bekanntmachung: statt.) „Da dem auf das bisher vom vorhinigen Bürgermeister Auch den weiteren Ausbau des städtischen Wasserlei- Feller dahier bewohnte und nun geräumte Wohnhaus tungsnetzes förderte Franz Josef Feller. Nachdem Lit.B. Nro. 10 neulich gelegten Meistgebote zu 1755 schon 1817 die Zeughaus-Leitung zur Versorgung der Gulden der Zuschlag nicht ertheilt wurde, so wird wei- alten Kaserne in der Goldbacher Straße gelegt worden terer Termin zur Versteigerung dieses Wohnhauses auf war, baute die Stadt auf Drängen Fellers 1831 die Bü- Mondtag den 8ten August nachmittags 2 Uhr be- chelberg-Leitung, die aus den Quellen am Röderberg stimmt, wozu die Strichsliebhaber hierher in das Ge- gespeist wurde. richtslocale eingeladen werden. Wer Einsicht von dem Eine interessante Begegnung hatte der Bürgermeister fraglichen Hause nehmen will, kann sich inzwischen im Jahre 1828: Bevor der romantische Maler Ludwig bei Gericht melden.“31 Emil Grimm (Bruder von Jakob und Wilhelm Grimm) Nachdem der neue Versteigerungstermin (8. August) mit dem Bildhauer Wilhelm Henschel zum Dürerfest die erforderlichen „Unkosten für die Stadtkasse“ ein- nach Nürnberg reiste, machte er in Aschaffenburg Sta- gebracht hatte, verhandelte der Magistrat am 31. Ok- tion, wurde von Feller empfangen und begrüßt und tober nochmals gegen Feller. Der erneut verfaßte Ent- war anschließend Gast im Brentano-Haus. wurf für eine weitere Bestrafung wurde diesmal dem Die Amtszeit Fellers näherte sich bereits mit Ablauf Kreisgericht Aschaffenburg zugestellt, das Feller zur des Jahres 1830 ihrem Ende. Grund für seine bevorste- Zahlung aller entstandenen Kosten verurteilte. Das hende Ablösung war eine Art Unterschlagung, die ehemalige Stadtoberhaupt zog sich nach Abschluß man mit Steuerhinterziehung bezeichnen könnte. aller Verhandlungen gänzlich aus dem öffentlichen Aschaffenburgs erster rechtskundiger Rat, Johann Leben zurück, erkrankte 1833 schwer und verstarb Adam Heßler, sein Stellvertreter Wilhelm Konrad Büh- schließlich am 2. September 1834 im Alter von 61 Jah- ler und die Magistratsräte Stuirbrink, Lisner, Peter- ren an Lungenschwindsucht. Kurz nach seinem Tode mann, Marzel, Gundlach, Kittel und Betz hielten des- war er schon fast vergessen, heute kennt kaum noch halb am 29. März 1831 eine Sitzung ab, auf der ein jemand seinen Namen, und auch daß Franz Josef „Concurs-Verfahren“ gegen den inzwischen vom Amt ­Feller einmal als „Erster Mann“ der Aschaffenburger suspendierten Bürgermeister eingeleitet wurde Stadtverwaltung vorstand, ist weitgehend aus dem (Thema: Zwangsverkauf seines Hauses). Der Entwurf Bewusstsein geraten. wurde dem königlichen Oberappellationsgericht in Würzburg zugestellt, das am 26. Juli eine öffentliche Ausschreibung zum Verkauf des Anwesens erlaubte, die dann am 5. August in der „Aschaffenburger Zei- 31 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 186 vom 5. August 1831. 30 ADALBERT VON HERRLEIN Materiell abgesichert und wohlbehütet, erzogen in (1835–1864) christlich-konservativer Umgebung, absolvierte von Herrlein bis zum Sommer 1820 das Gymnasium zu Bamberg. Noch im selben Jahr immatrikulierte er sich Nach Ablauf der zweiten Amtsperiode (1831–1835) für das Studium der Rechtswissenschaft an der Univer- von Gottlieb Leo wurde Adalbert von Herrlein zu sei- sität Würzburg, die er jedoch im Sommer 1823 wegen nem Nachfolger gewählt. In der knapp dreißigjährigen „burschenschaftlicher Tendenzen“ frühzeitig verließ. Amtszeit des neuen rechtskundigen Bürgermeisters Vom Oktober 1823 bis zum September 1826 „erlernte“ entwickelte sich aus der behaglichen und fast dörflich er die nötige juristische Praxis am Landgericht anmutenden Kleinstadt (jeden Morgen trieb ein Vieh- Karlstadt. hirt Rinder, Kühe und andere Tiere zur Weide) mit ihren Diese Tätigkeit unterbrach er aber kurzfristig im Herbst rund 7000 Einwohnern eine Großgemeinde, die unter 1826, um an der Universität Würzburg sein Staatsexa- seiner Regie ein völlig anderes Gesicht bekommen men abzulegen. Mit der Traumnote „Eins“ kehrte von sollte. Das Stadtbild hatte sich bis zu seinem Rücktritt Herrlein nach Karlstadt zurück, wo er bis zum Winter im Jahre 1864 stark verändert und war nun städtischer 1827 blieb. Seine bislang erworbenen Kenntnisse ka- geworden: Die Anlegung der Ludwigsallee (mit der men ihm zugute, als man ihm für ein Jahr (1827/28) 1843 errichteten Ludwigssäule, die vorher auf dem eine Stelle an den Landgerichten Landau und Zwei- Schloßplatz stand) und der Anlagen auf dem Büchel- brücken anbot. Nach dieser weiteren Lehrzeit in der berg, die Einführung der Gasbeleuchtung, die Über- „lebendigen Juristerei“ gelangte er schließlich über wölbung des Löhergrabens, die Errichtung der Lan- das Landgericht (Frühjahr 1828 bis Herbst dingstraße und die Umwandlung von Weiden und 1829) nach Aschaffenburg, um sich hier als königlicher Feldern in Bauland waren neben der Gründung von Advokat niederzulassen. Nachdem der nun 32 Jahre Feuerwehr, Knabenwaisenhaus und Sparkasse die be- alte Jurist im Juni 1830 die Bestätigung des Landge- merkenswertesten Leistungen in der Amtszeit von richtes über seine „Entlassung aus der Militär- Adalbert von Herrlein, der es auch verstanden hatte, pflicht“ erhalten hatte, reichte er zwei Monate später im Revolutionsjahr 1848 das Vertrauen der Bevölke- bei Rechtsrat Wilhelm Konrad Bühler das Gesuch zur rung zu behalten. Verehelichung mit Elisabetha Würdtwein – geboren Adalbert von Herrlein wurde am 20. Mai 1798 auf dem am 13. Mai 1804 in Aschaffenburg, verstorben am 26. Gräfenhof bei Pfarrweisach, Kreis Ebern, geboren. Die- Januar 1873 ebenfalls in Aschaffenburg – ein. Die „Er- ser Gräfenhof war bis zum ausgehenden 18. Jahrhun- laubnis“ zur Eheschließung erhielt er schon einen Tag dert im Besitz der Freiherrn von Stein aus Altenstein, darauf gegen eine Gebühr von einem Gulden und 49 bis er im Jahre 1797 von seinem Vater, dem Bamberger Kreuzern. Die Eltern seiner Frau stammten beide auch Hofrat und Gutsbesitzer Dr. Valerius von Herrlein, aus Aschaffenburg: Jagdsekretär Franz Xaver Würdt- übernommen wurde. wein und Eva, geborene Hettinger. Spiegelbild seines Wesens“. Dieses Urteil begründete 31 Hartmann, indem er ihn wie folgt charakterisierte: „… Es lag eine großzügige Art in ihm, die sich über alles Philiströse mit temperamentvoller Geradheit hinweg- setzte … Geist und Gemüt gediehen in gleicher Weise an der Stätte, die sein Wesen beseelte. In unermüdli- chem Eifer suchte er sein Wissen bis in die spätesten Lebensjahre zu vervollkommnen und riß andere in seinem Vorwärtsstreben mit sich. Sein Interesse er- streckte sich auf alle möglichen Gebiete. Er legte Mine- ralien-, Pflanzen- und Schmetterlingssammlungen an und bereicherte durch eine Kollektion Steinproben aus seinem Besitz die städtischen Sammlungen, an deren Erweiterung er mitarbeitete … Adalbert von Herrlein liebte gleich zärtlich Blumen und Bücher. Wie rührend ist dieser Zug an dem Manne, der mitten im heißen Lebenskampfe stand. In Aschaffenburgs Bür- germeister vereinigte sich lebendiger Natursinn mit inniger Liebe zur schöngeistigen Literatur …“32 Kurz nach seinem Amtsantritt als Stadtoberhaupt ent- wickelte von Herrlein Pläne, deren Ausführung nicht lange auf sich warten ließen, denn die Stadt sollte un- Adalbert von Herrlein, Porträt von Adalbert Hock. ter allen Umständen attraktiver werden, damit auch Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Foto Alfen ein wirtschaftlicher Aufschwung abzusehen war. So Die ohnehin schon erfolgreiche Laufbahn des königli- griff er im Frühjahr 1836 eine Idee der Königlichen Re- chen Rechtsanwaltes Adalbert von Herrlein erreichte gierung des Untermainkreises in Würzburg zur Grün- im Frühjahr 1835 ihren absoluten Höhepunkt: Er dung einer Sparkasse auf, deren Errichtung schließlich wurde zum rechtskundigen Bürgermeister der Stadt am 24. September des gleichen Jahres mit den vorge- Aschaffenburg gewählt, nachdem, wie eingangs legten Statuten vom Staatsministerium des Innern in schon erwähnt, Gottlieb Leo nach vierjähriger zweiter München genehmigt wurde. Ein Jahr darauf, am 8. Juli Amtsperiode zurückgetreten war. Zu den Installations- 1837, konnte in seinem Beisein der Grundstein zur Er- Feierlichkeiten kamen alle Persönlichkeiten der Stadt, bauung der evangelischen Pfarrkirche gelegt werden, und auch der größte Teil der Einwohnerschaft freute die bereits nach nur zweijähriger Bauzeit am 14. April sich über diese Wahl, denn von Herrlein war, wie sich der Heimatforscher Guido Hartmann ausdrückte, „ein 32 Aschaffenburger Geschichtsblätter 1907, Nr. 3 (1. Mai), S. 20. 32 1839 geweiht wurde. Neben seinen schon von Guido auswirkten. Dies gilt besonders auch von dem Zug der Hartmann genannten „Hobbys“ setzte sich von Herr- Dammer Bauern, die, mit Sensen und Mistgabeln be- lein unentwegt für eine weitere Bauentwicklung in der wehrt, vor das Landgericht zogen und dort haupt- Stadt ein. Gelegen kam ihm deshalb auch die Idee von sächlich die angebrachte Forderung vertraten, wie König Ludwig I. (1786–1868), ein „Pompejanisches früher wieder, der städtischen Polizei unterstellt zu Haus“ in Aschaffenburg errichten zu lassen. Die Bauar- werden …“33 beiten zum Pompejanum begannen dann auch im Glaubt man den Aufzeichnungen des Chronisten, so Jahre 1842 unter Leitung des prominenten Oberbau- wurde die Revolutionsbewegung in Aschaffenburg rates Friedrich von Gärtner, assistiert von Professor nur von einem geringen Teil der Bevölkerung unter- Karl Ludwig Louis, und wurden 1848 abgeschlossen. stützt, denn am 12. April konnte von Herrlein auf einer Die Stadt war um eine Attraktion reicher, ihr Bürger- Versammlung nachträglich konstatieren, daß „die meister hatte dieses Gebäude mit allen ihm zur Verfü- Stadt auf dem Boden einer konstitutionellen Monar- gung stehenden Mitteln gefördert. Zum Andenken an chie mit volkstümlichen Institutionen stehe“. Noch im König Ludwig I. konnte schon ein Jahr später, 1843, die Revolutionsmonat März gründeten 29 sportbegeis- Ludwigssäule errichtet werden, die erst den Schloß- terte junge Leute den Turnverein Aschaffenburg, Bür- platz, danach die neu angelegte Ludwigsallee zierte. germeister von Herrlein wünschte für die Zukunft viel Wie besonnen und abgewogen Adalbert von Herrlein Erfolg. Weitere Vorhaben, natürlich stets im Einverneh- auch in politisch brisanter Zeit handeln konnte, be- men mit Magistrat und Gemeindebevollmächtigten, wies sein Verhalten im Revolutionsjahr 1848. Die Ideen setzte der Bürgermeister in den kommenden Jahren in der bürgerlichen Freiheit fanden nämlich auch in die Tat um: So wurden allein 1850 das Rathaus durch Aschaffenburg Aufnahmebereitschaft. Die Wut vieler einen Umbau im Innern bedeutend vergrößert, der Einwohner richtete sich zwischen dem 5. und 20. März Wochenmarkt für Viktualien vom Stiftsplatz in die Lan- vor allem gegen Persönlichkeiten, die sehr unbeliebt dingstraße verlegt und eine Telegraphenstation im waren: Lotteriebeamter und Kommandant der Bürger- Obergeschoß eines Privathauses am Herstalltor errich- wehr, Major Stephan von Kaden (1801–1862), Rechts- tet. Nach der Ludwigssäule 1843 ließ von Herrlein rat Wilhelm Konrad Bühler (1800–1854) und Assessor 1853 ein weiteres Denkmal aufstellen: Zu Ehren des Franz Josef Mahut (1800–1857). In stürmischen Ver- berühmten Geschichtsschreibers Lambert von Hers- sammlungen und Protesten erzwangen die Bewohner feld, der im Jahre 1058 in Aschaffenburg zum Priester der Stadt schließlich den Rücktritt der „Übeltäter“. geweiht worden war, wurde auf dem Karlsplatz ein Zum Verhalten von Bürgermeister von Herrlein hieß es einfaches Monument enthüllt. bei Köhl unter anderem: „… Vermutlich war es in erster Die Erforschung der lokalen Geschichte kam aber trotz Linie dem besonnenen Verhalten des Bürgermeisters der schon genannten städtebaulichen Aktivitäten und von Herrlein, des Stadtrates Franz Dessauer und des Forstmeisters Dr. Müller zu verdanken, daß die Kund- 33 Köhl, Willi: Aschaffenburg. Urgeschichte, Geschichte, Wirt- gebungen in der Stadt sich nicht in schärferer Weise schaft, Aschaffenburg 1935, S. 117. der unvermeidbaren Repräsentationspflichten eines Fackelbegleitung, am Tag selbst in der Frühe um 33 Stadtoberhauptes keinesfalls zu kurz: So wurde von 10 Uhr versammelten sich der Stadtmagistrat und die Herrlein Vorsitzender des ersten Aschaffenburger Ge- Gemeindebevollmächtigten sowie die Landwehr-Offi- schichtsvereins, der 1854 als örtliches „Bezirks-Comite“ ziere im Rathaussaale, um ihre Glückwünsche darzu- des Würzburger „Historischen Vereins“ gegründet bringen. Herr Rechtskundige Rat Julius Schmitt sprach wurde. Er sammelte auch als erster die Sagen des im Namen beider Colegien die Anrede, und über- Spessarts, beteiligte sich an Ausgrabungen des „Be- reichte von denselben eine goldene, mit dem Stadt- zirks-Comites“ und veröffentlichte 1857 einen „Führer wappen verzierte Tabatier im Etuis, auf welchem in durch Aschaffenburg und seine Umgebung“. Goldbuchstaben gedruckt stand: Am 1. August 1860, von Herrlein war nun bereits 25 Unserem verehrten Rechtskundigen Bürgermeister Jahre „Erster Mann“ der Stadtverwaltung, stellte er ei- Adalbert von Herrlein. Der Magistrat und die Gemein- nen Antrag zur Aufbesserung seines Gehaltes von bis- debevollmächtigten der Stadt Aschaffenburg am her 1200 fl. (Gulden) auf 1500 fl. jährlich. Nach länge- 15. September 1860. ren Verhandlungen zwischen dem Magistrat und den Hierauf hielt der Landwehr-Major Karl Eckert eine grö- Gemeindebevollmächtigten auf der einen und der ßere Ansprache und überreichte dem Jubilar einen Kammer des Innern in Würzburg auf der anderen silbernen Pokal mit Deckel und Untersatz … Dann Seite, konnte schließlich am 11. Oktober seine Forde- überreichten die übrigen städtischen Beamten ein rung erfüllt werden. Gründe: seine langjährige Amts- Festgedicht in künstlerischem Drucke in einem Gold- zeit, die gestiegenen Preise und seine bedeutsamen rahmen, wobei Polizeioffiziant Edmund Mayer die An- Verdienste zum Wohl und Ansehen der Stadt Aschaf- rede hielt. fenburg. An diesem 11. Oktober feierte die Stadt Aschaffenburg auch ein grandioses Fest, das verdient, FESTGRUSS als Zusammenfassung aufgezeichnet zu werden: Es war das 25-jährige Dienstjubiläum des Adalbert von Abends war im Theater-Sale ein Festessen angeordnet Herrlein. Ein extra zusammengestelltes Komitee, zu für 200 Personnen, wobei Bürger und viele Staatsbe- dem unter anderem Kaufmann Johann Adam Müller, amte in großer Heiterkeit zubrachten. Herr Bürger- Weinwirt Peter Kittel, Seifensieder Anton Bleistein, meister wurde beim Eintreffen mit Musik empfangen. Schreiner Franz Niesner, Professor Eduard Döbner und Der Theatersaal war prächtig dekoriret, dem Eingange Tierarzt Johann Georg Seubert gehörten, entwarf und rechts war das Bildnis Sr. Majestät mit Fahnen und verschickte zahlreiche Einladungen an Vereine, aus- Kränzen angebracht, gegenüber das hiesige Stadt- wärtige und hiesige Privatpersonen sowie Persönlich- wappen mit derselben Verziehrung. Im Hintergrunde keiten des öffentlichen Lebens der Stadt und Umge- des Saales ein Transparent auf mehreren Stufen mit bung. Zum Verlauf der Festlichkeiten hieß es dann: Blumen garniert, Fahnen und Kränzen verziehret … „Bereits am Vorabend brachte der Gesangverein ,Me- Nach einigen Toastes brachte Landwehr-Major Eckert lomania‘ dem Jubilar eine Serenade mit Musik und nochmals einen Gruß auf das Wohl der Familie des 34 Herrn Jubilars aus; anschließend sprach Landwehr- „Der gehorsamst Unterzeichnete nähert sich dem 66. Hauptmann Bernhard Hofmann Worte des Dankes an Lebensjahr, hat der Stadt fast 30 Jahre gedient und den Bürgermeister für seine bisher geleisteten leidet seit einigen Jahren an den Augen, die begreifli- Arbeiten.“34 cher Weise immer schlechter werden. Gestützt auf die Eine lange Gratulationscour schloß sich nun an; so Beschlüsse der Bevollmächtigten und des Stadtmagis- gratulierten unter anderem: Rechtskundiger Rat Julius trates bittet derselbe gehorsamst: die königliche Re- Schmitt, die Magisträte Moritz Vetter, Franz Kittel, Ge- gierung wolle geruhen, die Versetzung des ehrerbie- org Protz, Melchior Kaufmann, Karl Krebs, Johann Tro- tigst Unterzeichneten in den Ruhestand mit der le- ckenbrod, Ernst Friedrich und Franz Martin Weber, benslänglichen Pension von 1500 fl. gnädigst zu ge- Stadtkämmerer Peter Guthiens, Stadtschreiber Josef nehmigen. In tiefster Ehrfurcht v. Herrlein.“35 Mickler, Stadtbaurat Bernard Hofmann und weitere Am 24. Februar stimmte die Regierung in Würzburg Behördenvertreter; ferner die Fabrikanten Otto Christ dem Vorschlag beider Aschaffenburger Organe zu und und Alois Joseph Dessauer, die Kaufleute August Gen- bewilligte dem scheidenden Bürgermeister das gefor- til, Alois Karl Dessauer, Alois Kunkel, Georg Betz, Alois derte Ruhegeld. Verdient hatte es sich Adalbert von Deckelmann sowie zahlreiche Handwerksmeister, In- Herrlein sicherlich redlich. nungsvertreter und Vereinsrepräsentanten. Natürlich Nur noch reichlich sechs Jahre konnte er sich jedoch waren auch viele Aschaffenburger Bürger dabei. Die an seiner Pension freuen, denn am 4. Juni 1870 ver- Summe von 1500 fl. stand auch für beide Gremien als starb von Herrlein an Herzversagen in seinem Haus am Pensionsgrundlage zur Debatte, als von Herrlein am 1. Roßmarkt (gegenüber der Badergasse) im Alter von 73 Februar 1864 seinen Rücktritt erklärte und neun Tage Jahren. Er wurde in der Familiengruft auf dem Alt- später diesen Schritt dem Magistrat, den Gemeinde- stadtfriedhof beigesetzt und ist bis heute nicht ver- bevollmächtigten und der Kammer des Innern in ge- gessen worden, denn eine im Jahre 1908 nach ihm sonderten Schreiben selbst begründete: benannte Straße erinnert die Aschaffenburger stets an seine lokalliterarischen, lokalgeschichtlichen und kommunalpolitischen Leistungen und Verdienste.

35 Schreiben vom Bürgermeister Adalbert von Herrlein an Stadt- 34 Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Akt Nr. 2148 (alte Archiv- magistrat und Gemeindebevollmächtigte vom 10. Februar nummer). 1864. DR. BERNHARD EMIL VOGLER chen Gehaltsbezügen gilt“ (1600 fl. [Gulden] Jahresge- 35 (1864–1867) halt für eine Amtsperiode). Der Auszahlungsbeschluß erfolgte allerdings erst auf einer weiteren Sitzung am 1. September. Als Aschaffenburgs rechtskundiger Bürgermeister Adal- Ende Juni 1864 einigten sich Gemeindebevollmäch- bert von Herrlein im Februar 1864 in den Ruhestand tigte und Magistrat, den Rechtskonzipienten und Be- trat, wurde Dr. Bernhard Vogler, bis zu diesem Zeitpunkt zirksamtsassessor Dr. Bernhard Vogler als Kandidaten Assessor am Bezirksamt , sein Nachfol- für das höchste Amt der Stadt vorzuschlagen, um ihn ger. Im Gegensatz zu von Herrlein, der auf eine fast dann am 25. Juli zum Nachfolger für Adalbert von dreißigjährige Dienstära zurückblicken konnte, stand Herrlein zu wählen, nachdem letzterer nach fast drei Vogler nur drei Jahre als „Erster Mann“ an der Spitze der Jahrzehnten „Regierungszeit“ in den Ruhestand getre- Aschaffenburger Stadtverwaltung. Der gelernte Jurist ten war. wurde im Jahre 1867 in die Regierung von Unterfran- Bernhard Emil Vogler wurde als Sohn des Volksschul- ken und Aschaffenburg berufen, was die sofortige Nie- lehrers Augustin Vogler und dessen Frau Agnes, gebo- derlegung der Bürgermeisterstelle erforderte. Den Ab- rene Dörflinger, am 24. März 1832 in Thalau in der lauf seines Dienstverhältnisses und die Bitte um Neu- Rhön geboren. In Münnerstadt besuchte er das Gym- ausschreibung zur Wahl eines qualifizierten Stadtober- nasium, legte das Abitur, „das Gymnasial Absolutorium hauptes richtete Vogler am 3. Juni 1867 selbst an die – Übergang an eine Universität oder an ein Lyceum –“ Kammer des Innern in Würzburg.36 Am 8. August, Vogler am 31. August 1849 mit der Note „I. Note für vorzüglich war schon seit fünf Wochen nicht mehr im Amt, hatten würdig, als Primus der Schule“37, ab und immatriku- Aschaffenburgs zuständige Gremien mit Magnus Will lierte sich anschließend an der Universität Würzburg seinen Nachfolger gewählt. für Philosophie und Jurisprudenz. Bei dem Corps Bava- Bevor das neuzuwählende Stadtoberhaupt nominell ria in Würzburg wurde er „dem Zuge seines Herzens verkündet wurde, legte der Aschaffenburger Magistrat folgend“38, aktiv; im November 1851 wurde er rezipiert in einer Sitzung am 21. März 1864 das künftige Gehalt (Mitgliederverzeichnis Nr. 264). Er promovierte des Bürgermeisters fest. Man ging bei diesen Überle- schließlich am 15. September 1858 mit „summa cum gungen davon aus, daß die Vergütung den zeitgemä- laude“ an der Universität Erlangen. Im November des ßen Rahmenbedingungen anzupassen sei, und kam gleichen Jahres wurde er als Akzessist an der „königli- zu folgender Übereinkunft, die einstimmig angenom- chen Regierung von Unterfranken und Aschaffen- men wurde: burg“ eingestellt. Vom 28. Mai 1858 an war er als Be- „Es wurde bei Festsetzung des Staats- und Dienstge- zirksamtsassessor am königlichen Bezirksamt Markt- haltes des zu wählenden neuen Bürgermeisters die heidenfeld am Main tätig. Norm angenommen, welche für Staatsdiener mit glei-

37 Auskunft des Gymnasiums Münnerstadt. 36 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 137 vom 19. Juni 1982. 38 Erwähnt in der Trauerrede bei seiner Beerdigung. 36 Da der Jurist Vogler, er wohnte in Rothenfels, noch im Löhrgraben jedenfalls in die erste Reihe gehört. Fast Dienst des Bezirksamtes Marktheidenfeld stand, sämtliche durch die Stadt kommenden Fuhrwerke mußte er sich sofort um seine Entlassung aus dem müssen diesen Punkt berühren, und es entsteht da- unmittelbaren Staatsdienst bemühen. Als dieses Ge- durch beinahe täglich eine mehr oder weniger lang such von König Ludwig II. (er war gerade Nachfolger anhaltende Stockung des Verkehrs, welche für die Be- von Maximilian II. geworden) gewährt worden war, treffenden stets sehr unangenehm ist, und welche bei bestätigte auch die Regierung in Würzburg am 25. Juli einer anderen Stadt von gleicher Größe mit so äußerst in „provisorischer Weise“ seine Anstellung in Aschaf- lebhaftem Straßenverkehr schon längst um jeden fenburg. Preis beseitigt worden wäre. Auch würde die Erweite- Am 10. August fand im Deutschhaussaal die feierliche rung dieser beiden Wege, welche ganz leicht in freie Installation des neuen Stadtoberhauptes statt, die von Plätze umgewandelt werden könnten, zur Verschöne- Regierungskommissar Georg Henner organisiert und rung der Stadt wesentlich beitragen … Freudig würde geleitet wurde. Anwesend waren neben seiner Frau man die Nachricht aufnehmen, wenn von Seiten der Margaretha Sophia, geborene Jungleib, Mitglieder des Verwaltung recht bald Schritte zur Anlegung eines Magistrates und zahlreiche Gemeindebevollmäch- Winterhafens gethan würden, welche Angelegenheit tigte (Friedrich Kitz, Alois Josef Dessauer, Heinrich – obgleich schon lange angeregt und für die Stadt von Reuß, Franz Schreher, Michael Martin, Wilhelm Wolfsthal und Moritz Anton Vetter), Vertreter des Stadtkommissariates (Stadtkommissär Fikenscher be- fand sich im Urlaub), der Geistlichkeit und des Armen- pflegschaftsrates, Angehörige des Offizierskorps, der Landwehr sowie fast alle städtischen Bediensteten. Nach der offiziellen Einführung durch Georg Henner, der den neuen Bürgermeister anschließend auf seine Rechte und Pflichten hingewiesen und ihm die Amts- kette angelegt hatte, begaben sich Honoratioren und Gäste zum Gasthof „Freihof“ (Wermbachstraße 13), wo man gemeinsam feierte. Was die Bevölkerung von Aschaffenburg von ihrem „Ersten Mann“ zukünftig erwartete, faßte die Aschaf- fenburger Presse wie folgt zusammen: „… Hauptsächlich hätte er seine Aufmerksamkeit auf möglichst rasche Beseitigung der wie fast überall, so auch hier vorhandenen Mißstände zu richten, unter welchen die enge Passage am Herstallthor, so wie im

Dr. Bernhard Vogler. Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, PT 301 großem Vortheil – bis jetzt noch ohne Erfolg geblie- sessor Anton Kopp und Advokat Florentin von Wäch- 37 ben ist …“39 ter teilnahmen. Auf diesem heiteren Fest (mit Toasten Dr. Bernhard Vogler war sich der schwierigen Aufgabe auf König Ludwig II. und Bürgermeister Vogler) wurde seines neuen Amtes durchaus bewußt („Die Zeit ist in aber auch über ein bedeutsames kommunalpoliti- raschem gewaltigem Aufschwung begriffen; überall in sches Thema diskutiert: die für den 24. August einzu- Handel, Gewerbe, Industrie und Ackerbau pulsiert berufende Versammlung zur Gründung eines Komi- neues großartiges Leben durch die Adern der Länder tees zur Erbauung der Eisenbahnlinie von Miltenberg und Völker“), was auch in seiner ersten Ansprache nach Aschaffenburg (es sollten aber zwölf Jahre verge- (Gasthof „Freihof“) zum Ausdruck kam: hen, bis diese Strecke am 12. November 1876 endlich „… Die Interessen der Kirche, der Schule und des Ar- in Betrieb genommen werden konnte). Ein unvergeßli- menwesens werde ich gewissenhaft zu vertreten su- ches Erlebnis im Leben des Bürgermeisters Dr. Bern- chen. Die gewissenhafte Verwaltung des Gemeinde- hard Vogler war der Besuch König Ludwigs II. vom und Stiftungsvermögens werde ich zu überwachen 20. bis zum 24. November 1866 in Aschaffenburg. In und veranlassen wissen. Was die wirtschaftlichen An- den Tagen seines Aufenthaltes begleitete Vogler den gelegenheiten betrifft, so will ich mich bemühen, den Monarchen bei seinen Rundgängen, zeigte ihm öf- Beweis zu liefern, daß freiere Bewegung der Gemein- fentliche Einrichtungen (Krankenanstalt und Institut den, das Selbstgouvernement und die Autonomie des der Englischen Fräulein) und stand neben ihm, als die korporativen Lebens keine unberechtigte und ver- Bevölkerung den Herrscher bei Schloßbeleuchtung frühte Forderung der Gemeinden ist. Ohne größere und Feuerwerk jubelnd begrüßte. Am Tage seiner Ab- Belastungen der Umlagenpflichtigen die Mittel zur Er- reise gab Ludwig II. eine offizielle, aber herzliche Erklä- richtung und Vervollkommnung jener Institute zu rung ab, die von Vogler, nicht ohne Stolz, einen Tag schaffen, welche zur Erreichung des gesellschaftlichen später im „Intelligenzblatt“ veröffentlicht wurde: Zweckes der Gemeinden dienen, muß unsere Aufgabe „Seine Majestät der König haben unmittelbar vor Aller- sein; bei den historischen Beziehungen der Stadt höchst ihrer Abreise den Unterzeichneten zur Audienz Aschaffenburg, ihrer Lage, darf dieselbe bei dem Auf- berufen, die Befriedigung über den Aufenthalt dahier schwunge der Industrie und der Gewerbe hinter ande- ausgesprochen, und den Auftrag ertheilt, der Bürger- ren Städten nicht zurückbleiben …“40 schaft wiederholt den Dank und die Anerkennung für Am 20. August 1864 gaben Magistrat und Gemeinde- den herzlichen Empfang und die vielfachen Beweise der bevollmächtigte im Gasthof „Zum Adler“ (Stricker- Liebe und Anhänglichkeit auszusprechen. Ich beehre gasse 9) zu Ehren Voglers ein Souper, an dem neben mich, dieses zur Kenntnis der Einwohner zu bringen.“41 Ehrengästen vom Stadtkommissariat, von der Land- Bereits 1866, seine Amtszeit belief sich gerade erst auf wehr und von der Lehrerschaft auch Bezirksamtsas- reichliche zwei Jahre, hatte Vogler um eine Rückver-

