Die Entwicklung Gemeinschaftlichen Eigentums
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I Die Entwicklung gemeinschaftlichen Eigentums Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechtswissenschaften (B083 101) an der Karl-Franzens-Universität Graz eingereicht von Mag. iur. Thomas Becker (Matr. Nr. 09026969) Erstbegutachter: em. Univ.-Prof. Dr. Gunter Wesener Zweitbegutachter: em. Univ.-Prof. Dr. Johannes Pichler Graz, im Oktober 2017 II Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version. Graz, am 30.10.2017 ______________________ Thomas Becker III Erklärung zu personenbezogenen Bezeichnungen Nur aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in dieser Arbeit für personenbezogene Bezeichnungen nur die männliche Form verwendet. Die entsprechenden Bezeichnungen sind geschlechtsunabhängig zu verstehen. IV Danksagung Meinen Dank möchte ich allen jenen Menschen aussprechen, die zu dieser Arbeit beigetragen haben. Besonderer Dank gebührt hier meinen Betreuern, Herrn Univ.-Prof. Dr. Gunter Wesener und Herrn Univ.-Prof. Dr. Johannes Pichler, für deren freundliche Begleitung und die persönliche, stets ermunternde Betreuung. Meiner ganzen Familie danke ich für den aufmunternden Zuspruch, die Geduld und die liebevolle Unterstützung. Meinen Arbeitgebern danke ich dafür, dass sie mir heuer die Karenzzeit für den Abschluss meiner Arbeit gewährten. Thomas Becker V Vorwort Am Beginn dieser Arbeit soll ein Satz von Aristoteles aus seinem etwa um 335 v. Chr. entstandenen Werk „Politiká“ stehen: „ἔτι δἑ καὶ πρὸς ἡδονὴν ἀμύθηθον ὅσον διαφέρει το νομίζειν ἴδιόν τι“ (Pol. 2, 1263a). „Und darüber hinaus bringt es so unsagbar ungleich viel Freude, etwas als sein Eigen zu erachten“. Mit diesem Satz rundet Aristoteles, Schüler des Platon, seine Ausführungen zu den Vorzügen des privaten „Eigentums“ ab, nachdem er zuvor darauf hingewiesen hatte, dass gemeinsames Eigentum in vielen Fällen zu Unzufriedenheit führe. Als Beispiel führte er einen landwirtschaftlichen Betrieb und die aus diesem hervorgebrachten Früchte an. Wenn der Betrieb gemeinsam besessen und auch gemeinsam bewirtschaftet werde, die Früchte aber zum privaten Verbrauch geteilt werden, so gebe dies nach Aristoteles´ Ansicht oft Anlass zur Unzufriedenheit, insbesondere dann, wenn die, die wenig gearbeitet hätten, sich viel an Früchten nähmen und/oder Jene, die viel gearbeitet hätten, wenig von den Früchten erhielten. Laut Aristoteles sei es schwierig, gemeinsam zu leben und dabei alle menschlichen Belange und insbesondere „diese Dinge“ zu teilen. Er zieht dabei den Vergleich mit gemeinsam Reisenden, die über ganz alltägliche Fragen „stolperten“ und stritten. Gemeinsames Gut führe zu denselben Schwierigkeiten. Und außerdem – der entsprechende Satz findet sich oben – bringe es eben unsagbar mehr Freude, wenn man etwas für sich selbst besitze. Aristoteles macht sich hier also - offenbar unter Einbeziehung auch solcher psychologischer Erwägungen - bereits Gedanken über die Bedeutung des Privateigentums, welches zu dieser Zeit freilich noch nicht als Eigentum im modernen Sinn zu verstehen ist und welches er nicht zuletzt auch auf die „Liebe des Einzelnen zu sich selbst“ zurückführte, die nicht „planlos“, sondern völlig natürlich sei und zu der eben auch das Bedürfnis, etwas sein Eigen zu nennen, gehöre. VI Umstritten ist, inwiefern Privateigentum in der Antike zunächst überhaupt existierte. Soweit ein solches angenommen wird, geht man davon aus, dass ein solches vorerst nur an persönlichen beweglichen Sachen, nicht aber am damals wohl in noch viel höherem Maße als heute bedeutsamen Acker- und Weideland bestand. Erst in der Folge bildete sich im Laufe der Zeit Individualeigentum an Grundstücken heraus. Einigkeit besteht heute weitgehend darüber, dass die Frage, wie weit eine gesellschaftliche Ordnung Eigentum des privaten Einzelnen zulässt, von grundlegender Bedeutung für ihre Sozialverfassung und ihre Wirtschaftsordnung, für die guten oder eben nur eingeschränkt vorhandenen Perspektiven des eigenen Handelns und Wohlstandes ist. Ausgehend von diesen grundlegenden Betrachtungen zur Frage des Privateigentums stellt sich die für diese Arbeit wesentliche weiterführende Frage, ob solches Eigentum auch von mehreren gleichberechtigten Eigentümern gemeinsam gehalten werden kann und soll. Ebenso wie die Existenz von Individualeigentum in größerem Umfang ist in der Geschichte zunächst auch die Eigentümermehrheit keine selbstverständliche Erscheinung. Alleineigentum war wohl auch im klassischen Römischen Recht noch die Grundregel des - dann bereits dogmatisch klar ausgeformten - Eigentumsrechts, Eigentümermehrheiten bildeten die Ausnahme. Die