Österreich Ist "Hinternational"
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Österreich Österreich ist »hinternational« Zur Stagnation und Krise der österreichischen Außenpolitik Der ehemalige öster- reichische Außenminister Erwin Lanc hat vor kurzem in einem Aufsatz in dieser Zeitschrift1 ein Plädoyer für eine aktive österreichische Außenpolitik im 21. Jahrhundert vorgetragen. Er argumen- tiert, Österreich müsse und könne sich mit einer »entschiedenen Friedenspolitik« auf Basis seiner Neutralität und durch Engagement für Demokratie, Menschenrechte und eine Bekämpfung der Armut in der Welt aktiv in den Vereinten Nationen, in der Europäischen Union und in anderen internatio- nalen Organisationen und Foren einbringen. Von HELMUT KRAMER rwin Lanc erwähnt positiv die bisherigen Aktivitäten der Die Frage ist nun aber, ob diese und die vielen anderen Eösterreichischen Diplomatie in den Bereichen des Verbo- wichtigen Vorschläge für eine österreichische Außenpolitik, tes von Landminen, Streumunition und chemischen Waffen. die von Erwin Lanc formuliert werden, wirklich eine realisti- In der Sicherheitspolitik könne Österreich zur zivilen Kon- sche Perspektive darstellen, dies angesichts der deutlichen Ab- fliktprävention, in der gesellschaftlichen Rekonstruktion und schwächung, ja des Verfalls des außenpolitischen Profils im Aufbau von durch Kriegshandlungen und Wirtschaftszu- Österreichs, einer Entwicklung der österreichischen Außen- sammenbruch geschwächten Staaten Initiativen innerhalb politik von der früheren Internationalität zu einer immer stär- der EU setzen. Notwendig wäre hier jedoch eine selbstbe- keren »Hinternationalität«.2 Lanc, der als Außenminister wusstere und mutigere Politik auch und vor allem bei Men- (1983/84) die aktive Außenpolitik Bruno Kreiskys fortzuset- schenrechtsverletzungen der »Mächtigen« in der Weltpolitik zen suchte, legt seinem außenpolitischen Forderungspro- wie etwa bei der nicht von den Vereinten Nationen legiti- gramm deutlich die Prinzipien der Hoch-Zeit der internatio- mierten militärischen Intervention der USA im Irak oder der nalen Politik Österreichs in den 1970er Jahren zugrunde. von Washington gestützten völkerrechtswidrigen Besetzung Damals gelang es Bruno Kreisky und seinem Team, Österreich des Westjordanlandes durch Israel. in der Nachbarschaftspolitik, in der europäischen Politik und auch im Nord-Süd-Kontext durch eine Reihe von Initiativen und Vermittlungsaktionen zu profilieren. Hier sind besonders die Aktivitäten Kreiskys im Nahostkonflikt hervorzuheben. Einer seiner Kernsätze lautete, dass erfolgreiche Außenpolitik aus einer »Mischung von experience, also Erfahrung, und aus Imagination, also Vision«3 bestehen müsse. Kreisky und die damaligen österreichischen außenpolitischen Akteure hatten eine klare Konzeption von österreichischen Interessen und deren erfolgreicher internationaler Wahrnehmung. Sie nutz- ten auch geschickt die Möglichkeiten, die sich dem Land als neutralem Kleinstaat boten. Wichtig war neben der Wahrung der nationalen Interessen vor allem auch die Erbringung po- sitiver Leistungen für die internationale Gemeinschaft. Neben den Vermittlungsleistungen in der europäischen Politik, ins- Kreisky bei der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki besondere bei der Einleitung des KSZE-Prozesses, und im Rah- Bild: Deutsches Bundesarchiv, Horst Sturm Bild: Deutsches Bundesarchiv, men der Vereinten Nationen wurde Wien zum dritten Sitz der 4 International I/2010 Vereinten Nationen und zu einem Zentrum für internatio- litischen Stil und in der Verhandlungstechnik gehandikapt. nale Konferenzen und Begegnungen. »Auf politischer Ebene zeigte sich oft eine überzogene Hal- Kreisky vermochte durch den Stil des »Kommunizierens, tung in Sachfragen, so wie die Unfähigkeit, rechtzeitig Alli- Mitfühlens und Vorausdenkens«4 seine internationale Politik anzen zu schmieden und Partner für eigene Anliegen zu ge- der österreichischen Bevölkerung erfolgreich zu vermitteln, winnen.«8 Die Tendenz zur Innenpolitisierung und zur die Tendenz zur insularen provinziellen Weltsicht aufzubre- Übertragung des politischen Proporzdenkens in Brüssel sowie chen und in Richtung einer wachsenden Internationalität zu die geringe Bereitschaft der Regierung, mit den von Öster- verändern. Die in den 1970er Jahren vollzogene Öffnung reich gestellten EU-KommissarInnen und den Abgeordneten Österreichs zur Welt basierte auf einem bemerkenswerten zum Europäischen Parlament zu kommunizieren, waren wei- wirtschaftlichen Aufstieg und der Attraktivität des »Modells ters für Österreichs schlechte Performance verantwortlich. Österreich«, die in völligem Gegensatz zu den negativen Er- »Eine erfolgreiche EU-Mitgliedschaft«, so Heinrich Nei- fahrungen und dem fehlenden Österreichbewusstsein der Be- sser und Sonja Puntscher-Riekmann in einer Bilanzierung der völkerung in der Ersten Republik stand. Österreich genoss österreichischen EU-Mitgliedschaft, »besteht nicht nur in der zudem auf dem internationalen Parkett ein überaus positives Anpassung an neue Strukturen, sondern vor allem durch ihre Image, nicht nur beim französischen Präsidenten Mitterand, Bereitschaft, eine initiative Rolle im Entwicklungsprozess ein- der etwa bei seinem Amtsantritt im Jahre 1981 in einem In- zunehmen.