Deutscher Bundestag Protokoll Nr. 16/30 16. Wahlperiode

Ausschuss für Gesundheit

Wortprotokoll 30. Sitzung

Berlin, den 06.11.2006, 15:00 Uhr Sitzungsort: Marie-Elisabeth-Lüders-Haus

10557 Berlin, Adele-Schreiber-Krieger-Straße 1 Sitzungssaal: Anhörungssaal 3101

Vorsitz: Dr. Martina Bunge, MdB

TAGESORDNUNG:

Öffentliche Anhörung (Teil II: Organisation) zu folgenden Vorlagen:

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) BT -Drucksache 16/3100

Antrag der Abgeordneten , , Dr. Thea Dückert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stärkung der Solidarität und Ausbau des Wettbewerbs - Für eine leistungsfähige Krankenversicherung BT -Drucksache 16/1928

Antrag der Abgeordneten (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Für Nachhaltigkeit, Transparenz, Eigenverantwortung und Wettbewerb im Gesundheitswesen

BT-Drucksache 16/1997

Ausschuss für Gesundheit, 30. Sitzung, 06.11.2006

Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, , Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Dem Gesundheitswesen eine stabile Finanzgrundlage geben

BT -Drucksache 16/3096

Anlage Anwesenheitsliste Sachverständigenliste Sprechregister

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Anwesenheitsliste*

Mitglieder des Ausschusses

Ordentliche Mitglieder des Ausschusse Stellv. Mitglieder des Ausschusses

CDU/CSU Albach, Peter Blumenthal, Antje Bauer, Wolf, Dr. Brüning, Monika Eichhorn, Maria Hennrich, Michael Fa ust, Hans Georg, Dr. Jordan, Hans-Heinrich, Dr. Hüppe, Hubert Krichbaum, Gunther Koschorrek, Rolf, Dr. Luther, Michael, Dr. Scharf, Hermann-Josef Meckelburg, Wolfgang Spahn, Jens Michalk, Maria Straubinger, Max Philipp, Beatrix Widmann -Mauz, Annette Scheuer, Andreas, Dr.

Zylajew, Willi Zöller, Wolfgang

SPD Friedrich, Peter Bätzing, Sabine Hovermann, Eike Becker, Dirk Kleiminger, Christian Bollmann, Gerd Lauterbach, Karl, Dr. Ferner, Elke Mattheis, Hilde Gleicke, Iris Rawe rt, Mechthild Hemker, Reinhold Reimann, Carola, Dr. Kramme, Anette Spielmann, Margrit, Dr. Kühn-Mengel, Helga Teuchner, Jella Marks, Caren Volkmer, Marlies, Dr. Schmidt, Silvia Wodarg, Wolfgang, Dr. Schurer, Ewald

FDP Bahr, Daniel Ackermann, Jens Lanfermann, Heinz Kauch, Michael Schily, Konrad, Dr. Parr, Detlef

DIE LINKE.

Bunge, Martina, Dr. Höger-Neuling, Inge Ernst, Klaus Knoche, Monika

Spieth, Frank Seifert, Ilja, Dr.

B90/GRUENE Bender, Birgitt Haßelmann, Britta Scharfenberg, Elisabeth Koczy, Ute Terpe, Harald, Dr. Kurth, Markus ______*) Der Urschrift des Protokolls ist die Liste der Unterschriften beigefügt.

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Bundesregierung

Bundesrat

Fraktionen und Gruppen

4 Ausschuss für Gesundheit, 30. Sitzung, 06.11.2006

Sprechregister Abgeordnete Seite/n Sprechregister Sachverständige Seite/n Vorsitzende Abg. Dr. Martina 6,13,21,25,30,35 SV Gerhard Schulte 7,11,37 Bunge (DIE LINKE.) 41,46 Abg. Annette Widmann-Mauz 8,37 SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- 8,12,14,24,26 (CDU/CSU) Bundesverband) 29,30,40,41, 43,44 Abg. 10 SVe Dr. Doris Pfeiffer (Verband der 8,12,17,18,30 (CDU/CSU) Angestellten-Krankenkassen e.V./ 35,38,40,41 Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V.) Abg. Dr. Hans Georg Faust 11 SV Wolfgang Schmeinck (BKK 9,13,24,25,40 (CDU/CSU) Bundesverband) 41 Abg. Dr. Carola Reimann 13,45 SV Jürgen Brennenstuhl (Betriebs- 9,10,34 (SPD) krankenkassen im Unternehmen e.V.) Abg. Eike Hovermann (SPD) 14 SV Rolf Stuppardt (IKK- 9,10,18 Bundesverband) Abg. Dr. Margrit Spielmann 18 SV Rolf Stadié (Knappschaft) 10 (SPD) Abg. Daniel Bahr(Münster) 21,22,25 SV Dr. Christoph Straub 11,37 (FDP) Abg. Dr. Konrad Schily (FDP) 22 SVe Sylvia Bohlen-Schöning (Bun- 14,35,42,43 desversicherungsamt) Abg. Heinz Lanfermann (FDP) 24 SV Dr. Rainer Hess (Gemeinsamer 14,19,33,39 Bundesausschuss) Abg. Frank Spieth (DIE LIN- 27,29,30 SV Dr. Andreas Köhler (Kassenärzt- 16,19,22,24, KE.) liche Bundesvereinigung) 29,39 Abg. Birgitt Bender (BÜND- 30,31,33,34,35 SV Dr. Rudolf Kösters (Deutsche 16,23,29,40 NIS 90/DIE GRÜNEN) Krankenhausgesellschaft e.V.) Abg. Dr. 35 SV Georg Baum (Deutsche Kran- 20,25 (CDU/CSU) kenhausgesellschaft e.V.) Abg. Willi Zylajew 40 SV Dr. Stefan Etgeton (Verbrau- 20,29,31,39 (CDU/CSU) cherzentrale Bundesverband e.V.) Abg. Hermann-Josef Scharf 40 SV Dr. Reimar Buchner 21,22,26 (CDU/CSU) Abg. Peter Friedrich (SPD) 41 SV Dr. Thomas Muschallik (Kas- 23,24 senzahnärztliche Bundesvereinigung) Abg. Dr. Marlies Volkmer 42,43 SV Prof. Dr. Christoph Fuchs 23 (SPD) (Bundesärztekammer) Abg. Jella Teuchner (SPD) 43 SV Prof. Dr. Volker Amelung 27

Abg. Christian Kleiminger 44 SV Dr. Volker Hansen (Bundesver- 27 (SPD) einigung der Deutschen Arbeitgeber- verbände e.V.) SV Jürgen Sendler (Deutscher Ge- 28 werkschaftsbund-Bundesvorstand) SV Prof. Dr. Reinhard Busse 30,33,42

SV Martin Danner (BAG SELBST- 32 HILFE) SV Dr. Peter Pick (Medizinischer 41,42,46 Dienst der Spitzenverbände der Kran- kenkassen e.V.) SV Jochen Berking (Vereinigte 44 Dienstleistungsgewerkschaft e.V.) SV Nicolai Woelki (See Krankenkas- 44 se)

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Tagesordnungspunkt 1

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG) BT -Drucksache 16/3100

Tagesordnungspunkt 2 Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Matthias Berninger, Dr. Thea Dückert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stärkung der Solidarität und Ausbau des Wettbewerbs - Für eine leistungsfähige Krankenversicherung BT -Drucksache 16/1928

Tagesordnungspunkt 3

Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Für Nachhaltigkeit, Transparenz, Eigenverantwortung und Wettbewerb im Gesundheitswesen

BT-Drucksache 16/1997

Tagesordnungspunkt 4 Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.

Dem Gesundheitswesen eine stabile Finanzgrundlage geben

BT-Drucksache 16/3096

haben nach der Ein bringung des Gesetzent- (Beginn: 15.00 Uhr) wurfs am 27. Oktober beschlossen, sich sehr viel Zeit für die Anhörung Ihres Sach- und Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE Fachverstandes zu nehmen. LINKE.): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnung eröffne hiermit die 30. Sitzung des Ausschus- auf: ses für Gesundheit. Dies ist der zweite Teil eines insgesamt 26-stündigen Anhörungsver- Öffentliche Anhörung zu folgenden Vorlagen: fahrens zur so genannten Gesundheitsreform. Wir nehmen uns für die Anhörung heute drei Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU Stunden Zeit. und der SPD

Ich bitte Sie, zu respektieren, dass wir ver- „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des sucht haben, aus den räumlichen Bedin gungen Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenver- das Beste zu machen. Die anderen Anhörun- sicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz gen werden im SPD- bzw. CDU/CSU- – GKV WSG)“ Fraktionssaal stattfinden. Dort sind die Bedin- BT-Drucksache 16/3100 – gungen optimal. Hier sitzen einige Teilnehmer an dieser Anhörung hin tereinander. Wir haben das aber so geregelt, dass sich die Abgeordne- Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, ten und die Sachverständigen so weit wie Matthias Berninger, Dr. Thea Dückert, weite- möglich sehen können. Die Abgeordneten

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rer Abgeordneter und der Fraktion des Abg. Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Meine erste Frage richtet sich an den Einzel- sachverständigen Herrn Schulte, Vorstand des „Stärkung der Solidarität und Ausbau des BKK Landesverbands Bayern. Ziel des Wettbewerbs - Für eine leistungsfähige Entwurfs des GKV-Wettbewerbsstärkungs- Krankenversicherung“ gesetzes ist die wettbewerbliche Ausrichtung BT-Drucksache 16/1928 – der GKV. Ein Instrument zur Erreichung die - ses Ziels sind unter anderem Fusionen der Krankenkassen, auch kassenartenübergrei- Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Müns- fende. Die Betriebskrankenkassen sind histo- ter), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, risch bedingt häufig an ein Unternehmen weiterer Abgeordneter und der Fraktion der gebunden und zählen in der Regel - gemessen FDP an ihrer Mitgliederzahl - eher zu den kleineren Krankenkassen. Inwieweit halten Sie das „Für Nachhaltigkeit, Transparenz, Eigenver- Instrument kassenartenübergreifender Fusio- antwortung und Wettbewerb im Gesundheits- nen für prinzipiell geeignet, den Wettbewerb wesen“ der Kassen in der gesetzlichen Krankenversi- BT-Drucksache 16/1997 – cherung zu beleben? Welche Chancen und Risiken birgt aus Ihrer Sicht dieser eingeleite- te Prozess der kassenartenübergreifenden Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Fusionen insbesondere für kleinere Kassen Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- wie Betriebs- und Innungskrankenkassen? neter und der Fraktion DIE LINKE

„Dem Gesundheitswesen eine stabile Grund- SV Gerhard Schulte: Kassenartenüber- lage geben“ greifende Fusionen sind meines Erachtens BT-Drucksache 16/3096 – wettbewerbsneutral. Wenn man davon aus- geht, dass die Freiwilligkeit der Fusionen tangiert ist, kann man dem Grunde nach auch Sie haben sicherlich schon von dem Verfahren hier zunächst einmal die Frage in den Vorder- gehört: Die Fraktionsmitglieder werden Sie in grund stellen, weshalb kassenarten- einer fest vorgegebenen Reihenfolge befragen. übergreifende Fusionen ermöglicht werden Ich bitte Sie, soweit das nicht durch mich sollen. In der Begründung des Gesetzentwurfs schon geschehen ist, sich für das Protokoll ist zu lesen, dass die Anforderungen an vorzustellen. In diesem Zusammenhang Verwaltung und Organisation bezüglich der bedanke ich mich beim Stenografischen Leistungserbringung durch die Gesetzgebung Dienst recht herzlich dafür, dass er dem der letzten Jahre erheblich erhöht wurden. Das Ausschuss hilfreich unter die Arme greift. ist sicherlich richtig. Daraus allerdings schlie- Neben den Abgeordneten des Ausschusses für ßen zu wollen, dass Fusio nen, auch kassenar- Gesundheit begrüße ich recht herzlich die tenübergreifend, eine Möglichkeit sind, um Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregie- diesen Anforderungen gerecht zu werden, rung, voran den Parlamentarischen Staatssek- halte ich für verfehlt. retär Herrn Schwanitz und den Staatssekretär Dr. Schröder. Vertreter des Bundesrates sind Die Betriebskrankenkassen, die ja schon heute nicht anwesend. aufgrund ihrer Zahl Hauptziel einer kassen- artenübergreifenden Fusion sind, haben auf Wir beginnen nun mit der Anhörung. Zu- die aktuelle Situation der Gesetzgebung längst nächst hat die Fraktion der CDU/CSU das reagiert. Wir haben beispielsweise Vertragsar- Fragerecht. beitsgemeinschaften gebildet, in denen zum Teil 150 Betriebskrankenkassen ihre Vertrags- strategie verbindlich abstimmen. Das gilt

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gerade für wettbewerbsrelevante Bereiche wie Ferner interessiert mich, inwieweit Sie zur Disease-Management-Programme, Integrati- Vermeidung monopolartiger Strukturen onsversorgung, Arzneimit telrabatte und viele flankierende Rechtsvorschriften für erfor- andere Sachverhalte. Ich darf in diesem derlich halten. Wenn ja: Sollte das Gesetz Zusammenhang darauf hin weisen, dass gegen Wettbewerbsbeschränkungen zumin- beispielsweise die Vertragsar- dest analog Anwendung finden? beitsgemeinschaft Bayern der Betriebskran- kenkassen drei- bis vie rmal so viele Versi- Eine weitere Frage lautet: Welche rechtlichen cherte vertritt wie die größte deutsche Kran- Fragen müssen aus Sicht der Kassen geklärt kenversicherung. werden, wenn kartellrechtliche Regelungen auf Kassenfusionen Anwendung finden Im Übrigen ist von Chancen und Risiken die sollten? Rede. Als Chance ist vielleicht zu betrachten, dass eine Krankenkasse, die in ihrem Verband keinen Fusionspartner findet, einen entspre- SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- chenden Partner in einem anderen Verband Bundesverband): Wir sind der Meinung, das finden könnte. Das würde ich grundsätzlich ist ein guter und richtiger Weg. Es ist dabei als positiv bewerten. Risiken sind bei kassen- aber einiges zu bedenken. Zu bedenken ist artenübergreifenden Fusionen zweifelsohne zum Beispiel, dass man sich damit auseinan- darin zu sehen, dass die Kenntnis über mögli- der setzen muss, wann kartellrechtliche und che Haftungsrisiken, solange sie noch beste- wann sozia lrechtliche Fragen auftreten. Das hen, in einer anderen Kassenart - jedenfalls bis ist nicht eindeutig geklärt. zum Zeitpunkt der beabsichtigten Fusion - nicht vorhanden ist. Deswegen halte ich die Wir halten die Frist von drei Jahren, in nerhalb Regelung, dass der kleinere Verband die derer jemand in Haftung genommen wird, für Mitgliedschaft in seinem Bereich ablehnen zu kurz. Darüber wird man noch einmal kann, wenn der Nachweis vorhanden ist, dass nachdenken müssen. Den Weg halte ich aber die finanziellen Grundlagen gefährdet sind, für richtig. Ich glaube nicht, dass es zu we- für problematisch. Die Gefährdung erkennt sentlichen wettbewerblichen Verzerrungen man häufig nicht schon zum Zeitpunkt der kommt. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob Fusion, sondern sie stellt sich erst im weiteren das schon der Bereich ist, bei dem man über Verlauf heraus. Ich bin also der Auffassung, das Kartellrecht nachzudenken hat. Die Frage man sollte diesen Halb satz streichen und es ist nämlich, ob es hier überhaupt Anwendung bei einer schlichten Entscheidung des kleine- findet. Das ist noch offen und muss überprüft ren Verbandes belassen. werden. Unter der Voraussetzung, dass es eine entsprechende Überprüfung gibt, kann man Insgesamt meine ich, dass kassenarten- diesen Weg gehen. übergreifende Fusionen nicht das zentrale Problem dieses Gesetzentwurfs sind. Wir werden damit vernünftig umgehen können. SVe Dr. Doris Pfeiffer (VdAK(AEV): Vom Grundsatz her kann man diesen Weg gehen, um die Möglichkeiten der Kassen zu Abg. Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): verbessern. Allerdings muss man natürlich Meine zweite Frage richtet sich an die Spit- grundsätzlich die Frage stellen, ob Fusionen zenverbände der Krankenkassen. Wie beur- an sich etwas Positives sind und ob allein die teilen Sie die kassenartenübergreifenden Größe im Markt entscheidend ist. Dass hier Fusionen, insbesondere im Hinblick auf die die Möglichkeiten erweitert werden, hat zur beabsichtigte Steigerung des Wettbewerbs und Konsequenz, dass man möglicherweise zu der Effizienz? Drohen infolge von Fusionen Größenordnungen kommt, die zu marktbeherr- die Entstehung und/oder die Stärkung markt- schenden Stellungen führen. Ich kann nur das beherrschender Stellungen einzelner Kassen? unterstreichen, was Herr Ahrens angesprochen

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hat, nämlich dass wir die Sicherheit haben SV Jürgen Brennenstuhl (Betriebskranken- müssen, dass monopola rtige Strukturen kassen im Unternehmen e.V.): Ich bin Vor- vermieden werden. stand der Daimler-Chrysler BKK und spreche hier für den Verein Betriebskrankenkassen im Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkun- Unternehmen. Ich stimme Herrn Schmeinck gen findet momentan keine Anwendung, weil zu. Auch wir sehen hier eine wettbewerbliche es für Körperschaften des öffentlichen Rechts Neutralität, wenngleich sachliche Gründe für nicht gilt. Hier müssten analoge Regelungen kassenübergreifende Fusionen sicherlich im geschaffen werden. Es muss vor allem klarge- Einzelfall genau zu prüfen wären. Ansonsten stellt werden, wie die Möglichkeiten der entspricht es den wettbewerblichen Grundsät- Aufsichtsbehörden aussehen. Es stellt sich zen, die wir in vollem Umfang unterstützen. auch die Frage, was die Grundlage für die Prüfung einer solchen marktbeherrschenden Stellung ist. Wird das zum Beispiel am SV Rolf Stuppardt (IKK-Bundesverband): Umsatz festgemacht? Hier sind also einige Diese kassenartenübergreifenden Fusionsmög- Fragen zu klären, um eine marktbeherrschen- lichkeiten unterstützen im Grunde genommen de Stellung zu verhindern und dieses Vorge- den schon bestehenden Konzentrationsprozess hen rechtlich abzusichern. innerhalb der Krankenkassenlandschaft. Er soll dadurch wahrscheinlich etwas beschle u- nigt werden. Ergänzend möchte ich aber SV Wolfgang Schmeinck (BKK Bundesver- darauf hinweisen, dass man bezüglich der band): Wie meine drei Vorredner halte auch Effektivität und der Effizienz nicht automa- ich Fusionen zunächst einmal für wettbe- tisch annehmen sollte, dass eine kassenarten- werbsneutral. Sie sind aber ein gutes Instru- übergreifende Fusion automatisch zu mehr ment, um Kassen aus einer Verschuldungsver- Wirtschaftlichkeit führt. Es gibt eine ganze legenheit zu helfen und um möglicherweise Reihe von Untersuchungen, die zeigen, dass hinreichend Nachfragemacht unter den neuen ein großes Gebilde nicht unbedingt effizienter Verhältnis sen, die dieses Gesetz schafft, zu oder effektiver ist als kleinere Organisatio nen. erzeugen. Das gilt für Fusionen schlechthin. Die Vorbehalte, die wir als BKK Bundesver- Ich - wie auch meine Vorredner - habe Zwei- band eine ganz Zeit lang gegen kassenarten- fel, ob der Zeitraum von drei Jahren ausreicht, übergreifende Fusionen hatten, bezogen sich um auszuschließen, dass sich Kassen ihren auf die damals nicht geklärten Haftungsfra- bisherigen Verpflichtungen, was die kassenin- gen. Diese scheinen mir in diesem Gesetzent- ternen Lasten angeht, entziehen. Das muss wurf weitestgehend geklärt zu sein. man noch einmal überdenken. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass sich diese kassenarten- Bedenken haben wir auch bezüglich einer übergreifenden Fusionen erst dann realistisch ausreichenden Wirkung der Dreijahresnach- umsetzen lassen, wenn man die noch offenen lauffrist. Wir haben einmal kalkuliert, wann Fragen, die sich im sozialrechtlichen Bereich möglicherweise die letzten Gerichtsverfahren ergeben - zum Beispiel die Fragen der Haf- für unsere internen finanziellen Hilfen aus- tung -, noch besser klärt, als dies bis jetzt der laufen werden. Das könnte, ohne pessimistisch Fall ist. Dazu gehört auch das Verhältnis zwi- zu sein, durchaus 2011 sein. Die ersten schen den staatlichen Aufsichten und den kassenartenübergreifenden Fusionen sind Kartellbehörden. Das ist in diesem Gesetz- 2007 möglich, sodass die Frist von drei Jahren entwurf noch offen und müsste noch ausrei- schon im Jahre 2010 abgelaufen wäre. Unsere chender geklärt werden. Ansonsten sind die Bitte ist, die Dauer von drei Jahren noch Wirkungen nach meinem Dafürhalten relativ einmal zu überdenken. neutral.

