26144 Deutscher – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012

Ulrich Lange (A) tigen Amtes und zum Teil des Bundesministeriums für lige Kohl-Regierung hat die Betreffenden – quasi mit (C) Verteidigung entschieden. Ich weiß nicht, wie wir eine langen Zähnen – hingehalten. Nach der Bundestagswahl sinnvolle Kontrolle durch das Parlament durchführen und erneuten Erörterungen in der Bundesregierung gab sollten. es plötzlich im Februar 1991 eine Genehmigung. Wo- rüber man sich schon damals wunderte, war der Preis: (Dr. h. c. [SPD]: Aber wir wissen 36 gebrauchte Panzer für 446 Millionen D-Mark. Exper- das! – [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ten sagten, 100 Millionen D-Mark seien realistisch. Man NEN]: Das erklären wir Ihnen dann schon!) hat dann später gerichtliche Nachforschungen darüber Dass das Ganze außerdem Sache der Exekutive und anstellen können. Ich lese Ihnen vor, was die Süddeut- nicht bei uns angesiedelt ist, brauche ich, glaube ich, sche Zeitung über den Abschluss des Thyssen-Henschel- nicht zu erörtern. Prozesses am 12. Januar 2007 – es hat lange gedauert – geschrieben hat: Wenn ich diese Debatte heute verfolge, dann frage ich mich, wie Kunden bzw. Empfängerländer, denen wir Im Gesamtpreis … waren etwa 220 Millionen soge- rechtmäßig liefern, zukünftig mit uns und unseren Fir- nannter Provisionen versteckt. Der Löwenanteil da- men umgehen, wenn hier alles in dieser Form in der Öf- von ging mutmaßlich an Mitglieder der saudischen fentlichkeit diskutiert wird. Königsfamilie. 28 Millionen aber kassierte der (Klaus Barthel [SPD]: Hoffentlich gehen die Lobbyist Karlheinz Schreiber. Ein Großteil dieses Saudis nicht so damit um, wie wir das glau- Geldes lagerte er auf Schweizer Rubrikkonten, de- ben!) ren Bezeichnungen verschlüsselt auf die Personen verwiesen, denen das Geld zugedacht war – „Hol- Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist, um solche gart“ zum Beispiel für den früheren Rüstungsstaats- Geschäfte zu stützen. sekretär Ludwig-Holger Pfahls. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) „Winter“ stand für Winfried Haastert, „Jürglund“ für Eine Ausdehnung der parlamentarischen Kontroll- Jürgen Maßmann. Beide waren Manager bei Thyssen rechte ist unseres Erachtens derzeit nicht sinnvoll. Eine Henschel. Die Geschichte ist sicherlich dem einen oder Vielzahl von politischen, wirtschaftlichen und prakti- anderen noch geläufig. schen Problemen steht auf der Tagesordnung. Ich glaube, (Zuruf von der CDU/CSU: Was wollen Sie da- die geltende Rüstungskontrolle, die sich an den Maßstä- mit sagen?) ben von Rot-Grün orientiert und an die wir uns halten, ist der richtige Weg. Wir haben ein funktionierendes Kon- Es gab Haftstrafen auf Bewährung für die Manager. Herr (B) trollsystem. Wir werden es weiter stärken. Schreiber und Herr Pfahls haben versucht, sich durch (D) Flucht der Strafverfolgung zu entziehen. Man hat sie (Klaus Barthel [SPD]: Es finden aber keine dann eines Tages doch vor Gericht stellen können und statt! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- beide zu Haftstrafen verurteilt. NEN]: Dann können wir es auch als Gesetz beschließen! Dann spricht ja nichts dagegen!) Ein Ausfluss dieses Skandals, der damit noch nicht zu Ende war, war die Parteispendenaffäre 1999. Im Jahr Herzlichen Dank. 1991 ist 1 Million D-Mark von Herrn Schreiber an den (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep übergeben worden. Niemand kann sagen, warum. 1994 Vizepräsidentin : wurden 100 000 D-Mark an Herrn Schäuble übergeben. Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels für Niemand weiß, warum. Es handelte sich eben um Spen- die SPD-Fraktion. den. 1999 wurde daraus eine Affäre, in deren Folge der damalige Parteivorsitzende Schäuble zurücktrat und (Beifall bei der SPD) Frau Merkel die Chance bekam, CDU-Vorsitzende zu werden. Heute hat sie als Bundeskanzlerin erneut über Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Lieferungen an Saudi-Arabien zu entscheiden. Ich kann Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ihr nur zurufen: Vorsicht bei Saudi-Arabien! Das ist ganz Ich begrüße, dass Herr Staatssekretär Otto nicht mehr dünnes Eis. Bei der Lieferung deutscher Panzer an ganz alleine auf der Regierungsbank sitzt. Saudi-Arabien geht es um eine Korruptionsgeschichte. (Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Ich (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten auch!) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Er könnte mehr Gesellschaft haben. Schließlich geht es Zur Lieferung von Eurofightern von Großbritannien hier um ein Thema des Bundessicherheitsrats; dieser ist nach Saudi-Arabien wollte das Unterhaus einen Untersu- etwas größer als die Versammlung auf der Regierungs- chungsausschuss einrichten. Es ist zwar nicht dazu ge- bank. kommen. Aber hier war von Korruption nicht allein die Rede. Vielmehr hat man dazu entsprechende Unterlagen Ich will ein paar Anmerkungen zur Geschichte von gesammelt. Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien machen. Fangen wir einmal im Jahr 1990 an. Damals gab es die Anfrage Ich erinnere an ein Projekt der EADS, die Absiche- nach der Lieferung von Fuchs-Spürpanzern. Die dama- rung der saudischen Grenze. Eine britische Firma ist in Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 213. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012 26145