39 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 191 vom 11. August 1864. 41 Intelligenzblatt, Beiblatt zur Aschaffenburger Zeitung, Nr. 274 40 Ebd., Nr. 192 vom 12. August 1864. vom 25. November 1866. 38 setzung an die Regierung in Würzburg – aus familiären Bürgermeister Schiele sich befindet, um ihn zu bitten, Gründen – gebeten, wie aus einem Versetzungsge- auf seinem hiesigen Posten zu verbleiben …“43 such vom 20. November 1866 zu entnehmen ist. Schiele tat dies auch, denn er lehnte in einem Schrei- Drei Monate nach diesem grandiosen Volksfest lief die ben aus Paris an das Stadtkommissariat die Wahl ab, Amtszeit von Bürgermeister Vogler aus. Für ihn selbst bedankte sich für das ihm entgegengebrachte Ver- nicht allzu überraschend, dafür aber für die Bewohner trauen und blieb in seiner Heimatstadt. Eine erneute der Stadt, wurde er am 4. Februar mit Magistratsrat Ausschreibung mußte vorgenommen werden. Das Stenger nach München beordert, um Instruktionen für Resultat ist bekannt. Magnus Will wurde am 8. August seinen zukünftigen Aufgabenbereich zu empfangen. 1867 Nachfolger von Dr. Bernhard Vogler.44 Magistrat und Gemeindebevollmächtigte standen er- Vogler, aus München zurückgekehrt, erfuhr am neut vor der Aufgabe, die entstandene Vakatur mög- 26. Juli, daß er zum Assessor extra statum bei der kö- lichst schnell zu beheben.42 niglichen Regierung von Unterfranken und Aschaffen- Eine Woche danach, am 7. Juni, kam von der Kammer burg ernannt worden war. Bevor er aber seine neue des Innern in Würzburg („Im Namen Seiner Majestät Tätigkeit aufnahm, bereitete ihm das Magistratskolle- des Königs“) die Aufforderung an den Magistrat, daß gium der Stadt am 31. Juli eine gebührende Ab- eine Ausschreibung der Stelle zur Einstellung eines schiedssitzung, in der Magistratsrat Heinrich Reuß die rechtskundigen Bürgermeisters zu erfolgen habe. Am Arbeit Voglers würdigte (Begradigung des Löher­ 24. Juli wurde auch ein neuer Bürgermeister gewählt. grabens, verbunden mit dem Abriß der Häuser am Es war Josef Anton Schiele, Bürgermeister zu Lohr, zur mittleren Weg (1864/65); Errichtung eines Pumpwer- Zeit aber in Paris auf Urlaubsreise. Er erhielt 17 Ja- kes für 25 000 Gulden zur Bewässerung des Schön- Stimmen von 23 anwesenden Gemeindebevollmäch- busch-Gartens (1865); Behebung der gewaltigen tigten. Zur Wahl Schieles als Stadtoberhaupt von Kriegsschäden, die am 14. Juli 1866 durch das Gefecht Aschaffenburg hieß es aus Lohrer Sicht wie folgt: in der Fasanerie entstanden waren). Der scheidende „… Die einzige Hoffnung, denselben für unsere Stadt Bürgermeister bedankte sich unter anderem mit den zu erhalten, besteht in dem von der hiesigen Einwoh- Worten, „daß er mit dem Bewußtsein redlich erfüllter nerschaft gehegten Zweifel, ob Herr Schiele die Wahl Pflicht nur um das Wohl und Gedeihen der Stadt be- wirklich annehmen wird; allein wir glauben fest, daß strebt gewesen sei, daß er es auch ferner für seine diese Hoffnung eine sehr geringe ist. Sobald die Nach- Pflicht erachte, eingedenk seines Eides, welchen er vor richt von der Wahl hier bekannt wurde, ließ man ein drei Jahren geleistet habe, seinen Einfluß für das Wohl- Telegramm nach Paris abgehen, wo gegenwärtig Herr ergehen der Stadt, wo immer auch möglich, geltend zu machen …“.45

43 Intelligenzblatt, Beiblatt zur Aschaffenburger Zeitung, Nr. 178 vom 31. Juli 1867. 42 Schreiben des Aschaffenburger Magistrates an die Gemeinde- 44 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 137 vom 13. Juni 1982. bevollmächtigten vom 31. Mai 1867. 45 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 183 vom 2. August 1867. Auch eine große Zahl von Einwohnern verabschiedete rich Freiherr von Zu Rhein (1806–1877) sprach ihm am 39 ihren Ex-Bürgermeister: Am 3. August überreichte ihm 24. Februar 1863 die „wohlverdiente Anerkennung“ für Friedrich Fritz einen silbernen Pokal mit einer Ansicht seine Tätigkeit in Marktheidenfeld aus. Diese Auszeich- Aschaffenburgs, unter der zu lesen war: „Dem verehr- nung wiederholte sich 1864, denn in diesem Jahre er- ten Bürgermeister Dr. Bernhard Vogler in Anerken- hielt Vogler für seine „Darstellung der Geschichte und nung seiner Verdienste, gewidmet von einer Anzahl der Rechtsverhältnisse der Choramts-Stiftung in Leng- Bürger der Stadt Aschaffenburg.“ Auf die beiliegende furt am Main“ eine förmliche Belobigung, die zusätz- Grußadresse, von vielen unterzeichnet, antwortete lich mit einer Barzahlung von 200 Gulden – für dama- Vogler mit bewegten Worten und der Versicherung, lige Verhältnisse eine stattliche Summe – verbunden daß er stets bereit sein werde, „jedem einzelnen Bür- war. Während seiner Tätigkeit als Bürgermeister von ger in Rath und That, wo immer möglich, nützlich zu Aschaffenburg mußte Vogler die preußische, damals sein“. feindliche Besetzung der Stadt während des Krieges Eine Woche später hatte die Stadt Aschaffenburg ei- 1866 durchstehen. Insbesondere die Versorgung der nen neuen Bürgermeister, den schon eingangs ge- Kriegsgefangenen hat ihm am Herzen gelegen. nannten Bezirksgerichtsassessor zu Lohr, Magnus Will. Vogler ging aber in Abänderung vorheriger Pläne König Maximilian II. Joseph (1811–1864) verlieh ihm nicht nach Würzburg, sondern wurde am 4. Oktober wegen seiner Verdienste in diesem schweren Jahr das 1867 Regierungsassessor an der „königlichen Regie- Ritterkreuz I. Klasse des königlichen Verdienstordens rung von Schwaben und Neuburg“. Vier Jahre später vom hl. Michael; der Großherzog von Hessen und bei kehrte er jedoch nach Unterfranken zurück und war Rhein, Ludwig III. (1806–1877), das Ritterkreuz I. Klasse von 1871 bis 1875 als Bezirksamtmann in Miltenberg des Verdienstordens Philipp des Großmütigen. Auch tätig. 1876 verließ Dr. Bernhard Vogler das Untermain- seine Tätigkeit in München war offensichtlich segens- gebiet für immer, denn bis zu seinem Tode im Jahre reich. Die Kreise rechts und links der Isar errichteten 1880 arbeitete er wieder als Bezirksamtmann, diesmal nämlich „ihrem unvergeßlichen Vorstand“ ein Ehren- für die Kreise rechts und links der Isar in München. grab auf dem Münchner Nordfriedhof, das heute noch Voglers Qualifikationen waren, soweit noch ersicht- besteht. Neben diesen beruflichen Aufgaben widmete lich, durchweg vorzüglich. Das gilt für das Abitur, die sich Vogler noch aktuellen Interessen, insbesondere Promotion und die praktische Berufsausbildung. So karitativer und wirtschaftlicher Art. In der Rhön (Hil- bescheinigte ihm der königliche Landrichter Wiede- ders) wurde auf seine Anregung hin eine „Beschäfti- mann aus Hilders (Rhön), bei dem Vogler vorüberge- gungsanstalt“ gegründet, die „sich auch auf die Unter- hend praktizierte, unter dem 13. Juli 1857, daß er bringung verwahrloster Kinder erstreckt“. Er setzte „Ausgezeichnetes geleistet“ habe und „ungewöhnli- sich vorausschauend für den Bau einer Eisenbahnstre- che Geschäftsgewandtheit … mit wahrhaft seltenem cke von Wertheim nach Gemünden ein. Fleiß bis zur Aufopferung“ verbinde. Der Regierungs- Um Voglers Persönlichkeit als typischer Repräsentant präsident von Unterfranken und Aschaffenburg, Fried- seiner Zeit eingehend zu würdigen, wäre eine geson- 40 derte Studie erforderlich. Beispielhaft waren sein Fleiß lichen Gemeinwesens eindrucksvoll dokumentierte. und seine Zielstrebigkeit, Eigenschaften, die für die Das galt aber auch für seine Mobilität, die ihn verhält- Gründerzeit insgesamt prägend geworden sind. Das nismäßig häufig den Ort der beruflichen Tätigkeit war auch für seinen für einen Beamten, der aus den wechseln ließ. Seine „bis zur Aufopferung“ gehende kärglichen Verhältnissen einer Volksschullehrer-Fami- Einsatzbereitschaft, seine Exaktheit des Arbeitens, lie stammte, geradezu kometenhaften Aufstieg vom seine Fähigkeit, zuzupacken und das offensichtlich Privatakzessisten bis zu einem hohen Funktionär in Nötige zu tun, repräsentierten Beamteneigenschaften der Haupt- und Residenzstadt München festzustellen, bester Art, auf denen das damalige Gemeinwesen auf- der das Erstarken des Bürgertums innerhalb des staat- baute.46

46 Freundliche Mitteilung von Dr. Werner Schiedermair, München. MAGNUS WILL ter am Main“ war in den nächsten Tagen (14. bis 41 (1867–1877) 21. Juni 1867) folgende Ausschreibung zu lesen, die vom Aschaffenburger Magistrat und vom noch amtie- renden Bürgermeister Dr. Bernhard Vogler unterzeich- Am 31. Mai 1867 wies der Magistrat der Stadt die Ge- net worden war: meindebevollmächtigten schriftlich darauf hin, daß „Nach Ablauf des Dienstprovisoriums des derzeitigen das Mandat des bisherigen rechtskundigen Bürger- rechtskundigen Bürgermeisters wird diese Stelle zur meisters Dr. Bernhard Vogler zum 3. Juli auslaufe und Bewerbung hiermit öffentlich ausgeschrieben. Mit die sich daraus ergebende Vakatur schnellstens zu be- dieser Stelle ist ein jährlicher Gehalt von 1600 fl. (Gul- heben sei. Das Kollegium der Gemeindebevollmäch- den) für die ersten drei Jahre, von 1800 fl. im Falle der tigten erklärte sich in dieser Angelegenheit aber für Wiederwahl für die nächsten drei Jahre und von 2000 nicht kompetent und bemerkte, die Initiative dazu fl. vom Beginne des siebenten Dienstjahres an verbun- müsse vom Magistrat ausgehen. Vier Tage später kam den. Der Dienstes- und Standesgehalt ist nach der al- Dr. Bernhard Vogler beiden Gremien jedoch entgegen. lerhöchsten Verordnung vom 20. Juli 1848 ausgeschie- Er schrieb einen Bericht an die königliche Regierung den. Gesuche um diese Stelle sind mit den durch § 48 von Unterfranken und Aschaffenburg – Kammer des des revidirten Gemeinde-Edikts vorgeschriebenen Innern –, in dem es unter anderem hieß: Nachweise binnen vier Wochen von heute an hierorts „Das Dienstprovisorium des gehorsamst Unterzeichne- einzureichen. Aschaffenburg, am 14. Juni 1867.“48 ten, welcher am 3. Juli 1864 gewählt wurde, geht dem- Die Wahlvorbereitungen – sie begannen erst am nächst zu Ende und bitten wir daher um die Ermächti- 15. Juli – verzögerten sich durch einige Form- und Per- gung, die Stelle eines rechtskundigen Bürgermeisters sonalfragen. Nachdem das Stadtkommissariat vom dahier zur Bewerbung auszuschreiben. In tiefster Ehr- Magistrat zwei Beisitzer für den Wahlausschuß (Wetter furcht Vogler.“47 Die Antwort aus Würzburg erhielt der und Burghard) sowie einen Wahlaktuar (Mickler) ge- Magistrat schon am 9. Juni: Einer sofortigen Ausschrei- nannt bekam, schrieb der Magistrat noch am gleichen bung der Stelle stehe nichts im Wege; das Stadtkom- Tage der Regierung, sie möge ihn ermächtigen, die missariat möge die Wahl organisieren. Beiden städti- Wahl durchzuführen. schen Gremien wurde die Anweisung erteilt, den „re- Die Kammer des Innern stimmte diesem Ersuchen am gierungslosen Zustand“ möglichst rasch zu beenden. 15. Juli zu. Drei Wochen danach, am 8. August 1867, Doch eine Entscheidung fiel erst drei Monate später … hatte Aschaffenburg einen neuen Bürgermeister. Er In allen einschlägigen Amtsblättern und Zeitungen hieß Magnus Will und erhielt bei seiner Wahl 18 Stim- der nahen Region, wie „Bayerische Zeitung“, „Kreis- men von 23 anwesenden Gemeindebevollmächtigten. amtsblatt“, „Aschaffenburger Zeitung“ und „Beobach- Einen Tag später ließ Will von Lohr aus die verantwortli- chen Gremien in Aschaffenburg wissen, daß er die Wahl

47 Schreiben Dr. Bernhard Voglers vom 7. Juli 1867 an die Regie- rung von Unterfranken und Aschaffenburg. 48 Aschaffenburger Presse vom Juni 1867. 42 annehme. Der Magistrat erhielt die schriftliche Bestäti- am besten von der Dringlichkeit dieser Angelegenheit gung kurz darauf, in der es unter anderem hieß: überzeugt ist. Wir glauben vielmehr, daß dieser schlep- „In Folge der verehrlichen Zuschrift vom 10. dieses pende Geschäftsgang in München bei dem einschlägi- Monats beeile ich mich, zurückgekommen von einer gen Ministerium zu suchen ist. Immerhin aber bleibt es mehrtägigen Urlaubsreise, zu erwidern, daß nach den beklagenswerth, daß man in München zur Abwicklung von maßgebender Stelle mir persönlich gemachten einer so leicht und schnell zu erledigenden Angelegen- Eröffnungen die Bestätigung der Wahl baldigst in Aus- heit Monate nöthig hat, während doch die Dringlichkeit sicht steht. Da auch von meinen vorgesetzten Dienst- derselben die größte Beschleunigung geböte.“50 stellen in diesem Falle meiner Enthebung von meiner Endlich, am 30. September 1867, bekam der Aschaf- seitherigen Stelle kein Hindernis entgegensteht, so fenburger Magistrat über die unterfränkische Regie- werde ich alsbald die Bürgermeisterstelle antreten rung in Würzburg die Entschließung des Münchener können. Unter diesen Umständen dürfte wohl die Auf- Staatsministeriums, wonach Magnus Will seinen stellung eines Funktionärs nicht als geboten erschei- Dienst als „Erster Mann“ der Stadt zum 1. Oktober 1867 nen, wenn nicht allenfalls besonders dringende Fälle antreten könne. Verbunden damit war sein Ausschei- hierzu Veranlassung geben sollten … Mit dem Aus- den aus dem Staatsdienst für die Dauer seiner Amts- druck der vollkommensten Hochachtung zeichne ich zeit als Bürgermeister. Die Einführung und Verpflich- ganz ergebenster Magnus Will.“49 tung als neues Stadtoberhaupt übernahm auf Veran- Beide „Partner“ hatten sich nun geeinigt und einer lassung der Regierung der königliche Stadtkommissar Amtsübergabe stand nichts mehr im Wege. Trotzdem Karl August Fikenscher. Die offizielle Einführung in verzögerte sich die offizielle Einführung des neuen sein neues Dienstverhältnis fand für Magnus Will am Stadtoberhauptes nochmals. Am 24. September be- Dienstag, den 8. Oktober, um 10 Uhr, im städtischen schwerte sich die Aschaffenburger Presse zu Recht Rathaussaal statt. Viele Aschaffenburger Persönlich- über das schleppende Verfahren, denn es fehlte noch keiten nahmen an der Feierstunde teil (Stadtkommis- die Bestätigung seitens der Münchner Staatsregie- sariat, Magistratsräte, Gemeindebevollmächtigte, rung. Es hieß darin: Geistliche Räte, Armenpflegschaftsräte, Lehrer, Kauf- „Es sind nun nahezu zwei Monate verflossen, seitdem leute und Fabrikanten – aber wie so oft keine „kleinen Herr Bezirksgerichtsassessor Will in Lohr zum Bürger- Leute“). Am 22. Mai 1868 beschlossen nachträglich meister unserer Stadt gewählt wurde. Bis jetzt aber ist Magistrat und Gemeindebevollmächtigte im Einver- eine Bestätigung der Wahl noch immer nicht eingetrof- nehmen mit der Stadtkämmerei, daß Magnus Will eine fen. Daß bei dieser unendlichen Verzögerung unsere Wohnung im Rathaus kostenlos zur Verfügung gestellt königliche Kreisregierung keine Schuld trägt, glauben bekommt, solange er Bürgermeister der Stadt ist. wir als bestimmt annehmen zu dürfen, da sie ja wohl Magnus Will wurde am 3. Januar 1834 in Wiesen gebo- ren. Seine Eltern, der königliche Oberförster Johann

49 Schreiben von Magnus Will an den Aschaffenburger Magistrat vom 20. August 1867. 50 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 227 vom 24. September 1867. Will und dessen Ehefrau Elise, geborene Sendner, ten Stadtverwaltung – nicht aus. Am 7. März nahm er 43 beide aus Wiesen (ehemaliger Landkreis Lohr), ermög- die ihm angetragene Advokatur an, die Bürgermeis- lichten dem Sohn nach dem Abitur Rechtswissen- terstelle war erneut vakant geworden; die Gemeinde- schaften zu studieren. Nach dem Studium stellte ihn bevollmächtigten standen wieder vor einer Neuwahl. das Bezirksgericht Lohr als Assessor ein; diese Stellung Dazu notierte die Aschaffenburger Presse: behielt er bis zu seiner Wahl als Bürgermeister der „Wenn man auch voraussehen darf, daß diese die Stadt Aschaffenburg. Wichtigkeit ihrer Aufgabe erkennen und bestrebt sein Im Jahre 1870 lief seine erste Amtsperiode ab. Erneut werden, solche nach reiflicher Überlegung lediglich begannen die Wahlvorbereitungen, die wieder unter zum Wohle der Stadt zu lösen, so dürfte es bei dem Aufsicht von Bezirksamtmann und Regierungsrat Fi- lebhaften Interesse, welches diese Frage auch bei an- kenscher stattfanden. Am 3. September wurde Mag- deren Gemeindebürgern erregt, nur zur Aufklärung nus Will mit 22 Ja-Stimmen in seinem Amt bestätigt. dienen, wenn sie einer öffentlichen Besprechung un- Fünf Wochen nach seiner Wiederwahl, am 14. Oktober, terstellt wird …“52 kam aus München die Einwilligung vom Staatsminis- Diese Art von „Besprechung“ erfolgte einerseits in ei- terium des Innern: ner Sitzung der Gemeindebevollmächtigten am „In Erwiderung des Berichtes vom 3. September wird 27. März, andererseits in einer weiteren des Magistra- der zum rechtskundigen Bürgermeister der Stadt tes am 5. April. Das Gemeindekollegium empfahl da- Aschaffenburg wiedergewählte Magnus Will in defini- bei dem Magistrat: tiver Eigenschaft bestätigt.“51 „… In Bezug auf die einstweilige Fortführung der Ge- schäfte des Bürgermeisters und die Wiederbesetzung Magnus Will, bis September 1873 noch heimatberech- der erledigten Bürgermeisterstelle zu beschließen, tigt in seinem Geburtsort Wiesen, reichte im Oktober daß das Anerbieten des seitherigen Bürgermeisters ein Gesuch um die Verleihung des Bürgerrechtes der und nunmehrigen königlichen Rechtsanwalts Will, die Stadt Aschaffenburg ein, das er am 16. Oktober auch Geschäfte bis zum 1. Mai d. J. fortzuführen, zu accepti- erhielt. Diese Änderung seiner Rechtsgrundlage war ren und daß die Bürgermeisterstelle wieder mit einem auch deshalb notwendig geworden, weil er am 4. Mai rechtskundigen Bürgermeister zu besetzen sei; ferner, 1876 das Aufgebot zur Eheschließung einreichte. Die daß er nebst der seitherigen freien Dienstwohnung im Trauung selbst, mit Margaretha Wiener aus Kosten bei Rathause das Hauptgeldgehalt eines königlichen Be- Breslau, erfolgte am 8. Juni 1876. Als Magnus Will zirksamtmannes, wie solcher nach der allerh. Verord- plötzlich im März 1877 die Möglichkeit erhielt, sich als nung vom 12. Aug. v.J. festgesetzt ist, und als Anfangs- königlicher Rechtsanwalt in der Stadt niederzulassen, gehalt 3720M. beträgt, erhalte.“53 schlug er dieses Angebot – zum Bedauern der gesam-

52 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 70 vom 20. März 1877. 53 Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, ProtM, 72 (Sitzungs- 51 Schreiben des Staatsministeriums des Innern vom 14. Oktober protokoll des Aschaffenburger Stadtmagistrates vom 5. April 1870. 1877). 44 Das „Noch-Stadtoberhaupt“ kam einige Tage später In die Zeit seiner Tätigkeit als Stadtoberhaupt fielen als den Gemeindebevollmächtigten soweit entgegen dauerhafte Errungenschaften und gebliebene städti- und ließ sie wissen, daß es sein Amt noch bis zum sche Symbole die Erbauung der Markthalle und der 1. Mai 1877 ausüben werde. Auf der gleichen Sitzung eigentliche Beginn der Stadterweiterung (Schöntal- stimmte das Gremium mit 13 gegen fünf Stimmen ei- Durchbruch an der Karlstraße und die „Niederlegung“ nem Magistratsbeschluß zu, wiederum einen rechts- des Herstalltores). Ferner: kundigen Bürgermeister für die Stadt Aschaffenburg zu verpflichten. Bezüglich der neuen Gehaltsregelung 1868: Bau des evangelischen Schulhauses in der kam man überein, daß der zukünftige Bürgermeister Alexandrastraße. einem Bezirksamtmann gleichgestellt werde (4200 1872: Umwandlung des Jesuitenkollegs in ein Mark); eine Amtswohnung im Rathaus war allerdings weltliches Studienseminar. nicht mehr mietfrei zu bewohnen, sondern wurde mit 1875: Gründung der Höheren Weiblichen Bil- einem Mietzins von 480 Mark veranschlagt. dungsanstalt mit Lehrerinnen-Seminar Am 24. Mai 1877 war schließlich ein Nachfolger für den (im Schönborner Hof). scheidenden Magnus Will gewählt worden: Der Rechtskonzipient Friedrich Medicus.54 Seinen Rechtsanwalts-Beruf übte Magnus Will noch fast zwanzig Jahre aus, bis er schließlich am 17. Mai Magnus Will ist zwar heute nicht vergessen, war aber 1896, im Alter von nur 62 Jahren, nach längerer Krank- keine so schillernde Persönlichkeit mit überregionaler heit in Aschaffenburg verstarb. Popularität wie etwa einige Vorgänger oder Nachfol- Der ehemalige Bürgermeister – er war Mitglied der ger im Amt des Aschaffenburger Bürgermeisters. Brav Nationalliberalen Partei und einige Zeit lang auch ihr und bieder verrichtete er seine Pflichten, ohne über- Vorsitzender – erwarb sich in seiner zehnjährigen mäßig aufzufallen. Amtszeit bleibende Verdienste, die nicht nur dem Wohl der Stadt, sondern auch dem des Advokaten- Standes dienten. Das hohe Ansehen und die offenher- zige und freimütige Art gegenüber seinen Mitarbei- tern und Freunden, die Mitgliedschaft in einigen Verei- nigungen (Krieger- und Veteranenverein, Zivilvorsit- zender der Ersatz-Kommission Aschaffenburg-Stadt) und die Stellung in der Aschaffenburger Gesellschaft brachten ihm viele Freunde.

54 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 132 vom 12. Juni 1982.

Traueranzeige für Magnus Will in der Aschaffenburger Zeitung, Nr. 137 vom 19. Mai 1896 FRIEDRICH RITTER VON MEDICUS Gerichtsarzt Dr. Friedrich Medicus und dessen Ehefrau 45 (1877–1904) Auguste, geborene Eschenbach, schickten ihn nach dem Besuch der Volksschule ab 1864 auf das königli- che Knabenseminar der Aschaffenburger Studienan- Friedrich von Medicus, königstreuer Bürgermeister der stalten (Lyceum, Gymnasium und Lateinschule), wo er Stadt Aschaffenburg von 1877 bis 1904, hatte es den 1867 sein Abitur ablegte. Noch im gleichen Jahr nahm politischen Verhältnissen der Zeit zu verdanken, daß er das Studium der Philosophie sowie Rechts- und er, anders als mancher seiner Vorgänger und Nachfol- Volkswirtschaften an der Universität Würzburg auf. Ab ger, in einem kriegslosen Zeitabschnitt regieren und 1871 erwarb sich Medicus bei verschiedenen Ämtern arbeiten konnte. Zwei persönliche Merkmale verban- und Rechtspersonen eine fundierte juristische Praxis, den Medicus, trotz der unterschiedlichen politischen der drei Jahre später das Staatsexamen folgte. Da Lage, mit seinem Nachfolger Dr. Wilhelm Matt: Beide Friedrich Medicus als junger Rechtskonzipient vorerst waren um die „dreißig“, als Magistrat und Gemeinde- keine dauernde Anstellung fand, begab er sich als „ju- bevollmächtigte ihnen die „Regierungsverantwor- ristischer Hilfsarbeiter“ in das Büro des königlichen tung“ der Stadt Aschaffenburg übertrugen, und ihre Aschaffenburger Advokaten Carl Scherer. Diese „Lehr- Amtszeit dauerte fast drei Jahrzehnte. In dieser Epo- zeit“ brauchte er aber nicht zu beenden, denn bereits che des wirtschaftlichen Aufschwungs konnte Medi- im Mai 1877, noch keine dreißig Jahre alt, wurde er cus sich profilieren, das Ansehen der Stadt fördern, zum rechtskundigen Bürgermeister der Stadt Aschaf- durch die Eingemeindungen der Orte Damm und Lei- fenburg berufen. Für Medicus begann, begünstigt der (1901) breiteren Raum für leistungsfähige industri- durch die „ruhige“ Zeit, eine glanzvolle Karriere. elle Ansiedlungen schaffen und mit der Fortführung Am 15. Mai 1877 lud der königliche Bezirksamtmann der Mainkanalisierung Aschaffenburg als Binnenhafen und spätere Regierungsrat Josef Kittel (1826–1907) in zu stärkerer verkehrspolitischer Bedeutung verhelfen. seiner Eigenschaft als Wahlkommissar alle stimmbe- Gleich seinem Nachfolger konnte auch er persönliche rechtigten Gemeindebevollmächtigten der Stadt zur Kontakte zum bayerischen Königshaus knüpfen, denn Wahlversammlung ein, die am Donnerstag, 24. Mai, einige Male besuchte Prinzregent Luitpold die „Pforte morgens um 10 Uhr, im Rathaussaal stattfinden sollte. zum Spessart“, was die Stadt und ihren ersten Reprä- Der Grund: Wahl eines Bürgermeisters als Nachfolger sentanten aus dem gesellschaftlichen Mittelmaß her- für Magnus Will. ausführte. Noch etwas hatte Friedrich von Medicus mit Von den 24 Gemeindebevollmächtigten erschienen fast allen früheren und noch folgenden Stadtober- 21 (zwei waren erkrankt, einer gerade verstorben), die häuptern gemeinsam: Auch er war kein gebürtiger alle dem Rechtskonzipienten Friedrich Medicus ihre Aschaffenburger. Stimme gaben. Zum Wahlergebnis schrieb die Presse Als „Nichtadeliger“ wurde Friedrich Medicus am folgende Kommentarzeilen: 11. November 1847 in geboren. „Da die Parteiwirtschaft in unserer Stadt außerordent- Seine angesehenen und wohlsituierten Eltern, der lich nachgelassen hat und die Bürger zu der Einsicht 46 gelangt sind, daß nur Eintracht unserer Stadt dienlich Ein Jahr nach seiner Amtsübernahme erhielt Friedrich sein kann, so wird diese Wahl von der hiesigen Bürger- Medicus am 4. März 1878 das Bürgerrecht der Stadt schaft schon deswegen mit Freuden begrüßt, da der Aschaffenburg; vorher war er noch in Karlstadt hei- neuerwählte Herr Bürgermeister über allen Parteien matberechtigt. Dieses Bürgerrecht war auch deshalb stehen soll. Gebe Gott seinen Segen dazu und unserer notwendig geworden, weil er heiraten wollte. Am Stadt fortschreitendes Gedeihen.“55 8. April des gleichen Jahres wurde ihm und Anna An- Drei Wochen später, am 19. Juni, erfolgte die Bestäti- gerer aus Ockstadt, wohnhaft in Würzburg, das Ver- gung des neuen Stadtoberhauptes durch das Staats- ehelichungszeugnis ausgestellt; die Ziviltrauung fand ministerium des Innern. am 18. Mai 1878 in Würzburg statt. Die feierliche Einführung in sein neues Amt fand am Seine Treue gegenüber König und Monarchie – über 3. Juli im „Deutschhaussaal“ statt. Nach den obligatori- allen Parteien stehend, wie er selbst von sich sagte, schen Dankesworten für die einstimmig erfolgte Wahl und erst recht kein Freund der sich langsam organisie- zum rechtskundigen Ersten Bürgermeister von Aschaf- renden Sozialdemokratie – verpflichtete Medicus, fenburg sagte Friedrich Medicus über sein künftiges auch diese neue Partei gleich nach ihrer Gründung im Amt unter anderem: Jahre 1878 zu bekämpfen. Aus Angst vor einer Aus- „Nicht ohne Bangen habe er die Wahl angenommen. breitung der sozialistischen Arbeiterbewegung be- Die Zeit kennzeichne sich als eine Übergangszeit. mühte er sich in Zusammenarbeit mit den hiesigen Überall ließen sich die Symptome des Atomismus Behörden, die Stadt politisch „sauber“ zu halten. wahrnehmen. Alles sei in der Umwandlung begriffen. Mit den zur Verfügung stehenden Bestimmungen ge- Die sich geltend machenden Gegensätze und Wider- lang es ihm auch, „die Bewegungsfreiheiten und öf- sprüche erschwerten die Führung auch seines neuen fentlichen Geplänkel sozialistisch angehauchter Mit- Amtes. Er vertraue auf die Mitarbeit der Collegien. Mit bürger“ einzuengen. Am 4. September 1878 konnte er dem Gelöbnis, das Interesse der Stadt zu wahren, dann der Regierung von Unterfranken und Aschaffen- übernehme er die Amtskette des Bürgermeisters, die burg in Würzburg mitteilen, daß in seiner Stadt „keine das Band symbolisieren solle, das ihn an die Stadt sozialdemokratischen Strömungen zu verzeichnen knüpfe. ,Aequum est justum‘, ‚Billig und Gerecht‘, solle waren“.57 sein Wahlspruch sein. Hochhalten werde er die Treue Im Winter 1878, genau am 2. Dezember, zog Aschaf- zu Bayern und seinem König, hochhalten aber auch fenburgs Bürgermeister als Abgeordneter in den un- die Treue zum großen deutschen Vaterlande. In religi- terfränkischen Landrat ein. Somit vertrat er die Stadt ösen Dingen achte er die Überzeugung von jeder- auch überregional, was sich zukünftig als äußerst posi- mann, bitte aber, auch ihm das Recht seiner Überzeu- tiv erweisen sollte. gung zu belassen …“56 Nach drei erfolgreichen Dienstjahren wurde Medicus am 12. Mai 1880 durch den Magistrat und die Gemein-

55 Beobachter am Main, Nr. 118 vom 26. Mai 1877. 56 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 179 vom 2. Juli 1877. 57 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 197 vom 29. August 1981. debevollmächtigten Aschaffenburgs einstimmig als Ein denkwürdiger Tag, nicht nur im öffentlichen Leben 47 rechtskundiger Bürgermeister in seinem Amt bestä- des Friedrich Medicus, war die 900-jährige Jubiläums- tigt; die Suche nach einem neuen Kandidaten entfiel veranstaltung der Erbauung der Stiftskirche im April somit, was von einem Magistratsmitglied mit den 1882. Die Stadt beteiligte sich am 30. April auf Grund Worten begründet wurde: „Mit Rücksicht auf die be- eines vorausgegangenen Magistratsbeschlusses vom reits erworbenen Verdienste wird deshalb auch keine 13. April mit einer Abordnung – an der Spitze der Bür- neue Ausschreibung vorgenommen.“ germeister – an der offiziellen Feier. Weitere Höhe- Seine staatsministerielle Amtsbestätigung erfolgte punkte in seiner Funktion als Repräsentant der Stadt schließlich knapp vier Wochen später (8. Juni). Noch folgten in den kommenden Jahren. Nachdem Medicus im Herbst des selben Jahres wurde ihm eine weitere 1885 Präsident des Landrates geworden war, erwarb ehrenvolle Aufgabe erteilt: Als Sekretär des unterfrän- er sich auch in dieser Eigenschaft bleibende Ver- kischen Landrates und Mitglied des ständigen Aus- dienste für Aschaffenburg und Unterfranken. schusses vertrat Medicus „seine Stadt“ auf Bezirks­ Von den schon angedeuteten Repräsentationsaufga- ebene. ben als Stadtoberhaupt waren die Besuche von Prinz- regent Luitpold in Aschaffenburg eine hohe Auszeich- nung für ihn. Erstmals traf er den Monarchen am 17. September 1888, als er ihn nach einer kurzen und herzlichen Begrüßung am Bahnhof zum Schloß gelei- tete. Am Abend fuhr man in einem Vierspänner durch geschmückte und erleuchtete Straßen. Medicus war stolz. Bevor Luitpold einen Tag später wieder abreiste, übergab er seinem Gastgeber ein persönliches Hand- schreiben, in dem es unter anderem hieß: „Mein lieber Bürgermeister Medicus! Mit besonderem Vergnügen spreche ich aus, wie angenehm Mir die Stunden waren, die Ich hier verlebt habe. Ich entbiete der Stadt Meinen herzlichsten Dank für die verschie- denartigen Festlichen Akte, welche aus Anlaß Meiner Anwesenheit unter Mitwirkung zahlreicher Vereine und unter Beteiligung der gesamten Bevölkerung stattfanden. Gleich innig danke Ich für die Mir gegebe- nen Beweise treuen Angedenkens an Meine unver- geßlichen Eltern, die so gerne in Aschaffenburg weil- ten. Möge die Mir schon in frühester Jugend teure schöne Stadt fortdauernd einer gedeihlichen Entwick-