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SV Rolf Stadié (Knappschaft): Im vorliegen- letztlich das Existenzrecht dieser Art von den Gesetzentwurf ist für die Knappschaft Krankenkassen. Hier brauchen die deutschen keine Fusionsmöglichkeit vorgesehen. Inso- Unternehmen einen entsprechenden fern erübrigt sich für uns eine Stellungnahme. Dienstleister im Unternehmen. Deshalb gibt es die Entscheidung für die geschlossenen Kassen. Daher begrüßen wir die vorliegende Abg. Max Straubinger (CDU/CSU): Ich Regelung als sachgerechte Entscheidung für habe eine Frage an die BKK im Unternehmen, diese Art von Kassen. an die IKK und an Herrn Schulte. Grundsätz- lich müssen die Betriebs- und Innungskran- Wir reden hier über etwa 55 Betriebs- kenkassen für Versicherte im Kassenbezirk krankenkassen mit etwa 1 Million Versicher- wählbar sein. Für derzeit geschlossene Be- ten. Das bedeutet, dass wir letztlich kein triebs- und Innungskrankenkassen gilt eine richtiger Wettbewerber sind. Unsere Wettbe- Ausnahmeregelung. Wie beurteilen Sie diese werbssituation ist so, dass wir mit allen ande- Regelung und wie sehen Sie die Zukunfts- ren Krankenkassen um Versicherte im Betrieb perspektiven der geschlossenen Kranken- konkurrieren, uns aber als geschlos sene kassen im wettbewerblich ausgerichteten Kassen nicht am allgemeinen externen Markt gesetzlichen Gesundheitssystem? Eine Zu- beteiligen. Daher sehen wir diese Ent- satzfrage: Ist es unter dem Wettbewerbsge- scheidung eher als Nachteil für unsere Kas- sichtspunkt überhaupt notwendig, hier eine senart an. Die Unternehmen respektieren sie neue Vorschrift zu erlassen? aber und unterstützen sie mit Blick auf die betriebliche Nähe und die anderen Vorteile der Kassen. SV Jürgen Brennenstuhl (Betriebskranken- kassen im Unternehmen e.V.): Zum Thema Was uns Sorge bereitet, ist die Befristung der der so genannten Öffnungsverpflichtung will Möglichkeit dieser Kassen bis zum Jahre ich sagen: Wir halten es in der Tat für sach- 2008, sich zu öffnen. Wir halten eine solche gerecht, dass für bisher geschlossene, also auf Befristung der Öffnungsoption für einerseits das jeweilige Trägerunternehmen beschränkte, überflüssig und andererseits nicht zielführend. Betriebskrankenkassen eine Aus- Denn bisher galt die, wie wir meinen, sachlich nahmeregelung gilt; denn letztlich gilt es hier korrekte Regelung, dass sich die Selbstverwal- zu berücksichtigen, dass die Entscheidung tung einer Betriebskrankenkasse, die ge- über die Existenz einer geschlossenen Kasse schlossen ist, für eine Öffnung entscheiden und damit auch über ihre Betriebsbezogenheit kann. Dieses Optionsrecht sollte erhalten vom Trägerunternehmen und von der jeweili- bleiben. Andernfalls haben wir die Sorge, dass gen Selbstverwaltung ausgeht. Das bedeutet, sich Unternehmen möglicherweise vorschnell dieses Unternehmen hat bewusst eine Ent- für eine Öffnung entscheiden, ohne die scheidung getroffen, seine Betriebskranken- sachlichen Gründe abzuwägen. Daher gilt es, kasse auf den Betrieb zu beschränken, wie das diese Öffnungsoption aufrechtzuerhalten und früher für Betriebskrankenkassen obligato- im Übrigen sicherzustellen, dass sich mög- risch war. Deshalb betrachten wir uns auch als lic hst viele der deutschen Unternehmen für die tradit ionelle Betriebskrankenkassen. betriebliche Sozialpolitik engagieren. Die betreffenden Kassen sollten im Prinzip Eine Öffnung würde die Vorteile, die aus der geschlossen gehalten werden, wenn das der Nähe zum Trägerunternehmen und zu den Zielrichtung und der Entscheidung dieser Versicherten vor Ort resultieren, natür lich Kasse entspricht. gegenstandslos machen und beseitigen. Diese Nähe, der Bezug zum Unternehmen, insbe- sondere unsere Modelle zur betriebliche SV Rolf Stuppardt (IKK-Bundesverband): Gesundheitsförderung und Prävention - Aus meiner Sicht sind die vorgesehenen Stichwort: alternde Belegschaften - begründen Regelungen durchaus akzeptabel. Ich kann

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auch der Auffassung meines Vorredners triebskrankenkasse wird sich sicherlich in folgen, denjenigen Kassen, die sich für eine Grenzen halten. Beschränkung ihrer Versicherten auf das Unternehmen entschie den haben, die Mög- Was die Begrenzung der Öffnungsmöglichkeit lichkeit zu geben, sozusagen als Solidarge- für noch geschlossene Betriebs- und Innungs- meinschaft unter sich zu bleiben. Es spricht krankenkassen angeht, möchte ich darauf nichts dagegen, dass sie die Option, sich hinweisen, dass wir in der Vergangenheit die später öffnen zu können, haben. Bei den Erfahrung gemacht haben, dass aufgrund von Wahloptionen sind und bleiben geschlossene Veränderungen insbesondere in großen Krankenkassen im Wettbewerb. Bei Einbahn- Konzernen, was die Arbeitgebereigenschaft straßenkrankenkassen im Sinne einer zielspe- gegenüber den Versicherten einer Betriebs- zifisch ausgerichteten Solidargemeinschaft krankenkasse angeht, häufig nicht unbedingt kann ich das nachvollziehen. der Wunsch der Betriebskrankenkasse nach Öffnung maßgeblich war, sondern dass Es ist die Frage gestellt worden, welche schlicht und einfach Unterneh- Probleme die Optionsmöglichkeit im wettbe- menskonstellationen entscheidend waren, die werblich ausgerichteten Gesundheitssystem als einzigen Weg eine Öffnung der Be- mit sich br ingt. Diese muss nicht unbedingt zu triebskrankenkassen offen gelassen haben, um großen Problemen führen, wenn die Rahmen- den Mitgliederbestand zu halten. Insofern bedingungen ansonsten stimmen. Sollte eine würde ich aus sachlichen Gründen dafür solche Krankenkasse Probleme bekommen, plädie ren, dass auch nach 2009 den ge- wird es Möglichkeiten geben, sie durch andere schlossenen Betriebs- und Innungskranken- Regelungen sozusagen aufzufangen. kassen die Öffnungsoption zu einem späteren Zeitpunkt erhalten bleibt.

SV Gerhard Schulte: Ich teile die vorge- tragene Auffassung der Betriebskrankenkas- Abg. Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): sen im Unternehmen, möchte aber in diesem Meine Frage richtet sich an Herrn Dr. Straub. Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Wie bewerten Sie die vorgesehene Rolle und Öffnungsregelungen in diesem Gesetzentwurf die innere Struktur des Spitzenverbandes insgesamt nicht konsistent sind. In Art. 39 des Bund der Krankenkassen und welche Aus- Gesetzentwurfs wird das Öffnungsmoratorium wirkungen auf den Wettbewerb zwischen den für neu gegründete Betriebskrankenkassen einzelnen Kassen erwarten Sie davon? verlängert. In Art. 40 wird es ab dem 1. April 2007 der Knappschaft und der Seekasse In diesem Zusammenhang habe ich noch eine ermöglicht, sich zu öffnen. Schließlich können Frage an die Spitzenverbände, wobei ich um Ersatzkassen schon immer ihren Bezirk und eine Antwort von Herrn Dr. Ahrens, Frau Dr. damit auch ihr Spektrum selbst bestimmen. Pfeiffer und Herrn Schmeinck bitte: Lässt sich mit einem Spitzenverband Bund die Beseiti- Eine kleine Arbeiterersatzkasse hat vor einem gung von Blockaden und Ineffizienzen in der Jahr den Bezirk erweitert und ihre Mitglieder- Entscheidungsfindung der Selbstverwaltung zahl von 3 000 auf 50 000 erhöht, natürlich beseitigen? Vielleicht können Sie auch noch nicht in Berlin oder in Hamburg, sondern in etwas zu der Verteilung der 32 Sitze im Bayern und Baden-Württemberg. Wenn Sie Verwaltungsrat sagen, die Sie in der schriftli- eine konsistente Öffnungsregelung wünschen, chen Stellungnahme gemeinsam kritisieren. dann empfehle ich, Art. 39 zu streichen. Es handelt sich im Übrigen nur um eine Betriebs- krankenkasse mit 1 100 Mitglie dern, die unter SV Dr. Christoph Straub: Zunächst möchte diesen Artikel fällt. Die Furcht der Ortskran- ich daran erinnern, dass am Anfang des kenkassen und Ersatzkassen vor dieser Be- Gesetzgebungsverfahrens auch Spit- zenverbände in den Ländern vorgesehen

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waren. Wir sind froh, dass es diese zusätzli- kommen könnte. Das wäre mit Sicherheit die chen 16 Verbände nicht geben soll, weil wir schlechteste Situation. darin die Gefahr gesehen hätten, dass wett- bewerbliches Handeln auf der Landesebene deutlich erschwert worden wäre. SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- Bundesverband): Es ist falsch, als Begründung Übrig geblieben ist jetzt der Spitzenverband für die Bildung eines Spitzenverbandes eine Bund, der als Körperschaft an die Stelle der ansonsten bestehende Blockade zu nennen. Es bisherigen sieben Spitzenverbände treten soll. gibt keine Blockade durch die Spitzenverbän- Wenn man mit dem Gesetz den Weg konse- de. Wir haben allerdings Schwierigke iten, quent gehen will, Fusionen über Kas- wenn es darum geht, mit den Ärzten und senartengrenzen hinweg zu erleichtern, dann Krankenhäusern zu irgendwelchen Lösungen ist es folgerichtig, eine neue Organisation an zu kommen. Wir haben Schwierigkeiten, dieser Stelle einzuführen und eine moderne wenn es darum geht, die Einführung der und zeitgemäße Organisationsform zu suchen. Gesundheitskarte voranzutreiben. Das liegt Ich bin aber der Auffassung, dass man es in aber daran, dass wir und die Leistungserbrin- einem wettbewerblichen System den Akteuren ger sowie andere Beteiligte unterschiedliche weitgehend selbst überlassen sollte, sich zu Interessen haben. Die Begründung, die hier organisieren. herangezogen wird, ist also ebenso falsch wie die Einführung des Spitzenverbandes. Ich bin nicht von vornherein gegen einen gemeinsamen Verband, der wettbewerbs- Die Schaffung eines Spitzenverbandes wird neutrale Aufgaben wahrnimmt, zum Beispiel dazu führen, dass das, was wir haben wollen, bei der Festlegung von Festbeträgen für Arz- nämlich mehr Wettbewerb, konterkariert wird. neimittel, bei Fragen der Qualitätssicherung, 70 Prozent der Leistungen werden dort bei der Ausgestaltung von Tarifsystemen. Das festgelegt. Es werden Entscheidungen getrof- alles sind Aufgaben, die eindeutig gemeinsam, fen, die von einem föderalen Sys tem weg und einheitlich und wettbewerbsneutral erledigt hin zu einem zentralen System führen. Ich werden müssen. Unsere Sorge besteht darin, kann nur dringend raten, die Begründung zu dass der Dachverband mit der Zeit zu einem überdenken und von einem solchen Spitzen- dirigistischen Steuerungsele ment werden verband Abstand zu nehmen. könnte. Er hat heute bezüglich der Planung ein recht umfangreiches Aufgabenspektrum. Das Ihre Frage, ob die Zusammensetzung den ist eine Ballung von Macht, auf die man Aufgaben des Spitzenverbandes gerecht wird, achten muss. macht deutlich: Der Spitzenverband kann in dieser Zusammensetzung nicht funktionieren. Was die Zusammensetzung des Spitzen- Das ist vielleicht auch der Grund, warum man verbandes Bund hinsichtlich der Mitglieder- ihn so völlig unterschiedlich hat konstruieren versammlung und des Verwaltungsrates wollen: Einmal waren es die jetzigen Spitzen- angeht, erscheint uns die Lösung im Gesetz- verbände, die ihn bilden sollten, dann waren entwurf noch nicht ideal. Das sollte hinsicht- es Kassen mit über 1 Million Versicherte, lich des Proporzes der beteiligten Organisa- dann wiederum waren es alle Kassen. Wie das tionen und der direkten Vertretungen noch funktionieren soll, das kann man sich nur einmal überdacht werden. schwer vorstellen. Deshalb kann ich nur raten, davon Abstand zu nehmen. Eine weitere Sorge besteht darin, dass es am Ende des Diskussionsprozesses zu einer Kombination von Spitzenverband Bund und SVe Dr. Doris Pfeiffer (VdAK/AEV): Ich den heutigen Spitzenverbänden ohne klare kann mich den Worten von Herrn Ahrens nur Trennung der Aufgaben und Funktionen anschlie ßen. Er hat die Schwierigkeiten am Beispiel der Einführung der elektronischen

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Gesundheitskarte schon aufgezeigt. Als weiteres Beispiel wurde der Gemeinsame Bundesausschuss genannt. Hier geht es um SV Wolfgang Schmeinck (BKK Bundesver- den Interessenausgleich zwischen Leistungs- band): Es ist bereits zweimal gesagt worden: erbringern und Krankenversicherungen. Dass Interessengegensätze zwischen Leistungserb- hier unterschiedliche Interessen zutage treten, ringern und Krankenkassen löst man nicht ist nachvollziehbar. Ich finde, dass wir in dadurch, dass man auf Krankenkassenseite diesem Bereich immer Wege gefunden haben, einen einzigen Dachverband organisiert. Ich aus den Schwierigkeiten herauszukommen. Es erin nere mich nur an zwei Fälle, seitdem es lag aber nie an den Spitzenverbänden, dass das gemeinsame Entscheidungsgremium der keine gemeinsamen Entscheidungen der Spitzenverbände nach § 213 SGB V gibt, in Beteiligten getroffen wurden. Deshalb ist die denen wir uns in der ersten Runde nicht einig Begründung, dass mit dieser Regelung Blo- geworden sind. Das Suchen nach Kompro- ckaden und Ineffizienzen in der Entschei- missen hat jeweils - die Geschäftsordnung dungsfindung beseitigt werden sollen, falsch. schreibt das vor - weniger als vier Wochen gedauert. Insofern läuft auf der Kassenseite Im Übrigen ist nicht absehbar, ob das zu- die Ein igung bisher wie geölt. Ich bin ge- künftig besser werden würde. Denn es stellt spannt, wie das im Dachverband aussieht. sich die Frage, wie beispielsweise die Inte- ressen der Einzelkassen in diesem Spitzen- Was die Verteilung der Sitze angeht, ha ben verband eingebracht werden können. Heute die Betriebskrankenkassen vor allem das geschieht dies über die Spitzenverbände. In Problem, dass sie nur sehr unsymmetrisch gemeinsamen Gremien kommt man dann zu Arbeitgeber- und Versichertenvertreter in gemeinsamen Entscheidungen. Es gab wohl diesen Dachverband entsenden können. Der die Einigung in der Koalition, dass dieser Grund ist allen Beteiligten klar: Die Er- Spitzenverband einige wenige Aufgaben satzkassen haben keine Arbeitgebervertreter. übernehmen soll. Ich habe hier eine Liste mit Ich persönlich neige dazu, die im Ge- 118 Einzelaufgaben, die dem Spitzenverband setzentwurf vorgesehene Verteilung als einen Bund übertragen werden sollen. An dieser Kompromiss aufgrund der verschiedenen dreiseitigen, sehr eng bedruckten Liste kann bestehenden Friktionen zu sehen. Ich könnte man sehr deutlich sehen, dass sämtliche ihn aber akzeptieren. Aufgaben demnächst von dem Spitzenverband Bund wahrgenommen werden sollen. Dadurch entsteht das Problem, das Herr Dr. Straub Vorsitzende Dr. Martina Bunge (DIE LIN- ansprach, nämlich dass die Möglichkeiten der KE.): Wir kommen nun zur ersten Fragerunde Kassen, im Wettbewerb ihre Handlungsspie l- der SPD-Fraktion. räume zu nutzen, sehr begrenzt werden.

Die Verteilung der Sitze im Verwaltungs rat ist Abg. Dr. Carola Reimann (SPD): Ich möchte uns völlig unerklärlich. Für die Ersatzkassen eine Frage zu den Fusionen an Frau Bohlen- sind lediglich acht Sitze, aber für die AOK 12 Schöning stellen. Ich möchte wissen, ob die Sitze vorgesehen. Dies halten wir nicht für Konzepte, die die fusionswilligen Kranken- angemessen. Angemessen wäre es, die Vertei- kassen zur Organisation, zur Personal- und lung der Sitzung entsprechend den Marktan- Finanzstruktur der neuen Kasse Ihnen vor- teilen der Beteiligten durchzuführen. stellen, eine taugliche Grundlage dafür dar- stellen, um die Auswirkungen einer Fusion beurteilen zu können. Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.): Ich begrüße an dieser Stelle Frau Von den Spitzenverbänden - es müssen nicht Staatssekretärin Caspers-Merk in unseren alle antworten - hätte ich gerne Folgendes Reihen. gewusst. Wir haben gehört, dass alle die

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Fusionsmöglichkeiten begrüßen. Muss es da SV Dr. Rainer Hess (Gemeinsamer Bundes- noch weitere konkrete Erleichterungen geben? ausschuss): Herr Abgeordneter, man muss sich darüber im Klaren sein, dass es bei der Reform des Gemeinsamen Bundesausschusses SVe Sylvia Bohlen-Schöning (Bundesversi- nicht pr imär um eine Besetzungsentscheidung cherungsamt): Die Fusionskonzepte stellen geht, sondern um eine Strukturentscheidung. insofern eine relativ taugliche Grundlage dar, Es geht nämlich darum, wie dieser Bundes- als wir in der Verwaltungspraxis in den letzten ausschuss rechtlich systematisch eingeordnet Jahren dazu übergegangen sind, mehr zu ist. Bisher war es ein Ausschuss der gemein- fordern, als es der Gesetzeswortlaut hergibt. samen Selbstverwaltung. Das heißt, er ist von Das betrifft den Zweck der Kontrolle oder die unten nach oben aufgebaut. Die Ärzte wählen Verlegung von Sitzen. All diese Dinge prüfen ihre Vertreter in die kassenärztlichen Vereini- wir mit. Wir beschränken uns also nicht auf gungen, die kassenärztlichen Verein igungen die jetzige sehr eng gefasste Prüfungsmög- wählen ihre Vertreter in die Kassenärztliche lichkeit, die der Gesetzeswortlaut hergibt. Bundesvereinigung und die Kassenärztliche Bundesvereinigung wählt ihre Repräsentanten in diesen Ausschuss. Das Gleiche gilt für die SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- Krankenkassen und indirekt auch für die Bundesverband): Frau Abgeordnete, wir Krankenhäuser. Auch da gibt es einen Auf bau haben bereits darauf hingewiesen, dass wir von unten nach oben. Das ist Selbstver- bezüglich der kassenartenübergreifenden waltung. Fusionen anregen, dass man den Zeitraum der Nachhaftung erweitert; denn er ist zu kurz. Selbstverwaltung heißt, die Angelegenheiten Bei den internen Fusionen halten wir es für selber zu regeln. Machen wir es so, wie es im sehr richtig, dass es da keines Staatsvertrags Gesetzentwurf vorgesehen ist, dann gibt es mehr bedarf. Nach unserer Ansicht war es diese Legitimation nicht mehr. Die Selbstver- vorher schon klar; aber insbesondere die waltung im Ausschuss soll ja gerade abge- Länder sahen das anders. Wir begrüßen, dass schafft werden. Ein Interessenausgleich im das jetzt klargestellt ist. Wir sind allerdings Ausschuss soll nicht mehr stattfinden. Denn der Meinung, dass die Vorlage von Unterlagen nach der Begründung ist völlig klar: Der für eine inhaltliche Prüfung, die dann von Interessenausgleich soll aus diesem Ausschuss Aufsichten durchgeführt werden soll, nicht ausgegliedert werden. Damit haben Sie nicht nur überflüssig ist, sondern auch gegen die mehr die Selbstverwaltung, in der die Kräfte Selbstverwaltung der Kassen verstößt, da es gegeneinander gestellt werden, um sich sich dort um ein operatives Geschäft handelt. auszugleichen, sondern es sitzen dort neun Vertreter, die zwar von der Selbstverwaltung noch vorgeschlagen werden, die aber hinterher Abg. Eike Hovermann (SPD): Ich möchte mit der Selbstverwaltung an sich nichts mehr eine Frage an Herrn Dr. Hess, an Herrn Dr. zu tun haben sollen. Köhler, an einen Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft und an einen Vertre- Es sollen auch Unabhängige dort hinein- ter der Kassen stellen. Wird die vom Gesetz- kommen können. Nun stellen Sie sich vor, entwurf intendierte und behauptete strin- dort würde eine Entscheidung für die Zahn- gentere Organisation des Gemeinsamen ärzte getroffen werden müssen. Niemand von Bundesausschusses dazu führen, dass dessen Ihnen käme auf die Idee, zu sagen, dass das Arbeit effektiver und effizienter gestaltet noch eine Entscheidung der zahnärztlichen werden kann? Herr Dr. Hess, bitte erlä utern Selbstverwaltung oder der gemeinsamen Sie das am Beispiel der Rolle der Hauptamt- Selbstverwaltung von Krankenkassen und lichen und der Festsetzung des Beitragssatzes. Zahnärzten ist. Denn in dem Ausschuss sitzt gar kein Zahnarzt mehr, allenfalls einer. In der Begründung selber steht: Der Interes-

