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DADIE KULTURZEITSCHRIFT SCHAU AUS ÖSTERREICHS HER MITTE 3 | 2019 40. Jg. | Preis € 3 | 2019 INHALT: KATHARINA KRENN CHRISTIAN BRUGGER

Anmerkungen eines Denkmalpfle- gers zum Schicksal des Fürsthofs und seines Buchstabenrätsels Zur Lösung des Von Christian Brugger 3 Anmerkungen eines Denkmalpflegers „Buchstabenrätsels“ zum Schicksal des Fürsthofs und seines Buchstabenrätsels Das Buchstabenbild vom Fürsthof in Rottenmann Forschen über Generationen Von Elisabeth Sobieczky und Wolf- 4 gang Ellmaier Diese spezielle Ausgabe widmet sich einem beson- Nicht nur Menschen, auch Kunstwerke österreichischen Gesetzeslage nicht, staurierung und Anbringung in einem deren kulturhistorischen Objekt, das im Schloss erzählen Geschichten, gute wie schlech- dass es damit „für immer“ gesichert ist. Lichthof von Schloss Trautenfels wurde Das Gewerkenhaus Fürsthof Trautenfels als Leihgabe der AHT Cooling Systems te, nachdenklich machende. Das Buch- Es gibt, ohne hier in juristische Details jedenfalls das Buchstabenrätsel und in Rottenmann. Eine kurze GmbH im großen Lichthof präsentiert wird. Wie kam stabenrätsel auf Schloss Trautenfels zu gehen, keine aktive Erhaltungspflicht. damit ein nicht unwesentlicher Teil der Geschichte von den Anfängen es dazu? Wie versuchten Institutionen, Firmen und gehört zweifellos dazu. Wir finden es Dies war auch die Problematik beim Denkmalaussage des Fürsthofs gerettet. bis zum Abbruch 17 Menschen mit dem historischen Gebäude sowie mit heute prominent präsentiert, fast so, Fürsthof. Mangelnde Nutzung, keine Ermöglicht hat dies das Zusammenwir- Von Karl Weiß dem Buchstabenrätsel an dessen Fassade umzuge- als wäre es für Trautenfels geschaffen Wartung und häufige Änderungen in ken des damals neuen Eigentümers AHT hen? Welche Umstände waren es, die über Netzwerke worden. Doch ursprünglich befand es den Besitzverhältnissen ließen der Natur Cooling Systems mit dem Bundesdenk- Die Abnahme und Restaurierung zu den interdisziplinären Forschungsarbeiten führten? sich in Rottenmann an der Fassade des freien Lauf. Verfallsprozesse schritten malamt, die gemeinsam für die Kosten des Buchstabenbildes vom Das Fürsthaus in Rottenmann wurde im Jahr 1987 Fürsthofs. Heute wird man dieses Objekt kontinuierlich voran, es dauerte keine dieser Maßnahme aufgekommen sind. Fürsthof 21 unter Denkmalschutz gestellt. Das mit 1790 datierte in der Fürstgasse erfolglos suchen, es zwanzig Jahre bis zur Abbruchreife, 2004 Eingebunden in den musealen Kontext Von Hubert Schwarz Buchstabenbild an der Fassade des Gebäudes wurde existiert nicht mehr. Dabei wurde das wurde erstmals einem Abbruchantrag des Schlosses unterliegt das Buchsta- mehrfach dokumentiert und durch Forschungen von spätbarocke Gebäude 1987 sogar unter baubehördlich entsprochen. Aus Sicht benrätsel nun einer neuen Erzählform. Ernst Hausner konnten erste Lösungen und Erkennt- Denkmalschutz gestellt, handelte es des Bundesdenkmalamtes bestanden Losgelöst vom Trägergebäude ist es nisse im Heft 2/1999 der Zeitschrift „Da schau her“ veröffentlicht werden. sich doch um einen architektonisch und dagegen vorerst noch Vorbehalte, denn auf sich selbst gestellt, in der Wahr- IMPRESSUM Eine Erhaltung des Gebäudes war trotz Unterschutzstellung nicht möglich und so historisch vielschichtig bedeutenden einige denkmalrelevante Bereiche wären nehmung der Betrachtenden vermittelt Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Verein Schloss Trautenfels wurde im Jahr 2007 das Abbruchverfahren eingeleitet, das Buchstabenbild jedoch Verwaltungs- und Wohnsitz der Gewer- eventuell zu retten gewesen. Letztlich seine Aussage einen komplexen Inhalt, 8951 Stainach-Pürgg, Trautenfels 1 auf Initiative des Bundesdenkmalamtes, Abteilung für Steiermark, abgenommen kenfamilien Hillebrand und ab dem frü- gab es aber auch für deren Erhaltung der nur durch ergänzende Erklärungs- Obmann: HR DI Karl Glawischnig, Rathausplatz 4, 8940 und der Restaurierung zugeführt. hen 19. Jahrhundert Fürst. In knapper aus primär wirtschaftlichen Gründen muster verständlich wird. Zugleich ist Schriftleitung: Wolfgang Otte, Schloss Trautenfels, Als das Bundesdenkmalamt im Jahr 2007 eine Herberge für das restaurierte, in Form hatte auch das im Stuckrahmen keine Perspektiven mehr. Nach Abwä- seine formale Ausprägung so stark, dass Universalmuseum Joanneum 8951 Stainach-Pürgg, Trautenfels 1 ein Mörtelbett mit Rahmen gelegte Bild mit den Maßen von 280 x 167 cm suchte, mit 1790 datierte Buchstabenrätsel gung aller Für und Wider hob das Bun- es als singuläres Kunstwerk bestehen Redaktionsteam: Katharina Krenn, Wolfgang Otte, kam es zu ersten Gesprächen mit dem Verein Schloss Trautenfels, um das Objekt an seinem früheren Standort von der desdenkmalamt nach der Festlegung, kann. Die ihm zukommende Aufmerk- Astrid Perner, Theresia Ruhdorfer Lektorat: Mag. Jörg Eipper-Kaiser eventuell im Seminarraum unterzubringen – was aufgrund der Größe nicht möglich Verbindung beider Familien berichtet. dass das Buchstabenrätsel zu musealer samkeit zeigt, dass es seiner Rolle als Bestellung und Vertrieb: [email protected], war. Weitere Diskussionen und Überlegungen mit der Museumsleitung führten zur Dazu in anderen Beiträgen mehr. Erhaltung abgenommen wird, 2007 den Geschichtenerzähler aus der Zeit kurz Tel: 03682 22233, Fax: 03682 2223344 Bankverbindung: Raiffeisenbank Gröbming, Entscheidung, das für die Geschichte der Region bedeutende Objekt im großen Denkmalschutz per se definiert aller- Denkmalschutz für das restliche Gebäu- vor 1800 auch im aktuellen Umfeld mehr Bankstelle Irdning Lichthof zu präsentieren und somit auch für Besucherinnen und Besucher des dings nur Bedeutungsebenen eines de auf. Der Fürsthof wurde bald danach als gerecht wird. Und geschützt für die BIC: RZSTAT2G113, IBAN: AT96 3811 3000 0210 1111 Verlagsort: Trautenfels Museums zugänglich zu machen. Als Information zum Objekt hielten wir uns Denkmals für unser Kulturerbe und abgetragen. Zukunft ist es überdies … Hersteller: Medien Manufaktur , zunächst an die Forschungen von Ernst Hausner. begründet damit seine grundsätzliche Mit der fachgerechten Abnahme im JOST Druck- und Medientechnik, Döllacher Straße 17, 8940 Liezen Im Jahr 2015 besuchten Almut und Fritz Mooshammer, langjährige Freunde des Erhaltung, bedeutet jedoch nach der Februar 2007, der anschließenden Re- Erscheinungstermin der 1. Ausgabe 2020: Hauses, mit Wolfgang Ellmaier das Museum und nach intensiven Gesprächen über Februar 2020 Redaktionsschluss: 7. Jänner 2020 „Gott und die Welt“ bildete sich mit Wolfgang Ellmaier (Architekt) und später mit Foto Titelseite: Lilo Morocutti seinen Freunden Elisabeth Sobieczky (Kunsthistorikerin) und Florian Sobieczky (* 1922 Reichenau in Sachsen, + 2007 ), Buchstabenbild Fürsthof Rottenmann. Graphit, Kohle, (Physiker und Mathematiker) eine ehrenamtliche Gruppe zur Entschlüsselung Rötel auf Papier. Maße: 40 x 29,7 cm. des Buchstabenrätsels. Karl Weiss stand ganz wesentlich als Ansprechpartner für Zu den Beiträgen auf den Seiten 3- die Geschichte des Gebäudes und der Stadt Rottenmann zur Verfügung. Hubert Schwarz hat den Restaurierungsbericht in einer gekürzten Form zur Verfügung gestellt. Dazu kam, dass Hannelore Greiner Morocutti im Juli 2019 nach einem Besuch im Museum Schloss Trautenfels die Zeichnung (siehe Titel) „Buchstabenbild Fürsthof Rottenmann“ ihrer Mutter Lilo Morocutti (1922–2007) und historische Gendergerechtes Schreiben erfordert Kompromisse: Alle in Fotos vom Fürsthof in Rottenmann freundlicherweise dem Museum Schloss der Zeitschrift verwendeten Bezeichnungen beziehen sich Trautenfels als Geschenk übergeben hat, obwohl sie bis dahin noch nichts vom ungeachtet ihrer grammatikalischen Form in gleicher Weise auf Frauen und Männer. Forschungsprojekt wusste. Mit der Veröffentlichung aller uns derzeit zur Verfügung stehenden Informationen Wir freuen uns immer wieder über interessante Beiträge aus den zum „Buchstabenbild Rottenmann“ schließt sich ein erster Kreis um dieses be- Bereichen Kultur und Natur im Bezirk Liezen und angrenzenden deutende kulturhistorische Objekt aus der Geschichte der eisenverarbeitenden Gebieten. Nehmen Sie bitte mit uns Kontakt auf oder senden Sie Ihren Industrie. Dieses Kunstwerk ist ein einzigartiger Beleg für die Wirtschafts- und Bericht an den Verein Schloss Trautenfels, Email: trautenfels@ Kulturgeschichte der Region und für das Museum Schloss Trautenfels. museum-joanneum.at, oder direkt an Wolfgang Otte, Email: Wir danken allen Menschen, die durch die Bildung von Netzwerken zusammen- [email protected]. Die Berichte sollten einen Umfang von vier A4-Seiten Text inklu- gefunden, intensiv gearbeitet sowie durch Informationen oder Schenkungen zur sive Fotos nicht überschreiten. „Erforschung des Rätsels“ beigetragen haben.