«9 Das Erfolgsgeheimnis der aktiven Außenpolitik terview Österreich als Vorbildland für seine Politik nannte.5 Österreichs mit der Erringung des Staatsvertrags und dann Der Kontrast zum gegenwärtigen Zustand der österrei- insbesondere in der Kreisky-Ära, war ein gelungener Mix chischen Außenpolitik könnte nicht größer sein. Österreichs zwischen der Wahrnehmung nationaler Interessen und posi- politische Bilanz in der EU-Politik ist als äußerst dürftig zu tiven Leistungen und Beiträgen für die internationale Ge- bezeichnen. Die Außenpolitik Österreichs über Europa hinaus meinschaft. Österreichs Regierungs- und AußenpolitikerIn- sowie in den Vereinten Nationen, die nun in Abstimmung nen setzten nun aber keine entscheidenden Impulse, die eine mit den anderen EU-Partnern betrieben wird, ist seit den Weiterentwicklung der EU in Richtung einer stärker sozial 1980er Jahren immer blasser und politisch zahnloser gewor- und ökologisch orientierten Gemeinschaft und einer globalen den. Die österreichische Sozialdemokratie hat spätestens seit Friedenspolitik gefördert hätten. Österreich bekam das Image dem EU-Beitritt die Außen- und Europapolitik fast völlig der eines »Bremserlandes«, da es die Erwartungen der EU, Öster- ÖVP überlassen, deren Ressortverantwortliche ohne wirklich reich werde auf Grund seines geographischen, kulturellen klare Konzeption und ohne eindeutig engagierten Interna- und wirtschaftlichen Naheverhältnisses zu Osteuropa eine tionalismus agiert haben. Österreich hat, wie vor allem die positive Rolle im Prozess der so genannten Osterweiterung Maßnahmen der EU-14 als Reaktion auf die Aufnahme der der EU spielen, in keiner Weise erfüllte.10 Die Querelen mit FPÖ in die Regierung im Jahre 2000 gezeigt haben, durch un- der Tschechischen Republik (Beneš-Dekrete und Atomkraft- scharfe Abgrenzung zur NS-Vergangenheit und schrille Aus- werke an der österreichischen Grenze), die zögerliche Öff- länderfeindlichkeit mancher seiner PolitikerInnen erhebliche nung des österreichischen Arbeitsmarktes für Personen aus internationale Imageprobleme. Mit der FPÖ-Kandidatin für Ost- und Südosteuropa verhinderten, dass Österreich bei der die Bundespräsidentenwahl und deren »vieldeutigen« Aussa- EU-Erweiterung die Kandidatenländer tatkräftig unterstützte gen zum Verbotsgesetz, gelingt es Österreich nun erneut, in und zu echten Freunden machte. Von maßgeblichen Vertre- den internationalen Medien als Paria gesehen zu werden. tern und Sprechern der osteuropäischen Staaten, wie dem Österreich stand weiters in den letzten Jahren durch seine polnischen Außenminister Bartoszewski, wurde der Mangel Praxis des Bankgeheimnisses als »Steuerfluchtburg« (so der Fi- an österreichischem Leadership in dieser Frage als fehlende nanzrechtler Werner Doralt)6 und als Zentrum für Geldwä- Bereitschaft kritisiert, »den Weg von Bruno Kreisky und Er- sche7 unter dem ständigen Druck der OECD und vieler EU- hard Busek weiterzugehen. Die Völker in Mittel- und Osteu- Länder. ropa verstünden nicht, warum Österreich als großer europäi- scher Mittler nicht in Erscheinung trete.«11 Österreichs Bilanz als EU-Mitgliedsland Etwas positiver war österreichische Außenpolitik gegen- Die Außenpolitik ist durch die Transformation Österreichs über den Ländern des Westbalkans. Hier waren erfahrene und von einem Nationalstaat zu einem »Mitgliedsstaat« der EU mit diesem Raum vertraute Persönlichkeiten wie Wolfgang vorwiegend zu einem Prozess der politischen Interessens- Petritsch oder Erhard Busek am Werk und das österreichische wahrnehmung im Rahmen der EU-Institutionen geworden. Bundesheer beteiligte sich konstruktiv in der Friedenssiche- Eine Bilanz der eineinhalb Jahrzehnte österreichischer EU- rung in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo. Aber auch hier Mitgliedschaft zeigt, dass die österreichische Regierung wenig ist die österreichische Politik durch die vorauseilende Aner- erfolgreich war, im Mehrebenen-System der EU österrei- kennungspolitik Österreichs, die einseitige Ausrichtung auf chische Interessen zu vertreten. Dies zeigt sich in den Miss- Kroatien beim Zerfall Tito-Jugoslawiens, mit starken Hypo- erfolgen der österreichischen RegierungsvertreterInnen in theken belastet. Brüssel in der Durchsetzung nationaler Interessen, wie bei- Österreich, das bei seinem Beitrittsansuchen im Juli 1989 spielsweise in der Verkehrs- und Transitpolitik, und vor allem betonte, die Mitgliedschaft