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senausgleich findet nicht im Entscheidungs- man die Zahl der Kassenvertreter und damit gremium statt; diesen regeln wir über Rechts- automatisch die Zahl der Ärztevertreter und verordnungen - das müssen Sie ein mal genau Krankenhausvertreter reduziert. Die hohe Zahl nachlesen - auf der Ebene unterhalb des der Vertreter im Bundesausschuss ist nur Entscheidungsgremiums. Damit ist völlig klar, wegen der Krankenkassen zustande gekom- dass man eine neue Legitimation hat. Die men. Es war nämlich der Proporz der Kran- Legitimation dieses Ausschusses ist die kenkassen, der zu diesen neun Mitgliedern Rechtsverordnung. Das heißt, sie wird vom geführt hat. Staat gesetzt und nicht mehr von der Selbst- verwaltung aufgebaut, indem die Selbstver- Man kann natürlich dann unter Umständen waltung selber ihre Gremien bildet und diese mithilfe der Funktion der Unparteiischen Gremien dann sozusagen das verkörpern, was weitere Straffungen herbeiführen, indem die die Kassenärztliche Bundesvereinigung eben Unparteieischen die Unterausschüsse le iten. ausmacht. Damit kann eine gewisse Stabilität bei sek- torübergreifend besetzten Unterausschüssen Herr Köhler vertritt die Kassenärztliche herbeigeführt werden. Denn über eines muss Bundesvereinigung im Vorstand. Wenn Sie man sich im Klaren sein: Alle dreiseitig be- ihn aus dem Bundesausschuss hinauswerfen setzten Ausschüsse können nicht mehr mit und ihm nur noch die Möglichkeit geben, wechselndem Vorsitz tagen. Wir haben ja einen Sachverständigen zu benennen, dann ist beim Ausschuss, der § 116 b behandelt hat, das nicht mehr die Selbstverwaltung der leidvoll erlebt, dass man dann, wenn drei Kassenärztlichen Bundesverein igung. Das- zusammenkommen, nämlich Krankenkassen selbe gilt für die Krankenkassen und die auf der einen Seite, die DKG und die KBV auf Krankenhausträger. Sie müssen sich darüber der anderen Seite, mit einem wechseln den im Klaren sein, welche politische Entschei- Vorsitz keine Ein igung herbeiführen kann. dung Sie hier treffen. Man kann das wollen; Dann ist es besser, man hat Unparteiische, die aber dann sollte man es auch sagen. Man diesen Vorsitz übernehmen. Das kann man sollte nicht so tun, als ob das noch irgendet- alles machen; denn das würde an der Systema- was mit Selbstverwaltung zu tun hätte. tik Selbstverwaltung nichts ändern. Also: Straffung ja, durchaus auch eine neue Struktur Natürlich können Sie sagen, Sie wollen gar der Ausschussarbeit - da gibt es Vorschläge keine Selbstverwaltung mehr in einem Norm der Krankenkassen und des Gemeinsamen setzenden Gremium, sondern lieber einen Rat Bundesausschusses -, aber zerstören Sie nicht der Weisen, in dem auch Professoren sitzen das System Selbstverwaltung, weil Sie damit können, die dann die Entscheidungen treffen. den Bundesausschuss in eine Legitimations- Was Sie damit auslösen, sind Konflikte. krise stürzen. Darüber müssen Sie sich im Klaren sein. Denn das, was dieser Rat der Weisen beschließt, Hauptamtler lösen keine Konflikte, sondern muss nicht unbedingt die Akzeptanz derjeni- sie schaffen Konflikte, weil sie natürlich eine gen finden, die nach wie vor Selbstverwaltung neue Schnittstelle einziehen. Wenn Sie über betreiben müssen. Rechtsverordnungen den Interessenausgleich unterhalb der Ebene der Hauptamtler durch- Daher sagen wir als Bundesausschuss: Es ist führen wollen, dann erzeugen Sie doch eine richtig, dass man die Strukturen strafft, wobei neue Schnittstelle. Dann müssen die Unteraus- man sagen muss, dass Sie die jetzigen Struktu- schüsse in der Selbstverwaltungsbesetzung ren geschaffen haben. Ich war schon immer zunächst einmal ihre eigenen Entscheidungen dagegen, sechs Ausschüsse zu bilden und mit treffen. Das führt nicht zu einer Beschleuni- neun Vertretern zu besetzen. Das hätte man gung; denn es würde gesagt werden: Bevor von Anfang an straffen können. Es ist daher, man sich den Hauptamtlern anvertraut, muss wie gesagt, sehr gut, die ses Gremium zu es doch einen Konsens geben, weil man sonst straffen. Das kann dadurch geschehen, indem gar nicht weiß, wie die Hauptamtler mit den

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Vorschlägen umgehen. - Wer also glaubt, dass Als jemand, der in der Selbstverwaltung groß das zur Beschleunigung führt, der irrt. geworden ist, vertrete ich vehement diese Systematik Selbstverwaltung und glaube, dass Es geht in der Tat nicht um eine Besetzung das deutsche Gesundheitswesen bisher davon mit Hauptamtlichen, sondern es geht um die profitiert hat. Dass auch der Bundesausschuss Frage, was dieser Ausschuss in Zukunft sein davon profitiert hat, können Sie an den beiden soll. Soll er ein Organ der Selbstverwaltung letzten Ge schäftsberichten erkennen. Das ist bleiben, wie der Bewertungsausschuss ein eine Erfolgsgeschichte. Viele bescheinigen Organ der Selbstverwaltung ist? Dann dürfen uns, dass dieser Ausschuss gut gearbeitet hat. Sie die Grundstruktur, dass die Repräsentan- Deswegen meine ich, man sollte die Vorteile ten zu einem Interessenausgleich in diesem der Selbstverwaltung nutzen und sich auf eine Ausschuss kommen, nicht aufheben. Straffung beschränken, aber nicht das ganze System auf den Kopf stellen. Im Übrigen sind wir für eine Straffung der Organe. Wir sind für einen zentralen Aus- schuss. Allerdings sollte man in diesem zen- SV Dr. Andreas Köhler (Kassenärztliche tralen Ausschuss - das verhindert ja gerade die Bundesvereinigung) : Ich kenne weit aus hauptamtliche Besetzung - die Möglichkeit ineffizientere Gremien als den Gemeinsamen haben, dass beispielsweise auf der Leistungs- Bundesausschuss, zumal dort in den letzten erbringerseite nur Zahnärzte vertreten sind, zwei Jahren viele schwierige leis- wenn ein Beschluss über eine reine Zahnarzt- tungsrechtliche Entscheidungen zu treffen angelegenheit gefasst werden soll. Diese waren. Flexibilität haben Sie, wenn Sie es bei den jetzigen Selbstverwaltungsstrukturen belassen. Die Verbehördlichung wird nicht zur Effizienz Diese Flexibilität haben Sie nicht mehr, wenn beitragen, weil es zu einer Entfremdung die Stellen hauptamtlich besetzt werden. Denn zwischen den Trägerorganisationen und dem die Hauptamtler haben keine Vertreter; sie Gemeinsamen Bundesausschuss kommt, was können sich nur gegenseitig vertreten. die Beschlüsse angeht. Die Verpflichtung, diese Beschlüsse umzusetzen, ergibt sich doch Mit dem von uns eingebrachten Vorschlag daraus, dass wir in den Gremien mitentschei- wird die Struktur erhalten. Damit wird deut- den. Beispielsweise den Beschluss zur Aku- lich, dass es nach wie vor um Selbstverwal- punktur muss die Ärzteschaft umsetzen, tung geht, so störend sie auch manchmal sein gleichwohl sie nicht unbedingt Freund dieses mag. Ich gebe Ihnen gerne Recht, dass die Beschlusses ist. Sie muss es deshalb tun, weil Selbstverwaltung unbequem ist. Sie hat aber sie mitberaten hat und im Entscheidungspro- den großen Vorteil, dass sie Verantwortung zess eingebunden war. Wenn Herr Hess am abnimmt. Was haben Sie von einem Gremi- Montag entscheidet, wer in dieser Woche der um, das seine Legitimation durch Rechtsver- Vertreter der KBV ist, dann ist das nicht mehr ordnungen hat, wenn letztendlich Sie die der Vertreter der KBV und dann wird diese Fachverantwortung tragen müssen, weil das Bindungspflicht nicht mehr gegeben sein. Es Gremium, was seine Zuständigkeit angeht, steht eher zu befürchten, dass Trägerorganisa- von Ihnen abgeleitet ist? Es ist doch viel tionen die Gerichte anrufen und dass wir hier besser für die Politik, ein Gremium zu haben, ineffizienter werden, als wir es bisher waren. das bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, Deswegen lehnen wir diese Verbehördlichung und das unter Ihrer Rechtskontrolle steht, das und Verhauptamtlichung ab. aber die Fachverantwortung für seine Ent- scheidungen, mögen sie noch so unpopulär sein, gegenüber den Versicherten und der SV Dr. Rudolf Kösters (Deutsche Kranken- Bevölkerung vertritt. hausgesellschaft e.V.): Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft spricht sich dagegen aus, die Verhauptamtlichung dieses Ausschus-

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ses einzuführen. Die Gründe sind bereits meine Vorredner. Es ist ein weiterer Baustein ausreichend dargelegt worden. Ein ganz im Gesetzentwurf zur Verstaatlichung und wichtiger Grund wurde gerade von Herrn Vereinheitlichung. Wir haben eben schon über Köhler genannt. Die Selbstverwaltung wird den neuen Spitzenverband Bund gesprochen. dieses Gremium nicht als das eigene Gremium Das ist ein weiterer Schritt in dieser Richtung; ansehen, sondern sie wird sich dahinter Herr Dr. Hess hat es dargestellt. Hier werden verstecken können. Sie fühlt sich im Vorhin- Entscheidungen letztlich über Rechtsverord- ein bei allen schwierigen Entscheidungen nungen getroffen. sozusagen schon exkulpiert. Sie wird dann auch anders mit diesem Gremium umgehen. Wir haben hier zum einen das Problem - das Im Vorfeld wird man sozusagen anders wurde schon ausführlich dargestellt -, dass es ansteuern und dieses Gremium als Objekt der zukünftig nicht mehr der Fall sein wird, dass Politikgestaltung ansehen, sodass wir hier die Entscheidung auch mit der entsprechenden vielleicht mit einem Bruch zu rechnen haben, Verantwortung in die eige nen Organisationen den wir alle nicht wollen. getragen wird. Zum anderen haben wir auch ein rechtliches Problem, nämlich die Legit i- Was sollten wir tun? Straffung - ja. Aber mation der Entscheidungen. Wir haben in der neben der Straffung brauchen wir auch neue Vergangenheit häufiger Prozesse zu den Beschlussregeln in diesem Gremium. In der Verfahren im Ge meinsamen Bundesausschuss Vergangenheit ist es häufig zu schnell zu einer gehabt. Die Rechtsprechung des BSG und des Majorisierung von Minderheiten gekommen. Bundesverfassungsgerichts besagt, dass es Wir müssen überlegen, ob das so weiter einer Legitimationskette bedarf, um den fortgeführt werden kann. Wir plädieren dafür, Bundesausschuss quasi als kleinen Gesetzge- sich die Beschlussregeln noch einmal genau ber ausgestalten zu können. Diese Legitima- anzuschauen und die Majorisierung von tionskette würde durchbrochen. Deswegen einzelnen Gruppen im Gemeinsamen Bundes- bedarf es hier einer Behörde mit den ent- ausschuss nicht so einfach zu machen, wie das sprechenden Eingriffsmöglichkeiten und der heute möglich ist. Aufsicht durch das Ministerium.

Ein anderer Punkt. Die radikale Entkam- Wir sehen bei diesem Punkt daher einen merung des Gemeinsamen Bundesausschusses weiteren Schritt hin zur Verstaatlichung, die sollte noch einmal überdacht werden; denn sich dann eben auch auf die Konkretisierung eine große Anzahl von Themen, die wir dort des Leistungskatalogs auswirkt. Dieser Block beraten, ist nicht unbedingt sek- zusammen mit dem Gesundheitsfonds und torenübergreifend, sondern sehr stark sek- dem einheitlichen Beitragssatz ergibt ein torengebunden angelegt. Wenn Sie jetzt das Gesamtbild. Dies ist der falsche Weg, weil wir Kind mit dem Bade ausschütten und nur noch damit von der selbst verwalteten, pluralen sektorenübergreifende Gremien vorsehen, Krankenversicherung und dem pluralen Ge- dann erschweren Sie in erheblichem Maße die sundheitswesen weg und hin zu einem weit- Arbeitsfähigkeit des Gemeinsamen Bundes- gehend staatlich regulierten System kommen. ausschusses. Hier brauchen wir eine Lösung mit Augenmaß. Die Deutsche Kran- Die inneren Strukturen des Gemeinsamen kenhausgesellschaft hat dazu Vorschläge Bundesausschusses sind ebenfalls ange- gemacht. Ich bitte Sie sehr herzlich, diese zur sprochen worden. Wir haben verschiedene Kenntnis zu nehmen. Vorschläge gemacht, wie man diese Struktu- ren verbessern kann. Dabei ist für mich we- niger entscheidend, wie viele Personen in dem SVe Dr. Doris Pfeiffer (VdAK/AEV): Die Gremium sitzen. Es geht vielmehr um die Spitzenverbände lehnen die Ausgestaltung der Frage, wie viele Unterausschüsse benötigt neuen Entscheidungsstrukturen im Gemein- werden und ob man durch Zusammenfassung, samen Bundesausschuss genauso ab wie Neugliederung und durch eine sek-

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torübergreifende Neugestaltung die Zahl der das ist deswegen der Fall, weil man im Unterausschüsse reduzieren kann. Hier gibt es Einzelnen nicht so genau weiß, was die bereits entsprechende Vorschläge, die wir aber konkreten Dinge, die dort zu tun und zu be- auch selbständig umsetzen können. Daher ist wegen sind, für den Geschäftsprozess der hier keine Notwendigkeit für eine Neugestal- Krankenversicherung vor Ort bedeuten. tung gegeben. Der Verantwortungsbezug ist also aus meiner Im Übrigen ist die Regelung, dass die Verfah- Sicht entscheidend. Sie können nicht diejeni- rensordnung und die Geschäftsordnung gen, die letztendlich für die Kosten und für die ebenfalls vom BMG vorgegeben werden, Leistung geradezustehen haben, aus dem nicht angemessen. Wir haben für den Gemein- Entscheidungsprozess heraushalten und die samen Bundesausschuss diese Sat- Entscheidungsgremien mit Professionellen, zungsregelung in der Vergangenheit selbst wer auch immer damit gemeint sein soll, entwickelt und verabschiedet. Es gibt hier die besetzen; denn diese haben einen ganz ande- Pflicht zur Genehmigung durch das BMG. Die ren Verantwortungsbezug als die jenigen, die ist unseres Erachtens ausreichend, um die in der Selbstverwaltung dafür verantwortlich Rechtsaufsicht zu gewährleisten. sind.

SV Rolf Stuppardt (IKK-Bundesverband): Abg. Dr. Margrit Spielmann (SPD): Meine Für mich ist in die sem Zusammenhang der beiden Fragen ranken sich um die Qualitäts- Begriff des Verantwortungsbezuges ganz sicherung. Sie gehen an die Spitzenverbände entscheidend. Das ist bereits von den Vorred- der Krankenkassen, an die Kassenärztliche nern zum Ausdruck gebracht worden. Sie Bundesvereinigung, an den Gemeinsamen können keine vertretbaren Ergebnisse erwar- Bundesausschuss, an die Deutsche Kranken- ten, wenn diejenigen, die die konkreten hausgesellschaft und an die Verbraucherzent- Leistungen im Gesundheitswesen zu verant- rale. worten haben, nicht auch Mitsprachemöglic h- keit haben. Andererseits können Sie nicht Erste Frage. Der Gemeinsame Bundes- erwarten, dass dieje nigen, die die Finanz- und ausschuss erhält den Auftrag, zukünftig Kostenverantwortung im Gesundheitswesen sektorenübergreifend die Anforderungen an tragen sollen, diese auch tatsächlich tragen, die Qualitätssicherung festzulegen. Halten Sie wenn sie von den Entscheidungsprozessen diese Vorgaben für geeignet, um eine effekti- ferngehalten werden. Um dieses schlimme ve Qualitätssicherung für die Versor- deutsche Wort zu verwenden: Das ist eine gungsbereiche zu fördern und sie auch aus- Frage der Entverantwortlichung. Sie wird zugestalten? dazu führen, dass wir uns auf anderen Ebenen rechtliche Streitereien liefern. Das bringt in Zweite Frage. Ist die sektorenübergreifende unserem Gesundheitswesen nichts. Gestaltung der Qualitätssicherung notwendig, um die Versorgung der Patie ntin nen und Mit der Logik der ordnungspolitischen Um- Patienten insbesondere im Hinblick auf die orientierung, die von der tatsächlichen Ver- Ergebnisqualität beurteilen zu können? antwortung weggeht, ist eine Dysfunktio- nalität auf verschiedenen Ebenen verbunden. Wir werden sicherlich im Zusammenhang mit SVe Dr. Doris Pfeiffer (VdAK/AEV): Die der Organisationsdebatte noch auf das Thema Regelung, die Qualitätssicherung hier zu Funktionsfähigkeit des Systems zu sprechen konzentrieren, unterstützen wir. Wir halten kommen. Das ist ganz wichtig; denn diese eine einheitliche Struktur für den Erlass Organisationsdebatte spielt bisher in den möglichst sektorübergreifender Anforderun- politischen Diskussionen völlig zu Unrecht gen an die Qualitätssicherung für sinnvoll; sie nur eine nachgeordnete Rolle. Ich vermute, ist ein Beitrag zum Bürokratieabbau. Wir

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halten allerdings die ausdrückliche Erwäh- ses die Legitimation für die Eigenbeteiligung nung des Rechts des Gemeinsamen Bundes- der Träger sehen. ausschusses, Min destanforderungen an die Struktur und Ergebnisqualität festlegen zu können, für nicht gerechtfertigt. Es gibt hier SV Dr. Rainer Hess (Gemeinsamer Bundes- schon erfolgreiche Ansätze, mit Mindestan- ausschuss): Es war von Anfang an eine forderungen die Qualität der Versorgung von Fehlentwicklung, den Sektorbezug in der Früh- und Neugeborenen sowie von krebs- Qualitätssicherung völlig außen vor zu la ssen. kranken Kindern zu verbessern. Dem wird Es galt, dem Bundesausschuss die Aufgabe zu hier ohne Not die gesetzliche Basis entzogen. stellen, etwas sektorübergreifend zu regeln, Auch haben regionale Konzepte in der Ver- aber die Qualitätssicherung durch einzelne gangenheit immer wieder dazu geführt, dass in Vorschriften - zahnärztliche, ärztliche, kran- bestimmten Bereichen Ausnahmeregelungen kenhausrechtliche - sehr strikt voneinander zu auf Kosten der Qualität eingeführt und inter- trennen. Das hat dazu geführt, dass wir bei der national anerkannte Mindestanforderungen jetzt eingeführten Qualitätssicherung auf dem unterlaufen worden sind. Das wären Konse- Gebiet der Dialyse rechtlich nicht in der Lage quenzen, die die betroffenen Patienten zu sind, die dafür notwendigen Daten pseudony- tragen hätten. Deswegen sollte es die beste- misiert zusammenzuführen. Gott sei Dank gibt henden Möglichkeiten weiterhin gegeben. es im Gesetzentwurf eine Vorschrift, die uns das gestattet, und das in einem Zeitalter, in Wir sind der Auffassung, dass nur eine dem wir mit DRGs arbeiten, in dem also die sektorenübergreifende Qualitätssicherung die Verwaltungsarbeit im Krankenhaus immer notwendigen Hinweise dafür liefern kann, an weniger wird und in der man in der Tat immer welcher Stelle der Versorgungskette Ver- die Ergebnisqualität sichern will. Dies kann besserungen sinnvoll sind. Im Einzelfall kann man nicht mehr leisten, indem man die Daten es sein, zum Beispiel bei Krebserkrankungen eines zweitägigen Krankenhausaufenthalts schon bei der Früherkennung für eine Quali- zusammenführt; vielmehr braucht man, um tätssicherung zu sorgen. Das Thema hatten wir die Ergebnisqualität sicherzustellen, auch die schon heute Morgen in der Anhörung. Daten der nachfolgenden ambulanten Be- handlung.

SV Dr. Andreas Köhler (Kassenärztliche Es ist ganz wichtig, dass Sie dies jetzt in § 137 Bundesvereinigung) : Wir unterstützen diese regeln. Das ist die Voraussetzung dafür, in Regelung, soweit die Entwicklung von Quali- einem System, das zwischen ambulanter und tätsindikatoren betroffen ist. Alle rdings stationärer Behandlung nicht mehr so stark wollten wir in der Formulierung der Aufgaben trennt, eine Qualitätssicherung durchzuführen, sichergestellt wissen, dass diese Indikatoren die die verschiedenen Leis tungserbringer wissenschaftlich begründet sind. einbezieht, um zu einer Ge samtbeurteilung von Ergebnissen einer strukturierten Behand- Im Übrigen sollte der Bundesausschuss, was lung, die ambulante und stationäre Abschnitte die Beauftragung angeht, dahin gehend hat, zu kommen. eingeschränkt werden, dass das Auftrags- volumen eine eng begrenzte Zahl von Indi- Ich bin der Meinung, dass man die Kompetenz katoren vorsieht. Wir wünschen uns auch, des Bundesausschusses in dieser sektorüber- dass sich die geplante Institution zunächst auf greifenden Form nicht einschränken sollte. eine zusammenfassende und vergleichende Wenn der Bundesausschuss die Kompetenz Auswertung der Ergebnisse und auf deren hat, Qualitätssicherungsrichtlinien zu erlassen, Veröffentlichung beschränkt. Dies sollte auch dann sollte er sie in Bezug auf alle Indikatoren deshalb geschehen, weil wir in der neuen haben. Struktur des Gemeinsamen Bundesausschus-

