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Die Entwicklung gemeinschaftlichen Eigentums

Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechtswissenschaften (B083 101) an der Karl-Franzens-Universität Graz

eingereicht von Mag. iur. Thomas Becker (Matr. Nr. 09026969)

Erstbegutachter: em. Univ.-Prof. Dr. Gunter Wesener Zweitbegutachter: em. Univ.-Prof. Dr. Johannes Pichler

Graz, im Oktober 2017 II

Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Graz, am 30.10.2017 ______Thomas Becker III

Erklärung zu personenbezogenen Bezeichnungen

Nur aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in dieser Arbeit für personenbezogene Bezeichnungen nur die männliche Form verwendet. Die entsprechenden Bezeichnungen sind geschlechtsunabhängig zu verstehen.

IV

Danksagung

Meinen Dank möchte ich allen jenen Menschen aussprechen, die zu dieser Arbeit beigetragen haben. Besonderer Dank gebührt hier meinen Betreuern, Herrn Univ.-Prof. Dr. Gunter Wesener und Herrn Univ.-Prof. Dr. Johannes Pichler, für deren freundliche Begleitung und die persönliche, stets ermunternde Betreuung.

Meiner ganzen Familie danke ich für den aufmunternden Zuspruch, die Geduld und die liebevolle Unterstützung.

Meinen Arbeitgebern danke ich dafür, dass sie mir heuer die Karenzzeit für den Abschluss meiner Arbeit gewährten.

Thomas Becker V

Vorwort

Am Beginn dieser Arbeit soll ein Satz von Aristoteles aus seinem etwa um 335 v. Chr. entstandenen Werk „Politiká“ stehen:

„ἔτι δἑ καὶ πρὸς ἡδονὴν ἀμύθηθον ὅσον διαφέρει το νομίζειν ἴδιόν τι“ (Pol. 2, 1263a).

„Und darüber hinaus bringt es so unsagbar ungleich viel Freude, etwas als sein Eigen zu erachten“.

Mit diesem Satz rundet Aristoteles, Schüler des Platon, seine Ausführungen zu den Vorzügen des privaten „Eigentums“ ab, nachdem er zuvor darauf hingewiesen hatte, dass gemeinsames Eigentum in vielen Fällen zu Unzufriedenheit führe.

Als Beispiel führte er einen landwirtschaftlichen Betrieb und die aus diesem hervorgebrachten Früchte an. Wenn der Betrieb gemeinsam besessen und auch gemeinsam bewirtschaftet werde, die Früchte aber zum privaten Verbrauch geteilt werden, so gebe dies nach Aristoteles´ Ansicht oft Anlass zur Unzufriedenheit, insbesondere dann, wenn die, die wenig gearbeitet hätten, sich viel an Früchten nähmen und/oder jene, die viel gearbeitet hätten, wenig von den Früchten erhielten.

Laut Aristoteles sei es schwierig, gemeinsam zu leben und dabei alle menschlichen Belange und insbesondere „diese Dinge“ zu teilen. Er zieht dabei den Vergleich mit gemeinsam Reisenden, die über ganz alltägliche Fragen „stolperten“ und stritten. Gemeinsames Gut führe zu denselben Schwierigkeiten. Und außerdem – der entsprechende Satz findet sich oben – bringe es eben unsagbar mehr Freude, wenn man etwas für sich selbst besitze.

Aristoteles macht sich hier also - offenbar unter Einbeziehung auch solcher psychologischer Erwägungen - bereits Gedanken über die Bedeutung des Privateigentums, welches zu dieser Zeit freilich noch nicht als Eigentum im modernen Sinn zu verstehen ist und welches er nicht zuletzt auch auf die „Liebe des Einzelnen zu sich selbst“ zurückführte, die nicht „planlos“, sondern völlig natürlich sei und zu der eben auch das Bedürfnis, etwas sein Eigen zu nennen, gehöre.

VI

Umstritten ist, inwiefern Privateigentum in der Antike zunächst überhaupt existierte. Soweit ein solches angenommen wird, geht man davon aus, dass ein solches vorerst nur an persönlichen beweglichen Sachen, nicht aber am damals wohl in noch viel höherem Maße als heute bedeutsamen Acker- und Weideland bestand. Erst in der Folge bildete sich im Laufe der Zeit Individualeigentum an Grundstücken heraus.

Einigkeit besteht heute weitgehend darüber, dass die Frage, wie weit eine gesellschaftliche Ordnung Eigentum des privaten Einzelnen zulässt, von grundlegender Bedeutung für ihre Sozialverfassung und ihre Wirtschaftsordnung, für die guten oder eben nur eingeschränkt vorhandenen Perspektiven des eigenen Handelns und Wohlstandes ist.

Ausgehend von diesen grundlegenden Betrachtungen zur Frage des Privateigentums stellt sich die für diese Arbeit wesentliche weiterführende Frage, ob solches Eigentum auch von mehreren gleichberechtigten Eigentümern gemeinsam gehalten werden kann und soll. Ebenso wie die Existenz von Individualeigentum in größerem Umfang ist in der Geschichte zunächst auch die Eigentümermehrheit keine selbstverständliche Erscheinung.

Alleineigentum war wohl auch im klassischen Römischen Recht noch die Grundregel des - dann bereits dogmatisch klar ausgeformten - Eigentumsrechts, Eigentümermehrheiten bildeten die Ausnahme. Die iura in re aliena, die beschränkten Sachenrechte, bildeten hier die zum Eigentum abgestuften Rechte weiterer (aber eben nicht gleichberechtigter) Personen an einer Sache.

Gegenstand dieser Arbeit soll also die auf Grundlage des Römischen Rechts über die Jahrhunderte und die einzelnen „Epochen“ des Römischen Rechts geführte Betrachtung der verschiedenen Ausformungen von Eigentümermehrheiten, deren koordinative Ausgestaltung und die mit ihnen jeweils einhergehenden möglichen Schwierigkeiten sein.

Darin einbezogen wird insbesondere auch das aus einem vermuteten Missverständnis der mittelalterlichen Glossatoren hervorgegangene „geteilte Eigentum“, welches mit dem klassischen römischrechtlichen Eigentumsverständnis nicht vereinbar schien, lange Zeit entsprechend hinterfragt und von Thibault endgültig verworfen wurde und welches heute weitgehend bedeutungslos ist.

Graz, im Oktober 2017 VII

Verzeichnis der Abkürzungen

ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (1812) ALR Allgemeines Landrecht (1794) BGB Bürgerliches Gesetzbuch (1900) CMBC Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756) C. Th. Codex Theresianus (1766) Cod. Th. Codex Theodosianus (438) Codex Iust. Codex Iustinianus C. Codex Iustinianus D. Digestae EVHGB Einführungsverordnung zum HGB EWIV Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Frag. Vat. Fragmenta Vaticana Gaius Inst. Gaius Institutionen HRG Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Inst. Iust. Institutionen Justinians KEG Kommanditerwerbsgesellschaft KG Kommanditgesellschaft NJW Neue Juristische Wochenzeitschrift OEG Offene Erwerbsgesellschaft OG Offene Gesellschaft ÖJZ Österreichische Juristenzeitschrift PatG Patentgesetz Pauli sent. Pauli Sententiae P.S. Pauli Sententiae Pol. Politiká (Aristoteles) SZ Zeitschrift der Savigny-Stiftung UGB Unternehmensgesetzbuch UrhG Urheberrechtsgesetz WEG Wohnungseigentumsgesetz ZNR Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte VIII

Überblick über die Kapitel

Vorwort V Verzeichnis der Abkürzungen VII

Kapitel 1 Einleitung und Arten gemeinschaftlichen Eigentums 1 Kapitel 2 Gemeinschaftliches Eigentum in vorklassischer Zeit 24 Kapitel 3 Das klassische Miteigentum 65 Kapitel 4 Erscheinungsformen klassischen Miteigentums 97 Kapitel 5 Betrachtungen zum nachklassischen Eigentumsrecht 109 Kapitel 6 Gemeinschaftliches Eigentum im Mittelalter 131 Kapitel 7 Die Zeit der Rezeption und des Usus modernus 151 Kapitel 8 Das gemeinschaftliche Eigentum im Naturrecht und in den Kodifikationen in Bayern, Preußen und Österreich 173

Literaturverzeichnis 191

1

Kapitel 1: Einleitung und Arten gemeinschaftlichen Eigentums

1.1. Einleitung: Eigentumsverständnis und Eigentumsdefinitionen

1.1.1. Die Theorie der Relativität des altrömischen „meum esse“

Im alten Römischen Recht gab es – wie schon im griechischen Recht – keinen eigenen Ausdruck für das Eigentum. Schon im griechischen Recht hatte ein Begriff für das Eigentum gefehlt, man hatte dafür lediglich Umschreibungen wie „im Hause haben“ oder „im Vermögen haben“ („ἐν οὐσία“ oder „ἐν οἰκεία ἔχειν“) verwendet.1

Umstritten erscheint, in welchem Umfang das älteste römische Recht ein Individualeigentum überhaupt kannte.2 Auszugehen ist davon, dass es ein Individualeigentum wohl zunächst nur an beweglichen Sachen gab, wofür das Ergreifen der Sache bei der mancipatio und im Eigentumsprozess spricht.3

Dieses frühe Individualeigentum an Fahrnis betraf in erster Linie zunächst wohl persönliche Gebrauchsgegenstände, wie Kleidung, Werkzeug, Waffen, Schmuck und Gerätschaft sowie Beutegegenstände.4

Seidl führt das Privateigentum in vorgeschichtlicher Zeit auch auf die Grabbeigaben zurück. Indem diese dem Toten mitgegeben wurden, seien sie der Nutzung durch andere Menschen entzogen gewesen.5

Die von Seidl geäußerte Auffassung, dass die älteste Definition des Eigentums aus Ägypten stamme (etwa 1200-1090 v. Chr.), ist mE insofern zu relativieren, als es sich bei der Aussage „Sein Vermögen ist sein Eigentum, er möge es geben, wem er will“ wohl nicht um eine Definition im eigentlichen Sinne handelt. Die Aussagekraft dieses Satzes erscheint gering und verweist dieser, wie auch Seidl selbst festhält, lediglich auf die Möglichkeit, sich den Kapitalwert aus der Veräußerung des Vermögens zu verschaffen. Über die weiteren mit dem

1 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht (1963) Rz 170 und 173. 2 Vgl. Honsell, Römisches Recht8 (2015) 57. 3 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung in das römische Recht6 (2016) 108. 4 Vgl. Barta, Zivilrecht I (2004) 488. 5 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 167. 2

Eigentum verbundenen Rechte, insbesondere die Freiheit im Gebrauch der Sache, findet sich auch in dieser Aussage noch nichts.6

Grundstücke gehörten dagegen vorerst der Sippe bzw. der Allgemeinheit. Wohl vom Bauernhof ging dann die schrittweise Individualisierung der umliegenden Grundstücke aus. Das Ackerland hingegen blieb weiterhin – nach Seidl etwa bis um 500 v. Chr.7 – im Gemeineigentum, noch länger das Weideland in Form des ager compascuus.8

Auch im altrömischen Recht gab es zunächst noch keinen Begriff für das Eigentum. Man sprach in diesem Kontext vom „meum esse“. Doch dieses „meum esse“ bezeichnete wesentlich mehr als das, was man heute unter Eigentum versteht. Es war Teil der umfassenden Hausgewalt des paterfamilias, die sich keineswegs nur auf Sachen beschränkte, sondern auch die Herrschaft über Personen einschloss und auch wesentlich weiter als etwa das spätere „dominium“ gefasst war. Es bezeichnete schlechthin ein Sachenrecht mit variablem Umfang, das auch die späteren dinglichen Rechte einschloss.9 Insbesondere zum Besitz bestand keine klare Abgrenzung, sondern war im Eigentum wohl ein qualifizierter Besitz mitenthalten.10

Eigentum und personenrechtliche Herrschaftsbefugnisse waren zunächst nicht voneinander getrennt. Erst im Zuge der Differenzierung des zunächst kaum differenzierten Gewaltrechts des paterfamilias in verschiedene Richtungen hin konnte sich der klassische Eigentumsbegriff herausbilden.11

Ein von anderen Sachenrechten klar abgegrenzter Eigentumsbegriff im modernen Sinne hatte sich zu dieser Zeit also noch nicht herausgebildet, eine prozessuale Betrachtungsweise prägte das damalige Eigentumsverständnis.12

Darin, dass im altrömischen Eigentumsprozess in Form der legis actio sacramento in rem beide Parteien die umstrittene Sache oder Person (Sklaven) als die ihre, als ihr „meum esse“, beanspruchten, beide für den Fall der Unrichtigkeit ihrer Behauptung einen Prozesseinsatz

6 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 169. 7 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 173. 8 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung6 108; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 (2017) 134. 9 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung6 107f. 10 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 134. 11 Vgl. Honsell, Römisches Recht8 57. 12 Vgl. Söllner, Einführung in die römische Rechtsgeschichte4 (1989) 50. 3

(sacramentum) zu erlegen hatten und der Richter schließlich (nur) darüber abzusprechen hatte, welcher der beiden Einsätze als inustum verfiel, spiegelte sich ein in der damaligen Zeit erkennbares relatives Eigentumsverständnis wider.13

Der Richter hatte in diesem Prozess also nur darüber zu entscheiden, wessen Behauptung richtig bzw. welche unrichtig und mit dem Verfall des sacramentum verbunden war. Er entschied somit lediglich über das relativ bessere Recht einer Partei an der Sache oder der Person im Vergleich zur anderen Partei, ohne jedoch über das Eigentum an dieser Sache (Person) abzusprechen. Es genügte, in diesem Verfahren ein relativ besseres Recht geltend zu machen, somit zu beweisen, dass die Sache (die Person) eher einem selbst als dem Gegner gehörte. Ob das Eigentum daran aber womöglich überhaupt einem Dritten zustand, wurde hier nicht geprüft.14

Dies ließ Kaser zu seiner bemerkenswerten These von der Relativität des altrömischen Eigentums gelangen. Das „meum esse“, das das Kernstück des Eigentumsprozesses war, bezeichnete nach Ansicht Kasers zunächst nur die Zugehörigkeit eines Objekts, einer Sache oder einer Person zu irgendeinem Rechtsträger, ohne aber eine nähere Aussage über die Natur dieser Zuordnung zu treffen. Im Prozess behaupteten beide Parteien dieses „meum esse“, der Richter treffe im Prozess eben nur eine Entscheidung darüber, wer das relativ bessere Recht an der Sache habe. Mit dem absoluten Eigentumsverständnis sei dies nach Ansicht Kasers nicht vereinbar. Der Richter habe dabei nur die Wahl gehabt, welche Eigentumsbehauptung er für wahr und welche er für unwahr erklärte. Den Fall, dass er beiden Behauptungen nicht glaubte, da ein Dritter Eigentümer war, ließ dieses Verfahren nicht zu. Der Richter musste jedenfalls eine der beiden Behauptungen für berechtigt erklären.15

Aufgrund anhaltender Einwände16 gegen seine Theorie sah sich Kaser 1985 zu einer Präzisierung der von ihm behaupteten Relativität des altrömischen Eigentums veranlasst. Insbesondere stellte er klar, dass sich diese Relativität nur auf den prozessrechtlichen Schutz bezogen habe, nicht aber von vornherein auf die materiellrechtliche Substanz des geschützten Rechts. Die Relativität äußere sich darin, dass sich im Prozess zwei Parteien gegenüberstanden,

13 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 (1971) 124. 14 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung6 108. 15 Vgl. Kaser, Eigentum und Besitz im älteren Römischen Recht2 (1956) 6ff und später auch: Kaser, Über relatives Eigentum im altrömischen Recht, SZ 102 (1985) 1 (15). 16 Vgl. zu den Einwänden u.a. Ziegler, Die klassische Gestaltung des dinglichen Sponsionsverfahrens und seine Vorgeschichte (1967) 129ff. 4 die einander Eigentumsbehauptungen (und Prozesseinsätze) entgegensetzten. Ihre Aussichten, erfolgreich aus dem Prozess hervorzugehen, waren abgestuft, es gab letztendlich einen zur Sache besser und einen zur Sache schlechter Berechtigten, ersterer obsiegte im Prozess im Verhältnis zur anderen Partei. Damit verhalf diese Form des Verfahrens dem materiellen Recht dazu, dass die Sache durch entsprechende Verfahren „immer näher“ an den tatsächlich Berechtigten herangetragen werden konnte. 17

Kaser legt hier insbesondere Wert auf die Unterscheidung zwischen der prozessrechtlichen Relativität und der Frage, ob das der siegreichen Partei zugesprochene Recht ein weiterhin nur relatives oder ein bereits absolutes ist. Denn dem siegreichen Beteiligten könne freilich ein noch besser Berechtigter in einem weiteren Prozess seine Eigentumsbehauptung entgegensetzen und damit durchdringen. Das Sakramentsurteil sage also nichts darüber aus, ob die zugesprochene Rechtsposition ein absolut geschütztes Recht ist.18

Für den originären Erwerb nahm Kaser an, dass dieser wohl immer zur absolut geschützten Rechtsposition führe. Beim derivativen Eigentumserwerb könne es jedoch demgegenüber zu einem Nebeneinander von absoluter und relativer Position als einer Besonderheit des altrömischen Rechts kommen. Dann nämlich, wenn die Partei im Sakramentsprozess keine geschlossene Kette zurück bis zu einem originären Erwerber aufzeigen kann. Der klassische, in Ulpian D. 50,17,54 formulierte Grundsatz „nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet“ sei zwar zum damaligen Zeitpunkt noch nicht formuliert gewesen, dennoch reiche dieser Gedanke schon in die Zeit der legis actio sacramento in rem zurück. Aufgrund der freilich zu erwartenden Beweisprobleme insbesondere bei bereits länger zurückliegenden Erwerbsvorgängen komme es dann nur zum Erwerb der „relativen Position“ im Prozess.19

Der Richter entschied im Sakramentsprozess also nur darüber, welche der beiden Parteien gegenüber dem Gegner zum Haben der Sache berechtigt war. An diesen beschränkten Inhalt der Entscheidung war auch jeder Dritte gebunden, wobei dies der Möglichkeit eines noch besser an der umstrittenen Sache berechtigten Dritten, sein Recht gegen den Sieger mit Vindikation geltend zu machen, nicht entgegenstand. Die prozessrechtliche Relativität sei laut Kaser eben vom absoluten Charakter des Eigentums zu trennen. Ziel bereits des Legisaktionenverfahrens sei aber letztlich doch der Schutz des absolut an der Sache Berechtigten gewesen, der oben

17 Vgl. Kaser, Über relatives Eigentum im altrömischen Recht, SZ 102, 3. 18 Vgl. Kaser, Über relatives Eigentum, SZ 102, 21. 19 Vgl. Kaser, Über relatives Eigentum, SZ 102, 18f. 5 dargestellte Fall des bloß relativen Schutzes, etwa aufgrund eines mangelhaften vorangegangenen Zuwendungsaktes, sei demgegenüber die „wenig erwünschte Ausnahme“ gewesen. Kaser zog es zu diesem Zeitpunkt - vor dem Hintergrund der Missverständlichkeit des Ausdrucks - vor, nicht mehr von „relativem Eigentum“ zu sprechen. Er nannte diese Formulierung nur noch eine „Kurzformel, die als altrömisches Eigentum als Inbegriff der mit dem zuständigen Verfahren geschützten Rechte umfasst“.20

1.1.2. Der Wandel zum klassischen Eigentumsverständnis

Wie bereits auch anhand Kasers Theorie vom relativen altrömischen Eigentum dargelegt, schienen das jeweils aktuelle Eigentumsverständnis und die Ausgestaltung des Eigentumsprozesses in einem gewissen Zusammenhang zu stehen.

Dementsprechend dürfte auch der allmählich einsetzende Wandel im Eigentumsverständnis mit dem von Gaius in Inst. 4,93ff dargestellten Sponsionsverfahren zusammenhängen. Wer nunmehr als Kläger einen Eigentumsprozess anstrengte, forderte den Gegner auf, 25 Sesterzen zu bezahlen, wenn sich im Prozess zeigte, dass die umstrittene Sache (der umstrittene Sklave) dem Kläger gehörte. Eingeklagt wurde also der versprochene Geldbetrag, über das Eigentum hatte der Richter als Vorfrage zu entscheiden, eine Eigentumsbehauptung des Beklagten wurde im Sponsionsverfahren nun nicht mehr gefordert. 21

Mit anderen Worten beendete das Sponsionsverfahren, wie auch die spätere formula petitoria, nicht nur die Notwendigkeit der Sakramentseinsetzung, sondern vor allem die noch im Sakramentsverfahren bestehende Notwendigkeit der beiderseitigen Eigentumsbehauptungen. Auferlegt wurde die (unveränderte) Behauptung des „meum esse ex iure Quiritium“, die bisher von beiden Parteien im Legisaktionenverfahren abgegeben worden war, nun nur noch dem Kläger. Für die von Kaser für das altrömische Recht dargelegte relative Rechtsposition, für das dem altrömischen Recht innewohnende Nebeneinander von relativer und absoluter Eigentumsposition war somit nun kein Raum mehr; obsiegen konnte nur jener derivative Eigentumserwerber, der eine geschlossene Erwerbskette zurück bis zum originären Erwerber nachweisen konnte. Dass man die Eigentumsbehauptung nun nur noch einseitig dem Kläger

20 Vgl. Kaser, Über relatives Eigentum, SZ 102, 22ff. 21 Vgl. Mayer-Maly, Römisches Recht2 (1999) 62f. 6 auferlegte, sah Kaser nicht als Ursache, sondern als Folge einer sich wandelnden Eigentumsauffassung.22

Das Sponsionsverfahren gab nun also als erstes Verfahren den Grundsatz der zweiseitigen Eigentumsbehauptungen auf.23

Aus prozessrechtlicher Sicht führte dieses Abgehen von der zweiseitigen Eigentumsbehauptung zum einen zu einer Differenzierung der Parteirollen im Prozess24, zum anderen ebnete sich damit der Weg hin zur Ausbildung eines absoluten Eigentumsbegriffs 25.