Friedrich Ritter von Medicus. Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Fotosammlung, Sammlung Stadelmann 48 lung entgegensehen und sich immer neue Quellen sich eine große Anzahl von Bürgern, die sich zu seinem bürgerlichen Wohlstandes erschließen! …“58 Haus in der Ludwigstraße 7a begab (dorthin war von Auch den St.-Michaels-Orden der „IV. Klasse“ empfing Medicus im Jahre 1900 gezogen; vorher, 1882, wohnte er am gleichen Tag als persönliche Auszeichnung vom er in der Dalbergstraße 25, anschließend, ab 1890, in Prinzregent, dem 1891 die „III. Klasse“ folgte. Noch drei- der Kleinen Metzgergasse 5). Mehrere Musikkapellen mal sollten beide Männer in Aschaffenburg zusam- und rund 50 Vereine sowie Mitglieder der drei in der mentreffen (6. Dezember 1895, 4. September 1897 Stadt ansässigen Corps gaben ihm zu Ehren ein Ständ- und 4. Dezember 1902), wobei besonders der Besuch chen, umrahmt mit Musikstücken von Beethoven. von 1897 von größerer Bedeutung war: Einerseits ent- Magistratsrat Ernst Schulz hielt eine kurze Lobrede, hüllte man gemeinsam am 4. September den Ludwigs- nachdem sich der Bürgermeister auf dem Balkon sei- brunnen, andererseits überbrachten Abgeordnete nes Hauses gezeigt hatte. Anschließend feierten alle, „Seiner Majestät“ dem Bürgermeister am 10. Oktober begleitet von der Jäger- und Zieglerkapelle, in der das Ritterkreuz des Verdienstordens der bayerischen „Mainaussicht“ (Obernauer Straße 4) und im „Wurst- Krone. Diese Auszeichnung war mit der „persönlichen bendel“ (Fischergasse 24), soweit es die begrenzten Erhebung in den Adel“ verbunden. Aschaffenburgs Platzverhältnisse zuließen. rechtskundiger Bürgermeister hieß von diesem Tage Am eigentlichen Jubiläumstag, nach der offiziellen an Friedrich von Medicus; 1901, am 12. März, wurde Festsitzung im Rathaus und einem sich anschließend ihm in seiner Eigenschaft als Landratspräsident anläß- für 29 Honoratioren und Persönlichkeiten im Hotel lich des 80. Geburtstages von Prinzregent Luitpold „Adler“ (Strickergasse 9) von Medicus gegebenen Din- noch zusätzlich der Titel „Geheimer Hofrat“ verliehen. ner, begaben sich Gastgeber und Gäste, unter ihnen Als gesellschaftlicher Höhepunkt im Arbeitsleben des Regierungspräsident von Kobell, Würzburgs Bürger- „Ersten Mannes“ der Stadt Aschaffenburg gestalteten meister Dr. von Steidle, Oberforstrat Dr. Hermann von sich die Feierlichkeiten zu seinem 25-jährigen Dienst- Fürst, Rechtsrat Dr. Felix Schwind und Kommerzienrat jubiläum am 3. Juli 1902. Schon am Vorabend waren Franz Woerner in die dekorierten Säle des Deutschen viele Straßenzüge geschmückt, Häuser geflaggt; Hauses. Musikvorträge und Gesänge, Rezitationen, Kundgebungen und Huldigungen der Einwohner- Ansprachen sowie Glückwunsch- und Telegrammver- schaft zeugten von Achtung, Anerkennung und Dank- lesungen (darunter eines von Prinzregent Luitpold) barkeit für all das, was von Medicus im zurückliegen- wechselten sich in zwangloser, aber doch disziplinier- den Vierteljahrhundert an der Spitze des städtischen ter Folge ab. Ein begeisternder Abend, das Stadtober- Gemeinwesens geleistet hatte. haupt stets im Mittelpunkt, war diese Festveranstal- Die Abendveranstaltung am 2. Juli wurde mit einem tung für jeden Teilnehmer. Schon zwanzig Monate Fackelzug eröffnet. Am Bahnhofsplatz versammelte nach diesem glanzvollen Jubiläum, am 30. März 1904, verstarb Friedrich von Medicus, noch keine 57 Jahre alt, in Aschaffenburg. Seine letzte Ruhestätte fand er 58 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 261 vom 18. September 1888. auf dem Altstadtfriedhof. Die Trauerfeierlichkeiten, unter Anteilnahme der Bevölkerung und aller Persön- Häusern für die katholischen Schulen, die 1881 eröff- 49 lichkeiten des öffentlichen Lebens, stellten sein noch net wurden. nicht ganz vergessenes 25-jähriges Dienstjubiläum Auch die Vollendung der geplanten Grundwasserlei- bei weitem in den Schatten. Man konnte seinen Be- tung im Jahre 1888 fiel in seine Amtszeit. Außerdem liebtheitsgrad an dieser Trauerfeier ermessen, zu der konnten 1891 die neue Mainbrücke und der Floßhafen es unter anderem hieß: unter seiner Regie eingeweiht werden. „Außer den zahlreichen Beileidskundgebungen anläß- Nach dem Abbruch des alten Bezirksamtsgebäudes lich des Hinscheidens unseres Herrn Bürgermeisters 1894 waren endlich die Voraussetzungen geschaffen gingen dem Stadtmagistrat noch folgende Tele- worden, um noch im gleichen Jahr die Luitpoldstraße gramme und Beileidsschreiben zu: von den Stadtma- – wie sie heute noch verläuft – anzulegen. Das Bestre- gistraten Rosenheim, Regensburg, Forchheim, Mün- ben, die Mainkanalisation voranzutreiben, beschäf- chen, Hanau und Hof, vom Bayer. Kanalverein, von den tigte ihn während seiner gesamten Amtszeit. Grafen Philipp und Philipp Rudolf von Ingelheim gen. Ferner war die harmonische Gestaltung der Anlagen Echter von und zu Mespelbrunn, von Sr. Excell. Kultus- vom Karlstor zum Herstalltor sein Plan, von dem minister Dr. v. Wehner, Kommerzienrat Frz. Woerner. – Aschaffenburg noch heute optisch und verkehrstech- Auch der schmerzgebeugten teuren Gattin des Ver- nisch profitiert. Nicht zu vergessen aber sind die schon ewigten gehen noch fortgesetzt zahlreiche Kondo- angesprochenen Eingemeindungen von Damm und lenzschreiben und Beileidskundgebungen zu. U. a. Leider im Jahre 1901, die der Stadt steuerliche und haben ihr das Beileid mündlich zum Ausdruck ge- damit wirtschaftliche Vorteile erbrachten. bracht Deputationen des Offizierskorps des 2. Jäger- Alle diese Verdienste würdigte der Stadtrat im Jahre bataillons, des Bezirkskommandos und des Offiziers- 1949, als er ihm zur Erinnerung und Ehrung, gleich korps des Beurlaubtenstandes. Heute Vormittag hat seinem Nachfolger Dr. Wilhelm Matt, eine Straße mit Herr Regierungsrat Priester an der Bahre des Dahinge- seinem Namen benannte. Eine Geste der Erinnerung, schiedenen im Auftrag Sr. k. Hoh. des Prinzregenten die Friedrich von Medicus für immer mit der Stadt einen prachtvollen Kranz niedergelegt, weiter hat Aschaffenburg verbinden wird. noch der unterfränkische Landrat und der Bayer. Ka- nalverein je einen Kranz niedergelegt. Von Seite des Kommandeurs unseres Jägerbataillons wurde die voll- ständige Jägerkapelle zum heutigen Leichenzug abgeordnet.“59 Viele Meriten erwarb sich von Medicus in seiner lan- gen Dienstzeit. Seiner Initiative verdankt Aschaffen- burg unter anderem die Errichtung von zwei neuen

59 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 91 vom 1. April 1904. 50 DR. WILHELM MATT rat Wendelin Matt und dessen Ehefrau Magdalena, (1904–1933) geborene Starck, ließen dem begabten Jungen eine entsprechende Schul- und Studienausbildung zukom- men, die für seinen späteren Aufstieg ausschlagge- Als im Jahre 1904 Hofrat Friedrich Ritter von Medicus bend werden sollte. Nach Ausbildungsjahren an der nach 27-jähriger Dienstzeit als Oberhaupt der Stadt Seminarschule (Übungsschule der katholischen Leh- Aschaffenburg verstarb, konnte niemand ahnen, daß rerbildungsanstalt) von 1878 bis 1882, an der Latein- sein Nachfolger Dr. Wilhelm Matt noch länger im Amt schule bis 1887 und am Gymnasium bis 1891, jeweils sein würde. Ihn nominierte das Zentrum, dem er da- in Speyer, legte er am 14. Juli des gleichen Jahres sein mals noch angehörte, als Gegenkandidat zum libera- Abitur ab. Er entschloß sich danach zum Studium der len rechtskundigen Magistratsrat Dr. Felix Schwind. Rechtswissenschaften und immatrikulierte sich von Mit knapper Mehrheit siegte Matt und wurde mit 32 1891 bis 1895 an den Universitäten München, Berlin Jahren „Erster Mann“ der Stadt Aschaffenburg. Als „Kö- und Heidelberg, um schließlich in München sein Exa- niglicher Hofrat“ der sogenannten „guten alten Zeit“, men abzulegen. als „Geheimer Rat“ in der Weimarer Republik, lenkte Als Doktor der Rechtswissenschaft nahm er seine Matt mit patriarchischer Strenge, viel Autorität und praktische Arbeit am Amtsgericht Speyer, anschlie- wenig Beamten die Geschicke der Stadt; zu Beginn der ßend am Landgericht Frankenthal auf. Den „Bayeri- Diktatur aber mußte er gehen. Seine politische Vorstel- schen juristischen Staatskonkurs“ absolvierte er mit lung deckte sich nicht mit den Absichten der neuen Erfolg im Jahre 1898. Zwischen Offizierslehrgängen in Machthaber. Bleibende Verdienste erwarb sich der den Jahren 1899 und 1900 belegte er ein Semester an gewissenhafte und sparsame Oberbürgermeister der landwirtschaftlichen Hochschule Weihenstephan, schon zu Lebzeiten, diverse geplante Objekte wurden ging danach als Regierungsakzessist nach Lindau und nach seinem Tode noch verwirklicht. Er war weitsichtig Bergzabern, um schließlich im Aschaffenburger Raum genug, um auch für die Zukunft zu planen. Es war für seßhaft zu werden. die Verantwortlichen Aschaffenburgs im Jahre 1949 1902 wurde er Bezirksamtsassessor in , wo daher auch selbstverständlich, nach ihm eine Straße er noch bis zum 8. Februar 1906 heimatberechtigt war; zu benennen. Trotz Weltkrieg, Revolution, Wirtschafts- das Bürgerrecht der Stadt Aschaffenburg erhielt er für krise und Inflation gelang es Matt immer wieder, die eine Gebühr von 80 Mark am 9. Februar des gleichen wirtschaftliche und kulturelle Aufwärtsentwicklung Jahres. der Stadt Aschaffenburg in kleinen Schritten zu för- Am 20. Mai 1904 wurde Dr. Wilhelm Matt zum rechts- dern. kundigen ersten Bürgermeister der Stadt Aschaffen- Am 16. Juli 1872 wurde Wilhelm Matt in Speyer gebo- burg als Nachfolger von Friedrich Ritter von Medicus ren. Sein Bruder Franz Matt (1860–1929) war von 1920 gewählt. bis 1926 bayerischer Kultusminister und stellvertre- Die feierliche Installation des neuen Stadtoberhauptes tender Ministerpräsident. Seine Eltern, der Kreisschul- fand am 16. November 1904 im Deutschhaussaal un- ter Beteiligung der gesamten Aschaffenburger Promi- sich zusammengefunden in freudiger Erregung, um 51 nenz statt. Bezirksamtmann Ludwig von Rücker Eure Kgl. Hoh. wieder so rüstig begrüßen zu dürfen. (1865–1949) hielt die Festansprache, nahm den Mit dem Frühlingserwachen und dem Grünen der Diensteid ab und überreichte anschließend die gol- herrlichen Natur verbinden sich unsere Wünsche, Eure dene Bürgermeisterkette. Matt dankte allen und sagte Kgl. Hoh. möge recht schöne Tage in Aschaffenburg daraufhin unter anderem: verbringen und recht lange bleiben.“61 „Er habe das Bewußtsein, daß man sich auf einer mitt- Für diese herzliche Aufnahme und das persönliche leren Linie, auf einem gemeinsamen Boden zusam- Engagement des Bürgermeisters bedankte sich der menfinden werde. Das Wohl der Stadt sei das letzte Prinzregent am 11. April selbst mit einem Geschenk, Ziel jeder kommunalen Politik und auf diesem Boden dem folgende Zeilen beilagen: müsse man sich zusammenfinden. Er beanspruche die „Mein lieber Hofrat Dr. Matt! Ich finde mich bewogen, Respektierung seiner persönlichen Freiheit, aber des- zur Erinnerung an die schönen und frohen Tage, die halb werde er niemals die religiöse oder politische ich jüngst in Meinem lieben Aschaffenburg zuge- Überzeugung eines anderen antasten, sondern er bracht habe, für das Rathaus der Stadt Mein Reliefbild- werde sie achten. Er werde nach Recht und Gerechtig- nis in Bronze von Professor Hildebrand zu widmen. keit seines Amtes walten …“60 Mit huldvollen Gesinnungen Ihr Wohlgeneigter Nach einem Festmahl im Hotel „Adler“, zu dem Magist- Luitpold.“62 ratsrat Franz Matthäus Haus und Kaufmann Ernst Vay Weitere hohe Besucher zog es in der Folgezeit nach eingeladen hatten, begann für den neuen „ersten Aschaffenburg und Dr. Wilhelm Matt repräsentierte für Mann“ der dienstliche Alltag, der fast dreißig Jahre seine Stadt: Am 18. November 1913 kam König Lud- dauern sollte. wig III., am 18. August 1915 Königin Marie Therese. Die Dr. Wilhelm Matt, der beruflich und gesellschaftlich be- Monarchin war vom Empfang durch die Bevölkerung reits eine glänzende Karriere hinter sich hatte (am und von der persönlichen Anteilnahme des Bürger- 2. Dezember 1911 wurde ihm der Titel und Rang eines meisters so begeistert, daß sie kurz nach ihrer Rück- „Königlichen Hofrates“ verliehen), sollte in den folgen- kehr dem Aschaffenburger Magistrat eine Anweisung den Jahren auch Kontakt mit der königlichen Familie von eintausend Mark übersandte (zur Unterstützung bekommen. Als Prinzregent Luitpold am 31. März 1912 der Kriegerfamilien), deren Empfang am 1. September mit einem Sonderzug nach Aschaffenburg kam, emp- 1915 von Dr. Matt bestätigt wurde. Zwischenzeitlich fing ihn Dr. Matt (an seiner Seite befand sich auch der wurde Dr. Matt am 7. Januar 1917 von König Ludwig III. Kommandant des Jägerbataillons Oberstleutnant Han- zum Oberbürgermeister ernannt.63 nappel) mit folgenden Worten am Bahnhof: „Allerdurchlauchtigster gnädigster Regent und Herr! Bürger aus allen Kreisen von Stadt und Land haben 61 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 162 vom 1. April 1912. 62 Brief des Prinzregenten Luitpold vom 11. April 1912 an Dr. Wilhelm Matt. 60 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 317 vom 16. November 1904. 63 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, MInn, 80445. 52 Noch einmal, am 2. Mai 1917, besuchte König Lud- guliert, der Anschluß an die Großschiffahrt durch den wig III. Aschaffenburg – die Stadt und Dr. Wilhelm Matt Ausbau des Hafens gefunden, das Elektrizitätswerk in waren wiederum glänzende und aufmerksame Gast- Leider errichtet sowie die Oberreal- und Meisterschule geber, von denen „Seine Majestät“ begeistert war. gebaut; die Erbauung der Herz-Jesu-Kirche in Aschaf- Selten allerdings verlief das Leben dieser Zeit – der fenburg, der Sankt-Josefs-Kirche in Damm und der Erste Weltkrieg dauerte nun schon drei Jahre – in so Sankt-Laurentius-Kirche in Leider fielen in seine Amts- trügerischer Harmonie mit einem König als romanti- zeit. Ferner siedelten sich neue Industriebetriebe an scher Kulisse. Ungleich schwerer war der Alltag der (Kleider- und Meßwerkzeugfabriken, Güldner-Moto- Einwohner; Hunger und Not waren ständige Begleiter, renwerke, Heckmann’sches Kupferwerk), Wohnungen politische Zwistigkeiten, auch „staatsfeindliche Propa- wurden gebaut oder saniert, die Stadtbeleuchtung ganda“ beherrschten den Kriegssommer 1917. erweitert, die gärtnerische Pflege der Grünanlagen Aschaffenburgs Oberbürgermeister bezog in dieser gefördert. Auf dem Sozialsektor stand die Jugendfür- chaotischen Zeit mit ihren politischen und sozialen sorge im Vordergrund (der Oberbürgermeister war ihr Mißverhältnissen eindeutig Stellung. So berichtete er gesetzlicher Vertreter), schulärztliche Pflichtuntersu- auf Anfrage der Regierung in Würzburg am 20. Juni chungen sowie die Kinderspeisung der ärmeren Be- 1917 über das politische Klima der Stadt und des völkerungsgruppen wurden eingeführt. Landkreises sowie über die Stimmung im allgemei- Stolz konnte das Stadtoberhaupt auf diese Errungen- nen, nachdem er selbst vier Wochen lang Bahnfahrten schaften blicken, als es am 15. November 1929 sein unternommen, Wirtshäuser besucht und auch durch 25-jähriges Dienstjubiläum feierte. Zu der Festveran- Dritte Untersuchungen hatte anstellen lassen. Sein staltung im Sitzungssaal des Schlosses hatte der Stadt- Resultat: rat eingeladen und alle kamen: Honoratioren und „Die Schwätzer (bezüglich staatsfeindlicher Umtriebe) Persönlichkeiten, die städtische Beamtenschaft, alle seien keineswegs verkleidete Agenten, sondern Stadtpfarrer, Vertreter von Vereinigungen und Par- waschechte Feldgraue, die in Bahnzügen und Wirt- teien, Deputationen der Lehrerschaft, der Caritas, des schaften derartiges unverantwortliches Zeug (Agita- Lesevereins und der Landpolizei sowie Arbeiter der tion gegen den Staat und das Militär) verbreiten.“64 städtischen Betriebe. Zahlreiche schriftliche und tele- Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges begann un- graphische Glückwünsche von auswärtigen Städten, ter Leitung des Oberbürgermeisters (er wurde nun Behörden, Amtskollegen und Vereinen sowie von der Mitglied der Bayerischen Volkspartei) unter schwie- israelitischen Kultusverwaltung, dem Minister des In- rigsten Bedingungen, begleitet von finanziellen Eng- nern, des jetzigen und ehemaligen Regierungspräsi- pässen, ein erneuter industrieller und sozialer Auf- denten und vom Würzburger Bischof trafen ein. Dazu schwung der Stadt: Straßen wurden angelegt oder re- schrieb die „Bayerische Staatszeitung“:

64 Schreiben an die Regierung von Unterfranken am 20. Juni 1917, in: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, MInn, 66328. „Am 15. ds. Mts. sind 25 Jahre verflossen, seit Oberbür- 53 germeister Dr. Wilhelm Matt an der Spitze der Stadt Aschaffenburg steht. Ein geborener Pfälzer, Sohn des früheren Kreisschulrates Matt und jüngster Bruder des kürzlich verblichenen, unvergeßlichen Kultusministers Dr. Matt, war Dr. Wilhelm Matt zunächst einige Jahre im Staatsverwaltungsdienst tätig und wurde dann am 16. November 1904 zum ersten Bürgermeister von Aschaffenburg gewählt. Seine Wirksamkeit hat der Stadt Aschaffenburg reichen Segen gebracht. Klar und zielbewußt, ohne Menschenfurcht, mit einem Herzen voll Liebe für die Heimat hat er seine Stadt geführt. Seiner rastlosen Förderung aller Wirtschaftszweige und Stände verdankt die Stadt ihre aufstrebende Ent- wicklung. Es gelang seinem Weitblick, den großen Umschlaghafen am Main für Aschaffenburg zu gewin- nen und damit das Wirtschaftsleben seiner Stadt neu zu befruchten. Auch die Unterbringung der Stadtver- waltung im Aschaffenburger Schloß ist sein Verdienst. Dr. Matt hat sich aber auch weit über den Umkreis sei- ner Stadt hinaus betätigt durch seine Wirksamkeit als Präsident des Kreistages von Unterfranken. Er führt dieses Amt seit 1920 und wurde im Jahre 1928 als Zei- chen uneingeschränkten Vertrauens aller Bevölke- rungskreise einstimmig wiedergewählt. Wir wünschen der Stadt Aschaffenburg und dem Kreis Unterfranken, daß ihnen die Arbeitskraft dieses selte- nen Mannes noch lange Jahre in ungebrochener Fri- sche und Rüstigkeit erhalten bleibt!“65 Seine Mitarbeiter überreichten ihm aus diesem Anlaß ein Bild des Malers Adalbert Hock (Schloß mit Main- landschaft), der Stadtrat überbrachte ein Bronzerelief mit einer Darstellung des Oberbürgermeisters, ein

65 Bayerische Staatszeitung, Nr. 263 vom 14. November 1929.

Dr. Wilhelm Matt mit Orden und Amtskette am Tage seines 25-jährigen Dienstjubiläums am 15. November 1929. Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Fotosammlung 54 Kopfbildnis mit der Aufschrift: „Dr. Wilhelm Matt, Ober- „Sehr verehrte Frau Geheimrat! bürgermeister und Geheimer Rat”. Dieses Bronzerelief Durch den so unerwartet frühen Tod Ihres lieben Man- mit seinem Bild sollte für alle Zeiten im Sitzungssaal nes sind Sie in tiefste Trauer versetzt worden. Als ich des Stadtparlamentes (egal an welchem Ort) hängen, heute früh diese Trauerkunde erhielt, war ich ganz er- aber schon bei der Stadtratswahl im gleichen Jahr deu- schüttert. Denn ich hatte keine Kenntnis von einer Er- tete sich an, was knapp vier Jahre später Wirklichkeit krankung des Geheimrates. Vom Herzen spreche ich werden sollte: Der demokratische Staat von Weimar, an Ihnen und Ihren Söhnen mein innigstes Beileid aus. dem der überzeugte Katholik Dr. Wilhelm Matt mitge- Ich tue dies umso aufrichtiger, als ich in dem zu Gott arbeitet hatte, mußte den Nationalsozialisten weichen. Heimgegangenen einen treuen Freund und Mitarbei- Im März des Jahres 1933 endete schließlich die lange ter gefunden hatte. Er war von Grund aus ein apostoli- „Ära Matt“, allerdings unter beschämenden Vorausset- scher Mann. Was er für den ganzen Kreis Unterfranken zungen. Unter der Überschrift „Bayern wird gesäubert“ und Aschaffenburg getan hat, ist unvergänglich und teilte der „Völkische Beobachter“ in seiner Ausgabe Nr. bleibt unvergessen. Der Stadt Aschaffenburg war er 84/85 mit, daß die „Vertreibung des Marxismus in Stadt durch Jahrzehnte hindurch ein wahrer Vater. Ich bin und Land“ endlich begonnen habe. Nun war Aschaf- tief bewegt über die unermüdliche und segensreiche fenburgs Oberbürgermeister alles andere als ein Mar- Tätigkeit des Verstorbenen in unserem Diözesansteu- xist, aber eine Brücke zum Nationalsozialismus gab es erausschuß und vor allem für den Aufbau des Reiches für ihn nicht. Am 23. März 1933 teilte er seinen Rück- Gottes. Lebhaft stehen vor meiner Seele die großen tritt mit, der mit Sicherheit keine gesundheitlichen Tage der Einweihung der herrlichen Kirchen Herz-Jesu Gründe hatte.66 und Sankt Josef, sowie der Kirche im König-Ludwig- Eine glatte politische Erpressung lag auf der Hand, haus. Sie tragen ein gut Stück seiner Sorgen und sei- darüber täuschten auch keine anderslautenden Be- nes Geistes. In ihnen hat er gebetet und geopfert. Sie richte und Erklärungen in den Medien, keine fingier- bleiben aber auch ein Ruhmesblatt in seinem Leben. ten Abschiedsveranstaltungen hinweg. Was wir aber besonders an dem Verstorbenen ehren Lange brauchte sich Dr. Wilhelm Matt die Zerstörung und schätzen müssen, war seine persönliche Einfach- der Demokratie nicht mehr anzusehen, denn bereits heit und Frömmigkeit. Trotz seiner gehobenen Stel- drei Jahre nach der Machtergreifung des „Führers“ ver- lung und seiner reichen Verdienste im öffentlichen starb er am 23. Januar 1936 im Alter von 64 Jahren. Der Leben blieb er stets der edle und stille Charakter. Von Würzburger Bischof Dr. Matthias Ehrenfried gab ihm Innen heraus volksverbunden fühlte und lebte er mit zusammen mit anderen Trauernden das letzte Geleit. dem Volke. Daher reihte er sich unter die übrigen ka- In einem Brief an die Witwe kondolierte der Bischof tholischen Männer in der Marianischen Männersodali- persönlich; darin schrieb er: tät und im dritten Orden. Er kniete und betete neben dem einfachsten Manne aus dem Volke in der Kirche. Dieses apostolische Beispiel in Aschaffenburg ist mir 66 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 122 vom 29. Mai 1982. eine tröstliche Erinnerung an den teueren Verstorbe- nen, und ich zweifle nicht, daß gerade deswegen sein Viele trauernde Freunde und Verwandte, seine Gattin 55 ewiger Lohn ein reicher sein wird. Irene, geborene Harder, sowie seine beiden Söhne Morgen in aller Frühe werde ich für ihn eine heilige Dr. Franz Matt und Dr. Willi Matt mit Familien begleite- Messe lesen und dann zu seiner Beisetzung eilen. Sie ten ihn schließlich zur letzten Ruhestätte auf den Alt- selbst aber, sehr verehrte Frau Geheimrat, mögen sich stadtfriedhof. Ein Abguß seines Bronzereliefs, das in dem Gedanken trösten, daß der Verstorbene nur einstmals den Sitzungssaal des Stadtrates schmücken von Ihnen zu Gott ging, aber stets mit Ihnen eng ver- sollte, steht heute an der Kopfseite seines Grabes. bunden bleibt. Vom Himmel her ist er Ihr Berater und Fürbitter. Er wird seine väterliche Sorge und Liebe am Herzen Gottes fortsetzen. Mit Gruß und Segen Matthias Bischof von Würzburg.“67

67 Brief des Würzburger Bischofs Dr. Matthias Ehrenfried an die Witwe Irene Matt vom 24. Januar 1936. 56 WILHELM WOHLGEMUTH „Mein seit mehreren Jahren bestehender leidender (1933–1945) Zustand hat sich seit Oktober 1932 leider bis heute derart gesteigert, daß ich mich den weiters bevorste- henden Anforderungen meines Amtes nicht mehr so Das Ergebnis der letzten halbwegs freien Reichstags- gewachsen fühle, wie ich es wünschte und gewohnt wahl am 5. März 1933 zeigte nicht nur im Deutschen war. Aus diesem Grunde und unter Bezugnahme auf Reich, sondern auch in Aschaffenburg den unaufhalt- beiliegendes ärztliches Zeugnis beantrage ich deshalb samen Aufstieg der nationalsozialistischen Anhänger- meine sofortige Inruhestandsversetzung nach bald schaft. Mit 7518 kamen die Nationalsozialisten den 28½jähriger Dienstleistung als Erster Bürgermeister … 8485 Stimmen der Bayerischen Volkspartei – die SPD Dr. Matt, Oberbürgermeister brachte es noch auf 3578 Stimmen – im Stadtbezirk Geheimer Rat“ sehr nahe. Die Bevölkerung hatte durch dieses Wahlre- Dieser Rücktrittserklärung lag ein von Dr. Ludwig Lurz sultat noch einmal erkennen lassen, „daß sie der ge- ausgefertigtes ärztliches Zeugnis bei, das seine genwärtigen Regierung ihr Vertrauen schenken will … „Dienstunfähigkeit“ attestierte. Tatsächlich mußte Hoffentlich werden durch diese Wahl die Verhältnisse Matt aber dem politischen Druck weichen. An seine etwas stabiler, damit es dem deutschen Volke auf län- Stelle rückte eine Woche später ein Mann, dessen par- gere Zeit erspart bleibt, wieder an die Wahlurne zu teipolitische Haltung den „neuen Herren“ genehmer treten“.68 Zur Wahlurne mußte die Bevölkerung zwar war: der Kreisleiter der NSDAP, Wilhelm Wohlgemuth. noch einige Male, frei zu wählen gab es aber nichts Wilhelm Wohlgemuth, Sohn des Verwaltungsinspek- mehr. Als der Reichstag am 23. März gegen die Stim- tors gleichen Vornamens und dessen Ehefrau Jose- men der Sozialdemokraten das „Ermächtigungsge- phine, geborene Wanner, wurde am 18. Dezember setz“ verabschiedete, war jede Hoffnung dahin, das 1900 in Pfaffenhofen an der Ilm geboren. Nach Absol- Schicksal der Weimarer Republik besiegelt. Es begann vierung der Volksschule und des Humanistischen eine Epoche der deutschen Geschichte, in der alle libe- Gymnasiums kam Wohlgemuth über Bamberg nach ralen Kräfte verfolgt und durch Unfreiheit und Terror Scheßlitz. Dort begann seine Verwaltungslaufbahn, ersetzt wurden. die er im Juni 1918 unterbrechen mußte, da er einge- Auch Aschaffenburgs langjähriger Oberbürgermeister zogen wurde. Die letzten Kriegsmonate verbrachte er Dr. Wilhelm Matt, Mitglied der Bayerischen Volkspartei, in Belgien, kehrte dann ohne körperliche Schäden mußte dem neuen System weichen. Was lag näher, als über Aachen in seine Heimat zurück. seinen „Rücktritt“ mit einer Krankheit zu begründen. Er Im Jahre 1920 übersiedelte Wilhelm Wohlgemuth ließ dann auch am 23. März 1933 dem Stadtrat mittei- nach Aschaffenburg, wohnte zunächst in der Stifts- len, was ihn zu seinem Abschied bewogen habe: gasse 7 und trat als Beamter beim hiesigen Finanzamt seinen Dienst an. Am 23. März 1923 heiratete er hier die am 25. Mai 1893 in Urspringen, Kr. Marktheiden- 68 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 54 vom 6. März 1933. feld, geborene Maria Huber (sie verstarb am 2. Januar 1963 in Aschaffenburg). Bis zu seinem politischen Auf- rende Politiker – Alfred Hugenberg und Franz von Pa- 57 stieg, der mit dem Eintritt in die NSDAP am 10. März pen – den „Führer“ zu bremsen, die SPD beschloß, ei- 1926 begann (Mitgliedsnummer 31831 im Gau Unter- nen formellen Mißtrauensantrag gegen die neue Re- franken), war er als Steuerberater tätig und wohnte gierung einzubringen, aber schon am 1. Februar „Am heißen Stein“ Nr. 5. wurde der Reichstag aufgelöst und die Neuwahlen am Neben der Ernennung zum Kreisleiter der NSDAP 5. März brachten das eingangs schon erwähnte Ergeb- durch Fürsprache seines „Kampfgefährten“ Dr. Otto nis; die daraus resultierenden Folgen am 23. März Hellmuth, Gauleiter von Mainfranken, und dem Einzug („Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ in den Aschaffenburger Stadtrat wurde Wohlgemuth oder „Ermächtigungsgesetz“) sind bekannt. am 24. April 1932 als Abgeordneter in den Bayerischen In Aschaffenburg machten sich die „neuen Zustände“ Landtag gewählt. Durch diese Position auch innerhalb schon etwas früher, wenn auch vorerst nur sporadisch, der Partei gefestigt, erschien er nun als gefragter Red- bemerkbar. Das sozialdemokratische Presseorgan, die ner immer häufiger auf Veranstaltungen und bei Ver- „Aschaffenburger Volkszeitung“, wurde vom 17. bis sammlungen, um für die NSDAP und damit für Adolf zum 25. Februar von der unterfränkischen Kreisregie- Hitler zu werben. So sprach er zum Beispiel in Leider, rung in Würzburg für eine Woche verboten. Die totale flankiert von der SA, am 25. Oktober 1932 über die Auflösung dieser Zeitung erfolgte schließlich am „sterbende Sozialdemokratie“ und empfahl den Zuhö- 15. März. Drei Tage danach schwenkte auch die bis rern und unschlüssigen Wählern: dahin als liberal geltende „Aschaffenburger Zeitung“ „… wenn man schon nicht nationalsozialistisch wäh- um; der „Beobachter am Main“ war schon einige Tage len wolle, dann wäre es schon besser kommunistisch früher, am 9. März, nach mehreren Warnungen seitens und nicht sozialdemokratisch zu wählen.“69 der NSDAP zur „Gleichschaltung“ übergegangen, be- Da die KPD vor den letzten Wahlen auf „Einheitsfront- hielt allerdings bis zu seinem Verbot im Jahre 1941 ei- kurs“ einschwenkte, war deshalb seine Empfehlung nen gewissen liberalen Tenor bei. dahingehend zu verstehen, den „Hauptschlag“ gegen Bei seiner Amtseinführung als kommissarischer Erster die SPD zu führen. Aber nicht nur gegen die Sozialde- Bürgermeister (Stellvertreter: Diakon und Stadtrat mokratie, sondern gegen jede Art von Demokratie, Schauer) sagte Wohlgemuth unter anderem: „… er sei mit „legalisierten Terrormethoden“, wurde langsam sich bewußt, welche schwere Bürde er auf sich genom- aber sicher die „Hitler-Ära“ geboren – und Wilhelm men habe, doch gäbe es für ihn keine eigenen Wün- Wohlgemuth war einer der vielen Helfer. sche, sondern als Nationalsozialist stelle er sich auf den Als am 30. Januar 1933 Reichspräsident Paul von Hin- Posten, der von seiner vorgesetzten politischen Stelle denburg (1847–1934) Adolf Hitler mit der Regierungs- ihm angewiesen wurde. Nicht persönlicher Ehrgeiz bildung beauftragte, begann der nationale Abstieg oder Geltungsbedürfnis sei es, sondern die Pflicht, am des Deutschen Reiches. Noch einmal versuchten füh- Aufbau des neuen Staates mitzuhelfen …“.70