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Dass wir das nur stufenweise umsetzen eine Gefahr. Es gibt funktionierende Struktu- können, dass das ein längerer Prozess ist, der ren. Alle, die zusammengehören, müssen sich über mehrere Jahre hinziehen wird, eingebunden werden; aber es kann kein dessen bin ich mir ganz sicher. Wir haben mit Selbstzweck sein. Dort, wo es funktioniert - den Vorarbeiten begonnen. Der Bundes- im Beritt, in der Eigenverantwortung der Ver- ausschuss sollte die Zuständigkeit besitzen, bände; Stichwort „ambulantes Operieren“ - die notwendigen Richtlinien für die Leis- stellt sich die Frage: Warum soll die Quali- tungserbringer und die Krankenkassen zu tätssicherung beim ambulanten Operieren, zu erlassen. Für die Umsetzung brauchen wir das dem es als Ergebnis eines Schiedsstel- Institut § 137 a. Die normativen Vorgaben lenverfahrens eine hervorragende gemein same müssen vom Bundesausschuss beschlossen Qualitätssicherungsvereinbarung gibt, je tzt in werden und die operationale Umsetzung muss die Strukturen des Gemeinsamen Bundesaus- über dieses Institut geleistet wird. Alles, was schusses und in den Gesamtprozess einbezo- normativ ist, muss von den normsetzenden gen werden? Gremien beschlossen werden und kann nicht auf das Institut verlagert werden. Wir bitten, differenziert vorzugehen und das Kind nicht wieder mit dem Bade auszu- schütten. In jedem Fall bedarf es einer gleic h- SV Georg Baum (Deutsche Krankenhausge- berechtigten Einbeziehung. Das müsste zur sellschaft e.V.): Ich gehöre zu dem glückli- Folge haben, dass die Qualitäts- chen Bereich des Gesundheitswesens, der ein sicherungsaufgabe des ganzen Systems der Drittel aller Leistungen erfasst und eine niedergelassenen Vertragsärzte von den international anerkannte externe Quali- Krankenhäusern gleichberechtigt entschie den tätssicherung in Bezug auf stationäre Leis- wird. Das ist gegenwärtig nicht der Fall. tungen vornimmt, ohne dass es der Institution „Gemeinsamer Bundesausschuss“ in dieser Form bedarf. Das ist allein durch das Wirken SV Dr. Stefan Etgeton (Verbraucherzentrale der Verbände zustande gekommen. Es gibt Bundesverband e.V.): Ich vertrete hier die eine qualifizierte Institution, die den laufenden Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. - Betrieb sicherstellt. Wir begrüßen ebenfalls, dass die Qualitätssi- cherung sektorübergreifend angelegt wird, Sektorübergreifend im GemBA Qualitäts- gerade aus der Perspektive von Menschen, die sicherung zu organisieren, sollte nicht a priori sich im System oftmals längere Zeit bewegen, ein Selbstzweck sein. Nicht alles muss im also zum Beispiel aus der Perspektive von Gemeinsamen Bundesausschuss qualitäts- chronisch kranken Menschen. Die Sektorgren- gesichert werden. Die Krankenhäuser sind zen sind oftmals ein Defizit in der Qualitätssi- nicht erpicht darauf, die zahnmedizinische cherung. Das erleben wir bei der Umsetzung. Versorgung durch gemeinsame sektorüber- greifende Qualitätssicherungsrichtlinien zu Eine sektorübergreifende Qualitätssicherung regeln. Vieles, was die Arzneimittelversor- wird sicher nicht von jetzt auf gleich den gung im Bereich Niedergelassene betrifft, fällt gesamten Bereich der Versorgung umfassen; nicht in den Kompetenzbereich der Kranken- sie wird vielmehr vom stationären Bereich häuser. aus, wo das schon sehr ausgeprägt ist, andere Bereiche erfassen und sich nach und nach auf Umgekehrt kann es nicht sein, dass alle die gesamte Versorgung erstrecken. Beteiligten die Qualitätssicherung in der Transplantationsmedizin - um nur einen Teil- Wichtig ist, zu beachten, dass der verbin dende bereich der stationären Medizin zu nennen - Faktor im Hinblick auf die erhobenen Daten in mitregeln wollen, weil im Krankenhausbe- der Regel der Patient sein wird, der sich auf reich eine hervorragende Qualitätssicherung den verschiedenen Sektoren be wegt. Wir existiert. Auf diesem Weg sind wir. Das ist werden bei sektorübergreifender Qualitätssi-

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cherung immer ein Problem mit dem Daten- schutz bekommen können, wenn das nicht Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE geregelt wird. Es geht um versi- LINKE.): Die FDP-Fraktion hat nun das chertenbezogene Daten, die erhoben werden, Fragerecht. um die Kontinuität zwischen den Sektoren herstellen zu können. Es ist wic htig, den Datenschutz, ähnlich wie es in § 299 geregelt Abg. Daniel Bahr (Münster) (FDP): Meine ist, zu beachten. erste Frage richtet sich an Herrn Dr. Buchner. Es war interessant, zu hören, dass die Vertre- Bei dem Wettbewerb - das Gesetz heißt ja ter der Selbstverwaltung vor einer Vereinheit- „Wettbewerbsstärkungsgesetz“ - geht es lichung vehement und eindringlich warnen. sicher auch um den Wettbewerb um Qualität; Sie haben in einem Gutachten für die Spitzen- aber es kann nicht um den Wettbewerb um die verbände der Krankenkassen dargestellt, dass Qualitätsstandards gehen. Die Qualitäts- der geplante Orga nisationsabbau nichts standards sollten einheitlich gelten, damit anderes als der Ein stieg in eine Einheitsversi- Verbraucherinnen und Verbraucher einen cherung durch die Hintertür sei. Können Sie sinnvollen Qualitätsmaßstab haben, wenn sie uns darstellen, wie Sie zu dieser Auffassung Wahlentscheidungen treffen. Insofern begrü- kommen? ßen wir ausdrücklich, was in § 137 a vorge- sehen ist, nämlich eine neue Institution ein- zurichten bzw. eine bestehende Institution SV Dr. Reimar Buchner: Die Formulie rung damit zu beauftragen, diese sektorübergrei- „Einstieg in die Einheitsversicherung durch fende Qualitätssicherung vorzunehmen und die Hintertür“ basiert auf der Analyse, dass gemeinsame Indikatoren zu entwickeln, und das derzeitige Verbandssystem der gesetzli- zwar mit den Akteuren und nicht gegen die chen Krankenversicherung durch einen Akteure, aber auch unter Einbeziehung der mehrstufigen gegliederten Aufbau und eine Patientinnen und Patienten, und diese - das dezentrale, zum Teil arbeitsteilige Auf- wäre ein Quantensprung in der deutschen gabenerledigung gekennzeichnet ist. Durch Versorgungslandschaft - den Patientinnen und das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wird Patie nten, den Bürgerinnen und Bürgern in dieses System in mehrfacher Hinsicht durch- verständlicher Weise zugänglich zu ma chen. brochen, und zwar insbesondere im Sinne Das ist für uns ein wichtiger Aspekt. einer Zentralisierung und Konzentration von Aufgaben beim neu gebildeten Spitzenver- Wettbewerb und Wahlentscheidung können band Bund der Krankenkassen. Den bisheri- nur funktionieren, wenn die Versicherten gen kassenartspezifischen Bundesverbänden wissen, wofür sie sich entscheiden. Die Er- werden letztlich alle Aufgaben entzogen, die gebnisdaten, die uns vorliegen und die den sie in ihrer Funktion als Spitzenverbände Versicherten bisher in nur sehr geringer An- arbeitsteilig erfüllt haben. Damit hat es aber zahl zur Verfügung stehen, müssen in ver- nicht sein Bewenden; vielmehr werden auch ständlicher Weise aufbereitet werden. Dafür Aufgaben, die bisher auf regionaler Ebene bietet der Gesetzentwurf eine sehr gute erledigt worden sind, „hochgezont“, etwa bei Grundlage. Das sollte möglichst zügig ange- der Vergütung der Vertragsärzte. Diese Auf- gangen werden. Der Auftrag sollte also noch gaben werden dem Bewertungsausschuss von dem jetzigen Bundesausschuss erteilt übertragen, indem sie wiederum der Spitzen- werden. Dies sollte ein Beschlussgremium verband Bund der Krankenkassen wahrzu- tun, das selber sektorübergreifend arbeitet, nehmen hat. Das heißt: Zentralisierung und also kein Beschlusskörper, sondern das Ple - Konzentration. num oder der Bereich „ärztliche Angelegen- heiten“. Aber das ist eher ein technischer Diese Formulierung stützt sich darauf, dass Tipp. man daran zweifeln kann, dass alle Aufgaben, die von den Bundesverbänden auf den Spit-

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zenverband übertragen werden, wirklich, wie außer der Rechtsnachfolge keine Aufgaben im Gesetzentwurf formuliert, wettbewerbs- mehr haben. Im gle ichen Akt werden alle neutral sind. Es spricht einiges dafür, dass es Aufgaben der Bundesverbände auf den neuen durchaus kassenartspezifische Gesichtspunkte Spitzenverband Bund der Krankenkassen gibt, die über die Verbände in diese Aufga- übertragen oder gestrichen. benerledigung einge bracht worden sind, was zukünftig deutlich erschwert wird, weil es Es stellt sich die Frage, was aus den Be- diese Verbände und damit diese Aufgaben schäftigten wird, die dort als Ergebnis der nicht mehr gibt. Gesamtrechtsnachfolge und des angeordneten Betriebsübergangs auf die GbRs be schäftigt Zur Begründung dieser Formulierung: Es sind. Diese GbRs haben zwar Gesellschafter, bleibt dabei, dass der Leistungskatalog der aber ab dem 1. Januar 2009 erst einmal keine Krankenkassen gesetzlich weitestgehend Einnahmen und keine Aufgaben mehr. Es determiniert ist. In Zukunft gibt es einen ein- erscheint offenkundig, dass das keine beson- heitlichen Beitrag und - nur noch ergänzend - ders sinnvolle Regelung ist, schon gar nicht einen Zusatzbeitrag, sodass es letztlich kein im Sinne des Erhalts dieser Arbeitsplätze; weiter Schritt hin zur deutschen Krankenver- schließlich ist der Großteil des Personals der sicherung ist. Bundesverbände zur Erledigung derjenigen Aufgaben beschäftigt wor den, die auf den Spitzenverband Bund der Krankenkassen Abg. Daniel Bahr (Münster) (FDP): Herr übertragen werden. Dr. Buchner, in Ihrem Gutachten bemängeln Sie, dass es bei der Übertragung der Aufgaben In anderen Fällen derartiger Organisati- von den Spitzenverbänden auf den Spit- onsreformen hat das Hohe Haus immer andere zenverband Bund der Krankenkassen unter- Regelungen getroffen, zuletzt bei der Reform lassen werde, die Pflichten gegenüber den der gesetzlichen Rentenversicherung. Dort ist circa 1 900 Beschäftigten der Spitzenverbände ein Betriebsübergang auf die neu gegründete ebenfalls zu übertragen. Können Sie darlegen, einheitliche Körperschaft angeordnet worden ob es in der Vergangenheit in anderen Berei- respektive ein Rege lungsmodell für Beamte chen vergleichbare Fälle gegeben hat und wie im Zusammenhang mit dem Aufgabenüber- man dort mit der Problematik umgegangen gang. Eine Rechtsnachfolge des Spitzenver- ist? bandes Bund der Krankenkassen wäre an sich angemessen.

SV Dr. Reimar Buchner: Vergleichbare Regelungen in der Vergangenheit haben wir Abg. Dr. Konrad Schily (FDP): Ich möchte nicht gefunden. Das Ganze ist ein vorbildlo ser beim Spitzenverband Bund der Krankenkas- Vorgang. sen bleiben, auf den alle Aufgaben übergehen sollen. Die Vertreter der Spitzenverbände - Wenn der Gesetzgeber die Spitzenverbände Herr Ahrens, Frau Pfeiffer, Herr Schmeinck - als Körperschaften des öffentlichen Rechts haben sich dazu geäußert. Mich interessiert, gesetzlich auflösen und damit Gesamtrechts- ob die Kassenärztliche Bundesvereinigung, nachfolger würde, dann würde er in alle die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung, Rechte und Pflichten dieser Verbände, ein- die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die schließlich Arbeitsverhältnisse, eintreten. Bundesärztekammer die Regelungen begrüßen und ob sie glauben, dass sie mit dem Ziel der Es findet keine Auflösung statt. Sie wird Wettbewerbsstärkung vereinbar sind. formell vermieden, indem die bisherigen Kör- perschaften des öffentlichen Rechts rechtlich im Wege des Formwechsels in Gesellschaften SV Dr. Andreas Köhler (Kassenärztliche bürgerlichen Rechts umgewandelt werden, die Bundesvereinigung) :Wir werden künftig zwei

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Sektoren im deutschen Gesundheitswesen angedacht, bleibt aber auf der Strecke. So ist haben: den staatlichen Sektor und den Sektor unsere Einschätzung dieser Dinge. der eher wettbewerbsorientierten Strukturen, §§ 73 b und 73 c. Der Spitzenverband Bund Die Deutsche Krankenhausgesellschaft stellt der Krankenkassen wirkt in diesem Staatssek- sich dem Wettbewerb. Sie will natürlich, dass tor wie ein Monopolist. Ich kann keine Ver- es einen bestimmten Rahmen gibt. Wir halten besserung feststellen. Ihre konkrete Frage das, was mit dem Bundesverband beabsichtigt nach der Stärkung des Wettbewerbs kann ich ist, nicht für den ric htigen Weg. Auch wenn dahin gehend beantworten, dass hier ein das Verhandeln mit sieben Verbänden auf der Monopolist in einem staatlichen Sektor Krankenkassenseite manchmal mühsam war, geschaffen wird. so sind doch immer wieder zielführende Lösungen gefunden worden. Ganz selten war es notwendig, längere Zeit auf Entscheidun- SV Dr. Thomas Muschallik (Kassenzahn- gen der Krankenkasse zu warten. Auch das ärztliche Bundesvereinigung): Ich vertrete die komplizierte Verfahren der Entwicklung eines Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung. - DRG-Systems für die Bundesrepublik ist mit Die Frage impliziert geradezu die Antwort. dieser Struktur im Grunde genommen sehr Wie Herr Dr. Köhler zu Recht sagte, wird hier vernünftig bewerkstelligt worden. Wir können ein Monopol geschaffen, das einen Wettbe- nicht erkennen, was eine solche Bundeskran- werb verhindert und nicht ermöglicht. Ein kenkassenbehörde, wie wir sie nennen, Beispiel aus dem Bereich der vertrags- Besseres zu Wege bringen kann. zahnärztlichen Versorgung - früher war dies die kassenzahnärztlichen Versorgung -: Es ist uns einmal gelungen, mit einem Bundes- SV Prof. Dr. Christoph Fuchs (Bundesärzte- verband einen wegweisenden Vertrag über die kammer): Ich kann mich den Ausführungen Individualprophylaxe in der zahnärztlichen meiner Vorredner weitgehend anschließen. Ich Versorgung zu vereinbaren. Das war wegwei- meine, dass die Gründung eines Spitzenver- send für eine spätere gesetzliche Regelung, die bandes Bund der Krankenkassen den Namen, sehr erfolgreich war. Wie soll das möglich den dieser Gesetzentwurf trägt, letztlich sein, wenn wir in Zukunft nur noch einen konterkariert. Die Vielfalt der Kassenland- Spitzenverband als potenziellen Vertragspart- schaft wird aufgelöst und Wettbewerb wird ner haben? Diese Möglichkeit ist ausgeschlos- damit ein Stück weit verhindert. Hie rmit wird sen. ein Beitrag zur weiteren Zentralisierung im Gesundheitswesen geleistet. Auch hier ist der Weg in Richtung Staatsmedizin erkennbar. SV Dr. Rudolf Kösters (Deutsche Kranken- hausgesellschaft e.V.): In der Tat war es auch Lassen Sie mich aus ärztlicher Sicht hin- für uns überraschend, dass man einerseits den zufügen: In einer solchen - dann drohenden - Wettbewerb stärken will, andererseits dies mit Überbürokratie tritt eine patientengerechte einem Spitzenverband Bund der Krankenkas- Versorgung immer mehr in den Hintergrund, sen auf den Weg bringen will. weil die ökonomischen Aspekte dominierend sind. Die Patienten drohen in Situationen zu Wir sehen diesen Spitzenverband eher als eine geraten, in denen sie nicht mehr die Herrschaft Bundesbehörde, die letztlich unabhängig von über die Verwaltung ihrer Krankheit haben; den Krankenkassen agieren kann, weil sie diese Herrschaft haben dann andere. öffentlich-rechtlich verfasst ist. Daher glauben wir nicht daran, dass dies eine Beförderung Lassen Sie mich noch etwas aus ärztlicher des Wettbewerbs nach sich zieht. Wir gla u- Sicht hinzufügen: Die Individualität der ben, dass es in einem sehr staatsnahen Ge- Patientenversorgung erfährt ein Stück weit sundheitswesen eher zu monopolähnlichem Steuerung, die allein von externen ökonomi- Agieren kommt. Der Wettbewerb war zwar schen Kautelen diktiert wird. Über die Be-

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handlung von Patienten sollen aber Ärzte ausgedacht hat, verkennt, dass es selbst bei bestimmen. Die Behandlung von Krankheiten diesem Gesetz noch ein Rest von Wettbewerb darf nicht durch Programme bestimmt sein. geben wird. Die Kassen werden nicht bereit sein, alle ihre Daten einem einzigen Verband zu übermitteln, weil sie ihre wettbewerblichen Abg. Heinz Lanfermann (FDP): Mir geht es Funktionen behalten wollen. Deshalb wird es darum, dass alle Daten einer Krankenkasse, einen Bereich geben, der dem Wettbewerb die heute an ihren Spitzenverband übermit telt vorbehalten ist - zu ihm werden diese Daten werden, in Zukunft an den Spitzenverband fließen -, und das werden die Verbände sein. Bund der Krankenkassen übermittelt werden Die Verbände werden weiterhin Bestand sollen. Ich möchte die Vertreter der Spitzen- haben. Darauf werden die Kassen achten. verbände fragen - wenn Sie sich einig sind, Daten werden zusammengeführt, aber nicht dann reicht es, wenn einer oder zwei Vertreter alle Daten. Die Kassen werden sehr darauf antworten -, welche Konsequenzen das für sie achten, dass die wettbewerbsrelevanten Daten hat und inwie weit das Konsequenzen für heute dahin kommen, wo sie hingehören, damit der vorhandene Steuerungs instrumente hat. Zu Wettbewerb nicht gefährdet wird. diesem generellen Problem würde mich auch die Meinung von KBV, KZBV und Kranken- hausgesellschaft interessieren. Außerdem SV Dr. Andreas Köhler (Kassenärztliche wollte ich dazu den Bundesbeauftragen für Bundesvereinigung): Bei sieben Spit- Datenschutz befragen. Das geht jetzt nicht zenverbänden hatten wir ein System der mehr. Vie lleicht lässt sich die Beantwortung verteilten Datenhaltung. Der Datenschutz war schriftlich erledigen. also gewährleistet. Wenn Sie einen Spit- zenverband Bund der Krankenkassen ein- richten, dann müssen Sie die Datenverar- SV Wolfgang Schmeinck (BKK Bundesver- beitungsbefugnisse dieses Spitzenverbandes band): Wenn man einen so umfassenden im Gesetz sehr präzise regeln. Ansonsten Dachverband plant, dann ist es nur konse- besteht die Gefahr, dass der Datenschutz und quent, ihm alle Daten zu übermitteln. Ent- damit auch der Patientenschutz nicht eingehal- scheidend für die Kassen ist, dass sie künftig - ten werden. Dass sie eingehalten werden, ist die in diesem Gesetz verankerten Wettbe- unserer Meinung nach durch die jetzt vorlie- werbsinstrumente sollen für die Kassen genden Regelungen noch nicht gewährleistet. erschlossen werden - sowohl ihre eigenen Uns wäre ein System der verteilten Datenhal- Daten - das ist gar nicht so ein fach - als auch tung immer noch lieber. ihre relative Position in der gesetzlichen Krankenversicherung haben. SV Dr. Thomas Muschallik (Kassenzahn- Wenn ich den Wirkzusammenhang des ärztliche Bundesvereinigung): Ich kann mich Datenstroms - §§ 300 ff. und vor allem § 302 dem anschließen. Herr Abgeordneter, wie Sie a bis f - richtig verstanden habe, dann ist es wissen, rühmt sich die KZBV, bezüglich des weiterhin möglich, dass sich die Kassen helfen Datenschutzes eine kritische Haltung einzu- lassen, sogar von Verbandsstrukturen, die nehmen. Wir sehen die Gefahr, dass der nicht in öffentlich-rechtlicher Form existie ren. gläserne Patient und im Endeffekt der gläserne Ich glaube, das Problem, dass alle Daten Bürger - 90 Prozent der Bevölke rung sind einem einzigen Verband übermittelt werden, gesetzlich krankenversichert - entstehen. ist relativiert und die Kassen können ihre wettbewerblichen Funktionen wahrnehmen. Ein Beispiel dafür, wie schnell etwas gehen kann, ist aus meiner Sicht eine Regelung, die in diesem Gesetzentwurf vorgesehen ist - Herr SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- Dr. Hess hat sie bereits angesprochen -: die Bundesverband): Derjenige, der sich das Bestimmung in § 299 zur sektorübergreifen-

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den Qualitätssicherung. Das ist alles daten- über, weshalb heute kein Vertreter des Daten- schutzrechtlich abgesichert; in der Regel sind schutzbeauftragten anwesend ist. es pseudonymisie rte Daten.