Der Umstand, dass auch im Sponsionsverfahren über das Eigentum nur mittelbar als Vorfrage entschieden wurde, änderte sich schließlich mit dem klassischen Formularprozess, in dem dann die Klärung des Eigentums an der streitverfangenen Sache und deren Herausgabe, verbunden mit der Verurteilung auf den Schätzwert dieser Sache nach dem Prinzip der Geldkondemnation bei Nichtherausgabe, den Gegenstand des Verfahrens darstellten.26

Die oben aufgezeigten Änderungen in prozessrechtlicher Hinsicht änderten jedoch daran, dass nach wie vor noch kein anderer Ausdruck für das Eigentum existierte, nichts; weiterhin wurde der Ausdruck „meum esse“ beibehalten. Vor dem Hintergrund einer immer stärkeren Differenzierung der beschränkten Sachenrechte vom Eigentum bezeichnete das „meum esse“ dabei in zunehmendem Maße die sachenrechtliche Vollherrschaft an einer Sache.27

Die Termini „dominium“ und „proprietas“ bürgerten sich wohl erst in der Zeit der späten Republik ein; unterschieden wurde zudem schon im vorklassischen und dann auch im klassischen Recht zwischen dem zivilen Eigentum, dem dominium ex iure Quiritium und dem diesem gegenübergestellten prätorisch geschützten bonitarischen Eigentum, welches etwa dem Erwerber einer res mancipi, die nur durch formlose traditio übergeben worden war, zugesprochen wurde, sowie der Sonderform des Eigentums an Provinzialgrundstücken.28

22 Vgl. Kaser, Über relatives Eigentum, SZ 102, 26f. 23 Vgl. Kaser, Eigentum und Besitz2 282. 24 Vgl. Ziegler, Die klassische Gestaltung des dinglichen Sponsionsverfahrens 15. 25 Vgl. Kaser, Eigentum und Besitz2 292. 26 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 165f. 27 Vgl. Kaser, Über relatives Eigentum, SZ 102, 26. 28 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 135 und Honsell, Römisches Recht8 57 7

Durch den Wandel zum Sponsionsverfahren und zur klassischen rei vindicatio wurde jedoch nur noch der (zivile) Eigentümer geschützt, der für seine Eigentumsbehauptung auch einen entsprechenden Erwerbsgrund über eine Kette von Vormännern hinweg bis zu einem originären Erwerber nachzuweisen vermochte. Gelang dies nicht, war die Klage nunmehr abzuweisen, da keine geschlossene Kette von Erwerbsvorgängen vorlag; hingegen hätte im altrömischen Legisaktionenprozess wohl noch das bloß relativ bessere Recht für den Prozessgewinn ausgereicht. Erwarb nun jemand eine res mancipi durch bloße traditio, war er durch die neuen Prozessformen mangels Nachweises eines korrekten Erwerbsvorganges vom Vormann nicht mehr in seinem Eigentumsrecht geschützt. Diese durch den prozessrechtlichen Wandel und den Wandel zu einem absoluten Eigentumsverständnis eröffnete Lücke wurde schließlich durch die actio Publiciana, die der rei vindicatio nachgebildet wurde, geschlossen.29

Wenn bisher das Eigentumsverständnis und die Terminologie in der altrömischen und klassischen Zeit beleuchtet wurden, so ist daraus folgernd auch davon auszugehen, dass es - unbeschadet des diesbezüglich bereits angesprochenen, von Seidl aufgegriffenen, letztlich aber sehr rudimentär gebliebenen ägyptischen „Versuchs“ - in der Antike auch keine Definition von Eigentum gab; selbst eine präzise Begrifflichkeit lässt sich erst später zu Zeiten Augustus´ feststellen.30

1.1.3. Die mittelalterliche Eigentumsdefinition des Bartolus

Die juristische Eigentumsdefinition schlechthin, die in der Folge geradezu den Charakter einer Legaldefinition erhalten und von Gelehrten in ganz Europa übernommen werden sollte, entstand erst über dreizehn Jahrhunderte später und stammte von Bartolus de Saxoferratis (etwa 1313-1357).31

In seinem Kommentar zur Digestenstelle D. 41.2.17.1., in der die Begriffe „proprietas“ und „dominium“ erläutert wurden, stellte Bartolus die Verfügungsmacht des Eigentümers über seine Sache in den Vordergrund und erklärte wörtlich: „…dominium est ius de re corporali perfecte disponendi nisi lege prohibeatur…“.

29 Vgl. Apathy, Die Publizianische Klage (1981) 15f. 30 Vgl. Mayer-Maly, Römisches Recht2 61. 31 Vgl. Klemm, Eigentum und Eigentumsbeschränkungen in der Doktrin des usus modernus pandectarum (1984) 48f. 8

Bartolus´ Darstellung des dominium gilt als die erste Umschreibung des dominium in der Legistik.32

Umstritten ist, ob Bartolus in seiner Definition mit dem Wort „disponere“ hier tatsächlich in erster Linie rechtsgeschäftliche Verfügungen über die Sache ansprechen wollte.33 Relativ klar erscheint zwar, dass das ius disponendi über das ius vendicandi - wie es etwa in den Überlegungen von Wilhelm von Ockham rund ein Jahrzehnt vor Bartolus die zentrale Rolle im Eigentumsrecht spielte - hinausging oder mit dem ius disponendi das Vindikationsrecht gar nicht gemeint war. Tatsächlich scheint aber die Betonung des Verfügungsrechts und sein Verständnis als überragender Bestandteil des Eigentumsrechts eher erst in der Tradition des 19. Jahrhunderts verankert als zu Zeiten des Bartolus im 14. Jahrhundert.34

Nichtsdestotrotz bildete die von Bartolus - eben mehr oder minder deutlich angesprochene - freie Dispositionsbefugnis des Eigentümers als „positive Seite“ des Eigentums den wesentlichen Bestandteil auch in den Definitionen der neuzeitlichen Kodifikationswerke. Neben sie trat dann als „negative Seite“ des Eigentums die Befugnis des Eigentümers, alle anderen von der Nutzung seiner Sache auszuschließen.

Bartolus´ Eigentumsdefinition fand in mehr oder minder ähnlichem Wortlaut Eingang in die Kodifikationen der Neuzeit.

So bezeichnete der bayerische Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (CMBC) von 1756 das Eigentum als die „Macht und Gewalt, mit dem Seinigen nach eigenem Belieben frey und ungehindert so weit zu disponiren, als Gesetz und Ordnung zulässt“ (CMBC II Cap. 2 § 1).

Das Allgemeine Preußische Landrecht (ALR) von 1794 sah im Eigentümer denjenigen, der „befugt ist, über die Substanz einer Sache, oder eines Rechts, mit Ausschließung Andrer, aus eigner Macht, durch sich selbst, oder durch einen Dritten, zu verfügen“ (ALR I 8 § 1).

32 Vgl. Kriechbaum, Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts (1996) 375, 395ff. 33 Vgl. Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, SZ 70 (1953) 348 (353). 34 Vgl. Kriechbaum, Actio, ius und dominium 392, 395ff; Sikes (Hg.), G.de Ockham, Opera politica I (1940) 308. 9

Art 544 des französischen Code Civil von 1804 formuliert das Eigentumsrecht in ähnlicher Weise: „La propriété est le droit de jouir et disposer des choses de la manière la plus absolue, pourvu qu´on n´en fasse pas un usage prohibé par les lois ou par les règlements“.

Die oben bereits angesprochene „negative Seite“ des Eigentums betont § 354 des österreichischen ABGB von 1811 und sieht diese Bestimmung im Eigentum „das Befugniß, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkühr zu schalten und jeden Andren davon auszuschließen“ (§ 354 ABGB).

Die hier naturrechtlich geprägte, sehr weite Formulierung der Verfügungsmacht des Eigentümers wurde durch die bereits soziale Bezüge aufweisende Bestimmung des § 364 Abs 1 ABGB wieder entsprechend eingeschränkt, indem dort der „Ausübung des Eigenthumsrechtes“ mit den Rechten Dritter und mit den Einschränkungen in den „Gesetzen zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles“ Grenzen gezogen wurden.35

Auch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) von 1900 betont wie das ABGB explizit die „negative Seite“ des Eigentums in Form des Ausschließungsrechts gegenüber allen anderen. Im Unterschied zum abgesonderten § 364 ABGB nahm das BGB aber bereits in die Eigentumsdefinition des § 903 selbst die Begrenzung der Ausübung des Eigentumsrechts durch die Gesetze und die Rechte Dritter auf:

„Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen“ (§ 903 BGB).

Die volle und exklusive Verfügungsfreiheit des Eigentümers innerhalb der rechtlichen Ordnung betont der italienische Codice civile von 1942 in Art 832 wie folgt:

„Il propretario ha diritto di godere e disporre delle cose in modo pieno ed esclusivo, entro i limiti e con l´oservanza degli obblighi stabiliti dall´ ordinamento giuridico“ (Art 832 Codice civile).

35 Vgl. Barta, Zivilrecht I 489. 10

Sowohl die Grenzen der Verfügungsmacht durch Gesetze und Rechte Dritter als auch die Ausschließungsbefugnis des Eigentümers gegenüber Dritten zeigt das in dieser kurzen Übersicht jüngste Gesetzbuch, das niederländische „Burgerlijk Wetboek“ (BW) von 1992, auf:

„Eigendom is het meest omvattende recht dat een person op een zaak kann hebben“ und weiter: „Het staat de eigenaar met uitsluiting van een ieder vrij van de zaak gebruik te maken, mits dit gebruik niet strijdt met rechten van anderen en de op wettelijke voorschriften en regels van ongeschreven recht gegronde beperkeningen daarbeij in acht worden genomen“ (BW Buch 5 Titel 1 Art 1).

Erkennbar ist in den genannten Definitionen, dass das Eigentum begrifflich heute die Vollherrschaft über eine Sache oder einen Teil derselben bedeutet. Als „Vollrecht“ müssen die in ihm enthaltenen Befugnisse nicht (mehr) einzeln aufgezählt werden. Enthalten sind in diesem Recht alle erdenklichen, in der Rechtsordnung vorgesehenen Teilrechte.36

Schon im klassischen Römischen Recht galten als Grundsätze des Eigentumsrechts u.a. die „Allmacht“ und die „Allzuständigkeit des Eigentümers“. Alle erdenkbaren Befugnisse, die aus dem Eigentum resultieren, sind grundsätzlich bei einer Person, dem Eigentümer, konzentriert. Diesem stand es jedoch frei, einzelne Befugnisse auf andere zu übertragen. Diese auf andere übertragenen Befugnisse waren aber nur „Abspaltungen“ des Eigentumsrechts, beschränkte dingliche Rechte; diese vermochten einem Dritten zwar sehr weitgehende Rechte, wie etwa das ausschließliche Nutzungsrecht an der fremden Sache in Form des Nießbrauchs oder das Recht zur Verwertung der Sache in Form des Pfandrechts, einzuräumen; jedoch wurden solche Rechte Dritter an der fremden Sache eben nur als Ausnahmen von obigem Grundsatz gesehen und deren Dauer begrenzt sowie letztlich deren Erlöschen begünstigt.37

Das klassische Recht unterschied also bereits klar zwischen dem Eigentum als Vollrecht und den abgestuften iura in re aliena, den beschränkten dinglichen Rechten an fremder Sache. Erst die später in Erscheinung getretene Emphyteuse und die superficies verwischen diese ursprünglich so deutliche Differenzierung.38

36 Vgl. Barta, Zivilrecht I 487f. 37 Vgl. Liebs, Römisches Recht (1975) 149f. 38 Vgl. Gschnitzer, Österreichisches Sachenrecht2 (1985) 149. 11

Von der Abspaltung abgestufter beschränkter dinglicher Rechte vom Eigentum und deren Übertragung auf mehrere Personen ist die Frage zu unterscheiden, ob und gegebenenfalls wie mehrere an einer Sache in gleichem Maße Berechtigte die vorhin angesprochene Allzuständigkeit - beschränkt im Wesentlichen nur durch die gleichen Befugnisse und die Mehrheit der anderen an der Sache Berechtigten - innehaben können. Entscheidend ist hier also, inwiefern in einer Rechtsordnung Miteigentum und Eigentümermehrheiten überhaupt zugelassen werden sollen.39

Es geht beim gemeinschaftlichen Eigentum also nicht bloß um die (beschränkte) dingliche Berechtigung mehrerer Personen an einer Sache, sondern um die Teilung und um die „Koordination des Vollrechts“ zwischen mehreren (gleichberechtigten) Eigentümern.40

Mit dieser Frage der Ausgestaltung der Koordination des Eigentums zwischen mehreren Eigentümern werden sich die nachfolgenden Kapitel dieser Arbeit, beginnend mit dem altrömischen consortium ercto non cito in Kapitel 2, auseinandersetzen.

1.2. Arten gemeinschaftlichen Eigentums

1.2.1. Allgemeines

In der Regel wird eine Sache einem einzigen Rechtssubjekt gehören, Alleineigentum also der „Regelfall“ sein.41

Die „Einmannzuständigkeit“ war auch im Römischen Recht einer der wesentlichen Grundsätze des Eigentums, doch war es, wie bereits erwähnt wurde, auch damals wie heute möglich, mehrere gleichberechtigt an der Sache teilhaben zu lassen. Dies geschah in Form des Miteigentums nach Quoten, bei welchem nicht die Sache, sondern das Recht daran in ideelle Bruchteile geteilt war.42

Diese Form des Miteigentums kann heute entweder kraft Gesetzes oder im Fall der Vereinigung nach § 415 ABGB, durch letztwillige Verfügung oder auch durch vertragliche Vereinbarung

39 Vgl. Liebs, Römisches Recht 153. 40 Vgl. Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht4 (2014) 437. 41 Vgl. Krejci, Privatrecht8 (2010) Rz 694. 42 Vgl. Liebs, Römisches Recht 153. 12 zustande kommen. Von ihm unterscheidet sich das Gesamthandeigentum, bei welchem die einzelnen Teilhaber an der Sache nicht über einen Anteil frei verfügen können, sondern gemeinschaftlich handeln müssen.43

Beim mittlerweile obsoleten, in Ober- und Untereigentum geteilten Eigentum wurde ebenfalls nicht die Sache, sondern die Befugnis daran geteilt; der Untereigentümer hatte eine Rechtsposition inne, die jener durch Fruchtgenuss eingeräumten ähnlich war, dies jedoch mit weitgehend selbstständigen Verfügungsbefugnissen.44

Die Ausübung der Rechte eines Eigentümers durch den Einzelnen findet freilich – je nach Art des gemeinschaftlichen Eigentums und der Art der vorzunehmenden Handlung – in den gleichen Rechten und der Mitbestimmungsmöglichkeit der anderen Berechtigten ihre Grenzen. Die unterschiedlichen Formen der Koordination und der Kooperation der einzelnen Eigentümer an einer Sache werden in den nachstehenden Kapiteln anhand des schlichten Miteigentums, des Gesamthandeigentums und des geteilten Eigentums in ihrer Entwicklung beleuchtet werden.

1.2.2. Das Miteigentum nach Bruchteilen

Steht eine (ungeteilte) Sache im Eigentum mehrerer Personen, so spricht man von schlichtem Miteigentum oder Miteigentum nach Bruchteilen (§ 825 ABGB). Jeder Miteigentümer hat hier einen ideellen Anteil an der Sache, die selbst nicht körperlich geteilt ist. Geteilt ist also nicht die im gemeinsamen Eigentum stehende Sache, sondern nur das Recht daran.45

Daraus ergibt sich, dass jeder Miteigentümer an seiner Quote grundsätzlich uneingeschränkt berechtigt ist und über seinen rechnerischen Anteil frei und ohne die Zustimmung der anderen verfügen, diesen also auch veräußern kann (vgl. § 828f ABGB). Der Erwerber eines solchen Bruchteils erwirbt dieselben Rechte, die der bisherige Miteigentümer hatte.46

Für die Veräußerung während aufrechter Gemeinschaft oder die Belastung der ganzen Sache ist gemeinschaftliches Vorgehen aller Miteigentümer notwendig, da damit alle einzelnen

43 Vgl. Koziol/Welser/Kletečka, Grundriss des bürgerlichen Rechts I14 (2014) Rz 917ff. 44 Vgl. Gschnitzer, Österreichisches Sachenrecht2 76. 45 Vgl. u.a. Holzhammer/Roth, Einführung in das Bürgerliche Recht mit IPR5 (2000) 227. 46 Vgl. u.a. Bydlinski, Grundzüge des Privatrechts9 (2014) Rz 330. 13

Anteile erfasst werden. Eine Mehrheit der Miteigentümer reicht dementsprechend hierfür nicht aus.47

Für Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung reicht nach § 833 ABGB die Mehrheit nach Anteilen aus, weshalb etwa ein Mehrheitseigentümer die ordentliche Verwaltung der Sache an sich ziehen kann. Für wichtige Veränderungen an der Sache im Rahmen der außerordentlichen Verwaltung (wie etwa bauliche Maßnahmen, die mit höheren Kosten verbunden sind) bedarf es demgegenüber der Einstimmigkeit unter den Miteigentümern, es sei denn, die Mehrheit der Miteigentümer beschließt diese Maßnahme und wird der Minderheit Sicherstellung für drohende Schäden geleistet. Ein Anspruch auf diese Sicherheitsleistung besteht auf Seiten der Überstimmten nicht; wird diese verweigert, können die überstimmten Miteigentümer den Austritt aus der Gemeinschaft verlangen (vgl. § 834 ABGB). Wollen sie nicht aus der Gemeinschaft austreten oder begegnete ihr Austritt dem Einwand der „Unzeit“, so hat gem § 835 der Richter darüber zu entscheiden, ob die Veränderung ohne weitere Voraussetzungen, gegen Sicherstellung oder gar nicht erfolgen soll.48

Jedem Miteigentümer stehen sowohl gegenüber anderen Miteigentümern als auch gegenüber Dritten die Erhebung der Eigentumsklage gem § 366 ABGB und der Eigentumsfreiheitsklage gem § 523 ABGB zu.49

Gegenüber Dritten kann jeder Miteigentümer zur Wahrung der Rechte der Miteigentümer hinsichtlich der ganzen Sache Besitzstörungsklage erheben.50

Niemand wird - schon aus dem römischen Grundsatz „nemo invitus compellitur ad communionem“ (vgl. Ulpian D. 12,6 26,4) folgend - gegen seinen Willen zur Teilnahme an einer Miteigentumsgemeinschaft gezwungen werden.

Freilich hat der Miteigentümer grundsätzlich jederzeit das Recht, seinen Anteil an der gemeinsamen Sache an einen Dritten zu veräußern und sich auf diese Weise aus der Gemeinschaft zurückzuziehen. Oft wird in vielen Fällen ein bisher außenstehender Dritter jedoch kein Interesse daran haben, als Minderheitseigentümer in eine fremde Gemeinschaft von

47 Vgl. Holzhammer/Roth, Einführung5 227. 48 Vgl. Iro, Bürgerliches Recht IV-Sachenrecht6 (2016) Rz 5/14ff. 49 Vgl. Koziol/Welser/Kletečka, Grundriss I14 Rz 923. 50 Vgl. Iro, Sachenrecht6 Rz 5/6. 14

Miteigentümern einzusteigen. Neben der Möglichkeit der Veräußerung des eigenen Anteils besteht für den einzelnen Miteigentümer daher noch die Möglichkeit, die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch Erhebung der Teilungsklage gem § 830 ABGB zu verlangen. Kann in der Folge die bisher gemeinsame Sache nicht ohne Wertverlust real geteilt werden, so kommt es im Rahmen der Zivilteilung zur Veräußerung und zur quotenmäßigen Aufteilung des erzielten Erlöses. Ausgeschlossen wird dieses Recht des Einzelnen dann, wenn seine Ausübung zur Unzeit oder zum Nachteil der übrigen Miteigentümer erfolgte.51

Der Begriff der „Unzeit“ ist ein objektives Kriterium, welches Umstände meint, die alle gleich betreffen, wohingegen bei der Frage, ob andere Miteigentümer einen Nachteil aus der Aufhebung der Gemeinschaft haben, von subjektiven Kriterien auf Seiten der einzelnen Miteigentümer abhängt.52

Strittig erscheint indes die Rechtsnatur dieser Teilungsklage.

Einerseits wird sie als (unvollkommene) Rechtsgestaltungsklage53 gesehen. Die Miteigentümer bilden eine (anspruchsgebundene) notwendige Streitgenossenschaft, da sich die rechtsgestaltende Wirkung der Klage nur gegenüber allen Miteigentümern in gleicher Weise entfalten kann, mit anderen Worten die Gemeinschaft nur gegenüber allen Miteigentümern aufgehoben oder aufrechterhalten werden kann.54

Zu klagen sind nach Ansicht des OGH daher auch alle anderen Miteigentümer, selbst jene, die mit der Aufhebung der Gemeinschaft einverstanden sind und ihr außergerichtlich zustimmen.55

Demgegenüber wird die Teilungsklage mitunter auch als Leistungsklage betrachtet, zumal die Teilung noch nicht mit der Rechtskraft des stattgebenden Urteils vollzogen sei, sondern diese durch Exekution zu vollziehen sei. Überlegten es sich die Miteigentümer doch anders, so müssten sie – anders als etwa Ehepartner nach einer Scheidung – keine neue Gemeinschaft gründen, sondern könnten einfach die alte fortsetzen.56

51 Vgl. Bydlinski, Grundzüge9 Rz 333. 52 Vgl. Koziol/Welser/Kletečka, Grundriss I14 Rz 934. 53 Vgl. Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts7 (2009) Rz 556; Gamerith in Rummel, Kommentar zum ABGB I3 (2000) § 830 Rz 17. 54 Vgl. Perner, Miteigentümer im Zivilprozess, ÖJZ 2010, 5 (9); Gamerith in Rummel, ABGB I3 § 830 Rz 17a. 55 Vgl. OGH 7.7.2009, 5 Ob 12/09i. 56 Vgl. Holzhammer/Roth, Einführung5 228. 15

Im Grunde handelt es sich mE hierbei jedoch um eine äußerst theoretische Diskussion, die die Möglichkeiten der Erhebung dieser Klage in der Praxis sowie ihre Folgen nicht maßgeblich beeinflussen wird, dies umso mehr, als ja auch die Vertreter der Ansicht, es handle sich um eine unvollkommene Rechtsgestaltungsklage, die Notwendigkeit der dem Urteil nachfolgenden Exekution nicht in Abrede stellen, sodass die von Holzhammer/Roth angesprochenen Konsequenzen, insbesondere die Möglichkeit zur Weiterführung der alten Gemeinschaft bei Verzicht auf die Exekution ja auch bei der unvollkommenen Rechtsgestaltungsklage vorliegen.