69 Aschaffenburger Volkszeitung, Nr. 248 vom 27. Oktober 1932. 70 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 76 vom 31. März 1933. 58 Diese Aussage war jedoch nur Spott und Hohn, denn in den Medien, überschwenglichen völkischen Veran- am gleichen Tag begann auch der nationalsozialisti- staltungen und ähnlichem überfahren und abgelenkt. sche Terror – Judenverfolgung, Untersagung der Eine der ersten Amtshandlungen als Stadtoberhaupt freien Meinungsäußerung, Kampf gegen alle „System- vollzog Wilhelm Wohlgemuth noch am Tag seines feinde“ mit Hilfe der SS und der SA – und Wilhelm Amtsantrittes: Auf seinen Antrag hin wurden Reichs- Wohlgemuth verfocht diese Linie getreu seinem Füh- präsident Paul von Hindenburg, Reichskanzler Adolf rer. Hitler und der Reichsstatthalter von Bayern, Franz Rit- Nach dem „Ermächtigungsgesetz“ und dem ersten ter von Epp, zu Ehrenbürgern der Stadt Aschaffenburg Gesetz „zur Gleichschaltung der Länder mit dem ernannt.71 Reich“ (31. März) festigten die Nationalsozialisten in Nach dem Abschluß seines Dienstvertrages wurde der Stadt ihre ohnehin schon führende Position; am Wilhelm Wohlgemuth am 19. Mai der offizielle Titel ei- 6. April verkündete die „Aschaffenburger Zeitung“ die nes Oberbürgermeisters verliehen. Er widmete sich Auflösung des Stadtrates, dessen neue Zusammenset- aber nicht nur dieser Repräsentativaufgabe, sondern zung bereits vier Tage später erfolgte: er bestand jetzt fühlte sich auch als Kreisleiter der NSDAP und als Un- aus 24 ehrenamtlichen Stadträten, je zehn Sitze für die tersturmführer (später Obersturmbannführer) der SS rechten Parteien (Nationalsozialisten und Deutschna- sehr wohl. Eigentlich zog er sogar die letztgenannten tionale) und für die Bayerische Volkspartei sowie vier Posten vor, erhielt dafür auch das goldene Partei-Eh- Sitze für die Sozialdemokraten. Dieser Stadtrat war je- renzeichen. doch eine Farce, was die erste Sitzung am 27. April Am 27. November 1933, in der 7. Sitzung des Stadtra- auch verdeutlichte: Auf Vorschlag des Vorsitzenden tes, erhielt Oberbürgermeister Wilhelm Wohlgemuth der NSDAP-Fraktion, Ludwig Schauer, wurde der bis- seinen abgeschlossenen Dienstvertrag. Dieser lautete herige Erste Bürgermeister Wilhelm Wohlgemuth als wie folgt (Auszug): ordentliches besoldetes Stadtoberhaupt eingesetzt. „Dem Beschlusse des 1. Ausschusses vom 21. Juni Der Anstellungsvertrag gelangte vorsorglich, im Ein- 1933 wird zugestimmt. Die Bestimmungen über die vernehmen mit allen Beteiligten, zwecks Genehmi- Gehaltsverhältnisse werden so geändert: Das Gehalt gung an die Regierung in Würzburg, war aber nur des Herrn Oberbürgermeisters bemißt sich nach den Formsache. bayer. Richtlinien zum Vollzug der zweiten BAV für be- Bisher genügten vier Abgeordnete im Aschaffenbur- rufsmäßige Erste Bürgermeister in Städten von 30.000 ger Stadtrat, um eine Fraktion zu bilden. NSDAP und bis 50.000 Einwohnern, welche mit 9.000 RM Grundge- BVP, die „gemeinsam arbeiteten“, setzten aber die Frak- halt beginnen und mit 14.000 RM Grundgehalt enden. tionsstärke auf fünf Mandate herauf, so daß die SPD Durch Beschluß des Stadtrates ist diese Spanne in fünf völlig ausgeschaltet werden konnte. Die Stadt war nun fest im nationalsozialistischen „Griff“. Die Bevölkerung 71 Die Ehrenbürgerschaft der genannten Personen wurde 1981 konnte diesem politischen Schauspiel kaum folgen, nochmals formell aufgehoben, vgl. SSAA, ProtS, 177, Sitzung des Ältestenrats vom 9. September 1981, S. 2951, und ProtS, wurde mit Propaganda, verfälschter Berichterstattung 172, Sitzung vom 14. September 1981, S. 125. Gehaltsstufen geteilt, welche den zweijährigen Vorrü- tritten neue Kontakte zu den Bewohnern der Stadt, 59 ckungen des Herrn Wohlgemuth zugrunde zu legen indem er einmal im Jahr (meist zu Pfingsten) für das sind. In Berücksichtigung der im Reichsdienst zurück- Hilfswerk „Mutter und Kind“ Papierblumen und An- gelegten Dienstzeit wird Herr Wohlgemuth eingereiht stecknadeln verkaufte. in die zweite Gehaltsstufe ab 1. Mai 1933 mit Seine Stellung gegenüber der jüdischen Bevölkerung 10.200 RM Grundgehalt, Wohnungsgeldzuschuß nach wird am besten an einem Ereignis sichtbar, das sich am Tarifklasse II – Ortsklasse B, Kindergeldzulagen nach 14. Juli 1935 im Schwimmbad zu Heigenbrücken ab- staatlichen Bestimmungen und nichtpensionsfähige spielte und typisch für jeden Parteifunktionär, Aufwandsentschädigungen von 1.000 RM jährlich …“.72 SS-Mann und überzeugten „Herrenreiter“ war. Dort Der durch diesen Vertrag gut besoldete Beamte Wil- kam es zu einer judenfeindlichen Kundgebung, auf helm Wohlgemuth sollte in den kommenden elf Jah- der rund 20 jüngere Schwimmbadbesucher die Entfer- ren die Geschicke der Stadt unter nationalsozialisti- nung der anwesenden Juden verlangten. Sprechchöre scher Flagge leiten. Seine politischen Zukunftsvorstel- forderten: „Hier ist ein deutsches Bad, Juden haben lungen faßte er am 30. Dezember 1933 so zusammen: keinen Zutritt, hinaus mit ihnen“. „Das vergangene Jahr hat die nationalsozialistische Mit Rücksicht auf diese allgemeine Empörung und die Revolution gebracht. Mit dem Jahre 1932 ist die Revo- zu befürchtenden Unruhen hatte sich der zufällig an- lution beendigt, aber die nationalsozialistische Bewe- wesende Wilhelm Wohlgemuth an den Bademeister gung hat am Ende des Jahres erst ihr Anfangsstadium gewandt und die Hinausweisung der Juden verlangt. durchlaufen. Die Revolution dieses Jahres war ja keine Der Bademeister lehnte das Ersuchen Wohlgemuths Revolte, die um ihrer selbst willen gemacht wurde, ab, da er nur den Anordnungen der Badeverwaltung sondern eine Revolution im vollsten und besten Sinne Folge zu leisten hätte. Nach einem Eklat zwischen ihm des Wortes, also eine Umwälzung, eine Umgestaltung und dem Bademeister stand einige Tage später eine des öffentlichen Lebens, des völkischen Lebens und Tafel am Schwimmbadeingang, auf der zu lesen war: der Weltauffassung überhaupt …“73 „Juden ist der Zutritt verboten“. Diese Weisung hat Als wirtschaftliche und kulturelle Ziele lagen ihm un- Wohlgemuth sicher nicht in seiner Funktion als Ober- ter anderem die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, das bürgermeister der Stadt Aschaffenburg, sondern als gesunde Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben im Kreisleiter der NSDAP erlassen. Finanzhaushalt der Stadt, die Errichtung eines Krieger- In der Folgezeit gestaltete der „Erste Mann“ der Stadt denkmales, eines Hitlerjugendhauses, die Förderung weiterhin das Kulturgeschehen nach nationalsozialis- im Wohnungsbau sowie der Ausbau der Autostraßen tischen Erwägungen. Als Beilage der neuen parteiamt- besonders am Herzen. In der Öffentlichkeit stets in lichen „Aschaffenburger Zeitung“ erschienen zum Bei- akurater Uniform, suchte er mit seinen karitativen Auf- spiel von 1938 bis 1941 unter dem Titel „Heimat und Geschichte“ Aufsätze und Artikel, die über Menschen und ihre Vergangenheit in Aschaffenburg und der na- 72 SSAA, ProtS, 23, Stadtratsprotokoll vom 17. November 1933, Nr. 152. 73 Aschaffenburger Zeitung, Nr. 299 vom 30. Dezember 1933. hen Umgebung berichteten. Ein Jahr darauf, am 60 21. Januar 1939, ließ er im Rahmen der Neugestaltung System“, für die unermüdliche Treue und Verbunden- des städtischen Archivwesens Bestimmungen ausar- heit gegenüber der NSDAP, erhielt er schließlich ein beiten, was das Stadt- und Stiftsarchiv unter der Lei- letztes Mal den gebührenden Lohn von der hohen tung von Dr. Josef Wirth in Zukunft zu bewältigen Obrigkeit: Auf Vorschlag des Beauftragten der NSDAP habe, den völkischen Gedanken stets vor Augen. und mit Zustimmung des Reichsstatthalters in Bayern Das „Regieren und Repräsentieren“ als Oberbürger- wurde Wilhelm Wohlgemuth mit Wirkung vom 1. Juli meister ging für ihn vorübergehend kurz zu Ende, als 1943 abermals als Oberbürgermeister, diesmal auf Le- er sich – gehorsam gegenüber „Volk und Führer“ – am benszeit, berufen. 26. März 1940 freiwillig zur Wehrmacht meldete, um „Ungünstige politische Verhältnisse“ und eine gewisse an der Front „seinen Mann“ zu stehen. Er nahm nach Überforderung in diversen Funktionen und Obliegen- kurzer Ausbildungszeit am Frankreich-Feldzug teil, heiten im letzten Kriegsjahr führten aber ein Dreivier- wofür er nach seiner Rückkehr mit dem Eisernen Kreuz teljahr später zu seiner Abberufung. Mit Entschließung II. Klasse ausgezeichnet wurde. Nachdem Wilhelm des Regierungspräsidenten in Würzburg (Nummer Wohlgemuth vom Frankreich-Feldzug im Jahre 1940 8 011 b 10) vom 1. April 1944 wurde Wilhelm Wohlge- in seine Heimatstadt zurückgekehrt war, widmete er muth für die Dauer des Krieges von seinem Amt als sich erneut den anliegenden Pflichten und Aufgaben Oberbürgermeister beurlaubt. sowie der Parteiarbeit. Für diesen „Einsatz in Amt und Die Leitung der Stadtverwaltung übernahm nun Rechtsrat Hugo Häusner (am 28. März 1945 ordnete Wohlgemuth in seiner Eigenschaft als Kreisleiter der NSDAP die totale Stillegung der Behörde an). Nun widmete sich Wilhelm Wohlgemuth nur noch sei- ner Parteidienststelle. Er eilte zu Veranstaltungen und Versammlungen, erinnerte mit aussichtslosen Durch- halteparolen die Parteifreunde an das große Endziel, beschwor in Appellen und Mahnungen, daß die „vorü- bergehende Krise“ zu bewältigen sei, und ehrte die gefallenen Soldaten des Krieges. In den letzten Kriegstagen (25. März 1945) hielt sich Wohlgemuth im Keller des Nordflügels des Schlosses auf und erkannte endlich die hoffnungslose Situation der Stadt, sah auch keine Aussicht zu ihrer Verteidi- gung mehr (27. März), nachdem er vom Kommandan- ten, Major Emil Lamberth, über die bevorstehende Übergabe unterrichtet worden war. Am 2. April verließ er Aschaffenburg, wurde aber fünf Tage später verhaf-

Wilhelm Wohlgemuth. Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Fotosammlung, Sammlung Stadelmann tet. Sein Weg war zu Ende, seine Träume verflogen, das Jahre vergehen, bis es zu einem endgültigen Beschluß 61 Dritte Reich, seine politische Heimat, gab es nicht kam: „keine Bezüge für Wilhelm Wohlgemuth“ lautete mehr. schließlich der Entscheid des Bayerischen Gerichtsho- Am 21. September 1948 wurde Wilhelm Wohlgemuth fes, der keine Revisionsmöglichkeit beim Bundesge- von der Spruchkammer Aschaffenburg-Stadt als Betrof- richtshof mehr zuließ. fener der Gruppe II unter Auferlegung folgender Sühne- Wilhelm Wohlgemuth, geschlagen und vereinsamt, maßnahmen verurteilt: Vier Jahre Sonderarbeit, auf die zog noch einmal um, wohnte fast eineinhalb Jahr- drei Jahre der Internierungshaft angerechnet wurden, zehnte in der Odenwaldstraße 34, wo er, so gut es Abgabe von 500 DM in einen Wiedergutmachungs- ging, mit einem Steuerberaterbüro seinen Lebensun- fonds, lebenslängliche Unfähigkeit, ein öffentliches terhalt verdiente. Am 6. April 1978 verstarb der ehe- Amt zu bekleiden und die politischen Rechte auszu- malige Oberbürgermeister der Stadt Aschaffenburg. üben. Ferner erhielt er die Auflage, auf die Dauer von Als Nachtrag sei noch zu bemerken: In seine Amtszeit fünf Jahren nur in gewöhnlicher Arbeit tätig zu sein. fielen einige lokalgeschichtliche Veränderungen, die Jahre später, 1952, war er wieder in seinem alten Beruf seine Handschrift trugen: Die Besiedlung Nilkheims, tätig, mit dem er einstmals sein Geld verdient hatte: als mit der eine Ausweitung der Stadt am linken Mainufer Steuerberater im Haus Schloßplatz Nr. 5. erreicht wurde, die Planung der Strietwald-Siedlung, Dreizehn Jahre nach Kriegsende klagte er, zunächst der Beginn eines städtischen Omnibusverkehrs sowie erfolgreich, um eine Pension: Am 16. Dezember 1958 das Stadtbad und die Jugendherberge. Wilhelm Wohl- hob das Verwaltungsgericht Würzburg zwei frühere gemuth war ein Oberbürgermeister des Dritten ablehnende Beschlüsse des Aschaffenburger Stadtra- Reichs, getragen von den politischen Zielen der Natio- tes auf und verpflichtete die Stadt, ihrem ehemaligen nalsozialisten, denen er ergeben war, ein Parteifunkti- Bürgermeister Versorgungsbezüge nach dem 131er onär, der den Anforderungen seiner Zeit genügte und Gesetz zu genehmigen. Die Stadt ließ sich diese Ent- leicht lenkbar „seinen Herren“ diente. scheidung nicht gefallen; es sollten aber fast zwei 62 JEAN STOCK Der Geburtstag von Johann Heinrich Stock, genannt 1945 Jean, der 7. Juni 1893, fiel in eine „Hochzeit“ der Sozial- demokratie: Eine Woche später, am 15. Juni, sollten die Sozialdemokraten bei der Reichstagswahl ihre Stel- Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges legten die lung als stärkste Partei mit 1,7 Millionen Stimmen – vier Siegermächte beim Potsdamer Abkommen vom das Zentrum erhielt 1,4 Millionen – behaupten und 17. Juli bis zum 2. August 1945 für die künftige politi- mit 44 Abgeordneten in den Deutschen Reichstag sche Entwicklung Deutschlands unter anderem folgen- einziehen. des fest: „Die Verwaltung Deutschlands muß in Rich- Jean Stock verlor schon sehr früh seine Eltern. Mit drei tung auf eine Dezentralisierung der politischen Struktur Jahren war er Vollwaise. Er wuchs bei Verwandten (vor und der Entwicklung einer örtlichen Selbstverwaltung allem bei der Schwester seiner Mutter) auf. Diese er- durchgeführt werden.“ Aufgrund dieser Bestimmung füllten ihm seinen Berufswunsch – er durfte Setzer richteten die Besatzungsmächte in ihren Zonen von und Drucker in Büdingen lernen, wo er bei seinem den Militärbehörden kontrollierte Administrationsor- Meister auch Unterkunft fand. Im Jahre 1911 übersie- gane ein. So auch in Aschaffenburg, als die US-Militärre- delte er nach Aschaffenburg und legte noch im glei- gierung schon kurz nach der Kapitulation der Stadt den chen Jahr seine Gesellen- und Meisterprüfung ab. Das Druckereibesitzer Jean Stock (SPD) am 14. April 1945 frühe Interesse für die Programme und Ideen der Sozi- zum vorläufigen Oberbürgermeister ernannte. Das von aldemokratie setzte Stock gleich nach der Prüfung in Charles M. Emerick, Major der Militärregierung, am glei- die Praxis um, als er der SPD und der Buchdrucker- chen Tag ausgestellte Schreiben lautete: „Befehl Nr. 1: Gewerkschaft beitrat. Einer intensiven Tätigkeit in der Jean Stock, Wilhelminenstraße, Aschaffenburg, wird Partei konnte er sich vorerst noch nicht widmen, denn hiermit zum Oberbürgermeister der Stadt Aschaffen- mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde auch er burg und zum Landrat des Landkreises Aschaffenburg eingezogen. und ernannt.“ Unzufrieden mit der sozialdemokratischen Reichs- Dieses Amt bekleidete Stock aber nur wenige Monate, tagsfraktion wegen ihrer andauernden Bewilligungen denn schon am 1. Januar 1946 wurde er zum Regie- von Kriegskrediten und ihrer Gesamteinschätzung der rungspräsidenten von Unterfranken nach Würzburg allgemeinen Politik in den ersten Kriegsjahren, trat er berufen. Die Leitung der Aschaffenburger Stadtver- 1917 wieder aus der Partei aus und schloß sich sofort waltung übernahm daraufhin der Leiter des Wieder- der im April 1916 abgespaltenen SPD-Opposition, der aufbauamtes Dr. Vinzenz Schwind, der auch am 1. Ja- USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei nuar 1946 offiziell sein Nachfolger wurde.74 Jean Stock Deutschlands) an. Kurz vor seinem Parteiwechsel ging der örtlichen Politik und der Sozialdemokratie mußte er seinen öffentlich bekundeten Unmut über jedoch noch nicht verloren. die Regierung erstmals büßen. Während eines Heimat- urlaubes im Jahre 1917 wurde er wegen einer Anti- 74 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 111 vom 15. Mai 1982. kriegsrede verhaftet. Nach Kriegsende kehrte Stock in seine Heimat zurück, Um aber einen Freispruch erwirken zu können, reichte 63 widmete sich bis 1922 der aktiven Politik als Arbeiter- er am 25. Februar 1920 ein Gnadengesuch an Reichs- sekretär, war Stadtrat von Aschaffenburg bis 1933 und präsident Friedrich Ebert ein. Er begründete diese gehörte von 1918 bis 1922 als USPD-Abgeordneter Bittschrift unter anderem mit seiner bisherigen Unbe- dem Bayerischen Landtag an. scholtenheit, seiner ständigen und bereitwilligen Hilfe Auch in der „Rätezeit“ 1918/19 war Stock politisch en- für die Mitmenschen in seiner Eigenschaft als Arbeiter- gagiert, wurde „Mitglied des provisorischen National- sekretär, mit Rücksicht auf seine Familie – er hatte am rates des Volksstaates Bayern“ und war von Anbeginn 29. März 1919 in Aschaffenburg die aus Frankfurt an im Aschaffenburger Arbeiter- und Soldatenrat. stammende Ida Blöcher geheiratet – und dem Hin- Aufgrund seiner aktiven Tätigkeiten in diesem Gre- weis, man möge beim Aschaffenburger Stadtrat, dem mium wurde er am 13. Mai 1919 verhaftet und am er seit 1918 angehörte, Erkundigungen über sein Ver- 26. Mai vom Aschaffenburger Standgericht zu einem halten in der Vergangenheit einholen. Jahr und sechs Monaten Festungshaft – wegen Bei- Vier Tage nach dieser Eingabe erhielt Stock aus Berlin hilfe zum Hochverrat – verurteilt. Seiner schlechten die Mitteilung, daß für sein Gnadenrecht nicht der körperlichen Verfassung hatte er es zu verdanken, daß Reichspräsident, sondern das bayerische Justizminis- er noch am gleichen Tag wieder auf freien Fuß gesetzt terium zuständig sei und daß der Antrag dorthin wei- wurde und somit Strafaufschub erhielt. tergeleitet werde. Am 15. März kam aus München die Antwort, „das Gesuch um Erlaß der Strafe eignet sich nicht zur Berücksichtigung“.75 Stock ließ aber nicht locker, legte ein amtsärztliches Zeugnis von Landgerichtsarzt Dr. Löffler mit der Aus- schließung einer Inhaftierung vor und wandte sich am 3. März und 15. Juni 1921 erneut an die Aschaffenbur- ger Staatsanwaltschaft mit der Bitte, sein Gesuch nochmals zu überprüfen. Diesmal berief er sich auf die Reichsamnestie für poli- tische Vergehen vom 20. August 1920: „Obwohl mir bekannt ist, daß die Reichsamnestie keine allgemeine Anwendung auf Bayern finden soll, wurde jedoch vom bayer. Gesandten Herrn von Preger erklärt, daß kon- form dieser Reichsamnestie auch in Bayern Amnestie-

75 Schreiben des Staatsministeriums der Justiz vom 15. März über das Oberlandesgericht Bamberg an den Aschaffenburger Ersten Staatsanwalt Eichhorn.

Jean Stock 1922 als Abgeordneter der USPD im Bayerischen Landtag. Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Fotosammlung 64 rungen erfolgen sollen, nur soll die bayer. Justizhoheit einwandfreie Führung zu erkennen gegeben, daß er, gewährt bleiben. Ich ersuche nun den Herrn Ersten bei allem Festhalten an seiner politischen Gesinnung, Staatsanwalt beim Landgericht Aschaffenburg, mich sich der bestehenden Rechtsordnung einfügen will. In ebenfalls zur Amnestierung vorzuschlagen, da ja, wie dieser Hinsicht erscheint es von Bedeutung, daß der amtsärztlich festgestellt, mein Gesundheitszustand Stadtrat von Aschaffenburg, dessen Mehrheit aus poli- eine Inhaftierung ausschließt und sicherlich diese Un- tischen Gegnern des Gesuchstellers besteht, einhellig gewißheit zur Besserung der Gesundheit nicht sich für seine bedingte Begnadigung ausgesprochen beiträgt.“76 hat … Bei Abwägung aller Umstände glaubte deshalb Nach einem weiteren Jahr der Ungewißheit und mit das Gericht, sich für die Bewilligung einer Bewäh- dem bedrückenden Gedanken, die Strafe doch antre- rungsfrist entscheiden zu sollen. Sie wurde auf 4 Jahre ten zu müssen, richtete Stock schließlich, mit persönli- bemessen, so daß sie mit 26. Juni 1925 ausläuft.“77 78 cher Fürsprache von Justizminister Dr. Christian Roth, Nach dem USPD-Parteitag vom 20. bis 23. September am 15. Juni 1921 nochmals eine Eingabe an die 1922 kam es einen Tag später in Nürnberg zur „Wieder- Aschaffenburger Staatsanwaltschaft: Man möge das vereinigung“ von Mehrheitssozialisten und Unabhän- gegen ihn am 26./27. März 1919 gefällte Urteil abän- gigen zur Vereinigten Sozialdemokratischen Partei dern und es durch eine dreijährige Bewährungsfrist Deutschlands. Welche Gefühle und welche Euphorie ersetzen. die Einigung unter den Delegierten auslöste, be- Endlich, am 27. Juni 1921, wurden Stocks Bemühun- schrieb Jean Stock in einem Bericht in der Aschaffen- gen belohnt: Das Aschaffenburger Volksgericht be- burger Presse unter anderem so: schloß an diesem Tag, ihm eine Bewährungsfrist von „Genosse Wels gab die Resultate der beiden Parteitage vier Jahren zu bewilligen, die am 26. Juni 1925 abge- bekannt und verkündete, daß nunmehr die Delegier- laufen sein würde. ten über die Annahme des Aktionsprogrammes abzu- Für die Würdigung des Gerichtes kam Folgendes in stimmen hätten. Ein Augenblick größter Spannung. Betracht: „Die Verfehlung des Gesuchstellers war kei- Nichts hörte man als den Atem der im Saale Anwesen- ne leichte. Sie richtete sich gegen den Bestand des den. Staates. Das ist vom Gericht bei der Prüfung der Frage, Einstimmig angenommen war das Resultat. Von den ob durch Gewährung bedingter Begnadigung auf ältesten bis zu den jüngsten Parteigenossen konnte strafrechtliche Sühne verzichtet werden soll, im Auge man bemerken, daß sich vor Rührung die Augen füll- zu behalten. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß ten … Daraufhin rasender Beifall und alles erhob sich die Tat des Gesuchstellers einer Zeit starker politischer von den Sitzen. Dieser Moment wird mir ein ewiges Erregung entsprungen war; inzwischen ist Beruhi- gung eingetreten und Stock hat zu seinem Teil durch 77 Beschluß des Aschaffenburger Volksgerichtes vom 27. Juni 1921. 78 Durch Auffindung schriftlicher Unterlagen, die diese Urteilsab- änderung belegen, ist die Darstellung von Carsten Pollnick und 76 Brief Jean Stocks vom 3. März 1921 an den Ersten Aschaffenbur- Wolfgang Stock „100 Jahre SPD in Aschaffenburg 1878–1978“, ger Staatsanwalt Eichhorn. S. 28, zu berichtigen. Andenken bleiben und niemand, der ihn miterlebt und seine Familie. Er wurde kontrolliert und bespitzelt, 65 hat, wird ihn je vergessen …“79 moralisch unterdrückt, Diffamierungen und Haus- Nach der Vereinigung der Partei kandidierte Jean durchsuchungen begannen. Es folgten Demütigun- Stock vorerst für kein Parteiamt mehr, denn er über- gen, Entsagungen, Verhaftungen. Trotzdem gab er nie nahm von 1922 bis 1933 den Verlag der „Aschaffenbur- auf, blieb im Innern stets Sozialdemokrat, half Juden ger Volkszeitung“. Elf Jahre lang sollte dieses Presseor- und noch ärmeren Menschen als er selbst und rettete gan unter seiner Regie die publizistische Stimme der sich mit Mut und Ausdauer bis zum 20. Juli 1944, dem Aschaffenburger Sozialdemokratie und der freien Ge- Tag des Hitler-Attentates. Dann wurde auch er wieder werkschaften bleiben. In der Weimarer Republik wid- ein Opfer der Nationalsozialisten. mete sich Stock nicht nur der „Volkszeitung“, sondern Fliehen konnte er nicht mehr, man holte ihn ab, hielt auch Reden auf sozialdemokratischen Veranstal- brachte ihn ins Zuchthaus nach Würzburg, von dort in tungen, gab seine Kenntnisse an jüngere Parteigänger das Konzentrationslager nach Dachau, aus dem er am und Gewerkschafter weiter, mobilisierte Maifeiern, 6. September, körperlich unbeschadet, entlassen unterstützte Arbeitervereine. Alle diese Aufgaben wurde. Stock hatte überlebt, seine Moral, seine sozial- nahmen zu Beginn des Jahres 1933 ein jähes Ende. demokratische Gesinnung, seine Energie waren nicht Nach einer mehrjährigen politischen Krise, von den gebrochen, aber sein Leidensweg war zu Ende. Nationalsozialisten forciert und ausgenutzt, übergab Eine neue Epoche begann für ihn nach der Kapitula- Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 das Amt des tion des Deutschen Reiches. Viele Aufgaben erwarte- Reichskanzlers an Adolf Hitler. In Aschaffenburg ten ihn. wurde Oberbürgermeister Dr. Wilhelm Matt durch Wil- Als die provisorische Stadtverwaltung ihre ersten be- helm Wohlgemuth „ersetzt“, und mit dem „Ermächti- scheidenen Räume im Gebäude der Städtischen Spar- gungsgesetz“ vom 23. März begann die Katastrophe. kasse, Friedrichstraße 7a, kurz nach der Kapitulation der Jean Stock hatte die „braune Gefahr“ schon frühzeitig „Festung Aschaffenburg“ am 3. April bezog, stellte die erkannt, stand ihr aber wie viele Demokraten macht- amerikanische Militärregierung den erfahrenen Politi- los gegenüber. Man traf sich zwar noch heimlich mit ker und Demokraten Jean Stock an ihre Spitze und er- Freunden, richtete sich gegenseitig so gut es ging auf, nannte ihn zum vorläufigen Oberbürgermeister. Ihm hegte verständlicherweise Fluchtgedanken. Stock zur Seite standen Dr. Hans Reinthaler als sein Stellver- selbst hielt (im Gegensatz zu einigen anderen) an sei- treter, Oskar Körner als Finanzverwalter sowie Dr. Sie- ner politischen Überzeugung fest, trotz Verurteilung gert als Polizeipräsident. Wichtigste und dringlichste zur Passivität. Nach den Märzwahlen verlor er schließ- Gebote des ersten Nachkriegsoberbürgermeisters wa- lich seinen Posten, die „Volkszeitung“ wurde besetzt ren die Beseitigung der katastrophalen Wohnungsnot und kurz darauf aufgelöst, finanzielle Nöte trafen ihn und die Versorgung der rund 20 000 Bewohner der Stadt, die im Mai 1945 gezählt wurden. Im September waren es bereits wieder – trotz Zuzugsverbot – 27 500, 79 Aschaffenburger Volkszeitung, Nr. 221 vom 25. September 1922. ein Jahr darauf sogar schon 34 500 Einwohner. 66 1933 eine kleine Druckerei gegründet, um nicht länger arbeitslos sein zu müssen). Nach einer Titelverände- rung ab September 1947 („Mitteilungsblatt der Stadt Aschaffenburg“) bestand es noch bis 1953. Nach der Wiedergründung der SPD im Oktober 1945 im Café Central, Steingasse 5, spielte Jean Stock neben Wilhelm Retzlaff, Konrad Pohl, Bernhard Junker, Otto Blöcher, Eugen Ostheimer, Kurt Frenzel und Hans Ku- nath wieder eine bedeutende parteipolitische Rolle; die SPD war aber – wie sich bei der ersten Stadtrats- wahl am 26. März 1946 zeigen sollte – noch nicht stark genug, denn sie erreichte nur 32,5 Prozent oder 11 Mandate gegenüber der CSU, die 52,7 Prozent oder 17 Mandate errang. Die Sozialdemokraten im Stadtparla- ment hatten als Oberbürgermeisterkandidat Jean Stock aufgestellt, der ja im August 1946 wieder von Würzburg nach Aschaffenburg zurückgekehrt war, um sich der Politik und der Buchdruckerei zu widmen. Er konnte aber eine Niederlage mit 18 gegenüber Jean Stock, Altersbild (Gemälde). 13 Stimmen nicht verhindern; neuer Oberbürgermeis- Museen der Stadt Aschaffenburg ter wurde Dr. Vinzenz Schwind.80 Mit dem gleichen Er- Neben seinen Pflichten als Stadtoberhaupt bemühte gebnis unterlag er auch bei seiner zweiten Kandidatur sich Stock von Anbeginn wieder um die Herausgabe am 1. Juli 1948. Diese beiden Niederlagen schmerzten einer Zeitung. Mit ihm als Gründer und Mitherausge- ihn aber keineswegs, denn andere Pflichten und Auf- ber bis März 1946 erschien dann auch am 24. Novem- gaben lagen noch vor ihm. Als Mitglied des neuen ber 1945 unter dem Namen „Main-Echo“ das ge- Stadtrates wurde er von seiner Fraktion für zwei Jahre wünschte Presseorgan. Dieses Blatt informierte an- zum Vorsitzenden gewählt; diesen Posten hatte er be- fangs vor allem über weltpolitische Ereignisse, über reits vor 1933 innegehabt. Neben der regionalen poli- die Nachkriegszeit in Deutschland, hier besonders im tischen Arbeit, seinen enormen Verdiensten als Ober- Spessart. Für amtliche Bekanntmachungen der Militär- bürgermeister beim Wiederaufbau der zerstörten regierung und lokale Neuigkeiten sorgte ab 1. Juni das Stadt, machte sich Stock auch weit über die Grenzen einmal wöchentlich erscheinende „Mitteilungsblatt“ seiner Heimatstadt hinaus einen bleibenden Namen. des Oberbürgermeisters der Stadt Aschaffenburg, das mit amerikanischer Genehmigung bei Stock & Körber hergestellt wurde (Jean Stock hatte im September 80 Aschaffenburger Volksblatt, Nr. 111 vom 15. Mai 1982. Vom 1. Dezember 1946 bis zum 24. November 1962 Als er sich schließlich 1962 aus dem politischen Leben 67 war er Mitglied des Bayerischen Landtages, bis 1950 zurückzog, verließ er als dienstältester Parlamentarier Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion; von 1947 bis den Bayerischen Landtag, den er 1918 als jüngster 1948 Mitglied des Länderrates; von 1948 bis 1949 Mit- Abgeordneter erstmals betreten hatte. Und als er am glied des Parlamentarischen Rates. Zahlreiche Ehrun- 13. Januar 1965 verstarb, verloren Bayern und die gen wurden dem unermüdlichen Politiker zuteil; 1957 Stadt Aschaffenburg ein „Stück Geschichte der Demo- wurde ihm das Große Verdienstkreuz verliehen. 1959 kratie‘‘. der Bayerische Verdienstorden, 1961 die Bayerische Verfassungsmedaille in Gold. 68 DR. VINZENZ SCHWIND „Betrifft: Ernennung zum Oberbürgermeister (1946–1970) An: Dr. Vinzenz Schwind, Aschaffenburg. Mit Wirkung vom 31. Dezember 1945 sind Sie zum Oberbürgermeister der Stadt Aschaffenburg ernannt Am 1. Juni 1945 trat Dr. Vinzenz Schwind in den Dienst und werden alle Pflichten übernehmen und erfüllen, der Stadt Aschaffenburg. Schon wenige Wochen spä- die das deutsche Gesetz erfordert. Sie werden alle Be- ter, am 30. Juli, erteilte die amerikanische Militärbe- fehle, Weisungen und Vorschriften ausführen, die hörde per Gesetz einer der wichtigsten Institutionen durch die Militärregierung veröffentlicht werden. der Nachkriegszeit die Arbeitserlaubnis: dem Wieder- Diese Ernennung ist vorübergehend. aufbauamt. Die Leitung dieses Amtes wurde Dr. Vin- Auf Befehl der Militärregierung zenz Schwind übertragen. Mit einem engagierten und Charles M. Emerick willigen Kreis von Mitarbeitern lenkte Dr. Schwind aus Major, AUS den notdürftig hergerichteten Büroräumen im Bauhof Director“ den Wiederaufbau der Stadt. Seine Arbeit erhielt schon bald ihren Lohn und wurde entsprechend sei- Am 14. Januar 1946 verabschiedete sich der bisherige ner Verdienste und Fähigkeiten honoriert; denn als Oberbürgermeister Jean Stock in einer Stadtratssit- der am 14. April 1945 von der amerikanischen Militär- zung und übergab offiziell die Amtsgeschäfte seinem regierung eingesetzte erste Nachkriegs-Oberbürger- Nachfolger. Die „Ära Schwind“ begann und sollte für meister Jean Stock nach knapp neunmonatiger Amts- viele Jahre das Bild der Stadt prägen. zeit zum 1. Januar 1946 nach Würzburg berufen Am 12. Mai 1910 wurde Vinzenz Schwind als Sohn des wurde, ernannten die Amerikaner Dr. Vinzenz Schwind Steinmetzen und Bildhauers – später Kriminalkommis- zu dessen Nachfolger. sär – gleichen Vornamens und seiner Ehefrau Maria Magdalena, geborene Dölger, in Aschaffenburg, Ga- Das von Charles M. Emerick am 29. Dezember 1945 belsberger Straße 6, geboren. Im Alter von sechs Jah- unterzeichnete Dokument hatte folgenden Wortlaut: ren kam er in die Volksschule, die er 1920 verließ, um bis 1929 die Aschaffenburger Oberrealschule zu besu- chen. Sein Abitur „baute“ er am 21. März des gleichen Jahres. Zwei Monate danach nahm er, mit finanzieller Unterstützung seiner El- tern, das Studium der Natur-, Rechts- und Staatswissenschaften sowie der Geschichte auf, das ihn an die Universitäten von Heidelberg und Königsberg führte. Am 3. Au-