2 3 und eines Sensenblattes am unteren Rand der rechten Spalte. Ursprünglich befand sich dieses Wand- bild samt rahmender Stuckkartusche am sogenannten Fürsthof in der Fürstgasse 49 in Rottenmann, eines ehemals zum Zweiten Sensenhammer gehörenden Hammerherrenhauses, benannt nach der Gewerkenfamilie Fürst, wo es an der hofseitigen Außenwand des Nordtraktes angebracht gewesen ist. 2007 wurde das Haus abgerissen, das Wandbild aber im Zuge dessen 2006/07 konserviert und ins Schloss Trautenfels transferiert, wo es sich seither befindet. Damit wird schon deutlich, dass dieses Wandbild in mehrfacher Hinsicht eine bemerkenswerte Form eines Denkmals ELISABETH SOBIECZKY, WOLFGANG ELLMAIER für eine Gewerkenfamilie darstellt. De- ren Berufszweig erschließt sich nicht nur aus den genannten symbolhaften Zei- Wandbild, Gesamtansicht in situ, um 1993 I Foto: C. Gierer chen einer Sichel und eines Sensenblat- tes, sondern auch aus der Formenspra- der möglichen Lesarten sämtliche multipliziert werden muss, da es sich Das Buchstabenbild che der rahmenden Stuckkartusche. Abzweigungen und Kombinationen um vier Quadranten handelt: Insgesamt Bei genauer Betrachtung erkennt man enthalten, die sich vom zentralen „F“ kann demnach in 13.728 Möglichkeiten hier abstrahierende Formen aus dem ausgehend in den Nord-Ost-Richtungen der Name „FRANZHILLEBRAND“ in dem vom ehemaligen Fürsthof Schmiedehandwerk. Abgeflachte und ergeben. Allgemein gibt es in einem Buchstabenbild gelesen werden. mit scharfen Kanten begrenzte Formen (n x n)-Nord-Ost-Quadranten (n–1) Der Struktur des Buchstabenbildes liegt erinnern an starre Metallbänder und Nord- und (n–1) Ost-Schritte. Demnach somit ein symmetrisch und konzentrisch in Rottenmann stehen somit in deutlichem Gegensatz gibt es hier, da es sich um einen (8 x angeordnetes Labyrinth zugrunde, das sowohl zur zugrunde liegenden, orga- 8)-Quadranten handelt, 7 Nord- und 7 der literarischen Textform des Labyrin- Ohne die hilfreichen Gespräche und die fachliche Unterstützung, die wir von verschiedenen Seiten bei unserer nischen Rocaille-Ornamentik als auch Ost-Schritte, wobei die an das zentrale thgedichts (carmen labyrinthum oder Recherche erhalten haben, hätte dieser Aufsatz in dieser Form nicht erscheinen können. Wir bedanken uns für die zum weichen, formbaren Material Stuck, „F“ anschließende Buchstabenfolge mit cubus) vergleichbar ist.4 wertvollen Anregungen bei Dir. Ernst Hausner, Prof. Dr. Johann Tomaschek, Mag. Heimo Kaindl, Dr. Florian Sobieczky, aus welchem die Kartusche tatsächlich genau 2 x 7, also 14, zu insgesamt 15 Dieses Denkmal für Franz Hillebrand Dipl.-Ing. Wolfgang Absenger, Christine Gierer, Mag. Eva Khil, Gabriele Egger und insbesondere bei Mag. Katharina Krenn, gefertigt ist. Buchstaben komplettiert wird: „FRANZ- wird durch einen in schwarzer Frak- die dieses Projekt von Anfang an mit großem Interesse begleitet hat. Höchst bemerkenswert ist die Gestal- HILLEBRAND“ besteht aus genau 15 turschrift ausgeführten Sinnspruch in tung des Bildfeldes, das in außerge- Buchstaben. zwei Zeilen und Spalten ergänzt, der BESTAND dieser Hochrechtecke einen Großbuch- wöhnlicher Weise dem Gewerkemeister Für die Anzahl der Abweichungen so- sich unterhalb des Buchstabenbildes staben in Form der antiken Monumen- Franz Jakob Hillebrand (1737–1791) ein wohl in Nord- als auch Ost-Richtung befindet und von diesem durch eine DIE ERSTFASSUNG talschrift römischer Inschriften (capitalis Denkmal setzt.2 Ausgehend vom zentra- muss die Anzahl der Möglichkeiten er- horizontale rote Linie abgesetzt wird. Im Museum Schloss Trautenfels, das monumentalis) aufnimmt. Die Gitter- so- len „F“ des Buchstabengitters kann hier rechnet werden, die es gibt, eine nach Besonders die linke Spalte und somit zum Universalmuseum Joanneum ge- wie die Randlinien sind mit roter Farbe in 13.728 Wiederholungen der Name Norden eingeschlagene Leserichtung jeweils die Zeilenanfänge sind äußerst hört, befindet sich im Lichthof in ei- ausgeführt, die Buchstaben alternierend „FRANZHILLEBRAND“ gelesen werden. nach Osten fortzusetzen, oder anders schlecht erhalten und daher zum Teil nem Stuckrahmen ein monumentales mit schwarzer und roter Farbe. Der Sinn Diese hohe Anzahl ergibt sich aus einer ausgedrückt, eine Nord-Anweisung in nicht lesbar: Wandbild mit den Maßen 280 x 167 cm dieser Buchstabenfolgen erschließt sich labyrinthisch mäandrierenden Lesart eine Ost-Anweisung zu ändern. Dies [H?]aus [d]ie Zeit [a]ntauern [andauern?] (die Tiefe des Stuckrahmens beträgt allein vom Mittelfeld aus. Vom singulä- und berechnet sich wie folgt: wird kombinatorisch durch den Bino- werd. 6 cm), ausgeführt in möglicherweise ren, rotfarbigen „F“ in alle Richtungen Zunächst wird die Anzahl der mögli- minalkoeffizienten 2(n–1) über (n–1) Man möcht [könnt?] auf mich vergeßen kalkkaseingebundener Secco-Malerei zum Bildrand ausgehend, kann hier in chen sinnvollen Lesarten für einen der beschrieben.3 In unserem Fall ergibt [unleserlich] auf einer Kalkfeinputzlage.1 zahlreichen Wiederholungen der Name vier Quadranten bestimmt, die sich sich, da es sich um einen (8 x 8)-Quad- Daß ich bin hir geweßen. Eine fragmentierte reliefierte Stuckkar- „FRANZHILLEBRAND“ gelesen werden. durch die vom zentralen „F“ ausge- ranten handelt und somit für n die Zahl Trotz der Unvollständigkeit kann aus tusche mit stilisierten Rokokoformen, Unterhalb des Buchstabengitters befin- henden Kreuzachsen ergeben. Jeder 8 eingesetzt werden muss, die folgende diesem Sinnspruch das Motiv der ich- welche oben die von stark vereinfachter det sich in zwei Spalten ein zweizeiliger Quadrant beinhaltet 8 x 8 Felder. Wird Berechnung: (2(8–1))! / [(8–1)! ]^2 = bezogenen Reflexion über das Wissen Rocaille-Ornamentik umgebene Jahres- Sinnspruch. Er wird unten von einer beispielsweise der Nord-Ost-Quadrant 14! / [14! ]^2. Auf diese Weise wird die um die eigene Vergänglichkeit heraus- zahl 1790 enthält, umschließt eine hoch- roten Konturlinie begrenzt, die nicht herausgegriffen, so muss die Anzahl Zahl 3.432 berechnet, die noch mit 4 gelesen werden. rechteckige Bildfläche. Diese beherbergt nur den Formen der reliefierten Stuck- jedoch kein Gemälde im eigentlichen kartusche folgt, sondern diese partiell 2 Zur Identifikation des im Buchstabenbild genannten Franz Hillebrand mit Franz Jakob Hillebrand (1737–1791) siehe weiter unten den Sinn, sondern ist durch ein Gitter in 15 ornamental erweitert. Dazu gehören Abschnitt „Die innerstädtischen Sensenwerke von Rottenmann unter den Hillebrand, Schröckenfuchs und Fürst“. 3 Der Binominalkoeffizient (k ) (sprich: k über l) ist auch als „Pascal’sches Dreieck“ bekannt. Dieses wurde nach dem Mathematiker und Spalten und 15 Zeilen regelmäßig in 225 auch die symbolhaften, in roter Farbe l Wandbild, Gesamtansicht, Museum Schloss Philosophen Blaise Pascal (1623–1662) benannt, obwohl es bereits im 10. Jahrhundert in Persien und Indien verwendet wurde. Rechteckfelder aufgeteilt, wobei jedes ausgeführten Zeichnungen einer Sichel Trautenfels I Foto: E. Reichenfelser Eine andere Anwendung findet dieser Ausdruck zum Beispiel beim Lotto „6 aus 45“. 4 Zur begrifflichen Definition der labyrinthisch angeordneten Buchstabenbilder siehe Christine Jakobi-Mirwald, Buchmalerei. Terminologie 1 Zur Technik siehe Hubert Schwarz, Rottenmann, Fürstenhof [sic]: Bildrätsel. Bericht zur Restaurierung 2006–2007, Graz 2014, S. 2. in der Kunstgeschichte, 3. A., Berlin 2008, S. 35. Vgl. auch die Ausführungen weiter unten im Abschnitt „Labyrinthgedichte in der Neuzeit“.

4 5 BEDEUTUNG UND EINFLUSS sich brachte, wuchs auch der Einfluss 1766 war das Ehepaar Hillebrand so DER GEWERKENFAMILIEN IN der Familien, die dieses Handwerk be- wohlhabend geworden, dass es der ROTTENMANN und dadurch zu Wohlstand und Kirche von Rottenmann eine wertvolle, Ansehen gekommen waren. Es spricht 11,5 Pfund schwere, vergoldete und DIE INNERSTÄDTISCHEN SENSEN- für deren Standesbewusstsein, dass die mit Edelsteinen geschmückte Mons- WERKE VON ROTTENMANN Besitztümer, vor allem die Betriebe der tranz aus Silber samt dazugehörendem UNTER DEN HILLEBRAND, Sensenschmieden bzw. -werke samt Kelch aus Goldemaille stiften konnte.12 SCHRÖCKENFUCHS UND FÜRST zugehörigen Höfen und Herrenhäusern, Doch bereits zum Zeitpunkt der Ge- Die ursprüngliche Situierung des Buch- lediglich innerhalb der Familien, auch burt Franz Jakobs, am 20. Juli 1737, stabenbildes am ehemaligen Hammer- der angeheirateten, weitervererbt und waren Matthias und Rosina so weit herrenhaus des Sensenwerkes Zweiter dadurch auch vergrößert wurden. in das gesellschaftspolitische Leben Sensenhammer in der Stadt Rottenmann Der erste Franz Hillebrand, der mit dem Rottenmanns integriert, dass sie als Sinnspruch I Foto: E. Reichenfelser und die symbolhaften Zeichnungen einer Zweiten Sensenhammer in der Stadt Taufpaten für ihren Sohn den angese- Sichel und eines Sensenblattes weisen Rottenmann sowie mit der Jahreszahl henen Sensenschmiedmeister Johann auf den kulturhistorischen Zusammen- 1790 und folglich mit der ursprüngli- Michael Schröckenfuchs vom Zwei- Es besteht ein deutlicher Bezug zu dem Farbigkeit, wobei unter Beibehaltung des VERLUST UND RETTUNG hang mit den eisenverarbeitenden Ge- chen Fassung des Buchstabenbildes ten Sensenhammer in Rottenmann im Buchstabenbild darüber genannten Typus der antiken capitalis monumenta- Heute ist von dieser zweiten Fassung werken hin. Von besonderem Interesse in Verbindung gebracht werden kann, gewinnen konnten.13 Möglicherweise Franz Hillebrand, dem auf diese Weise lis die Schäfte leicht verbreitert und die nichts mehr erhalten, sie fiel der letzten sind dabei die inschriftlich genannten ist Franz Jakob Hillebrand (1737–1791). wurden hier bereits die Weichen für ein Zeichen der Erinnerung und des Ge- Serifen deutlicher ausgeprägt waren. Konservierung zum Opfer. Ungeschützt Gewerkenfamilien Hillebrand und Fürst (Abb. 1) Er gehörte bereits der drit- eine spätere Heirat Franz Jakobs mit denkens für die nachfolgenden Generati- Bedingt durch die Abnahme mussten bei der Witterung ausgesetzt, war der sowie deren Verbindung zur einflussrei- ten Generation der inzwischen dort einer Tochter des Johann Michael onen gesetzt wird, um einem ansonsten der Konservierung 2006/07 in drei Fäl- strukturelle Zustand des Wandbildes chen Familie Schröckenfuchs. ansässig gewordenen Gewerkenfamilie Schröckenfuchs gestellt. im Lauf der Zeit eintretenden Vergessen len Korrekturen durchgeführt werden: In bereits 2006 so schlecht, dass sich Der Handel mit Eisen sowie dessen Hillebrand an, die zunächst nur den Die vom oberösterreichischen Sen- seiner Person entgegenzuwirken. Die Spalte 2, Zeile 11 wurde das „L“ zu einem der Malschichtträger an einigen Stellen Verarbeitung ist für Rottenmann schon Ersten Sensenhammer besaß. Auf jenen senwerk Roßleiten stammende Gewer- Ichbezogenheit des Sinnspruchs gibt „E“ korrigiert, in Spalte 11, Zeile 5 das vom Untergrund gelöst hatte. Eine Ab- seit dem Mittelalter bezeugt. Beides oben erwähnten Matthias Hillebrand aus kenfamilie Schröckenfuchs war ein- Anlass zur Vermutung, dass es sogar „E“ zu einem „I“, und auch im Mittelfeld nahme und Transferierung ins Museum entwickelte sich vor allem im 17. und Scharnstein folgte der Vater von Franz flussreich in Rottenmann, seitdem sie Franz Hillebrand selbst gewesen ist, sieht es so aus, als ob ein fehlerhaf- erschien als die am besten geeignete 18. Jahrhundert zu einem wichtigen Jakob, der ebenfalls Matthias Hillebrand im Dezember 1725 die Weilner’sche der sich hier ein Denkmal gesetzt hat. tes „F“ korrigiert werden musste.6 Die Rettungsmaßnahme, zu der es 2007 Wirtschaftszweig für die ganze Gegend, (1705–1772) hieß und ein Neffe des Sensenschmiede, den Zweiten Sensen- Dies soll in den folgenden Kapiteln des Gitterlinien der Zweitfassung sind mit kam.8 Nach der im Strappo-Verfahren der auch Gewerkenfamilien aus anderen Ersteren war. Dazu war Matthias 1736, hammer der Stadt, samt Mühle, Säge Aufsatzes näher ausgeführt werden. schwarzer Farbe nachgezogen worden. erfolgten Abnahme des Wandbildes Teilen des Landes anzog. So siedelte ein Jahr vor Franz Jakobs Geburt, mit und Grundbesitz erworben hatte.14 Anstelle des Sinnspruchs ist im Zuge der samt Stuckrahmen, der anschließen- sich im 17. Jahrhundert die aus dem seiner aus Gutau stammenden Frau Johann Michael wurde hier Besitznach- DIE ZWEITE INSCHRIFT Zweitfassung eine Widmung angebracht den Einbettung desselben in ein neues Krems- und Steyrtal stammende Ge- Maria Rosina Adamin (1705–1781) aus folger in der zweiten Generation. Doch Auf fotografischen Aufnahmen, die worden, ausgeführt in schwarzer Farbe Mörtelbett und Versetzung in einen werkenfamilie Fürst in Rottenmann an, dem oberösterreichischen Mühlviertel sein Sohn Adam Schröckenfuchs, seit das Wandbild vor der Abnahme noch unter Verwendung einer Antiqua-Schrift. Aluminiumblechrahmen, wurde die während die Gewerkenfamilie Hillebrand übersiedelt, wo er bereits das Hand- 1768 Besitznachfolger in der dritten in situ am Fürsthof in Rottenmann zei- Der Wortlaut dieser Widmungsinschrift, Oberfläche gereinigt. Dabei wurde aus Oberösterreich erst zu Beginn des werk des Sensenschmiedmeisters im Generation, sollte nach nur zwei Jah- gen, ist ersichtlich, dass sowohl das die bereits bei der Abnahme des Wand- nicht nur die temporär aufgebrachte 18. Jahrhunderts hinzukam: 1717 ist Sensenwerk Hammerl bei St. Leonhard ren den gesamten Besitz inklusive Buchstabenbild als auch der Sinnspruch bildes nicht mehr ganz vollständig erhal- Kaschierung wieder entfernt, sondern die Erwerbung der Eggl’schen Sensen- bei Freistadt ausgeübt hatte.10 Franz Werkstatt mit allem Zubehör an sei- übermalt gewesen waren.5 Im Buchsta- ten war, ist auf älteren fotografischen auch die Überfassung, um die Erst- schmiede, des Ersten Sensenhammers in Jakobs Eltern verfestigten den Stand nen Schwager Franz Jakob Hillebrand benbild wiederholte die Zweitfassung Aufnahmen noch komplett überliefert:7 fassung freizulegen. Das Ziel dieser der Stadt Rottenmann, durch Matthias der Familie in Rottenmann sowohl in verkaufen. Anlass war womöglich die sämtliche Buchstaben und auch deren Memoriam Fran[z] Hillebrand. Konservierung war die Erhaltung und Hillebrand aus Scharnstein bezeugt.9 Mit gesellschaftlicher, politischer als auch Hochzeit des fast 33-jährigen Franz Antecessori = 1801 = Inscriptionem Präsentation des Originalbestands, dem wirtschaftlichen Aufschwung, den wirtschaftlicher Hinsicht. Am 17. Januar Jakob am 9. Juli 1770 mit der am 13. Hanc. Fürst = Succes[s]or. weshalb auch Überfassungen der Stu- die Eisenverarbeitung für Rottenmann 1745 wurde Matthias von Kaiserin Maria April 1747 geborenen Helene Schrö- Die Widmung kann wie folgt übersetzt ckelemente abgenommen wurden. insbesondere im 18. Jahrhundert mit Theresia zum Stadtrichter ernannt.11 ckenfuchs.15 werden: Ergänzungen mussten lediglich an Dem Gedenken an Franz Hillebrand, den oberen Seitenrändern des Bild- 5 Siehe dazu Schwarz 2014 (wie Anm. 1), Abb. 01, 02, 03, 04. dem Vorgänger [von] 1801, [diene] diese feldes durchgeführt werden (Spalte 6 Ibid., Abb. 13. Inschrift. Fürst, Nachfolger 1, Zeilen 3–5 sowie Spalte 15, Zeilen 7 Siehe dazu auch die fotografischen Bestandsaufnahmen von 1987 von Friedrich Bouvier, aufbewahrt im Bundesdenkmalamt Graz, Akt GZ Der Sinn dieser neuen Widmung liegt 1–6). Um ihre Unterscheidbarkeit vom 5.089, Bildarchiv, Nr. 87/016. Fehlerhafte Transliteration bei Karl Weiß, Die Baudenkmäler der Stadt Rottenmann, Rottenmann 1996, S. 21. darin, dass Franz Hillebrand, auf den sich Originalbestand zu gewährleisten, er- 8 Zur genauen Beschreibung der hier im Folgenden nur summarisch aufgeführten konservatorischen Maßnahmen sowie zu deren der Spruch der ursprünglichen Fassung folgten die erforderlichen Kittungen fotografischer Dokumentation siehe den Bericht von Schwarz 2014 (wie Anm. 1). 9 Franz Schröckenfux, Geschichte der österreichischen Sensenwerke und deren Besitzer, hg. von Franz John, Linz 1975, S. 474; Karl Weiß, des Buchstabenbildes bezieht, nicht in mit Kalkmörtel im Niveau tiefer als die Eisenhandel und Eisenverarbeitung in Rottenmann. Teil 1, vom 13. Jahrhundert bis zum Eisenwerk der Gebrüder Lapp, in: Da schau her. Vergessenheit geraten soll. Die Erin- originale Malschicht. Die Aquarellretu- Die Kulturzeitschrift aus Österreichs Mitte, 2016, Jg. 37, Heft 1, S. 13–16, insbes. S. 13–14. nerung an seine Person wird erhalten schen der Buchstaben und Gitterlinien 10 Schröckenfux (Ed. John) 1975 (wie Anm. 9), S. 474; Heinz Schröckenfuchs, Familienchronik: Sensenwerke – Schröckenfuchs. und zugleich auf Fürst, den Verfasser wurden formgetreu, jedoch in zurück- „Oberösterreichisch – Steirische Linie“, Teil II, Steiermark und die Adoptivlinie, Michelsdorf 2011/2012, S. 17. 11 der neuen Widmung, ausgeweitet. Die genommener Farbigkeit lasierend in der Weiß 2016 (wie Anm. 9), insbes. S. 14. 12 Franz Forcher von Ainbach, Die alten Handelsbeziehungen des Murbodens mit dem Auslande. Beiträge zum Werden und Vergehen der Stellung Franz Hillebrands muss wich- sogenannten „Aqua-Sporca“-Technik Hammer- und Sensenwerke und zur Genealogie der alten Murbodener Gewerkenfamilien, in: Zeitschrift des Historischen Vereines für tig genug gewesen sein, dass Fürst vorgenommen. Eine bessere Lesbar- Steiermark, Jahrgang 5, Heft 1 und 2, 1907, 86 S., insbes. S. 29–30, Anmerkung 1. – Zur Monstranz siehe weiter unten den Abschnitt daran gelegen war, sich namentlich keit bei gleichzeitiger Wahrung der „Die Hillebrands als Stifter“. und als dessen legitimen Nachfolger restaurierungsethischen Grundsätze 13 Eintrag im Taufbuch 1, 1718–1769, Graz-Seckau, rk. Diözese, Pfarre Rottenmann, Signatur 12440, Seite 117. Digitalisat unter http://data. zu bezeichnen, sodass ihm die Teilhabe von Unterscheidbarkeit und Rever- matricula-online.eu/de/oesterreich/graz-seckau/rottenmann/12440/?pg=61 (09.01.2018). Der Zweitname Jakob erklärt sich wahrscheinlich aus der Nähe des Geburts- und Taufdatums zum 25. Juli, der dem Heiligen Jakobus geweiht ist. am Gedenken an den offenbar hochge- sibilität der Ergänzungen konnte so 14 Schröckenfux (Ed. John) 1975 (wie Anm. 9), S. 476; Schröckenfuchs 2011/2012 (wie Anm. 10), S. 16. Wandbild in situ, um 1993 I Foto: C. Gierer stellten Vorgänger gewiss sein konnte. erreicht werden. 15 Schröckenfuchs 2011/2012 (wie Anm. 10), S. 16. – Der Kaufbrief ist allerdings bereits auf den 7. Mai 1769 datiert, siehe ibid., S. 20.