Dr. Hans-Peter Bartels (A) diesem Zusammenhang Gegenstand einer Untersuchung Keul, an der Regierung waren, war das alles in Ordnung, (C) britischer Antikorruptionsermittler. wenn wir an der Regierung sind, dann ist das falsch. Jetzt reden wir über Leopard- und Boxer-Panzer. Ich (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – hoffe, dass das in Ordnung ist. Wir können die Bundes- Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: regierung ja fragen. Wir wollen es für alle gleich regeln! – Zuruf (Klaus Barthel [SPD]: Das stellt sich in zehn von der SPD) Jahren heraus! – Dr. [CDU/ – Ich komme gleich zu dem Unterschied der Waffen. Ich CSU]: Was unterstellen Sie damit? Das ist un- sehe in Ihren Reihen viele Waffenexperten; darauf geheuerlich!) würde ich gerne eingehen. Ich finde es fabelhaft, wie Sie Unser Problem besteht darin, dass Sie ein Geschäft zu über Panzerfäuste geredet haben. Das war ganz großar- verteidigen versuchen, von dem Sie noch gar nicht sagen tig. Das zeugt von großem Wissen darüber, was man mit können, ob es überhaupt genehmigt ist. Worüber reden Panzerfäusten macht. wir hier eigentlich? Ich gehe davon aus, dass diese Bundesregierung in (Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Ihr habt gleicher Art und Weise ihre Verantwortung wahrnimmt, die Aktuelle Stunde beantragt, nicht wir!) wie das vorherige Bundesregierungen gemacht haben, Das ist das Problem der Rüstungsexportpraxis. Wir (Klaus Barthel [SPD]: Können Sie das denn brauchen eine Information des Parlaments, wenn es im beweisen?) Bundessicherheitsrat positive Entscheidungen gegeben unter einem Außenminister Fischer und unter einem Au- hat, insbesondere dann, wenn diese mit einem Strategie- ßenminister Steinmeier, einer von den Grünen, der an- wechsel verbunden sind. Die Aussage von Frau Bundes- dere von der SPD, die auch Waffenexporte nach Saudi- kanzlerin, neue Partnerschaften zu suchen, ist schon Arabien gebilligt haben. Da ging es um Teile für gepan- zitiert worden. Dazu kann ich nur sagen: Über Partner- zerte Fahrzeuge im Jahr 1999, um Handfeuerwaffen, Re- schaften in der Welt kann man reden. Die wollen wir su- volver, Pistolen, Munition, Herstellungsausrüstung für chen. Wir haben eine solche mit Indien und wollen sie Teile von Maschinenpistolen, Herstellungsausrüstung mit Australien. Aber Saudi-Arabien ist ganz bestimmt für Handfeuerwaffen, Maschinengewehre etc. pp. kein strategischer Partner und kein Partner für den Rüs- tungsexport aus Deutschland. Jetzt sage ich Ihnen etwas dazu: Wenn Sie mir erzäh- len wollen, dass die Bedrohung für Aufständische durch Schönen Dank. Panzer, die schwerfällig sind, größer ist als die durch (B) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Maschinengewehre, (D) DIE GRÜNEN – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Eine strategische Rede war das auch (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Nichts ka- nicht!) piert!) dann kann ich nur feststellen, dass Sie die Zahl der Men- Vizepräsidentin Petra Pau: schen, die bei der Aufstandsbekämpfung in den letzten Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner für die Jahrzehnten umgekommen sind, überhaupt nicht kennen. FDP-Fraktion. (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Keine (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ahnung!) Mit der Lieferung von Maschinengewehren bedrohen Dr. Rainer Stinner (FDP): Sie Aufständische viel mehr, als wenn Sie Boxer und an- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! dere Fahrzeuge liefern würden. Selten konnte man erleben, dass das deutsche Sprich- wort „Das Sein prägt das Bewusstsein“ so dokumentiert (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Natürlich! wird wie in dieser Debatte. So ist es!) (Zuruf von der LINKEN: Das ist von Marx!) Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass diese Bundesregie- rung mit derselben Verantwortung, die ich früheren Bun- Wenn ich höre, wie Herr Barthel und Frau Keul und desregierungen zugestanden habe, ihre Aufgabe wahr- jetzt auch Herr Bartels Saudi-Arabien skizzieren und kri- nimmt. tisieren, dass in dieses schlimme Land Waffen exportiert werden, Ich komme zum zweiten Aspekt, zur Information. Ich bin hier angesprochen worden. Ich persönlich gestehe zu (Klaus Barthel [SPD]: Panzer!) – das habe ich auch öffentlich gesagt –, dass ich mit der sie aber mit keinem Wort erwähnen, dass auch in ihrer Informationspolitik nicht zufrieden bin. Hier muss ich an Regierungszeit Saudi-Arabien kein Hüter von Men- die Bundesregierung appellieren und sagen: Dafür, dass schenrechten und kein Ausbund an Rechtsstaatlichkeit geleakt wird, haben Sie die Verantwortung, meine Da- war, die damaligen Bundesregierungen aber dennoch men und Herren von der Bundesregierung. Dass wir als Waffen nach Saudi-Arabien geliefert haben, dann kann Abgeordnete dafür in Anspruch genommen werden, ich doch mit Fug und Recht sagen, dass hier offensicht- finde ich nicht gut. Wenn es so ist, dass Sie nicht dicht- lich mit zweierlei Maß gemessen wird. Als Sie, Frau halten können, dann müssen wir etwas daran ändern.