Der Miteigentümergemeinschaft kommt keine Rechtspersönlichkeit zu, die Miteigentümer können aber gem § 826 S2 ABGB eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingehen.57

Einen Unterfall des Miteigentums nach Quoten stellt das Quantitätseigentum dar, welches an einem Gemenge vertretbarer Sachen entstehen kann, wenn deren Vermischung zufällig oder einseitig vorgenommen wurde. Die Anteile an diesem Gemenge werden dann in Quanten (Bsp. 100 kg) und nicht in Quoten (Bsp. ein Drittel) ausgedrückt. Aufgrund des Umstandes, dass Quanten jedoch leicht wieder in Quoten umgerechnet werden können, regt sich Kritik an der strengen Abgrenzung des Quantitätseigentums vom sonstigen Miteigentum nach Quoten.58

Festzuhalten ist allerdings, dass das Quantitätseigentum als besondere Form des Miteigentums eine vereinfachte Form der Auflösung mit Hilfe der Mengenvindikation bietet. Diese ist nicht, wie die Teilungsklage, auf Aufhebung der Gemeinschaft, sondern unmittelbar auf die Abtrennung einer entsprechenden Teilmenge gerichtet, da das Gemenge aus gleichartigen Sachen besteht und das Quantum des einzelnen Miteigentümers feststeht.59

Auch das Wohnungseigentum iSd § 2 Abs 1 Satz 1 WEG stellt einen Sonderfall des schlichten Miteigentums dar. Es ist nicht als real geteiltes Eigentum konzipiert; beim Wohnungseigentum besteht Miteigentum des Wohnungseigentümers an der gesamten Liegenschaft. „Angereichert“ ist dieses Miteigentum des Einzelnen allerdings mit dem dinglichen Recht zur ausschließlichen Nutzung einer selbständigen Wohnung oder einer sonstigen selbständigen Räumlichkeit.60

57 Vgl. Iro, Sachenrecht6 Rz 5/5. 58 Vgl. Koziol/Welser/Kletečka, Grundriss I14 Rz 917. 59 Vgl. Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht4, 440 und Koziol/Welser/Kletečka, Grundriss I14 Rz 936. 60 Vgl. Holzhammer/Roth, Einführung5 231. 16

Damit aber ist dem einzelnen Wohnungseigentümer kein Eigentum an einem real geteilten Teil des Hauses eingeräumt, sondern lediglich ein (exklusives) dingliches Nutzungs- und Verfügungsrecht an bestimmten Räumlichkeiten.61

Die in § 13ff WEG geschaffene besondere Möglichkeit, eine Eigentümerpartnerschaft unter zwei natürlichen Personen zu begründen, führt jedoch gem § 13 Abs 4 WEG nicht zu Miteigentum, sondern zu Gesamthandeigentum.62

1.2.3. Gesamthandeigentum

Das Gesamthandeigentum unterscheidet sich vom soeben dargestellten Miteigentum nach Quoten dadurch, dass der Gesamthandeigentümer keinen ideellen Anteil an der Sache hat, über den er frei und ohne die Zustimmung der anderen verfügen könnte. Mehrere Gesamthandeigentümer können ihre Berechtigung an der gemeinsamen Sache nur gemeinsam ausüben und müssen gemeinschaftlich handeln. 63

Über das Ganze können die Gesamthänder nur gemeinschaftlich verfügen und müssen sie somit zu diesem Zwecke stets einen gemeinschaftlichen Willen bilden; Quoten kommen nur dann zum Tragen, wenn Gewinne oder Verluste aufzuteilen sind, wenn die Gesamthand aufgelöst wird oder im Rahmen der Abschichtung bei Ausscheiden eines Gesamthänders.64

Im Falle des Gesamthandeigentums kann der einzelne Eigentümer also weder über einen ideellen Anteil noch über die ganze gemeinsame Sache allein ohne die anderen Eigentümer verfügen. Letztendlich verfügt bei dieser Form des Eigentums nur die Gemeinschaft über das Ganze und, sofern man solche dabei überhaupt annehmen möchte, auch über die Anteile daran.65

Dem romanistisch konzipierten ABGB ist nach überwiegender Meinung die Gesamthand, die einen deutschrechtlichen Ursprung aufweist, unbekannt.66

61 Vgl. Koziol/Welser/Kletečka, Grundriss I14 Rz 938. 62 Vgl. Iro, Sachenrecht6 Rz 5/3. 63 Vgl. Koziol/Welser/Kletečka, Grundriss I14 Rz 919. 64 Vgl. Holzhammer/Roth, Einführung5 231. 65 Vgl. Gschnitzer, Sachenrecht2 76. 66 Vgl. Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht4 438 und Krejci, Privatrecht8 Rz 698. 17

Außerhalb des ABGB finde sich Gesamthandeigentum nach einem Teil der Lehre insbesondere bei Personengesellschaften, der OG und der KG (§ 124 Abs 1 und § 161 Abs 2 UGB).67

Schon zuvor war für das Vermögen der OHG und der KG sowie der OEG und der KEG Gesamthandeigentum angenommen worden.68

Dieser Ansicht wird jedenfalls für die OG, die KG und den EWIV unter Verweis auf § 124 UGB und die Aufhebung von Art 7 Nr. 9 EVHGB jedoch insofern entgegengetreten, als bei diesen nunmehr verbreitet Alleineigentum der Gesellschaft statt Gesamthandeigentum angenommen wird. Die selbst rechtsfähigen OG, KG und EWIV seien selbst Rechtsträger des Gesellschaftsvermögens. Zu diesem Zweck wird u.a. auf die Beseitigung vorheriger Widersprüchlichkeiten durch § 124 UGB und durch die Aufhebung des Art 7 Nr. 9 EVHGB hingewiesen, der bestimmt hatte, dass das Gesellschaftsvermögen „gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter“ sei.69

Zwar spricht man auch vor dem Hintergrund dieser Ansicht von den Personengesellschaften als „Gesamthandgesellschaften“. Dies bedeute jedoch nicht, dass sich damit das Vermögen der Gesellschaft (sachenrechtlich) im Gesamthandeigentum der Gesellschafter befände, sondern sei damit nur gemeint, dass die schuldrechtlichen Gesellschaftsanteile „gesamthandschaftliche Elemente“ aufweisen.70

Gesamthandeigentum besteht des Weiteren im Fall einer Eigentümerpartnerschaft nach §§ 13 bis 15 WEG (nicht aber beim Wohnungseigentum an sich) sowie wohl auch bei der ehelichen Gütergemeinschaft.71

Weitere gesetzlich vorgesehene Gesamthandverhältnisse sind bei Urheber- und Erfindergemeinschaften nach § 11 UrhG bzw. § 27 Abs 1 PatG zu finden.72

67 vgl. Iro, Sachenrecht6 Rz 5/3; Bydlinski, Grundzüge9 Rz 335; Koziol/Welser/Kletečka, Grundriss I14 Rz 919. 68 Vgl. Holzhammer/Roth, Einführung5 231; vgl. OGH 8.3.1950, 1 Ob 115/50 (zur OHG und KG) 69 Vgl. Rieder/Huemer, Gesellschaftsrecht2 (2011) 106. 70 Vgl. Krejci, Privatrecht8 Rz 699; ErläutRV 1058 Blg NR XXII. GP 15. 71 Vgl. u.a. Holzhammer/Roth, Einführung5 231; Bydlinski, Grundzüge9 Rz 335; aM Gruber/Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar III4 (2013) § 825 Rz 11. 72 Vgl. Iro, Sachenrecht6 Rz 5/3. 18

Haben mehrere gemeinsam ein Werke geschaffen, bei welchem die Ergebnisse dieses Schaffens eine untrennbare Einheit bilden, so steht das Urheberrecht gem § 11 Abs 1 UrhG allen Miturhebern gemeinschaftlich zu. Verletzungen des Urheberrechtes können gem § 11 Abs 2 leg cit von jedem Miturheber verfolgt werden, für die Veränderung oder Verwertung des Werkes bedarf es des (gerichtlich ersetzbaren) Einverständnisses aller Miturheber.

Mehreren Teilhabern derselben Erfindung wird gem § 27 Abs 1 PatG das von ihnen angemeldete Patent ohne Bestimmung der Teile erteilt. Die Benützung der Erfindung einem Dritten zu gestatten, steht gem § 27 Abs 3 PatG nur der Gesamtheit der Teilhaber zu, doch ist auch hier jeder Teilhaber für sich befugt, Eingriffe in das Patent gerichtlich zu verfolgen.

Außerhalb der so gesetzlich geregelten Gesamthandfälle kann Gesamthandeigentum nicht rechtsgeschäftlich begründet werden. Unter den Bedingungen des § 364c ABGB kann bei Vorliegen der entsprechenden Angehörigenverhältnisse aber eine ähnliche Wirkung mit wechselseitigen Belastungs- und Veräußerungsverboten wie bei Gesamthandeigentum erzielt werden.

Festzuhalten ist, dass die Gesamthandgemeinschaft weniger Möglichkeiten für „Alleingänge“ einzelner Gemeinschafter bietet. Eine eigenständige Verfügungsmöglichkeit über ideelle Anteile gibt es hier nicht, verfügen können nur alle Gemeinschafter gemeinsam. Somit besteht hier auch nicht die Möglichkeit für den Einzelnen, ohne Zustimmung der anderen seinen Anteil zu veräußern und auf diese Weise der bestehenden Gemeinschaft einen fremden Dritten als neuen Teilhaber aufzuzwingen.

Der Zweck einer Gesamthandgemeinschaft liegt also wohl darin, wirtschaftlich sensible Eigentumsgemeinschaften, bei denen es auf Vertrauen und Mitarbeit ankommt, nicht durch einseitiges Handeln in Gefahr zu bringen.73 Ein solches Vertrauensverhältnis lag wohl auch der in Kapitel 2 beschriebenen altrömischen Gemeinschaft ercto non cito zugrunde, die bereits der deutschrechtlichen Gesamthand nahestand. Auch in dieser Gemeinschaft hatten die einzelnen an der Sache Berechtigten keine eigenen Anteile, über die sie hätten verfügen können. Im Unterschied zum späteren Gesamthandeigentum konnte aber jeder Einzelne selbst - ohne die anderen - wirksam über die gemeinsame Sache verfügen.74

73 Vgl. Barta, Zivilrecht I 506. 74 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 141. 19

1.2.4. Real geteiltes Eigentum

Im Gegensatz zum unter Punkt 1.2.2. beschriebenen Miteigentum nach Bruchteilen gehört beim real geteilten Eigentum jedem Eigentümer ein real abgegrenzter Teil der Sache. Es ist also die im Eigentum stehende Sache selbst geteilt, nicht bloß das Recht an ihr.75

Letztlich ist real geteiltes Eigentum selbständiges Eigentum an selbständigen, real abgegrenzten Teilen einer Sache.76

Grundsätzlich gibt es im österreichischen Recht kein solches real geteiltes Eigentum, wobei eine Ausnahme von diesem Grundsatz das in Österreich in einigen Bundesländern noch bestehende Keller- und Stockwerkseigentum ist. Bei diesem stehen Keller oder (horizontal abgegrenzte) Stockwerke im selbständigen Teileigentum der Eigentümer, an der Grundfläche, den Außenmauern, dem Stiegenhaus und dem Dach besteht jedoch Miteigentum zu ideellen Bruchteilen.77

Diese Form des Eigentums kann in Österreich seit dem Jahr 1879 (RGBl 50/1879) nicht mehr begründet werden, ebenso wenig kann daran Wohnungseigentum begründet werden. Das zu diesem Zeitpunkt bestehende Stockwerkseigentum ist jedoch bis zur Vereinigung weiterhin aufrecht und im Grundbuch eingetragen, wobei die im Alleineigentum stehenden Teile des Hauses als eigenständige Grundbuchskörper behandelt werden.78

Eine demgegenüber senkrechte Teilung eines Hauses in einzelne selbständige Teile ergibt sich demgegenüber bereits aus dem Grundsatz, dass der jeweilige eigenständige Gebäudeteil jenem Eigentümer gehört, der auch der Eigentümer des darunterliegenden Grundstück(teiles) ist („superficies solo cedit“).79

Die Ablehnung des real geteilten Eigentums wird mitunter damit begründet, dass so Schwierigkeiten vermieden werden können, die sich aus dem faktisch unlösbaren

75 Vgl. Barta, Zivilrecht I 503. 76 Vgl. Gschnitzer, Sachenrecht2 76. 77 Vgl. Holzhammer/Roth, Einführung5 230. 78 Vgl. Iro, Sachenrecht6 Rz 5/2. 79 Vgl. Bydlinski, Grundzüge9 Rz 334. 20

Zusammenhang der einzelnen (real abgegrenzten) Teile ergeben; denn dabei ist ein Teil von der Existenz des anderen abhängig.80

Umstritten ist, inwiefern Scheidewände, also Grenzeinrichtungen wie Hecken, Zäune, Mauern, Planken und Kanäle, in real geteiltem Eigentum der Eigentümer der angrenzenden Grundstücke stehen. Die herrschende Meinung geht hier von Miteigentum zu ideellen Bruchteilen aus.

Dabei ist jedoch festzuhalten, dass in dieser Konstruktion die Grenzeinrichtung lediglich als gemeinschaftliches Zubehör zum Alleineigentum am jeweiligen Grundstück angesehen wird. Änderungen an der Scheidewand können nur gemeinsam vorgenommen werden, gegen deren Beseitigung auf einer Seite kann sich der jeweils andere Nachbar zur Wehr setzen, gegen Eingriffe oder Störungen steht jedem Nachbarn gegen den anderen die actio negatoria (§ 523 ABGB) zur Verfügung.81

Die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke sind also lediglich berechtigt, die gemeinsame Trennwand jeweils „bis zur Hälfte“ getrennt zu benutzen (§ 855 ABGB); dabei sind sie verpflichtet, zu deren Erhaltung verhältnismäßig beizutragen (§ 856 ABGB).82

Diese „eigentümliche Verbindung“ zwischen Miteigentum an der gemeinschaftlichen Grenzeinrichtung und dem bis zur Grundstücksgrenze reichenden Alleineigentum am Grundstück wird freilich in der gegenteiligen Ansicht, dass diese Grenzeinrichtungen im real geteilten Eigentum der Grundstückseigentümer auf jeder Seite stehen, vermieden.83

Nach dieser Ansicht steht die Scheidewand, wenn sie gemeinschaftlich ist, nicht im Miteigentum der Grundstücksnachbarn, sondern gehört diese jedem Nachbarn bis zur Mitte ausschließlich; jedoch ist das Eigentumsrecht des Einzelnen durch die entsprechenden Rechte seines Nachbarn beschränkt.84

Festzuhalten ist, dass die Scheidewände im Zweifel als gemeinschaftliche Einrichtungen gelten. Bei bestimmter baulicher Ausgestaltung (§ 857 ABGB) wird jedoch von dieser Vermutung

80 Vgl. Spielbüchler in Rummel, ABGB I3 § 297 Rz 8. 81 Vgl. Egglmeier-Schmolke in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar III4 § 854 Rz 2. 82 Vgl. Krejci, Privatrecht8 Rz 696. 83 Vgl. Gamerith in Rummel, ABGB I3 § 854 Rz 1. 84 Vgl. Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts I/22 (1957) 148. 21 abgegangen und Alleineigentum angenommen, etwa dann, wenn Latten und Ziegel nur auf einer Seite vorlaufen oder wenn bestimmte Kennzeichen, die das Alleineigentum beweisen, wie etwa Wappen oder Inschriften, nur auf einer Seite angebracht sind.85

1.2.5. Geteiltes Eigentum (Ober- und Untereigentum)

Auch das ABGB kannte (bis ins Jahr 2006) in § 357 noch die Unterscheidung des Eigentumsrechts in ein Ober- und ein Nutzungseigentum. Bei diesem „geteilten Eigentum“ ist ebenfalls nicht die Sache, sondern sind die Befugnisse an ihr geteilt: der Untereigentümer hat eine dem Fruchtnießer ähnliche Stellung, aber mit weitgehend selbständigen Verfügungsrechten.86

Dem Obereigentümer stand das Recht auf die Substanz der Sache zu, dem Untereigentümer das (ausschließliche) Recht auf die Nutzung und – darin unterscheidet sich das Untereigentum vom Fruchtgenuss – ein Recht auf die Substanz der Sache.87

Das klassische Römische Recht hatte das Eigentum als Vollrecht klar von den beschränkten dinglichen Rechten an fremder Sache, den iura in re aliena, abgegrenzt; das deutsche Recht kannte eine solche strikte Trennung nicht.88

Allerdings waren die Provinzialgrundstücke in der klassischen Praxis dem Privateigentum nicht zugänglich, sondern standen diese im römischen Staatseigentum (vgl. Gaius Inst. 2, 7). Der Einzelne hielt daran ein eigentumsähnliches Besitz- und Nutzungsrecht (uti frui habere).89

Die römische Lehre kannte demgegenüber ein derart „gespaltenes Eigentum“ nicht und wohl zu Recht stellt sich selbst für die klassische römische Praxis die Frage, ob diese Unterscheidung tatsächlich große Auswirkungen, etwa auf den Handel und die Übertragung solcher Grundstücke, hatte.90

85 Vgl. Egglmeier-Schmolke in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar III4 § 854 Rz 3. 86 Vgl. Gschnitzer, Sachenrecht2 76 87 Vgl. Ehrenzweig, Privatrecht I/22 156. 88 Vgl. Gschnitzer, Sachenrecht2 149. 89 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 135. 90 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 180. 22

Die italienischen Rechtsschulen des Mittelalters, insbesondere die Glossatoren, waren bestrebt, der in Europa damals noch vorherrschenden Bodenordnung gerecht zu werden. Ausgehend von der rei vindicatio utilis stellten sie dem dominium directum ein dominium utile (Nutzungseigentum) gegenüber und wendeten sie dieses Konstrukt in weiterer Folge auch auf den Erbbauberechtigten, den Erbpächter und den Lehensmann an.91

Nach der Rezeption kam es auf dieser Grundlage zur Annahme des „geteilten Eigentums“. Dem Obereigentümer stand die rei vindicatio (directa), dem Untereigentümer die rei vindicatio utilis offen.92

Als Fälle „geteilten Eigentums“ kannte das ABGB - neben den Familienfideikommissen93 - das Recht des Vasallen, des Erbpächters (§ 1122 ABGB aF), des Erbzinsmannes (§ 1123 ABGB aF) und des Bodenzinsmannes (§ 1125 ABGB aF), während in allen anderen Fällen das Eigentumsrecht ungeteilt und vollständig dem Eigentümer zustand (vgl. § 358 ABGB).94

Als zentraler Inhalt des dominium utile wurde die Nutzungsbefugnis, als jener des dominium directum die Verfügungsberechtigung (proprietas) gesehen. Mit diesem Konstrukt konnten nun die vielfach abgestuften Grundbesitzverhältnisse des Mittelalters - vermeintlich anhand des Instrumentariums des Römischen Rechts - beschrieben werden.95

Tatsächlich ist diese Konstruktion aber „unrömisch“ und mit dem klassischen Römischen Recht, das das Eigentum als Vollrecht an einer Sache klar von den beschränkten dinglichen Rechten abgrenzte, kaum in Einklang zu bringen. Dennoch spielte es nach seiner Entwicklung im Mittelalter über einige Jahrhunderte eine bedeutende Rolle, ehe es im 19. Jahrhundert gänzlich unbedeutend wurde.96

Im 19. Jahrhundert wandte sich die Rechtswissenschaft vom Konstrukt des geteilten Eigentums ab, hinzu kam, dass die schon vorher eingeleitete „Aufzehrung des Obereigentums durch das Untereigentum“ mit den Bodenrechtsreformen ihren Abschluss fand.97

91 Vgl. Hagemann, Eigentum, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), Handbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I2 (2008) 1274. 92 Vgl. Gschnitzer, Sachenrecht2 149. 93 Vgl. Gschnitzer, Sachenrecht2 149f. 94 Vgl. Ehrenzweig, Privatrecht I/22 156. 95 Vgl. Hagemann, Eigentum, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), HRG I2 1275. 96 Vgl. Ehrenzweig, Privatrecht I/22 156f. 97 Vgl. Hagemann, Eigentum, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), HRG I2 1275f. 23

Die Leibeigenschaft war bereits 1782 aufgehoben worden, nunmehr waren auch Lehnsgüter und durch die Aufhebung der Untertänigkeitsverhältnisse auch die Erbpacht- und das Erbzinsverhältnis als überholt zu betrachten.98

Durch die Grundentlastung wurden alle in Untertänigkeitsverhältnissen begründeten Verpflichtungen - zum Teil gegen entsprechende Entschädigung - aufgehoben. Das Nutzungseigentum schien sich von den iura in re aliena nach seiner Entwicklung zu emanzipieren. Lange hielt es dann dem Obereigentum die Waage, bis es schließlich zum Volleigentum wurde, weshalb das „geteilte Eigentum“ auch als ein „Übergangszustand“ in der geschichtlichen Betrachtung gesehen wurde.99

Im Jahre 2006 wurde der auf das Ober- und Untereigentum verweisende § 357 ABGB durch das Deregulierungsgesetz (BGBl I 2006/113) aufgehoben.100

Die Grundlage des Konstrukts des „geteilten Eigentums“ wurde und wird vorwiegend in einem „Missverständnis“ der Glossatoren hinsichtlich der rei vindicatio utilis gesehen, aus welcher, wie oben dargelegt wurde, ein dominium utile, ein Nutzungseigentum, abgeleitet wurde. Dennoch gibt es Stimmen in der Literatur, die die Ansätze des „geteilten Eigentums“ schon weit früher, bereits im altrömischen Recht, ja sogar in Konstruktionen des griechischen Rechts, wie etwa in der (teilweisen) Freilassung eines Sklaven durch die „Paramone“ vor Erreichung der vollständigen Freiheit („Pàneleuthería“) oder auch in der Eigentumsanwartschaft von Hypothekengläubigern vor Erreichung des Volleigentums, vermuteten.101

98 Vgl. Gschnitzer, Sachenrecht2 150. 99 Vgl. Ehrenzweig, Privatrecht I/22 157. 100 Vgl. Koziol/Welser, Kletečka, Grundriss I14 Rz 919. 101 Vgl. Koschaker, Besprechung zu Bussi, La formazione dei dogmi di diritto privato nel diritto commune, SZ 58 (1938) 252 (256). 24

Kapitel 2: Gemeinschaftliches Eigentum in vorklassischer Zeit

2.1. Formen des altrömischen Konsortiums

Die älteste Form einer Mitberechtigung mehrerer Eigentümer an einer gemeinsamen Sache entsprang dem Erbrecht. Seidl betrachtete die Gemeinschaft von mehreren Miterben am Nachlass als den ältesten Fall von „Miteigentum“ nicht nur in Bezug auf das altrömische Recht, sondern „überhaupt in der antiken Rechtsgeschichte“.1

In der altrömischen Hauserbengemeinschaft, dem consortium ercto non cito, setzten die sui heredes den genossenschaftlich organisierten Hausverband nach dem Tod des paterfamilias fort. Dieses consortium führte eine vollständige Gütergemeinschaft herbei und beruhte es auf dem Grundsatz der Gleichordnung der einzelnen Mitglieder. Diese Gemeinschaft zeichnete sich dadurch aus, dass der Einzelne im consortium keine eigenständigen Anteile hatte, über die er hätte verfügen können.2

Die altrömische Hauserbengemeinschaft stand also bereits der späteren deutschen Gesamthand nahe, dies mit einem wesentlichen Unterschied: auch für die Verfügung über die ganze gemeinschaftliche Sache war kein Zusammenwirken aller Konsorten notwendig, es konnte jeder einzelne über die Sache wirksam auch für die anderen verfügen. Das altrömische consortium ercto non cito setzte also ein Vertrauensverhältnis der einzelnen Konsorten voraus, zumal ein ius prohibendi des Einzelnen gegen den verfügenden Teilhaber zwar denkbar, aber nicht bezeugt war.3

Die alte Gemeinschaft der Hauserben war jedoch nicht bloße Vermögensgemeinschaft, sondern - wohl sogar in erster Linie - personen-, familien- und sakralgüterrechtliche Gemeinschaft.4