Vorgesehen ist im Gesetzentwurf aber auch, in Abg. Daniel Bahr (Münster) (FDP): Ich habe besonderen Fällen eine personenbezogene eine Frage an Herrn Schmeinck und an Herrn Vollerhebung und Übermittlung vorzuneh- Ahrens sowie an Herrn Dr. Buchner zum men. Wann das jedoch der Fall ist, wird Thema „Insolvenzrecht als Konsequenz der gesetzlich nicht geregelt. Dass das dem Auflösung der Bundesverbände“. Wie beurtei- Datenschutz wirklich dienlich ist, gla ube ich len Sie die Auswirkung auf die Organisation nicht. Wenn das alles einmal zentral erfasst der Versorgung? Sehen Sie die Gefahr von wird, dann können solche Strukturen, so Anschlussinsolvenzen, wenn insbe sondere befürchte ich, sehr schnell entstehen. größere regionale Krankenkassen - diese Frage richtet sich vor allem an Herrn Dr. Ahrens - in Konkurs gehen? Kann man unter SV Georg Baum (Deutsche Krankenhausge- diesen Voraussetzungen noch von einer sellschaft e.V.): Auch aus der Sicht der Sicherstellung der Versorgung ausgehen? Krankenhäuser bedeutet ein Zusammenführen Falls Sie Alternativen zur vorgesehenen der Daten bei einem Spitzenverband der Lösung haben, würde ich mich freuen, wenn Krankenkassen einen Effekt, der dem glä - Sie diese kurz aufzeigen. sernen Krankenhaus entspricht, und das in einer ordnungspolitischen Situation, in der geplant ist, die Einzelvertraglichkeit auszu- SV Wolfgang Schmeinck (BKK Bundesver- bauen. Das heißt, das einzelne Krankenhaus, band): In einem tatsächlich wettbewerblichen das dem bestens informierten Kran- GKV-System wäre die Insolvenzfähigkeit kenkassenbereich übergreifend wie auch als aller Akteure und dann auch der Krankenkas- Einzelnes gegenübersteht, hat im Einzelver- sen nach meinem Verständnis geradezu tragswettbewerb von vornherein schlechtere natürlich. Wir befinden uns derzeit nicht in Karten. einem wettbewerblichen System. Ich habe überhaupt nicht den Ein druck, dass wir uns in Außerdem ist vorgesehen, dass die so genann- diese Richtung bewegen. Nur deshalb und ten 21er-Daten, das heißt die Daten, die laut nicht wegen möglicher Insolvenzen tauchen Gesetz von den Krankenhäusern ausschlie ß- Übergangsprobleme auf. Der Abgeordnete lich für den Aufbau des DRG-Systems erfasst Bahr hat eben gesagt, dass die Probleme, die werden - dabei geht es um sehr individuelle sich auf die Versorgungsfähigkeit des Systems und betriebswirtschaftlich markante Daten auswirken, im Falle einer Insolvenz eher bei einzelner Krankenhäuser -, auch für andere größeren Krankenkassen auftreten. Zwecke, zum Beispiel für Qualitätssiche- rungszwecke, zugänglich gemacht werden. Ein Versprechen des Gesetzgebers, diese Wenn man tatsächlich Insolvenzfähigkeit Daten nur zum Aufbau des DRG-Systems zu möchte, dann kann dieses Problem mit Über- erheben, wird im Nachhinein gebrochen. Die gangsregelungen abgefangen werden. Bei- Krankenhäuser haben natürlich Angst, dass spielsweise kann man eine ganze Zeit lang die wichtige Betriebsinterna weitergegeben Vorrangigkeit der Forderungen von Leis- werden können. tungserbringern regeln. Die Frage, ob das praktisch-technisch möglich ist, müssen Juristen beantworten; dazu zähle ich nicht. Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE Solange es noch eine hinreichend große Zahl LINKE.): Wir werden noch klären, wie wir von gesetzlichen Krankenkassen gibt, haben die Antwort des Datenschutzbeauftragten auch die Versicherten die Möglic hkeit, eine erhalten. Wir ha ben keine Information dar- andere Kasse zu wählen, und sie müs sen

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darunter nicht leiden. Ich sehe keine grund- sätzlichen Probleme, auch wenn es ernst zu Ihre Frage nach Anschlussinsolvenzen zielt nehmende Probleme mit Über- auf die Regelung in § 155 Abs. 5 SGB V ab. gangsregelungen geben könnte. Diese Prob- Nachdem das bisherige Verbandshaf- leme halte ich aber für lösbar. tungssystem - § 155 Abs. 4 des Gesetzent- wurfs - gestrichen worden ist, wird das Haf- tungssystem der Krankenkassen derselben Art SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- wieder angeordnet. Es ist aber unklar, ob das Bundesverband): Ich habe folgenden Ein- nur für Verbindlichke iten gilt, die am druck: Wer sich das ausgedacht hat, der hat 1. Januar 2008 bestanden, oder für alle. die Konsequenzen nicht bedacht. Das Ganze ist eine sehr unheilvolle Kette. Ein Dachver- Wenn es so ist, dass die anderen Kran- band wird eingerichtet, die Bundesverbände kenkassen für Verbindlichkeiten einer in ein verlieren ihre Eigenschaft als Körperschaft des Insolvenzverfahren eingetretenen anderen öffentlichen Rechts und können den Haf- Krankenkasse ihrer Kassenart haften, dann ist tungsverbund damit nicht mehr sicherstellen. nicht auszuschließen, dass diese Kran- Um den Staat nicht zu belasten, will man der kenkassen ihrerseits Insolvenz anme lden einzelnen Kasse die Insolvenzfähigkeit müssen, weil sie nicht mehr in der Lage sind, zugestehen. Das bedeutet für unser System ihren Verbindlichkeiten nachzukommen. und für die großen Kassen, dass man damit Dann dürften aus rechtlichen Gründen eine rechnen muss, dass wegen der neuen Situation Verantwortung des Bundes und eine ent- nahezu alle Kassen zunächst eine Konkurser- sprechende Haftungsverpflichtung bestehen. öffnungsbilanz vor nehmen. Sie müssen Altersrückstellungen in einer Höhe aufweisen, Die Alternative zu dem Entwurf ist im Grunde die es mit sich bringt, dass sie nicht mehr in deklaratorisch: Man regelt die Insol- der Lage sind, zu überleben. Das gilt nicht nur venzunfähigkeit bundesgesetzlich und modi- für das AOK-System, sondern für alle großen fiziert das geltende Schließungsrecht der Versorgerkassen. gesetzlichen Krankenkassen - es soll parallel fortbestehen -, gegebenenfalls in einem Wenn die Struktur einer großen Kasse zu- wettbewerbsbezogenen Sinn. sammenbricht, dann wird die Versor- gungsstruktur vor Ort zusammenbrechen. Eine Kasse, die nicht mehr zahlungsfähig ist, ist Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE auch nicht mehr in der Lage, Krankenhäuser LINKE.): Das Fragerecht hat nun die Fraktion zu bedienen. Ich kann nur dringend raten, DIE Linke. davon Abstand zu nehmen. Die Strukturen der Kassen werden nicht berücksichtigt. Das Ganze führt dazu, dass wir Versor- Abg. Frank Spieth (DIE LINKE.): Wir haben gungsstrukturen zerschlagen. Alternative: jetzt sehr viel Innenbetrachtung vorgenom- Lassen Sie es so, wie es ist. Wir brauchen men. Ich möchte Herrn Professor Amelung weder den Dachverband noch die Insolvenz- bitten, uns mitzuteilen, wie er die bisherige regelung. Arbeit des Gemeinsamen Bundesausschusses einschätzt und ob er eine Veränderung im Sinne der geplanten Professionalisierung als SV Dr. Reimar Buchner: Wir haben die zielführend und erforderlich betrachtet. Auffassung vertreten, dass gesetzliche Kran- kenkassen aus verfassungsrechtlichen Grün- Gleichzeitig - wir reden nicht nur über das den und nach den Regelungen der geltenden GKV-WSG, sondern auch über die Anträge Insolvenzordnung insolvenzunfähig sind. Ich der Fraktionen - interessiert mich Ihr Urteil verweise auf meine schriftliche Stellungnah- darüber, ob mit dem WSG gewährleistet me, die dem Gutachten beigefügt ist. wird - ich bitte, einen Vergleich zu den Nie -

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derlanden zu ziehen -, dass wir dem Ge- Die Ausgangslage in den Niederlanden ist mit sundheitswesen tatsächlich eine stabile der Ausgangslage in Deutschland nicht ganz Grundlage geben. vergleichbar. Das gilt insbesondere für den Einfluss der Länder, für die doppelte Fach- arztschiene und für die Erfahrungen mit der SV Prof. Dr. Volker Amelung: Ich beginne Leistungsausgrenzung. Man muss im Zusam- mit der Beantwortung der Frage nach dem menhang mit den holländischen Reformen Gemeinsamen Bundesausschuss. Natürlich immer sehen, dass die dortigen Entwicklungen unterstütze ich die Forderung nach einer vor 20 Jahren eingeleitet wurden. Entschei- stärkeren Professionalisierung im Ge- dend ist - das gilt sowohl für die Reform in meinsamen Bundesausschuss. Ich möchte Deutschland als auch für die Reform in den mich den Ausführungen von Herrn Dr. Hess Niederlanden -, dass beide Reformen meiner anschließen, dass es in zentralen Bereichen Meinung nach nicht demografiefest sind. um die Frage geht, wie man Entscheidungen Somit wird eine zentrale Anforderung an die treffen möchte. Im Zentrum steht dabei immer Gesundheitsreform, nämlich Demografiefes- die Frage, wie viel Wettbewerb man will und tigkeit herzustellen, nicht erfüllt. wie die Entscheidungsstrukturen sein müssen, und zwar sowohl bei mehr als auch bei Ich plä diere dafür, sehr viel mehr Wettbewerb weniger Wettbewerb. Diese beiden sehr weit im Gesundheitswesen zuzulassen. Wir brau- auseinander gehenden Stoßrichtungen lie gen, chen dafür schnellere und einfachere Ent- was die Struktur angeht, relativ dicht beiein- scheidungsstrukturen. Wir brauchen dafür ander. natürlich auch flexiblere Ent- scheidungsstrukturen. Insbesondere brauchen Eine Einschränkung des Gemeinsamen wir den Aufbau eines Kapitalstocks. Bundesausschusses kann sowohl notwendig sein, um weniger Wettbewerb zu haben, aber auch, um mehr Wettbewerb zu haben. Das Abg. Frank Spieth (DIE LINKE.): Wir haben muss man bedenken. Ich plädiere für sehr viel viel über die gemeinsame Selbstverwaltung mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen. Es gehört; aber wir haben noch nicht über die ist zentral, dass man Entscheidungs strukturen soziale Selbstverwaltung gesprochen. Meine hat, die einen umfangreichen Wettbewerb nächste Frage richte ich an die Bundesverei- berücksichtigen. Man muss hinterfragen, wie nigung der Deutschen Arbeitgeberverbände viel Selbstverwaltung ein wirklich wettbe- und an den Deutschen Gewerkschaftsbund. werbsorientie rtes Gesundheitssystem trägt. Wie beurteilen Sie die Einführung eines Spit- Wahrscheinlich wird ein wirklich wettbe- zenverbandes der Krankenversicherungen? werbsorientie rtes Gesundheitssystem weniger Selbstverwaltung vertragen und es braucht liberale Strukturen. SV Dr. Volker Hansen (Bundesverein igung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V.): Im Zu den Niederlanden. Es ist im Moment noch Grunde genommen ist zum Dachverband alles zu früh, die Ergebnisse der Reformen in den gesagt worden. Wenn ich mich richtig erinne- Niederlanden zu beurteilen. Wir können im re, waren die Anmerkungen hierzu durch die Moment noch nicht einschätzen, ob sich die Bank negativ. Ich möchte mich darauf be- Unversicherten als Problem darstellen oder schränken, die aus Sicht der Arbeitgeber nicht. Man wird noch deutlich länger warten wichtigen Punkte zu nennen: müssen, um sich an Erfahrungen aus den Niederlanden orientieren zu können. Ich hätte Auch wir sind der Meinung, dass die Be- mir trotzdem gewünscht, dass man einige der gründung für die Bildung eines Dachverbands dortigen Ergebnisse stärker berücksichtigt. falsch ist. Es gibt keine Blockaden innerhalb der Spitzenverbände. Sie arbeiten in den schon

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bestehenden Gremien nahezu reibungslos sentlichen Fragen ähnlich. Der Dachverband zusammen. wird vom Deutschen Gewerkschaftsbund abgelehnt, weil er ihn für unnötig hält. Der Dachverband bringt aus unserer Sicht keine Vorteile. Die Akteure, die dort zusam- Ich möchte auf die Frage nach der Selbstver- menkommen, sind dieselben wie bisher, waltung und der Konzeption des Verwaltungs- nämlich die Vertreter der Krankenversiche- rats im Spitzenverband Bund der Krankenkas- rungen, der Krankenkassen und der Leis- sen eingehen. Seine Besetzung soll paritätisch tungserbringer. Sie werden weiterhin mitein- sein. Dazu müssten die Beitragszahler wie bei ander verhandeln müssen, nur unter einem den einzelnen Kassen, zumindest wie bei den anderen Dach und in anderen Räumen. Primärkassen, gemeinsam die Verantwortung tragen. Vorzufinden ist die Konstruktio n eines Angesichts dessen muss man sich fragen, Verwaltungsrates, in dem die Primärkassen zu warum ein Dachverband errichtet werden soll. zwei Dritteln durch Arbeitgebervertreter Ich sehe folgende Antworten - damit sind repräsentiert sind. Das jeweilige System - es zugleich Gefahren verbunden -: sind keine kleinen Systeme - kann sich sozusagen nicht wiederfinden, und zwar Erstens. Im angedachten Dachverband erfolgt unabhängig von der Frage der Repräsentativi- eine wirkliche Machtkonzentration: In die tät, die vorhin schon einmal angesprochen Hände von drei Vorständen und wurde. 32 Verwaltern wird das gesamte System der GKV gelegt. Das hat mit Wettbewerb nichts Ich möchte etwas zu der Sinnhaftigkeit sagen. zu tun. Wettbewerb setzt Vielfalt voraus. Das Bislang war es manchmal problema tisch, steht in allen Lehrbüchern zum Thema VWL. wenn die sieben Spitzenverbände gemeinsam Nur dann, wenn es Vielfalt gibt, kann Wett- eine Entscheidung treffen sollten. Das ist aber bewerb funktionieren. Wettbewerb ist ein nicht wirklich ein Problem. Nach dem heute Suchprozess mit offenem Ergebnis. Auf die - noch bestehenden § 213 gibt es die Möglic h- sem Gebiet kann der Staat sich nichts wün- keit, dass Mehrheitsentscheidungen getroffen schen. werden.

Zweitens. Der Dachverband könnte genutzt Das ist für den DGB eine wichtige Frage- werden, um einem größeren Staatseinfluss den stellung. Welchen Sinn hat das Ganze? Wel- Weg zu bereiten, wenn sich herausstellt, dass che Bedeutung hat es für die Versicherten und die Konsensfindung in einem so großen vor allem für die Patienten? Meiner Meinung Gebilde noch schwerer ist als im heutigen brauchen wir das nicht. Sinnvoll ist, dass über System von sieben Dachverbänden. alle gemeinsam zu treffenden Qualitätsverein- barungen und über alles, was den in der Drittens. Für die einzelnen Krankenkassen gesetzlichen Krankenversicherung Versicher- wird es, wenn es einen Dachverband gibt, ten zugute kommen soll, einheitlich entschie- schwerer, sich im Wettbewerb zu behaupten. den wird. Dazu muss man keinen Dachver- Im Dachverband entscheiden nämlich immer band errichten; das kann genauso gut durch alle, auch über die Spie lräume der Einzelnen. die bestehenden Verbände geschehen, die viele positive Erfahrungen gemacht haben. Die BDA lehnt einen solchen Dachverband ab. Sie hält ihn für nicht erforderlich und für Ich erinnere an das, was bereits heute Morgen gefährlich. in Bezug auf die Gesundheitsversorgung durch die Betriebskrankenkassen gesagt wurde: Es gibt bei den Innungskrankenkassen SV Jürgen Sendler (Deutscher Gewerk- eigenständige Angebote, auch wenn die schaftsbund-Bundesvorstand) :Ich nehme nur Krankenkassenverbände viele Alleinstel- eine Ergänzung vor. Unsere Position ist in we- lungsmerkmale verloren haben. Es gibt

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Punkte, an denen man anknüpfen kann. Was gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung gemeinsam getan werden soll, kann in einer einen Anspruch auf Honorarzahlung. Was Form geschehen, bei der Einheitlichkeit nicht Insolvenzen betrifft: Wir reden hier über unbedingt erforderlich ist. Milliardenbeträge, die KVen nicht fremd- finanzieren können und nicht fremdfinanzie - ren dürfen. Der Honoraranspruch des Ver- Abg. Frank Spieth (DIE LINKE.): Herr tragsarztes besteht dennoch. Dadurch werden Dr. Ahrens, Sie haben vorhin darauf hinge- Versorgungsprobleme generiert. Zu glauben, wiesen, Sie seien der Auffassung, man solle dass wir als Gläubiger - wir KVen werden das Insolvenzrecht aus dem WSG streichen. Gläubiger von insolventen Krankenkassen - Mich interessiert Ihre Bewertung, insbeson- vor Lohnzahlungen etc. stehen, ist eine dere bezüglich der Haftungen für Leistungen Utopie. Wir werden ernsthafte Probleme nach dem 1. Januar 2008; es gibt zwei Krite- bekommen. rien der Haftungsregelung. Stellen Sie bitte einen Zusammenhang zu den Fusionen her! Ich glaube, auf diesen besonderen Aspekt SV Dr. Rudolf Kösters (Deutsche Kranken- sollte noch einmal eingegangen werden. hausgesellschaft e.V.): Angesichts der extrem angespannten Finanzlage der Krankenhäuser Mich interessiert ferner die Einschätzung von sehen wir diese Regelung besonders kritisch. KBV, DKG und Verbraucherzentrale hinsicht- Wir schließen Anschlusskonkurse von Kran- lich der Haftungsansprüche bei einer Insol- kenkassen mit einem bedeutenden Volumen - venz nach dem 1. Januar 2008, hin sichtlich das sind einige - nicht aus. Wir müssen davon der Ansprüche gegenüber den Krankenkassen ausgehen, dass solche Konkurse keine Einzel- nach der neuen Regelung und hinsichtlich der fälle sein werden. Solche Konkurse werden versicherungsrechtlichen Absicherung. nicht unvorhergesehen eintreten. Ich kann mir vorstellen, dass die Krankenhäuser ihr Verhal- ten ändern. Falls solche Konkurse tatsächlich SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- drohen, würde die Versorgung von Kranken- Bundesverband): Ihre Frage gibt mir die kassenpatienten wahrscheinlich nur noch bei Möglichkeit, meine Ausführungen zu ergän- Vorauskasse erfolgen, um so den ganzen zen. Ich habe bereits erläutert, warum dieses Krankenhausbetrieb nicht zu gefährden. Insolvenzrecht für dieses System völlig ungeeignet ist. Diese Regelung wird dazu Die von den Vorrednern bereits genannten führen, dass die großen Versorgerkassen in die Konsequenzen für die Versorgungslandschaft Insolvenz geradezu getrieben werden. Sie sind zu bedenken. Ich glaube, dass Kranken- wird darüber hinaus dazu führen, dass Versor- häuser betroffen sein können, von denen alle gungsbereiche zusammenbrechen, da die der Meinung sind, sie sollte es auch in Zu- Ansprüche von Leistungserbringern und kunft geben. Das Verschwinden dieser Kran- Versicherten nach dem 1. Januar 2008 aus der kenhäuser müssen wir auf jeden Fall verhin- Insolvenzmasse zu befriedigen sind. Diese dern. Ansprüche können dann nicht mehr befriedigt werden und die Versorgungsstrukturen der davon Betroffenen können nicht mehr auf- SV Dr. Stefan Etgeton (Verbraucherzentrale rechterhalten werden. Dieser Vorgang betrifft Bundesverband e.V.): Wir sehen durchaus nicht nur die Kassenlandschaft, sondern auch Risiken für die Versicherten. Wenn eine andere Bereiche, zum Beispiel die Versor- solche Insolvenzregelung tatsächlich Gesetz gung. wird und kein entsprechendes Rückversiche- rungssystem installiert ist, dann laufen Leis- tungsansprüche der Versicherten ins Leere, SV Dr. Andreas Köhler (Kassenärztliche zum Beispiel auf dem Gebiet der medizini- Bundesvereinigung):Der Vertragsarzt hat

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schen Leistungen und im Bereich des Kran- band ist nicht mehr Gegenstand des Gesetzes. kengeldes. Das hat zur Folge, dass diese Aufgaben zukünftig von den Ersatzkassen wahrgenom- Es ist nicht ausgeschlossen, dass diejenigen, men werden müssen bzw. können. Das die in einer Krankenkasse versichert sind, der bedeutet, dass es in einigen Bereichen weiter- Insolvenz droht, von den Leistungserbringern hin die Möglichkeit gibt, dies auf den Verband zur Kostenerstattung gedrängt werden. Die zu übertragen. Das ist aber nicht in allen Kostenerstattung wird erleichtert, um dem Bereichen möglich, zum Beispiel bei der Gläubigerstatus zu entgehen. Das heißt, auch Zulassung von Heilmittelerbringern. Diese dieses Risiko wird über die Ärzteschaft an die Aufgabe wurde vor drei, vier Jahren explizit Patienten weitergeleitet. So etwas ist nur von den Kassen auf den VdAK übertragen. möglich und nur akzeptabel, wenn ein ent- Der Verband erfüllt diese Aufgaben für die sprechendes Rückversicherungssystem Mitgliedskassen. Wir haben eine Reduzierung funktionsfähig ist. des dafür notwendigen Personals auf fast ein Drittel erreichen können. Ein solcher Vorgang In der Anhörung wurde dazu aufgefordert, die wird unter den neuen Bedingungen nicht mehr EU-rechtlichen Implikationen verschiedener möglich sein, weil der VdAK keine Rechtsak- Regelungen im WSG zu prüfen. Auch diese te mehr erlassen kann. Das müssen zukünftig Regelung sollte man im Hinblick auf die EU- wieder die Einzelkassen machen. rechtlichen Konsequenzen - was ist der Status einer gesetzlichen Krankenkasse? - überprü- fen. Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE LINKE.): Das Fragerecht hat nun die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen. Abg. Frank Spieth (DIE LINKE.): Herr Dr. Ahrens, Sie haben meine Frage nach den insolvenzrechtlichen Folgen von Fus ionen Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE nicht beantwortet. GRÜNEN): Ich möchte auf das Thema „Professionalisierung des GemBA“ zurück- Frau Dr. Pfeiffer, erläutern Sie bitte kurz das kommen. Ich habe eine Frage an Herrn Problem „gemeinsamer Spitzenverband“ und Professor Busse. Halten Sie die vorgesehenen die Auswir kungen auf die Landesebenen des Maßnahmen für zielführend und, falls nein, VdAK. wie sollte der GemBA aus Ihrer Sicht weiter- entwickelt werden, um eine sektorübergrei- fende Arbeit zu ermöglichen? SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- Bundesverband): Bei Fusionen bleibt das Insolvenzrecht nicht auf einen Bereich be- SV Prof. Dr. Reinhard Busse: Die Probleme schränkt; vielmehr greift es auf andere Berei- werden - auch in der Begründung - beschrie- che über. Es ist dann nicht mehr gewährleistet, ben; aber die Antwort ist nicht richtig. Man dass ein Verbund betroffen ist. Möglich ist ein muss sich überlegen, was die Anforderungen Dominoeffekt. an einen Gemeinsamen Bundesausschuss sind: Partizipation - wer soll diesem Ausschuss angehören? -, Legitimation - Herr Hess ist SVe Dr. Doris Pfeiffe r (VdAK/AEV): Ich darauf eingegangen - und Repräsentativität. Es habe bereits gerade von einer Vielzahl von muss geklärt werden, wie sich die - nicht Aufgaben gesprochen, die vom Spitzenver- homogenen - Interessela gen widerspiegeln band Bund der Krankenkassen zukünftig lassen. Dieses Problem taucht spätestens dann wahrgenommen werden. Ähnliches gilt für die auf, wenn es nicht mehr drei Leistungserbrin- Landesebene. Die Aufgaben des Verbandes ger gibt, sondern nur noch einen. Man würde werden auf die Kassen übertragen; der Ver- dann sehen, was alles nicht geht.