Dr. Vinzenz Schwind mit Vertretern der US-Militärverwaltung, 1946. Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Fotosammlung gust 1934 legte er sein Examen als Diplom-Chemiker Primäre Aufgabe für Dr. Vinzenz Schwind als Leiter des 69 ab. Wegen seiner Zugehörigkeit zu einer katholischen Wiederaufbauamtes war zunächst die Kriegsschuttbe- Studentenvereinigung und als aktives Mitglied im Ka- seitigung, dann, im Einvernehmen mit der amerikani- tholischen Akademikerverband – „Arminia Heidel- schen Militärbehörde – sie hatte am 7. April 1945 ihre berg“ – hatte er in der NS-Studentenzeit erhebliche Arbeit aufgenommen –, die Instandsetzung der nur Schwierigkeiten. Diesen andauernden Querelen zum leicht beschädigten Wohnhäuser. Da gewaltige Men- Trotz verließ er die Stadt am Neckar 1935 und ging gen von Blech und anderen verwertbaren Metallen in nach Königsberg. den Trümmern der Stadt lagen, konnten ohne große Nachdem Vinzenz Schwind am 22. November 1937 an Verzögerungen Dachdeckerarbeiten durchgeführt der Universität von Königsberg über die „Ligninbe- werden, um die weniger in Mitleidenschaft gezoge- standteile des Holzes“ zum Dr. rer. nat. promoviert nen Häuser wieder halbwegs bewohnbar zu machen. hatte, immatrikulierte er sich nochmals im Winterse- Schwierigkeiten ergaben sich jedoch bei den Trans- mester 1937/38 an der Universität Frankfurt für Wirt- portmöglichkeiten, da viele Straßenzüge und Brücken schafts- und Sozialwissenschaften. Schließlich, nach zerstört oder teilweise noch unpassierbar waren. fast 22 Schul- und Studienjahren, die ihn zwar um- Schwinds Verdienst in den „ersten Stunden“ war die fangreich gebildet hatten, aber in seiner politischen Reparatur der Mainbrücke, die für Versorgung und Überzeugung zum Einzelgänger werden ließen, trat er Verkehr gleichermaßen unumgänglich war. in das Berufsleben ein. Bevor er im Jahre 1938 seinen Dienst bei den Höchster Farbwerken aufnahm, heira- Neben den Wohnanlagen und Verkehrswegen waren tete er Emmy Walter. Sie wurde in Meran geboren und fast alle öffentlichen Gebäude wie Schulen – außer der war die Tochter des dortigen Hoteliers Valentin Walter Lehrerinnen-Bildungsanstalt und einer Schule in und der aus der Aschaffenburger Herdfabrik-Dynastie Schweinheim –, Behördenhäuser, landwirtschaftliche stammenden Anna Veronika Koloseus. Anwesen, gewerbliche und industrielle Anlagen sowie In Höchst beschäftigte sich Schwind mit der Erarbeitung Krankenhaus und das Schloß schwer oder teilweise eines Patentes für ein „lichtechtes Grün“. Seine Forschun- zerstört. Nach Schätzungen Schwinds und seiner Mit- gen wurden aber durch den Militärdienst unterbrochen. arbeiter betrugen die Schuttmassen aus diesen und Vom 28. August 1939 bis zum 30. September 1941 kam anderen Gebäuden und Anlagen, die allein in den er als Ausbilder für Physik zur Luftwaffe. Nach Beendi- Jahren 1945 bis 1948 auf Veranlassung der Stadtver- gung dieser Wehrpflicht, entlassen als Feldwebel der Re- waltung bewegt und weggeräumt worden waren, serve, wurde er ab Oktober 1941 zu den Leuna-Werken etwa 231 000 Kubikmeter. Nachdem Schwind das Amt nach Merseburg versetzt. Seine Hauptarbeit dort lag in des Oberbürgermeisters übertragen bekommen der Entwicklung von Kunststoff-Fasern (Perlon). Kurz hatte, legte er sofort einen Dringlichkeitsplan vor, nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges trat Dr. Vin- nach dem die schlimmsten Kriegsschäden beseitigt zenz Schwind in den Dienst der Stadt Aschaffenburg. und die fehlenden Geldmittel beschafft werden konn- Seine politische Karriere begann. ten. 70 Von 1945 bis 1947 wurden schließlich die noch erhal- Stimmenverhältnis wie 1946 wurde er wieder Ober- ten gebliebenen Schulen – Luitpoldschule, Schönbor- bürgermeister. In der nun folgenden Legislaturperi- ner Hof und die Berufsschule in der Landingstraße 16 ode bis 1952 wurden unter Schwinds Regie die Schule – renoviert sowie das alte Krankenhaus wieder aufge- in der Kolpingstraße, der Bau der Karl-Link-Schule baut. Auch ein „provisorisches Stadttheater“ entstand, (heute Schiller-Schule) in Damm, die Anlegung neuer nachdem sich Ende 1945 ein Kultur-Komitee konstitu- Straßen und Anlagen, die Erweiterung und Umfah- iert hatte, das am 16. Januar 1946 die Gründung der rung des Schöntals, die Gründung der Gesellschaft für „Gesellschaft der Theater- und Musikfreunde e. V. Wohnungsbau, der Kindergarten in Schweinheim und Aschaffenburg“ ermöglichte. So konnte schon frühzei- viele andere Projekte verwirklicht. tig im „Blauen Saal“ des Frohsinn-Gebäudes in der Kurz vor der dritten Stadtratswahl am 30. März 1952 Weißenburger Straße 28 ein bescheidener Theaterbe- trat Dr. Vinzenz Schwind nach heftigen Auseinander- trieb ablaufen, der den „trümmergeschädigten“ setzungen innerhalb der CSU aus der Union aus. Um Aschaffenburger Bürgern willkommene Abwechslung sich im künftigen Stadtrat aber auf eine „Hausmacht” bot. stützen zu können, gründete er mit parteilosen Bür- Parteipolitisch wurden für Dr. Vinzenz Schwind, jetzt gern die „Überparteiliche Einheitsliste” (ÜP), die dann Mitglied der CSU, am 26. Mai 1946 erstmals parlamen- fast zwanzig Jahre lang die kommunalpolitische Ent- tarisch die Weichen gestellt; denn an diesem Tag fan- wicklung maßgeblich beeinflussen sollte. Stets wie- den die ersten Stadtratswahlen statt (reine Verhältnis- dergewählter Oberbürgermeister bis zum 8. März wahl), die ihm auch in diesem Gremium ein Mandat 1970 war nun Dr. Vinzenz Schwind. einbrachten. Am 4. Juni wählte ihn dieser Stadtrat mit 18 gegen 13 Stimmen (Gegenkandidat war sein Vor- Seine erneute Wiederwahl erfolgte am 30. März 1952 gänger Jean Stock) für zwei Jahre zum Oberbürger- direkt durch die Bevölkerung; diesmal für sechs Jahre. meister. Er wurde somit in seinem bisher innegehab- Er siegte gegen Alfons Goppel (CSU) mit 7290 Stim- ten Amt bestätigt. Nach wiederum zwei Jahren, am men oder 30,84 Prozent sowie Bernhard Junker (SPD) 1. Juli 1948, stellte er sich erneut zur Kandidatur, Kon- mit 2505 Stimmen oder 10,60 Prozent; er selbst erhielt trahent war nochmals Jean Stock. Mit dem gleichen 13 365 Stimmen oder 56,54 Prozent.

Dr. Vinzenz Schwind, mit Ministerpräsident Dr. Hans Ehard, bei einem Besuch der Stadt, 1947. Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg Dr. Vinzenz Schwind. 71 Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Foto Ullrich

Chance, Schwind siegte mit 17 227 Stimmen oder 62,15 Prozent. Am 12. Mai 1960 feierte Dr. Vinzenz Schwind, inzwi- schen dienstältester Oberbürgermeister der Bundes- republik, seinen 50. Geburtstag. Aus allen Bevölke- rungsschichten trafen Glückwunschkarten, Tele- gramme und Geschenke im Rathaus ein. Auch die CSU und die SPD boten viel Prominenz auf. Die Oberbürgermeisterwahl am 8. März 1964 war für den Wähler eine Wahl ohne Qual, denn keine Partei stellte einen Gegenbewerber auf. CSU und SPD waren an dieser kuriosen Situation wohl selbst schuld, so un- terschiedlich auch ihre Begründungen klangen: Die SPD fühlte ihre Interessen bei Dr. Vinzenz Schwind an- scheinend gut vertreten, für die CSU war der Verzicht auf einen eigenen Kandidaten dagegen „ein Tribut an die Realitäten“. Mit Unterstützung der CSU konnte Schwind diesmal also nicht rechnen – im Gegensatz zur SPD. Schwind erreichte bei niedriger Wahlbeteiligung (40,56 Prozent) 13 688 Stimmen oder 97,03 Prozent. Einen schweren Schicksalsschlag erlitt Schwind im Mai Die Sozialdemokraten hofften, mit diesem Schachzug 1954: Im Alter von nur 46 Jahren verstarb seine Frau den Oberbürgermeister etwas in ihr „Fahrwasser“ zu Emmy, die viele Jahre mit Bescheidenheit, Takt und bringen; denn ohne Unterstützung der ÜP waren ihre Güte karitative Aufgaben erfüllte. Sie arbeitete unter kommunalpolitischen Ziele nicht durchsetzbar. Diese anderem im Vorstand des Suppenschulvereins und Überlegung sollte sich als „nicht ungeschickt“ erwei- nahm sich liebevoll der Kinder im Städtischen Mäd- sen, da durch ihr stilles Bündnis bis zum Ende der 60er chenheim an. Jahre tatsächlich die gesamte Entwicklung der Stadt Auch am 23. März 1958 kandidierte Dr. Vinzenz beeinflußt wurde: Schulbau, Sportförderung, Erschlie- Schwind wieder für das Oberbürgermeisteramt. Seine ßung des linken Mainufers, Ausweisung von neuen Gegner waren diesmal Dr. Adalbert Peter Blasy (SPD) Baugebieten und Verbesserung der kommunalen und Dr. Philipp Fleischmann (CSU). Beide hatten keine Infra­struktur. 72 Der private Lebensweg von Dr. Vinzenz Schwind er- stellte den Haibacher Bürgermeister Dr. Willi Reiland fuhr 1965 einen neuen Höhepunkt: Er heiratete im als Gegenkandidat auf. Schwind unterlag seinem Her- März dieses Jahres in Taufers (Südtirol) die Assistentin ausforderer in nicht erwarteter Höhe; er konnte nur von Prof. Hermann Kaspar aus München, der seinerzeit 11 850 Stimmen oder 39,86 Prozent auf sich vereinen, die künstlerische Gestaltung des Rathaussaales über- während Dr. Willi Reiland es auf 17 878 Stimmen oder nommen hatte – die Kunstmalerin Eva Maria Benken 60,14 Prozent brachte. aus Nürnberg. Eine „Ära mit Denkmal“ war zu Ende gegangen. In den Jahren 1968/69 verstärkten sich innerhalb der Dr. Vinzenz Schwind, unauslöschlich mit der Entwick- SPD die Widerstände gegen das Bündnis mit der ÜP lung Aschaffenburgs nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Oberbürgermeister. Ein wesentlicher Grund verbunden, setzte Marksteine: Die stadtgeschichtliche war die von Dr. Schwind mit Hilfe der CSU durchge- Bedeutung seiner Arbeit von 1946 bis 1970 wird über- setzte Verstaatlichung der Stadtpolizei zum 1. Januar all sichtbar. Als die Stadt unter Trümmern und Schutt 1970. Die langjährige Zusammenarbeit von Sozialde- lag, war sie kaum noch erkennbar, 1970, als er abtreten mokraten und Überparteilichen stand vor dem Ausei- mußte, hinterließ er einen von ihm „vorgezeichneten nanderbrechen. Dr. Schwind versuchte, sich noch ein- Weg“, der seinem Nachfolger Dr. Willi Reiland Orientie- mal politisch zu erholen und ließ sich zu der Oberbür- rungshilfe war. germeisterwahl am 8. März 1970 sogar von der CSU – Dr. Vinzenz Schwind war ohne Zweifel auch ein trotz der seit 1952 bestehenden Gegnerschaft – als schwieriges Stadtoberhaupt, ein Mensch im Wider- Kandidat vorschlagen. spruch: Er nahm selten ein Blatt vor den Mund, zeigte Die SPD besann sich nach heftigen innerparteilichen seine Abneigung anderen Personen gegenüber oft Auseinandersetzungen auf ihre eigene Kraft und recht deutlich, lebte in ständiger Spannung mit seiner

Erste Stadtratssitzung im neuen Sitzungssaal des Rathauses, 17. April 1958. Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Foto-Nachlass Paul Schröner Umwelt und überzog oft mit nicht gerade demokrati- dieser Stunde des Gedenkens alles Randwerk wegzu- 73 schen Mitteln die Grenzen. Diese menschlichen lassen, weil alles andere nicht im Sinne des Verstorbe- Schwächen waren ihm sicher bewußt. nen wäre.“ Diese Worte Reilands markierten den Willen Der offizielle Abschied kam am 30. Mai 1970: Die CSU zur Aufrichtigkeit in dieser Gedenkstunde. Der Ober- verabschiedete ihn mit allen Ehren, die ÜP dankte für bürgermeister, der kurz Leben und Wirken seines Vor- die stets gute Zusammenarbeit und die SPD nahm gängers umriß, komprimierte die Verdienste seinen Abtritt nach fast 25-jähriger Amtszeit zum An- Dr. Schwinds auf einen Satz: „Niemand, der die Ge- laß, seinen Nachfolger einzuführen, ohne dabei die schichte Aschaffenburgs und das Schicksal nach Würdigung seiner Leistungen zu vergessen, die das Kriegsende kennt, kann die Verdienste von scheidende Stadtoberhaupt in großem Maße voll- Dr. Schwind um Aschaffenburg leugnen.“ Reiland bracht hatte. schließlich zu Schwinds Wissensfundus: „Eine beson- Seinen unfreiwilligen Abschied von der Politik und die dere Eigenschaft von Dr. Schwind war sein nie versa- damit verbundene wohlverdiente Ruhe konnte gendes Bemühen, sich neues Wissen anzueignen, das Dr. Vinzenz Schwind jedoch nicht mehr lange genie- er dann mit Hilfe seines ausgezeichneten Gedächtnis- ßen. Schon zu Beginn des Jahres 1973 erkrankte der ses – zum Leidwesen mancher Gesprächsteilnehmer Alt-Oberbürgermeister schwer und verstarb schließ- – gern in die Diskussionen einflocht.“ lich am 17. März 1974 im Alter von nur 63 Jahren in Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Aschaffenburger seiner Heimatstadt Aschaffenburg, die unter seiner Stadtrat, Benno Lehmann, meinte, daß es wohl kaum Führung ein bedeutendes Handels- und Wirt- einen Bürger in Aschaffenburg gebe, der nicht gespürt schaftszentrum geworden war. habe, daß Dr. Schwind eine starke Persönlichkeit be- Die Trauerfeier fand am Montag, den 18. März, im Gro- sonderer Art war. Er sei nicht einzuordnen gewesen in ßen Sitzungssaal des Rathauses statt. Dazu notierte ein Schema oder Klischee, nicht einzuordnen in eine die Aschaffenburger Presse: bestimmte Partei oder Gruppierung. „Dazu war „In Anwesenheit der Witwe des verstorbenen Alt- Dr. Schwind zu eigenwillig, eigenwillig in einem guten Oberbürgermeisters, Eva Maria Schwind, der beiden Sinn, nämlich im Sinn des selbständigen Wollens, die- Geschwister von Dr. Schwind, Karolina Krebs und Jo- ses umzusetzen in Taten für die Allgemeinheit.“ Leh- hann Schwind, der Landtagsabgeordneten Marlielies mann zitierte aus einem Brief, den ihm Schwind 1966 Schleicher (CSU), Hermann Leeb (CSU) und Adalbert geschrieben hatte: „Die Zeit, in die wir hineingeboren Peter Blasy (SPD), Oberregierungsdirektor Rother in wurden, die uns in der Rückschau heute als eine dyna- Vertretung des unterfränkischen Regierungspräsiden- mische und folgenschwere Epoche erscheint, reicht ten, des gesamten Aschaffenburger Stadtrates und von der Idylle gemächlichen bürgerlichen Daseins mit vieler Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben den Anfängen von Auto, Flugzeug und Elektrifizierung der Stadt eröffnete Oberbürgermeister Dr. Willi Rei- zu einer Perfektion der Technik, die in Weltraumfahrt, land die Trauerfeier mit einer Beileidsbekundung für dem Elektronenrechner und der Anwendung der die Hinterbliebenen. „Ich hoffe, es wird gelingen, von Kernspaltungsenergie in Krieg und Frieden in unseren 74 Tagen gipfelt. Der Weg des Menschen wird in andere Dehn abschließend: „Seine Spuren sind tief und un- Bahnen gezwungen mit positiven und negativen auslöschlich in das Bild Aschaffenburgs eingegraben Chancen. Eine der positiven ist der Aufstieg breiter und darin verwurzelt. Er hat die Weichen gestellt für Bevölkerungsschichten zu höherem Standard, um ein anderes Aschaffenburg, für ein Aschaffenburg als nicht zu sagen in eine höhere soziale Schicht.“ Leh- Mittelpunkt der Region Untermain. Er selbst hatte die mann zu dieser Aussage Schwinds: „Ich möchte mei- Überzeugung, Überdurchschnittliches geleistet und nen, daß in diesen Sätzen die ganze menschliche Seite damit seine Pflicht erfüllt zu haben. Das wollen wir Dr. Schwinds zum Ausdruck kommt, die er stets zu ihm gern bestätigen. Es kam ihm nicht so sehr darauf verbergen suchte.“ an, die Welt zu verändern, als sie vielmehr menschli- Für die gesamte Aschaffenburger SPD resümierte cher zu machen.“ Benno Lehmann: „Die Wegstrecke, die wir in der Kom- Für einen würdigen musikalischen Rahmen der Trau- munalpolitik mit Vinzenz Schwind gemeinsam und erfeier sorgte das Aschaffenburger Streichquintett.81 auch gegensätzlich gegangen sind, war für Aschaffen- Der Mensch Schwind war kein einfacher Partner. Flexi- burg keine verlorene Zeit.“ bilität und Sinn für Repräsentationen waren nicht ge- CSU-Fraktionsvorsitzender Günter Dehn sprach in sei- rade seine Stärke. Oft suchte er sogar die Konfronta- ner Gedenkrede auch das Aschaffenburger CSU-Mit- tion, ohne Rücksicht auf die Empfindsamkeit seiner gründungsmitglied Vinzenz Schwind an: „Er kam aus Mitmenschen. Er akzeptierte und respektierte aber je- unserer Mitte und hat sich in den Nachkriegsjahren den Partner (auch seine Gegner), wenn er sich ihm schicksalhaft der kommunalen Aufgabe zur Verfü- gewachsen zeigte. Politisch verließ er sich mehr auf gung gestellt. Seine Arbeit galt dieser seiner Vater- sein Durchsetzungsvermögen und sein Wissen als auf stadt und ihrer Bürger. Unsere Fraktion hat ihn ein eine politische Partei. Der Leitsatz in seinem Schaffen Stück auf seinem Weg begleitet. In vielen Fragen stand als Oberbürgermeister hieß stets: „Ich war immer be- die CSU an seiner Seite, andere Probleme wurden ver- strebt, meine Pflicht zu tun und Überdurchschnittli- schieden beurteilt. In einem aber waren wir uns einig: ches zu leisten.“ Das Beste für Aschaffenburg und seine Bürger gewollt Die Erinnerung an ihn wird wachgehalten: Im Juli 1978 zu haben.“ Auch Dehn charakterisierte sein und seiner wurde zu seinem Gedenken die Jahnstraße in Partei Verhältnis zu Vinzenz Schwind ohne Pathos: „Er Schwindstraße umbenannt. war uns nie ein Freund im Sinne einer echten Freund- schaft, aber auch kein Feind. Er sah die Sache, seine Vorstellungen, seine Ziele – und suchte den Weg, um das Gewollte zu erreichen.“ In den letzten Jahren habe es zwischen Schwind und der CSU viele Anknüpfungs- punkte gegeben, unter anderem auch, als der dama- lige Oberbürgermeister die kommunalpolitischen Leitsätze der Union bejahte. 81 Main-Echo, Nr. 66 vom 19. März 1974. DR. WILLI REILAND borner Hof, Kinderheim, Unterführung des Landing, 75 (1970–2000) Kunsthalle Jesuitenkirche, Jugendkulturzentrum, Volksfest, Weihnachtsmarkt und Fastnachtsumzug: Das Aschaffenburg von heute trägt in vielem die Als Dr. Willi Reiland am 8. März 1970 zum Ober- Handschrift des promovierten Juristen. bürgermeister Aschaffenburgs gewählt wird, ist er ge- rade einmal 36 Jahre alt. Jung, motiviert, talentiert: Das Der Wahlkampf ist hart, berichten Zeitzeugen. Doch kommt gut an bei den Wählern. Sie wollen einen Wech- die Wähler entscheiden sich letztlich für das, was Willi sel an der Spitze ihrer Stadt, nach 24 Jahren. So lange ist Reiland ihnen anbietet: trotz seines jungen Alters lang- Oberbürgermeister Dr. Vinzenz Schwind schon im Amt. jährige kommunal- und landespolitische Erfahrung, umfassendes Fach- und Allgemeinwissen, Durchset- 60,15 Prozent der Aschaffenburger sind überzeugt, zungsvermögen gepaart mit einem starken Willen, dass Dr. Willi Reiland die bessere Alternative zum Mit- Selbstvertrauen, kreatives Denken und kon-struktives bewerber ist, die Stadt endgültig aus der Nachkriegs- Handeln, Werteorientierung und Glaubwürdigkeit. zeit in eine weltoffene Zukunft führen kann. In Bayern Willi Reiland ist ein konsequent optimistischer, charis- sieht Aschaffenburg also künftig rot. Dr. Willi Reiland matischer und selbstbewusster Mann mit neuen Ideen ist überzeugter Sozialdemokrat, und er tritt an, der und klaren Vorstellungen, exzellent vernetzt in Politik, Stadt am Untermain ein neues Gesicht zu geben. Ein Wirtschaft und Gesellschaft. Humor hat er, sportlich ist Gesicht, das überall nachhaltig sichtbar ist. er, immer bereit zu helfen, und im Karneval ist er der Klinikum am Hasenkopf, Ringstraße, Stadthalle und erste, der sich die Narrenkappe aufsetzt – alles passt. Stadtbibliothek, Eissporthalle, Sportanlagen, Schön- So einen Oberbürgermeister wünschen sich die Aschaffenburger. Ihr Gefühl trügt sie nicht.