Bereits in der Zeit der Zwölf Tafeln war die Bindung der einzelnen Konsorten jedoch so weit gelockert, dass diese die Teilung des Konsortiums mit Hilfe der actio familiae erciscundae verlangen konnten, die in weiterer Folge zur Aufteilung des bisher gemeinsamen Gutes und der

1 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 221. 2 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 99f. 3 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht 21 141. 4 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung6 89; Seidl, Römisches Privatrecht Rz 221. 25

Zuweisung von Alleineigentum an den Sachgütern und Sklaven durch richterliche adiudicatio führte.5

Wohl bereits in der jüngeren Republik trat das altrömische Konsortium der Hauserben in den Hintergrund und verschwand in frühklassischer Zeit.6 Im klassischen Recht bestand dann auch unter Miterben kein consortium ercto non cito mehr, sondern Miteigentum nach ideellen Bruchteilen.7

Ein der Gemeinschaft von Hauserben ähnliches Verhältnis konnte auch durch einen Rechtsakt, eine (noch näher beleuchtete) legis actio vor dem Prätor, nachgebildet werden (vgl. Gaius Inst. 3, 154b). Das nachgeformte consortium hatte ebenfalls nicht nur eine vermögensrechtliche Vergemeinschaftung, sondern auch eine Verbrüderung der Konsorten zur Folge, die damit dieselbe Rechtsposition erlangten wie die sui heredes, die einem gemeinsamen paterfamilias nachfolgten.8

Als Zeitraum, in dem diese Möglichkeit, eine altrömische Hauserbengemeinschaft nachzuformen, bestand, wird die ältere Republik angenommen. Als „Urfall“ des nachgeformten Konsortiums gilt der freiwillige Zusammenschluss von Agnaten und Gentilen, die den Nachlass in Besitz nahmen, wenngleich die Möglichkeit zur Nachformung des Konsortiums wohl nicht auf Verwandte beschränkt war.9

Das Konsortium war jedoch - im Gegensatz zur späteren societas, die als Teil des ius gentium auch Nichtrömern offenstand - ein Instrument des ius civile.10

2.2. Das Konsortium der Hauserben (sui heredes)

2.2.1. Grundlagen der alten Hauserbengemeinschaft

Die altrömische Hauserbengemeinschaft wird, wie bereits erwähnt, in der Literatur zum einen als Ansatzpunkt für die Antwort auf die Frage, wie überhaupt gemeinsames Eigentum entstehen

5 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 100, 142. 6 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 141. 7 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung6 112. 8 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 101. 9 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen des Gaius, SZ 54 (1934) 258 (289). 10 Vgl. Honsell, Römisches Recht8 147. 26 konnte, herangezogen.11 Zudem bildete das consortium ercto non cito der Hauserben den Ausgangspunkt für die Betrachtung der klassischen societas und in weiterer Folge auch der späteren Gesamthandkonstruktionen.12

Gaius beschrieb das dem römischen Bürgerrecht zugeordnete consortium der Hauserben mit nachstehenden Worten:

Gaius Inst. 3, 154a: „Est autem aliud genus societatis proprium civium Romanorum. Olim enim mortui patre familias, inter suos heredes quaedam erat legitima simul et naturalis societas, quae appelabatur ´ercto non cito´, id est ´dominio non diviso ´: ´erctum´ enim ´dominium´ est, unde ´erus´ ´dominus´ dicitur; ´ciere´ autem ´dividere´ est, unde ´caedere´ et ´secare´ et ´dividere´ dicimus.“

Gaius Inst. 3, 154a: „Es gibt jedoch eine andere Art der Gesellschaft, die dem Sonderrecht der römischen Bürger angehört. In alter Zeit gab es nämlich nach dem Tode des Familienvaters eine bestimmte Gesellschaft unter Hauserben, die auf gesetzlicher und gleichzeitig natürlicher Grundlage beruhte; diese wurde ´ercto non cito´ genannt, das bedeutet ´ohne dass das Eigentum geteilt worden ist´; den ´erctum´ bedeutet ´Eigentum´; daher wird der Eigentümer ´erus´ genannt, ´ciere´ aber bedeutet ´teilen´; daher sagen wir ´caedere´ sowohl im Sinne von ´schneiden´als auch von ´teilen´“.13

Gaius bediente sich hier über weite Strecken dieser Stelle der Gegenwart. Beim Wort „appellabatur“ griff er jedoch auf das Präteritum zu, was den Schluss nahe legt, dass die Gemeinschaft der Hauserben bereits dem vorklassischen Recht und der Zeit vor den Zwölf Tafeln (451 v. Chr.) zuzuordnen ist.14 Darauf, dass Gaius hier schon von der Vergangenheit sprach, deutet hier auch das (dies verstärkende) Wort „olim“ hin.

Obwohl Gaius an der oben zitierten Stelle eine ausführliche Begriffserklärung vornahm, erscheint auch heute die genaue Bedeutung des Ausdrucks „ercto non cito“ ungewiss.

11 Vgl. Van Warmelo, An introduction to the principles of Roman civil law (1976) 85f; Seidl, Römisches Privatrecht Rz 221. 12 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders am Gesamthandvermögen (1992), Schriften zur Rechtsgeschichte 53 (1992) 31. 13 Vgl. zur Übersetzung Manthe (Hg.), Gaius Institutiones (2004) 283. 14 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 31f. 27

Mayer-Maly deutet diese Wortfolge damit, dass in diesem consortium die Anteile der Miterben noch nicht bestimmt seien.15

Doch bestehen etwa auf Seiten Levys überhaupt grundlegende Zweifel an der Bedeutung von „ercto non cito“ und insbesondere an der Gleichsetzung der Bedeutungen von „ciere“ mit „dividere“ und von „erctum“ mit „dominium“, denn das könne nach Ansicht Levys nicht „die Urbedeutung“ gewesen sein. Levy sah die Worte des Gaius als bloße Umschreibung des eigentlichen Sinnes; Levy verwies hier auf eine viel weiter zurückliegende mögliche Erklärung, indem er festhielt, dass in einer landwirtschaftlich geprägten Zeit weit vor den Zwölf Tafeln das Wort „ciere“ wohl am ehesten in einer ursprünglichen Bedeutung „in Bewegung setzen“ zu verstehen sei und „erctum“ (vgl. griech. εἰρκτή [f] als abgeschlossener Raum, Verschluss bzw. Gefängnis16) in Beziehung mit „arcere“ (einzäunen) zu setzen sei; „erctum“ sei schließlich als „das Eingezäunte“ zu verstehen, womit die umfriedete Großherde von Tieren gemeint gewesen sei, die die Söhne des Verstorbenen nun in verschiedene Richtungen trieben und sich so in Form von vielen Kleinherden ihren Teil am „erctum“ sicherten.17

Nicht als Ablativus absolutus wollte hingegen schon zuvor Karlowa den Ausdruck „ercto non cito“ verstanden wissen. Dabei handle es sich seiner Ansicht nach um einen Imperativ: „Er soll nicht zur Teilung rufen!“.18 Wenngleich Karlowa selbst diese Deutung knapp dreißig Jahre später als „unhaltbar“ verwarf, so liegt ihre Besonderheit zweifellos darin, dass sie Bezug auf die gänzliche Unteilbarkeit des Konsortiums und die Unveräußerlichkeit ihrer Anteile nahm.19

Bestätigung könnte diese Ansicht in der auch von Karlowa erwähnten „societas inseparabilis“ des Aulus Gellius finden, der etwa um das Jahr 170 in seinen „Noctes Atticae“ wörtlich festhielt:

„Sed id quoque non praetereundum est, quod omnes, simul atque Pythagora in cohortem illam disciplinarum recepti erant, quod quisque familiae, pecuniae habebat, in medium dabat, et coibatur societas inseparabilis, tamquam illud fuit anticum consortium, quod iure atque verbo Romano appelabatur ´ercto non cito´“ (vgl. Noctes Atticae I, 9, 12).

15 Vgl. Mayer-Maly, Römisches Recht2 66. 16 Vgl. Gemoll/Vretska, Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch10 (2012) 259. 17 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen des Gaius, SZ 54, 278. 18 Vgl. Karlowa, Der Römische Civilprozess zur Zeit der Legisactionen (1872) 143 FN 2. 19 Vgl. Karlowa, Römische Rechtsgeschichte II/1 (1901) 913 FN 7. 28

Gegen diese Theorie Karlowas wandte sich Pernice, der mE zu Recht anhand grammatikalischer Argumente die Auslegung Karlowas für „schlechthin unmöglich“ erklärt. Im Wesentlichen wies Pernice einerseits darauf hin, dass das „non“ (Anmerkung: statt „ne“) für den Imperativ eine „absonderliche“ Konstruktion sei. Zudem stelle sich die Frage, warum sich der vermutete Imperativ nur an einen der Konsorten richtete, wo doch alle gleich beteiligt seien. Pernice sah zudem in der „societas inseparabilis“ des Aulus Gellius eher eine „reine Redensart“ als eine juristische Ausdrucksweise.20

Wie Pernice war auch kurz zuvor Leist von der stets vorhandenen juristischen Zulässigkeit einer Teilung ausgegangen, wenngleich er dabei auch darauf hingewiesen hatte, dass diese unter Geschwistern grundsätzlich gar nicht oder wohl nur bei besonderen Gründen geschwisterlicher Uneinigkeit oder erst nach längerer Dauer des Konsortiums erfolgt sein wird.21

2.2.2. Das Konsortium der Hauserben als „societas legitima simul et naturalis“

An der oben zitierten Stelle in Inst. 3, 154b sprach Gaius zudem von einer „societas“, die „legitima“ und „simul naturalis“ sei. Diese mitunter gegensätzlichen Adjektive beschreiben die wesentlichen Merkmale des altrömischen Konsortiums. „Legitima“ war diese „Gesellschaft“, da sie sich bereits auf das Zwölftafelgesetz und somit auf das ius civile stützte; als „naturalis“ wurde sie bezeichnet, weil sie unmittelbar und ohne die Notwendigkeit eines neuen consensus unter den Hauserben die Fortsetzung der bisherigen Hausgemeinschaft, die „continuatio dominii der sui heredes“, verkörperte.22

Beim Konsortium in Form der Hauserbengemeinschaft war also - im Unterschied zum nachgeformten Konsortium - eine gesonderte Willenseinigung der Konsorten, die die Gemeinschaft der Hauserben erst zu einer Gewinn- und Verlustgemeinschaft hätte werden lassen, nicht notwendig.23

Eines formalen Aktes zur Begründung des consortium ercto non cito bedurfte es also nicht, dieses trat unmittelbar mit dem Tod des Erblassers ein.24

20 Vgl. Pernice, Parerga, SZ 3 (1882) 48 (71f). 21 Vgl. Leist, Zur Geschichte der römischen societas (1881) 22,26. 22 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen des Gaius, SZ 54, 279. 23 Vgl. Pringsheim, Miszellen, SZ 45 (1925) 491 (492). 24 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 99. 29

Die erwähnte „continuatio dominii“ stützte sich auf ein bereits zu Lebzeiten des Familienoberhauptes bestehendes „latentes Mitrecht“ der Söhne und Töchter am Vermögen des Vaters, der - außer seinem eigenen „Mitrecht“ - auch die freie Verwaltung des gemeinsamen Vermögens innehatte. Mit anderen Worten hatten die Kinder eine „Vermögensanwartschaft“, die mit dem Tod des Familienoberhauptes verwirklicht wurde.25

Wieacker sah also für die frühe Zeit den zivilen „Erbfall“ durch den Tod des paterfamilias, der in Wahrheit seiner Ansicht nach so eben noch gar kein Erbfall sei, sondern nur der „Fortfall des Seniors“ ohne Zerstörung der Hausgemeinschaft. Die Verfügungsberechtigung ist in der fortgesetzten Hausgemeinschaft – wie auch dann im nachgeformten Konsortium – ungeteilt.26

Einschränkungen in der Rechtsposition der Hauserben, die eventuell einen gesonderten Begründungsakt durch legis actio erfordert hätten, waren mit der Fortsetzung der Gemeinschaft nicht verbunden.27

Eine formale legis actio wie beim nachgeformten Konsortium wäre hier unter den sui heredes wohl ohne erkennbaren Anwendungsbereich. Denn dass eine legis actio etwa dazu gedient hätte, die Erbteile, die bei Fortsetzung der Gemeinschaft ohnehin nicht umstritten waren, festzusetzen oder dazu, die nicht erfolgte Teilung feierlich zu erklären, erscheint nicht wahrscheinlich.28

Die sui heredes – im Wesentlichen also die Kinder des Verstorbenen sowie seine uxor in manu, unter Umständen auch Enkel und Urenkel – traten ohne ihr Zutun nach dem Tod des Erblassers an dessen Stelle. Sie folgten ihm in alle vererblichen Rechte, das Vermögen und weitere außerpatrimoniale Rechte. Mit dem Tod des Oberhauptes zerfiel der bisherige Hausverband zwar - in Höhe der Zahl der nunmehr frei werdenden Personen - in neue Hausverbände, doch blieben die Familien eben zunächst in der Rechtsgemeinschaft des Konsortiums als Erbengemeinschaft vereint, bis einer der sui die Auflösung der Gemeinschaft verlangte.29

25 Vgl. Rabel, Die Erbrechtstheorie Bonfantes, SZ 50 (1980) 295 (327). 26 Vgl. Wieacker, Societas (1936) 129. 27 Vgl. De Zulueta, The Institutes of Gaius – Commentary II (1953) 175f. 28 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 288. 29 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 95ff. 30

Bereits zur Zeit der Zwölf Tafeln im fünften Jahrhundert v. Chr. gab es, wie zuvor erwähnt wurde, die Möglichkeit zur jederzeitigen Auflösung des Konsortiums durch Erhebung der actio familiae erciscundae. Damit war jetzt zwar weiterhin nicht die Entstehung, aber der Fortbestand des Konsortiums in höherem Maße vom Willen des einzelnen Konsorten abhängig. Schon vor Bestehen dieser Möglichkeit wird es - dies legen schon die Worte „ercto non cito“ nahe - die Möglichkeit zur Aufhebung der Gemeinschaft durch Übereinkunft aller Gemeinschafter gegeben haben.30

2.2.3. Die vermögensrechtlichen Wirkungen im Konsortium

Das altrömische Konsortium der Hauserben stellte nicht nur eine Vermögensgemeinschaft, sondern zugleich ein familienrechtliches Verhältnis dar.31

Was aber veranlasste Hauserben, trotz einer schon bestehenden Möglichkeit, die Aufhebung der Gemeinschaft gegen den Willen der anderen zu verlangen, dazu, dennoch die Gemeinschaft aufrechtzuerhalten?

Hinsichtlich der Motive der Hauserben, auf die Aufteilung des Vermögens zu verzichten und in einer Gemeinschaft zu verbleiben, stellte etwa Pernice zwei mögliche Gründe in den Vordergrund: die Knappheit des Vermögens oder ein vom Erblasser betriebenes Geschäft. Im ersteren Fall sei das gemeinsame Leben Selbstzweck. Im zweiten Fall könne das Geschäft des Erblassers nunmehr gemeinsam und auf einer weniger patriarchalischen Basis weitergeführt werden.32

Pernice sprach hier also offenkundig in erster Linie zwei wirtschaftliche Gründe an, die die Fortsetzung der Gemeinschaft sinnvoll oder sogar geboten erschienen ließen.

Über bloß solche wirtschaftliche Gründe hinaus waren es jedoch wohl auch oder sogar in erster Linie familiäre, soziale, sakrale und gesellschaftliche Gründe, die die Fortsetzung der Hauserbengemeinschaft nahegelegt haben mochten.

30 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 285f. 31 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 420. 32 Vgl. Pernice, Parerga, SZ 3, 68f. 31

Levy beschrieb diese Hausgemeinschaft treffend und umfassend mit den nachstehenden Worten: „Die Hausgemeinschaft sorgt für alle ihre Glieder, ohne deren Bedürfnisse und Wünsche mit dem Zirkel abzumessen. Durch die in ihr zusammengefassten Mittel und Fähigkeiten sichert sie den Gemeindern in sakraler und politischer, in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht eine stärkere Stellung, als jedem in seiner Vereinzelung zugekommen wäre.“33

Deutlich kommt hier zum Ausdruck, dass es im Konsortium der Hauserben eben nicht in erster Linie um genaue wirtschaftlich ausgewogene Regeln für die Hausgemeinschaft ging, sondern in zumindest genau demselben Ausmaß um die Aufrechterhaltung der Familienbande zwischen den einzelnen Gemeindern, die durch diese Gemeinschaft eine stärkere Position im alltäglichen Leben aufrechterhalten konnten. Im Vordergrund stand - so lässt es sich deutlich aus Levys Worten erkennen - eben nicht die streng geregelte Verteilung von „In- und Output“ des einzelnen Gemeinschafters gegenüber der Gemeinschaft.

Die Einkünfte wurden kaum nach rechtlichen Aspekten allgemein oder nach den Verhältnissen der Erbteile im Besonderen verteilt worden sein, sondern wird in dieser Gemeinschaft jeder so viel erhalten haben, wie er für sich und seine Angehörigen benötigte.34

Die Frage des Zwecks einer Hauserbengemeinschaft hier abschließend darf noch einmal auf Levy verwiesen werden, der an der bereits zitierten Stelle vor einer übertriebenen Motivforschung hinsichtlich der Hausgemeinschaft warnte und festhielt, dass diese Gemeinschaft „vor allen rationalen Erwägungen da“ war und „als selbstverständlich in die geschichtliche Zeit hineinragt“.35

Was im einzelnen Fall also die Hauserben auch dazu veranlasst haben mag, im consortium ercto non cito verbunden zu bleiben, die Fortsetzung der häuslichen Gemeinschaft und die Aufrechterhaltung des gemeinsamen Vermögens dürfte in altrömischer Zeit ein häufig auftretendes Phänomen gewesen sein.36

33 Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 285. 34 Vgl. Pernice, Parerga, SZ 3, 68. 35 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 285. 36 Vgl. Van Warmelo, An introduction 86. 32

Die Erbengemeinschaft führte nach Ansicht Kasers zu einer „vollständigen Gütergemeinschaft“, die sowohl die Erbschaft selbst als auch allen zukünftigen Erwerb eines jeden Gemeinschafters erfasste, der lange Zeit nebenbei kein eigenes Vermögen haben konnte. Die Rechte am gemeinsamen Eigentum weist die Gemeinschaft allen gemeinsam zu, Anteile des Einzelnen, die nach Bruchteilen berechnet worden und ihm zur freien Verfügung gestanden wären, gab es hier nicht.37

Hingegen sah Pernice diese vollständige Gütergemeinschaft im Konsortium nicht; das Konsortium sei seiner Ansicht nach „nicht Gütergemeinschaft schlechthin“, sondern habe sich diese nur auf die Erbschaft selbst bezogen, nicht aber auf einen allfälligen Gewinn, der von der Erbschaft unabhängig erzielt worden war, oder auf eigenständiges Vermögen, das einer der Miterben bereits vor der Entstehung des Konsortiums erworben hatte, wie etwa das peculium castrense des Sohnes oder die dos der verwitweten Tochter.38

Dies vermag mE nicht zu überzeugen; gerade für das peculium castrense ist festzuhalten, dass dieses für die vorklassische Zeit noch nicht relevant gewesen sein wird. Denn die Möglichkeit, über das testamentarisch zu verfügen, was er im Militärdienst erworben hatte (Sold, Beute), wurde dem Haussohn wohl erst unter Kaiser Augustus eröffnet.39

Geht man jedoch davon aus, dass das consortium bereits in der jüngeren Republik verschwunden war40, so erscheint zumindest der Hinweis Pernices auf das peculium castrense für das altrömische Konsortium außerhalb des zeitlichen Zusammenhanges zu stehen.

Festzuhalten ist, dass die Hauserben bis zum Tod des paterfamilias unter dessen Gewalt gestanden waren und erst mit dessen Tod vermögensfähig wurden; die Erbschaft selbst war ihr zunächst einziges Vermögen, das ihnen gemeinsam und als ungeteiltes Gesamtgut zufiel.41

Levy hingegen verwies darauf, dass sich mit dem Tod des Familienoberhauptes eigentlich nicht die Rechtsträgerschaft am Vermögen, sondern nur das Recht zur Verwaltung desselben, das Recht zur administratio bonorum, verändere, indem dieses bisherige Recht des paterfamilias

37 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 99f. 38 Vgl. Pernice, Parerga, SZ 3, 69. 39 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 367. 40 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 141. 41 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 279. 33 nun „frei werde“ und den Söhnen zufiele, die auch schon zu Lebzeiten des Vaters Gesamteigentümer gewesen waren.42

Wie bereits erwähnt wurde, hatten die Söhne (und in Rom auch die Töchter) kraft Geburt und Aufnahme schon zu Lebzeiten des paterfamilias ein „latentes Mitrecht am Hause“ samt den damit einhergehenden Rechten und Pflichten. Mit dem Erbfall gelangten sie schließlich auch zur freien Verwaltung darüber.43

Erkennbar wird dies in den Worten des Paulus ad Sabinum in D. 28, 2, 11 (Hervorhebungen wurden hier hinzugefügt):

„In suis heredibus evidentius apparet continuationem dominii eo rem perducere, ut nulla videatur hereditas fuisse, quasi olim hi domini essent, qui etiam vivo patre quammodo domini existimantur. […] Itaque post mortem patris non hereditatem percipere videntur, sed magis liberam bonorum administrationem consequuntur“.

Letztlich ging also nur die Verwaltungsbefugnis über die gemeinsamen Sachen auf die Hauserben über, deren „Gesellschaft“ damit praktisch ihren Anfang nahm.44

Das aufrechte Konsortium der Hauserben basierte auf dem Grundsatz der Gleichordnung; Führungsverhältnisse einzelner Erben und hierarchische Abstufungen innerhalb der Erben entwickelten sich nicht kraft Rechtsgebots, sondern höchstens aus faktischen Umständen heraus.45

Diese Gleichheit unter den sui bedeutete nicht, dass alle die Geschäfte nur zur gesamten Hand führen konnten, sondern dass jeder für sich zum Handeln berechtigt war. Alle Erben konnten die Verfügungsmacht, die bisher dem paterfamilias zugestanden war, gleichberechtigt ausüben. Anteile nach Bruchteilen des einzelnen Konsorten gab es nicht; jeder Einzelne konnte jedoch wirksam über die gesamte gemeinsame Sache verfügen, der „Tatbereite“ unter diesen Gegebenheiten also auch die „Führung an sich reißen“.46

42 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke in den Institutionen, SZ 54, 279f. 43 Vgl. Rabel, Die Erbrechtstheorie Bonfantes, SZ 50, 326f; Wieacker, Societas 129. 44 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke in den Institutionen, SZ 54, 280. 45 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 99f. 46 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 283; Kaser, Das Römische Privatrecht I2 100. 34

Dieses Verfügungsrecht des Einzelnen stand jedoch mit der Existenz von Erbteilen nicht in Widerspruch. Im Falle der Auflösung des Konsortiums erfolgte die Aufteilung des bisher gemeinsamen Vermögens nach Erbteilen, somit nach erbrechtlichen, nicht nach gesellschaftsrechtlichen Regeln.47

In den Institutionen nannte Gaius als Beispiel für das alleinige Verfügungsrecht des einzelnen Konsorten die Freilassung eines gemeinsamen Sklaven sowie die Manzipation einer gemeinschaftlichen Sache.