6 7 Diese Hochzeit sowie der Besitzverkauf Franz Ferdinand Fürst, den sie in diesem verständlich, dass es Franz Engelbert wovon kunstsinnige Auftragsarbeiten stellung bemaltes Emaille-Medaillon der Oberseite der schmalen, umlaufen- waren gesellschaftspolitisch wie wirt- Jahr geheiratet hatte, noch 27 Jahre Fürst auch darum gehen musste, die ein sichtbares Zeugnis ablegen, sei- aufnehmen. Das vierte Feld auf der den Standfläche am Fuß der Monstranz schaftlich geschickt und folgenreich, gemeinsam den Betrieb. Nach dem Tod Legitimität des Besitzübertrags durch en es Stiftungen wertvoller sakraler Rückseite ist lediglich mit Rocaille-Or- angebracht sind. Die älteste Punze ist denn damit waren beide Sensenwerke ihres dritten Gatten 1838 wurde sie Heirat – und nicht durch Vererbung Gegenstände an die Kirche oder die namentik gefüllt. die Meistermarke „AR“ und weist damit in der Stadt Rottenmann im Besitz nur erneut Alleinbesitzerin, bis nach ihrem – zu betonen, da mit dieser die Hille- außergewöhnliche Ausschmückung der Etwa 150 Jahre jünger ist das hochovale die Monstranz als ein Werk des Grazer einer Familie, der Familie Hillebrand, Tod 1842 der Zweite Sensenhammer brand’sche Vormachtstellung beendet Herrenhäuser. vergoldete Schaugehäuse, das von ei- Goldschmieds Anton Römer aus.23 Das vereint: Der Erste Sensenhammer ge- an Josef Pesendorfer verkauft wurde. wurde. nem silbernen Rahmen umfasst wird, Beschauzeichen des Grazer Punzie- hörte nach wie vor Franz Jakobs Eltern Die zweite Fassung und Erneuerung Möglich wäre auch, dass Franz Engelbert DIE GEWERKENFAMILIE der vegetabile Ornamentik aufweist rungsamtes mit der Jahreszahl 1766 Matthias und Rosina, die ihn 1772 an des Wandbildes sowie der Widmungs- Fürsts Bruder Franz Ferdinand (gest. HILLEBRAND ALS STIFTER und mit rundgeschliffenen Edelsteinen bezeichnet das Jahr ihrer Herstellung.24 ihren jüngsten Sohn Maximilian (1751– inschrift ist folglich mit diesem Be- 1838) Urheber der zweiten Inschrift ist, Jene 1766 durch die Eheleute Matthias geschmückt ist. Oben am silbernen Zwei weitere Punzen vom Beginn des 19. 1816) weitergeben sollten.16 Der Zweite sitzwechsel unter Franz Valentin Hille- da dieser nach dem Tod des Bruders (1705–1772) und Rosina (1705–1781) Rahmen ist der segnende Gottvater zu Jahrhunderts stehen im Zusammenhang Sensenhammer gehörte nun Franz Jakob brands Witwe Anna Maria in Verbindung (1807) die verwitwete Schwägerin Anna Hillebrand getätigte Stiftung einer wert- sehen, unten befindet sich vor einem mit der Besteuerung von Wertgegen- selbst und seiner Frau Helene. zu bringen, der die Gewerkenfamilie Maria 1811 heiratete, mit ihr gemeinsam vollen Monstranz mit dazugehörendem vergoldeten kleinen Strahlenkranz die ständen: Die Repunzierung „12∙H“ von Das Selbstbewusstsein Franz Hille- Fürst für lange Zeit zu den Besitzern noch 27 Jahre lang den Betrieb des Kelch an die Kirche von Rottenmann Heiliggeisttaube. Das gesamte Schauge- 1806/07 bezeichnet die Monstranz als brands, das aus der ursprünglichen des Zweiten Sensenhammers in der Zweiten Sensenhammers fortführte und zeigt, dass noch der zweiten Generati- häuse ist von einem vergoldeten und mit steuerpflichtige, bereits gestempelte Fassung des Wandbildes herausgelesen Stadt Rottenmann machte. (Abb. 5) sich daher in dieser Hinsicht ebenfalls on der Hillebrand in Rottenmann dar- einem Kreuz bekrönten großen Strah- Silberarbeit,25 der Freistempel „FR“ – werden kann, zeugt noch vom Aufstieg Sehr wahrscheinlich ist Franz Engelbert als Nachfolger Franz Hillebrands be- an gelegen war, das gesellschaftliche lenkranz hinterfangen. zusammengezogen und mit spiegelver- der Hillebrand zur wirtschaftlich mäch- Fürst (gest. 1807) selbst der Verfasser zeichnen konnte. In diesem Falle wäre Ansehen der hinzugezogenen Familie Die zeitliche Einordnung ergibt sich kehrtem F – von 1809/10 aktualisiert tigsten Gewerkenfamilie in Rottenmann. der neuen Widmung. Tatsächlich folgte die Neufassung von Wandbild und In- auch für die Zukunft und in sichtbarer zunächst aus den Punzen, welche auf diesen Status.26 Über dessen Fortbestand konnte sich Franz Engelbert Fürst 1804/05 dem schrift möglicherweise erst 1811/12 Weise abzusichern, indem der Name Franz Jakob jedoch nicht mehr sicher 1803 verstorbenen Franz Valentin Hil- angebracht worden. An anderer Stelle der Familie mit einem für die ansässige 16 Schröckenfuchs (Ed. John) 1975 (wie Anm. 9), S. 474. 17 sein, als er 1790, nur wenige Monate lebrand hinsichtlich des Besitzes des am Hammerherrenhaus hatte sich Franz Gemeinde äußerst bedeutenden Gegen- Karl Gottfried Hillebrand (1740–1789), Sohn des Matthias und der Rosina Hillebrand, hatte 1766 als Sensenschmiedmeister das Sensenwerk Zu Singstorf bei St. Lorenzen über- vor seinem Tod (23. Januar 1791), den Sensenwerkes und konnte sich daher Ferdinand Fürst mit Sicherheit verewigt: stand der Messfeier verknüpft wurde. nommen, vgl. dazu Schröckenfux (Ed. John) 1975 (wie Anm. 9), S. 474, 479 sowie Weiß er möglicherweise vorausahnte, das in der neu aufgebrachten Inschrift zu So geht auf ihn der mit „FFF=1819=FF“ Von dieser Stiftung ist die Monstranz 2016 (wie Anm. 9), S. 13–16, insbes. S. 14. Wandbild anbringen ließ. Sein ältester Recht als „Nachfolger“ („Fürst. Succe- signierte und von einem Rundbogen noch erhalten, die hier im Folgenden 18 Schröckenfux (Ed. John) 1975 (wie Anm. 9), S. 477. Sohn Franz Valentin (geboren am 20. sor“ [sic]) bezeichnen. Damit ist zugleich überfangene Sturz des Portals im Süd- genauer betrachtet werden soll.22 19 Zur weiteren Geschichte des Zweiten Sensenhammers in Rottenmann siehe ibid., S. 477. 20 November 1777) war mit 13 Jahren noch klar, dass der in der erneuerten Inschrift trakt zurück.20 Die 79 cm hohe Monstranz besteht aus Dazu Weiß 1996 (wie Anm. 9), S. 22. Vgl. auch die Fotodokumentation von 1987 von Friedrich Bouvier, aufbewahrt im Bundesdenkmalamt Graz, Akt GZ 5.089, Bildarchiv, Nr. zu jung, um Besitz und Betrieb fortzu- genannte „Fran[z] Hillebrand“ Franz Insgesamt vier Generationen waren zwei Teilen, die zeitlich verschiedenen 1987-016. führen. Tatsächlich musste nach dem Valentin Hillebrand, der Sohn des Franz somit die innerstädtischen Sensenwer- Epochen zuzuweisen sind. Zum älte- 21 Zusammenfassung der hillebrandschen Besitzfolge: Erster Sensenhammer: 1717–1736: Tod Franz Jakobs der Zweite Sensen- Jakob Hillebrand, sein muss. Das geht ke Rottenmanns im Besitz der Gewer- ren Teil von 1766 gehört der schwere, Matthias Hillebrand (aus Scharnstein), 1736–1772 Neffe Matthias Hillebrand (aus St. hammer für 10 Jahre kuratorisch durch auch aus der inschriftlich genannten kenfamilie Hillebrand gewesen; 1816, aus Silber getriebene und vergolde- Leonhard), 1772–1816 Sohn Maximilian Hillebrand. Zweiter Sensenhammer: 1770–1791: den Sensenmeister Georg Weinmeister Jahreszahl 1801 hervor, die mit „Vorgän- nach dem Tod Maximilian Hillebrands, te Fuß, der mit spätbarocken Formen Franz Jakob Hillebrand (Sohn des Matthias Hillebrand, ältester Bruder des Maximilian Hillebrand), 1791–1803 Sohn Franz Valentin Hillebrand. vom Sensenwerk Zu Singstorf bei St. ger [von]“ („Antecessori“) verknüpft ist war nach fast 100 Jahren schließlich wie Rocaille, reicher Blätterornamentik 22 Diözesanmuseum Graz, Kunstgutinventar Rottenmann, Pfarre und Pfarrkirche, 1996, Inv.- Lorenzen, das einem Bruder Franz Ja- und das Jahr nennt, in welchem Franz auch der Erste Sensenhammer verkauft und verschiedenfarbigen Edelsteinen Nr. 6381.A.S.1. Eigentümerin ist die Pfarre Rottenmann. Der in der Literatur stets kobs und somit ebenfalls einem Zweig Valentin Hillebrand seinerseits den Be- worden.21 In dieser Zeit gelang es der geschmückt ist. Vier erhabene Rocail- zusammen mit der Monstranz genannte Kelch (z.B. Forcher von Ainbach 1907 der Familie Hillebrand gehört hatte,17 sitz übernommen hatte. Sollten den Familie nicht nur zur mächtigsten in Rot- le-Bänder unterteilen den querovalen (wie Anm. 12), S. 29–30, Anmerkung 1) muss als verschollen angenommen werden. 23 betreut werden. Erst 1801 konnte Franz zeitgenössischen Betrachtenden diese tenmann aufzusteigen, sondern auch ein Fuß diagonal in vier Felder, wobei drei Zur Identifikation der Goldschmiede und ihrer Punzen siehe ibid. 24 Es handelt sich um die Grazer 13-lötige Silberpunze, vergleichbar der Punzen bei Karl Valentin, nun 23-jährig, den Betrieb Zusammenhänge bekannt gewesen sein, bedeutendes Vermögen zu erwerben, von diesen je ein mit einer Heiligendar- Knies, Die Punzirung [sic] in Österreich. Eine Geschichtliche Studie, Wien 1896, 18 übernehmen. dann war es Franz Engelbert Fürst mit Reprint 2010 (Kessinger Legacy), S. 74; Taf. VI, Fig. 19–23; vgl. auch Marc Rosenberg, Franz Valentin (1777–1803) war der dieser einfachen Erneuerung der In- Der Goldschmiede Merkzeichen (Band 4): Ausland und Byzanz, Frankfurt am Main 1928, Letzte aus der Familie Hillebrand, der schrift gelungen, auf seine legitime Stel- S. 427, Lf.Nr. 7797, aber mit anderer Jahreszahl 1766 sowie nur einer mittigen im Zusammenhang mit dem Zweiten lung in der Reihe seiner bedeutenden Einkerbung an der unteren Seite der Punze: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ rosenberg1928bd4/0459 (10.09.2019). Sensenhammer in Rottenmann genannt Vorgänger hinsichtlich der Besitzfolge 25 Es handelt sich um die große Repunze für Silber des k.k. Filialpunzierungsamtes Graz. 19 werden kann. Nur zwei Jahre führte er des Zweiten Sensenhammers hinzuwei- Der Buchstabe H war von 1806/07 bis 1866 als Amtsbuchstabe für Graz in Verwendung; den Betrieb bis zu seinem frühen Tod im sen: Das eigentliche Buchstabenbild mit vgl. Knies 1896 (2010) (wie Anm. 24), S. 22–29, S. 62 und S. 69; Taf. I Fig. 43; vgl. auch Jahr 1803, als er den Besitz seiner Ge- der Jahreszahl 1790 im Rahmen verweist Rosenberg 1928 (wie Anm. 24), S. 435, Lf.Nr. 7875: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/ mahlin Anna Maria hinterließ. Durch die auf Franz Jakob Hillebrand (1737–1791), diglit/rosenberg1928bd4/0467 (10.09.2019). 26 Es handelt sich um den mittelgroßen Befreiungsstempel vom Jahre 1809–1810, vgl. Knies nun verwitwete Anna Maria gelangten die in der Inschrift ausgesprochene 1896 (2010) (wie Anm. 24), S. 72; Taf. IV, Fig. 2; vgl. auch Rosenberg 1928 Besitz und Betrieb des Zweiten Sensen- Memoria zunächst auf Franz Valentin (wie Anm. 24), S. 435, Lf.Nr. 7886: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/rosenberg hammers nach etwa 24 Jahren in den Hillebrand (1777–1803) und anschlie- 1928bd4/0467 (10.09.2019). Händen der Hillebrands schließlich an ßend auf Franz Engelbert Fürst selbst. die schon seit dem 17. Jahrhundert in Die zweite Fassung und Erneuerung Rottenmann ansässige Gewerkenfamilie von Wandbild und Inschrift könnte dann Fürst: 1804 oder 1805 heiratete Anna 1804/05, dem Jahr der Heirat und Besit- Maria den Sensenmeister Franz Engel- zübernahme, oder 1807, dem Todesjahr bert Fürst, der das Handwerk zuvor im Franz Engelberts, durchgeführt worden Sensenwerk zu Gaming ausgeübt hatte. sein. Vor dem Hintergrund, dass bis zur Nach nur etwa zwei Jahren Ehe starb Fürst‘schen Übernahme des Zweiten 1807 auch Anna Marias zweiter Mann. Sensenhammers beide innerstädtischen Anschließend führte sie allein und ab Sensenwerke Rottenmanns in den Hän- Portal Fürsthof, Südtrakt, 1987 Monstranz, Gesamtansicht, Punzen am Fuß der Monstranz: Beschauzeichen von 1766, Punze AR, Beschauzeichen für 1811 gemeinsam mit ihrem Schwager den der Familie Hillebrand waren, ist es I Foto: F. Bouvier, Bundesdenkmalamt Graz Diözesanmuseum Graz I Foto: W. Ellmaier Feinsilber, Punze AS I Foto: W. Ellmaier