Das Stadtoberhaupt erweist sich als Glücksfall, auch wenn die Stadträte der parteigegnerischen Fraktionen das am An- fang anders sehen. 1970 sind sie geschockt über die Wahl Dr. Reilands an die Spitze der Stadt und betreiben zunächst Fundamen- talopposition. Willi Reiland bleibt davon unbeirrt, sucht beharrlich Mehrheiten für Projekte und Ziele, setzt auf Konsens. Er sieht sich als Oberbürgermeister für alle Bürger, unabhängig vom Parteibuch. Ein- mal lässt er im Wahlkampf nicht einmal

Erster Wahlsieg im Jahr 1970: Dr. Willi Reiland wird Oberbürgermeister der Stadt Aschaffenburg. Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Fotosammlung 76 sein Parteilogo auf seine Wahlplakate drucken; die weil es bequem, sondern weil es gut ist. Der Oberbür- gegnerische Partei trägt es daraufhin eigenhändig germeister selbst denkt mitnichten auch nur einmal nach. Seinen überparteilichen Anspruch honorieren ans Aufhören. Nachgerade wehmütig ist Willi Reiland die Bürger, sie sind begeistert von Willi Reiland. Fünf zum Auftakt seiner fünften Amtsperiode im Jahr 1994. Mal wählen ihn die Aschaffenburger an die Spitze, bis „Es ist ein Jammer, dass ich aus altersbedingten Grün- zum letzten Moment halten sie an ihrem Willi fest. den im Jahr 2000 nicht mehr antreten kann. Aber na- türlich werden wir das vollenden, was bereits auf den Seine Wahlergebnisse lassen sich jedes einzelne Mal Weg gebracht worden ist“, sagt er in einem Interview sehen: 60,15 Prozent bei der ersten Wahl, 58,40 Pro- am 6. März 1994. Tatsächlich scheidet er erst aus dem zent sechs Jahre später. Bei der dritten Wahl im Jahr Amt, als er wirklich muss; im Jahr 2000 wird er 66 Jahre 1982 stimmen fast genau zwei Drittel der Wähler – alt, per Gesetz ist für ihn damit Schluss. Also geht er, 65,19 Prozent – für den Amtsinhaber, 1988 erreicht aber nicht gern. Willi Reiland mit 72,38 Prozent sein bestes Ergebnis. 1994 nimmt er mit 67,86 Prozent der Stimmen noch Wer ist dieser Mann, auf den Aschaffenburg 30 Jahre einmal mehr als zwei Drittel der Wähler für sich ein. Mit lang vertraut? dem Schwung der ersten Begeisterung über Willi Rei- land gelingt der SPD bei den Stadtrats-Wahlen im Jahr Willi Reiland ist promovierter Staatsanwalt, SPD-Mit- 1972 eine nie wiederholte Sensation: Sie wird stärkste glied seit 1953, Gemeinderat in Haibach und Land- Fraktion. tagsabgeordneter im Bayerischen Landtag in Mün- Die Gegenkandidaten des Oberbürgermeisters landen chen, jung verheiratet mit Elvira Reiland und Vater ei- jedes Mal weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz. nes kleinen Jungen. Ein zweiter Sohn kommt während Auch die kurzfristig nominierte prominente CSU-­ der ersten Amtsperiode zur Welt. Europa-Abgeordnete Ursula Schleicher kann im Jahr Ein Aschaffenburger ist Willi Reiland nicht. Weder 1982 den Amtsinhaber nicht gefährden. Den Wahlsieg wohnt er in der Stadt noch kommt er aus der Region. des alten und neuen Stadtoberhauptes kommentiert Doch Zugezogene wie Willi Reiland wissen: Zuhause sie so: „Das Ergebnis überrascht mich keineswegs. Ich ist, wo das Herz ist. Willi Reilands Herz schlägt für den bin ohne Illusionen in diesen Wahlkampf gegangen Untermain, für Aschaffenburg, auch für Haibach. und kenne das Aschaffenburger Pflaster bestens. Vier Geboren wird Willi Reiland am 2. November 1933 im Wochen vor der Wahl nominiert zu werden, bedeutet nordböhmischen Oberaltstadt im Kreis Trautenau im natürlich auch, geringe Chancen zu haben gegen ei- Riesengebirge, heute Trutnov in Tschechien. Der nen Oberbürgermeister, der seit zwölf Jahren im Amt Zweite Weltkrieg bringt ihn an den Untermain, 1946 ist.“ wird Familie Reiland ausgesiedelt und kommt nach Haibach in Nordbayern. Willi Reiland ist damals zwölf, Fünf Amtsperioden: Das muss man erst einmal schaf- fast dreizehn Jahre alt. Ein Teenager, der sein halbes fen. In Aschaffenburg schätzt man das Bewährte. Nicht Leben im Krieg gelebt und der zum Eintritt in die Pu- bertät entwurzelt wird, sein Zuhause verliert. Die Er- hält lediglich 41,60 Prozent. Willi Reilands selbstbe- 77 lebnisse politisieren Willi Reiland, schärfen sein Ver- wusster Kommentar zu diesem Wahlausgang: „An ständnis für Recht und Unrecht. Die erlebten Entbeh- meinem Durchkommen habe ich nicht gezweifelt. Mit rungen und der Hunger machen ihn zu einem sparsa- dieser großen Mehrheit habe ich allerdings nicht ge- men Menschen. Verschwendung ist ihm fremd. Das rechnet. Ich hatte erwartet, mit 50 bis hundert Stim- Jura-Studium und der Gang in die Politik sind die logi- men vorne zu liegen.“ Am Ende sind es 481. sche Konsequenz für einen, der es besser machen will als die ältere Generation, der etwas bewegen will. Von der Politik seiner Heimatgemeinde nimmt Willi Nach dem Abitur an der Oberrealschule studiert er Reiland nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister der Jura in Würzburg, wird 1961 nach dem zweiten juristi- Stadt Aschaffenburg Ende April Abschied. In einer schen Staatsexamen Assessor bei der Staatsanwalt- Sondersitzung verabschieden ihn die Gemeinderäte, schaft in Aschaffenburg. Seine Promotion schreibt er bei einem Familienabend in der Turnhalle die Haiba- über „Der Entwurf eines bayerischen allgemeinen Ver- cher Bürger. Gesellschaftlich treu bleibt er seinem waltungsgesetzes“. Schon während seiner Referendar- Heimatort bis zu seinem Tod, denn in allen rund zwan- zeit in Aschaffenburg beginnt Willi Reiland seine politi- zig Vereinen ist er noch Mitglied, während er gegen- sche Karriere innerhalb und außerhalb seiner Heimat- über den Aschaffenburger Vereinen neutral bleibt. gemeinde Haibach. 1959 wird er Vorsitzender der SPD im Landkreis Aschaffenburg, 1960 jüngstes Mitglied in Er sei ergriffen von seiner Wahl zum Oberbürgermeis- Haibachs Gemeinderat und jüngster Mandatsträger ter, so zitiert das Main-Echo vom 5. Mai 1970 Willi Rei- im Kreistag. land nach seiner ersten Antrittsrede im Stadtrat, ob- Am 14. Juli 1962 heiratet Willi Reiland Elvira Hattig. Vier wohl doch seine junge Generation die Dinge eher Monate später wird er mit 43,26 Prozent direkt in den nüchtern sehe. Mit dieser sympathischen Mischung Bayerischen Landtag gewählt. Ein Direktmandat als aus Emotion und Sachlichkeit packt er seine neue Auf- SPD-Kandidat zu holen ist im CSU-dominierten Bayern gabe an. quasi ausgeschlossen; dass es Willi Reiland gelingt, ist ein eindrucksvoller Beweis seiner großen Beliebtheit. Gesundheitsversorgung und Stadthalle: Im Landtag wird Willi Reiland Sprecher der SPD-Frak- Erste Schwerpunkte tion zum Justizhaushalt und anderer Rechtsfragen, außerdem Mitglied des Rechts-, Verfassungs- und Eine der ersten Entscheidungen Willi Reilands betrifft Kommunalausschusses. Noch bevor er am 20. Novem- die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Seit fast ber 1966 mit 41,92 Prozent erneut mit einem Direkt- zwanzig Jahren überlegt man in Aschaffenburg, ob mandat in den Bayerischen Landtag einzieht, wählen das alte städtische Krankenhaus erweitert werden ihn die Haibacher Bürger mit 58,90 Prozent zu ihrem oder ein Neubau anvisiert werden soll; viel wurde seit ehrenamtlichen Bürgermeister. Sein Gegenkandidat, den 1950er Jahren gerechnet, mit dem Landkreis der amtierende Bürgermeister Johann Schneider, er- Aschaffenburg über die Aufteilung der Kosten disku- 78 tiert, vertagt, gezögert. Unter die endlosen Diskussio- Ein zweites großes Projekt gilt dem soziokulturellen nen setzt Willi Reiland noch im Jahr seiner Wahl einen Leben in der Stadt. Aschaffenburg brauche einen Mit- Punkt. Er lässt abschließend prüfen, ob eine Sanierung telpunkt, einen sozialen Treffpunkt, ist Willi Reiland des alten Krankenhauses in der Lamprechtstraße oder überzeugt. Das Fehlen einer Stadthalle sei „das größte eine Neuerrichtung Am Hasenkopf die bessere Lösung Defizit der Stadt nach dem Klinikum“, betont der Ober- ist. Der Stadtrat und eine Kommission des Landkreises bürgermeister in einem Interview für das „Aschaffen- entscheiden sich schließlich für einen Neubau. Ein- burger Volksblatt“. Obwohl in der Bevölkerung um- stimmig. stritten, hält Willi Reiland unbeirrt an seiner Vorstel- Bis zum ersten Spatenstich vergehen dann aber doch lung fest: „Wer die Meinung vertritt, dass Aschaffen- noch einmal 13 Jahre, langwierig sind die Planungen – burg keine Stadthalle brauche, der kennt unsere Stadt und mittendrin macht ein neuer bayerischer Kranken- nicht.“ Diese Beharrlichkeit in Angelegenheiten, die hausplan den Aschaffenburgern einen Strich durch die ihm höchst wichtig sind, ist ein wichtiger Wesenszug Rechnung, weil sie statt mit den anvisierten 1000 auf des Oberbürgermeisters; ist er von einer Sache absolut einmal nur mit 680 Betten auskommen sollen. überzeugt, hält er gegen alle Widerstände daran fest. Am 6. Oktober 1983 aber ist es endlich soweit. Aus Mün- Gleich zu Beginn seiner ersten Amtszeit diskutiert der chen reist Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauß Oberbürgermeister mit dem Stadtrat verschiedene (CSU) an, um zusammen mit Willi Reiland und Landrat Standorte. Schließlich ergibt sich die Gelegenheit, das Roland Eller den Startschuss für den Neubau zu geben. Gelände zwischen Treibgasse, Luitpoldstraße, Stricker- Zwei Jahre später wird Richtfest gefeiert, am 1. Oktober gasse und Agathaplatz zu erwerben, mitten in der Stadt 1989 das neue Klinikum eröffnet. Ein innovativer Bau, in Sichtweite des Schlosses. Zu Willi Reilands Amtsan- der sich geschickt in die Hanglage am Hasenkopf tritt ist das Gelände weitgehend Parkplatz, von der frü- schmiegt und weder Betonburg noch Hochbau ist: Das heren Funktion ist nichts übrig. Klinikum Aschaffenburg gilt damals als weit über die Tatsächlich aber war dieser Platz als sozialer Treffpunkt Region hinausstrahlendes Beispiel moderner Kranken- Jahrzehnte lang ein Begriff. Um 1900 zog es Cineasten hausarchitektur. Auch die hier ins Stummfilmkino, später stand an Ort und Stelle Funktionalität ist wegwei- ein Versammlungssaal, dann traf man sich im „Hopfen- send: Zentralisierte Berei- garten“ der Binding-Brauerei. Diese veräußert das Ge- che und Zwei-Bett-Zim- lände 1972 an einen Frankfurter Kaufmann, der es mer mit Bädern sind in schließlich 1974 an die Stadt verkauft. Kein Schnäpp- Deutschlands Kliniken chen, aber eine einmalige Gelegenheit, die Stadthalle damals noch lange nicht mitten in die Stadt zu setzen und gleichzeitig Schloss- flächendeckend Stan- platz und Marktplatz sinnvoll zu gestalten. dard. 50 Architekten beteiligen sich am Ideenwettbewerb. 1979 gründet Willi Reiland einen Arbeitskreis, der Hal- len in ganz Deutschland besichtigt, es folgen Gutach-

Ein Mann des Wortes: Willi Reiland wurde nie müde, seine Politik für Aschaffenburg zu erklären. Medienhaus Main-Echo, Foto: Karl-Heinz Liebler ten zur Bedarfsanalyse und zur Feststellung von Bau- Am 26. September 1987 geht es endlich los; Willi Rei- 79 und Folgekosten. Im Sommer 1986 erwirkt Willi Rei- land höchstpersönlich sitzt im Führerhaus des Baggers land endgültig den kommunalpolitischen Beschluss für den allerersten Aushub. Vier Jahre später, am 18. zum Bau der Stadthalle nebst Tiefgarage. Dort soll es Oktober 1991, wird die Stadthalle offiziell eröffnet. Das auf Wunsch der CSU-Fraktion auch einen atombom- Rundfunkorchester Berlin spielt die 9. Sinfonie von bensicheren Bunker geben, geplant unter dem Ein- Ludwig van Beethoven, die wenige Jahre zuvor zur druck der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. Europahymne ernannt worden ist. 21 Jahre sind ver- April 1986 und dem Kalten Krieg zwischen den USA gangen, seit Willi Reiland das Projekt zur Chefsache und der Sowjetunion. Der Bau des Bunkers hat aber erklärt hat. auch einen ganz handfesten Grund. Vor dem Hinter- Mit dem Bau der Stadthalle gelingt ihm mehr, als nur grund der geopolitischen Ereignisse lobt die Bundes- einen Versammlungsort für Aschaffenburg zu schaf- regierung Fördermittel für den Bau von atombomben- fen, der weit ins Umland hinausstrahlt. Mit der Bebau- sicheren Schutzräumen aus; der sparsame Willi Rei- ung des Geländes, der Gestaltung des Schlossplatzes land ergreift die Chance zum Zuschuss. Denn der Bau und des Marktplatzes sowie dem Bau der Tiefgarage der Stadthalle ist ohnehin deutlich teurer als avisiert, mit mehr als 400 Stellplätzen wird eine städtebauliche und jede noch so kleine Möglichkeit der Finanzierung und gesellschaftliche Lücke im Bild Aschaffenburgs willkommen. geschlossen, die der Zweite Weltkrieg gerissen hatte. Das Projekt durchzusetzen von der Idee bis zur Einwei- hung habe sehr viel Kraft gekostet, erinnert sich der Oberbürgermeister Jahre später in einem Interview mit dem Heimatmagazin Untermain. „Ich bin damals auf viele Widerstände gestoßen, unter anderem aus dem Hotelbereich, aus Angst vor Konkurrenz.” Doch die Stadthalle wird schnell zum sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Treffpunkt. Man feiert hier Sup- penschul- und Tulpenball, Tanzturniere, Kongresse und Parteitage, hört Orchester und Musicals. Er hoffe, dass das, was bei den Diskussionen herauskomme, „auch nach 20 und mehr Jahren noch jedem gefällt”, sagte Willi Reiland einst im Hinblick auf die Stadthalle. Die Hoffnung dürfte sich erfüllt haben.

Immer im Dienst, überall, zu jeder Zeit. Medienhaus Main-Echo, Foto: Stefan Gregor 80 Aschaffenburg wächst lich wieder Potenzial, Gewerbeflächen auszuweisen und damit ihr wirtschaftliches Gewicht auszubauen. Bereits in seiner ersten Wahlperiode muss sich Willi Gegenüber Obernau verfolgt Willi Reiland dieselbe Reiland mit der kommunalen Neugliederung befas- Politik wie gegenüber Gailbach. Er lässt die neuen Mit- sen. Hintergrund ist die Gebietsreform im Freistaat bürger erleben, welche Vorteile die Zugehörigkeit zur Bayern, die mehr leistungsfähige Gemeinden und Stadt Aschaffenburg mit sich bringt. Landkreise schaffen soll. Zu diesem Zweck sollen klei- nere Gemeinden unter 2000 Einwohnern ihre Eigen- Nicht nur die neuen Gewerbeflächen machen Aschaf- ständigkeit aufgeben und mit größeren Gemeinden fenburg attraktiv für Firmen. Die Folge: Wirtschaftlich oder Städten fusionieren. Diese Politik tragen die be- steht die Stadt unter Willi Reiland gut da. Der städti- troffenen Gemeinden nur zähneknirschend mit. Also sche Haushalt wächst kontinuierlich. Nicht zuletzt muss Willi Reiland, der in der Gebietsreform die dank kräftig wachsender Gewerbesteuereinnahmen Chance erkennt, Aschaffenburg wirtschaftlich, poli- gelingt es, aus dem Verwaltungshaushalt – er enthält tisch und gesellschaftlich zu stärken, um die Gunst der die laufenden Einnahmen und Ausgaben einer Stadt Neu-Aschaffenburger werben. – jedes Jahr eine beachtliche Summe dem Vermö- Mit der Eingemeindung des damals knapp 1400 Ein- genshaushalt zuzuführen. Aschaffenburg kann inves- wohner zählenden Gailbach zum 1. April 1975 mit tieren. Ein Teil des Geldes fließt in den Bau von Klini- 1360 Einwohnern erzielt er einen ersten Erfolg. Unter kum und Stadthalle, doch das sind nicht die einzigen dem Eindruck des Gegenwinds unternimmt die Politik Bauprojekte, die unter der Führung Willi Reilands der der nächsten Jahre besondere Anstrengungen, den Stadt ein neues Gesicht geben. neuen Stadtteil nach Aschaffenburg zu integrieren, indem man die „neuen“ Aschaffenburger erleben lässt, Zu den herausragenden Baumaßnahmen zählen die dass die Zugehörigkeit zur Stadt Vorteile mit sich Restaurierung des Schönborner Hofs am Wermbach- bringt. Die Stadtwerke Aschaffenburg verlegen zum kreisel, in dem das Naturwissenschaftliche Museum Beispiel sehr schnell einen Abwasserkanal nach Gail- sowie das Stadt- und Stiftsarchiv ihr neues Domizil bach neu und versorgen den neuen Stadtteil gleich- beziehen. Auch die Städtische Fachschule für Stein- zeitig mit einer Gasversorgungsleitung, die Willi Rei- metze und Steinbildhauer (Meisterschule), die Erwei- land am 15. Dezember 1976 in Betrieb nimmt. terung der Fachoberschule (FOS) und ihre Renovie- In seiner zweiten Amtsperiode gelingt es in einem rung, die Gestaltung des Karlsplatzes, die Sanierung harten Ringen und schwierigen Entscheidungspro- des Stiftsberges und die Erneuerung von denkmal- zess, Obernau am 1. Mai 1978 als weiteren Stadtteil würdigen Hausfassaden werden unter Willi Reiland nach Aschaffenburg einzugemeinden sowie der Stadt vollendet. vom Markt Großostheim durch Umgemarkung von Er lässt ein neues Kinderheim im Bessenbacher Weg Flächen westlich und südlich des Schönbusch neue bauen, das 1982 eröffnet wird, und als Treffpunkt im Flächenreserven zuzuordnen. Die Stadt hat nun end- Jahr 1986 das Jugendkulturzentrum JuKuZ. Eine enorme Herausforderung ist der Abzug der US- Willi Reiland aktiv voran. Seit 1983 befindet sich im 81 amerikanischen Truppen ab 1991. Die Stadt sieht sich ehemaligen Rabbinatsgebäude das Museum jüdischer plötzlich gezwungen, ein riesiges Areal sinnvoll umzu- Geschichte und Kultur; der Brunnen und ein Denkmal widmen und ein Leitbild für die Einbindung der Würz- erinnern an die ehemalige jüdische Bevölkerung und burger Straße zu entwickeln. Diese Planung ist eine der ihre Synagoge in Aschaffenburg. großen Herausforderungen der letzten Amtsperiode. Eine besondere Leidenschaft pflegt der Oberbürger- Der Herr des Rings meister zudem: Er mag Brunnen. Mehr als 25 lässt er in ganz Aschaffenburg installieren, man nennt ihn liebe- Willi Reilands vielleicht größte Leistung ist der Bau des voll den „Brunnen-Willi“. Ein besonders prachtvolles Aschaffenburger Rings, der später seinen Namen tra- Exemplar steht seit 1992 auf dem Wolfsthalplatz nahe gen wird. Diese Ehre wird der Oberbürgermeister in- der Stadthalle und heißt „Der Zeitwagen“. des nicht mehr erleben. Sinnbildlich steht er für ein wichtiges Ziel, das Willi Rei- Die „Stadtautobahn“ genannte Umgehungsstraße land von Anfang an nachdrücklich verfolgt: die Versöh- rund um die Innenstadt ist ein Plan, der noch unter nung mit den jüdischen Mitbürgern Aschaffenburgs, Amtsvorgänger Dr. Vinzenz Schwind beschlossen und die im Zweiten Weltkrieg deportiert worden sind. Viele begonnen worden ist. Willi Reiland aber fällt es zu, den sind ermordet worden; zu den Überlebenden und ih- Bau entscheidend voranzutreiben und, wenn möglich, ren Angehörigen nimmt der Oberbürgermeister Kon- zu vollenden. Dazu entwickelt er eine klare Vision. Er takt auf. 1978 lädt er sie erstmals nach Aschaffenburg will den gesamten Ring kreuzungsfrei in Tieflage verle- ein; die Neugestaltung des Wolfsthalplatzes – benannt gen. Dagegen laufen viele Sturm. Die Straße selbst ist nach dem jüdischen Bankdirektor und Kommerzienrat nicht der größte Streitpunkt. Dass das vom Verkehr Otto Wolfsthal aus Aschaffenburg (1870–1942) – treibt hochfrequentierte Aschaffenburg entlastet werden muss, ist allgemein ersichtlich. Die Anwohner der Hauptdurchfahrtsstraßen stöhnen über die Verkehrs- belastung. Doch die Tieflage ist es, die den Gegnern des Bauprojekts sauer aufstößt; Widersacher ketten sich an Bäume und stellen Grabkreuze auf. Hier zeigt sich Willi Reilands Hartnäckigkeit, die er bei allem Set- zen auf Konsens und bei aller Notwendigkeit, Mehr- heiten zu suchen, durchaus zeigen kann. Willi Reiland will diesen Ring, und er setzt alle Hebel in Bewegung, ihn zu bekommen. Heftigste Anfeindungen fechten ihn nicht an. Sie kommen ohnehin zu spät: Der Bau des Rings hat ja längst begonnen, ihn nicht zu vollenden würde die Verkehrsproblematik der Stadt nicht lösen.

Schwein gehabt! Zum 50. Geburtstag am 3. November 1983 bekam Dr. Willi Reiland ein Glücksferkel geschenkt. Medienhaus Main-Echo, Foto: László Ertl 82 Am Ende bekommt Willi Reiland seinen Ring, wenn Weltoffenheit am Untermain auch nicht ganz. Drei Viertel werden fertiggestellt, darunter der „Nördli- Willi Reiland ist noch kein Vierteljahr im Amt, als er che Ring“ und der „Südliche Ring“. Für den Nord-Ab- schon dem französischen Konsul in München signali- schnitt werden zwischen 1970 und 1975 Schiller- und siert, dass Aschaffenburg Interesse an einer Partner- Linkstraße ausgebaut, zwischen 1980 und 1988 eine stadt in Frankreich hat. Fünf Jahre später ist es so weit, vierspurige Straße zwischen Linkstraße und Hanauer die Stadtoberhäupter von Aschaffenburg und Saint- Straße einschließlich Tunnelbauten errichtet. Gleich- Germain-en-Laye beschließen eine Städtepartner- zeitig schließt der Bund als Bauherr die Ebertbrücke an schaft. Im Jahr 1996 kommt die deutsch-ungarische die Bundesstraße 26 an. Es folgen die Erweiterung der Partnerschaft mit der Gemeinde Miksolc hinzu. Mit Adenauerbrücke, der Ringstraßenabschnitt zwischen Großbritannien führt Aschaffenburg bereits eine Part- Großostheimer und Würzburger Straße, der Neubau nerschaft. Willi Reiland belebt den schon 1956 ge- der Strecke zwischen Obernauer Straße und Schwein- knüpften Kontakt zum schottischen Perth. heimer Straße, die technisch höchst komplizierte Un- Unter dem Eindruck seiner Kindheit im Zweiten Welt- terquerung der Bahnstrecke Aschaffenburg-Milten- krieg weiß der Oberbürgermeister um den unschätzba- berg. Mit den neuen bahnbegleitenden Straßentras- ren Wert des Friedens. Frieden stiften und halten, Men- sen entstehen nicht nur neue Verkehrsbauten; sie schen zusammenbringen, freundschaftliche Bindun- führen mit dem System der drei großen „Grünbrücken“ gen pflegen und sprachliche Verständigung ermögli- auch ein neues städtebauliches Element ein, das die chen – im Europa der Nachkriegszeit, in dem man unter durch die Ringstraße getrennten Stadtteile verbindet. Social Media noch Telefonate und Briefe verstand, sind Städtepartnerschaften ein hervorragender Weg, mit der Auch Umweltschutz ist ein Thema für Willi Reiland, Welt in Kontakt zu treten, Menschen zusammenzubrin- etwa bei der Gestaltung und Verwirklichung des inte- gen und in der persönlichen Begegnung gegenseitiges grierten Abfallwirtschaftskonzeptes der Stadt Aschaf- Verständnis und Vertrauen zu fördern. fenburg. Beispielhaft dafür ist die Errichtung des Kom- Die Partnerschaft mit Perth verschafft Willi Reiland so- postierungswerkes an der Obernburger Straße 1993, gar königliche Ehren. Im Rahmen der seit 1972 übli- das als erste Anlage dieser Art in Unterfranken eine chen Kulturwoche vom 19. bis 29. Mai zwischen der zukunftsweisende Umweltschutztechnologie auf- schottischen Stadt Perth und Aschaffenburg besucht weist. Ferner gehören zu diesem Programm die Sanie- das Ehepaar Reiland Perth und gehört zu den zwanzig rung und Erweiterung der Kläranlage an der Mörswie- auserwählten Persönlichkeiten, die Mitte Mai 1977 in senstraße in mehreren Stufen, zuletzt 1995, sowie der der Partnerstadt der britischen Königin Elisabeth II. Bau einer Wasseraufbereitungsanlage, ein Pilotprojekt und ihrem Prinzgemahl Philipp vorgestellt werden. in Europa. Die Königin bereist gerade anlässlich ihrer 25-jährigen Thronbesteigung Schottland und weilt zu diesem Zeitpunkt in der schottischen Partnerstadt. Gemälde der Aschaffenburger Maler Ernst Ludwig 83 Kirchner (1880–1938) und Christian Schad (1894–1982) ankaufen und engagiert sich auf Bestreben einer Bür- gerinitiative dafür, dass die im Jahr 1976 profanierte Kunsthalle Jesuitenkirche vom Ausstellungsraum für jedermann zu einer hochkarätigen Städtischen Galerie wird. Mit deren Leitung betraut der Oberbürgermeister mit Dr. Brigitte Schad eine ausgewiesene Expertin. Die Kunsthistorikerin realisiert ein neues Ausstellungskon- zept, eine Melange aus Ausstellungen der Klassischen Moderne und Raum-Objekt-Installationen. Die „neue“ Kunsthalle Jesuitenkirche erwirbt sich innerhalb weni- ger Jahre einen exzellenten Ruf.

Die hohe Kunst schätzt Willi Reiland genauso wie kul- turelle Geselligkeit. Nirgends zeigt sich das besser als während der närrischen Tage. Im Karneval ist Willi Rei- land ganz vorne mit dabei. Als Oberclown, Sultan und Napoleon bringt er das Fastnachtsleben in Aschaffen- burg in Schwung. Ihm ist der Umzug am Faschings- sonntag zu verdanken, bei dem er – natürlich – mitten- Höchste Ehren: Beim Besuch der schottischen Partnerstadt Perth drin statt nur dabei ist. Legendär sind seine Büttenre- war Willi Reiland mit seiner Frau Elvira beim Empfang von Queen den, in denen er sich einen Schlagabtausch mit den Elizabeth II. geladen Büttenrednern der Aschaffenburger Karnevalsvereine Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg, Fotosammlung liefert. Freundschaftlich, versteht sich. Die Aschaffen- burger lieben ihn dafür – und für seine fantasievollen Lebenswertes Aschaffenburg Kostüme, mit denen er sich manchmal bis zur Un- kenntlichkeit verkleidet. Willi Reiland macht Aschaffenburg lebendig. Als Kul- turreferent schafft er ein umfassendes Angebot, das Die Menschen, sagt Willi Reiland, seien ihm immer am weit über die Stadt hinausstrahlt. Nicht nur gewinnt wichtigsten gewesen. „Ich bin stolz darauf, dass wir je- die Volkshochschule an Ansehen und Kunden. Willi des Jahr 30 Sozialhilfeempfänger in der Stadt ange- Reiland setzt sich auch für das Theater ein, fördert die stellt und ihnen somit eine Perspektive geboten haben. Junge Bühne, holt bekannte Ensembles mit klassi- 1990 haben wir die erste Kinderkrippe ,Mäuschen‘ in schen und modernen Programmen in die Stadt. Er lässt Aschaffenburg bezuschusst. Keine Stadt weit und breit 84 sondern auch Ämter außerhalb des Rathauses. So wird er unter anderem Vorsitzender des Verkehrsvereins, Mitglied im Verwaltungsausschuss im Arbeitsamt, im zweijährigen Turnus Verbandsvorsitzender und Stell- vertreter des Zweckverbandes Sparkasse Aschaffen- burg, Vorstandsmitglied beim Bayerischen Roten Kreuz, Verbandsrat und Mitglied des Planungsaus- schusses des Regionalen Planungsverbandes Bayeri- scher Untermain, Abgeordneter in der Hauptver- sammlung des Deutschen Städtetages, Vertreter in der Vollversammlung des Bayerischen Städtetages Aschebersch Helau! Willi Reiland liebte den Fasching, und der und Vorsitzender des Aufsichtsrates der Städtischen Fasching liebte ihn. Legendär seine Büttenreden, legendär seine Wohnungsbaugesellschaft. Kostümierungen. Medienhaus Main-Echo, Foto: László Ertl „Nicht selten sah ich ihn, wenn er die 37 Treppenstufen vom hinteren Rathauseingang in den dritten Stock hi- hat das damals gemacht. Da waren wir absolute Vorrei- naufging, mit Akten und Plänen unter dem Arm, die er ter. Das sind Dinge, auf die bin ich viel stolzer als auf die zusätzlich zu den zahlreichen Veranstaltungen, die er Bauten“, sagt er im Jahr 2014 im Frizz-Magazin. am Wochenende wahrnahm, durchgearbeitet hatte“, Das Pensum des Oberbürgermeisters ist überwälti- erinnert sich Reilands Stellvertreter Günter Dehn gend. Der Position im Amt folgend übernimmt Willi (CSU), der 22 Jahre lang Seite an Seite mit dem Stadt- Reiland Aufgaben, die nicht nur unmittelbar mit seiner oberhaupt arbeitet. Für Familie, Freunde und Hobbys eigentlichen Verwaltungsarbeit zusammenhängen, bleibt da wenig Zeit.

Arbeitsalltag im Rathaus. Willi Reiland behielt den Überblick. Medienhaus Main-Echo, Foto: Stefan Gregor Die Wochenenden dienen kaum ein- 85 mal zum Ausruhen und zur Erholung. Zwar findet der sportliche Willi ­Reiland immer wieder Zeit für sein geliebtes Tennis oder – in fortge- schrittenem Alter – für das Golfspiel. Schon seit seinem 15. Lebensjahr spielt er Handball und Tennis und übernimmt sogar noch ein Ehren- amt: Er ist zweiter Vorsitzender des Bayerischen Landessportverbandes im Kreis Aschaffenburg. Überhaupt für den Sport, den Breitensport, den Schulsport, aber auch für den Spit- zensport, setzt er sich ein, fördert Aschaffenburgs Sportvereine oder die Errichtung Hochdekoriert: Dr. Willi Reiland wurde für seine großen Verdienste städtischer Sportanlagen wie der Eissporthalle im Jahr nicht nur für die Stadt Aschaffenburg mehrfach ausgezeichnet, 1982. Dort trifft man ihn bisweilen frühmorgens auf unter anderem mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, bekannt als Bundesverdienstkreuz. Schlittschuhen an. Medienhaus Main-Echo, Foto: Peter Rogowsky Trotz der vielen Termine und wenigen Freizeit ver- säumt Willi Reiland kaum ein Fest, ein Jubiläum eines Für sein Engagement, seinen nie endenden Einsatz er- Vereines oder ein Handballspiel in der Unterfranken- hält Willi Reiland zahlreiche Auszeichnungen und Eh- halle. Beim Jubiläum der Feuerwehr, am Jahrestag der rungen, darunter das Bundesverdienstkreuz, die Kom- Feldgeschworenen, bei der Einführung eines neuen munale Verdienstmedaille in Silber (Juli 1985), das Bun- Pfarrers oder bei der Verabschiedung eines langjähri- desverdienstkreuz I. Klasse (Juni 1989), den Bayerischen gen Vereinsvorsitzenden sitzt er immer in der ersten Verdienstorden (Juli 1993) und die Kommunale Ver- Reihe. Das Gleiche gilt für Veranstaltungen zum 1. Mai dienstmedaille in Gold (Oktober 1999). in den Stadtteilen, für den Volkstrauertag und andere Anlässe. Am 6. Mai 2000 ernennt ihn die Stadt Aschaffenburg zum Ehrenbürger. Am 14. Dezember 2001 erhält er den Ehrenbrief der Stadt Aschaffenburg für sein sport- liches Engagement. Seine 30-jährige Amtszeit endet am 30. April 2000. Kein anderer (Ober-)Bürgermeister war bisher so lange wie er im Amt. Willi Reiland stirbt am 14. November

Willi Reiland war ausgesprochen sportlich. Schwimmen, Handball, Eislaufen, Golf: Der Oberbürgermeister war vielseitig begabt und interessiert. Medienhaus Main-Echo, Foto: Karl-Heinz Liebler 86 2015 im Alter von 83 Jahren in seiner Heimatgemeinde Hai- bach. Er ist in einem Ehrengrab auf dem Aschaffenburger Alt- stadtfriedhof bestattet.