Gaius Inst. 3, 154b: „In hac autem societate fratrum ceterorumve, qui ad exemplum fratrum suorum societatem coierint, illud proprium erat, quod vel unus ex sociis communem servum manumittendo liberum faciebat et omnibus libertum adquirebat; item unus rem communem mancipando eius faciebat, qui mancipio accipiebat.“

Für die wirksame Übertragung von Eigentum an einer gemeinsamen Sache oder die Freilassung eines gemeinschaftlichen Sklaven genügte es also, wenn nur einer der Konsorten die entsprechende Verfügung traf. Der nur von einem Gemeinschafter freigelassene Sklave erwarb die vollständige Freiheit.

Darin lag der große Unterschied zum klassischen Recht, dem zufolge der einzelne Miteigentümer (nach Bruchteilen) an dem von ihm allein freigelassenen Sklaven eben nur seinen (rechnerischen) Anteil aufgeben konnte und sein Anteil (am weiterhin unfreien Sklaven) den anderen Eigentümern durch Anwachsung zufiel.48

Dies hatte zur Folge, dass ein einziges Mitglied des Konsortiums allein über das gesamte gemeinsame Vermögen - mit Wirksamkeit im Außenverhältnis für alle Mitglieder - verfügen konnte, ohne deren Zustimmung zu benötigen. Über das Innenverhältnis unter den Konsorten besagte diese Stelle jedoch nichts.49

Die innere Ordnung des Konsortiums wurde der „gutwilligen Verständigung“ unter den Mitgliedern überlassen. Die Verfügungsberechtigung des Einzelnen über die gesamte Sache

47 Vgl. Pernice, Parerga, SZ 3, 69. 48 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 280. 49 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 32. 35 basierte wohl auf einem (zumindest unterstellten) Vertrauensverhältnis der Gemeinschafter untereinander.50

Eine solch weitgehende Verfügungsbefugnis des einzelnen Gemeinschafters konnte ihre Grenze jedoch darin finden, dass ein gleichberechtigtes Mitglied des Konsortiums der Verfügung widersprach. Ein solches volles ius prohibendi musste als „Kehrseite“ wohl dem vollen ius agendi gegenübertreten und diesem sogar vorgehen, wollte man eine ruinöse Auseinandersetzung der Konsorten untereinander verhindern.51

Dabei wird das alleinige Verfügungsrecht des einzelnen Gemeinschafters mitunter mit dem Recht der Magistrate verglichen, wirksame Anordnungen unabhängig von ihrem im Amt befindlichen Kollegen zu treffen.52 Dementsprechend zog Levy auch hinsichtlich des ius prohibendi des Konsorten einen Vergleich mit dem Interzessionsrecht gegen einen Akt des Magistrats.53

Ein solches ius prohibendi ist jedoch nicht bezeugt.54 Levy ging davon aus, dass Gaius dieses Verbotsrecht in einem fehlenden Fragment angesprochen haben könnte.55

Das altrömische Konsortium der Hauserben mag, wie schon erwähnt wurde, letztlich im zumindest unterstellten Vertrauensverhältnis der sui untereinander eine Grundlage gefunden haben und kann man damit, wie etwa Kaser, wohl auch den Umstand des alleinigen Verfügungsrechts des einzelnen Mitglieds über die gesamte gemeinschaftliche Sache erklären.56

Genauso mag man hier aber versucht sein, an die alte und oft strapazierte Weisheit „wo viel zu erben ist, wird auch viel gestritten“ zu denken und die Annahme, dass das altrömische Konsortium aufgrund des anzunehmenden Vertrauens zwischen den Familienmitgliedern die Verfügung des Einzelnen über das gesamte gemeinsame Eigentum ohne gröbere Konflikte erlaubte, in Zweifel zu ziehen.

50 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 100. 51 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 281. 52 Vgl. Liebs, Römisches Recht 153. 53 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 281. 54 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 141. 55 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 281. 56 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 100. 36

Dem ist aber entgegenzuhalten, dass es, wie oben erwähnt, in der alten Hauserbengemeinschaft ja im Grunde noch gar nicht um die Erbschaft und die Aufteilung des Erbes ging. Die Hauserben setzten im consortium ercto non cito die bisherige Hausgemeinschaft in einer zweifellos vom Vertrauen untereinander getragenen Weise fort und konnten über das ihnen gemeinsam zugefallene Gut gemeinsam und selbständig verfügen.

In dem von Kaser angesprochenen Vertrauensverhältnis der Hauserben zeigte sich mE letztlich wiederum die wohl ursprünglichste Funktion des Konsortiums. Die Hauserben traten an die Stelle des verstorbenen Familienoberhauptes und bewahrten so den Familienverband als Kultverband für die Hausgötter und als Betriebseinheit auf dem gemeinsamen Hof. Solange sie das wollten, blieben sie dabei im Konsortium genossenschaftlich verbunden.57

Das Konsortium diente so der Existenzsicherung seiner Mitglieder. Die Zuordnung einzelner Vermögenswerte zu bestimmten Personen, wie dies für das moderne Eigentumsverständnis wesentlich ist, stand dabei wohl noch weitgehend im Hintergrund. Wollte vor diesem Hintergrund einer der Gemeinschafter den anderen Schaden zufügen und die gemeinsame Sache veräußern, so konnte er dies vermutlich relativ leicht und in einem noch nicht monokratisch organisierten Verband wohl ohne große Gegenwehr der anderen tun. Aber man durfte wohl darauf vertrauen, dass der Einzelne nicht gegen die Interessen „seiner“ Gemeinschaft (und vielleicht in weiterer Folge so auch gegen die eigenen Interessen) handeln würde.

Welche Möglichkeiten aber hatte das Mitglied einer altrömischen Hauserbengemeinschaft, wenn es mit der Verfügung über die ganze gemeinsame Sache durch einen anderen Gemeinschafter nicht einverstanden war?

Zwar bestand, wie schon erwähnt, bereits zur Zeit der Zwölf Tafeln Mitte des fünften vorchristlichen Jahrhunderts die Möglichkeit, durch die actio familiae erciscundae die Aufhebung der Gemeinschaft und die Zuweisung des Erbteiles ins Alleineigentum durch richterliche Verfügung (adiudicatio) zu verlangen.58

57 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 387. 58 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 285f. 37

Doch war damit die Gemeinschaft aufgehoben, was wohl nicht immer von vornherein im Sinne des unzufriedenen Gemeinschafters war. Die Frage, die sich stellt, ist, ob es für diesen eine Möglichkeit in Form eines Vetos gab, die unerwünschte Verfügung des anderen Gemeinschafters zu verhindern und die Gemeinschaft trotzdem aufrechtzuerhalten, ob es mit anderen Worten ein ius prohibendi gab und unter welchen Umständen dieses auszuüben war.

Vorauszuschicken ist dabei, dass die Sache, die ohne Mitwirkung der anderen Gemeinschafter manzipiert wurde, wirksam nach außen hin an einen Dritten übertragen werden konnte.

Zwar floss der Erlös daraus als Surrogat in das Vermögen des Konsortiums und nicht in jenes des Gemeinschafters, der die Manzipation vorgenommen hatte.59

Das änderte aber freilich nichts am Umstand, dass die gemeinsame Sache nicht mehr im Eigentum und zur Verfügung der Hauserben stand.

Wie bereits oben kurz erwähnt wurde, äußerte Levy die Ansicht, dass es als „Kehrseite“ des alleinigen Verfügungsrechts eines Einzelnen auch ein Verbotsrecht eines anderen, der sich gegen die unerwünschte Verfügung zur Wehr setzen wollte, gegeben haben muss. Sobald das ius agendi des einen auf das ius prohibendi traf, musste das letztere Recht dem ersteren vorgehen, wenn man nicht in einem „Krieg aller gegen alle“ im Konsortium enden wollte.60

Zur genauen Vorgehensweise zur Ausübung des Verbotsrechts fehlen nach wie vor entsprechend genaue Hinweise. Levy skizzierte jedoch einige Grundsätze, die bei der Ausübung dieses Rechts zu berücksichtigen gewesen sein werden.

Seine Ausübung musste nach Ansicht Levys vermutlich eine gewisse Publizität in Form einer legis actio aufweisen, „kraftlose Passivität“ oder „versteckter Widerstand“ vermochten die unerwünschte Verfügung seiner Ansicht nach hingegen nicht zu verhindern. Zudem musste das ius prohibendi rechtzeitig, also vor Beendigung des zivilen Formalaktes, etwa der Manzipation, ausgeübt werden, ansonsten hatte man sich Levy zufolge verschwiegen.61

59 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 284. 60 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 281. 61 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 282f. 38

So blieb eine von Seiten der anderen Konsorten unerwünschte Verfügung eines einzelnen Mitglieds über die gemeinsame Sache - jedenfalls bei nicht erkennbar oder zu spät zum Ausdruck gebrachter Ablehnung - wirksam. Die bisher gemeinsame Sache war den Gemeinschaftern somit entzogen. Dem Konsortium blieb dann nur der Erlös aus der Sache und den Mitgliedern wohl nur dessen Berücksichtigung und Aufteilung bei einer möglicherweise anschließenden Aufhebung der Gemeinschaft. Eben diese Möglichkeit, die Aufhebung des Konsortiums jederzeit zu verlangen, scheint im Vergleich zum ius prohibendi besser erforscht zu sein. Die Erhebung der entsprechenden Klage wird Gegenstand des Kapitels 2.4. sein.

Zuvor wird im nachstehenden Abschnitt jedoch noch das durch formellen Akt nachgeformte Konsortium beleuchtet werden.

2.3. Das der Hauserbengemeinschaft nachgeformte Konsortium

2.3.1. Grundlagen des nachgeformten Konsortiums

In der bereits zitierten Stelle 3, 154b der Institutionen erwähnte Gaius die Möglichkeit, ein consortium – Gaius sprach hier von einer „societas“ – nach dem Vorbild der Hauserbengemeinschaft künstlich durch einen Formalakt beim Prätor zu erschaffen.

Gaius Inst. 3, 154b: „Alii quoque, qui volebant eandem habere societatem, poterant id consequi apud praetorem certa legis actione“.

Andere Personen, die also die „dieselbe Gesellschaft“ (wie die Hauserben) haben wollten, konnten Gaius zufolge dies durch eine bestimmte legis actio beim Prätor erreichen.

Er erwähnte das so nachgeformte Konsortium im schon dargelegten Zusammenhang mit der Verfügungsberechtigung des einzelnen Gemeinschafters über die gesamte gemeinsame Sache in Inst. 3, 154b (Unterstreichung hinzugefügt):

„In hac autem societatum fratrum ceterorumve, qui ad exemplum fratrum suorum societatem coierint, illud proprium erat, quod vel unus ex sociis communem servum manumittendo liberum faciebat et omnibus libertum adquirebat; item unus rem communem mancipando eius faciebat, qui mancipio accipiebat.“ 39

Gaius erwähnte hier also ausdrücklich die Gemeinschaft der Brüder (vgl. Gen. Pl. „fratrum“) als Vorbild für die „Gesellschaft“, die nach ebendiesem Vorbild von „anderen“ (vgl. Gen. Pl. „ceterorum“) eingegangen werden konnte. Hinsichtlich der Verfügungsberechtigung galten also die gleichen Regeln wie bei der Gemeinschaft der Hauserben. Jedes Mitglied im nachgeformten Konsortium konnte also ebenfalls über das gemeinsame Eigentum selbständig verfügen.

Das durch legis actio nachgeformte Konsortium wies dieselben vermögensrechtlichen Wirkungen auf wie die oben erläuterte Hauserbengemeinschaft.62

Der wesentliche Unterschied zur „natürlichen“ Gemeinschaft der Hauserben lag jedoch darin, dass es für die Nachformung des Konsortiums unter „anderen“ (als Hauserben) eben eines Formalaktes zwischen den künftigen Konsorten vor dem Prätor bedurfte.

2.3.2. Der Akt zur Nachformung vor dem Prätor

Im Unterschied zur Gemeinschaft von Hauserben benötigte die Nachformung eines Konsortiums also einen formellen Akt vor dem Prätor; Gaius sprach dabei von einer „certa legis actio apud praetorem“, also einer festgelegten Spruchformel, die die zukünftigen Mitglieder des Konsortiums zu sprechen hatten, wenn sie ihre Gemeinschaft wirksam begründen wollten. Neben das „geborene“ Konsortium der Hauserben trat, vermutlich schon in der älteren Republik, also die „gekorene societas ercto non cito“.63

Noch heute liegen die Details dieses rechtlichen Vorgangs vor dem Prätor im Dunkeln. Dennoch sind insbesondere aus den Überlegungen Kasers, Wieackers und Levys einige „Eckdaten“ für die Erläuterung der Frage, wie die von Gaius erwähnte legis actio zur Schaffung eines Konsortiums beschaffen gewesen sein könnte, ableitbar:

a) Es handelte sich, wie schon die Erläuterungen des Gaius erkennen lassen, zweifellos um einen Rechtsakt, der (feierlich und freiwillig) vor dem Prätor vorgenommen wurde (vgl. Gaius Inst. 3, 154b).

62 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 290. 63 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 289. 40

b) Das gesamte Vermögen der Genossen wurde zum gemeinsamen Gut, ohne dass man separate Übertragungsgeschäfte für die einzelnen Vermögenswerte benötigte. Es handelte sich also um einen „Gesamtakt“.64

c) Im Ergebnis wurde mit der legis actio eine Gemeinschaft geschaffen, die jener der Hauserben glich; eine in iure cessio mit vindicatio pro parte etwa schied nach Ansicht Wieackers als legis actio aus, da diese nur Miteigentum nach Quoten erzeugt hätte; das ins Konsortium eingebrachte Vermögen wurde aber gemeinsames Vermögen, den Konsorten stand daran eine Gesamtberechtigung, nicht Miteigentum nach Bruchteilen zu.65

d) Den durch die legis actio in der nachgeformten Gemeinschaft verbrüderten Konsorten wurde dieselbe Rechtsposition zuteil, wie sie auch jene innehatten, die als sui heredes demselben Familienoberhaupt nachfolgten.66 Neben der Gesamtberechtigung am Vermögen wurde also eine paritätische Bruderschaft (ohne Unterwerfung) geschaffen; jeder Gemeinschafter behielt die Verfügungsgewalt; so schied nach Ansicht Wieackers etwa auch die adoptio als die gesuchte Form der legis actio aus.67

Levy zog den Schluss, dass man wohl „schwerlich fehlgehen“ könne, wenn man in dem von Gaius angedeuteten Rechtsakt doch „eine Spielart der in iure cessio“ erblickte. Dabei unterstrich er aber zugleich die wesentlichen Unterschiede dieser Spielart von der normalen in iure cessio und von der legis actio sacramento in rem. Erstere enthielt eine einmalige vindicatio, in letzterer waren eine vindicatio und eine contravindicatio enthalten. Die von Levy nahegelegte Form der in iure cessio dagegen habe ein „eigentümliches Nacheinander von parallelen Vindikationen“ enthalten, denen dann ein allseitiges Schweigen und schließlich die addictio des Prätors nachfolgten.68

Wenn Levy in der Folge auch zum Schluss kam, dass die Rekonstruktion der wahren legis actio nicht möglich und „nicht einmal hypothetisch zu wagen“ sei, so wagte er doch den Versuch, eine hypothetische Formel, die die zukünftigen Konsorten nacheinander vielleicht sprechen

64 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 101. 65 Vgl. Wieacker, Societas 130. 66 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 101. 67 Vgl. Wieacker, Societas 170. 68 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 290. 41 mussten, zu entwerfen: „Hanc […] familiam pecuniamque ex iure Quiritium ad exemplum fratrum mihi tecum communem esse aio“. Trotz der nacheinander von den einzelnen Konsorten gesprochenen Worte handelte es sich nicht um eine Häufung mehrerer Legisaktionen, sondern nur um eine einzige legis actio. Die Formel wurde nach Ansicht Levys zudem nur für den Fall des nachgeformten Konsortiums herangezogen und wurden diese certa verba sonst nicht benutzt.69

Auch Wieacker zeigte die Schwierigkeiten bei der Einordnung der konkreten legis actio zur Gründung eines nachgeformten Konsortiums auf und kam schließlich zu dem Ergebnis, dass es sich dabei um einen bisher nicht bekannten Typ von Legisaktion oder um eine in iure cessio mit unbekanntem personenrechtlichen Inhalt gehandelt haben wird.70

Seiner Ansicht nach war die „legis actio apud praetorem“ vor allem ein zivilrechtlicher Statusakt, der die personenrechtliche totale Hausgemeinschaft mit gesamthänderischer Struktur nachbilden sollte. Nur durch die Nachformung der sozialrechtlichen Einheit des Hausverbandes insgesamt konnte gesamthänderisches Eigentum unter nicht verwandten Personen geschaffen werden. Die in iure cessio mit vindicatio pro parte schied er, wie bereits weiter oben erwähnt wurde, deshalb als Gründungsinstrument aus, da sie nur Miteigentum nach Quoten erzeugen konnte.71

Eine Adoption als Gründungsakt verneinte er, da sie nicht ohne Unterwerfung unter eine imaginäre Hausgewalt zu vollziehen gewesen wäre. Sie könne die notwendige paritätische Brüderschaft nicht herbeiführen. Eine koordinierende Adoption unter den Konsorten aber hielt er für dem Römischen Privatrecht fremd. Und eine Arrogation fand nicht vor dem Prätor, sondern vor dem Kuriarkomitium statt.72

Gerade in der geforderten Koordination zwischen den Mitgliedern des nachgeformten Konsortiums (anstelle der Subordination in der Hausgemeinschaft) erkannte Wieacker die „eigentliche Schwierigkeit“ bei der Erforschung der legis actio. Dies schließe letztlich auch die in iure cessio ein, die wiederum auch nur die Zession von sachenrechtlichen oder

69 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 290. 70 Vgl. Wieacker, Societas 133. 71 Vgl. Wieacker, Societas 132. 72 Vgl. Wieacker, Societas 170. 42 personenrechtlichen Herrschaftsverhältnissen, nicht jene von Gleichordnungsverhältnissen zum Inhalt habe.73

Was nach den obigen Ausführungen bleibt, ist wohl nur die Erkenntnis, dass es über den Inhalt und die mögliche Zuordnung der von Gaius angesprochenen „apud praetorem certa legis actio“ zu einem damals bereits bekannten Typ von Rechtshandlung keine genaue Information gibt.

Vermutlich bestand der Gründungakt eben in einer legis actio eigenen Typs oder tatsächlich konkreter in einer in iure cessio, die laut Gaius Inst. 2, 24 ja auch als legis actio bezeichnet wurde; jedenfalls schien das nachgeformte Konsortium schon so weit gängige Praxis zu sein, dass daraus eine eigenständige Institution wurde.74

2.3.3. Die möglichen Ziele eines nachgeformten Konsortiums

Ungeachtet der Frage nach der Natur des Gründungaktes stellt sich die Frage, welchen Zweck die künstliche Nachbildung des Konsortiums nach dem Vorbild der Gemeinschaft der Hauserben überhaupt verfolgt haben mag.