iura in re aliena, die beschränkten Sachenrechte, bildeten hier die zum Eigentum abgestuften Rechte weiterer (aber eben nicht gleichberechtigter) Personen an einer Sache. Gegenstand dieser Arbeit soll also die auf Grundlage des Römischen Rechts über die Jahrhunderte und die einzelnen „Epochen“ des Römischen Rechts geführte Betrachtung der verschiedenen Ausformungen von Eigentümermehrheiten, deren koordinative Ausgestaltung und die mit ihnen jeweils einhergehenden möglichen Schwierigkeiten sein. Darin einbezogen wird insbesondere auch das aus einem vermuteten Missverständnis der mittelalterlichen Glossatoren hervorgegangene „geteilte Eigentum“, welches mit dem klassischen römischrechtlichen Eigentumsverständnis nicht vereinbar schien, lange Zeit entsprechend hinterfragt und von Thibault endgültig verworfen wurde und welches heute weitgehend bedeutungslos ist. Graz, im Oktober 2017 VII Verzeichnis der Abkürzungen ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (1812) ALR Allgemeines Landrecht (1794) BGB Bürgerliches Gesetzbuch (1900) CMBC Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756) C. Th. Codex Theresianus (1766) Cod. Th. Codex Theodosianus (438) Codex Iust. Codex Iustinianus C. Codex Iustinianus D. Digestae EVHGB Einführungsverordnung zum HGB EWIV Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Frag. Vat. Fragmenta Vaticana Gaius Inst. Gaius Institutionen HRG Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Inst. Iust. Institutionen Justinians KEG Kommanditerwerbsgesellschaft KG Kommanditgesellschaft NJW Neue Juristische Wochenzeitschrift OEG Offene Erwerbsgesellschaft OG Offene Gesellschaft ÖJZ Österreichische Juristenzeitschrift PatG Patentgesetz Pauli sent. Pauli Sententiae P.S. Pauli Sententiae Pol. Politiká (Aristoteles) SZ Zeitschrift der Savigny-Stiftung UGB Unternehmensgesetzbuch UrhG Urheberrechtsgesetz WEG Wohnungseigentumsgesetz ZNR Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte VIII Überblick über die Kapitel Vorwort V Verzeichnis der Abkürzungen VII Kapitel 1 Einleitung und Arten gemeinschaftlichen Eigentums 1 Kapitel 2 Gemeinschaftliches Eigentum in vorklassischer Zeit 24 Kapitel 3 Das klassische Miteigentum 65 Kapitel 4 Erscheinungsformen klassischen Miteigentums 97 Kapitel 5 Betrachtungen zum nachklassischen Eigentumsrecht 109 Kapitel 6 Gemeinschaftliches Eigentum im Mittelalter 131 Kapitel 7 Die Zeit der Rezeption und des Usus modernus 151 Kapitel 8 Das gemeinschaftliche Eigentum im Naturrecht und in den Kodifikationen in Bayern, Preußen und Österreich 173 Literaturverzeichnis 191 1 Kapitel 1: Einleitung und Arten gemeinschaftlichen Eigentums 1.1. Einleitung: Eigentumsverständnis und Eigentumsdefinitionen 1.1.1. Die Theorie der Relativität des altrömischen „meum esse“ Im alten Römischen Recht gab es – wie schon im griechischen Recht – keinen eigenen Ausdruck für das Eigentum. Schon im griechischen Recht hatte ein Begriff für das Eigentum gefehlt, man hatte dafür lediglich Umschreibungen wie „im Hause haben“ oder „im Vermögen haben“ („ἐν οὐσία“ oder „ἐν οἰκεία ἔχειν“) verwendet.1 Umstritten erscheint, in welchem Umfang das älteste römische Recht ein Individualeigentum überhaupt kannte.2 Auszugehen ist davon, dass es ein Individualeigentum wohl zunächst nur an beweglichen Sachen gab, wofür das Ergreifen der Sache bei der mancipatio und im Eigentumsprozess spricht.3 Dieses frühe Individualeigentum an Fahrnis betraf in erster Linie zunächst wohl persönliche Gebrauchsgegenstände, wie Kleidung, Werkzeug, Waffen, Schmuck und Gerätschaft sowie Beutegegenstände.4 Seidl führt das Privateigentum in vorgeschichtlicher Zeit auch auf die Grabbeigaben zurück. Indem diese dem Toten mitgegeben wurden, seien sie der Nutzung durch andere Menschen entzogen gewesen.5 Die von Seidl geäußerte Auffassung, dass die älteste Definition des Eigentums aus Ägypten stamme (etwa 1200-1090 v. Chr.), ist mE insofern zu relativieren, als es sich bei der Aussage „Sein Vermögen ist sein Eigentum, er möge es geben, wem er will“ wohl nicht um eine Definition im eigentlichen Sinne handelt. Die Aussagekraft dieses Satzes erscheint gering und verweist dieser, wie auch Seidl selbst festhält, lediglich auf die Möglichkeit, sich den Kapitalwert aus der Veräußerung des Vermögens zu verschaffen. Über die weiteren mit dem 1 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht (1963) Rz 170 und 173. 2 Vgl. Honsell, Römisches Recht8 (2015) 57. 3 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung in das römische Recht6 (2016) 108. 4 Vgl. Barta, Zivilrecht I (2004) 488. 5 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 167. 2 Eigentum verbundenen Rechte, insbesondere die Freiheit im