Zwei große Männer der Stadt auf einem Bild. Der Aschaffenburger Künstler Siegfried Rischar malte im Jahr 1989 das Aschaffenburger Stadtoberhaupt. Medienhaus Main-Echo, Foto: László Ertl

In Willi Reilands Amtszeit konnten folgende Projekte geplant bzw. fertiggestellt werden:

1973 Eröffnung der Fußgängerzone 1974 Eröffnung der „City Galerie“ 1976 Ausbau der profanisierten Jesuitenkirche zur Städtischen Galerie Jesuitenkirche (heute Kunsthalle Jesuitenkirche) 1982 Übergabe des Stadt- und Stiftsarchivs im neu renovierten Schönborner Hof 1982 Eröffnung der Eissporthalle 1982 Eröffnung des neuen Kinderheims im Bessenbacher Weg 1984 Übergabe des jüdischen Dokumentationszentrums am Wolfsthalplatz (heute Museum für jüdische Geschichte und Kultur) 1984 Überführung der Musikschule Aschaffenburg in kommunale Trägerschaft 1985 Übergabe der VHS im Gebäude am Marktplatz 1989 Einweihung des neuen Klinikums am Hasenkopf 1991 Einweihung der neu errichteten Stadthalle 1992 Eröffnung des zweiten Teils der Konrad-Adenauer-Brücke 1993 Einweihung der neu errichteten Stadtbibliothek 1995 Inbetriebnahme des ersten Ring-Abschnitts Obernauer Straße / Konrad-Adenauer-Brücke – Schweinheimer Straße 1996 Eröffnung des städtischen Jugendkulturzentrums (Jukuz) 1997 Fertigstellung der Grünbrücke (Verbindung von der Großmutterwiese zur Fasanerie) 1998 Inbetriebnahme des Ring-Abschnittes Schweinheimer Straße – Würzburger Straße Klaus Herzog deshalb das Markenzeichen seiner Amtszeit. Lieber 87 (2000–2020) vertagt er eine Entscheidung, wenn ihm die Zustim- mung zu dünn erscheint, um in Nachverhandlungen und Nachdebatten eine bessere, tragfähigere Lösung Kaum ist Klaus Herzog am 1. Mai 2000 in Amt und Wür- zu finden. den, fängt es im Rathaus an zu grünen. Als eine seiner Klaus Herzogs vielleicht wichtigste Stärke aber ist sein ersten Amtshandlungen lässt der neue Aschaffenbur- Optimismus. Schon im Jahr nach Amtsantritt erschüt- ger Oberbürgermeister im dritten Stock Pflanzen auf- tert eine schwere Wirtschaftskrise auch Deutschlands stellen. Dort hat Klaus Herzog sein Büro, und die Geste Kommunen, wenige Jahre später beuteln die Auswir- ist herzlich: Das Rathaus ist nicht nur eine Amtsstube, kungen einer globalen Finanzkrise die Stadt. Im es soll ein Zuhause für alle Bürgerinnen und Bürger schlimmsten Jahr kann die Stadt nicht einmal den erfor- sein, ein Ort zum Reden und Handeln, ein Ort fürs Le- derlichen Zuführungsbetrag zur Schuldentilgung vom ben. Klaus Herzog ist als langjähriger Stadtrat mit der Verwaltungshaushalt an den Vermögenshaushalt er- Kommunalpolitik Aschaffenburgs bestens vertraut, wirtschaften, es sind keinerlei Investitionen möglich. und so weiß er sehr genau, wo es neue Akzente zu Klaus Herzog aber führt die Stadt mit beispielloser Zu- setzen gilt und wo Bewährtes fortgeführt, ausgebaut versicht und Ruhe durch die Krise. „Aschaffenburg ist und gefördert werden will. eine tolle Stadt, wir haben keinen Grund zu jammern“, ist sein Credo, und dieser Grundoptimismus ist es, der Klaus Herzog will einen neuen Stil. Bürgerzufrieden- Aschaffenburg gestärkt aus der Krise herausgehen lässt. heit und Mitarbeiterzufriedenheit sind seine zentralen Diesen Optimismus lebt Klaus Herzog auch in der letz- Anliegen. Er ist Netzwerker, seine Stärke ist das Initiie- ten großen Herausforderung seiner Amtszeit, der glo- ren und Begleiten von Meinungsbildungsprozessen. balen Pandemie mit COVID-19. Das Corona-Virus er- Die Aschaffenburger sollen mehr miteinander als reicht – Aschaffenburg und die Welt sind globalisiert übereinander reden. Klaus Herzog ist SPD-Mitglied, – im März auch den Untermain, die bayerischen Kom- aber er versteht sein Amt als Dienst an allen Bürgern. munalwahlen am 15. März stehen bereits stark unter Die Suche nach breiten Mehrheiten im Stadtrat wird dem Eindruck der Krise. In einem in der Geschichte beispiellosen Akt entscheidet die Bayeri- sche Staatsregierung, das wirtschaftliche, öffentliche und soziale Leben vom 16. März an auf ein Minimum herunterzu- fahren. Schulen, Kindertagesstätten und Geschäfte, die nicht für die Grundversor- gung der Bevölkerung maßgeblich sind, müssen schließen. Aschaffenburg hat schon Wochen vorher eine „Task Force

Dr. Willi Reiland und Ehefrau Gudrun gratulieren als Erste: Im Jahr 2000 wird Klaus Herzog zum neuen Oberbürgermeister gewählt. Foto: Stefan Gregor 88 COVID 19“ eingerichtet, um die kritische Situation be- Kommunikation und Transparenz sonnen zu meistern. Die Einsatzgruppe kann einen Pandemie-Plan anwenden und weiterentwickeln, den In allen Prozessen legt Klaus Herzog Wert auf klare die Stadt schon im Jahr 2007 entwickelt hat; damals Kommunikation, durchgängige Transparenz, breite grassierte das SARS-Virus und weltweit breiteten sich Partizipation und Kollegialität. Er moderiert, lenkt und Influenza-Viren aus. Die Krise wird Aschaffenburg weit nimmt mit präzisen Impulsen das Notwendige in An- über die Ära von Klaus Herzog beschäftigen. griff. Ein Stil, der die Aschaffenburger begeistert. Die Unter seiner Führung tilgt Aschaffenburg die letzten Pflanzen im dritten Stock des Rathauses sind mehr als sichtbaren Erinnerungen an Krieg und Zerstörung, wird ein Symbol. Es wächst etwas Neues in Aschaffenburg, der Nachkriegscharme durch moderne Architektur er- die Stadt gedeiht. Ihre Wurzeln sind stark genug fürs setzt, bekommt der Stadtteil Obernau eine Ortsumge- 21. Jahrhundert, in das Klaus Herzog sicher führt. hung und beginnt mit einem Verkehrskonzept inklusive „Man muss ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Schei- Radverkehrskonzept für die Innenstadt ein verkehrspo- tern“: Die Maxime des deutschen Philosophen Ernst litisches Umdenken. Die Stadt öffnet sich mit der Neu- Bloch ist der Leitstern für seine Amtszeit. „Du musst gestaltung des Mainufers zum Fluss, die sozialen Rah- gerecht sein, du musst freundlich sein, du musst Lö- menbedingungen für die Bürger werden sukzessive sungen finden, du musst Menschen zusammenführen verbessert. Die Stadt baut – die gesellschaftliche Ent- und du darfst niemals aufgeben“ ist Klaus Herzogs wicklung gibt den Takt vor – Kinderkrippen und Kinder- Strategie (Main-Echo, 25.2.2012). Das macht ihn zum gärten, saniert und errichtet Schulen, managt die Ent- Erfolgsgaranten für die Stadt. wicklung zur Hochschulstadt, schafft Wohnraum und fördert ein lebendiges Miteinander im Quartier. Und die Aschaffenburger haben dafür ganz offensicht- Weil der Mensch nicht von Brot allein lebt, entwickelt lich ein sicheres Gespür. In seine erste Amtszeit wählen Klaus Herzog die Vision einer Kulturstadt Aschaffen- sie ihn mit fast 65 Prozent der Stimmen, kein schlech- burg. Dafür wird der Kunst- und Kulturliebhaber erst ter Start, wenn man das Erbe eines Oberbürgermeis- belächelt, doch der Erfolg gibt ihm mehr als recht. ters anzutreten hat, der so lange wie keiner je im Amt war. Drei Mal wird Klaus Herzog gewählt. Dass seine

Im großen Sitzungssaal des Rathauses vereidigt Stadtratsmitglied Rudi Stock Klaus Herzog als neuen Oberbürgermeister. Ehefrau Gudrun und Bürgermeister Günter Dehn sind in der ersten Reihe dabei. Foto: Stefan Gregor Amtszeit statt der üblichen dreimal sechs Jahre insge- der zweiten Wahl zeigt sich, dass der Oberbürgermeis- 89 samt zwanzig Jahre dauert, ist dem Umstand zu ver- ter mit seiner Politik des Ausgleichs den Nerv der Zeit danken, dass die Kommunalwahl harmonisiert wer- trifft. 89 Prozent wählen ihn im Jahr 2006 erneut an die den soll; Stadtrats- und Oberbürgermeisterwahl sollen Spitze; das nahezu absolutistische Ergebnis liegt auch nach Möglichkeit zusammen stattfinden. Um diese daran, dass die CSU erst gar keinen eigenen Kandida- Harmonisierung zu erreichen, ist Klaus Herzogs dritte ten ins Rennen schickt. 2012 gewinnt er gegen den Amtszeit um zwei Jahre länger. An seinem letzten Ar- Juristen, Stadtrat und Landtagsabgeordneten Win- beitstag ist er bereits 69 Jahre alt und hat die Pensions- fried Bausback. Klaus Herzog selbst ist froh über die- grenze für Oberbürgermeister überschritten. Doch sen Sieg, denn das Wahlprogramm schreibt er eigen- das ist im Jahr 2000 noch Zukunftsmusik. In diesem händig in seiner Freizeit und für Wahlkampf habe er Jahr gilt es erst einmal die „Aschaffenbürger“ über- kaum Zeit gehabt, erinnert er sich später in einem Ge- haupt zu begeistern. spräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 60 Seit 1978, also 22 lange Jahre, sitzt Klaus Herzog be- bis 80 Stunden pro Woche ist er als Oberbürgermeister reits für die SPD im Stadtrat. Er kennt alle kommunal- im Dienst. Vielleicht sind dieses Pensum und die Er- politischen Spielregeln und Herausforderungen, ist gebnisse, die es zeitigt, besser als der beste Wahl- bestens vertraut mit der Stadtpolitik. Zupackend, cha- kampf. rismatisch, optimistisch, überlegt, ruhig und ausglei- Ihm zur Seite steht bis zum Jahr 2002 Günter Dehn, chend, dabei humorvoll und gütig: Aschaffenburg seit 1978 Bürgermeister in Aschaffenburg. Günter vertraut auf Klaus Herzog. Er ist ein Mann, der sich Dehn führt als Referent das Schulverwaltungs- und kümmert, der niemanden abhängt, der auch kleine Sozialamt und verantwortet unter anderem den Bau Sorgen und Nöte nicht als nebensächlich abtut. Bei des Jugendkulturzentrums. Die Zusammenarbeit lobt Klaus Herzog als „äußerst konstruktiv“, ebenso wie die Zusammenarbeit mit Günter Dehns Nachfolger Wer- ner Elsässer, der zahlreiche Schulprojekte wie den Neubau der Fachoberschule und die Generalsanie- rung der Staatlichen Realschule verantwortet. Im Jahr 2014 wählt der Stadtrat zwei Nachfolger für Werner Elsässer: Jessica Euler (CSU) und Jürgen Herzing (SPD). Bürgermeisterin Jessica Euler leitet das Referat für Ju- gend, Schule und Soziales, Bürgermeister Jürgen Her- zing das Referat für Umwelt, Energie, Verbraucher-, Brand- und Katastrophenschutz. Beide arbeiten Hand in Hand mit Oberbürgermeister Herzog und bringen die Stadt ein großes Stück nach vorn.

Im vollen Einsatz für die Stadt: Die 20 Jahre als Oberbürgermeister Aschaffenburgs waren für Klaus Herzog keine Achterbahnfahrt. Er hatte Ziele stets fest im Blick. Medienhaus Main-Echo, Björn Friedrich 90 In die SPD tritt Klaus Herzog 1974 ein, weil ihn weltpo- litische Fragen – Kalter Krieg, Prager Frühling, Viet- nam-Krieg – umtreiben. Der US-amerikanische demo- kratische Präsident John F. Kennedy ist für ihn ein Held, dass die SPD unter ihrem Kanzler Willy Brandt die Aussöhnung mit dem Ostblock forciert, findet er gut. Doch die Welt-, Bundes- und Landespolitik verfolgt er konsequent nur als Beobachter. Seine ganze Leiden- schaft gilt der Kommunalpolitik, und es ist diese Lei- denschaft, für die ihn die Aschaffenburger ins Amt wählen und mit der er – nachdem die Pflanzen im dritten Stock des Rathauses stehen – seine Aufgaben in Angriff nimmt. Geboren und aufgewachsen ist Klaus Herzog in Obernau. Seit langem lebt er mit Ehefrau Gudrun im Aschaffenburger Stadtteil Theaterplatz: repräsentatives Kulturzentrum Damm. Seinen 60. Geburtstag feierte er als Oberbürgermeister am 29. März 2011. im Herzen Aschaffenburgs Foto: Stefan Gregor Klaus Herzogs erstes großes Projekt hat Zündstoff. Blickt er aus den Fenstern des Rathauses auf den Thea- Klaus Herzog kommt 1951 in Obernau, damals noch terplatz hinunter, sieht er ein Areal, das seit der Zerstö- eigenständige Gemeinde, zur Welt. Er ist der Älteste rung im Zweiten Weltkrieg nie seine rechte Bestim- von vier Geschwistern. Der Vater arbeitet bei der Bahn mung gefunden hat. Die soll der Platz nun bekommen, in Frankfurt, die Mutter in einer Textilfabrik, die Kinder doch über das Wie wird aufs Heftigste gestritten, eine verbringen viel Zeit mit der Oma. Auf engem Raum Bürgerinitiative kämpft gegen die geplante Bebau- funktioniert Zusammenleben, wenn man Rücksicht ung, die der Stadtrat – noch unter Willi Reiland – be- aufeinander nimmt. Seine Kindheit ist glücklich, das reits abgesegnet hat. Klaus Herzog lässt alle Pläne auf prägt Klaus Herzog. Nach dem Abitur studiert er Ger- Eis legen und holt die Bürger an einen Tisch. Sie sollen manistik und Politikwissenschaften auf Lehramt an mitentscheiden, was mit dem Areal geschehen soll. der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, Ziel ist ein Konsens, mit dem alle gut leben können. Ein unterrichtet zwanzig Jahre lang Deutsch, Religion und Ideenwettbewerb wird ausgeschrieben. Es gewinnt Sozialkunde an einem Gymnasium in Hanau. Seine ein Aschaffenburger Architekturbüro, das mit einem Frau Gudrun kennt er seit seiner Jugend, die beiden auf Theaterbau spezialisierten Frankfurter Büro zu- haben zwei Söhne und vier Enkel. Die Herzogs woh- sammenarbeitet. In diesem Zusammenhang macht nen in Aschaffenburg-Damm. Klaus Herzog die Sanierung des Stadttheaters zu ei- nem Schwerpunkt der Bautätigkeit im Bereich der Kulturstätten. Die Planungen für den Theaterumbau ble des Staatstheaters Meiningen produzierte Schau- 91 beginnen direkt nach der Fertigstellung des Theater- spiel „Jungfrau von Orleans“ von Friedrich Schiller und platzes im Jahr 2006. die Aufführung der Oper „Die Entführung aus dem Am Ende eines langen Prozesses steht ein Ensemble aus ­Serail“ in einer Inszenierung der Oper Köln. 2019 wird einem restaurierten Theater in einer gelungenen Kom- die Theatertechnik mit dem Einbau einer Drehbühne bination von alten und neuen Bauelementen mit einem und einer Erneuerung der Lichtanlage auf den neues- neu gestalteten Theaterplatz. Es wird zu einem reprä- ten Stand gebracht. sentativen Kulturzentrum im Herzen Aschaffenburgs, zum öffentlichen Wohnzimmer der Oberstadt. Das 1811 Theaterplatz, Neubau der Stadtloggia und die Erweite- erbaute, im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Theater rung des Theaterfoyers sind der erste erfolgreiche erhält einen repräsentativen Eingangsbereich, einen Proto­typ für das partizipative Vorgehen des Oberbür- Anbau mit Glasfassade und auskragendem Vordach, germeisters bei Planungsprojekten der folgenden eine Theatergastronomie mit stimmungsvollem Blick Jahre. auf den Platz. Am Übergang zur Dalbergstraße entsteht eine überdachte Stadtloggia mit Gastronomie, Olean- Miteinander reden, alle informieren der und Zitronenbäume lassen vermuten, man säße auf einer Terrasse: Italien in Aschaffenburg. Die Nordseite Partizipation erfordert Kommunikation, Kommunika- des Platzes wird durch eine Wohnbebauung geschlos- tion braucht Transparenz. Und: Die Rahmenbedingun- sen, an der Südseite vermittelt alter Baumbestand mit gen im Verwaltungsapparat müssen stimmen. Im Jahr Holzbänken und Wasserlauf einen parkähnlichen Cha- 2000 übernimmt Klaus Herzog eine Rathausverwal- rakter. Auf dem Platz selbst wird eine der größten Son- tung, die am Anfang eines technischen und organisa- nenuhren Deutschlands installiert. Um am Schatten des torischen Veränderungsprozesses steht. Er beschließt, Gnomons die Zeit ablesen zu können, wird der größte das Hauptamt aufzulösen und neue Verwaltungs- Teil des Theaterplatzes mit einem komplizierten Netz strukturen zu etablieren. Im September 2000, also nur von unterschiedlich breiten Linien für Monate, Stunden vier Monate nach Amtsantritt, nehmen das Büro des und Minuten überzogen, das bestückt ist mit Punkten, Oberbürgermeisters und das Amt für zentrale Dienste römischen Ziffern und Tierkreiszeichen. ihre Arbeit auf. Die Zusammenarbeit der Dienststellen Mit Hilfe des im Jahr 2008 gegründeten Theaterförder- wird durch neue Technik begleitet. Das Arbeiten mit vereins, dem der Oberbürgermeister als Vorsitzender PC-Ausstattung treibt der Rathauschef als dringliches vorsteht, erhält der Zuschauerraum im Zuge der Sa- nierung eine neue Gestaltung. Der Austausch der Be- stuhlung wird über Stuhlpatenschaften mitfinanziert. Das Theater wird am 28. Oktober 2011 zum 200-jähri- gen Bestehen wiedereröffnet, das Jubiläumspro- gramm enthält das in Aschaffenburg mit dem Ensem-

Die Sanierung des Stadttheaters und des Theaterplatzes waren eines der ersten großen Projekte von Oberbürgermeister Klaus Herzog. Medienhaus Main-Echo, Björn Friedrich 92 Integrationsmanagement oder den Arbeitsbereich Statistik. Gerade dieser letztgenannte Bereich ist von großem Vorteil, denn er liefert wichtige Grundlagen für bürgerschaftliche und politische Diskussionspro- zesse und hilft, Entscheidungen qualifizierter zu tref- fen und Transparenz herzustellen. Im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung bekom- men die Ämter und Dienststellen eine zeitgemäße EDV-Ausstattung. Auf Basis einer dezentralen Lei- tungskultur erfolgt eine räumliche, sachliche und or- ganisatorische Neugliederung; in diese Veränderun- gen werden auch die städtische Wohnungsbaugesell- schaft und der Eigenbetrieb der Aschaffenburger Ver- sorgungsgesellschaft (AVG) mit einbezogen. Die AVG wird damit zu einem umfassenden Versorger mit kommunalen Dienstleistungen verschiedenster Art. Zum Ende seiner Amtszeit stößt Klaus Herzog einen Ein gutes Fußballspiel lässt sich Klaus Herzog nicht entgehen. Beim Prozess zur umfassenden Digitalisierung des Verwal- Brass Cup im Jahr 2009 traten die U19-Mannschaften von tungsapparates an – in Eigenleistung der Verwaltung. Eintracht Frankfurt und VfL Wolfsburg im Endspiel in der f.a.n.-frankenstolz-arena gegeneinander an. Klaus Herzog überreichte den Siegerpokal. Klaus Herzog baut deshalb von Anfang an konsequent Foto: Stefan Gregor die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadtverwal- tung aus, um umfassend und ausführlich über das Ziel voran. Die Weiterbildung der Mitarbeiter be- Handeln der Stadt zu informieren und eine hohe kommt hohe Priorität. Transparenz der Arbeit der städtischen Gremien zu Unter seiner Amtszeit werden Projektgruppen im ei- ermöglichen. Oft informiert er persönlich. Das Rathaus genen Haus gefördert und komplexe Themen weiter- gibt nun eine Bürgerzeitung heraus, die kommunalpo- entwickelt, die es ermöglichen, ein Bürgerservicebüro litische, gesellschaftliche und soziokulturelle Entwick- einzuführen oder die Zeiterfassung der Mitarbeiten- lungen aufgreift. den von der alten Stechkarte aus Pappe auf ein elek- tronisches System umzustellen. Auch ein Bonussys- Auch soziale Medien und neue Informationskanäle tem für eine leistungsorientierte Bezahlung ist Ergeb- spielen eine immer wichtigere Rolle. Klaus Herzog nis aus den Projektgruppen. lässt einen Internetauftritt für die Stadt einrichten und Die Stadtverwaltung erhält neue Aufgabengebiete im Zuge der technischen Entwicklung den Service wie die Wirtschaftsförderung, das Stadtmarketing, das schrittweise ausbauen. Ein Baustein ist das elektroni- sche Ratsinformationssystem, mit dem sich Bürger zwischen Stadtrat und Verwaltung wird von seinem 93 über die Arbeit der Kommunalpolitik im Internet infor- Stil beeinflusst, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mieren können. Der direkte Dialog bleibt essenziell. zu fördern. Als persönliche Aufgabe sieht es Klaus Herzog sicher- zustellen, dass Schreiben von Bürgerinnen und Bür- Große städtische Entwicklungsprojekte lässt Klaus gern in angemessener Zeit beantwortet werden. Zwi- Herzog nicht am Reißbrett entwerfen, sondern ma- schennachrichten und Informationen über zuständige nagt sie entlang seiner Kultur der Information und des Dienststellen sind Bausteine des neuen Informations- Dialogs. Das bedeutet auch, dass Bürger bei Planungs- managements einer serviceorientierten Verwaltung. prozessen nicht nur zuschauen dürfen. Ziele und Pro- Im Stadtrat leitet Klaus Herzog einen Reformprozess jektstatus werden in Bürgerversammlungen ausführ- des Sitzungsmanagements ein. Gleichzeitig ist es ihm lich und in der Regel mehrmals präsentiert, in Arbeits- wichtig, dass die Rechte des Stadtrates, dessen Ent- kreisen dürfen die Bürger ihre Meinung kundtun. Die scheidungskompetenz und die demokratischen Ge- Aschaffenburger werden damit zu Experten auf unter- pflogenheiten im kommunalpolitischen Entschei- schiedlichsten Feldern. Klaus Herzog will genau das: dungsprozess beachtet und respektiert werden. Als „Mir ist lieber, es heißt, ich hätte zu viele Arbeitskreise Sitzungsleiter pflegt er einen konstruktiven und kolle- ins Leben gerufen, als dass mir vorgeworfen wird, mit gialen Stil, der schließlich zusammen mit der transpa- Bürgerbeteiligung nichts am Hut zu haben“, zitiert ihn renten Informationspolitik dazu führt, dass viele und die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 4. Mai 2013. gerade die wichtigsten und zukunftsweisenden Rats- entscheidungen stets im Konsens mit breiter Mehrheit Die öffentliche Diskussion zur Neugestaltung des The- der politischen Mandatsträger getroffen werden. Die aterplatzes macht hier nur den Anfang. Einen wichti- politische Atmosphäre ist weitgehend auf Kooperatio- gen Beitrag zur Partizipation leisten auch die städte- nen angelegt. Das tut der Stadt gut. Nicht zuletzt gibt baulichen Sanierungsverfahren, in deren Rahmen für der Oberbürgermeister basierend auf seiner langjähri- alle Stadterneuerungsgebiete Quartiersbeiräte oder gen Erfahrung mit ehrenamtlicher Stadtratstätigkeit Quartiersforen eingerichtet werden, die regelmäßig der Verwaltung neue Impulse. Die Kommunikation unter breiter Beteiligung der Bürgerschaft tagen und alle maßgeblichen planerischen Fra- gen zu einer Empfehlung für die Stadt- ratsgremien aufarbeiten. Diese Quar- tiersarbeit ist besonders im Bahnhofs- quartier und im Stadtteil Damm erfolg- reich.

50 Jahre Mitglied im Stadtrat: Für seinen großen Einsatz würdigte Oberbürgermeister Klaus Herzog im Jahr 2010 Bürgermeister a. D. Günter Dehn. Foto: Stefan Gregor 94 Mobil ins nächste Jahrtausend Bis dahin ist es ein langer Weg, der direkt nach der ers- ten Wahl zum Oberbürgermeister beginnt. Nicht nur Das wichtigste Großprojekt, das Klaus Herzog erfolg- die Bürger, nicht nur Mitglieder des Stadtrats, auch die reich managt und bei dem ein besonderer öffentlicher Bahn muss von der Notwendigkeit millionenteurer In- Diskussionsbedarf besteht, ist die Neugestaltung des vestitionen in ihre Anlagen überzeugt werden. Als die Bahnhofs. Verhandlungen zur Zukunft des Bahnhofs bald nach Der Aschaffenburger Bahnhof im Jahr 2000: ein Nach- Amtsantritt des Oberbürgermeisters ins Stocken gera- kriegsbau im sachlichen Charme der 1950er Jahre, ten, wendet sich Klaus Herzog an den damaligen Vorsit- nicht abgestimmt auf die Bedürfnisse einer mobilen zenden der Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn. Der Gesellschaft. Er ist nicht barrierefrei und wird perspek- schickt einen Vertreter nach Aschaffenburg, der erst die tivisch die Anforderungen für den Fernverkehr nicht Stiftskirche und dann die Toilettenanlagen im Bahnhof mehr erfüllen, Aschaffenburg droht vom ICE-An- nebst heruntergekommener Unterführung besichtigt. schluss und damit der wichtigsten Komponente des Ein Besuch mit Folgen: Die Bahn willigt in das Sanie- Fernverkehrs abgehängt zu werden. Die Parkplätze rungsprojekt ein, Klaus Herzog gewinnt einen wichti- vor der Bahnhofshalle decken nicht annähernd den gen Partner auf dem steinigen Weg zum Umbau, der Bedarf; Pendler haben keine Möglichkeit zum Park & 2004 begonnen wird. Bei der Abstimmung über das Ride. Doch viele Aschaffenburger hängen am Bewähr- Bürgerbegehren im Jahr 2007 entscheidet sich die ten, mit dem Bürgerbegehren „Rettet den Hauptbahn- Mehrheit der Bürger für einen Neubau. hof“ wehren sie sich gegen Abriss und Neugestaltung, Ein privater Investor – die Bau- und Immobilienverwal- wollen lieber eine moderate Sanierung. Klaus Herzog tung Fäth mit Sitz in Aschaffenburg – realisiert einen setzt das Projekt gegen viele Widerstände durch, und 25 Millionen Euro teuren Neubaukomplex mit Emp- die Geschichte gibt ihm recht. Im Jahr 2012 wählt das fangsgebäude, Büros, Läden und Parkhaus, die Bahn- Schienenbündnis „Allianz pro Schiene“ das Neubau- hofsunterführung wird in Richtung Damm verlängert, ensemble zum „Bahnhof des Jahres“ in der Kategorie die Bahnsteige werden erhöht und barrierefrei zu- Kleinstadtbahnhof. gänglich. Architektonischer Blickfang ist das Flugdach über dem Haupteingang. Die Kooperation zwischen Bahn AG und einem privaten Inves- tor in Aschaffenburg hat Vor- zeigecharakter.

Grundsteinlegung für ein Jahrhundertprojekt: Oberbürgermeister Klaus Herzog setzte mit dem Leiter des Bahnhofsmanagements Hans-Jürgen Vogt, Bahn-Regionalbereichsleiter Süd Günther Pichler und Investor Ferdinand Fäth den symbolischen ersten Stein. Foto: Stefan Gregor Er heißt natürlich Aschaffenburg: 95 Oberbürgermeister Klaus Herzog tauft im Jahr 2006 einen ICE. Foto: Stefan Gregor

fertigzustellen. Lange hatte sich die Bahn ge- weigert, nun verkauft sie die für die Bahn­ parallele benötigten Grundstücke doch. Die 2017 freigegebene Straße ersetzt die Schiller- straße als Nordring und erschließt den Bahn- hof Nord. Für den Ortsteil Obernau bringt die Ortsumgehung die lange geforderte Entlas- tung. Der Widerstand gegen die Errichtung des letzten Teilabschnitts der Ringstraße ist heftig, doch ist der Bau alternativlos. Der Aschaffenburger Bahnhof im Jahr 2020: ein Hoch- bau mit modernen Bahnsteigen, stadtteilverbinden- der Unterführung und Parkhäusern an der Süd- und Nordseite, ergänzt durch einen neuen Regionalen Omnibusbahnhof. Die Bahnhofsvorfelder beiderseits des Bahnhofs sind neu gestaltet; per Vertragsklausel hält Oberbürgermeister Klaus Herzog das Glücksspiel aus dem Angebot an Gastronomie und Geschäften heraus. Der neue Bahnhof: ein Leuchtturmprojekt, ein Gewinn für Aschaffenburg.