Vorweg ist - aus heutiger Sicht - festzuhalten, dass der Weg, ein Konsortium künstlich erschaffen zu können, auch Personen, die nicht miteinander in verwandtschaftlicher Beziehung standen, die Möglichkeit eröffnete, eine Gemeinschaft nach dem Vorbild der Erbengemeinschaft unter den sui heredes vor dem Prätor zu gründen und so ihr Vermögen zusammenzutragen.75

Neben die „geborene“ societas ercto non cito trat so die „gekorene“, dies nach Ansicht Levys vermutlich schon in der älteren Republik. Einige Gründe wiesen „einheitlich“ auf diese Zeit hin, so insbesondere das von Gaius verwendete Imperfekt („olim enim […] appellabatur“) und der Hinweis auf eine legis actio zur Gründung sowie die vorausgesetzte Blüte der echten Hausgemeinschaft und das Fehlen von Bruchteilseigentum.76

73 Vgl. Wieacker, Societas 133. 74 Vgl. De Zulueta, The Institutes of Gaius II 177. 75 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 34. 76 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 289. 43

Größere Zweifel bestehen jedoch daran, dass das nachgeformte Konsortium in erster Linie Fremden zum Zusammenschluss gedient hätte.77

Als „so gut wie sicherer Urfall“ angenommen wurde von Levy, dass das nachgeformte Konsortium zunächst als freiwillige Vereinigung der Agnaten und Gentilen diente, die - von den Zwölf Tafeln (5, 4, 5) dazu berufen - den Nachlass in Besitz nahmen.78

Die nächsten Agnaten und Gentilen waren aufgrund der Zwölf Tafeln zur Übernahme der Erbschaft berechtigt, wenn der ohne Testament verstorbene Erblasser keine erbberechtigten sui hatte: „si intestato moritur, cui suus heres nec escit, adgnatus proximus familiam habeto. Si adgnatus nec escit, gentiles familiam habento“ (XII Tafeln, 5, 4, 5). Mehrere (gleich nahe) Agnaten bildeten jedoch - im Gegensatz zu den sui heredes - kein (natürliches) Konsortium und teilten sie die Erbschaft nicht nach Stämmen, sondern nach Köpfen. Erwarb keiner der nächsten Agnaten die Erbschaft, waren schließlich nicht die nächstferneren Verwandten des Erblassers zur Erbschaft berufen, sondern fiel in diesem Fall der Nachlass - bis in die späte Republik - den Gentilen zu.79

Arangio-Ruiz schien hier insofern noch einen Schritt weiter zu gehen, als er das nachgeformte Konsortium für die extranei eines ohne sui verstorbenen Konsorten öffnete. Möglicherweise sei also das nachgeformte Konsortium dazu herangezogen worden, um anstelle des ohne sui verstorbenen Miterben dessen Außenerben in die Gemeinschaft aufzunehmen.80

Der Annahme Levys, dass der „Urfall“ des nachgeformten Konsortiums „so gut wie sicher“ die Vereinigung von Agnaten und Gentilen gewesen sei, trat insbesondere Wieacker entschieden entgegen. Das ganze System des natürlichen und des nachgeformten Konsortiums basierten auf der Struktur der Kleinfamilie. Die Annahme der Erbschaft durch die Agnaten und Gentilen habe eben nicht die Fortsetzung des Hausverbandes bedeutet. Denn der proximus agnatus übernehme die Erbschaft ja genau für den Fall, dass der ursprüngliche Hausverband (in Ermangelung von sui) erloschen war. Der für das Konsortium grundlegende soziale Verband sei die „Bluts-, Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft des Hauses“ gewesen und nicht der reine Blutsverband

77 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 101. 78 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 289. 79 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 392f. 80 Vgl. Arangio-Ruiz, La Società in diritto Romano (1950) 9; aM Kaser, Das Römische Privatrecht I2 101: Kaser hielt die oben erwähnte Annahme Arangio-Ruiz´ für „wenig wahrscheinlich“. 44 der Agnaten. Es sei nach Ansicht Wieackers daher „nicht einzusehen“, dass die Gentilen und Agnaten, die darüber hinaus auch selbst Träger eines eigenen Hausverbandes waren und nur durch Zufall zum gleichen Erbe berufen wurden, sich auch zu einem gemeinsamen Leben im Verband hätten entschließen sollen.81

Denkbar wäre jedoch auch, dass das nachgeformte Konsortium und die Verbrüderung ursprünglich dazu dienten, ein Konsortium, das aufgrund des Eintritts eines Endigungsgrundes in der Person eines Konsorten beendet worden war, unter den übrigen Mitgliedern fortzusetzen.82

Aufgelöst wurde das Konsortium durch den Tod eines Mitglieds83, ebenso durch die Personalvollstreckung gegen einen Konsorten, durch Erhebung der actio familiae erciscundae sowie durch die Statusänderung (capitis deminutio) eines Mitglieds.84

So wäre es also auch möglich, dass auf diesem Weg ein - etwa nach einer von einem sui mit Klage angestrengten Auflösung des Konsortiums - die übrigen Mitglieder beschlossen, ihre Gemeinschaft wiederherzustellen, wobei sie dann wohl auch neue Mitglieder aufnehmen konnten.85

Unabhängig davon, welcher dieser Erklärungen zur ursprünglichen Funktion des nachgeformten Konsortiums man den Vorzug geben möchte, ist festzuhalten, dass dieses für Ausformung und die weitere Entwicklung des römischen Gesellschaftsrechts der Ausgangspunkt war. Das nachgeformte Konsortium war die Zwischenstufe zwischen dem natürlichen Konsortium der Hauserben und der späteren societas omnium bonorum.86

Schon die allgemein gehaltene Ausdrucksweise in Gaius Inst. 3, 154b (vgl. insb. „alii“…“ceterorumve“) lässt vermuten, dass sich die Möglichkeit, ein Konsortium nachzubilden, bald nicht mehr nur auf Nachlassfälle von nahen oder entfernten Verwandten beschränken musste, sondern daraus eine durchaus gängige Praxis wurde.87

81 Vgl. Wieacker, Societas 161. 82 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 279. 83 aM Pernice, Parerga, SZ 3, 69: Pernice nahm hier den Eintritt des Erben (sui) des verstorbenen Mitglieds an. 84 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 279. 85 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 101. 86 Vgl. Wieacker, Societas 128. 87 Vgl. De Zulueta, The Institutes of Gaius II 177. 45

Denn Beschränkungen dieser Art sind nirgends angedeutet. Anzunehmen ist, dass sich mit dem nachgeformten Konsortium (als Bindeglied zur societas omnium bonorum) insbesondere auch für nicht miteinander verwandte Personen die Möglichkeit eröffnete, selbst nicht mehr nur aus einem Nachlass stammendes, sondern auch anderweitig erworbenes Vermögen zusammen zu legen.88

Für die „verbrüderten“ Personen hatte das nachgeformte Konsortium die gleichen (insb vermögensrechtlichen) Wirkungen wie die natürliche Erbengemeinschaft für die dort vereinten sui heredes.89

Durch den das Konsortium begründenden Gesamtakt wurde das gesamte bereits vorhandene Vermögen wie auch künftiger Erwerb der Konsorten grundsätzlich zu gemeinsamem Gut, ohne dass es einer gesonderten Einbringung einzelner Vermögenswerte bedurfte.90

Für jemanden, der eine bloß kurzzeitige geschäftliche Partnerschaft anstrebte, musste diese weitreichende Vermögensgemeinschaft im nachgebildeten Konsortium freilich als extremer Schritt erscheinen. Zum einen aber gab es zunächst wohl noch keine andere Form der Vergemeinschaftung. Zum anderen hielt sich diese umfassende Vermögensgemeinschaft auch noch in der späteren societas omnium bonorum, als es bereits die Konsensgesellschaft (mit Miteigentum nach Bruchteilen) gab. Es musste also als positiver Anreiz gesehen werden, sein Vermögen im Konsortium auf diese Weise zu vergemeinschaften; das Motiv der gegenseitigen Nachfolge unter den Konsorten war jedoch nicht das ausschlaggebende, da das nachgeformte Konsortium, wie schon oben erwähnt wurde, eben keine adoptio in fratrem darstellte.91

In einer erweiterten Möglichkeit, im nachgeformten Konsortium Vermögen - auch unabhängig von verwandtschaftlicher Beziehung der Konsorten untereinander - zu vergemeinschaften, war bereits die „Urform“ der späteren societas omnium bonorum zu erkennen.92

In dieser durch freien Konsens der Gesellschafter gegründeten Gesamtvermögensgesellschaft lebten in klassischer Zeit einige Merkmale des nachgeformten Konsortiums in gleicher oder

88 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 289. 89 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 290. 90 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 101. 91 Vgl. De Zulueta, The Institutes of Gaius II 178. 92 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 34. 46 abgewandelter Form weiter; insbesondere wurde die societas omnium bonorum aus denselben Gründen aufgelöst wie das altrömische Konsortium.93

2.4. Die Auflösung eines altrömischen Konsortiums

2.4.1. Das consortium ercto non cito als „societas inseparabilis“?

Schon für die frühe Zeit des Konsortiums vor den Zwölf-Tafel-Gesetzen werden die gänzliche Unteilbarkeit und die Unauflösbarkeit verneint.

Zwar mag in vielen Fällen gerade unter Geschwistern die Teilung unterblieben sein, wenn es keine gravierenden Gründe von Uneinigkeit gab oder das Bedürfnis, das Gut zu veräußern, in den Vordergrund trat. Dennoch werden die Auflösung der Gemeinschaft und die Aufteilung der Erbschaft juristisch wohl immer zulässig gewesen sein.94

Derjenige, der aus der Gemeinschaft austreten wollte, musste sich aber mit den anderen einigen; eine einvernehmliche Auflösung und die Aufteilung des Nachlasses waren wohl stets möglich.95

Levy verwies dabei darauf, dass sich eine Teilungsmöglichkeit bereits aus dem Ausdruck „ercto non cito“ ableiten lasse; er räumte dabei aber ein, dass für die Auflösung des Konsortiums und für die anschließende Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens - das „ertum ciere“ - zunächst eine Übereinkunft aller Konsorten benötigt wurde - ganz im Sinne der von Gellius in den Noctes Atticae (I, 9, 12) erwähnten „societas inseparabilis“. Levy sprach für diese frühe Zeit von einer „Zwangsgenossenschaft“, die erst mit den Zwölf-Tafel-Gesetzen und der durch sie geschaffenen actio familiae erciscundae überwunden worden sei.96

Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte auch Pernice, der anhand der schon oben erläuterten, aber von ihm als „schlechthin unmöglich“ abgelehnten Deutung des Ausdrucks „ercto non cito“ als Imperativ damit auch die völlige Unauflösbarkeit des Konsortiums verneinte.97

93 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 280. 94 Vgl. Leist, Zur Geschichte der römischen Societas 22. 95 Vgl. Manthe, Geschichte des Römischen Rechts5 (2016) 33, 48. 96 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 285. 97 Vgl. Pernice, Parerga, SZ 3, 71f. 47

Die Zwölf Tafeln räumten dem einzelnen Konsorten also die Möglichkeit ein, jederzeit die Auflösung des Konsortiums - auch einseitig gegen den Willen der anderen - zu begehren (Gaius D. 10, 2, 1 und Gaius Inst. 4, 17a).

Einerseits bekam der einzelne Gemeinschafter damit ein starkes rechtliches Druckmittel gegen unerwünschte Verfügungen des anderen über das gemeinschaftliche Eigentum in die Hand.

Andererseits bedeutete die Schaffung einer Klagsmöglichkeit auch, dass der Fortbestand eines Konsortiums nunmehr in wesentlich höherem Ausmaß dem guten Willen aller daran Beteiligten ausgesetzt war.98

Zwar trug zum einen auch die fortgesetzte Hauserbengemeinschaft mit steigender Zahl der Familienmitglieder die Gefahr in sich, dass das ererbte Gut nicht mehr für die Ernährung aller ausreichte. Mit der Zunahme an gleichberechtigten Konsorten wurde es auch zusehends schwerer, das Einvernehmen unter ihnen aufrechtzuerhalten. Zum anderen erhöhte aber die mit den Zwölf-Tafel-Gesetzen eingeführte actio familiae erciscundae und die mit ihr verbundene jederzeitige Aufhebbarkeit des Konsortiums die Gefahr, dass bisher gemeinsam rentabel geführter bäuerlicher Besitz von Generation zu Generation in kleinere, unrentable Splittergrößen zerfiel. Ähnlich dem späteren mittelalterlichen Anerbenrecht hatte aber der Erblasser vermutlich schon ab dem vierten vorchristlichen Jahrhundert hier die Möglichkeit eines Erbeinsetzungstestaments, um mit dessen Hilfe einen Alleinerben zu bestimmen und diesem (bei gleichzeitiger exheredatio der anderen Erben) das Gut ungeteilt zu vererben.99

Nicht vollständig geklärt erscheint dabei die Frage, ob ein - wohl erst später zulässiger100 - entsprechender pactum der Konsorten, die Gemeinschaft nicht trennen zu wollen, bzw. das Verbot des Erblassers, die Gemeinschaft aufzuheben, die Möglichkeit, die actio familiae erciscundae zu erheben, tatsächlich auszuschließen vermochte (vgl. Ulpian D.17, 2, 14 bzw. D. 17, 2, 16, 1).

98 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 34; Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 286; Pernice, Parerga, SZ 3, 71. 99 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 387. 100 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 100 FN 41. 48

Dies führte zwar zur einer „faktisch“ unteilbaren Gemeinschaft, rechtlich änderte eine derartige Abrede aber wohl nichts an der Möglichkeit, die actio familiae erciscundae zu erheben. Anhaltspunkte für eine dauernde Bindung der Erben aneinander sind im Römischen Recht nicht zu finden.101

2.4.2. Die Wirkung der actio familiae erciscundae

Festzuhalten ist zunächst, dass es für die Auflösung des Konsortiums nicht zwangsläufig der Erhebung einer Klage bedurfte, sofern sich die Erben über die Beendigung ihrer Gemeinschaft und die Aufteilung des Gesamtgutes schon zuvor einigen konnten. Diesfalls genügte wohl die Vornahme eines formgebundenen (streitlosen) Gesamtaktes, vermutlich in Form einer in iure cessio, um das Konsortium einvernehmlich zu beenden.102

Wurde hingegen unter den Konsorten keine Einigung erreicht, blieb seit der Zeit der Zwölf Tafeln nur der Weg über die actio familiae erciscundae.

Diese war laut Gaius Inst. 4, 17a - wie auch die spätere actio communi dividundo nach der Lex Licinnia - als Anwendungsfall der legis actio per iudicis postulationem ausgestaltet.103

Diese neue Verfahrensart löste das Sakramentsverfahren jedoch nicht generell ab, sondern blieb dieses für die meisten Verfahrensarten nach wie vor die „legis actio generalis“. Der actio per iudicis postulationem wurden den Ausführungen des Gaius zufolge nur die actio certae pecuniae, die Erbteilung und die actio communi dividundo zugewiesen.104

Als Grund dafür, dass das Teilungsverfahren nicht mehr dem alten Sakramentsverfahren, sondern der neuen legis actio per iudicis postulationem zugeordnet wurde, nannte Kaser den Umstand, dass dem Teilungsverfahren eine „Kampfstellung“ der Parteien fremd sei. Insbesondere dann, wenn sich die Konsorten über die Anteile einig seien, gäbe es überhaupt keine widersprechenden Parteienbehauptungen, dann verlangten die Parteien vom arbiter nur, dass er das Gut aufteile. Dieses Verfahren habe eben nur „beschränkt streitigen Charakter“.105

101 Vgl. Leist, Zur Geschichte der Römischen Societas 25f; Pernice, Parerga, SZ 3, 72f. 102 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 286. 103 Vgl. Leist, Zur Geschichte der römischen Societas 22. 104 Vgl. Kaser, Das altrömische Ius (1949) 251. 105 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 100. 49

Auch Levy hatte schon zuvor auf den „halbstreitigen Charakter“ des Erbteilungsverfahrens hingewiesen.106

Vor der Einführung der neuen actio per iudicis postulationem habe man nach Ansicht Kasers die Erbteilung vielleicht der Einigung der Erben oder allenfalls einem Schiedsverfahren überlassen.107

Hinsichtlich der von Kaser als Erklärung ausgewählten Fallkonstellation stellt sich jedoch mE die Frage, ob man für diese Erklärung gerade jenen Fall heranziehen sollte, der in einem solchen Verfahren wenig wahrscheinlich erscheint, nämlich jenen, dass sich die Erben sowohl über den Umstand der Auflösung der Gemeinschaft als auch über die Anteile des Einzelnen einig sind. Insbesondere vor dem Hintergrund der vorherigen Ausführungen zum Gesamtakt in Form einer in iure cessio (als Grundlage für die Aufteilung des bisher gemeinsamen Gutes) in einem solchen Fall erscheint es mE unwahrscheinlich, dass die an sich ja ohnehin einigen Konsorten überhaupt den Weg der (halb-)streitigen actio familiae erciscundae beschritten. In einem solchen (Ideal-)Fall wird wohl meistens auch für die Aufteilung des Gutes kein arbiter benötigt worden sein.

Die Klage war darauf ausgerichtet, das bisher im gemeinsamen Eigentum befindliche Vermögen nach erbrechtlichen Grundsätzen für den einzelnen Erben zu errechnen und die so ermittelten Anteile dem alleinigen Eigentum des jeweiligen Erben zuzuweisen. Der eingesetzte Richter hatte also nach seinem arbitrium aus der Gesamtmasse das „Erbgut des einzelnen erbteilsmäßig zu formen“ und durch seine adiudicatio schließlich die reale Auseinandersetzung herbeizuführen.108

Zuvor während der aufrechten Erbengemeinschaft waren die Erbteile ohne Bedeutung gewesen, im Zuge der Aufteilung entfalteten sie nun jedoch ihre Wirkung. Sie bildeten den entscheidenden Maßstab für die nun vorzunehmende Aufteilung des bisher gemeinsamen Gutes.109

106 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 302. 107 Vgl. Kaser, Das altrömische Ius 252. 108 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 286. 109 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 285. 50

Die Aufteilung selbst war eine echte Realteilung, für die Annahme von ideellen Quoten ließ das von Gaius beschriebene altrömische Konsortium hingegen wohl keinen Raum.110

Wurde eine unteilbare Sache ins Alleineigentum eines Erben zugewiesen, konnte der Richter die Wertunterschiede durch Anordnung von entsprechenden Ausgleichszahlungen an die übrigen Konsorten ausgleichen.111

Die actio familiae erciscundae verfolgte - wie auch die actio communi dividundo - ein doppeltes Klagsziel: sachenrechtlich wurde durch ihre konstitutive adiudicatio die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft bewirkt, schuldrechtlich wurde mit ihr zudem die Abrechnung offener Verbindlichkeiten zwischen den ehemaligen Gemeinschaftern bewirkt.112

Die adiudicatio bildete den wesentlichen Bestandteil der actio familiae erciscundae und der actio communi dividundo. Mit ihr wurde von Seiten des Richters das Eigentum der bisherigen Konsorten rechtsgestaltend festgelegt. Die beiden genannten Klagen mit ihrer adiudicatio waren somit der „Prototyp“ der Rechtsgestaltungsklagen.113

Die adiudicatio bildete so einen selbständigen Tatbestand des Eigentumserwerbs für die Sachen, die dem einzelnen Gemeinschafter zugewiesen wurden.114

Schon seit den Zwölf Tafeln fielen Forderungen und Schulden des Erblassers nicht in die Erbteilungsklage, für sie galt der Grundsatz: Nomina ipso iure divisa (XII Tafeln, 5,9).115

Die Forderungen und Schulden des Erblassers waren vom consortium also nicht ausgeschlossen; nur wenn es zur Teilung kam, vollzog sich die Aufteilung der Schulden und Forderungen unmittelbar kraft Gesetzes und nach Maßgabe der Erbteile im Zeitpunkt der Vollendung der jeweiligen legis actio (Gesamtakt oder Teilungsklage).116

110 Vgl. Wieacker, Societas 168; Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 288. 111 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 100. 112 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 591. 113 Vgl. Mayer-Maly, Römisches Recht2 66. 114 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 100. 115 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 421, 423. 116 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 286. 51

Die Nomina wurden also nicht in die Adjudikationsgewalt des Richters einbezogen, ihre Aufteilung erfolgte eben schon kraft Gesetzes. Als Grund dafür, dass die Aufteilung von Forderungen und Schulden schon in den Zwölf Tafeln geregelt und nicht der Adjudikation im Einzelfall überlassen wurde, nannte Levy den Umstand, dass mit einer in iure cessio Schulden und Forderungen nicht übertragen werden konnten. So hätte die Gefahr bestanden, dass die Forderungen des Erblassers in Fällen mit mehreren Erben schlichtweg untergegangen wären und die Schuldner daraus noch Gewinn gezogen hätten. Diese „geradezu unleidliche Gefahr“ hätte die gesetzliche Anordnung zur „automatischen“ Aufteilung der (teilbaren) Forderungen gebannt. Die Aufteilung der Nachlassverbindlichkeiten sei wohl aus Gründen der Symmetrie dann gleich geregelt worden.117

Auch das nachgeformte Konsortium konnte durch die actio familiae erciscundae aufgelöst und die Aufteilung des Vermögens durch den einzelnen Konsorten veranlasst werden. Hinsichtlich dieser Möglichkeit galten beim nachgeformten Konsortium die gleichen Regeln wie für die Auflösung der Hauserbengemeinschaft.118

Zur Möglichkeit, ein Konsortium willentlich durch Gesamtakt oder Erhebung der actio familiae erciscundae aufzuheben, traten, wie bereits erwähnt wurde, weitere Auflösungsgründe in der Person eines einzelnen Konsorten hinzu. Schon das (natürliche wie auch das gekorene) Konsortium wurde - wie auch die spätere societas omnium bonorum - durch den Tod eines Mitglieds119, durch Personalexekution gegen eines der Mitglieder oder durch eine capitis deminutio eines einzelnen Konsorten aufgehoben.120

Die genannten Umstände führten dazu, dass die Bindung an das Konsortium aufgehoben wurde und künftiger Erwerb nicht mehr in das Gesamtgut des Konsortiums floss; dieser stand nun in der Verfügungsgewalt des einzelnen Gemeinschafters. Zur Aufteilung des Gesamtgutes bedurfte es aber jedenfalls noch des Gesamtaktes oder der Erhebung der Teilungsklage.121

117 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 287. 118 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 101; Wieacker, Societas 167. 119 aM Pernice, Parerga, SZ 3, 69: Pernices Ansicht zufolge sei das Konsortium durch den Tod eines Mitglieds nicht ohne weiteres aufgelöst, sondern mit dem Erben des verstorbenen Konsorten fortgesetzt worden; vgl. aber Wieacker, Societas 160 FN 3: für das nachgeformte Konsortium könne dies jedenfalls nicht zutreffen. 120 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 279, 420. 121 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 101. 52

Neben die actio familiae erciscundae trat mit der Lex Licinnia eine weitere Klage, die actio communi dividundo. Diese war ebenso darauf ausgerichtet, jedem bisherigen Miteigentümer durch adiudicatio Alleineigentum an einzelnen Sachen des gemeinsamen Gutes zuzuweisen. Auch hier war das gemeinsame Gut in erster Linie durch Realteilung aufzuteilen. War eine solche nicht möglich, konnte das Gut auch einem der bisherigen Gemeinschafter gegen entsprechende Ausgleichszahlung an die anderen übertragen werden oder konnte die Sache versteigert und der Erlös daraus aufgeteilt werden.122

Die neuere actio communi dividundo trat als allgemeine Teilungsklage neben die actio familiae erciscundae, die nun nur noch für den Fall der Erbteilung weiterbestand.123

Auszugehen ist dabei wohl davon, dass auch die actio communi dividundo noch nicht die klassische Miteigentumsgemeinschaft (Miteigentum nach Quoten) voraussetzt haben wird.124

Die beiden Klagen waren mit ihrer adiudicatio der „Prototyp“ der Rechtsgestaltungsklagen, ebenso wie auch die - schon mit den Zwölf Tafeln eingeführte - actio finium regundorum. Diese Klage hatte jedoch kein gemeinschaftliches Eigentum zur Voraussetzung. Demgegenüber wurde mit dieser Klage die Eruierung bzw. die Neufestsetzung des Grenzverlaufs zwischen Grundstücken begehrt.125

Im Grenzbereinigungsverfahren ging es zunächst um die Feststellung des früheren Grenzverlaufs zwischen den Grundstücken und damit um die Feststellung des fünf Fuß breiten confinium, das den Nachbarn je zur Hälfte gehörte.126

Konnte der Richter dem Auftrag, die alte Grenze zu ermitteln, (auch mit Hilfe der Agrimensoren) nicht nachkommen, so setzte er im Einvernehmen mit den anwesenden Parteien (durch ein Gestaltungsurteil) neue Grenzen fest, die von nun an gültig waren. Strittig ist dabei, ob für eine condemnatio - zugunsten des bei der Neufestlegung der Grenzen Benachteiligten - ein Anwendungsbereich blieb; denn entweder wurde die Grenze gemäß dem ermittelten alten Grenzverlauf festgesetzt oder es wurde, wenn dies nicht möglich war, eben eine neue Grenze

122 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 142. 123 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21, 143, 283. 124 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 142 FN 6. 125 Vgl. Mayer-Maly, Römisches Recht2 66. 126 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 140. 53 festgelegt; in diesem Fall aber war eine alte Grenze als Grundlage für die Beurteilung, ob einer der Nachbarn durch die Neufestlegung benachteiligt wurde, nicht bekannt.127

Die Grenzbereinigungsklage diente somit der Beilegung von Grenzstreitigkeiten, wenn etwa der Grenzverlauf undeutlich geworden war oder nicht richtig vermessen worden war. Streng abzugrenzen von einer solchen „controversia de fine“ waren aber Streitigkeiten hinsichtlich des Eigentums oder des Besitzes (sog. „controversia de loco“). Für die Beilegung der letzteren Art von Auseinandersetzung waren das Besitzinterdikt bzw. die rei vindicatio heranzuziehen.128

2.5. Die Verdrängung des altrömischen Konsortiums

Das altrömische Konsortium hatte, wie schon erwähnt wurde, zweifellos Schwachstellen, die im Lauf der Zeit für den Bestand der Gemeinschaft gefährlich werden konnten.