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getroffen. Im National Institute for Health and Der Gesetzentwurf betrifft auch die Pro- Clinical Excellence gibt es hauptamtliche fessionalisierung der Arbeit - wie zügig kann Mitarbe iter und Non-Executives. Das sind man das organisieren? - und die Transparenz Personen, die von ihrem Hauptberuf freige- des ganzen Verfahrens. Bisher wurde mehr stellt sind. Beispielsweise übt der Vorsitzende Wert auf die Legimitation gelegt. Jetzt soll die dieser Institution sein Amt nebenberuflich aus. Professionalisierung Schwerpunkt werden. Ein Modell dieser Art könnte man sich auch Ein Schwachpunkt war, dass die Einzelinte- hier vorstellen. ressen der Bänke zu viel zählten. Der Schwer- punkt Legitimation soll aufgege ben werden. Um die Legitimation sicherzustelle n, sollten Man muss versuchen, beide Punkte in eine die Mitglieder weiterhin von den beiden Balance zu bringen. Wir brauchen die Legit i- Seiten entsandt werden. Wir sollten für eine mation. Die Mitglieder müssen weiterhin von Professionalisierung aufseiten der Unparteii- ihren Bänken entsandt werden, damit die schen sorgen. Mein konkreter Vorschlag Repräsentativität sichergestellt ist. Wissen- lautet: Der Vorsitzende sollte hauptamtlich schaftlich gesehen lässt sich dazu schlecht tätig sein. Denkbar sind vier stellvertretende eine Aussage treffen. Drei Mitglieder pro Vorsitzende, die sich bei der Amtsausübung Bank sind zu wenig; neun müssen es auch abwechseln. Damit könnte man den Spagat nicht sein. Es gibt etwas dazwischen. Sinnvoll zwischen Professionalisierung und Legitima- sind also vielleicht fünf oder sieben Mitglieder tion schaffen. pro Bank.

Im Gesetzentwurf ist überraschenderweise Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE vorgesehen, dass die entsandten Mit glieder - GRÜNEN): Ich habe eine Frage an die Stichwort „Professionalisierung“ - hauptamt- Verbraucherzentralen und an die Arbeitsge- lich tätig sind - es wird mit der zu erwartenden mein schaft Selbsthilfe. Bei der heute Nach- Arbeitsverdichtung begründet -, während die mittag vorgetragenen Kritik an den Verände- Unparteiischen ihre Arbeit weiterhin als rungen im GemBA hat die Perspektive der Nebentätigkeit verrichten sollen. Das ist sehr Patientenvertreter noch keine Rolle gespielt. merkwürdig. Ich frage mich, ob es nicht Wie stellt sich das für Sie da? Welche Schritte besser wäre, wenn auch die Unparteiischen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um die hauptberuflich tätig wären. Mir schwebt vor, Patientenrechte zu stärken? dass die Unparteiischen den Unterausschuss- vorsitz übernehmen. Das wäre ein Beitrag zur Straffung. SV Dr. Stefan Etgeton (Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.): Auch wir sehen Ge- Um zu verhindern, dass auch die Unpar- fahren in der angestrebten Veränderung des teiischen zu Bürokraten werden, sollten wir Gemeinsamen Bundesausschusses. In § 140 f uns anschauen, wie es in anderen Ländern und in § 140 g ist vorgesehen, dass sich die geregelt ist. Es gibt Länder, in denen dies als Anzahl unserer Mitglieder an der der Kran- Nebentätigkeit geleistet wird. Die entspre- kenkassenvertreter orientiert. Das heißt, auch chenden Personen werden von ihren Arbeit- die Anzahl unserer Vertreter würde von neun gebern zur Hälfte freigestellt. Ich habe in auf drei reduziert. Somit besteht das Problem - meiner schriftlichen Stellungnahme auf das Herr Busse hat bereits darauf aufmerksam britische National Institute for Health and gemacht -, die Vielfalt der Landschaft - in der Clinical Excellence hingewiesen. Das ist nicht Verordnung sind vier Organisationen benannt, mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss zu die die Patienteninteressen vertreten sollen - vergleichen. Im National Institute for Health darzustellen. and Clinical Excellence werden wichtige Entscheidungen getroffen. Diese Entschei- Das Vorhandensein hauptamtlich Tätiger führt dungen werden bei uns zum Teil vom GBA dazu - das ist ein gravierendes Problem -, dass

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sich die Vertreter der Bänke praktisch jeden SV Martin Danner (BAG SELBSTHILFE): Tag in der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Es wurde ja vorhin schon viel Rechts- und Bundesausschusses sehen, sodass Entschei- Organisationstheoretisches zum Gemeinsamen dungen dort im Vor hinein besprochen werden. Bundesausschuss gesagt. Da ich seit fast drei Die Sitzungen, auf denen die Entscheidungen Jahren Woche für Woche viel zu viel Zeit dort de facto getroffen werden - wir Patientenver- verbringe, möchte ich den Sachverhalt hier treter nehmen daran teil -, werden dann nur eher pragmatisch beleuchten. einen for mellen Charakter haben. Unsere Chancen, mit unseren Argumenten in dem Auch aus unserer Sicht werden die ge planten Diskurs, der bisher in den Entscheidungsgre- Veränderungen dazu führen, dass die Spruch- mien stattfand, Einfluss zu nehmen - wir körpersitzungen, die ja öffentlich sein werden, haben kein Stimmrecht -, würden dadurch eher einen Darstellungscharakter bekommen dramatisch vermindert. Wir sehen in den werden, dort also nicht mehr Argumente Regelungen, die mit § 91 angedacht sind, eine ausgetauscht werden und wirklich verhandelt Aushöhlung unserer Beteiligungsrechte, auch wird, sondern dieses in vorgelagerte Gremien wenn an § 140 nichts geändert wird. abgedrängt wird, vielleicht sogar in Ge- sprächsrunden außerhalb der institutionalisie r- Wir schließen uns dem Vorschlag von Herrn ten Gremien des Gemeinsamen Bundesaus- Hess an - der Vorschlag von Herrn Busse ging schusses. Das wäre natürlich eine gefährliche in eine ähnliche Richtung -, die Zahl zu Entwic klung für die Patientenvertreter, weil so reduzieren, auch die der Unterausschüsse, aber das Mitberatungs recht nicht mehr so effizient bei der Gesamtstruktur zu bleiben. Mit diesem ausgeübt werden kann wie in der Vergangen- Vorschlag können wir uns durchaus anfreun- heit. den. Ein weiterer Punkt ist die Straffung der Allerdings muss man sagen - auch das ist Organisationsstrukturen. Die Verringerung der Gegenstand unserer schriftlichen Stellung- Zahl der Unterausschüsse wird letztendlich, da nahme -, dass die Vorgabe des Koalit ions- auf einer Unterausschusssitzung nur eine vertrages, die Patientenbeteiligung auszu- gewisse Anzahl sehr komplexer Themen bauen, weder durch dieses Gesetz noch durch bearbeitet werden kann, dazu führen, dass das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz wirk- Arbeitsgruppen gebildet werden, in denen lich umgesetzt wird. Man müsste darüber Dinge vorbereitend beraten werden. Die gro- nachdenken, ob den Patientenvertretern nicht ben organisatorischen Vorgaben werden also doch ein Stimmrecht - zumindest in Verfah- allein wohl nicht ausreichen, um die Effizienz rensfragen, also wenn es um die Geschäfts- der Arbeit beim Gemeinsamen Bundesaus- ordnung, die Protokolle oder die Tagesord- schuss zu steigern. Überdies wird unser Ko- nung geht - zugestanden werden sollte. ordinierungsaufwand durch eine mehr infor- melle Arbeitsweise und die nötigen Abspra- Stichwort „Professionalisierung“. Es geht chen mit den Hauptamtlichen, die ja jeweils auch um folgende Fragen: Wie sind die Pati- zu Beratungen hinzugezogen werden sollen, entenvertreter ausgestattet? Wie können die erhöht. Es ist ja eine seltsame Situation, dass Patientenvertreter nicht nur in Bezug auf man vorhat, jetzt auch noch die Position Sachkundigkeit und Aufwandsentschädigun- derjenigen, die schon bislang über Stäbe und gen - da ist einiges passiert -, sondern auch in Organisationsstrukturen verfügen, durch Bezug auf Strukturen in den entsendenden hauptamtliche Vertreter in der Geschäftsstelle Organisationen einigermaßen mit dem Schritt des Bundesausschusses zu stärken, während halten, was an professioneller Arbeit geleistet die Patientenvertreter die gleiche Arbeit nach werden soll? Feierabend bzw. an Tagen, an denen sie Urlaub nehmen müssen, erledigen sollen.

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Der Anspruch der Patientenvertreter ist ja Zugleich bin ich aber auch der Auffassung, durchaus, sehr schwierige medizinische und dass wir die Betroffenen etwas stärker in die rechtliche Fragen auf gleicher Augenhöhe zu Vorbereitung der Entscheidungsprozesse bearbeiten. Aus diesem Grunde sehen wir es einbinden müssen. Ich war immer skeptisch, kritisch, wenn eine Verhauptamtlichung le - ob schriftliche Stellungnahmen allein ausrei- diglich bei den anderen Gruppen stattfindet, chen. Man sollte vielleicht eine persönliche aber bei der Patientenvertretung alles beim Beteiligung in der Art, wie sie jetzt bezüglich Alten verbleibt. Wir wollen damit nicht sagen, der Festbetragsgruppenregelung im Gesetz wir brauchten hauptamtliche Patientenver- steht, in Erwägung ziehen. Das darf jedoch treter. Es ist ja gerade unser Qualitätsmerk- nicht routinemäßig oder schematisch passie- mal, dass wir authentisch berichtende Men- ren, sondern muss von Fall zu Fall entschie- schen haben, die Krankheitsbilder einbrin gen, den werden, wobei man mit Hauptgruppen, mit denen sie ihr Leben lang umgehen müs- sofern sie betroffen sind, in jedem Fall ein sen. Aber wir brauchen eine Unterstüt- gemeinsames Gespräch führen sollte, entwe- zungsstruktur im Sinne einer Stabsstelle, die der im Ausschuss oder außerhalb des Aus- beispielsweise hilft, medizinische Studien zu schusses. So kann man die Beteiligungsrechte recherchieren, einen Antrag in rechtlicher stärken. Man sollte aber meines Erachtens den Hinsicht bezüglich SGB V abzuprüfen etc., einzelnen Gruppen kein Recht auf Teilnahme um ein igermaßen das Gleichgewicht zu er- an den Sit zungen geben. halten.

Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zur Einrichtung eines bundeswei- GRÜNEN): Ich habe nun eine Frage an Herrn ten Spitzenverband habe ich eine Frage an Hess zur Besetzung der Unterausschüsse. Herrn Busse. Wir haben ja eben viel Kritik Verschiedene Verbände wie etwa die Bun- daran gehört. Wie schätzen Sie, auch aufgrund despsychotherapeutenkammer und die Dia - Ihrer Kenntnis der Praxis in anderen europäi- konie sowie Vertreter der Hebammen usw. schen Ländern, insbesondere das Argument, schlagen vor, die Unterausschüsse nicht nur dass dadurch der Wettbewerb behindert sektorübergreifend, sondern auch multidiszi- würde, ein? plinär zu besetzen, also auch andere Ge- sundheitsberufe einzubeziehen. Was halten Sie von diesen Vorschlägen? SV Prof. Dr. Reinhard Busse: Wenn man sich Krankenversicherungssysteme von Ländern ansieht, die auch so etwas wie ein SV Dr. Rainer Hess (Gemeinsamer Bundes- gesetzliches System haben, stellt man fest, ausschuss): Das hängt davon ab, wie viele dass wir das einzige Land sind, wo es einen Beteiligte man verkraften kann, ohne dass die solchen Verband noch nicht gibt. Es ist in- Arbeit des Gemeinsamen Bundesausschusses sofern sachlogisch, dass so etwas angedacht stark behindert wird. Ich habe es bereits in der wird. Einen Knackpunkt dabei stellt alle rdings Anhörung heute Mor gen gesagt: Wenn Sie bei die Frage dar, inwieweit er die anderen Ver- den Pflegeberufen anfangen, dann können Sie bände ersetzen soll. Eine Mischlösung gibt es erst bei der Industrie aufhören. Das heißt, nur in Belgien. Dort gibt es neben dem viele werden dann den Anspruch erheben, an Dachverband auch noch Verbände wie den diesem Ausschuss beteiligt zu werden. Da Landesbund der Christlichen Krankenkassen können Sie auch niemanden ausschließen. usw. Das Schweizer Krankenversicherungs- Jede Berufsgruppe, die irgendwie betroffen gesetz dagegen sieht vor, dass die Kranken- ist, erhebt dann den Anspruch, an den Unter- kassen als gemeinsamen Dachverband eine ausschüssen unmittelbar beteiligt zu werden. Stiftung gründen und dass das Ministerium Davor kann ich nur warnen. nur ersatzweise tätig werden darf. Frankreich hat sich interessanterweise an der Idee unseres

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Gemeinsamen Bundesausschusses orientiert der Kassen in Gesellschaften bürgerlichen und erst vor kurzem mit der letzten Gesund- Rechts. Was sollen aus Ihrer Sicht die Aufga- heitsreform einen Dachverband geschaffen, in ben der Verbände in Zukunft sein und wer soll dem die Krankenkassen nun ein echtes Mit- aus Ihrer Sicht Gesellschafter sein? spracherecht haben. Vorher war das sehr viel staatlicher organisiert. SV Jürgen Brennenstuhl: (Betriebskranken- Im Zusammenhang mit dem Thema „Staat kassen im Unternehmen e.V.):Man kann und Vorgaben“ ist ein Blick in die Nie - sicherlich geteilter Meinung darüber sein, ob derlande nützlich. Die Niederlande ha lten wir die Einrichtung eines Spitzenverbandes Bund ja für sehr am Wettbewerb orie ntiert, was strukturpolitisch und von der Aufgabenzuwei- nicht immer stimmt. Dort ist interes- sung Sinn macht. Dazu möchte ich nun nicht santerweise vor etwa zehn Jahren der Kran- Stellung nehmen. kenkassenverband als Selbstverwaltungsor gan abgeschafft und durch eine staatliche Supervi- Wir brauchen aber, wenn sich die Mitglie - sionsbehörde ersetzt worden. Die Krankenver- derschaft eines neuen Spitzenverbandes Bund sicherer, übrigens die gesetzlichen und priva- aus den Kassen zusammensetzt - das ist, wie ten, haben sich daraufhin freiwillig zu einem ich denke, entscheidend -, eine Struktursym- Verband zusammengeschlossen, um ein metrie. Das bedeutet, wenn die bisherigen Interessenorgan zu ha ben. Bei der neuen Bundesverbände der Krankenkassen privati- Reform in den Niederlanden werden nun siert werden, dann muss in diesen auch die solche Dinge wie Leistungskataloge und Kassenseite vertreten sein, weil ansonsten die Qualitätsanforderungen vom Ministerium Klammerfunktion der Kassen, die sich ja vorgegeben und von der neuen Wettbewerbs- sowohl auf die neuen privaten Spitzenverbän- behörde für das Gesundheitswesen überprüft. de als auch auf den neuen öffentlich- Dies bezeichnet man dort als wettbewerbsori- rechtlichen Spitzenverband Bund erstreckt, entiert. Es wäre also auch eine Lösung, nicht stimmig wäre. staatliche Vorgaben zu ma chen, diese von einem Kartellamt überprüfen zu lassen und Die Privatisierung der Bundesverbände ansonsten alles den Einzelkassen zu überla s- entspricht sicherlich ein Stück weit dem wett- sen. bewerblichen Ansatz. Wenn nämlich die ho- heitlichen Aufgaben der bisherigen Bundes- Ich persönlich meine - auch unter Berück- verbände auf den neuen Spitzenverband Bund sichtigung dessen, was die Franzosen ma- übergehen, kommt diesen sehr viel stärker chen -, dass hier ein Mittelweg unter Einbe- eine Dienstleisterrolle zu. Dafür müssen sie ziehung der Selbstverwaltung versucht werden sich umorganisieren, um dann direkt für sollte. Hierbei ist natürlich das Gleiche zu Krankenkassen IT-Dienstleistungen in Form beachten, was ich eben bezüglich des Gemein- von EDV-Unterstützung und Datentransfer samen Bundesausschusses angemahnt habe, sowie administrative Dienstleistungen wie nämlich dass die Legitimität der Akteure Rechnungsprüfung, Unterstützung im Bereich erhalten und nicht abgeschafft wird. Insgesamt Beitragswesen und Finanzen erbringen zu kann man aber nicht sagen, dass es außerge- können. Das sind sicherlich interessante wöhnlich wäre - ganz im Gegenteil -, wenn Aufgabenfelder, die zwar bundesweit einheit- ein Dachverband geschaffen würde. lich organisiert werden müs sen, sich aber an die einzelnen Kassen richten. Deshalb ist es aus unserer Sicht zwingend notwendig, nicht Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE die Landesverbände als Mitglieder vorzuse- GRÜNEN): Ich habe noch eine Frage an die hen, sondern die Kassen. Die Landesverbände Vertreter des Vereins Betriebskrankenkassen selbst behalten ja ihre öffentlich-rechtliche im Unternehmen. Sie begrüßen ja die geplante Struktur, allerdings auf regionaler Ebene. Das Umwandlung der bisherigen Bundesverbände heißt, sie könnten diese Einheitlichkeit der

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Prozesse und Dienstleistungen auf Bundes- haben; denn letztlich werden viele Entschei- ebene nicht gewährleisten. dungen massive finanzielle Konsequenzen für die Kassen haben. Somit müsste sich ein Vorstand einer Kasse gegenüber seinem Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE Verwaltungsrat für finanzielle Konsequenzen GRÜNEN): Den VdAK möchte ich fragen, rechtfertigen, die im Spitzenverband Bund wie er die geplante innere Struktur des Spit- von drei Hauptamtlichen entschieden wurden, zenverbands Bund sieht und welche alternati- ohne dass für ihn hier Kontroll- und Einfluss- ve Gestaltung der Organe ihm am Herzen möglic hkeiten bestanden hätten. liegt.

Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE SVe Dr. Doris Pfeiffer (VdAK/AEF): Wir LINKE.): Wir kommen zur Abschlussrunde haben ja drei Organe: die Mitgliederversamm- der CDU/CSU-Fraktion. lung, den Verwaltungsrat und den hauptamtli- chen Vorstand. Es ist schon erwähnt worden, dass die Verteilung der Sitze im Verwaltungs- Abg. Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Ich rat zumindest willkürlich erscheint. Ein habe zwei Fragen an das Bundesversiche- sinnvolles Kriterium kann meines Erachtens rungsamt. nur der Marktanteil sein. Die Verteilung ist aber nach anderen Kriterien vorgenommen Erstens. Sie haben sich in Ihrer schriftlichen worden. Interessant ist insbesondere, dass die Stellu ngnahme explizit gegen ein Prüfrecht Verteilung kassenartenspezifisch erfolgen soll, des Bundeskartellamts bei Kassenfusionen obwohl ja ansonsten davon ausgegangen wird, unter Bezugnahme auf höchstrichterliche dass sich die Kassenarten nach und nach Rechtsprechung ausgesprochen. Welche auflösen. Ich bin gespannt, ob bei kas- konkreten Auswirkungen befürchten Sie, senartenübergreifenden Fusionen die Sitz- wenn das Bundeskartellamt aufsichtsrechtlich verteilung verändert wird. Im Übrigen ist vor- Fusionen begleitet? gesehen, die anhand der Mitglieder gewichtete Stimmenvergabe für die Mitgliederver- Zweitens. Wie könnte Ihrer Meinung nach das sammlung jährlich anzupassen. Da stellt sich Verhältnis der Fusionsvorschriften des SGB V dann die Frage, ob in jedem Jahr die Mitglie - zur Fusionskontrolle des Gesetzes gegen derversammlung mit unterschiedlichen Wettbewerbsbeschränkungen unproblematisch Stimmengewichten neu wählt; denn es werden gestaltet werden, und zwar ohne auf ein sich ja Veränderungen ergeben. Ich kann mir Mitwirkungsrecht der Kartellbe hörden zu das praktisch nicht vorstellen. verzichten?