8 9 Der zweite Meister der Monstranz hat des Fußes haben die Stifter Zeichen hervorgehobene Darstellung dieses der Hillebrands mit diesem Heiligen ebenfalls am Fuß der Monstranz seine gesetzt, die sie nicht unerkannt lassen. Heiligen steht folglich im Zusammen- mag auf den Umstand zurückzuführen Meistermarke hinterlassen: Die Punze Die Heiligendarstellungen auf den drei hang mit seiner Schutzfunktion für die sein, dass Matthias Hillebrand von der „AS“ des Grazer Goldschmieds Adolf bemalten Emaille-Medaillons sind mit Sensenschmiedmeister. Er dürfte sogar oberösterreichischen Sensenschmiede Stuttmann wird hier begleitet vom Be- Bedacht gewählt und auf das Engste mit als Schutzheiliger insbesondere der Hammerl bei St. Leonhard abstammte. schauzeichen für Feinsilber, ein Diana- dem stiftenden Ehepaar verknüpft. So Familie Hillebrand angesehen worden Spendabel, der Kirche und Gemein- kopf im Fünfpass, das zwischen 1872 sind in den beiden seitlich angebrach- sein, die zu diesem Zeitpunkt Besitzer schaft verbunden, kunstsinnig und ge- und 1922 verwendet wurde.27 Da sich ten Emaillen die Namenspatrone der des Ersten Sensenhammers in Rotten- bildet treten die Eheleute Matthias und die letzten beiden Marken außerdem am Stifter dargestellt. Links ist die hl. Ro- mann war. Eine weitere Verbundenheit Rosina Hillebrand hier auf, als sie beide vergoldeten Rand des Schaugehäuses sina zu sehen, ausgewiesen durch den schon 61-jährig ihre Stiftung tätigen, der Monstranz befinden, kann damit Rosenkranz um ihr Haupt sowie das mit dabei bedacht, Stand und Ansehen der der gesamte jüngere Teil der Monstranz Rosengirlanden geschmückte Kreuz. Familie in Rottenmann auch nach au- diesem Meister zugeschrieben werden. Sie ist mit einem gegürteten weißen ßen sichtbar zu zeigen. Es ist denkbar, Von der Hillebrand’schen Stiftung ist Kleid mit Schmuckborten und einem dass diese Haltung später prägend für somit lediglich noch der Fuß der Mons- rosa Mantel bekleidet, sehr ähnlich einer ihren Sohn Franz Jakob Hillebrand, dem tranz erhalten. Die Eindeutigkeit der entsprechenden Darstellung der Heiligen späteren Besitzer des Zweiten Sensen- Bestimmung ergibt sich aus der Stif- auf dem um 1730 gemalten Altarbild in hammers in Rottenmann, werden sollte. tungsinschrift, die in die Unterseite der der Rosinakapelle in Wenglingen/Allgäu, umlaufenden Standfläche eingraviert der wahrscheinlich einzigen Stätte ihrer MEMORIA IM ZEITALTER DER ist und sowohl das stiftende Ehepaar, Verehrung.29 Im rechten Emaille-Me- JOSEPHINISCHEN REFORMEN Matthias und Rosina Hillebrand, als daillon ist der hl. Matthias dargestellt, auch das Jahr der Stiftung 1766 nennt: sein Attribut, das Beil, verweist auf das EIN BUCHSTABENBILD ALS Martyrium dieses Apostels.30 MEMORIA? + DEO V EUCHARISTICO VMATHIAS Mit dem mittleren Emaille-Medaillon, Mit dem Buchstabenbild hat sich Franz VHILLEBRAND VET ROSINAV NATAV das zentral in dem zur Schauseite der Hl. Rosina, bemaltes Emaillemedaillon, Jakob Hillebrand im Jahr 1790 ein au- VADAMIN VCONJUGES HOCV PIETATISV Monstranz orientierten Feld angebracht Diözesanmuseum Graz I Foto: W. Ellmaier ßergewöhnliches Denkmal am eigenen SUÆV CURARUNTV MONUMENTUMV ist, wird durch die Darstellung des hl. Hammerherrenhaus gesetzt. In nicht FIERIV AO MDCCLXVIVV V Leonhard von Noblac die Verbindung weniger als 13.728 Variationen ist hier zum eisenverarbeitenden Gewerke der sein Name „Franz Hillebrand“ zu lesen. Sie kann wie folgt übersetzt werden: Stifterfamilie hergestellt. Der heilige Stellte dies schon die Betrachtenden vor Dem eucharistischen Gott stifteten die Abt, der mit einem einfachen schwarzen ein gewisses Rätsel, da sich der Sinn Eheleute Matthias Hillebrand und Rosina Gewand bekleidet ist, die Bischofsmütze der Buchstabenfolgen nicht gemäß der geborene Adamin dieses Weihegeschenk abgelegt hat und Almosen an in Ketten Leserichtung zeilenweise von der linken Codex Aureus, Canterbury, Mitte 8. Jahrhundert, Beginn des Matthäus-Evangeliums. [zum Zeichen] ihrer Verehrung. Dies fand liegende Gefangene spendet, gilt u. a. oberen Ecke aus erschließt, sondern Stockholm, Royal Library, Ms. A 35, Folio 11r I Foto aus: Hamburger 2011, S. 251, Abb. 2 statt im Jahre 1766.28 als Schutzpatron der Schmiede und vom Mittelfeld ausgehend labyrinthisch Doch auch auf der sichtbaren Schauseite Schlosser.31 Die zentrale und damit in alle Richtungen, trieb Franz Hillebrand einen lateinischen Text. Dies wird durch wodurch Franz Jakob Hillebrand zu die- das Verwirrspiel noch weiter, indem er die absichtsvolle Gegenüberstellung mit ser speziellen Bildform eines Buchsta- sich einer antikisierenden Formenspra- dem Sinnspruch, der im für deutsch- benbildes angeregt worden sein könnte, che bediente. Der gewählte Schrifttypus sprachige Texte üblichen gebrochenen die ihm besonders geeignet erschien, der capitalis monumentalis verweist auf Schrifttypus der Fraktur gehalten ist, seinem Namen und damit seiner Person lateinische Inschriften, wodurch das verstärkt.32 Eine weitere Verunklärung sowie seinen Nachkommen und der Hl. Matthias, bemaltes Emaillemedaillon, Buchstabenbild als gerahmte Inschrift- wird durch die alternierende Farbge- Familie ein Denkmal zu setzen. Diözesanmuseum Graz I Foto: W. Ellmaier entafel, als antikisierende tabula aufzu- staltung der Buchstaben mit schwarz fassen ist. Franz Hillebrand versteckte und rot geschaffen, welches optisch MITTELALTERLICHE BUCHSTABEN- somit seinen Namen im lateinischen ein Hervor- und Zurücktreten und somit BILDER ALS VORBILDER? „Kleid“, die Betrachtenden sollten of- ein ondulierendes Auf und Ab bewirkt, Buchstabenbilder sind eine beliebte fenbar beim Anblick der Tafel und des das sicher seine verwirrende Wirkung Bildform im Mittelalter, wo sie vor al- Schrifttypus der capitalis monumentalis nicht verfehlte. lem in Handschriften zu unterschiedli- zunächst denken, es handle sich um Es stellt sich somit zunächst die Frage, chen Ausprägungen gefunden haben.

27 Bei dieser Form der Feingehaltspunze ist das Amtszeichen – hier G, gebräuchlich für Graz ab 1866 – inkludiert und befindet sich rechts neben dem Profilkopf. Es handelt sich um die große Punze für Silber Nr. 3 (800), die Ziffer 3 befindet sich im Stempel links neben dem Profilkopf; vgl. Knies 1896 (2010) (wie Anm. 24), S. 79; Taf. X, Fig. 53; vgl. auch Rosenberg 1928 (wie Anm. 24), S. 434, Lf.Nr. 7866: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/rosenberg1928bd4/0466 (10.09.2019). 28 Bei Forcher von Ainbach 1907 (wie Anm. 12), S. 29–30, Anmerkung 1, ist die Inschrift leicht fehlerhaft wiedergegeben. 29 Konrad Kunze, ad vocem Rosina, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, 2. A., Rom/Freiburg/Basel/Wien 1990, Bd. 8, Sp. 289–290; zum Altarbild vgl. https://www.heiligenlexikon.de/BiographienR/Rosina_Rosamunde.htm (10.09.2019). 30 Gregor Martin Lechner, ad vocem Matthias (Apostel), in: Lexikon der christlichen Ikonographie, 2. A., Rom/Freiburg/Basel/Wien 1990, Bd. 7, Sp. 602–607. 31 Josef Dünninger, ad vocem Leonhard von Noblac, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, 2. A., Rom/Freiburg/Basel/Wien 1990, Bd. 7, Hl. Leonhard von Noblac, bemaltes Emaille- Sp. 394–398. medaillon, Diözesanmuseum Graz I Foto: W. 32 Auch für deutschsprachige Urkunden wurden gebrochene Schriftarten gewählt, wie z. B. die Deutsche Kanzleischrift, siehe zum Beispiel den Stifterinschrift, Unterseite der Monstranz, Diözesanmuseum Graz I Foto: W. Ellmaier Ellmaier Kaufbrief von Franz Hillebrand und Helene, Rottenmann 1769, abgebildet in Schröckenfuchs 2011/12 (wie Anm. 10), S. 20.