Bereits dargelegt wurde etwa, dass zum einen durch das stetige Anwachsen der Familie die Versorgung aller Familienmitglieder durch das gemeinschaftliche Gut oft nicht mehr gesichert werden konnte. Zum anderen war das für die Fortführung der Erbengemeinschaft notwendige Einvernehmen durch den Anstieg der Zahl der Mitglieder immer schwieriger aufrecht zu erhalten. Umgekehrt brachte auch die seit Einführung der Zwölf Tafeln für den Einzelnen bestehende Möglichkeit, jederzeit eine Klage zur Auflösung der Gemeinschaft einzubringen, die Gefahr mit sich, dass dadurch noch rentable, gemeinschaftlich bewirtschaftete Höfe von Generation zu Generation in stetig kleiner werdende, unrentable Einheiten zersplittert wurden. Durch Anpassung bzw. Anwendung erb- und familienrechtlicher Institute versuchte man, die genannten Gefahren zu bannen. „Überzählige“ Erben wurden etwa mit der emancipatio und der adoptio aus dem Hausverband ausgegliedert und ihnen so die Anwartschaft auf das Erbe genommen. Mit dem Erbeinsetzungstestament eröffnete man dem Erblasser die Möglichkeit, das Gut einem Hoferben ungeteilt zu übertragen, die übrigen erbberechtigten Hausmitglieder jedoch zu enterben.129

127 Vgl. Hinrichs, Zur Geschichte der Klage finium regundorum, SZ 111 (1994) 242 (252ff). 128 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 410. 129 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Das Römische Privatrecht21 387. 54

Das durch das Erbeinsetzungstestament verfolgte Ziel der Alleinerbfolge drängte das altrömische Konsortium der Hauserben weiter zurück. Wohl spätestens in der frühen Kaiserzeit war es schließlich verschwunden.130

Als nicht gering war im altrömischen Konsortium wohl auch die Gefahr von „Alleingängen“ eines einzelnen Gemeinschafters zu beurteilen. Dieser konnte - auch zum Schaden der Gemeinschaft - nach außen hin wirksam Verfügungen über das gesamte gemeinsame Gut treffen und so der Gemeinschaft die ursprünglich in Gestalt des Erbgutes vorhandene Grundlage nehmen.

Die gesamthandähnliche Struktur des Konsortiums wurde schon in der späten Republik zusehends von der Bruchteilsgemeinschaft verdrängt, die wohl für die Bedürfnisse der neuen Erwerbsgesellschaft, deren Vermögen sich - im Gegensatz zu bäuerlichem Gut - ohne Gefahr teilen ließ, geschaffen wurde. Diese Art des Miteigentums wurde schließlich auf die Erbengemeinschaft übertragen.131

Nun erhielt der einzelne Erbe bereits während bestehender Erbengemeinschaft einen rechnerischen Anteil und somit ein begrenztes Recht an den Erbschaftsgegenständen. Über diesen rechnerischen Anteil konnte er frei und ohne Einvernehmen mit den anderen Erben verfügen und gegebenenfalls weiterhin die actio familiae erciscundae erheben.132

Auch das nachgeformte Konsortium verschwand in frühklassischer Zeit, nachdem es bereits in der jüngeren Republik seine familienrechtliche Funktion abgestreift hatte. Der für das Konsortium noch notwendige formelle Gründungsakt verschwand. Dies ebnete den Weg zur nunmehr formlos zu begründenden societas omnium bonorum, zur Gesamtgesellschaft, in der aber, wie schon erwähnt wurde, noch Elemente des altrömischen Konsortiums, wie etwa dessen Auflösungsgründe und die weitreichende Vermögensvergemeinschaftung, fortlebten. Die Gesamtgesellschaft verschmolz schließlich mit der Erwerbsgesellschaft, die sich als formloser Zusammenschluss von Vermögensträgern für gemeinsame Handelsunternehmungen entwickelte.133

130 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Das Römische Privatrecht21 420. 131 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 410f. 132 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 420. 133 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 573. 55

2.6. Antike Ursprünge eines „geteilten Eigentums“

2.6.1. Zur mittelalterlichen Theorie eines „geteilten Eigentums“

Vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Grundbesitzverhältnisse waren es die Glossatoren und Konsiliatoren, darunter insbesondere der in Kapitel 1 bereits genannte Bartolus de Saxoferratis, die sich der Aufgabe stellten, die oft auf mehrere Personen aufgeteilten Nutzungsrechte an Grund und Boden anhand der Quellen des Römischen Rechts zu erklären.

Dem klassischen Römischen Recht war eine (funktionale) Aufteilung des Eigentumsrechts an einer ganzen Sache auf mehrere gleichberechtigte Personen fremd. Der Grundsatz im klassischen Eigentumsrecht war die „Einmannzuständigkeit“; Eigentum mehrerer gleichberechtigter Personen bestand - als Ausnahme - nur in Form des Miteigentums nach Bruchteilen, bei dem der Einzelne jedoch nur über seinen (rechnerischen) Anteil an der Sache verfügen konnte.134

Dennoch wurde von den Glossatoren neben dem dominium directum des Eigentümers auch ein dominium utile bestimmter Nutzungsberechtigter angenommen. Zum einen wurde - in Anlehnung an die schon im nachklassischen Vulgarrecht nicht mehr streng durchgehaltene Abgrenzung zwischen dem Eigentum und den iura in re aliena - dem Erbpächter ein solches dominium utile zugesprochen. Zum anderen sah man ein solches auch im Falle der praescriptio longi temporis auf der Seite des Ersitzungsbesitzers.135

Herangezogen wurde hier für die Annahme eines dominium utile insbesondere der Umstand, dass etwa dem Erbpächter schon im spätklassischen Recht eine rei vindicatio utilis gewährt worden war. Daraus entwickelte sich nunmehr die Ansicht, es könne neben dem dominium directum des Eigentümers auch ein dominium utile des Nutzungsberechtigten geben.136

Bartolus zog darüber hinaus zur Untermauerung der Unterscheidung des dominium utile vom dominium directum eine Parallele zum Erbrecht; denn die Glosse gestand hier dem Universalfideikommissar ein ius hereditarium utile zu.137

134 Vgl. Liebs, Römisches Recht 153. 135 Vgl. Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, SZ 70, 355ff. 136 Vgl. Mayer-Maly, Römisches Recht2 65. 137 Vgl. Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, SZ 70, 357. 56

Ausgehend von diesen Fällen wurde in der Folge auch dem dominium directum des Lehnsherrn das dominium utile des Lehnsmannes gegenübergestellt und auch dem Erbbauberechtigten ein solches (dem Obereigentum aber untergeordnetes) „Nutzungseigentum“ zugestanden.138

Die Theorie des geteilten Eigentums wurde schon bald von den Humanisten in Frage gestellt, etwa von Hugo Donellus (1527-1591).139

Heute wird die Annahme eines geteilten Eigentums durch die mittelalterlichen Rechtsschulen letztlich als ein „Missverständnis“ gesehen. Nur durch ein solches habe dieses gänzlich „unrömische“ Konstrukt eines geteilten Eigentums in das Römische Recht „hineingetragen“ werden können.140

Die mittelalterlichen Gelehrten stützten sich, wie bereits dargelegt wurde, im Wesentlichen auf die bereits im (spät-)klassischen Römischen Recht näher geregelte Position des Ersitzungsbesitzers und jene des etwa in C. 11, 62, 12 als Eigentümer benannten emphyteuticarius.

Obwohl oder eher gerade deswegen, weil man dieses Konstrukt heute einem Missverständnis oder gar einer „Fehlinterpretation der oberitalienischen Juristen“141 zuschreibt, stellt sich umso stärker die Frage, ob es Ansätze zu einem geteilten Eigentum nicht schon wesentlich früher und lange Zeit vor dem (spät-)klassischen Römischen Recht gab.

Es stellt sich mit anderen Worten also zunächst die - vorhin schon behandelte - Frage, woher die mittelalterliche Auffassung eines „angeblich“ aus den römischen Quellen abgeleiteten „geteilten Rechts“ tatsächlich kommt.142 Darauf aufbauend ist in Erwägung zu ziehen, ob sich diese Auffassung auch auf andere Ursprünge stützen kann, wenn man die von den mittelalterlichen Rechtsgelehrten herangezogenen Wurzeln (u.a. die rei vindicatio utilis) einmal beiseitelässt.

138 Vgl. Hagemann, Eigentum, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), HRG I2 1274. 139 Vgl. Feenstra, Dominium and ius in re aliena, in Birks (Hg.), New Perspectives in the Roman Law of Property (1989) 116; Stein, Römisches Recht und Europa (1996) 194ff. 140 Vgl. Ehrenzweig, Privatrecht I/22 156. 141 Kocher, Grundzüge der Privatrechtsentwicklung und der Geschichte der Rechtswissenschaft in Österreich2 (1997) 112. 142 Vgl. Koschaker, Besprechung zu Bussi, La formazione dei dogmi di diritto privato nel diritto commune, SZ 58, 255. 57

2.6.2. Ursprünge eines geteilten Eigentums im griechischen Recht

Keineswegs unumstritten, aber zweifellos eine nähere Erläuterung wert sind dabei die Überlegungen Koschakers zu Ansätzen eines geteilten Eigentums im antiken griechischen Recht.

Koschaker ging zunächst davon aus, dass auch dem griechischen Recht eine vom Eigentum abgegrenzte Kategorie beschränkter dinglicher Rechte noch nicht bekannt war. Er zog in der Folge die Stellung eines im Rahmen der Paramoné freigelassenen Sklaven heran. Der so Freigelassene erreichte durch die Paramoné noch nicht die volle Freiheit, sondern er blieb noch beim Freilasser, dem weiterhin ein Rest des Herrschaftsrechts am ehemaligen Sklaven zukam. Der freigelassene Sklave hielt nach Ansicht Koschakers aufgrund der Freilassung aber den anderen Teil des Eigentums über sich selbst. Erst nach Beendigung der Paramoné erlangte der Freigelassene schließlich die volle Freiheit, die „Paneleuthería“. Darin sei nach Ansicht Koschakers die Vorstellung enthalten, dass bei aufrechter Paramoné bereits Freiheit auf Seiten des Freigelassenen vorhanden sei. Zur Vollfreiheit fehlten jedoch noch gewisse Elemente. Der Paramonar sei somit sowohl Rechtssubjekt als auch Objekt des unvollständigen Eigentums des Freilassers.143

In ähnlicher Weise wie für die Paramoné nahm Koschaker auch für den Hypothekengläubiger die Teilung des Eigentumsrechts an. Er verwies diesbezüglich auf ein Notstandsgesetz von Ephesus. In diesem wurde jenen Hypothekengläubigern, die bereits vor Kriegsbeginn Besitz an einem verpfändeten Grundstück erlangt hatten, Volleigentum zugeordnet. Daraus schloss Koschaker, dass der Hypothekengläubiger, wenn er sein Recht realisiere, das Volleigentum, die „Panktesía“, erreiche. Vorher müsse er jedoch wohl auch schon ein „allerdings weniger vollständiges Eigentum“ im Rahmen des griechischen Pfandrechts als einer ablösbaren Eigentumsanwartschaft innegehabt haben.144

Bedenken gegen diese Ansicht Koschakers äußerte insbesondere Schönbauer, der im geteilten Eigentum zwar einen methodisch zulässigen „Denkbehelf“ sah, dennoch aber Zweifel an seiner Sinnhaftigkeit zur Erklärung des Eigentums bei der Paramoné und der Hypothek äußerte. Denn gerade bei der Hypothek helfe dieses Konstrukt nicht weiter, da dafür von der Teilung der mit

143 Vgl. Koschaker, SZ 58, 256f. 144 Vgl. Koschaker, SZ 58, 256. 58 dem Eigentum verbundenen Befugnisse auszugehen wäre. In den Quellen gäbe es aber keinerlei Hinweise darauf, dass der Hypothekengläubiger schon mit der bloßen Bestellung der Hypothek Teile des Eigentumsrechts erworben hätte.145

Hinsichtlich der Paramoné wies Schönbauer darauf hin, dass für die Annahme eines zwischen Freilasser und Paramonar geteilten Eigentums vorauszusetzen sei, dass der ehemalige Sklave als veräußerliches Vermögensobjekt zu sehen ist. Im griechischen Recht wurde der Sklave aber nur insoweit als Eigentum des Herrn gesehen, so weit es seine Arbeitskraft und seine Fähigkeiten betraf. Darüber hinaus galt der Sklave als Persönlichkeit, nicht als Sache. Im Zuge der Paramoné wurde aus dem Sklaven ein Freier, ein Rückfall in die Stellung als Sklave war nur in sehr eng definierten Grenzen möglich. Die Arbeitskraft des durch Paramoné Freigelassenen konnte dann auch durch den bisherigen Herrn nicht mehr veräußert werden. Nach Schönbauers Ansicht liege im Fall der Paramoné also kein geteiltes Eigentum vor, da hier insbesondere der Freilasser über keine echten Eigentumsbefugnisse mehr verfüge, die von einer Teilung des Eigentums sprechen ließen.146

2.6.3. Die Ansätze eines geteilten Eigentums im vorklassischen Recht

Wenngleich also insbesondere von Schönbauer Bedenken hinsichtlich des von Koschaker bei der griechischen Paramoné und bei der griechischen Hypothek vermuteten geteilten Eigentums geäußert wurden, so schlug Koschaker selbst doch schließlich auch eine Brücke zum Römischen Recht, indem er von der Paramoné ausgehend schließlich auf die ältesten römischen Feldservituten zu sprechen kam. Die Existenz der iura in re aliena im ältesten Römischen Recht bezweifelte er. Die ältesten Feldservituten (via, iter, actus und aquae ductus) waren res mancipi, sie wurden durch mancipatio bzw. in iure cessio übertragen und mit der rei vindicatio verteidigt. Durch Einräumung dieser Dienstbarkeiten gewann der Berechtigte die partielle Gewalt über das dienende Grundstück und nahm damit dem Eigentümer dieses Grundstücks einen Teil seiner Gewalt. Beide hatten also mancipium und somit „beschränktes Eigentum“ am dienenden Grundstück.147

Vermutlich war das altrömische „Eigentum“ noch das einzige Sachenrecht. Als solches übernahm es wohl auch die Aufgaben der späteren beschränkten iura in re aliena. Als

145 Vgl. Schönbauer, Paramone, Antichrese und Hypothek, SZ 53 (1933) 422 (435). 146 Vgl. Schönbauer, Paramone, Antichrese und Hypothek, SZ 53, 437, 439. 147 Vgl. Koschaker, SZ 58, 258f. 59 selbständige Rechte wurden die Dienstbarkeiten wohl erst in der jüngeren Republik aus dem Eigentum ausgegliedert.148

Grosso nahm im Verhältnis des Eigentümers des dienenden Grundstücks und dem Servitutsberechtigten eine solidarische Berechtigung an.149 Kaser sah in dieser Annahme Grossos letztlich aber nichts Anderes als Gesamteigentum.150

Kaser selbst ging demgegenüber jedoch, wie auch Koschaker, bei den vier genannten Feldservituten von der Konstruktion einer funktionellen Teilung des Eigentums aus, wenn der betreffende Weg oder die Wasserleitung von beiden Beteiligten gemeinsam benutzt wurde, was nach Ansicht Kasers aufgrund der Kargheit und der Wasserknappheit der Böden wohl der Regelfall gewesen sein wird.151

Jeder der so Beteiligten durfte dabei - ganz im Sinne eines inhaltlich begrenzten Eigentums - jedoch nur jenen Gebrauch vom Grundstück machen, der seinem Rechtsbedürfnis entsprach.152

Die alten Felddienstbarkeiten wurden damit eben nicht als Belastung des Eigentums am dienenden Grundstück verstanden, sondern als „Herrschaftsbeziehung unmittelbar am Sachteil“, also dem konkreten Wegstück oder dem Wasserlauf. Die Herrschaftsrechte daran bezogen sich auf konkrete Personen und Sachgüter, vindiziert und manzipiert wurde dabei eben nicht das Nutzungsrecht (z.B. das Wasserleitungsrecht) daran, sondern die Sache selbst oder ein Teil davon, also der Wegabschnitt oder der Wasserlauf.153

Kaser hielt die Idee eines geteilten Eigentums zunächst auch auf den frühen ususfructus sowie auf das Pfandrecht für anwendbar. In Bezug auf den Nießbrauch ließ er diese These jedoch fallen und sah er in diesem letztlich kein Eigentum, sondern eine „Nutzgewalt von eigener Art“, die den Ususfruktuar zur Fruchtziehung berechtigte.154

148 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 143, 440. 149 Vgl. Grosso, Problemi generali del diritto attraverso il diritto romano2 (1967) 164; Grosso, Le servitù prediali nel diritto romano (1969) 32ff. 150 Vgl. Kaser, Labeo 9 (1963) 369. 151 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2, 143; nicht als Regelfall sah dies hingegen Franciosi, Studi sulle servitù prediali (1967) 86. 152 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 143 mit Verweis auf Koschaker, SZ 58, 258ff. 153 Vgl. Kaser, Besprechung zu Franciosi, Studi sulle servitù prediali (1967), SZ 85 (1968) 517 (518ff). 154 Vgl. Kaser, Labeo 9, 367. 60

Demgegenüber hielt er beim formlos begründeten Pfand an res nec mancipi an der Konstruktion eines funktional geteilten Eigentums fest, wenn die verpfändete Sache selbst nicht dem Pfandnehmer übergeben wurde. Der Verpfänder konnte jedoch nicht mehr über die Sache frei verfügen, der Pfandnehmer war wohl durch die rei vindicatio geschützt. Wurde das Pfand durch den Pfandgeber nicht gelöst, verblieb es wohl durch Verfall im Eigentum des Pfandnehmers. Der Pfandnehmer dürfte hier also die Sache in eine Gewalt erhalten haben, die noch im alten Eigentumsverständnis aufging.155

Kaser sah im Pfandgläubiger einen zeitlich beschränkten Eigentümer. Ebenso hielt er ein zeitlich beschränkt geteiltes Eigentum im Verhältnis des Kurators zum Pflegebefohlenen, in jenem des Tutors zum Mündel sowie auf Seiten des familiae emptor für möglich. Die Herrschaft des Kurators und des Tutors fielen weg, wenn die Gründe dafür wegfielen, also die Volljährigkeit erreicht wurde bzw. Genesung eintrat. Dann lebte das bis dahin ruhende „Volleigentum“ des Pflegebefohlenen bzw. des Mündels wieder auf. Ebenso lebte das „Eigentum“ des familiae emptor mit dem Todesfall des Erblassers als Vollrecht auf, das zu seinen Lebzeiten verdrängt worden war.156

Im hier letztgenannten Fall der Einschaltung eines familiae emptor kam es zu einer Aufteilung der Verfügungsgewalt (mandatela) und der Schutzgewalt (custodela). Zu Lebzeiten des Erblassers behielt dieser die Verfügungsgewalt, der treuhänderische familiae emptor nahm das Vermögen jedoch bereits unter seine Schutzgewalt.157

Festzuhalten ist hier, dass die zuletzt erwähnten Verhältnisse freilich nur auf einer zeitlichen Teilung des „Eigentums“ beruhten, die alten Feldservituten tatsächlich jedoch auf einer (funktionalen) Teilung der Ausübung der Rechte.158

2.6.4. Überlegungen zu den Thesen Kasers und Koschakers

Vor dem Hintergrund der oben dargelegten Ausführungen scheint die Frage nach möglichen Ansätzen zu einem geteilten Eigentum für das ältere Römische Recht tatsächlich „nicht so sinnlos“ zu sein, „als man prima facie anzunehmen geneigt sein“ könnte.159

155 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 144f. 156 Vgl. Kaser, Eigentum und Besitz im älteren Römischen Recht2 25ff. 157 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 398. 158 Vgl. Kaser, Eigentum und Besitz im älteren Römischen Recht2 28. 159 Vgl. Koschaker, SZ 58, 262. 61

Freilich kann man einerseits die Idee eines bereits im antiken griechischen und römischen Recht relativierend nur einen „Denkbehelf“ oder eine „Denkform“ nennen.160

Freilich kann man andere, zumeist aber genauso wenig belegbare Konstruktionen heranziehen. Beispielhaft sei hier etwa für die Paramoné die u.a. von Partsch dargelegte Annahme einer suspensiv oder resolutiv bedingten Freilassung des Paramonars genannt.161

Ebenso mag man im Verhältnis zwischen dem Eigentümer des dienenden Grundstücks und dem Servitutsberechtigten (mit Grosso) an die - schon oben erwähnte - solidarische Berechtigung (an einen „concorso solidale“) im Sinne von Gesamthandeigentum der beiden Beteiligten denken (siehe zuvor unter Kap. 2.6.2.).

Die Denkform des geteilten Eigentums im antiken Recht hat ihre Grundlage aber in der von Kaser hinsichtlich der Servituten und des Pfandrechts mE so treffend angesprochenen „juristisch noch unkomplizierten praktischen Anschauung“, in der jeder Beteiligte von der Sache nur jenen Gebrauch machen durfte, der seinem Rechtsbedürfnis entsprach.162

In einer Zeit, in der die einzelnen konkreten Teilrechte des späteren Eigentums noch nicht in einer ausschließlichen Zuständigkeit gesehen wurden, konnten die Teilbefugnisse auseinandertreten und unterschiedlichen Personen in „dezentralisierter Form“ zugewiesen werden.163

Eine solche anfangs noch von praktischen Nutzungsbefugnissen dominierte Sichtweise liegt für die altrömische Zeit mE durchaus nahe und lässt eine derartige Sicht an die noch viel später bestehenden „Gewere“ des mittelalterlichen Rechts denken.