Ein weiteres entscheidendes Problem ist Noch eine Frage an Herrn Schulte: Sehen Sie sicherlich, dass es einen dreiköpfigen haupt- eine Möglichkeit, die Fusionsvorschriften im amtlichen Vorstand geben soll, der ganz SGB V mit den Vorschriften des Gesetzes konkret das operative Geschäft gestaltet. gegen Wettbewerbsbeschränkungen vertrag- Außerdem ist analog der heutigen Regelung lich zusammenzubringen? für die Kassen vorgesehen, dass der ehren- amtliche Verwaltungsrat in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung entscheidet. Wir SVe Sylvia Bohlen-Schöning: (Bundesversi- gehen davon aus, dass die Gestaltung bei- cherungsamt): Wir halten das Kartellrecht in spielsweise der Vergütungssysteme und die diesem Fall nicht für anwendbar. Unter den Erstellung von Vorgaben für regionale Ver- jetzigen gesetzlichen Bedingungen sind die einbarungen eher zum operativen Geschäft Kassen nach wie vor mittelbare Staatsverwal- gehören. Von daher stellt sich die Frage, wel- tungen; sie sind eben keine privaten Unter- che Einflussmöglichen die Kassenvorstände nehmen, selbst wenn sie um Versicherte

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konkurrieren. Der gemein same Zweck aller dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkun- Krankenversicherungen ist nämlich immer gen nicht herzustellen ist. Auf der anderen noch die Versorgung der Versicherten und Seite gibt es im Gesetz gegen Wettbewerbsbe- nicht der Wettbewerb untereinander. Auch der schränkungen durchaus vernünftige Grundla- EuGH hat die Unternehmenseigenschaft der gen, um eine Fusions kontrolle auszuüben. Es Krankenkassen verneint, sodass wir unter den liegt eigentlich nahe, die brauchbaren Grund- jetzigen gesetzlichen Bedingungen das Kar- lagen in das Sozialgesetzbuch zu übernehmen. tellrecht für nicht anwendbar halten. Wettbewerb findet allerdings, wie an dem Beispiel, das von der Vertreterin des Bundes- Man kann das gesetzlich ändern; nur passen versicherungsamtes genannt worden ist, die Systeme nicht zusammen. Es stellt sich ja deutlich wurde, weitgehend auf der regionalen zum einen die Frage, unter welchen Bedin- Ebene statt. In der Konsequenz heißt das, dass gungen das Kartellamt die Fusionskontrolle immer dann, wenn Ortskrankenkassen, die ausüben soll bzw. was der Fokus sein soll. entweder schon marktbeherrschende Unter- Wenn wir die Fusionen pr üfen, dann ist unser nehmen im Sinne des Kartellrechts sind oder Fokus die Stärkung der Leis tungskontrolle. es schnell werden können, mit anderen Kran- Der Fokus des Kartellamtes ist die Verhinde- kenkassen fusionieren, eine entsprechende rung von marktbeherrschenden Stellungen. Fusionskontrolle stattfinden muss. Zum anderen ist ist zu fragen, ob man regional oder bundesweit anknüpft. Wenn in Bremen Wenn nun die entsprechenden Vorschriften im die AOK mit der HKK fusioniert, dann haben Sozialgesetzbuch verankert werden, dann beide zusammen eine marktbeherrschende stellt sich die Frage, welche Behörde diese Stellung. Wenn aber dort Barmer und DAK Fusionskontrolle ausüben soll. Hie rbei auf die fusionieren, dann ist das nicht der Fall; deren Aufsichten zu verweisen, scheint mir proble- gemeinsamer prozentualer Anteil wäre nicht matisch zu sein. In aller Regel wird nämlich so hoch wie der jeweilige Anteil der beiden bei Fusionen der eine Fus ionspartner unter der anderen Kassen. Durch einen Zusammen- Aufsicht des Landes und der andere Fusions- schluss würden DAK und Barmer so in den partner unter der Aufsicht einer Bundesbehör- einzelnen Regionen nicht unbedingt eine de stehen. Insofern würde viel dafür sprechen, marktbeherrschende Ste llung erreichen; aber eine einheitliche Behörde für Fusionskontrol- bundesweit würde ein sehr großes Kranken- len zu schaffen. Es ist nämlich einerseits zu kassenunternehmen entstehen. Insofern ist das befürchten, dass sich Länder bei der Wahr- System im Moment noch nicht ausgereift. Die nehmung der Aufsichtsfunktion zu stark an Fusionskontrollen, die das Kartellamt in den Landesinteressen orientieren; ich glaube, ich letzten Wochen gemacht hat, haben einfach brauche nicht deutlicher zu werden. Anderer- nur einen Gebührenbescheid über 4 000 € zur seits würde ich keine Ausnahme in Form einer Folge gehabt; das mag ja schön für das Ministererlaubnis analog zum Gesetz gegen Kartellamt sein. Wenn man aber marktbe- Wettbewerbsbeschränkungen vorsehen. Da herrschende Stellungen verhindern will, dann wie derum würde ich der Bundesministerin für sollte man - das wäre mein Vorschlag - eine Gesundheit nicht trauen. Lösung im System suchen, indem nicht das Kartellamt die Prüfungen durchführt, sondern Schließlich - auch das ist zu konstatie ren - gibt die Aufsic hten. es im Augenblick Krankenkassen mit markt- beherrschender Position im kartellrechtlichen Sinne, beispielsweise die AOK Sachsen, und SV Gerhard Schulte: Durch die Einräumung zwar egal ob Sie es nach dem Versichertenan- von verbandsübergreifenden Fusionen brau- teil oder nach dem Umsatzanteil betrachten. In chen wir zweifelsohne Fusionskontrollen im beiden Fällen liegt die Ortskrankenkasse Sozialgesetzbuch. Ich teile auf der einen Seite Sachsen schon über der 50-Prozent-Grenze. die Auffassung, dass eine Automatik, was die körperschaftlichen Krankenkassen angeht, mit

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Es sind in der Tat noch einige Fragen zu keit in dem Verband hat, in dem die Haftung klären. Das Gesetzgebungsverfahren dauert ja anfällt. noch einige Wochen. Ich glaube, das Problem ist im Rahmen des SGB V zu lösen. Das Gesagte gilt auch für den Fall der Garan- tiehaftung infolge der Schließung einer Krankenkasse. Für den Fall der finanziellen Abg. Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Hilfen nach § 265 a, die zum Beispiel für die Ich habe vier Fragen. Sicherstellung der Entschuldung einer Kran- kenkasse durch den Verband gewährt werden, Erstens möchte ich Sie, Herr Dr. Straub, ist die nachgehende Haftung aus unserer Sic ht bitten, zu erläutern, ob Sie die Regelungen, problematisch und abzule hnen, da auf diese die zu der nachgehenden Haftung getroffen Weise Schulden von Einzelkassen über weite sind, für wettbewerbskonform halten. Strecken sozialisiert würden. Ein zelne Kassen haben in der Vergangenheit im Wettbewerb Zweitens möchte ich Sie, Herr Schulte, fragen, über Jahre von ihren de facto zu niedrig welche Möglichkeiten Sie für die Ge- kalkulierten Beitragssätzen profitiert. Dabei sellschaften des bürgerlichen Rechts, die die war die Haushaltsführung sicher nicht solide. Nachfolge der bestehenden Spitzenverbände Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die antreten sollen, sehen, über den Zeitpunkt des Darlehensaufnahmen schlicht rechtswid rig Inkrafttretens des Fonds hinaus fortbe stehen waren. Wenn jetzt diese Schulden auf diesem zu können, und welche Aufgaben diese Weg weitergetragen würden, dann würden Gesellschaften übernehmen könnten. Mitglieder und Arbeitgeber belastet, die damit nichts zu tun haben. Das halten wir juristisch Die dritte Frage richtet sich an die Vertreter für sehr bedenklich. von KBV und Verbraucherzentrale Bundes- verband. Wie beurteilen Sie den schon mehr- Zur Wettbewerbskonformität der vorgese- fach unterbreiteten Vorschlag, den Gemein- henen Regelungen zur nachgehenden Haftung: samen Bundesausschuss mit drei unparteii- Da die Haftung dauerhaft in der Kassenart der schen Hauptamtlichen zu besetzen und die betroffenen Kasse verbleiben soll, der Spit- Selbstverwaltungsmitglieder weiterhin in ihrer zenverband Bund im Falle einer Auflösung Rolle zu belassen? einer GbR nur eine Art Clearingfunktion übernimmt und im Übr igen alle Kassen gleich Viertens. Herr Dr. Hess, können Sie sich behandelt werden, erscheinen uns die Rege- vorstellen, dass Patientenvertreter mehr lungen grundsätzlich wettbewerbskonform zu Verfahrensrechte bekommen? Wenn ja, wie sein. Alle rdings - das ist eine etwas andere könnten diese aussehen? Sicht als die Sicht meiner Vorredner und meiner Vorrednerin - ist die Frage der Verhin- derung einer marktbeherrschenden Stellung SV Dr. Christoph Straub: Die Regelungen auch in der GKV zu beachten. Gerade in zur nachgehenden Haftung im Gesetzentwurf Verbindung mit dem Fonds und dem RSA ist scheinen aus unserer Sicht ausreichend zu die Möglichkeit, Marktmacht einzusetzen, ein sein. Eine nachgehende Haftung über drei ganz wesentlicher Faktor für die Dynamik auf Jahre ist eine vergleichsweise lange Frist, die diesem Markt. Deshalb erscheint uns eine aufgrund der dann doppe lten Haftung in zwei Begleitung des Marktgeschehens durch eine Verbänden kassenartenübergreifende Fusio- Kartellbehörde oder durch eine andere Ein- nen eher bremsen dürfte. Aus unserer Sicht ist richtung angemessen. besonders wichtig, dass die nachgehenden Risiken und Lasten plan- und berechenbar sind und dass der Haftungsträger auch die SV Gerhard Schulte: Zur Frage, ob Kran- volle Informations- und Mitwirkungsmöglic h- kenkassen nach der Errichtung eines Spitzen- verbandes Bund im traditionellen System noch

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eine Bundesorganisation brauchen, kann man vielfältigen Aufgaben, die dann Gesellschaf- für den Fall, dass Sie sich nicht der mehrheit- ten bürgerlichen Rechts in einem wettbe- lichen Meinung der Experten anschließen, werblichen System wahrnehmen müssten, nämlich den Spitzenverband Bund fallen zu steuerpflichtig würden, insbesondere vor dem lassen, sagen, dass Krankenkassen, und zwar Hintergrund einer Mehrwertsteuer von nicht nur die Betriebskrankenkassen, einen 19 Prozent. Deswegen rege ich an, zu über- Bundesdienstleister brauchen. Wir haben mit legen, ob es nicht sinnvoll ist, die Wahrneh- hohem Aufwand und sehr effektiv eine mung der gesetzlichen Aufgaben durch gemeinsame EDV-Struktur aufgebaut. Diese Krankenkassen so wie beispielsweise die würden wir ohne weiteres nicht dem Spitzen- ärztliche Tätigkeit steuerfrei zu stellen, und verband Bund zur Nutzung überlassen, weil zwar egal ob sie privat, öffentlich-rechtlich das ein wettbewerbliches Instrument ist. Wir oder in welcher Gesellschaftsform auch immer brauchen auch weiterhin die Entwicklung von ausgeübt wird. Dann bräuchten wir uns diese vertragsrelevanten einheitlichen Grundlagen Sorge nicht mehr zu machen. für Disease-Management-Programme, Integra- tionsversorgungsmode lle, hausarztzentrierte Versorgung und vieles andere mehr. SVe Dr. Doris Pfeiffer (VdAK/AEV): Die Frage betraf ja die Besetzung des Gemeinsa- Man darf nicht übersehen, dass es auch zur men Bundesausschusses. Es ist bereits in den Aufgabe der Bundesverbände gehört, ihre vorherigen Runden deutlich geworden, dass Mitglieder zu unterstützen. Das ist dann im wir eine solche Umgestaltung nicht für Prinzip das Einzige, das übrig bleibt. Aber ich zie lführend und nicht für notwendig halten. möchte diese Aufgabe nicht unterschätzen. Ich Wenn überhaupt, dann wäre eine Professiona- denke, dass ein Großteil der Mitarbeiter, die lisie rung allenfalls bei den unparteiischen Mit- die Bundesverbände im Augenblick beschäfti- gliedern sinnvoll, weil man so die Legitima- gen, gerade in diesen Bereichen und nicht an tion und Akzeptanz des Bundesausschusses der Entwicklung gemein samer Grundlagen für erhalten würde. die auch schon im Augenblick einheitlich und gemeinsam zu treffenden Entscheidungen Allerdings sehe ich in diesem Zusammenhang arbeitet. Deswegen stellt sich für mich auch nicht die Notwendigkeit, die Zahl der Ent- nicht so sehr die Frage, wer in der Gesell- scheider zu reduzieren. Sie gehen in Ihrer schaft bürgerlichen Rechts Gesellschafter ist. Frage ja davon aus, dass es bei den sechs Da halte ich die Anregung des Kollegen Mitgliedern bleibt. Ich glaube, für Entschei- durchaus für sinnvoll, jedenfalls bezogen auf dungsfindungen ist es nicht entscheidend, wie unsere Struktur. Wichtig ist, dass wir weiter- viele Leute, also ob drei oder neun Personen, hin zentrale Dienstleister brauchen. Es stellt auf jeder Seite sitzen. Es geht darum, dass hier sich natürlich die Frage, ob das mit einem die Organisationen vertreten sind. Für die größeren finanziellen Aufwand für die Kran- Arbeit ist entscheidend, dass die Strukturen so kenkassen verbunden ist, wenn sie sowohl den gestaltet werden, dass wir schneller zu Ent- Spitzenverband Bund als auch die traditionelle scheidungen kommen. Deshalb lautet unser Infrastruktur werden finanzieren müssen. Vorschlag, ein gemeinsames Entscheidungs- gremium statt der derzeit unterschiedlichen Ich sehe in diesem Zusammenhang noch ein Kammern vorzusehen und die Zahl der weiteres Problem. Leidgeprüft haben wir Unterausschüsse zu reduzieren und sektor- feststellen müssen, dass die Finanzbehörden übergreifend einzurichten. So könnte man die davon ausgehen, dass Arbeitsgemeinschaften Arbeit sektorübergreifend gestalten; das der Krankenkassen zivilrechtlich Gesell- würde sicherlich erheblich zur Qualität und schaften bürgerlichen Rechts sind und des- Effizienz der Arbeit beitragen. wegen steuerpflichtig werden können. Vor diesem Hintergrund sehe ich die Geier schon auf der Lauer. Es wäre tragisch, wenn die

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SV Dr. Andreas Köhle r (Kassenärztliche unterscheidet den Bundesausschuss vielleicht Bundesvereinigung): Wenn man unter Beibe- etwas von Gremien, die auf Landesebene haltung der Legitimation der Gremien die bestehen. Wir haben im Bundesausschuss eine Strukturen straffen will, dann muss man dafür Kultur des gle ichberechtigten Miteinanders sorgen, dass die unparteiischen Mit glieder entwickelt und handhaben diese auch. Das hauptamtlich tätg sind. Wir würden das heißt, die Patientenvertreter haben dieselben unterstützen, sehen alle rdings die von Herrn Rechte wie alle anderen Mitglieder; sie haben Hess in seinen Ausführungen darge legte nur kein Stimmrecht. Schlussfolgerung, dass wir in den Un- terausschüssen ausschließlich mit den un- Die Zuerkennung eines Stimmrechtes sollte parteiischen Hauptamtlichen arbeiten müs sen, man den Patientenvertretern nicht antun, weil nicht als zwingend an. sie damit in eine Verantwortung hineingezo- gen würden, die jedenfalls in der Außendar- stellung sehr schwer zu tragen wäre. Ich SV Dr. Stefan Etgeton (Verbraucherzentrale bewundere Herrn Etgeton dafür, dass er zum Bundesverband e.V.): Auch wir me inen, dass Beispiel die Analoginsulinentscheidung nach die Unparteiischen durchaus hauptamtlich außen mitgetragen hat. Ich weiß aber nicht, ob tätig sein sollten. Wenn das Gremium die es für die Patientenvertreter wirklich gut wäre, Aufgabe behält, die Herr Hess skizziert hat, wenn sie jede Entscheidung nach außen nämlich einen Interessensausgleich herzu- vertreten müssten. Ich glaube, die Unabhän- stellen, dann kommt dem Vorsitzenden in den gigkeit ohne Stimmrecht ist ein Faustpfand, Sitzungen der Entscheidungsgremien die das man nicht so schnell aufgeben sollte. Rolle zu, einen solchen Interessenausgleich durch eine professionelle Moderation der Ich persönlich bin der Meinung, dass auf die Diskussion zu Wege zu bringen. Das ist in den Patientenvertretung mehr Rücksicht ge- letzten Jahren in vielen Sitzungen relativ gut nommen wird, wenn sie kein Stimmrecht hat. gelungen und trägt auch zur Beschleunigung So fragen wir zurzeit vor jeder Abstimmung bei. Für Entscheidungsfindungen wird die expressis verbis die Patientenvertreter in meiste Zeit ohnehin nicht im Ent- beiden Gremien immer nach ihrer Position; scheidungsgremium verbracht, sondern in den erst dann wird abgestimmt. Dabei hat man Unterausschüssen. Das heißt, wenn man zur immer im Hinterkopf, wie die Auffassung der Beschleunigung beitragen will, dann muss Patientenvertretung am besten berücksichtigt man die Geschäftsstelle für die Zuarbeit zu werden kann. Wenn sie selber ein Stimmrecht den Unterausschüssen besser ausstatten. Aber hätte, dann würde vie lleicht nicht so stark auf es kann sicher der Entscheidungsfindung in Patienteninteressen eingegangen werden, weil den Entschlussgremien durchaus zuträglich man denkt, sie könne ihre Rechte durch sein, wenn die Leitung professionell wahrge- Abstimmung wahrnehmen. Dann dürfte es nommen wird. auch eher zu Überstimmungen kommen, als das jetzt der Fall ist; bis lang sind wir nämlich Bezüglich der Zahl der Vertreter gibt es eine nur bei wenigen Entscheidungen wirklich in kritische Untergrenze. Drei sti eindeutig zu eine Konfliktsituation geraten. wenig, um unsere Interessen zu repräsentieren. Mit fünf oder sechs könnte man sicher leben. Wir werden nun - dafür brauchen wir kein Gesetz - die Geschäftsstelle weiter aufrüs ten. Sie haben es in der Begründung des Vertrags- SV Dr. Rainer Hess (Gemeinsamer Bundes- arztrechtsänderungsgesetzes ja auch noch ausschuss): An mich ist die Frage gerichtet einmal ausdrücklich hervorgehoben. In der worden, wie die Position der Patientenvertre- Stabstelle, Herr Danner, haben wir schon ter verbessert werden könnte. Ich wage die einen Mitarbeiter eingestellt; hier kann man Behauptung, die Position der Patientenvertre- weiter ausbauen. Das ist eine Entscheidung, ter im Bundesausschuss ist hervorragend. Das die wir nach Bedarf treffen müssen. Wir

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führen spezifische Fortbildungsveranstaltun- Krankenhausabrechnung nicht zu einer gen für Patientenvertreter durch. Auch das Minderung des Abrechnungsbetrages geführt kann man ausbauen. In der Organisation hat. Wie bewerten Sie diese Regelung vor könnte man also, wenn alle Beteiligten dem Hintergrund der Einführung eines neuen mitziehen, auch ohne Gesetzesänderungen Vergütungssystems im Krankenhaus? vieles tun. Die zweite Frage geht an den Medizinischen Dienst und an Herrn Schulte. Beanspruchen Abg. Willi Zylajew (CDU/CSU): Meine Kassen künftig Leistungen der Medizinischen Frage richtet sich an die Spitzenverbände der Dienste oder anderer Gutachterdienste, die auf Krankenkassen. Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, § 275 Abs. 4 gestützt sind und die Beratung die Verbandsstruktur der Krankenkassen auf der Versicherten oder allgemeinmedizinische Bundesebene vor dem Inkrafttreten der Fragen der gesundheitlichen Versorgung Pflegeversicherungsreform auf die Pfle - betreffen, müssen sie dies durch aufwandsori- geversicherung zu übertragen? entierte Nutzerentgelte vergüten. Die ansons- ten zur Finanzie rung des Medizinischen Dienstes von den Kassen aufgebrachten SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- Umlagemittel sollen hierfür nicht eingesetzt Bundesverband): Es ist aus unserer Sicht nicht werden. Halten Sie diese Regelung für sinn- sinnvoll, sie zu verändern. Insofern beantwor- voll? tet das die Frage.

SV Dr. Rudolf Kösters (Deutsche Kranken- SV Wolfgang Schmeinck (BKK Bundesve- hausgesellschaft e.V.): Insgesamt halten wir band): Dem schließe ich mich grundsätzlich die Regelungen, die im Gesetzentwurf stehen, an, möchte aber zugleich versuchen, die Frage für Schritte in die richtige Richtung. Auch die unmittelbar zu beantworten: Perspektivisch Pauschale, die zu zahlen ist, wenn die Nach- kann ich mir leider nicht vorstellen, dass für prüfungen zu keinem Ergebnis führen, das zu die Pflegeversicherung andere Verbändefunk- einem Abzug führt, halten wir für adäquat. tio nen als für die gesetzlichen Krankenversi- Die könnte nach unserer Einschätzung eher cherungen verble iben. Ich gehe davon aus, noch höher sein, sodass dann genauer überlegt dass die Pflegeversicherungsreform absehbar wird, wo man Einspruch erheben will und wo ist und möglicherweise bis Ende 2008 kommt. nicht. Wir würden uns darüber hinaus wün- Bis dahin gibt es ja die Bundesverbände noch. schen, dass vorher ein präziser Prüfungsgrund Noch vorher etwas zu ändern, dazu sehe ich angegeben werden muss und nicht wie jetzt keinen sachlichen Grund. flächendeckend zur Prüfung geschritten werden kann.