10 11 Zunächst sind hier die ganzseitigen entiert sich an der Leserichtung sowie chenhafte Hervorhebung der Intexte Kreuzsegen,43 sondern sie formen auch den und sich dadurch zahlreich wieder- Texte vervielfältigen. Durch die auf Eck Initialen zu nennen, die durch ihre Ge- an Form und Größe der Buchseite. erschließt sich eine weitere Text- und gemeinsam in den Hauptleseachsen das holenden Textes bzw. Satzes kam auch gestellte Raute im Admonter Codex 42 staltung hervorgehoben sind, sei es Eine andere Ausprägung des Buchsta- Sinnebene. Während die Texte im um- Bildzeichen Kreuz und nehmen zudem im Admonter Codex 42 (letztes Drittel werden die Kreuzesenden und damit das durch Ornamentik oder durch Bildmotive benbildes ist das carmen figuratum oder gebenden Buchstabenraster der abend- ihren Anfang vom zentralen Buchsta- 12. Jahrhundert) zur Anwendung. 48 Auf Motiv der durch das Kreuz erlösten Welt (sog. bevölkerte Initiale), wobei dann Figurengedicht. Üblicherweise sind hier ländischen Leserichtung folgen, kann benkreuz „X“. Schließlich bildet das Folio 16r präsentiert eine männliche besonders betont.49 Derartige rautenför- meistens die Bildmotive den jeweiligen die Texte konturierten oder nicht kon- diese innerhalb der Intexte auch andere nur aus der Buchstabenfolge „XRUX“ Gestalt – vielleicht ein Mönch – ein mig angeordnete Buchstabenlabyrinthe Buchstaben eingeschrieben sind. Solche turierten Formen („Figuren“) so einge- Richtungen annehmen.39 Dies ist im bestehende Mittelstück die Form ei- besonders eindrückliches Beispiel ei- oder Kuben über der zugrunde liegen- ganzseitigen Initialen sind häufig wie ein schrieben, dass sie selbst diese Form Lehrbuch De institutione clericorum ner Raute, der in der mittelalterlichen nes Gittergedichts in Form eines als den Form eines griechischen Kreuzes Kolumnenbild von einem Rahmen umge- („Figur“) ergeben.36 Der Text steht dabei (um 819) des Hrabanus Maurus erneut Ikonografie eine besondere Bedeutung Raute auf Eck gestellten cubus: Vom haben eine lange Tradition. Bereits im ben, was den bildhaften Charakter der in sinnvollem Zusammenhang mit der exemplifiziert. Im zweiten Figurenge- zukam. Da die Raute die vier Kreuzes- zentralen „V“ in der Mitte ausgehend ausgehenden 9. Jahrhundert zeigt eine Gestaltung des ganzen Blattes zusätzlich Form, die er ausfüllt, wie dies beispiels- dicht am Beginn der Handschrift, das arme verbindet, wurde sie als Sinnbild wird das zukünftige Fortbestehen der spanische Illuminierung in einer in Paris unterstreicht.33 Im Stockholmer Codex weise beim Sternbild des Zentauren in die Form eines byzantinischen Kreuzes für die durch das Kreuz erlöste Welt als Admonter Klostergemeinschaft mit dem aufbewahrten Handschrift einen solchen Aureus (Canterbury, Mitte 8. Jahrhun- der Londoner Aratea-Handschrift (Nord- bildet, wird das Thema Kreuz auf die- orbis quadratus verstanden.44 Dieser in lateinischer Minuskel geschriebe- cubus, eingepasst in einen kunstvol- dert) ist der Beginn des Matthäus-Evan- frankreich, 9. Jahrhundert) ausgeführt se Weise besonders betont.40 Ausge- figurierte Kreuzsegen wurde nicht nur im nen Satz gepriesen: „Vivet in Admun- len Rahmen mit Flechtbandmotiven.50 geliums in sieben breiten, horizontalen ist, wo der Textkörper die Gestalt des hend vom zentralen Buchstaben „X“, Mittelalter rezipiert (Pseudo Venantius do sacra concio mortua mundo“ („Es Für die mittelalterlichen Handschriften Streifen ornamental gestaltet, wobei Zentauren formt, die zudem auch ma- der seinerseits als Zeichen das Kreuz Fortunatus),45 sondern beispielsweise lebe in Admont die heilige klösterliche erklärt sich die Kreuzessymbolik aus der alles umgebende Rahmen sich fast lerisch ergänzt wurde.37 (Andreaskreuz) repräsentiert, nehmen auch noch im 16. Jahrhundert unter Gemeinschaft“). Die zahlreichen Wie- dem religiösen Umfeld der Klosterge- über die ganze Seite erstreckt und jeder Wesentlich komplizierter ist dieses Ver- die vier Kreuzesarme je einen von vier leichter Abwandlung des Textes in ei- derholungen verleihen diesem in die meinschaft, in welchem sie entstanden einzelne, die vergoldeten Buchstaben fahren, wenn solche aus Buchstaben Sätzen auf, die alle jeweils von der Mitte nem reformatorischen Flugblatt aus Zukunft gerichteten Wunsch besonderen sind. Da Franz Hillebrands Buchstaben- aufnehmende Streifen ebenfalls ge- bestehenden Figuren in Texte integriert aus zu lesen sind und somit ihrerseits der Offizin des Philippus Ulhardus in Nachdruck. Wie beim Figurengedicht bild dem profanen Bereich entstammt, rahmt ist.34 Dies entspricht formal dem sind. Berühmt dafür ist der Figurenge- in den Hauptleseachsen ebenfalls ein Augsburg aufgegriffen.46 Generell er- aus dem Lehrbuch des Hrabanus Mau- kann hier nur vermutet werden, dass Registerbild, mit dem Unterschied, dass dichtzyklus De laudibus sanctae crucis Kreuz bilden.41 Die Breite der sich zu fuhren mittelalterliche Figurengedichte rus und dann später bei Franz Jakob möglicherweise die verstärkte Kreuzes- die Register anstelle von szenischen (um 810) des Fuldaer Gelehrten und den Enden in Form eines byzantinischen in Kreuzform eine reiche neuzeitliche Hillebrands Buchstabenbild wird hier verehrung zur Zeit der josephinischen Darstellungen Wortfolgen aufnehmen, Abtes Hrabanus Maurus (780–856), der Kreuzes verbreiternden Kreuzesarme Rezeption.47 im Zentrum in den Hauptleseachsen ein Reformen (1781–1790) eine gewisse die aus Buchstaben bestehen.35 Bei die- seinerseits die antiken lateinischen Fi- wird, ausgehend von den kreuzbildenden Das Prinzip eines vom Zentrum ausge- Kreuz gebildet, von welchem ausgehend Rolle gespielt haben könnte.51 sen Buchstabenbildern stehen vor allem gurengedichte des Venantius Fortunatus Hauptleseachsen, durch je zweizeilige henden, in alle Richtungen mäandrieren- sich die labyrinthisch mäandrierenden die Ausgestaltung der Buchstaben (z. B. aus dem 6. Jahrhundert kannte.38 Die bzw. zweispaltige Wiederholungen der mit Ornamentik oder Bildmotiven) und 28 das Kreuz Christi thematisierenden jeweiligen Sätze gebildet. Dadurch er- 33 ihre Anordnung innerhalb eines auf der Figurengedichte sind als Gittergedich- geben sich insgesamt zahlreiche Wie- Siehe zum Beispiel die „IN PRINCIPIO“-Seite zur Genesis in der Bibel von Anchin, 2. Hälfte 12. Jahrhundert (Douai, Bibliothèque municipale, Ms. 2 Anchin, fol. 7r), dazu Jeffrey F. Hamburger, The iconicity of script, in: Word & Image. A Journal of Verbal/Visual Enquiry, 27/3, 2011, S. Buchseite platzierten Rahmens (als Ko- te (carmen cancellatum oder carmen derholungen, da die Sätze labyrinthisch 249–261, insbes. S. 253, fig. 4. lumnen oder Register) im Vordergrund, quadratum) in Form von Buchstaben- mäandrierend vom Zentrum nach außen 34 Stockholm, Royal Library, Ms. A 35, 11r. Siehe dazu Hamburger 2011 (wie Anm. 33), S. 251, fig. sie zieren in der Regel die Textanfänge rastern verfasst, wobei innerhalb der hin gelesen werden können. Formal 35 Zur begrifflichen Definition von Kolumnenbild und Registerbild siehe Jakobi-Mirwald 2008 (wie Anm. 4), S. 25. liturgischer bzw. biblischer Bücher. Die Buchstabenraster wichtige Texte, die entspricht dies dem Prinzip des Laby- 36 Zur Definition siehe ibid., S. 36. 37 formale Anordnung der Buchstaben ori- sogenannten Intexte (versus intexti), rinthgedichts (carmen labyrinthum).42 London, British Library, Harley Ms. 647, fol. 12. Siehe dazu Hamburger 2011 (wie Anm. 33), S. 255, fig. 6. 38 Die Handschrift ist in zahlreichen Abschriften überliefert, die teilweise noch zu Lebzeiten des Hrabanus Maurus angefertigt worden sind. so hervorgehoben worden sind, dass Das Thema Kreuz Christi wird hier auf Das bedeutendste Exemplar befindet sich in Rom in der Biblioteca Vaticana, siehe dazu Hans-Georg Müller, Hrabanus Maurus, De laudibus sich verschiedene Repräsentationen mehreren Ebenen präsentiert, denn die sancta crucis: Studien zur Überlieferung und Geistesgeschichte mit dem Faksimile-Textabdruck aus Codex Reg. Lat. 124 der Vatikanischen des Kreuzes ergeben. Durch die zei- vier Sätze ergeben nicht nur den aus der Bibliothek, Ratingen 1973. 39 Zeit des Hrabanus Maurus überlieferten Zur Definition siehe Jakobi-Mirwald 2008 (wie Anm. 4), S. 35. 40 Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. 110, fol. 1v. Ein Digitalisat des gesamten Codex 110 liegt vor unter und im Mittelalter weit verbreiteten http://www.ceec.uni-koeln.de/ceec-cgi/kleioc (09.01.2018). 41 Vom „X“ in der Mitte nach oben und dann horizontal: „XRUX MIHI CERTA SALUS“; vom „X“ in der Mitte nach links und dann vertikal: „XRUX MIHI REFUGIUM“; vom „X“ in der Mitte nach rechts und dann vertikal: „XRUX DOMINI MECUM“; vom „X“ in der Mitte nach unten: „XRUX EST QUAM SEMPER ADORO AM[EN]“. 42 Dieser in der Regel bei Gittergedichten auftretende Typus wird auch cubus genannt, siehe Jakobi-Mirwald 2008 (wie Anm. 4), S. 35. 43 Vgl. dazu Bernhard Bischoff, Mittelalterliche Studien, Bd. II, Stuttgart 1967, S. 275–285. 44 Vgl. dazu Hans Bernhard Meyer, Crux, decus es mundi. Alkuins Kreuz- und Osterfrömmigkeit, in: Balthasar Fischer/Johannes Wagner (Hg.), Paschatis sollemnia. Studien zur Osterfeier und Osterfrömmigkeit. Festschrift für Josef Andreas Jungmann, Wien 1959, S. 96–107, hier S. 101–102. 45 Rom, Biblioteca Vaticana, Cod. Vat. Lat. 1904, fol. 53v, 11./13. Jahrhundert. Digitalisat unter https://digi.vatlib.it/view/MSS_Vat.lat.1904 (22.01.2018). – Hier wurde bereits das zentrale „X“ durch ein „C“ ausgetauscht. 46 Vgl. dazu Ulrich Ernst, Intermedialität im europäischen Kulturzusammenhang. Beiträge zur Geschichte und Theorie der visuellen Lyrik, Berlin 2002, S. 200–207. 47 Vgl. dazu besonders ausführlich ibid., S. 183–223. 48 Den Hinweis auf diese Darstellung verdanken wir Dir. Ernst Hausner. Zur Handschrift siehe Johann Tomaschek, Vivet in Admundo sacra con cio mortua mundo. Ein spirituell-monastisches Programm und seine eigenwillige graphische Umsetzung, in: Christina Lutter (Hg.), Funktionsräume, Wahrnehmungsräume, Gefühlsräume. Mittelalterliche Lebensräume zwischen Kloster und Hof, Wien 2011, S. 109–119, insbesondere S. 113–118 (zu fol. 16r); Paul Buberl, Die illuminierten Handschriften in Steiermark, Teil 1: Die Stiftsbibliotheken zu Admont und Vorau, Leipzig 1911 (= Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich, Bd. 4), S. 82–83. 49 Als Gittergedicht in Form eines als Raute auf Eck gestellten cubus ist auch die Widmungsseite eines Codex aus dem 11. Jahrhundert Gittergedicht, Hrabanus Maurus, De institu- gestaltet. Der Codex wurde für Abt Gregor von Saint-Sever (1028–1072) geschrieben, der im cubus in zahlreichen Wiederholungen zu tione clericorum, um 819. Köln, Erzbischöf- lesende Widmungstext preist ihn als „Gregorius abba nobilis“. – Paris, Bibliothèque Nationale de France, Cod. Lat. 8878, fol. 1r, vor 1072. liche Diözesan- und Dombibliothek, Cod. Digitalisat unter http://visualiseur.bnf.fr/CadresFenetre?O=COMP-1&I=1&M=imageseule (22.01.2018). 50 110, Folio 1v. I Foto aus: http://www.ceec. Gittergedicht, letztes Drittel 12. Jahrhun- Bibliothèque Nationale de France, Ms. N. a. l. 2169, fol. 21v: Buchstabenlabyrinth „ERICONI PRESVITERI INDIGNI MEMENTO“, dazu Kristin uni-koeln.de/ceec-cgi/kleioc/0010/exec/pa- Flugblatt aus der Offizin Ulhart, Augsburg, dert. Benediktinerstift Admont, Stiftsarchiv, Böse, Der Codex als offenes Gebilde. Überlegungen zur fragilen Materialität mittelalterlicher Handschriften, in: Patrizia Carmassi/Gia gesma/%22kn280110_002.jpg%22/segment/ 16. Jahrhundert I Foto aus: Ernst 2002, S. 201, Codex 42, Folio 16r I Foto aus: http://manu- Toussaint (Hg.), Codex und Material, Wiesbaden 2018, S. 91–117, hier S. 113–114. %22body%22 (10.09.2018) Abb. 15 scripta.at/diglit/AT1000-42/0033 (12.09.2019) 51 Siehe dazu auch den Abschnitt „Deutungshorizonte“ am Ende des Beitrags.