Verkehrssystem mit Zukunft

Die Verkehrsanbindung über den Schienenverkehr ist indes nur ein Aspekt der Stadtentwicklung und Stadt- planung. In der Amtszeit von Oberbürgermeister Spatenstich für die Verlängerung der Ringstraßen-Erweiterung am 19. Januar Klaus Herzog werden zahlreiche weitere Verkehrspro- 2004: Alt-Oberbürgermeister Dr. Willi Reiland, Bürgermeister Werner Elsässer, jekte geplant und realisiert. Oberbürgermeister Klaus Herzog, Baureferent Detlef Martens, Alt- Bürgermeister Günter Dehn und SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Erich Henke Dem Oberbürgermeister fällt die Aufgabe zu, das (von links) packen mit an. Ringstraßensystem mit Ringstraße und Bahnparallele Foto: Stefan Gregor 96 Für Aschaffenburg gänzlich neue Elemente zur Gestal- Alle Maßnahmen haben das Ziel, einen auch kleinräu- tung des Verkehrsgeschehens sind die Einführung des mig stadtverträglichen Verkehr zu ermöglichen, der dynamischen Parkleitsystems und das gemeinsam mit die Attraktivität und Aufenthaltsqualität der Quartiere der Industrie- und Handelskammer entwickelte LKW- steigert. Eine Zielsetzung, die insbesondere bei der Routenkonzept, mit dem erstmals der Versuch unter- Neuordnung der Verkehrsräume und Verkehrsorgani- nommen wird, den zunehmenden Schwerverkehr aus sation in der Innenstadt im Rahmen der Fortschrei- den Gebieten mit hohem Wohnungsanteil fernzuhalten. bung des Verkehrsentwicklungsplans ein besonderes Bei allen Maßnahmen und Projekten zur Neuordnung Gewicht hat. Unter Klaus Herzog erfolgen dafür we- des Verkehrsgeschehens achtet die Stadt darauf, keine sentliche Weichenstellungen. Der Umbau der Froh- isolierten Einzelprojekte zu realisieren, sondern durch sinnstraße und der Ludwigstraße mit dem Bahnhofs- Bündelung von Maßnahmen Synergien mit mehreren umfeld sowie in der Innenstadt der Umbau des Ross- Verkehrsträgern zu erzeugen. Dies gilt insbesondere marktes und der Pfaffengasse sind hier die zentralen für die Projekte der flächendeckenden Verkehrsberu- Elemente. higung, des Anwohnerparkens und des Radverkehrs. Mit dem 2015 verabschiedeten Radverkehrskonzept In einer Aufzählung der Verkehrsprojekte darf das nimmt die Stadt die zukunftsweisende Aufgabe in stadträumliche Leitbild für die Würzburger Straße Angriff, den Radverkehr als emissionsfreie und flä- nicht fehlen. Es bewirkt eine langfristig wirksame Inte- chensparende Mobilitätsform zu fördern. Ein wichti- gration dieser Verkehrsachse in das durch die Militär- ger Baustein in diesem Konzept ist die Etablierung ei- konversion neu zu ordnende Stadtgefüge beiderseits nes hierarchisch abgestuften Radwegenetzes mit All- des Straßenzugs. tagsrouten und Freizeitrouten. Gerne übersehen, weil im Untergrund, ist der Auf- wand, den eine Stadt betreiben muss, um ihr Abwas-

Geschafft! Der letzte Bauabschnitt der Ringstraße zwischen Schießhausbrücke und Goldbacher Straße ist fertig. Bei der offiziellen Eröffnung am 28. Juni 2013 schneiden zahlreiche Honoratioren das symbolische Band durch, mittendrin: Oberbürgermeister Klaus Herzog. Foto: Stefan Gregor sersystem zu erhalten und auszubauen. Klaus Herzog der Peripherie der Stadt. Hierzu gehört die Umwand- 97 lässt Kanäle und Abwasseranlagen systematisch sanie- lung des ehemaligen Exerzierplatzes der US-amerika- ren und hat auch die Ökologie im Blick. Das unver- nischen Truppen zum Naturschutzgebiet. Gegenüber schmutzte Regenwasser wird unter Einsatz moderner diesen landschafts- und freiraumplanerischen Projek- Technologien vom Schmutzwasser getrennt. Das be- ten werden sonstige ökologische Aktivitäten wie der wirkt eine hohe ökologische Qualität der Abwasserbe- Aufbau einer Fernwärmeinfrastruktur vom Biomasse- seitigung. Realisiert werden zudem Großprojekte wie heizkraftwerk im Hafen zur Innenstadt oder auch die das Pumpwerk am Fischerviertel oder neue Regen- Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED fast rückhaltebecken zur Vermeidung von Gewässerverun- übersehen. reinigungen. Kernthema Bildungspolitik Ein Lieblingsort der Aschaffenburger ist das Mainufer zwischen Pompejanum und Ruderclub. Klaus Herzog Schulische Bildung ist dem Lehrer Klaus Herzog ein nimmt sich da nicht aus. Er liebe, verrät er einmal, den Kernanliegen, Bildung überhaupt. Für alle wichtigen Blick vom Pompejanum auf das Schloss, das Herzstück sozialen Bereiche und Lebenslagen liegen Leitplanun- Aschaffenburgs. Das Flussufer ist eines der zentralen gen vor, die in die Zukunft ausgerichtet sind und steu- Grün- und Naherholungsgebiete der Stadt, das in ein ernd wirken. Diese werden regelmäßig fortgeschrie- stadträumlich wirksames Gerüst an Grünflächen ein- ben. Klaus Herzog sieht es als Selbstverständlichkeit gebettet wird. Das unter reger Bürgerbeteiligung ent- an, dass diese Planungen durch sein Büro erstellt wer- wickelte Konzept für das zentrale Mainufer ist ebenso den. Neben Schulentwicklungsplan und Bildungsleit- ein entscheidendes Projekt wie die Neugestaltung des plan sind dies ein Integrationsleitbild und das Strate- Aschaffgrünzugs als Naherholungsfläche, die Umge- giepapier Demografie, die Teilhabeplanung für Senio- staltung des Schöntals, der die Ringstraße begleitende ren und Menschen mit Beeinträchtigung, ein Sozial- Grünzug mit den drei Grünbrücken, der neue Stadt- plan (Sozialbericht) und die Jugendhilfeplanung mit garten am Rosensee im Konversionsgebiet sowie die Jugendsozialarbeit, Kinderbetreuungsbedarf und Fa- Restaurierungs- und Pflegemaßnahmen im histori- milienbildungskonzept. schen Grünzug im Osten der Stadt an Großmutter- In seiner Amtszeit werden deshalb im kommunalen wiese, Fasanerie und Godelsberg. Innovativ und für Hochbau große Schulbauvorhaben realisiert: die bau- andere Städte beispielgebend ist die Entwicklung liche Erweiterung des Dalberg-Gymnasiums und der neuer ökologisch wertvoller Landschaftsstrukturen an Berufsschule II, der Umbau der Realschule, das Dessauer Gymnasium, die Dalberg-Grundschule, die Christian-Schad-Schule in Nilkheim, die Kolpingschule und mit dem Landkreis Aschaffenburg auch der Neu- bau der Fachober- und Berufsoberschule im Bereich Bahnhof-Nord. Die Komplettsanierung und Erweite-

Die Entwicklung eines zukunftsfähigen Radwegekonzepts gehörte ebenso zur Verkehrspolitik der Ära Herzog wie die Fertigstellung der Ringstraße. Medienhaus Main-Echo, Björn Friedrich 98 rung des Kronberg-Gymnasiums, der Grünewald- so- Technischen Hochschule mit zwei perspektivisch gro- wie der Schönbergschule werden angestoßen. Im ßen Fakultäten und mehr als 3 500 Studenten. Stadtteil Nilkheim entsteht ein neues Förderzentrum Klaus Herzogs Anliegen ist stets, den sozialen Aus- Sehen mit Schule, Heilpädagogischer Tagesstätte und gleich aktiv mitzugestalten. Im Jahr 2019 nimmt das Frühförderung für blinde und sehbehinderte Kinder. erste Jugendparlament die Arbeit auf und das Fest Mit einem neuen Schulentwicklungsplan setzt Klaus „Brüderschaft der Völker“ findet im Jahr 2020 zum Herzog am Ende seiner Amtszeit noch einmal ent- 37. Mal statt und wird regelmäßig auch durch das scheidende Weichen für die zukünftige Schulland- städtische Integrationsmanagement begleitet. schaft von Aschaffenburgs Grund- und Mittelschulen. Das schafft exzellente Rahmenbedingungen für Lehre Große Herausforderungen kommen auf den Rathaus- und Lernen. chef zu, als politische und soziale Forderungen zu er- Die Bundespolitik gibt mit ihrer Gesetzgebung zur füllen sind, um die asylsuchenden Menschen aus den Kinderbetreuung den Rahmen für die Kommunen vor. aktuellen Krisenregionen bestmöglich aufzunehmen Die Stadt baut in der Folge das Betreuungsnetz für und nachhaltig auch zu integrieren. Mit großem Weit- Kleinkinder und Kinder aus; zum Ende von Klaus Her- blick geht Klaus Herzog das Thema Integration an. zogs dritter Amtsperiode gibt es in Aschaffenburg 38 Schon im Jahr 2007 startet er einen großen Beteili- Kindertagesstätten mit 562 Krippen- und 2 095 Kin- gungsprozess zur Erstellung des 1. Aschaffenburger dergartenplätzen. Im Jahr 2019 eröffnet im Stadtteil Integrationsleitbildes und bereits 2009 wird die Stelle Leider das erste Montessori-Kinderhaus Aschaffen- des Integrationsmanagements besetzt. Unter seiner burgs, das auf den Prinzipien der italienischen Päda- Führung wird 2009/2010 der Aufbau des Netzwerks gogin Maria Montessori basiert. der Sprach- und Kulturvermittler vorangebracht und Das Bildungsbüro, das im Jahr 2012 seine Arbeit auf- das Integrationsleitbild unter Berücksichtigung des nimmt, gewinnt an Bedeutung. Seit dem ersten Bil- Themas „Flucht“ weiterentwickelt. Diese Aufgaben dungsleitplan und acht Bildungskonferenzen mit über behandelt er als Chefsache und siedelt die neuen Stel- 1 000 Teilnehmenden wird ständig weiterentwickelt. len im Büro des Oberbürgermeisters an. Seit dem Jahr 2016 ist das Bildungsbüro Teil des Büros Die demografischen Entwicklungen prägen auch die des Oberbürgermeisters. Damit macht Klaus Herzog Herangehensweise des Oberbürgermeisters. Im Jahr den Stellenwert der städtischen Arbeit, die im Bildungs- 2008 lässt er die Demografie-Werkstatt 2030 durch- bereich geleistet wird, deutlich. Es folgen weitere soziale führen, die ein Strategiekonzept für Aschaffenburg er- Projekte im Bereich der familienunterstützenden Arbeit, stellt. Im Jahr 2012 wird ein Konzept zur Gesundheits- indem Familienstützpunkte errichtet werden. Diese Auf- förderung und Prävention verabschiedet und die neue gaben lässt der Oberbürgermeister ebenfalls in seinem Stelle eines Gesundheitsbeauftragten auf den Weg Büro koordinieren. Wohlwollend begleitet und unter- gebracht. Auch wird ein verwaltungsinternes betrieb- stützt Klaus Herzog den Ausbau der Fachhochschule zur liches Gesundheitsmanagement etabliert. Management für ein wachsendes Aschaffenburg nerstädtischen Straßen und Plätze, dem Neuord- 99 nungskonzept für den Theaterplatz und dem Master- Mehr Kinder, mehr Menschen mit Migrationshinter- plan für das zentrale Mainufer, sind Regelwerke ent- grund, mehr Zugezogene aus anderen Teilen Deutsch- standen, die garantieren, dass die Stadt sich auch in lands: Seit Amtsantritt im Jahre 2000 wächst die ihrem Erscheinungsbild attraktiv und harmonisch Aschaffenburger Bevölkerung um mehr als 3000 Ein- weiterentwickeln wird. wohnerinnen und Einwohner bis zum Jahr 2020; die Die sich abzeichnenden Probleme der Wohnungsver- Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sorgung ab etwa 2017 veranlassen Klaus Herzog zur erhöht sich im selben Zeitraum um mehr als 7000 Per- Erarbeitung und Festlegung einer Baulandstrategie sonen. Die Stadt hat sich gezielt als bayerisches Ober- und der Beschlussfassung zur verbindlichen Anwen- zentrum im Rhein-Main-Raum profiliert. Alle diese dung des Vorkaufsrechts zugunsten des Wohnungs- Menschen brauchen Wohn- und Lebensraum. Die ver- baus. Dadurch sollen mittelfristig genügend Flächen- gleichsweise kleine Gemarkungsfläche der Stadt kapazitäten für neuen Wohnungsbau erhalten und Aschaffenburg ist hier einerseits Herausforderung, vorbereitet werden. Gerade die Baulandstrategie hat bietet andererseits aber auch die Chance für eine gute das Ziel, die Verfügbarkeit von erschlossenem Bauland Stadtentwicklung. Sie zwingt zu einer Konzentration zu gewährleisten. Dazu tragen auch die beiden gro- auf das Wesentliche, einem sorgsamen Umgang mit ßen Neubaugebiete, Anwandeweg im Stadtteil Nilk- den Flächenressourcen und zu Qualität in der Inan- heim und Rotäcker im Stadtteil Schweinheim, bei. Sie spruchnahme der Ressourcen. Ein neuer Landschafts- können die Ansprüche an Bauland für alle nachgefrag- plan und ein neuer Flächennutzungsplan stellen Wei- ten Wohnungstypen in den nächsten Jahren auffan- chen für die nächsten 20 bis 25 Jahre und ermöglichen gen und sichern damit der Stadt ein hervorragendes Handlungsspielräume zur gesamtstädtischen Ent- Wachstumspotenzial. Die vier großen Sanierungspro- wicklung. jekte Damm, Bahnhofsquartier, Hefner-Alteneck- Die noch von Oberbürgermeister Reiland in die Wege Quartier und östliche Innenstadt sind zudem entschei- geleitete, unter Oberbürgermeister Herzog konse- dende Faktoren zur Stabilisierung und Weiterentwick- quent fortgeführte Konversion der ehemals militärisch lung der bestehenden Siedlungsgebiete. genutzten Flächen in Aschaffenburg in eine zivile Nut- Ohne die Bereitstellung und Sorge um geeigneten zung ist ein gelungenes Beispiel für städteplanerische Wohnraum wäre jede kommunale Sozialarbeit wir- Weitsicht. Entstanden ist ein innenstadtnahes, famili- kungslos. Deshalb sind die stetigen Aktivitäten der enfreundliches Wohngebiet mit verkehrsarm angeleg- Stadtbau Aschaffenburg zum Neubau von Sozialwoh- ter Siedlungsstruktur und guter Integration in die sozi- nungen und zum Erhalt ihres preiswerten Wohnungs- ale und kulturelle Versorgungs- und Infrastruktur der bestandes in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. angrenzenden Stadtgebiete. Die Stadtbau GmbH hat in den letzten Jahren weitaus Mit anspruchsvollen Gestaltungskonzepten, zum Bei- mehr getan als Bestandspflege, sie hat sich zum Motor spiel dem Stadtbodenkonzept zur Gestaltung der in- etlicher Sanierungsvorhaben im Stadtgebiet entwi- 100 ckelt und dort entscheidende Akzente gesetzt. Zum Die Förderung des produzierenden Gewerbes zur Si- Wohnungsbau gehört auch der Neubau des Frauen- cherung der Arbeitsplätze und als Ergänzung dazu der hauses oder die Schaffung von geeigneten Wohnplät- Ausbau der Hochschule zur Technischen Hochschule zen für ältere Menschen. Hier sind mit den Schöntal- und des Staatshafens als qualifizierte Logistikdreh- höfen in der Stadtmitte und dem Neubau des Mat- scheibe mit transportaffinen Produkten lassen die thias-Claudius-Heims an der Würzburger Straße wich- Stadt alle Wirtschaftskrisen der letzten 20 Jahre gut tige Beiträge geleistet worden. überstehen. Mit dem Pilotprojekt der Deutschen Tele- kom, große Teile des Stadtgebiets mit Glasfaser zu Ein großes Anliegen ist Klaus Herzog die Erhaltung des versorgen, wird außerdem eine gute Ausgangslage Aschaffenburger Klinikums als kommunales Kranken- zur Digitalisierung der Stadt geschaffen. haus und der gleichzeitige Ausbau des medizinischen Das Hafenkonzept ist die Grundlage für die prosperie- Niveaus trotz aller hierfür notwendigen finanziellen rende Entwicklung des Staatshafens, in der Amtszeit Anstrengungen. von Oberbürgermeister Herzog verdoppelt sich die Die Stellung der Stadt Aschaffenburg im Vergleich zu Anzahl der ansässigen Betriebe von etwa 30 auf 60 anderen bayerischen Städten und dem Rhein-Main- und die Zahl der Arbeitsplätze auf 3200. Die Militär- Raum wäre eine andere, hätte die Stadt nicht eine und Bahnkonversion wird durch Rahmenpläne und hohe wirtschaftliche Potenz. Diese rührt aus einer darauf aufbauend Bauleitpläne zielgerichtet gesteuert breiten mittelständisch geprägten Branchenstruktur und bis auf einzelne noch nicht umgenutzte Einzel- im produzierenden Gewerbe und einem hohen grundstücke vollkommen umgesetzt. Dienstleistungsanteil, insbesondere im Bereich des Handels. Unter Oberbürgermeister Herzog wird regel- Vision Kulturstadt als großes Beispiel mäßig und kontinuierlich in die Attraktivität der In- nenstadt als Einkaufs- und Versorgungsbereich für die „Das Geld, das wir für einen Kulturreferenten ausge- gesamte Region investiert. Die gezielte Ansiedelung ben müssten, können wir doch eigentlich auch in die von Möbelhäusern, Baumärkten und Gartencentern Kulturarbeit investieren.“ Von dieser Überlegung gelei- verbessern das Angebot. Die Nahversorgung in fuß- tet, entscheidet Oberbürgermeister Klaus Herzog zu läufiger Entfernung bleibt trotz des allgemeinen Kon- Beginn seiner Amtszeit, das Kulturreferat selbst zu zentrationsprozesses im Einzelhandel erhalten. Im Be- übernehmen und damit dem Beispiel seines Amtsvor- reich des Tourismus wird mit der Sanierung der gängers und vieler Kolleginnen und Kollegen in Städ- Schiffsanlegestelle am Floßhafen die Voraussetzung ten ähnlicher Größenordnung zu folgen. Kultur wird für den regelmäßigen Besuch von Flusskreuzfahrt- Chefsache. Die sich aus dieser Grundsatzentscheidung schiffen geschaffen. Außerdem verbessert die Ansied- entwickelnde intensive und viele neue Akzente set- lung von Systemhotels das Bettenangebot von zende Kulturarbeit der Stadt stärkt das Image und die Aschaffenburg erheblich. Außenwirkung der Stadt als Oberzentrum an der östli- chen Peripherie des Rhein-Main-Raums. Klaus Herzog entwickelt Leidenschaft für das Kulturle- sammenarbeit der kulturellen Dienststellen wird über 101 ben in der Stadt. Das bedeutende kulturelle Erbe regelmäßige Zusammenkünfte und gemeinsame Ver- Aschaffenburgs und die vielfältigen Angebote und anstaltungen intensiviert. Aktivitäten des städtischen Kulturlebens veranlassen ihn dazu, Aschaffenburg das Prädikat „Kulturstadt“ zu Das Selbstverständnis städtischer Kulturarbeit ist ge- verleihen. Das bleibt nicht unwidersprochen. Kritiker leitet von der Überzeugung, dass die vielfältigen Initi- verweisen darauf, was Aschaffenburg im Vergleich zu ativen freier Kulturträger und die Angebote privater anderen Städten an kulturellen Angeboten fehlt. Er Kultureinrichtungen als Bereicherung zu sehen sind. dagegen sieht im Begriff Kulturstadt Aschaffenburg Kooperationen sucht der Rathauschef deshalb nicht Anspruch und Ansporn zugleich und macht sich da- nur mit staatlichen Dienststellen, Bildungseinrichtun- ran, den Begriff mit Inhalten zu füllen. Die Pflege des gen und Kirchen, er fördert auch überregionale kultu- kulturellen Erbes findet dabei in gleichem Maße Be- relle Zusammenarbeit. Die Kulturtage, die seit 2001 rücksichtigung wie die Bestandsaufnahme und Wei- unter städtischer Regie durchgeführt werden, sind terentwicklung des kulturellen Angebots der Stadt. Plattform für einen gemeinsamen Auftritt unter jähr- Kulturprojekte wie die Sterkel-Gedenktage, die Lan- lich wechselnder Schwerpunktsetzung und den inten- desausstellung „Das Rätsel Grünewald“ oder das siven Austausch des städtischen Kulturangebots mit Heinse-Jahr werden auf den Weg gebracht, die Zu- den übrigen Kulturträgern der Stadt, mit staatlichen

Kulturstadt Aschaffenburg mit Schloss Johannisburg als Herzstück: Früh hatte Klaus Herzog eine Vision für das kulturelle Leben der Stadt, die er konsequent umsetzte. Medienhaus Main-Echo, Foto: Björn Friedrich 102 und privaten Einrichtungen, Künstlern, Bildungsein- zente. Die Zusammenarbeit mit dem Haus der Bayeri- richtungen und Kirchen. Die frühzeitig bekanntgege- schen Geschichte begreift er hier als einzigartige benen, jährlich wechselnden Themen greifen das kul- Chance und sichert Aschaffenburg damit drei überre- turelle Erbe auf, orientieren sich an überregionalen gional bedeutende Ausstellungsprojekte mit insge- Themensetzungen, feiern mit den Partnerstädten, er- samt fast 180 000 Besucherinnen und Besuchern. innern an wichtige Persönlichkeiten und Baudenkmä- Im Gespräch mit dem Direktor des Hauses der Bayeri- ler der Stadtgeschichte oder präsentieren Aschaffen- schen Geschichte Prof. Dr. Claus Grimm im September burg als eine weltoffene, lebens- und liebenswerte 2000 signalisiert Oberbürgermeister Klaus Herzog al- Stadt. Die Museumsnacht entwickelt sich seit 2001 zu lergrößtes Interesse und vorbehaltlose Unterstützung einem faszinierenden Kulturereignis, das die histori- für das Vorhaben, in Aschaffenburg eine Landesaus- sche Altstadt von seiner besten Seite präsentiert. stellung durchzuführen. Er lässt sich auch nicht durch Auch die Kulturregion FrankfurtRheinMain liegt Vorbehalte aus der Verwaltung irritieren. Gut zwei Klaus Herzog am Herzen. Aschaffenburg tritt der kul- Jahre später wird am 30. November 2002 in Anwesen- tur.initiative rhein.main bei und wird Gründungsmit- heit des Bayerischen Staatsministers für Wissenschaft glied der gGmbH Kulturregion FrankfurtRheinMain. und Kunst Hans Zehetmair die Ausstellung „Das Rätsel Das friedliche Zusammenleben von Menschen aus Grünewald“ eröffnet. Sie zählt zu den größten Ausstel- über 130 verschiedenen Nationen in der Stadt ist ihm lungserfolgen, die Aschaffenburg jemals erlebt hat. ein zentrales Anliegen. Deshalb überträgt er im Jahr Die Ausstellung im Schloss Johannisburg betrachtet 2010 die Durchführung des Festes „Brüderschaft der den Künstler Matthias Grünewald oder Mathis Völker“ dem Stadtjugendring und eröffnet diesem Gothart-­Nithart (um 1480–1528) aus kulturhistori- einmaligen multikulturellen Fest neue Entwicklungs- scher Sicht. Eine abwechslungsreiche Spurensuche möglichkeiten. Programme der Hochkultur sind ihm führt die Besucher durch die Biografie Grünewalds. genauso wichtig wie die niedrigschwelligen Ange- Man lernt seine Auftraggeber kennen und taucht in bote „Aschaffenburger Advent“ und „Wenn die Mag- die turbulente Zeit des frühen 16. Jahrhunderts ein. nolien blüh’n“. Das kulturelle Leben und das kultu- Ein reichhaltiges Begleitprogramm ergänzt die Lan- relle Angebot in der Stadt sind unter Oberbürger- desausstellung. Dazu gehören die Sonderausstellung meister Klaus Herzog reicher, vielgestaltiger und at- „Grünewald in der Moderne“ in der Kunsthalle Jesui- traktiver geworden, womit sich diese das Attribut tenkirche, ein umfangreiches Vortragsprogramm, mu- „Kulturstadt“ wahrlich verdient hat. seumspädagogische Aktivitäten, ein Krippenweg oder die Aufführung der Symphonie „Mathis der Maler“. Die Überregional bedeutende Großveranstaltungen erfolgreiche Bilanz verweist auf 81 840 Besucherinnen und Besucher, der Kaufkraftzufluss beträgt über die Gleichzeitig eröffnet Oberbürgermeister Herzog sei- dreimonatige Ausstellungsdauer nach einer repräsen- nen kulturellen Dienststellen nicht nur Freiräume in tativen Studie ohne Übernachtungen 3,25 Millionen eigener Verantwortlichkeit, sondern setzt auch Ak- Euro und zeigt, welch positive Effekte ein derartiges Kulturprojekt für Handel, Gastronomie und Beherber- derts würdigt. Unmittelbarer Anlass für die Ausstel- 103 gungsbetriebe hat. lung ist die Zusammenführung der Einzeltafeln des Auch das Haus der Bayerischen Geschichte ist mit „Magdalenenaltars“, die vorher in Schloss, Stiftskirche Aschaffenburg zufrieden und bietet, kaum ist die erste und im Museumsdepot in München verstreut waren. Ausstellung vorüber, eine weitere Ausstellung an, die Die 61 013 Besucherinnen und Besucher kommen aus thematisch einen engen Bezug zu unserer Region her- dem gesamten Bundesgebiet, aus den USA, aus Russ- stellt: die Auswandererausstellung „Good bye Bayern, land, Israel und Japan. Die erste Auflage des Katalogs Grüß Gott Amerika“. Der Oberbürgermeister zögert ist nach kurzer Zeit vergriffen. Aschaffenburg profiliert auch hier nicht lange und stimmt der Ausstellung in sich damit als Kultur- und Museumsstandort deutsch- Aschaffenburg zu. 32 000 Besucher sehen eine Schau, landweit. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der die den Fragen nachgeht, welche Gründe die Men- Katholischen Kirchenstiftung St. Peter und Alexander schen dazu bewogen haben, ihre Heimat zu verlassen, und den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen welche Reisewege sie wählen und wie es ihnen in der führt zu der Vereinbarung, den Magdalenenaltar zu- neuen Heimat ergeht. Erschütternde Einzelschicksale künftig dauerhaft zu präsentieren. Am 20. November werden genauso thematisiert wie Menschen, die in 2009 findet die Übergabe in den neu gestalteten Räu- der neuen Welt zu Wohlstand und Reichtum kommen. men des Stiftsmuseums unter dem Titel „Pracht und Besonderes Interesse findet die Ergänzung der Aus- Glaube des Mittelalters“ statt. stellung durch den lokalen Beitrag des Arbeitskreises Über Ausstellungen hinaus machen weitere Kulturpro- Auswanderung des Stadt- und Stiftsarchivs. Gäste jekte in der Amtszeit von Oberbürgermeister Klaus kommen aus den USA, Korea, Frankreich, Holland und Herzog von sich reden: Neben der Veranstaltungswo- Polen, im Gästebuch finden sich begeisterte Rückmel- che aus Anlass des 250. Geburtstags des kurmainzi- dungen. Auf der Abschlusspressekonferenz zitiert der schen Hofkapellmeisters Johann Franz Xaver Sterkel Oberbürgermeister die Süddeutsche Zeitung, die von ist es das Heinse-Jahr 2003, das in seinem Facetten- der Kulturstadt Aschaffenburg als einer „consent city“ reichtum zu einem überregional wahrgenommenen spricht, also einer Stadt, in der die kulturtreibenden Kulturereignis wird. Der kurmainzische Hofbibliothe- Institutionen erfolgsorientiert zusammenarbeiten, kar Wilhelm Heinse stirbt 1803 in Aschaffenburg. Seine anstatt sich in einem gegenseitigen Konkurrenzkampf letzte Ruhestätte findet er auf dem Altstadtfriedhof. In zu verheddern. Zusammenarbeit mit den Städten Langewiesen und Das dritte große Ausstellungsprojekt in Zusammenar- Mainz wird ein Veranstaltungsprogramm erarbeitet, beit mit dem Haus der Bayerischen Geschichte das neben den Ausstellungen „Heinse und seine Bib- schließlich ist die Ausstellung „Cranach im Exil. Aschaf- liotheken“ und „Italien-Rezeption deutscher Maler in fenburg um 1540. Zuflucht, Schatzkammer. Residenz“, Klassik und Romantik“ die Opernaufführung „Mote- mit der Aschaffenburg vom 24.02.2007 unter der Re- zuma“ von Gianfrancesco di Majo, Konzerte, Lesun- gie der städtischen Museen bis 03.06.2007 die Arbeit gen, Vorträge und Schulprojekte enthält. eines der bedeutendsten Künstler des 16. Jahrhun- 104 Unter dem Titel „Bach, Mozart und Komponisten im die Weiterentwicklung der Museen und Sammlungen Umfeld der kurmainzischen Residenz Aschaffenburg“ in Aschaffenburg erwartet der Bezirk ein externes Gut- findet in der Zeit vom 28.07. bis 06.08.2006 das achten mit umfassender Bestandsaufnahme und der „81. Bachfest der Neuen Bachgesellschaft“ statt. Ge- Beschreibung von Entwicklungsperspektiven. meinsam mit der Bachgesellschaft Aschaffenburg e. V. Zur Neuorganisation der Museen lässt Oberbürger- wird erstmals ein Kulturprogramm realisiert, das sich meister Klaus Herzog deshalb einen Museumsentwick- über die ganze Region Untermain erstreckt, von Alze- lungsplan erarbeiten, der nun Zug um Zug umgesetzt nau über Aschaffenburg bis Miltenberg und . wird. In der Folge werden 2006 die Kunsthalle Jesuiten- Mehr als 10 000 Besucher kommen zu den insgesamt kirche und 2007 das Jüdische Dokumentationszent- 70 Veranstaltungen und erleben ein hochwertiges, viel- rum unter neuem Namen als Museum für jüdische Ge- gestaltiges Konzert- und Veranstaltungsprogramm. schichte und Kultur in die Museen der Stadt Aschaffen- Der Bezirk Unterfranken erhebt die Museumsförde- burg integriert. Am 22.11.2010 beschließt der Stadtrat, rung im Jahr 2002 zu einem Schwerpunkt. Bezirkstags- das ehemalige Jesuitenkolleg als „Aschaffenburger präsident Albrecht Graf von Ingelheim stellt die Förde- Museumsquartier“ umzugestalten und damit eine rung der Aschaffenburger Museen in Aussicht und „Museumsmeile“ vom Schloss- zum Stiftsmuseum zu bietet über den Kulturdirektor Prof. Dr. Klaus Reder schaffen. Den ersten Bauabschnitt bildet das Christian Beratung und Hilfestellung an. Als Voraussetzung für Schad Museum, dessen Eröffnung noch bevorsteht. Eng ist die Zusammenarbeit mit der Christian Schad- und der Gunter Ullrich-Stiftung, die an das Leben und Wirken zweier Aschaffenburger Maler erinnern. Die Aufarbeitung der Stadtgeschichte ist auch Oberbür- germeister Herzog ein Herzensanliegen. Gerade die jüngere Vergangenheit und die dunklen Kapitel in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stehen im Fokus – etwa bei den zahlreichen wichtigen und grundlegen- den Anlässen der Erinnerung und des Gedenkens an die Verfolgung der früheren jüdischen Gemeinde der Stadt im „Dritten Reich“. Eine jahrzehntelange städti- sche Erinnerungskultur, in enger Kooperation mit bür- gerschaftlichen Initiativen und Vereinen, spricht hier für sich. Die Stadtgeschichte, nicht zuletzt mit Blick auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, soll aber auch zukünf- tig wissenschaftlich untersucht werden. Hierfür hat Klaus Herzog gesorgt, indem er das Buchprojekt einer Stadtgeschichte für das 19. und 20. Jahrhundert am

Plakatkampagne des Stadt- und Stiftsarchivs im Frühjahr 2020, auch mit Blick auf die stadtgeschichtliche Dokumentation der „Corona“-Krise. Ende seiner Amtszeit angesto- 105 ßen hat: In zahlreichen Einzelbei- trägen soll unter Federführung des Stadt- und Stiftsarchivs ein wissenschaftlich fundiertes und gleichermaßen von der breiten Öffentlichkeit „gelesenes“ Werk entstehen, das mit der „bayeri- schen Zeit“ (ab 1814) Aschaffen- burgs einsetzt und bis weit nach Ende des Zweiten Weltkriegs fortgeführt wird.

Hüter nicht nur der jüngeren Stadtgeschichte ist das Stadt- und Stiftsarchiv im Schönborner Hof. Die Zukunft der Vergangen- heit ist in der Gegenwart zu fin- Eine lebens- und liebenswerte Stadt schaffen: Nicht nur rund um den. So in etwa könnte man die Rolle des Archivs der das Stadttheater ist das Oberbürgermeister Klaus Herzog gelungen. Stadt Aschaffenburg unter Oberbürgermeister Klaus Medienhaus Main-Echo, Foto: Björn Friedrich Herzog bezeichnen. Als „Stiftsarchiv“ nimmt es zwar quasi „staatliche“ Aufgaben wahr, denn das fast ein mente ist Klaus Herzog ein Anliegen, unterstützt er Jahrtausend zurückreichende Archiv des ehemaligen doch mehrfach umfangreiche Projekte zur Konservie- Kollegiatstifts St. Peter und Alexander ist eine Dauer- rung und Erhaltung von bedeutsamen Archivbestän- leihgabe des Freistaats Bayern an die Stadt, definiert den; ähnlich verhält es sich bei Fragen der Digitalisie- sich in erster Linie aber über seine Funktion als Dienstleister für Verwaltung wie Bürgerschaft. Dies gilt als zentrale Anlaufstelle für Fragen und Forschungen zur Stadt-, Heimat- und Familienge- schichte aller Art. Die Bestände des Archivs, die durch regelmäßige Übernahmen, Schenkungen oder auch Ankäufe wachsen, sind eine wahre stadtgeschichtliche „Fundgrube“ – eine Fund- grube, die der Ordnung, Erschließung und Ver- mittlung bedarf. Auch die Erhaltung der Doku-

Ein glückliches Händchen für die Stadt: Oberbürgermeister Klaus Herzog hat Aschaffenburg entscheidend vorangebracht. Medienhaus Main-Echo, Foto: Björn Friedrich 106 rung und der digitalen Sichtbarkeit des Archivs, die ein immer größeres Gewicht im Archiv erhalten und von ihm explizit unterstützt werden. Die Landeskundliche Bibliothek im Stadt- und Stiftsarchiv wird auch in der Amtszeit des Oberbürgermeisters weiter ausgebaut. Sie ist eine der großen regionalen und wissenschaftli- chen Fachbibliotheken in Bayern mit knapp 75 000 Medieneinheiten, von denen der größere Teil bereits digital erfasst und recherchierbar ist. Als Geschäftsstelle des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., dessen Vorsitzender Klaus Herzog seit über zehn Jahren ist, ist das Archiv schon an zahl- reichen Publikationen und Veranstaltungen beteiligt gewesen. Intensiv entwickelte sich die Publikationstä- tigkeit in den eigenen Veröffentlichungsreihen, unter anderem auch in der jährlichen Reihe der „Mitteilun- gen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv“. Zahlreiche As- pekte der Stadtgeschichte fanden und finden sich in den Ausstellungen im Schönborner Hof berücksich- tigt. Ein Überblick über die Bücher bzw. größeren Publikati- onen der Stadt Aschaffenburg und des Geschichts- und Kunstvereins, die während der Amtszeit von Klaus Herzog erschienen sind, findet sich zukünftig unter diesem Link: https://stadtarchiv-aschaffenburg.de/ oberbuergermeister-klaus-herzog-publikationen.

22 Jahre ehrenamtlicher Stadtrat, zwanzig Jahre Ober- bürgermeister – und dann? Zurück in die zweite Reihe. Vom letzten Listenplatz aus kandidiert Klaus Herzog für den Stadtrat 2020. Am 16. März wird Oberbürger- meister Klaus Herzog in den Stadtrat gewählt, dem er bis 2026 angehören wird. Die 20-jährige Dienstzeit als Oberbürgermeister endet für Klaus Herzog am 30. April 2020.