Abg. Hermann-Josef Scharf (CDU/CSU): Auch der Medizinische Dienst der Kranken- SVe Dr. Doris Pfeiffer (VdAK/AEV): Es kassen wird in Organisation, Aufgaben und wird Sie nicht überraschen, dass wir diese Finanzierung dem Wettbewerb unterworfen. Regelung ablehnen. Wir halten diese Prüfun- Es werden neue Formen der Nutzerfinanzie - gen nach wie vor für notwendig. Zudem sind rung und die Wahl verschiedener medizini- die Regelungen so konstruiert, dass überhaupt scher Dienste ermöglicht. nicht klar ist, was es bedeutet, wenn ein MDK-Gutachten erfolglos war. Da wäre noch Meine erste Frage geht an die Vertreter von zu präzisieren, ob das auch bei falscher DKG, VdAK und vom Medizinischen Dienst: Kodierung oder bei anderen Dingen gilt. Der Gesetzentwurf sieht die Entrichtung einer Heute werden solche Fragen häufig im bilate- Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro ralen Verfahren geklärt und dann Rechnungs- vor, wenn die Stichprobenprüfung einer korrekturen vorgenommen. Wir befürchten,

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dass Krankenhäuser zukünftig dieses nicht mehr freiwillig machen und es daher zu noch Dann würde mich interessieren, wie BKK, mehr Überprüfungen kommen wird. Wenn VdAK und Professor Busse die Einschätzung man schließlich eine solche Strafe in Höhe von Herrn Dr. Ahrens beurteilen und ob sie sie von 100 Euro einführt, dann müsste es diese bestätigen können. natürlich im umgekehrten Fall genauso ge ben und der Rechnungsbetrag, wenn es zur Entde- ckung eines Fehlers kommt, um weitere SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- 100 Euro gekürzt werden. Bundesverband): Herr Abgeordneter, das ist eine Rechnung, die wir nicht nur im System Ein weiterer problematischer Punkt ist die des AOK-Bundesverbandes, sondern natürlich Sechswochenfrist, weil so Tatbestände wie auch in den AOKs, die davon betroffen sind, nachträgliche Änderungen durch das Kran- aufgemacht haben. Diese haben wir mit den kenhaus oder Sozialgerichtsurteile, die nach Ergebnissen ande rer Verbände abgeglichen. der Frist bekannt werden, keine Prüfung durch Wir müssen natürlich davon ausgehen, dass den MDK mehr erlauben. Das wäre eine neben diesem Bereich ein riesiger Servicebe- einseitige Benachteiligung der Kranken- reich verbleiben wird. Aber aufgrund der kassen. Definition des Leistungsgeschehens und der geringen Möglichkeiten, davon abzuweichen, müssen wir davon ausgehen, dass 70 Prozent SV Dr. Peter Pick (Medizinischer Dienst der durch den Spitzenverband festgelegt werden Spitzenverbände der Krankenkassen e.V.): und nur 30 Prozent der Disposition der Zur Frage der Abrechnungsprüfungen: Es einze lnen Kassen überlassen bleibt. wird ja immer der Ein druck erweckt, dass zu viel geprüft wird. Dass die Krankenhäuser das nicht lieben, kann ich verstehen; aber die SV Wolfgang Schmeinck (BKK Bundesver- Prüfquote liegt deutlich unter 10 Prozent und band): Ich stimme dem zu. Wir reden hier im Ergebnis - das muss man sich vor Augen vom Volumen des Vertragsgeschäfts der führen - werden bei 40 Prozent der Kranken- Kassen und nicht von Haushalten der Verbän- hausabrechnungsprüfungen Fehlkodierungen de oder anderen Dingen. Ich habe nicht festgestellt: 80 Prozent zugunsten der Kran- gerechnet, würde gefühlt aber noch 5 bis kenkassen, 20 Prozent zugunsten der Kran- 10 Prozent drauflegen. kenhäuser. Man muss sich sehr gut überlegen, ob man das zurückfährt. Das hätte natürlich auch Effekte, die nicht so positiv sind. Ob SVe Dr. Doris Pfeiffer (VdAK/AEV): Ich man wirklich für eine Prüfung eine Eintritts- kann das unterstreichen. Es ist ja vorgesehen, gebühr einführt, muss die Politik entscheiden. dass der Spitzenverband Bund die Vergü- tungs systeme im stationären und ambulanten Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE Bereich gestaltet, dass er Vorgaben für die LINKE.):Die Zeit ist abgelaufen. Ich muss zur Vergütungsvereinbarungen im ambula nten Fraktion der SPD wechseln. Bereich auf Landesebene macht und die Fest- beträge festsetzt. Wenn Sie diese Sektoren zusammenfassen, dann kommen Sie ganz Abg. Peter Friedrich (SPD): Herr Dr. Ah- schnell auf mindestens zwei Drittel, vielleicht rens, Sie haben in der ersten Runde beric htet, sogar 70 Prozent oder mehr. Das liegt eben dass der gemeinsame Spitzenverband daran, dass man im Grunde genommen alle 70 Prozent des Vertragsgeschehens abbilden Bereiche unter die Kategorien fassen kann, die würde. Mich würde interessieren, wie Sie zu zukünftig von diesem Spitzenverband bearbei- dieser Einschätzung vor dem Hintergrund der tet werden. Ich habe einmal durchge rechnet: Regelungen in den §§ 73 b und c und 140 a Es sind 118 Einze lregelungen, die zukünftig kommen. der Spitzenverband Bund übernehmen wird,

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also ein umfangreiches Paket sowohl bezüg- SV Dr. Peter Pick (Medizinischer Dienst der lich der Regelungen als auch des Finanzvolu- Spitzenverbände der Krankenkassen e.V.): mens. Die Finanzierungsregelung schafft eine saubere Abrechnungsgrundlage für die Einzel- fallbegutachtung: Mit dem Wohnortbezug der SV Prof. Dr. Reinhard Busse: Die Frage ist, Versicherten haben wir jetzt eine klare Rege- was die 100 Prozent ausmacht, von de nen wir lung. Für alle Ein zelfallbegutachtungsaufga- hier ausgehen. Ist es das Finanzvolumen oder ben wird also die Finanzierungsgrundlage des die daran hängende Arbeit in den jetzigen MDK gestärkt. Das begrüßen wir. Spitzenverbänden? Neu ist, dass für die Aufgaben, die zur allge- Das Arbeitsvolumen wird sich von Verband meinen Beratung gehören, die also über den zu Verband etwas unterscheiden und hängt Einzelfall hinausgehen, im Gesetz die Nutzer- von der Struktur ab - ich erinnere an das, was finanzierung vorgesehen wird. Mit diesem Herr Schulte vorhin gesagt hat -: Wenn ein Ergebnis - deshalb ist der Ansatz nicht falsch - Verband sehr viele kleine Kassen hat, denen tun wir uns ein bisschen schwer. Klar ist, dass er unter die Arme greift, dann bleibt da Aufträge, die im Wettbewerb von einzelnen sicherlich mehr an Arbeitsvolumen zurück als Krankenkassen gegeben werden, vom Nutzer bei einem Verband, der aus sehr vielen großen zu finanzieren sind. Die Kosten hierfür Kassen besteht; hier geht zwar praktisch auch können, da sie einzelnen Kassen oder einzel- vieles zum Dachverband, aber der Rest kann nen Verbänden nutzen, natürlich nicht der von den Einzelkassen wahrgenommen wer- Gemeinschaft aufgebürdet werden. den. Es ist sehr schwie rig zu sagen, wie die beteiligten Personen ihre tagtägliche Arbeit Wir haben aber auch in der allgemeinen aufteilen werden. Beratung nach § 275 Abs. 4 Aufgaben, die im Interesse und im Auftrag aller Krankenkassen Was den Anteil des Geldvolumens angeht, erledigt werden, zum Beispiel die Bewertung stimmt, wie ich glaube, die Aussage. eines Krankenhausplanes auf Landesebene, für den alle Krankenkassen im Land den Auftrag an den MDK erteilen. Da halten wir Abg. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Ich habe es für besser, dies gemeinschaftlich zu finan- zwei Fragen. Die erste Frage geht an den zieren. Auf der Bundesebene unterstützen wir Medizinischen Dienst der Krankenkassen - schließlich im Auftrag aller gesetzlichen das wurde vorhin etwas knapp beantwortet -: Krankenkassen die Arbeit des Gemeinsamen In § 281 werden die Finanzierungsregeln und Bundesausschusses, in dem Gutachter des in § 282 die Aufgaben des Medizinischen MDS, der MDKs und aus unseren gemeinsa- Dienstes der Krankenkassen neu gefasst. Wie men Kompetenzeinheiten zum Beispiel in den schätzen Sie diese Regelungen ein? Unterarbeitsgruppen mitwirken. Auch hie rfür halten wir eine Ge meinschaftsfinanzierung für Meine zweite Frage zum Insolvenzrecht richte notwendig. Von daher wäre unsere Bitte, ich an das Bundesversicherungsamt. Es wurde diesen Absatz zu präzisieren und zwischen ja von verschiedener Seite gesagt, dass eine den wettbewerbsorientierten Aufträgen - da ist Gefahr für die Leistungserbringer und für die der Ansatz Nutzerfinanzierung richtig - und Versicherten bei Übertragung des Insolvenz- den gemein samen und einheitlichen Aufga- rechts auf die Krankenkassen besteht, es sei ben - da sollte eine Gemeinschaftsfinanzie- denn, es würde ein Rücklagefonds oder rung vorgesehen werden - zu differenzieren. Risikofonds gegründet. Welche Größenord- nung müsste ein solcher Fonds haben und in welchem Maße wäre das beitragssatzrelevant? SVe Sylvia Bohlen-Schöning (Bundesversi- cherungsamt): Die Insolvenzfähigkeit ist für bundesunmittelbare Kassen nichts Neues. Das

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war bis jetzt bloß nicht relevant, weil es die Art Rücklagefonds. Meine Frage war, wie Haftung der Landesverbände respektive der groß die Rücklage in einem solchen Fonds Bundesverbände gab. Schon immer hätte, sein muss und in welchem Maße die Bildung jedenfalls theoretisch, ein Leistungserbringer einer Rücklage beitragssatzrelevant werden einen Insolvenzantrag stellen können. Das hat kann. bloß niemand gemacht. In der letzten Version des Entwurfes ist bezüglich der Versicherten- ansprüche die Vorschrift vorgesehen, dass die SVe Sylvia Bohlen-Schöning (Bundesversi- Landesverbände nach wie vor für ent- cherungsamt): Ich sagte eben, die Ansprüche sprechende Leistungserbringer haften, sodass der Versicherten und der Leistungserbringer der größte Teil der Ansprüche gesichert ist werden nach wie vor von der gemeinsamen und auch zukünftig der Haftung unterlie gen Haftung der Landesverbände umfasst. Inwie- wird. fern dann tatsächlich eine Kaskade in Gang kommt, sodass der Landesverband nicht mehr Die Frage ist nur, ob es tatsächlich so sein haftet, und wie groß dann der Fonds für solche muss, dass eine Kasse Insolvenz anmelden Ansprüche sein muss, kann ich Ihnen nicht muss, wenn sie in Verbindung mit dem festen sagen. Wenn die vorgeschaltete Haftung Beitragssatz, dem Zusatzbeitrag und der 1- ausfällt und der Dominoeffekt erst einmal Prozent-Regelung nicht mehr in der Lage ist, eingetreten ist, müsste er gigantisch sein. das Beitragsaufkommen zu generieren, das sie braucht, um die voraus sichtlichen Ausgaben zu decken. Früher konnte die Kasse ja den Abg. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Ich bitte Beitragssatz immer weiter aufstocken. Das Herrn Ahrens, dazu ebenfalls etwas zu sagen. kann sie zukünftig aufgrund der 1-Prozent- Regelung nicht mehr. Deswegen ist es jeden- falls theoretisch denkbar, dass eine Kasse SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- relativ schnell an den Punkt kommt, wo sie Bundesverband): Wir haben uns natürlich sagen muss, dass sie nicht mehr solvent ist. damit beschäftigt, weil es nicht ganz ausge- Die Regelungen des Aufsichtsrechts im SGB schlossen werden kann, dass man diesem stimmen nun aber nicht mit den Insolvenzvor- Gedanken näher treten muss. Das wäre aber schriften überein. In diesem Punkt ist der so, als wollten Sie ein brennendes Haus gegen § 155 noch nicht konsistent, weil einerseits im Brand versichern. Das ist nicht zu bezahlen. fünften Abschnitt gesagt wird, die Regelungen der Insolvenzordnung gelten entsprechend, und andererseits vorgesehen ist, dass die Abg. Jella Teuchner (SPD): In meiner Frage, Insolvenz zum Beispiel mangels Masse die ich gerne von Herrn Ahrens und dem abgelehnt werden kann. An dieser Stelle muss Vertreter von Verdi, also der Arbeitnehmer- meiner Meinung nach noch einmal darüber gewerkschaft, die die Proteste organisiert hat, nachgedacht werden, wie das rein praktisch beantwortet hätte, geht es ebenfalls um die vor sich gehen soll. Insolvenzfähigkeit der Kassen. Wenn der § 171 b im SGB V neu eingeführt werden soll, dann stellt sich für mich die Frage - ich wüsste Abg. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Ich hatte gerne, ob Sie es genauso sehen -, ob es eigentlich nach etwas anderem gefragt. Von verfassungsrechtlich überhaupt möglich ist, Herrn Etgeton wurde vorhin explizit ins Ge- dass eine Kasse insolvent wird. Zukünftig spräch gebracht, dass sich, wenn eine Kran- kann sie ja weder auf die Beitragsgestaltung kenkasse insolvent ist, Nachfolgeinsolvenzen Einfluss nehmen, noch hat sie - wie ein Unter- ergeben und zum Beispiel auch Versicherte nehmer in der freien Wirtschaft - Mög- Ansprüche erheben könnten. So könnten bei lichkeiten, bei den Leistungen auszuwählen, der Kostenerstattung oder beim Krankengeld weil sie ja per Gesetz verpflichtet ist, Leis- Ausfälle entstehen, es sei denn, es gäbe eine tungen in einer bestimmten Form zu erbrin gen

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und der Spie lraum der so genannten Kann- befürchten, dass sich der Staat auf und davon und Ermessensleistungen sehr klein ist. Von macht, anstatt entsprechende Schutzbestim- daher bin ich der Meinung, dass es eigentlich mungen zu erlassen. Das gilt insbesondere verfassungswidrig und schon per se nicht bezüglich der Neuregelungen für die Spitzen- möglich ist, in die Insolvenz zu ge langen. verbände und bezüglich des Dienstordnungs- rechts für bestimmte Beschäftigtengruppen. Wie wollen Sie sich schließlich rechtlich So, wie es hier angelegt ist, ist es völlig absichern, wenn jemand Klage auf Insol- unzureichend abgesichert. venzverschleppung erheben würde, was es ja auch noch geben soll? Abg. Christian Kleiminger (SPD): Meine Frage betrifft den Rechtskreis der See-Kran- SV Dr. Hans Jürgen Ahrens (AOK- kenkasse und richtet sich dementsprechend Bundesverband): Zunächst einmal haben wir auch an dieselbe. Wie beurteilen Sie den ein Gutachten anfertigen lassen, wonach das Umstand, dass die Versicherungspflicht für tatsächlich verfassungswidrig ist. Aber es Seeleute bei Überschreiten der Jahres- nutzt uns nichts. Wenn das Gesetz kommt und arbeitsentgeltgrenze zukünftig entfallen soll? wir dagegen klagen, dann sind wir pleite, Wie viele Seeleute wären davon betroffen? bevor wir den Rechtsstreit gewonnen haben. Sind Sie der Ansicht, dass die Zuständig- Insofern können wir uns darauf nur verlassen, keitszuweisung für Seeleute zur See-Kran- wenn diese Einschätzung auch von der Bun- kenkasse auf Dauer erhalten werden soll? Wie desregierung oder der Mehrheit des Parla- beurteilen Sie die geplante Regelung in Bezug ments geteilt wird. Natürlich ist das für uns in auf das konkrete Datum 1. April 2007? der Argumentation bedeutungsvoll; aber es hilft uns nicht bei der Durchsetzung unserer Auffassung, dass dies ein falscher Weg ist, SV Nicolai Woelki (See-Krankenkasse): Die den man nicht gehen darf. Auswirkungen dieses Gesetzes auf die See- Krankenkasse sind vielfältig. Außerdem haben wir uns ein Gutachten darüber erstellen lassen, was es für die Kol- Zunächst zum Entfallen der Versiche- legen bedeutet, wenn wir insolvenzfähig rungspflicht für Seeleute bei Überschreiten der werden. Wenn diese dann verpflichtet wären, Jahresarbeitsentgeltgrenze: Die globale und auf die Insolvenz zu reagieren, dann müssten erfolgreiche Seeschifffahrt weist für die viele einen schwierigen Pfad beschreiten. Ich soziale Sicherung der Seeleute einschlie ßlich gehe aber davon aus, dass das nicht eintritt der Krankenversicherung besondere Aus- und wir uns damit nicht beschäftigen müssen. prägungen und Rahmenbedingungen auf. Insbesondere werden Schiffe unter deutscher und fremder Flagge eingesetzt. Dadurch sind SV Jochen Berking (Vereinte Dienstleis- internationale Besatzungen auf deutschflaggi- tungsgewerkschaft e.V.): Wenn Kassen insol- gen Schiffen die Regel. Aus dieser Internatio- venzfähig werden, resultieren daraus auch nalität ergeben sich besondere Anforderungen, nach unserer Ansicht für die Versicherten und denen das internationale wie auch das deut- die Leistungsanbieter - das wurde hier schon sche Arbeits- und Sozialrecht Rechnung trägt. mehrfach angemerkt - erhebliche Probleme. Das im Februar verabschiedete Seearbeits- Zugleich entstehen aber auch für die Beschä f- übereinkommen der IAO verpflichtet alle tigen nicht mehr abzusichernde Risiken, Staaten zu einem umfassenden sozialen angefangen von der Altersversorgung bis hin Sicherungsschutz der Seeleute, der stark dem zur Missachtung des öffentlichen Dienst- Gedanken der Solidargemeinschaft folgt. Die rechts. Eigentlich hat der Staat ja für Beschäf- gesetzlich verankerte enge Verbindung von tigte in Körperschaften des öffentlichen Unfall- und Krankenversicherung, wie sie die Rechts eine besondere Verpflichtung. Wir

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See-Sozialversicherung einzigartig repräsen- haben mit der See-Sozialversicherung ein tiert, entspricht dieser Zielsetzung. einmaliges Verbundsystem in Deutschland. Die See-Krankenkasse bildet zusammen mit Der Krankenversicherungsschutz für Seeleute der See-Berufsgenossenschaft und der See- folgt besonderen Strukturen. Dieser Schutz ist mannskasse dieses Verbundsystem und hat zweigeteilt. Zum einen regelt das Seemanns- zusätzlich staatliche Schiffsicherheitsaufgaben gesetz die Fürsorgepflicht des Reeders bei übertragen bekommen. Außerdem prüfen wir einem Seemann im Ausland, während die die Seediensttauglichkeit. Die dadurch erzeug- Risiken im Inland von der See- ten Synergien erfüllen bereits jetzt die Zielset- Krankenversicherung gedeckt werden. Auf zung der Eckpunkte, bürokratischen Aufwand diese Besonderheiten ist das Leistungsangebot zu vermeiden und alle Wirtschaftlichkeitsre- gerade der See-Krankenkasse zugeschnitten. serven zu nutzen. Die Besonderheiten der Diese bewährten Strukturen können nur dann seemännischen Krankenversicherung bilden, aufrechterhalten werden, wenn alle Seeleute gemessen an dem relativ kleinen Kreis der weiterhin in der bisherigen Weise verpflichtet hier betroffenen Personen - etwa 10 000 sind, versichert zu sein. pflichtversicherte Seeleute -, keinen wesentli- chen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Die konkrete Situation stellt sich wie folgt dar: gesetzlichen Krankenkassen. Es liegt im Von den zurzeit 10 200 pflichtversicherten vitalen Interesse der Seeleute und Reeder, Seeleuten könnten 5 700 aufgrund ihres diese Besonderheiten zu erhalten. Entgelts über der Versicherungspflichtgrenze ab 1. April 2007 in die private Krankenversi- Die See-Krankenkasse soll nach den Eckpunk- cherung wechseln. Was bedeutet es, wenn der ten einer geöffneten Betriebskrankenkasse Zuständigkeitswechsel am 1. April nächsten gleichgestellt werden. Ich beziehe mich hier Jahres so kommt? - Durch den Wegfall dieser auf die Aussage von Herrn Schulte, der die alleinigen Zuständigkeit ist die komplexe Öffnungsoption in den Vordergrund gestellt Durchführung der Sozialversicherung der und auf die noch geschlossenen Betriebskran- Seeleute gefährdet. Heute laufen die Meldun- kenkassen Bezug genommen hat. Im Vorder- gen und die Beiträge zur Renten-, Kranken-, grund sollte auch bei der See-Krankenkasse Pflege- und Arbeitslosenversicherung sowie die freiwillige Entscheidung der Selbstverwal- der Unfallversicherung und Seemannskasse tung stehen, sich zu öffnen. Da wäre eine bei der See-Sozialversicherung zentral auf. Öffnungsoption sinnvoll. Das Melde- und Beitragsverfahren der See- Krankenkasse ist speziell auf die Bedürfnisse der Seeleute und der Reedereien zugeschnitten Abg. Dr. Carola Reimann (SPD): Ich möchte und hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Durch den Vertreter des MDK noch einmal nach den das Gesetz würde dieses Verfahren zerschla- neuen Finanzierungsregeln fragen. Bei der gen und müsste völlig neu organisiert werden. letzten Frage dazu ist insbesondere auf den Davon wären nicht nur die See-Krankenkasse, § 275 eingegangen worden. Ich habe aber eine sondern auch 3 600 Reeder bzw. Schifffahrts- Frage, die heute Morgen nur schätzungsweise unternehmen, alle gesetzlichen Krankenkas- beantwortet werden konnte, nämlich wie hoch sen, 200 Ersteller von Entgeltabrechnungs- der finanzielle Umfang für die Gutachten ist, programmen und die Deutsche Rentenversi- die aus der GKV he raus finanziert werden, cherung betroffen. Insbesondere die See- und wie viele Begutachtungen Sie für die mannskasse bekäme es mit fehlerhaften GKV machen. Vie lleicht können Sie uns auch Rentenversicherungskonten zu tun, was zu sagen, wie viele Sie für den Pflegeversiche- einem Leistungsstillstand in der Seemanns- rungsbereich machen, sodass man einordnen kasse führen würde. kann, wie heute die Verteilung zwischen dem aufwandsorientierten Nutzerentgelt - auch das Warum soll die Zuständigkeitszuweisung für gibt es heute schon - und dem umlagefinan- Seeleute auf Dauer erhalten ble iben? - Wir zierten Anteil ist.

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wie ich eben ausgeführt habe, dafür plädie ren, die gemeinsamen und einheitlichen Auf gaben SV Dr. Peter Pick (Medizinischer Dienst der nach wie vor gemeinschaftlich zu finanzieren. Spitzenverbände der Krankenkassen e.V.): Dann dürfte ein Anteil von 5 Prozent aller Die Zahl ist ja heute Morgen von Herrn Voß Aufträge der Krankenversicherungen, die ja genannt worden. Etwa 500 Millionen Euro immerhin 50 Prozent der Gesamtfinanzen betragen die Gesamtaufwendungen des aufbringen, übrig bleiben, der nutzerfinanziert Medizinischen Dienstes, die etwa zur Hälfte, wird, weil es sich um wettbewerbsorientierte nämlich 260 Millionen Euro, durch die Aufträge handelt. Krankenversicherung und zur anderen Hälfte durch die Pfle geversicherung getragen wer- den. Dafür erstellen wir rund 1,2 Millionen Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE Gutachten für die gesetzlichen Krankenversi- LINKE.): Meine sehr verehrten Damen und cherungen und nehmen rund 5 Millionen Herren, alle Fragen sind beantwortet. Damit Fallberatungen vor, bei denen Einzelfragen beenden wir den heutigen Beratungstag. mit den Kassen besprochen werden. Für die Pflegeversicherungen führen wir ungefähr 1,4 Ich bedanke mich im Namen der Aus- Millionen Begutachtungen in Heimen durch. schussmitglieder, dass Sie uns mit Rat und Tat zur Verfügung standen. Wir haben noch 19 Wenn man die Finanzierungsvorschriften, wie Stunden Anhörung vor uns. Viele werden sich sie jetzt im Gesetz angelegt sind, sieht - wieder sehen. Ich wünsche Ihnen einen Umlagefinanzierung und Nutzerfinanzierung schönen Abend. Kommen Sie gut nach Hause! gelten ja nur für die gesetzliche Krankenver- sicherung -, kann man sagen, es werden mehr als 90 Prozent umlagefinanziert und (Sitzungsende: 18.02 Uhr) 10 Prozent nutzerfinanziert sein, wobei wir,

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