12 13 Abgesehen davon, dass Franz Hille- damit zusammenhängen, dass insbeson- gung bekam, sein Wandbild in formaler die 1725 vorgenommen wurde, zeugt gende und zu erreichende Ziel. die Metametrica von Giovanni Caramuel brands Buchstabenbild nicht im sa- dere das die Zukunft der klösterlichen Anlehnung an ein Gittergedicht in Form vom interessierten Wissen über die- Die Vorstellung von der Welt als La- de Lobkowitz (1663), auf den auch ein kralen, sondern im profanen Umfeld Gemeinschaft preisende Labyrinthge- des cubus zu gestalten. In der Forschung se spezielle Form der Gestaltung von byrinth vor dem Hintergrund einer dreidimensionaler cubus um das Wort entstanden und nicht im Medium dicht zur Zeit der Regentschaft Josephs wird hinsichtlich der Textlabyrinthe, Buchstabenbildern im 18. Jahrhundert. christlich-allegorischen Deutung war „VIDE“, gleichsam als Meditation über Buchmalerei, sondern als Wandmale- II., der zahlreiche Klöster auflöste und welche viele (Lese-)Wege anbieten und Labyrinthgedichte wurden in verschie- auch im 17. und 18. Jahrhundert sehr das Sehen, zurückgeht.58 rei ausgeführt worden ist, scheint die mit seinen Reformen das klösterliche somit auch die Möglichkeit des Verirrens denen Kontexten eingesetzt, wobei für präsent, wobei das Labyrinth als Sinn- Nähe zum Labyrinthgedicht im Codex Leben grundsätzlich schwächte, als nicht ausschließen, unterschieden zwi- das Buchstabenbild des Franz Jakob bild für die weltlichen Schwierigkeiten DEUTUNGSHORIZONTE 42 aus dem nur knapp 25 Kilometer von ein Politikum aufgefasst wurde. Der schen dem Kreuzwortlabyrinth (cubus), Hillebrand, welches eindeutig eine angesehen wurde, die der „christliche Was also mag Franz Jakob Hillebrand Rottenmann entfernten Kloster Admont Zeichnung im Admonter Codex 42 mit „das einen minimalen Text in vielfältigen Memoria-Funktion aufweist, der Zu- Wandersmann“ auf seinem Weg bis zum 1790 dazu bewogen haben, sich am ei- hinsichtlich der formalen Konzeption dem Gittergedicht könnte folglich in verschlungenen Lesewegen darbietet“, sammenhang mit dem Totenkult von Angesicht Gottes, zum Paradies, zum genen Hammerherrenhaus ein Denkmal als Gittergedicht in Form des cubus diesem Zusammenhang eine gewisse und dem permutativen Labyrinth, „das besonderem Interesse ist.55 Hier spielt erlösenden Kreuz usw. zu bewältigen zu setzen, das vor allem seinen Namen (carmen labyrinthum) erstaunlich. Ein Bedeutung zugekommen sein. durch Einschlagen verschiedenster Le- zunächst die ursprüngliche, seit der hatte. Der antike Theseus-und-Ariad- zelebrierte, unter völligem Verzicht auf grundsätzlicher formaler Unterschied Sollte Franz Jakob Hillebrand vor dem sepfade die Generierung zahlreicher Antike bestehende Todessymbolik des ne-Mythos wurde entsprechend christo- ein Bildnis sowie bildlichen Schmuck besteht allerdings darin, dass Hille- Hintergrund der Neuaufstellung der semantisch divergierender Texte er- Labyrinths als Motiv eine Rolle, wie logisch gedeutet, zudem zeugen von die- generell? Denn es ist durchaus bemer- brands Buchstabenbild nicht als Raute, Bücher in der neuen Admonter Stifts- laubt.“53 Das Buchstabenbild Franz sie im Theseus-und-Ariadne-Mythos ser Vorstellung nicht nur die zahlreichen kenswert, dass die Bildfläche innerhalb sondern als gerahmte Inschriftentafel, bibliothek von dem Labyrinthgedicht im Jakob Hillebrands ist somit eindeutig zum Ausdruck kommt. Bereits in früh- Gartenlabyrinthe und Irrgärten, sondern des Rahmens anstelle eines Bildnisses, als antikisierende tabula aufzufassen Codex 42 erfahren und dieses gekannt als Kreuzwortlabyrinth bzw. cubus zu christlicher Zeit wurde allerdings die auch Schriftlabyrinthe und geistliche d. h. eines Porträts, lediglich seinen ist. Rasterlinien und Rahmenseiten haben, dann hat er das dort exemplifi- klassifizieren. Dass im Zeitalter des Mittelpunktsymbolik des Labyrinths Irrgärten, die in Form von Holzschnitten, Namen aufnimmt, raffiniert eingebettet verlaufen parallel. Der antikisierende zierte Prinzip der von der Mitte labyrin- Barock labyrinthisch angelegte Buch- christologisch umgedeutet. Ein bedeu- Kupferstichen und Einblattdrucken weite in ein rätselhaftes, labyrinthisch ange- Charakter wird zudem durch die Wahl thisch mäandrierend ausgehenden Les- stabenbilder geschätzt wurden, belegt tendes Beispiel hierfür bietet das aus Verbreitung fanden.57 legtes Buchstabenbild, das formal einer des Schrifttyps der strengen capitalis art bewusst dem klösterlichen Rahmen neben ihrer Häufigkeit eine Definition in der Reparatus-Basilika von Ech Cheliff/ Während in formaler Hinsicht bei diesen antikisierenden tabula bzw. Inschriften- monumentalis unterstrichen bzw. be- enthoben und verweltlicht, indem er es der Poetik des Johann Christoph Männ- Orléansville (Algerien) stammende rö- Labyrinthen die Wege (und Irrwege) in tafel entspricht. tont. Die Kreuzform ist zwar konzeptio- zudem scheinbar in klassisch-antike ling von 1704: „Allein denen Liebhabern mische Fußbodenmosaik vom Anfang vorgegebenen Bahnen verlaufen und Die zahlreichen Wiederholungen seines nell in den Hauptleseachsen vorhanden, Traditionen stellte. der Poesie, ist ein Cubus ein Carmen des 4. Jahrhunderts.56 Ein Kreuzwort- stets vom äußeren Rand zum inneren Namens offenbaren sich erst nach län- wird aber nicht speziell hervorgehoben, Labyrintheum, welches in einen Irr-Gar- labyrinth im Zentrum, bestehend aus Zentrum führen, finden sich in der Po- gerer Betrachtung und konzentrierter sodass nicht klar ist, ob sie als sinnstif- LABYRINTHGEDICHTE ten führet / und Lincks und Rechts / „SANCTAECLESIA“ [sic], ist von einem esie die Beispiele von umgekehrter und Vertiefung in das Buchstabenbild, und tendes Zeichen eingesetzt worden ist. IN DER NEUZEIT Oben und Unten / überzwerch / in die zeichnerischen Labyrinth umgeben, frei mäandrierender Lesart, wie sie für auch das Verwirrspiel mit den verschie- Bildliche Motive scheint Hillebrand Wesentlich wahrscheinlicher ist aber, Breite und Länge gelesen wird.“54 Auch wobei der Ariadnefaden die Richtung die Labyrinthgedichte, die sich der Form denen Schrifttypen sowie alternierenden geradezu zu vermeiden. Formen aus dass Franz Jakob Hillebrand Buchsta- die schon genannte Bezeichnung des weist. Dem Gläubigen präsentiert sich des cubus bedienen, charakteristisch Farben erfordert ein genaues Hinsehen dem Schmiedehandwerk finden ledig- benlabyrinthe aus dem Zeitalter des Gittergedichts auf Folio 16r im Admonter folglich die heilige Kirche als das auf ist. Wichtige Werke sind die Poesis ar- und Differenzieren. Beides appelliert lich in abstrahiert-ornamentaler Weise Barock kannte und von diesen die Anre- Codex 42 als „labyrinthum poeticum“, verschlungenem Lebensweg zu verfol- tificiosa von Paschasius (1674) sowie vor allem an das verstandesmäßige im Rocaille-Rahmen Verwendung, und Begreifen und weniger an die sinnliche auch Sichel und Sensenblatt im unteren Erfahrung. Ob dies auch auf ein Inter- Bildfeld sind nur als Symbole seines Be- esse an Kryptografie hinweist, muss rufsstandes zu verstehen, nicht jedoch offenbleiben. Durch Sehen, vor allem als Bildmotive. aber durch Lesen und Denken wird das Die Frage, ob Franz Jakob Hillebrand Buchstabenbild erschlossen. Die Wahl dieses Blatt aus dem Admonter Codex einer klassischen Formensprache unter 42 gekannt haben und davon angeregt Vermeidung offensichtlicher religiö- worden sein könnte, lässt sich natür- ser Symbolik verweist somit zunächst lich nicht mehr beantworten. Allerdings auf ein gebildetes Umfeld im Geist der wurde zu seinen Lebzeiten, nämlich Aufklärung. Der Anbringungsort des von 1751 bis 1779 unter Abt Matthäus Wandbildes am eigenen Haus deutet Offner die Admonter Stiftsbibliothek darüber hinaus auf gesellschaftliches erbaut. Im Zuge dessen kam es zur Ansehen und Wohlstand hin. Seit 1770 Neuaufstellung der Bücher in der neuen und somit unter Franz Jakob Hillebrand Bibliothek und auch zur Aktualisierung war die Familie durch den Besitz bei- der Kataloge in den 1770er-Jahren. Die der innerstädtischer Sensenwerke zur Illustration von Codex 42, Folio 16r war mächtigsten Gewerkenfamilie in Rot- bereits im vorangegangenen Katalog tenmann aufgestiegen. Giovanni Caramuel Lobkowitz, Modell eines dreidimensionalen Cubus, 1663 I Foto aus: Adler/ von etwa 1725 eigens hervorgehoben Ernst 1987, S. 77, Abb. 35 worden. Hier wurde handschriftlich nicht nur die dem Buchstabenraster 59 Beispielhaft kann dafür das folgende Zitat aus dem Decretum Caesareum von 1784 stehen: „[…] was die Statuen und Bilder betrifft, hat eine eingeschriebene Wortfolge oberhalb der jede Statue nur allein aus der Materie, aus der sie verfasst ist, zu bestehen, und muss folglich auch ihre Kleidung eben so von Stein, Holz, Zeichnung hinzugefügt, sondern auch Gold oder Silber sein, ohne dass sie mit einer anderen Materie bedeckt oder gekleidet würde.“ Zitiert nach Josef Kropatschek, Handbuch das Gittergedicht als „labyrinthum po- aller unter der Regierung des Kaisers Joseph II. für die k.k. Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze, Bd. 6, Wien 1786, S. 601. eticum“ bezeichnet. Während jedoch der 60 Vgl. dazu Andrea von Hülsen-Esch/Hiltrud Westermann-Angerhausen/Stefanie Knöll (Hg.), Zum Sterben schön. Alter, Totentanz und Katalog aus den 1770er-Jahren auf die Sterbekunst von 1500 bis heute, Ausst. Köln, Düsseldorf, Recklinghausen 2006–2007, 2 Bde., Regensburg 2009, insbes. Bd. 1, S. 289–339 (Abschnitt „Memento mori“). Zeichnung nicht weiter einging, wurde 61 Vgl. auch Helmut Birkhan, ad vocem Labyrinth, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, 2. A., Rom/Freiburg/Basel/Wien 1990, Bd. 3, Sp. sie bei der Katalogerstellung von 1809 2–4. wieder deutlich beachtet.52 Das könnte Mosaik, Reparatus-Basilika, Anfang 4. Jahrhundert I Foto aus: Kern 1982, S. 119, Abb. 116 62 Vgl. Schröckenfuchs (Ed. John) 1975 (wie Anm. 9), S. 474 und 476.

14 15 KARL WEISS

Abb. 19 Meisterzeichen vom Zweiten Sensenhammer in Rottenmann I Foto aus: Schröckenfuchs (Ed. John) 1975, S. 476

Sichel und Sensenblatt sind als stolze verweist. Darin wird das sowohl in der Später wurde es von Franz Valentin Hille- Symbole des Berufsstandes des Gewer- Volksfrömmigkeit als auch in Literatur brands Nachfolger Fürst übernommen.62 kemeisters zu verstehen. und Dichtung noch im 18. Jahrhundert Insgesamt wird deutlich, dass hier dem In dem auf den ersten Blick somit eher fest verankerte Thema des memen- Namen der Familie eine größere Wich- weltlich wirkenden Denkmal scheint to mori (lat. „Sei dir der Sterblichkeit tigkeit beigemessen wurde als einem Das Gewerkenhaus Fürsthof sich das aufgeklärte Zeitalter Josephs bewusst“) fassbar, das auch für Franz Bildnis des Namensträgers: Der Name II. niederzuschlagen. Von einer engen Jakob Hillebrand bedeutsam gewesen wurde weitervererbt, er war eindeutig Verbundenheit mit der Kirche, wie sie sein muss: Sehr wahrscheinlich in Vo- mit der Besitzfolge der Sensenwerke in Rottenmann Franz Jakob Hillebrands Eltern durch rausahnung seines Todes ließ er 1790 verknüpft und somit untrennbar mit die Stiftung einer Monstranz und eines das Wandbild anbringen, nur kurz nach dem Fortbestand der Familie und ihres Kelches noch zur Schau stellten, kann der Vollendung desselben verstarb er Einflusses in Rottenmann verbunden. Eine kurze Geschichte von den Anfängen bis zum Abbruch hier keine Rede mehr sein. Die formale im Januar 1791.60 Insofern ist auch verständlich, dass Schlichtheit des Wandbildes ist mögli- Eine weitere Ebene mit religiös-spiritu- Franz Jakob Hillebrand beim Buchsta- cherweise als eine Reaktion auf den in eller Prägung erschließt sich durch die benbild auf seinen zweiten Vornamen Konservierte Mauer des Fürsthofs nach dem Abbruch, 28.5.2007 I Foto: C. Gierer den Reformen geforderten Verzicht auf spezielle Struktur des Buchstabenbildes, Jakob verzichtete und in Verbindung Prunk (der auch bei Begräbnissen galt) dem das Motiv des zentrischen Labyrin- mit dem Nachnamen nur seinen ers- anzusehen. Weiterhin entspricht den ths zugrunde liegt, welches schon seit ten Vornamen Franz wählte, den er mit DIE GEWERKENFAMILIEN FÜRST Die Mitglieder der Familie Fürst waren Rottenmann war auch die Gewerken- josephinischen Reformen das Prinzip der der Antike im Kontext von Totenkult seinem ältesten Sohn und zukünftigen UND HILLEBRAND in Rottenmann aber nicht nur im Bereich familie Hillebrand eng verbunden. Materialechtheit, weshalb täuschende Verwendung fand und im Mittelalter und Erben Franz Valentin teilte. Der sogenannte Fürsthof lag an der der Eisenverarbeitung und der Politik, Bereits im Jahr 1717 gelangte Math- Farben und Malerei, die etwas erzeu- in der Neuzeit christlich umgedeutet Das Buchstabenbild, das in formaler gleichnamigen Gasse am nördlichen sondern auch in anderen Bereichen der ias Hillebrand aus Scharnstein nach gen, was so nicht existiert, abgelehnt wurde: Im Zentrum als Ziel des ver- Anlehnung an ein Labyrinthgedicht (car- Stadtrand von Rottenmann und geht Wirtschaft tätig. Rottenmann und kaufte die Eggl’sche wurden.59 Diese Haltung korrespon- schlungenen Lebensweges erscheint men labyrinthum) den Namen Franz Hil- auf die Familie Fürst zurück. Die Ge- So tritt um das Jahr 1800 ein Ignaz Franz Sensenschmiede. Gründe für diese diert wiederum mit dem Erstarken der dem Gläubigen der Altar, das Kreuz, lebrand in zahlreichen Wiederholungen werkenfamilie Fürst kam im 17. Jahr- Fürst auf, der als Bierbrauer, Wirt, Inha- Übersiedlung dürften die nicht mehr Kreuzesverehrung (Kreuz als Zeichen, die Kirche oder das Paradies.61 vorführt, wird damit zum sichtbaren hundert vom Krems- und Steyrtal in die ber einer Mühle, einer Wachsstampfe ausreichende Wasserkraft und die zu Symbol) unter Joseph II. Vor diesem Hin- Doch auch im Zusammenhang mit dem Ausdruck des Wunsches nach langem Steiermark. Außer in Niederösterreich, und einer Lodenwalke tätig war. Neige gehenden Holzkohlenvorräte tergrund könnte dann auch der versteck- Gewerke der Familie Hillebrand spielt Fortbestand der zu Franz Jakobs Zeiten wo die Familie seit dem 17. Jahrhundert Mit der Baugeschichte des Fürsthofes in Scharnstein und Umgebung gewe- te Hinweis auf die Kreuzessymbolik in das Kreuz eine Rolle, es tritt in den noch einflussreichen Gewerkenfamilie nachzuweisen ist, betrieben sie auch und der wirtschaftlichen Entwicklung sen sein. Damit begann der Aufstieg den Hauptleseachsen gesehen werden. Meisterzeichen sowohl des Ersten als Hillebrand in Rottenmann, die in die- Werke im Mürz- und Murtal. der mehr als 1000-jährigen Bergstadt der Familie Hillebrand in Rottenmann. Im Zusammenhang mit dem unterhalb auch des Zweiten Sensenhammers in sem Denkmal als fortschrittliche und In Rottenmann zählte die Familie Fürst des Buchstabenbildes angebrachten der Form eines griechischen Kreuzes gebildete Angehörige des ländlichen zu den bekanntesten im Eisengewerbe. Sinnspruch könnte der der Kreuzes- mit sich verbreiternden Kreuzesenden Bürgertums im Zeitalter der Aufklärung Sie stand mit der Familie Hillebrand, symbolik innewohnende Erlösergedanke auf. Die Krone mit einem kleinen Kreuz inszeniert werden, um als solche bei die ebenfalls in Rottenmann tätig war, tatsächlich eine Rolle gespielt haben, da darüber ist das Meisterzeichen des Ers- den nachfolgenden Generationen in in unmittelbarer Verbindung. Beiden der Spruch auf das Verrinnen der Zeit, ten Sensenhammers, die Rose mit vier Erinnerung zu bleiben. Gewerkenfamilien kam neben den gut folglich auf die Vergänglichkeit des Le- kleinen Kreuzen in den Zwickelfeldern ausgestatteten Betriebsanlagen auch bens und somit die eigene Sterblichkeit ist jenes des Zweiten Sensenhammers. die günstige Lage an der Handelsstra- ße, die Leoben und Salzburg verband, zugute und führte zu wirtschaftlichen 59 Beispielhaft kann dafür das folgende Zitat aus dem Decretum Caesareum von 1784 stehen: „[…] was die Statuen und Bilder betrifft, hat eine Erfolgen. Die Mitglieder der Familie jede Statue nur allein aus der Materie, aus der sie verfasst ist, zu bestehen, und muss folglich auch ihre Kleidung eben so von Stein, Holz, Gold oder Silber sein, ohne dass sie mit einer anderen Materie bedeckt oder gekleidet würde.“ Zitiert nach Josef Kropatschek, Handbuch Fürst waren neben ihrem vornehmlichen aller unter der Regierung des Kaisers Joseph II. für die k.k. Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze, Bd. 6, Wien 1786, S. 601. Wirken als Eisengewerken Ratsbürger 60 Vgl. dazu Andrea von Hülsen-Esch/Hiltrud Westermann-Angerhausen/Stefanie Knöll (Hg.), Zum Sterben schön. Alter, Totentanz und und bekleideten mehrfach auch das Sterbekunst von 1500 bis heute, Ausst. Köln, Düsseldorf, Recklinghausen 2006–2007, 2 Bde., Regensburg 2009, insbes. Bd. 1, S. 289–339 angesehene Amt des Stadtrichters. Das (Abschnitt „Memento mori“). ehemalige Fürsthofgebäude bildete als 61 Vgl. auch Helmut Birkhan, ad vocem Labyrinth, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, 2. A., Rom/Freiburg/Basel/Wien 1990, Bd. 3, Sp. 2–4. Verwaltungszentrum und Wohnsitz der 62 Vgl. Schröckenfuchs (Ed. John) 1975 (wie Anm. 9), S. 474 und 476. Familie den Mittelpunkt des Betriebes. Eisenwerke der Brüder Lapp, 1890, im Vordergrund der ehemalige Fürsthof I Archiv Karl Weiß

