Creative City Ljubljana? Europäisierungsprozesse Im Spannungsfeld Neoliberaler Regierungspolitiken Und Widerständiger Praktiken
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Creative City Ljubljana? Europäisierungsprozesse im Spannungsfeld neoliberaler Regierungspolitiken und widerständiger Praktiken - Dissertation - vorgelegt von Kornelia Ehrlich, M.A. zur Erlangung des akademischen Grades Dr. phil. an der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin Datum der Disputation: 07. Mai 2013 Gutachterinnen: Prof. Dr. Regina Römhild (Humboldt-Universität zu Berlin) Prof. Dr. Alexa Färber (HafenCity University Hamburg) 1 1. Einführung 3 2. Transformationen an den "Rändern" Europas: Perspektiven einer kulturanthropologischen Europäisierungsforschung 22 2.1 Europäisierung aus kulturanthropologischer Perspektive 22 2.1.1 „Andere Europas“ und postkolonialer Kosmopolitismus 32 2.2 Raumverhandlung und Raumproduktion 36 2.2.1 Verhandlung urbaner Räume im Kontext neoliberaler Politiken 39 2.3 Zwischen Postsozialismus und Postkolonialismus: vermittelnde Perspektiven 44 2.4 Widerständige (kulturelle) Praktiken und Gegen-Öffentlichkeiten 51 3. Europäische und slowenische Kulturpolitiken im Wandel 55 3.1 Der creative turn europäischer Kulturpolitiken 55 3.2 Kreatives Ljubljana - Rückblick in die 1980er Jahre 69 3.3 Slowenische (Kultur-)Politiken nach der Unabhängigkeit 77 3.3.1 Raumprägende Politiken und Strategien 82 4. Orte der Verhandlung von Stadt, öffentlichem Raum und Kultur 89 4.1 Rog: zwischen Centre of Contemporary Arts und widerständigen Praktiken 92 4.1.1 Herstellung einer creative city: Diskurs-, Ästhetisierungs- und Raumstrategien 101 4.1.2 Entwicklung von Gegenentwürfen zu neoliberalen Stadtpolitiken 111 4.2 Kino Šiška und Španski Borci: alte Neue Kulturorte 118 4.2.1 Ökonomisierung und (Selbst-)Prekarisierung von Kultur(-arbeit) 128 4.3 Krater Bežigrad: Wider die Privatisierung des öffentlichen Raumes 136 4.3.1 Community Building 144 4.4 NGO Bunker: Stadtentwicklung von „unten“ 147 4.4.1 Der Kampf um ein Recht auf Stadt im community garden 155 5. The making of a creative city: Fazit und Ausblick 160 6. Danksagung 171 7. Literatur 172 8. Übersicht Interviews und go-alongs 190 9. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 193 10. Erklärung 194 2 1. Einführung Unweit des Bahnhofs von Ljubljana befindet sich das autonome Kulturzentrum Metelkova mesto (Abb. 1). An dessen Entwicklung zeigen sich exemplarisch Ver- und Aushandlungen von Stadt, öffentlichem Raum1, Öffentlichkeit und Kultur durch verschiedene AkteurInnen im Kontext von Europäisierungsprozessen, wie ich sie mit dieser Arbeit am Beispiel von Ljubljana aufzeigen möchte. Abb.1: Metelkova mesto/städtischer Teil (Foto: Kornelia Ehrlich) Die Entstehung des autonomen Kulturzentrums nach der Unabhängigkeit Sloweniens 1991 ist zunächst vor allem in die Frage nach den Möglichkeiten der Raumnutzung für unabhängige, nicht-institutionalisierte Kunst- und KulturakteurInnen eingebettet. Schon in den 1980er Jahren, als Ljubljana als ein alternatives und subkulturelles Kultur- und Kreativzentrum Jugoslawiens galt, war dies bereits ein virulentes Thema. Damals ging es um die Schaffung von Räumen, in denen Kritik am politischen System geübt und Formen des demokratischen Zusammenlebens verhandelt werden konnten.2 Mit dem Ende des so genannten Zehn-Tage- Krieges im Juni 1991 zogen die jugoslawischen Truppen aus der Teilrepublik Slowenien ab, dabei wurden etliche Militärflächen freigesetzt – so auch das Gelände des heutigen Metelkova mesto. Nun sahen vor allem nicht-institutionalisierte KünstlerInnen und Kulturschaffende die 1 Öffentlichkeit und öffentlicher Raum verstehe ich mit Bezug auf Doreen Massey nicht als feste und gegebene Entitäten, sondern als soziale Konstrukte, die sich auch physisch manifestieren können. Dabei zeigt sich, dass im Zuge neoliberaler Politiken oftmals davon ausgegangen wird, dass der Zugang zu und das Vorhandensein von öffentlichen Räumen erschwert wird bzw. abnimmt. Massey kritisiert, dass hier oftmals eine romantische Vor- stellung von öffentlichen Räumen vorherrscht, die die Notwendigkeit der theoretischen Reflexion über den Raum unbeachtet lässt. Dadurch wird übersehen, dass (öffentlicher) Raum immer ein Produkt sozialer Bezieh- ungen ist, die meist ungleich und konfliktbehaftet sind (Massey 2005: 152). 2 Interview Miran Mohar, Mitglied des Malerkollektivs Irwin (Neue Slowenische Kunst) vom 16.11.2010. 3 Chance, diesen neuen Freiraum für sich zu nutzen. Die Stadtverwaltung versprach den NutzerInnen des Geländes zunächst, sich hier niederlassen zu dürfen. Allerdings signalisierte sie gleichzeitig eigenes Interesse an dem Gelände und wurde 1992 Eigentümerin. Ziel war, das Gelände an einen Investor zu verkaufen, der dieses für eine Bebauung hätte nutzen können (Rauterberg 2001). An diesem Beispiel zeigen sich exemplarisch typische stadträumliche und ökonomische Entwicklungen postsozialistischer Staaten nach ihrer Unabhängigkeit. Vormals staatlicher Besitz wurde privatisiert, unter anderem, um sich dem westlich-kapitalistischen Wirtschaftssystem anzupassen und Forderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zu entsprechen. Der Zugang zu Raum war mit der Unabhängigkeit also erneut zu einem umkämpften Terrain geworden – diesmal ging es vor allem um die Herstellung von Kritiken bezüglich wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umbrüche, die mit nation building, neoliberalen Politiken und Europäisierung zusammenhingen.3 Dabei kämpften die AkteurInnen verschiedener Ebenen um die (definitorische) Hoheit von öffentlichen Räumen. Wie weit das Ringen um die Nutzung und Bespielung von Räumen ging, zeigt das Beispiel Metelkova mesto. Die Konflikte zwischen den politisch-administrativen und den KulturakteurInnen eskalierten im September 1993. In einer Nacht- und Nebelaktion zerstörten Unbekannte Teile des Geländes, man vermutete, dass dies im Auftrag der Stadt geschah. Nur zufällig entdeckte ein Künstler den beginnenden Abriss und trommelte sämtliche SympathisantInnen zusammen, die daraufhin das Gelände permanent besetzten. Seit 1995 fungiert dieser Teil des Geländes als selbst organisiertes autonomes Kulturzentrum. Der Mangel an Freiräumen für alternative politische und künstlerische Artikulation war mithin ein wesentlicher Grund für die Besetzung des Geländes. Darauf verweist Jasna Babič, die seit 2006 das Programm im Club Gromka auf dem Gelände koordiniert: „Metelkova happened because it was big and because there were so many groups and individuals without a space, that they came here and squatted it.“ (Interview Jasna Babič v. 20.10.2009) Seitdem ist Metelkova mesto zu einem Anziehungspunkt für AktivistInnen vor allem aus dem politisch linken Spektrum geworden.4 Nach der Besetzung wurde das Gelände in einen nationalen und einen städtischen Teil unterteilt. Diese Zweiteilung zeigt sich sowohl räumlich-symbolisch als auch programmatisch. Der „nationale“ Teil von Metelkova mesto, 3 Ausführlich zu Raumzugang und -umnutzung in Ljubljana siehe Kapitel 3.3 bzw. Bibič 2005. 4 Zur Geschichte und Entwicklung von Metelkova mesto siehe Smigiel 2008, Gržinić 2001, Bibič 2003, Midasch 2011. 4 dessen Besitzer das Slowenische Kulturministerium ist, präsentiert sich klar strukturiert und organisiert. Die Gebäude der hier ansässigen Institutionen – das Slovene Ethnographic Museum, das Museum of Contemporary Arts, das National Museum of Slovenia sowie das National Institute for Cultural Heritage – sind von einer einheitlichen und klar strukturierten Symbol- und Architektursprache geprägt; alles ist in hellen Farben, mit viel Glas und Beton gehalten, einzelne Aufsteller und Plakate weisen auf die Ausstellungen und Veranstaltungen hin. Aidan Cerar, Soziologe und Mitarbeiter der Regionalen Entwicklungsagentur der Ljubljana Urban Region (RDA LUR), verweist darauf, dass die räumliche Verdichtung und symbolische Inszenierung nationaler Museen an diesem Ort auf ein Verständnis von Kultur hindeutet, das diese als ein Repräsentationsinstrument des Nationalen vorstellbar macht. „It is this traditional understanding of culture and arts in a spectator way. People come and see what we have inside and then they go home and that's it. This is how this part [of Metelkova] functions.“ (go-along Aidan Cerar v. 18.04.2011) Für die Repräsentation des Nationalen wurde ein Ort gewählt, der zu jugoslawischen Zeiten eine wichtige Bedeutung und Funktion innehatte, denn hier auf dem Gelände standen die Kasernen der jugoslawischen Armee. Slowenien gehörte als jugoslawische Teilrepublik jedoch zu denjenigen, die sich mit als erste aus dem Staatenbund herauslösen und die Unabhängigkeit erreichen wollten. Insofern wurde die vormalige Bedeutung dieses Ortes im Zuge der Ansiedlung nationaler slowenischer Kultureinrichtungen überschrieben und neu verhandelt. Allerdings zeigte sich während der Feldforschung auch, dass diese Art der Kulturinszenierung im Zuge von Europäisierung und Globalisierung nicht (mehr) richtig zu funktionieren scheint. Jedes Mal, wenn ich diesen Teil von Metelkova mesto besucht habe, war dieser verlassen und unbelebt. Einen ganz anderen Eindruck vermittelt der besetzte Teil von Metelkova mesto, dessen Eigentümer bis heute die Stadt Ljubljana ist. Hier befinden sich Clubs wie Gromka, Jalla Jalla, Gala Hala und Menza, die Galerie Alkatraz und die Jugendherberge Celica, die im ehemaligen Gefängnis untergebracht ist. Der Hof ist mit Installationen und Kunstwerken bestückt und es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen vor allem junger Menschen. Die verschiedenen Gebäude sind bemalt und mit Graffiti versehen. Hier findet Raumaneignung und -umnutzung von „unten“, durch heterogene (Kultur-)AkteurInnen statt. Aus einem mili- tärischen Gelände ist