16 17 lung von Hammer und Schlegel auf der DER ERSTE VERSUCH der Firma Haustechnik am 13. RKT von der Firma AHT im Jahr 2003 südlichen der beiden Giebelwände wies EINES ABBRUCHS November 1987 in offener Frist Ein- das gegenständliche Grundstück mit der auf die montangeschichtliche Vergan- Am 10. Oktober 1986 wurde von der spruch erhoben. Ein darauffolgender Absicht, die Gebäude zu schleifen und auf genheit des Hauses hin. Firma Austria Haustechnik als Eigen- Lokalaugenschein der Baubehörde am dem freiwerdenden Grund einen Parkplatz Der schmälere Westteil des Nordtrak- tümer der Fürsthofliegenschaft bei der 19. Jänner 1988 führte zu einer neu- für den Betrieb anzulegen.“ Weiters gab tes wurde im 19. Jahrhundert angefügt Stadtgemeinde Rottenmann als Bau- erlichen Stellungnahme des Bundes- Gerhard Kastenberger zu Protokoll, dass und im Erdgeschoss durch einen re- behörde erster Instanz ein Antrag um denkmalamtes, in der vollinhaltlich die er zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses Besitzungen der Gewerken im 19. Jahrhundert I Archiv Karl Weiß zenten Erweiterungsbau der Werks- Erteilung der Abbruchgenehmigung für Unterschutzstellung des Fürsthofes nicht darüber informiert war, dass das kantine der Firma Bauknecht stark das Gebäude Fürstgasse Nr. 49 (Fürst- bestätigt wurde. Fürsthofgebäude unter Denkmalschutz beeinträchtigt. Die Hoffassaden wiesen hof) eingebracht. Diesem Antrag wurde steht, und auch im Grundbuch damals eine schlichte spätbarocke Putzgliede- von der Baubehörde nach eingehenden WECHSELNDE BESITZER kein diesbezüglicher Vermerk aufschien. Ihre Geschichte und jene der Familie ten sich auf dem großen Werksareal die rung mit Eckquaderung und profilier- Erhebungen unter Hinweis auf § 70 Nach einigen Jahren der Untätigkeit Der Vertreter des Denkmalamtes er- Fürst wird im Artikel über das Buchsta- Rottenmanner Eisenwerke, die Gebrüder ten Fensterumrahmungen auf, wobei der Steiermärkischen Bauordnung und wurde von der Firma Eltrona-RKT En- klärte hierzu, dass das Fürsthofge- benbild detailliert beschrieben. Lapp, die Rottenmanner Eisenwerke sich der ältere Teil des Nordtraktes unter Erteilung verschiedener Auflagen gineering –Produktion – Handel – Rot- bäude nach wie vor unter Denkmal- Der jüngste Sohn des Mathias Hillebrand – vormals Gebrüder Lapp, die Palten- und der Quertrakt, die eigentlichen stattgegeben und als Frist für die Abtra- tenmanner Kabeltechnik in Rottenmann, schutz steht und eine diesbezügliche (1705–1772), Sensenschmiedemeister stahl-Industrie, die Bauknechtwerke Wohntrakte, durch eine differenzierte gung der 30. Juni 1987 festgelegt. Der Bahnhofstraße, am 14. Juni 2004 bei Meldung auch dem zuständigen Be- Max Hillebrand, besaß eine Sensen- und letztlich nach deren Insolvenz die Fassadendekoration auszeichneten. gegenständliche Bescheid wurde am der Baubehörde ein Antrag auf Geneh- zirksgericht Liezen, Grundbuch, zu- schmiede im Bereich des Viehplatzes mittlerweile weltbekannt gewordene Ein profilierter Steinsockel und ein 10. Oktober 1987 durch den Vermerk migung des Abbruches von Teilen des gegangen ist. Diese Meldung schien und andere Liegenschaften. Nach der Firma AHT Coolings Systems an. waagrechtes Putzband akzentuieren ergänzt, dass dieser rechtskräftig sei Objektes Fürstgasse Nr. 49 (Fürsthof) jedoch im Grundbuch nicht auf. Auflösung des Augustiner-Chorher- die beiden Geschosse. und keinem weiteren die Vollstreckung eingebracht. Es wurde auch angeführt, dass es sich renstiftes gemäß Gubernialverordnung DIE BAUGESCHICHTE Unter der stuckierten Datierung 1790 hemmenden Rechtszug unterliegt. Bei der am 27. Juli 2004 in Anwesenheit beim Verhandlungsgegenstand um im vom 16. Juli 1789 kaufte Max Hillebrand DES FÜRSTHOFES am Nordtrakt befand sich das bereits eines Vertreters des Bundesdenkmalam- 20. Jahrhundert angefügte Anbauten die in der Salzburger Vorstadt gelege- Das aus mehreren Trakten bestehende beschriebene bemerkenswerte stuck- DENKMALSCHUTZ tes durchgeführten örtlichen Erhebung an das ursprüngliche Fürsthofgebäude ne Spitalskirche. Die Besitzungen des zweigeschossige, größtenteils in Mas- gerahmte Buchstabenbild. Im Zuge UND SEINE FOLGEN und Verhandlung wurde vom Vertreter handelt, nämlich den nördlichen Kanti- Max Hillebrand kamen auf Umwegen sivbauweise ausgeführte und auf die des Abbruches des Fürsthofgebäudes In den nachfolgenden Wochen kam es zu des Antragstellers, Gerhard Kastenber- nentrakt, der ebenerdig mit einem Pult- an den Eisengewerken Josef Pesendor- Mitte des 18. Jahrhunderts zurückge- wurde diese Tafel auf Initiative des einer kuriosen Entwicklung. Südlich des ger, hinsichtlich der Eigentumsverhält- dach versehen ist, und den südlichen fer, der damit Inhaber der Sensen- und hende Fürsthofgebäude erhob sich über Bundesdenkmalamtes gerettet und Fürsthofes wohnende Bürger und Bürge- nisse folgende Erklärung abgegeben: Zubau am nördlichen Flügel, der aus Sichelschmieden sowie der rund um einem annähernd H-förmigen Grundriss im großen Lichthof von Schloss Trau- rinnen der Stadt befürchteten, dass im „Nach dem Konkurs der Firma Bauknecht einem erdgeschossigen Anbau und ei- die „Schwembgasse“ und entlang des in ostwestlicher Längenstreckung. Der tenfels, Universalmuseum Joanneum, Zuge des Abbruchs auch die von ihnen im Jahr 1983 wurde von der Gesellschaft ner darüberliegenden Terrasse besteht. Paltenbaches angeordneten Mühlen etwas längere Nordtrakt war mit dem prominent angebracht. bewohnten Häuser abgetragen wer- für Bundesbeteiligungen an Industrieun- Diese Anbauten könnten seitens des und Walchen wurde. kürzeren, annähernd parallel stehen- Der halb im Hang liegende Südtrakt den und sie damit ihre liebgewonnenen ternehmen (GBI) eine Auffanggesellschaft Denkmalamtes abgebrochen werden. Josef Pesendorfer war ein äußerst be- den Südtrakt durch einen kurzen und diente ursprünglich als Stall- und Wirt- und notwendigen Heimstätten verlieren gegründet, aus der die Firma Austria Der Vorschlag, das gegenständliche gabter, innovativ denkender und auch breiteren Quertrakt verbunden. Der schaftsgebäude und wurde vermutlich könnten. Sie schalteten das Bundes- Haustechnik hervorgegangen ist. Nach- Verfahren in zwei Teilen abzuhandeln, sozial eingestellter Eisengewerke, der Südtrakt lag direkt an einer zur Palten erst im Jahr 1819 im Bereich des ers- denkmalamt, Landeskonservatorat für folgend wurde für die Herstellung von wurde von der Baubehörde angenom- die nunmehr vereinten Eisenwerke zu abfallenden Geländestufe, wodurch ten Obergeschosses als Wohntrakt Steiermark, ein, das auch umgehend Küchenmöbeln die Firma Rothe-Möbel- men und durch einen Bescheid über modernen und bestens ausgerüsteten das Obergeschoss von der Südseite ausgebaut. Dementsprechend war die tätig wurde und das geschichtsträchti- produktions- und Vertriebsgesellschaft einen Teilabbruch vom 29. Juli 2004 an Betriebsanlagen ausbaute. Daneben fast niveaugleich zugänglich war. Nord- hofseitige Fassadengestaltung in die- ge Fürsthofgebäude kurzfristig am 16. gegründet und nach deren Auflassung das die Firma Eltrona bestätigt. Dieser bein- erwarb er auch die Herrschaft Rotten- und Südtrakt wurden von einem gegen sem Bereich einfacher. Die Sturzfelder November 1987 unter Denkmalschutz Gebäude und das Areal des ehemaligen haltete auch die Auflage, wegen Gefahr mann und einige im Ennstal gelege- Westen zur Fürstgasse hin offenen über den Fenstern des Erdgeschos- stellte. Der diesbezügliche Bescheid Fürsthofes an die Firma Assmann, Möbe- im Verzug das Grundstück durch die ne Werke und Liegenschaften. Seine Hof umschlossen. Den Abschluss der ses wiesen eine diamantquaderartige wurde umgehend der Baubehörde lerzeugung, verkauft, die im Jahr 1995 in Errichtung einer Einfriedung zu sichern. Nachkommen, ursprünglich waren es beiden Trakte bildeten zwei schlichte Putzausbildung auf, die Fenster des übermittelt und angeführt, dass das Konkurs ging. Neuer Eigentümer wurde Bei einer neuerlichen örtlichen Verhand- 27, schlossen sich nach dem Tode von Giebelwände. Die applizierte Darstel- Obergeschosses waren größtenteils als ehemalige Fürsthofgebäude unter Hin- die Firma ,Team 7 – Natürlich Wohnen‘, lung am 28. Oktober 2004 wurde vom Josef Pesendorfer zum Unternehmen Blendfenster ausgebildet. Die dem Hof weis auf die §§ 1 und 3 des geltenden die im Jahr 2001 den Rottenmanner Be- Bausachverständigen unter Bezugnahme „Josef Pesendorfers Erben“ zusammen abgekehrten Fassaden, insbesondere Denkmalschutzgesetzes erhaltungswür- trieb auflöste und sich nach Ried in ihr auf den bereits bei der Verhandlung und führten sein Lebenswerk weiter. die Süd- und Ostfassade, zeigten eine dig sei und die Erhaltung desselben im Stammwerk zurückzog. Der Firma Team am 27. Juli 2004 festgehaltenen Sach- Nach den Gewerken Pesendorfer siedel- klassizistische Gliederung im Bereich öffentlichen Interesse liege. 7 folgten als Mieter des Areals die Firma verhalt und die vorliegenden Anbote der Fensterumrahmungen und der Gegen diesen Bescheid hat die Be- Systembau Ing. Lemmerer und die Firma für die Sanierung des Fürsthofgebäu- Gesimse. triebsverwaltungsges.m.b.H. namens PMS. Letztlich kaufte die Firma Eltrona des folgendes Gutachten abgegeben: Die Aufschließung des Objektes er- folgte vom durchgehenden, zum Teil tonnenüberwölbten Flur des Quertrak- tes. Während der Nordtrakt einfache geputzte Holzdecken aufwies, wur- den im Südtrakt des Erdgeschosses durchwegs steingemauerte Tonnenge- wölbe mit Stichklappen errichtet; im Obergeschoss ein korbbogenförmiges Stichkappengewölbe. Im westlichen Eckraum befand sich ein Küchenraum. Rottenmanner Sensenzeichen, darunter das Hammer und Schlegel an der Giebelwand Zwei einfache Eisentüren bildeten den der Familie Fürst I Archiv Karl Weiß des südseitigen Traktes, 2007 I Foto: C. Gierer Zugang zu den ehemaligen Stallräumen. Buchstabenbild am Nordtrakt des Fürsthofs, 1993 und verwachsener Innenhof, 2004 Fürsthof Südseite, 2004 I Fotos: C. Gierer

18 19 „Dem Eigentümer des Fürsthofes ist Bausachverständigen wurden ein Si- Fürsthofes, Rottenmann, Fürstgasse Nr. nach einer eingehenden Betrachtung cherheitsbereich sofort abgesperrt und 49, kein öffentliches Interesse mehr HUBERT SCHWARZ und dem Hinweis auf den § 39 des Stei- die Abbrucharbeiten eingestellt. Eben- besteht.“ ermärkischen Baugesetzes wirtschaft- so wurde festgestellt, dass durch den Begründet wurde der Bescheid damit, lich nicht zumutbar, das Gebäude in Schneedruck und die Niederschlags- dass seit der Unterschutzstellung am einem den baurechtlichen Vorschriften wässer irreparable Schäden am Objekt 16. November 1987 mehrmals der Ei- entsprechenden Zustand zu erhalten. entstanden sind. Durch diese Umstän- gentümer des Objektes gewechselt Eine Grundlage für die Berechnung der de hat sich der Bestand des Objektes hat und keine Erhaltungsmaßnahmen Wirtschaftlichkeit bildete auch eine Ge- derart verschlechtert, dass öffentliche getätigt wurden. Dadurch hat die Bau- genüberstellung der Sanierungskosten Interessen berührt werden und auch substanz des Fürsthofes gelitten. Der versus Mieteinnahmen. In einem wei- das Ortsbild negativ beeinträchtigt Fürsthof wurde anschließend abgetra- teren Gutachten eines befugten Bau- wird. Die Besichtigung des Gebäudes gen, lediglich die südseitige Umfas- meisters wurde auch festgehalten, dass erfolgte nur im äußeren Bereich, da ein sungsmauer ist erhalten geblieben. eine Sanierung des Objektes aus hygie- Betreten des Gebäudes nach Ansicht Das Gelände an der Außenseite der nischen und auch aus gesundheitlichen des Bausachverständigen erst nach Mauer ist heute stark bewachsen und Gründen nicht möglich erscheint.“ statischen Absicherungsmaßnahmen deckt damit die Mauer völlig ab. Die möglich gewesen wäre. Innenseite wurde von den Eigentümern GEFAHR IM VERZUG Aufgrund des Ergebnisses dieser Bau- des anschließenden Wohngebäudes Im Zuge des Bauverfahrens wurde sei- überprüfung wurde von der Baubehörde mit Malereien und dem Stadtwappen tens der Stadtgemeinde erklärt, dass am 13. November 2006 ein Bescheid „verschönert“ und erinnert an den auch kein öffentliches Interesse an mit bindenden Auflagen erlassen. Da- einstmals bedeutenden Fürsthof. Die Abnahme und Restaurierung einer Nutzung des Gebäudes besteht, bei wurde der Firma AHT Cooling Sys- Der Fürsthof war ein wichtiges Zeugnis falls dieses aus denkmalpflegerischen tems als Eigentümer des betroffenen für die wirtschaftliche Entwicklung und Gründen zu erhalten wäre. Teiles des Gebäudes vorgeschrieben, die Bedeutung der Industriekultur in der des Buchstabenbildes Auf der Grundlage dieser Ausführun- die aufgetretenen Baugebrechen bzw. Region um Rottenmann. Dem Gebäude gen wurde von der Baubehörde am 3. Baumängel innerhalb von vier Wochen kam durch die Verbindung von zwei November 2004 per Bescheid eine zu beheben und die erforderlichen Si- bedeutenden Gewerkenfamilien auch Abbruchgenehmigung für das Haus cherungsmaßnahmen durchzuführen. eine montanhistorische Bedeutung zu. vom Fürsthof Fürstgasse Nr. 49 (Fürsthof) unter Vor- Das Bundesdenkmalamt wurde vom Er- Außerdem war es in der ehemaligen lan- schreibung verschiedener Auflagen gebnis der Bauüberprüfung informiert. desfürstlichen Stadt Rottenmann eine erteilt. Das baubehördliche Abbruch- Zentralstelle der eisenverarbeitenden Unterer Bereich des Bildfeldes: Kalkgrobputz mit Kalkfeinputzlage, darüber liegende Feinputzlage als Träger der Inschrift I alle Fotos: H. Schwarz verfahren „Fürsthof“ wurde im Jahr ENDGÜLTIGER ABBRUCH Industrie. Leider wurde beim Abbruch 2006 mit einer Bauüberprüfung fort- Das Abbruchverfahren „Fürsthof“ zu wenig auf die geschichtliche, künst- Im Dezember 2006 fand gemeinsam mit gesetzt, die jene Gebäudeteile betraf, wurde am 24. Jänner 2007 mit einem lerische und auch kulturelle Bedeutung den Eigentümervertretern und Vertretern die im Eigentum der Firma AHT Cooling Schreiben der Stadtgemeinde Rot- des Gebäudes Bedacht genommen. des Bundesdenkmalamtes eine erste ge- Systems standen. tenmann an das Bundesdenkmalamt meinsame Besichtigung des Fürsthofes Ausgangspunkt war, dass anlässlich fortgesetzt. Dabei wurde angeführt, in Rottenmann statt. Das unter Denkmal- einer am 3. November 2006 durchge- dass Gefahr im Verzug besteht und schutz gestellte Fürsthaus war ein altes führten Bauverhandlung die Errichtung umgehend ein Abbruchbescheid er- Quellenverzeichnis Hammerherrnhaus und stellte ein Zeugnis von Parkflächen betreffend festgestellt lassen werden müsse. Opll Ferdinand, Rottenmann als Eisen- für die wirtschaftliche Entwicklung und wurde, dass der nordöstliche Teil des In Beantwortung dieses Schreibens stadt. In: Opll Ferdinand (Hg.), Stadt Industrialisierung dieser Region dar. An Fürsthofgebäudes abgebrochen wird erging seitens des Bundesdenkmal- und Eisen, Linz 1992 der Außenwand hofseitig war eine Geden- und damit eine unmittelbare Gefahr amtes am 19. Februar 2007 folgender v. Pantz Anton, Gedenkbuch des steiri- kinschrift als Buchstabenrätsel zu sehen. im Verzug besteht. Es wurde demnach Bescheid: schen Eisenadels, 1918 Da geplant war, die gesamte Anlage, die im befürchtet, dass die Schornsteine so- „Es wird gemäß § 5 Abs. 7 Denkmal- Schwaiger Karl, Weiß Karl, 50 Jahre Kern gotisch war, für anderweitige Baumaß- wie der Dachstuhl einbrechen und es schutzgesetz in der Fassung BGBl. Nr. Siedlungsgenossenschaft Rottenmann. nahmen abzutragen, wurde im Zuge dieser damit zur Gefährdung von Personen 170/1999 von Amtswegen festgestellt, Rottenmann – einst & heute, Rotten- ersten Begehung auch das Buchstabenbild kommen könnte. Nach der Warnung des dass an der Erhaltung des so genannten mann 1999 mit besonderem Augenmerk auf Bestand und Zustand im Hinblick auf die geplante re- stauratorische Behandlung bzw. die weitere Verwendung untersucht. Das Ziel war, das „Bilderrätsel“ zu „retten“, was bedeutete, es für die Abnahme vorzubereiten, auch wenn oder auch obwohl damit der örtliche Zusammenhang verloren ging. Das Bildfeld inklusive der dazugehörigen Stuckrahmung mit Datierung von 1790 ist der Familie Hillebrand zugeordnet und steht in engem Zusammenhang mit der Abbruch des südseitigen Traktes, 2007 Die erhaltene südseitige Mauer, 2007 Wandmalereien erinnern an die frühere Be- Gewerkenfamilie Fürst (siehe den Beitrag I Foto: C. Gierer I Foto: C. Gierer deutung des Fürsthofs, 2019 I Foto: K. Weiß Das Buchstabenbild mit Stuckrahmung an seinem ursprünglichen Platz am Fürsthof von Sobieczky/Ellmaier in diesem Heft).

20 21 EINE BESTANDSAUFNAHME Im Flankenbereich und auch in der ABNAHME UND VERSETZUNG Soweit es im Zuge der Begehung fest- unteren Bildfeldzone bestand Gefahr Vor Beginn der Abnahmearbeiten stellbar war, zeigte sich, dass das in im Verzug, d. h. es waren sofortige Kon- wurde die Malschichtoberfläche des Secco-Malerei aufgebrachte Buch- servierungsmaßnahmen anzuraten, um „Bilderrätsels“ durch Aufbringung ei- stabenbild auf einer Kalkfeinputzla- weitere Abplatzungen und anderweitige ner mehrlagigen Kaschierung mit ver- ge aufgebracht war, die wiederum Schäden hintanzuhalten. schiedenen Geweben und reversiblen auf einem Grob/Feinputzsystem mit Wegen der zeitlichen Dringlichkeit Bindern geschützt. Danach wurde in Kalkputzen und angespitzter Ober- mussten die Arbeiten zur Abnahme den Randbereichen mit den Stemm- fläche aufgebracht war. Darunter war des Bildfeldes in der kalten Jahreszeit arbeiten begonnen. Zur Stützung und direkt das Bruchsteinmauerwerk zu Anfang 2007 durchgeführt werden, was seitlichen Sicherung wurde das Bild- finden. Der Zustand zeigte einen all- die Vorbereitung massiv erschwerte. feld durch Aussteifen mit Dämmplat- gemeinen Verschmutzungsgrad. Die Um weitere Schäden zu verhindern, war ten und Polyurethan-Schaum fixiert, Oberflächen wiesen mehrfache Rissbil- es notwendig, eine passende Umge- anschließend erfolgte die Abnahme dungen und auch Putzfehlstellen auf, bung durch Einhausung, Temperierung mittels Trennung vom Mauerwerk. Um ebenso wie Fassungsverluste (sowohl usw. zu schaffen. Das ursprüngliche die Stabilität zur gewährleisten wurde im Hinterlegungston als auch bei den Wandbild sollte in ein Mörtelbett mit nach der Abnahme die Putzlage auf der Schwarz- und Rottönen der Inschrift). Metallrahmen versetzt werden. Rückseite des „Bilderrätsels“ zur Ver- ringerung des Gewichtes reduziert und nach abschließender Kaschierung der Rückseite das Wandbild zur Lagerung Vorbereitung des Mörtelbetts zur Versetzung in den Rahmen und das fertig restaurierte Buchstabenbild vor dem Transport ins Schloss Trautenfels in die Werkstätte geliefert. Für die angedachte Versetzung war es notwendig, das Bildfeld in einen eigens Millimeterstärken ein Klebemörtel angefertigten Rahmen neu zu verlegen. auf das feuchte Dämmmaterial auf- Dafür wurde in ein Aluminiumblech, das gebracht, in welches das Bild im An- gekantet wurde (= profilierter Rahmen schluss versetzt wurde. Nach einer mit einer Tiefe von ca. 4 cm), ein Git- entsprechenden Trocknungszeit wurden terrost mit Abstandhaltern montiert. die Armierung und die Kaschierung an In das Aluminiumblech wurden an der Vorderseite entfernt. Anschließend der Rückseite Löcher gestanzt – zur wurde die Malschicht fixiert, Überma- Abdampfung im Trocknungsprozess lungen wurden abgenommen und auf des Füll- bzw. Versetzungsmörtels. Als die Erstfassung freigelegt. Fehlstel- lenbereiche wurden mit Kalkmörtel Schriftfeld vor und nach der Restaurierung: Übermalungen wurden abgenommen und auf die Versetzungsmörtel wurde ein sonst für Erstfassung freigelegt. Wärmedämmung eingesetztes Material ergänzt, jedoch unter Niveau liegend, verwendet. Der Vorteil dieses Materials um eine Differenzierung zwischen dem bestand im geringen Gewicht sowie im Originalbestand und der Ergänzung Umstand, dass für die Abbindung nur herzustellen. Der Farbton des Putzes wenig Anmachwasser notwendig ist. wurde an den historischen Bestand Detail vom Bildfeld: Stuckfehlstelle und Abhebung der Malschichte vom Untergrund, Vor der Versetzung wurde in wenigen angeglichen. Auf eine Retusche im Sin- zwischenzeitliche Ausbesserungen der Schriftzeichen ne einer Vollretusche sollte verzichtet werden, um den Alterswert zu erhalten. Eine „aqua sporca“-Retusche wurde durchgeführt, um eine bessere Lesbar- keit des Originals durch Zurückdrängen von Binnenfehlstellen zu erreichen. Danach erfolgte auf Vermittlung des Bundesdenkmalamtes der Transport zum Schloss Trautenfels. Das „Bilder- rätsel“ wurde dort als Tafelbild im gro- ßen Lichthof aufgehängt. Im Jahr 2018 wurde als letzte Maßnahme nach einer entsprechenden UV-Untersuchung der Mittelbuchstabe von „E“ auf „F“ kor- rigiert.

Vor der Abnahme wurde ein Trennschnitt zwischen Stuckfeld und Buchstabenbild gesetzt. Das kaschierte Buchstabenbild Korrektur des Mittelbuchstabens von „E“ auf „F“ I Foto: K. Krenn

22 23 Rückblick Einblick Ausblick

Restaurierung von Altar und Altarbild in der Kapelle von Schloss Trautenfels Seit mehreren Jahren finden je nach Firma Michael Singer ges.m.b.H.&Co. Rückstellen des Altars an die Wand und finanziellen Möglichkeiten des Univer- KG unterzogen. Anbringen aller Applikationen, abschlie- salmuseums Joanneum in Teilbereichen Die aktuelle Restaurierung des Altars ßende Montage des Altarbildes. und in Absprache mit dem Bundes- wird von Thomas Maderebner und Lisa Die Restaurierung des Altarbildes wird denkmalamt, Abteilung für Steiermark, Reischer durchgeführt. Die finanziellen derzeit in den zentralen Restaurierwerk- Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten Mittel dafür stellt dankenswerterweise stätten des Universalmuseums Joanne- in der Kapelle statt. Nach der Restau- die Marktgemeinde Stainach-Pürgg zur um in Graz von Paul Bernhard Eipper rierung seiner Einzelteile wurde der Verfügung. und seinem Team durchgeführt. Das Kachelofen 2013 durch Günther Nogra- Maßnahmen: Abbau des Altars und Gemälde – ein Objekt aus der Sammlung sek neu aufgesetzt. 2017 konnten die Abnahme der Applikationen; Konso- der Alten Galerie – ist seit dem Jahr 1956 Stiege in das kleine Oratorium durch lidierung und Reinigung der Fassung; im Altar der Kapelle eingebaut. Die Dar- Thomas Maderebner, die Fenster und Reinigung der Rückseiten; Festigung stellung einer volkstümlichen Schutz- die Eingangstüre durch Werner Wihan und Niederlegen loser Fassungspartien; mantelmadonna (Bruderschaftsbild) restauriert werden. Wegen starken Festigung des fraßgeschädigten Holzes; wird dem Grazer Maler Johann Baptist Schädlingsbefalls wurden 2018 der Altar Verleimung gebrochener Teile; Abnahme Raunacher (1705–1757) zugeschrieben. und das Altarbild einer Behandlung in von nachgedunkelten alten Retuschen; sauerstoffarmer Atmosphäre durch die Kittung und Retusche von Fehlstellen;

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