Gerade die von Koschaker und Kaser herangezogenen Feldservituten sind ein deutliches Beispiel für die zunächst eben noch nicht ausgereifte Differenzierung einzelner Rechtsinstitute. Die Nutzung bezieht sich hier noch auf eine bestimmte Sache, auf einen Wegabschnitt oder

160 Vgl. zu „Denkbehelf“ Schönbauer, Paramone, Antichrese und Hypothek, SZ 53, 438; zu „Denkform“ Koschaker, SZ 58, 256. 161 Vgl. Partsch, Besprechung zu Syrische Rechtsbücher I (1907), SZ 28 (1907) 423 (429). 162 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 143. 163 Vgl. Wieacker, Vom Römischen Recht2 210f. 62 einen Wasserlauf, diese Sache wird übertragen und vindiziert, nicht das die Nutzung begründende Recht.164

Wie schon erwähnt wurde, traten die Feldservituten nicht von vornherein als iura in re aliena, sondern als res corporales in Erscheinung. Als solche wurden sie manzipiert und mit vindicatio verteidigt. Die Idee eines funktionell geteilten Eigentums schien unter diesen Voraussetzungen die „natürliche Vorstufe“ zur späteren Ausbildung der Servituten zu iura in re aliena zu sein.165

Geht man hier von einer Mitberechtigung der beiden Grundstückseigentümer aus, gelangt man letztlich zu den Thesen Grossos und Kasers; folgt man Grosso, erreicht man eine solidarische Berechtigung der beiden Beteiligten, folgt man Kaser, gelangt man zum funktionell zwischen den Beteiligten geteilten Eigentum. Dieses muss man mit seiner qualitativen Differenzierung in Haupt- und Nutzeigentum auch nicht einmal nur als „primitive Vorstufe“ der späteren Differenzierung der Servituten in iura in re aliena sehen.166

Abschließend ist hier noch auf die in eine ganz andere Richtung zielende Theorie Bretones zu verweisen, der dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks gar das Alleineigentum (wörtlich: „appartenenza esclusiva“) am Weg bzw. dem Wasserlauf einräumte. Ihm erschien dieser Ansatz als der einzige, der dem noch einfachen Recht der Servituten Sinn gab und deren rechtliche Ursprünge berücksichtigte. Den Bedenken, dass dies zu einer unökonomischen Zersplitterung des Grundbesitzes führe, begegnete er sogleich mit dem Hinweis, dass es sich dabei um nicht gerechtfertigte Bedenken handle, da die Servituten in der Antike seiner Ansicht nach sicher noch eine Ausnahmeerscheinung gewesen seien.167

Dies vermag mE jedoch nicht als Alternative zur Annahme eines geteilten Eigentums zu überzeugen.

Einerseits lässt sich dies kaum mit der - diesbezüglich völlig gegenteiligen - Erklärung Kasers vereinbaren, der unter Verweis auf die Kargheit des Bodens und die Wasserknappheit von einer „hohen praktischen Bedeutung“ der Feldservituten ausging.168

164 Vgl. Kaser, Besprechung zu Franciosi, Studi sulle servitù prediali, SZ 85, 518f. 165 Vgl. Wesener, Besprechung zu Cursi, Modus servitutis (1999), IVRA 50 (1999) 221 (222f). 166 Vgl. Wesener, Besprechung zu Grosso, Le servitù prediali nel diritto romano (1969), SZ 88 (1971) 435 (438f). 167 Vgl. Bretone, La nozione romana di usufrutto (1962) 32. 168 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 143. 63

Festzuhalten ist andererseits auch, dass nach der Theorie Bretones die Einräumung eines Nutzungsrechts am Pfad oder dem Bach zwangsläufig ja mit einer vollständigen Aufgabe des eigenen Eigentumsrechts daran auf Seiten des Eigentümers des dienenden Grundstücks einhergehen musste. Es erscheint aber mE selbst unter den Gegebenheiten des alten Römischen Rechts - und selbst nur für die von Bretone selbst erwähnte „kurze Periode“ - unwahrscheinlich, dass unter diesen Umständen viele Grundeigentümer zur Einräumung so weit reichender Befugnisse an einem Teil ihres Eigentums bereit gewesen wären.

Sollte dies aber wider Erwarten doch ein häufiges Phänomen gewesen sein, so hätte Bretones Annahme von Alleineigentum auf Seiten des Nutzungsberechtigten wohl tatsächlich eine weitläufige und für Außenstehende kaum überschaubare Zersplitterung der Verfügungsrechte an Grund und Boden herbeigeführt.

Was angesichts der oben dargelegten Überlegungen Kasers und Koschakers bleibt, ist mE die Erkenntnis, dass die Annahme eines „geteilten“ Eigentums in Form einer Aufteilung von einzelnen Befugnissen des Eigentumsrechts offenbar stets dann nahe liegt, wenn eine klare dogmatische Abgrenzung des Eigentums von anderen Rechten Dritter nicht erkennbar ist; dies gilt schon für das altrömische Recht, das beschränkte Rechte Dritter an einer fremden Sache noch im „Eigentum“ integriert sah, ebenso wie für das nachklassische Vulgarrecht, welches insbesondere im Fall des emphyteuta eine klare Abgrenzung des Eigentums von den iura in re aliena vermissen ließ und das so den Glossatoren u.a. als Grundlage für die Theorie vom geteilten Eigentum dienen konnte.

2.7. Zusammenfassung

Gemeinschaftliches Eigentum trat in altrömischer Zeit zunächst in Form der fortgesetzten Hauserbengemeinschaft in Erscheinung. Nach dem Tod des Familienoberhauptes setzten seine Erben, die sui, die Hausgemeinschaft im consortium ercto non cito fort.

Diese Gemeinschaft war in erster Linie eine familien- und personenrechtliche Gemeinschaft, die insbesondere auch sakrale Aufgaben, wie etwa den Totenkult für den Verstorbenen, mit sich brachte. Gleichzeitig fiel das Erbgut den Erben als gemeinschaftliches Eigentum zu, diese hatten daran jedoch noch keine (rechnerischen) Anteile, über die sie allein hätten verfügen können. Demgegenüber war die aus der fortgesetzten Gemeinschaft der sui resultierende 64

Eigentumsgemeinschaft eine der späteren Gesamthandgemeinschaft ähnliche Vereinigung. Der Unterschied zu dieser lag jedoch darin, dass - wohl auf der Grundlage eines besonderen Vertrauensverhältnisses - auch ein einzelner Miterbe allein über die gesamte gemeinschaftliche Sache mit Wirksamkeit nach außen verfügen konnte (vgl. Kap. 2.2.3.). Ein gesonderter Akt für die Begründung der Erbengemeinschaft war nicht notwendig. (vgl. Kap. 2.2.2.).

Wohl schon in der älteren Republik trat jedoch die Möglichkeit hinzu, ein Konsortium nach dem Vorbild der Hauserbengemeinschaft durch legis actio vor dem Prätor zu gründen. Dies eröffnete auch Personen, die nicht in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zueinander standen, die Möglichkeit, ihr Vermögen nach dem Vorbild der Hauserbengemeinschaft zu vergemeinschaften. Das nachgeformte Konsortium bildete so den Ausgangspunkt für die spätere societas omnium bonorum und die weitere Ausgestaltung des römischen Gesellschaftsrechts (vgl. Kap. 2.3.).

Das altrömische Konsortium war jedoch keine unauflösbare Gemeinschaft. Eine Auflösung der Gemeinschaft im Einvernehmen aller Konsorten dürfte stets möglich gewesen sein (vgl. Kap. 2.4.1.). Mit den Zwölf Tafeln Mitte des fünften vorchristlichen Jahrhunderts wurde zudem dem einzelnen Mitglied des Konsortiums die Möglichkeit eröffnet, dessen Auflösung mit der actio familiae erciscundae auch gegen den Willen der anderen Konsorten zu begehren (vgl. Kap. 2.4.2.). Neben diese Klage trat später die mit der Lex Licinnia (3. Jhd. v. Chr.) eingeführte (allgemeine) actio communi dividundo, die, wie die actio familiae erciscundae, eine richterliche (rechtsgestaltende) adiudicatio aufwies. Das Ergebnis beider Klagen war die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens und die Zuweisung der entsprechenden Anteile ins Alleineigentum der bisherigen Konsorten (vgl. Kap. 2.4.2.).

Sowohl das „natürliche“ Konsortium der Hauserben als auch das nachgeformte Konsortium wurden in der späten Republik zurückgedrängt. Die gesamthandähnliche Struktur des Konsortiums wurde von der Bruchteilsgemeinschaft verdrängt (vgl. Kap. 2.5.).

Ursprünge eines funktionell auf mehrere Berechtigte aufgeteilten Eigentums erkannten Koschaker bzw. Kaser schon in der griechischen Paramoné, der griechischen Hypothek bzw. in den alten Feldservituten via, iter, actus und aquae ductus (vgl. Kap. 2.6.). Die Grundlage dieser Annahme bestand darin, dass die späteren iura in re aliena im griechischen bzw. altrömischen Recht wohl noch nicht als vom Eigentum ausdifferenzierte Rechte existierten. 65

Kapitel 3: Das klassische Miteigentum

3.1. Der Rückzug des altrömischen Konsortiums

3.1.1. Der Wandel der römischen Gesellschaft

Bereits der Zeit der jüngeren Republik verlor das altrömische Konsortium in seinen beiden, im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Erscheinungsformen und mit seiner gesamthandähnlichen Vermögensstruktur an Bedeutung, bis es schließlich im frühklassischen Recht verschwunden war.1

Den Hintergrund dieser Entwicklung bildete einerseits der Wandel der römischen Gesellschaft, die sich ab dem dritten Jahrhundert v. Chr. zusehends von der Hofwirtschaft abkehrte; die bäuerliche Lebensform wich großstädtischen Strukturen, in welchen der Handel, das Gewerbe und der Geldverkehr im Vordergrund standen.2

Durch die Schaffung neuer öffentlicher Ämter in der frühen Republik bildete sich zudem eine neue Oberschicht heraus, die ihren Grundbesitz in weiterer Folge zum einen auf Kosten der Kleinbauern erweiterte und zum anderen bei der Verteilung eroberten Landes (ager occupatorius) die besseren Chancen hatte.3

Die alte römische Erbordnung hatte der zunehmend prekären Situation der Kleinbauern wohl wenig entgegenzusetzen. Mit Wieacker gesprochen ließ diese den Hauserben letztlich nur „zwei gleich untragbaren Möglichkeiten“ Raum: die Fortsetzung der Hausgemeinschaft erschwerte die eigene Familiengründung, denn ein überfülltes Hausgut ermöglichte kein Auskommen für die Konsorten mehr. Hinzukam, dass die Zwölf Tafeln es jedem einzelnen Konsorten ermöglichten, die Auflösung der Erbengemeinschaft auch gegen den Willen der anderen Erben durch Erhebung der actio familiae erciscundae zu verlangen. Als Folge dieser Möglichkeit nahm die Bodenzersplitterung und kleinbäuerliche Verarmung erheblich zu und zeigten sich diese Erscheinungen bereits während des Ständekampfes im fünften Jahrhundert v. Chr. in Form von Landnot und Verarmung des bäuerlichen Gemeinwesens.4

1 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 410. 2 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 2f. 3 Vgl. Kaser, Römische Rechtsgeschichte2 (1967) 78f. 4 Vgl. Wieacker, Hausgenossenschaft und Erbeinsetzung (1940) 20f. 66

Welche der beiden Möglichkeiten - Fortführung des Konsortiums oder dessen Auflösung - die Miterben wählten, mag dabei auch von der Art des geerbten Betriebes und der Frage, ob dieser eine Teilung in kleinere Einheiten ohne große Schwierigkeiten überstehen konnte, abhängig gewesen sein.5

Durch seine fortgesetzte Aufteilung von Generation zu Generation bestand für das bäuerliche Gut also die Gefahr, in wirtschaftlich unrentable „Splittergrößen“ zu zerfallen.6

3.1.2. Das Testament als Ausweg und Katalysator für den Rückzug des Konsortiums

Den oben genannten Gefahren vermochte man zunächst dadurch zu begegnen, dass man zum Zweck der Übertragung des ungeteilten Erbgutes auf einen einzigen Erben die „überzähligen Erben“ aus dem Hausverband auszugliedern begann. In Frage kamen hierfür die emancipatio der Söhne, die Verheiratung der Töchter durch conventio in manum oder die adoptio eigener Kinder durch andere Familien. Wohl ab dem vierten Jahrhundert v. Chr. trat zu diesen Möglichkeiten das Erbeinsetzungstestament hinzu, mit welchem dem Familienoberhaupt die Möglichkeit eröffnet wurde, das Erbgut einem Alleinerben ungeteilt zu übertragen (institutio heredis), gleichzeitig aber - ähnlich dem mittelalterlichen Anerbenrecht - die „überzähligen Erben“ zu enterben (exhereditatio).7

Die dadurch angestrebte Alleinerbfolge drängte das Konsortium der Hauserben zurück, bis es wohl in der frühen Kaiserzeit verschwand.8

Für den Übergang von der altrömischen gesamthandähnlichen Struktur zur Bruchteilsgemeinschaft war vermutlich überhaupt die Möglichkeit, die Vermögenswerte (pecunia) durch das Manzipationstestament frei auch an Außenstehende zu vererben, maßgeblich verantwortlich. Wieacker ging diesfalls von einer Aufspaltung der Vererbung des Vermögens und der sonstigen „personenrechtlichen“ Inhalten der Erbschaft aus. Da das Manzipationstestament nur die Vermögenswerte erfassen konnte, sei zwar das Vermögen auf

5 Vgl. Wieacker, Hausgenossenschaft und Erbeinsetzung 21. 6 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 387. 7 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 387. 8 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 410; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 420. 67 die extranen Erben übergegangen, es seien die sakralen, grab- und patronatsrechtlichen Verpflichtungen aber bei den Hauserben verblieben.9

Neben dem Eintritt in das Vermögen waren für die sui heredes auch „extrapatrimoniale Rechte“ mit der Erbschaft verbunden. Dazu gehörten etwa die sacra familiae (Kult zu Ehren der Hausgötter), das sepulchrum familiare (Grabrecht), das Gastrecht sowie der Patronat.10

Nach Ansicht Wieackers wurden diese Aspekte der Erbschaft jedoch nicht vom Manzipationstestament erfasst. Damit aber gingen im Fall der Vererbung des Vermögens an Außenstehende die personenrechtlichen Inhalte und das Vermögen getrennte Wege. Das Vermögen gelangte an die Hausfremden, die personenrechtlichen Inhalte blieben bei den agnatischen Nachkommen des Erblassers. Notwendigerweise habe daher die testamentarische Erbeinsetzung, die sich auf die genannten extrapatrimonialen Rechte und Pflichten nicht erstrecken konnte, auf diese Weise die alte gesamthänderische Struktur des Hausverbandes zerstören müssen. Denn für die „hausentfremdeten“ Erben sei schließlich die Zuteilung von Bruchteilen zur freien Verfügung die „zweckmäßigste Organisationsform“ gewesen. Diese sei dann etwa auch auf Fälle der communio incidens und auf die Miterbengemeinschaft der sui heredes angewendet worden.11

Allerdings ist hinsichtlich Wieackers Theorie umstritten, ob die extrapatrimonialen Verpflichtungen tatsächlich nicht auf die außenstehenden Erben übertragen wurden. Kaser ging insbesondere hinsichtlich des kostspieligen Hausgötterkults davon aus, dass schon früh nicht nur die sui heredes, sondern auch die extranei und in weiterer Folge (vermutlich ab dem dritten oder zweiten vorchristlichen Jahrhundert) auch Einzelerwerber mortis causa, Nachlassgläubiger und pro-herede-Ersitzer mit den sacra familiae belastet wurden. Die Belastungen wurden nach Ansicht Kasers also denjenigen auferlegt, die aus dem Erbfall die (meisten) Vermögensvorteile zogen.12

Wenngleich gerade der letztgenannte Hinweis plausibel und gerecht erscheint, so ist es mE doch wahrscheinlich, dass die stark personenrechtlich bezogenen Inhalte der Erbschaft in Form der sacra und des sepulchrum bei den nächsten Verwandten des Erblassers verblieben, wenn

9 Vgl. Wieacker, Societas 180f; aM Kaser, Das Römische Privatrecht I2 98 FN 26. 10 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 96, 98. 11 Vgl. Wieacker, Societas 181. 12 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 151f. 68 auch die Vermögenswerte (pecunia) an hausfremde Personen vererbt wurden. Dies entspringt mE wohl nicht zuletzt einem menschlichen Bedürfnis, dass gerade diese Rechte und Pflichten von nahestehenden Personen ausgeübt werden sollen, da diese einen viel stärkeren persönlichen Bezug zum Erblasser und der eigenen Familie haben als Außenstehende und sich bestmöglich nach dem Tod des Familienoberhauptes um diese Aspekte der Erbschaft kümmern werden.

Festzuhalten ist, dass in klassischer Zeit auch zwischen den Miterben kein Konsortium altrömischer Prägung mehr bestand, sondern quotenmäßiges Miteigentum.13

Im Übergang von der gesamthandähnlichen Struktur der Erbengemeinschaft zum Bruchteilseigentum zeigte sich der Wandel von der vorklassischen zur klassischen Konzeption von „Partnerschaft“ besonders deutlich. Die Besonderheiten des alten Konsortiums verschwanden in der Republik, die weiterhin bestehenden Gemeinschaften der Hauserben waren nun nichts anderes als konsensuale societates omnium bonorum.14

3.1.3. Der Wandel des nachgeformten Konsortiums

Wohl auch schon zu Zeiten der jüngeren Republik streifte das durch legis actio vor dem Prätor nachgeformte Konsortium zunächst seine familienrechtliche Wirkung ab. Aus dem Gesamtgut wurden zudem schrittweise Sondergüter ausgenommen, womit auch die Eigenschaft des Konsortiums als notwendige Vermögensgemeinschaft nach und nach verloren ging. Schließlich verschwand der Formalakt in Form der legis actio selbst, der mit dem Wegfall der Verbrüderung seine Funktion einbüßte.15

Hinsichtlich der zeitlichen Einordnung der schrittweisen Abkehr vom alten nachgeformten Konsortium ist auf Wieackers Ausführungen zu verweisen, denen zufolge die legis actio vermutlich im ersten Jahrhundert n. Chr. verschwand. Schon zu Zeiten Sabinus´ sei seiner Ansicht nach die legis actio unter Bürgern nichts Selbstverständliches mehr gewesen. An ihre Stelle sei eine Gesellschaft getreten, die formlos begründet worden sei und in welcher zumindest die legis actio weggefallen sei. Die Gesamtzuständigkeit des alten Konsortiums sei in der Zeit zwischen Sabinus und der Hochklassik durch das klassische Miteigentum ersetzt

13 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung6 112f. 14 Vgl. Daube/Cohen/Simon (Hg.), Collected Studies in Roman Law I, Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 54 (1991) 43. 15 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 573. 69 worden. Als „Stichzeiten“ im Übergang vom nachgeformten Konsortium zur hochklassischen societas nannte Wieacker demgemäß das Veralten der legis actio und die Ersetzung der alten Gesamtzuständigkeit durch das Bruchteilseigentum. Ein Nebeneinander der beiden Institutionen für einen (relativ kurzen) Zeitraum hielt Wieacker für möglich. Die Gründung einer societas bonorum durch einen Konsensualvertrag des ius gentium datierte Wieacker erst in die Spätzeit seit Gaius. Dieser habe zudem in G. Inst. 3, 154b noch die Gegenwart für das nachgeformte Konsortium verwendet („est autem aliud…“) und somit eine „absterbende Gegenwart“ oder die jüngste Vergangenheit angesprochen. Damit aber habe das nachgeformte Konsortium die Grundform der natürlichen Hauserbengemeinschaft wesentlich überdauert.16

In der klassischen societas omnium bonorum lebten einige Elemente des alten Konsortiums weiter. So besaß die Gesellschaft die Aufhebungsgründe in der Person eines einzelnen Gesellschafters als Gemeinsamkeit mit dem altrömischen Konsortium. Wie in diesem wurde zudem auch in der societas omnium bonorum das gesamte Vermögen der socii vergemeinschaftet. Doch wurde die societas omnium bonorum eben nicht mehr durch einen Formalakt, sondern durch formfreien Konsens begründet.17

Diese Möglichkeit öffnete die Gesellschaft - im Gegensatz zum alten, durch eine legis actio nachgeformten Konsortium - auch Fremden, was vielleicht sogar der „stärkste Antrieb“ für den Wegfall der Notwendigkeit einer legis actio zur Begründung der Gesellschaft war.18

Allerdings wird in der klassischen Zeit der reine Konsens der Gesellschafter allein zwar die Gesellschaft begründet haben, noch nicht aber eine Vergemeinschaftung der von den socii in die Gesellschaft eingebrachten Güter herbeigeführt haben.19

Ohne in iure cessio oder mancipatio bedurfte es hierfür bei der Eingehung der Gesellschaft oder für erst danach erworbene Sachen auch später der (auch nur stillschweigend vollzogenen) Übergabe der einzelnen Sachen in den Mitbesitz der Gesellschafter.20

16 Vgl. Wieacker, Societas 205, 207. 17 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 280. 18 Vgl. Wieacker, Societas 207. 19 Vgl. Van Warmelo, Aspects of joint ownership in Roman Law, TR 25 (1957) 150. 20 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 280. 70

Im Unterschied zur gesamthandähnlichen Verfügungsgewalt im Konsortium war das gemeinsame Eigentum der socii omnium bonorum klassisches, nach Quoten geteiltes Miteigentum. Der einzelne Gesellschafter konnte nur über seinen (rechnerischen) Anteil frei verfügen (vgl. Gaius D. 17, 2, 68: „Nemo ex sociis plus parte sua potest alienare, etsi totorum bonorum socii sint“). Das Verfügungsrecht des einzelnen socius bezog sich hier also „in geradem Widerspruch“ zum früheren Konsortium nur auf seinen Anteil am gemeinsamen Vermögen.21

Die societas omnium bonorum verschmolz - spätestens in der Mitte der klassischen Zeit - vollständig mit den fremdenrechtlich begründeten Erwerbsgesellschaften.22 Die partiellen Erwerbsgesellschaften hatten sich bereits zuvor in der jüngeren Republik als formfreier fremdenrechtlicher Zusammenschluss für gemeinschaftliche Handelsunternehmungen herausgebildet.23

Die beiden Wurzeln für die klassische Societas bildeten letztlich einerseits das altrömische Konsortium und andererseits die partielle Erwerbsgesellschaft, die formfrei begründet wurde und auch Fremden offenstand und die in klassischer Zeit mit der societas omnium bonorum verschmolz.24

Vor dem Hintergrund des bereits in Kapitel 3.1.1. angesprochenen Wandels der römischen Gesellschaft war die Entwicklung einer auch Fremden offenstehenden Gesellschaftsform ein wohl notwendiger Schritt für den Fortschritt und Aufstieg der römischen Wirtschaft.

Kaser sah in der Erwerbsgesellschaft der jüngeren Republik sogar den wesentlichen Impuls für den Übergang von der altrömischen Gesamtbefugnis im Konsortium zum quotenmäßigen Miteigentum. Das neue Miteigentum nach Bruchteilen sei nicht einfach aus der alten Form der Gesamtberechtigung hervorgegangen, sondern sei es „gerade für die Bedürfnisse der Erwerbsgesellschaft“ neu geschaffen worden; das Vermögen der Gesellschaft sei im Gegensatz zum bäuerlichen Gut ohne Gefahr eines wirtschaftlichen Schadens teilbar gewesen. Mit der schon angesprochenen Abkehr von der bäuerlichen Hofwirtschaft seien dann derartig teilbare

21 Vgl. Wieacker, Societas 197 22 Vgl. Wieacker, Societas 240; Kaser, Das Römische Privatrecht I2 573. 23 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 280. 24 Vgl. Wieacker, Societas 240: Wieacker betonte hier, dass die beiden Wurzeln der Societas hingegen nicht die societas omnium bonorum und die Erwerbsgesellschaften seien, die letztlich ja völlige Formgleichheit aufwiesen. Der wesentliche Gegensatz bestehe zwischen Konsortium und formfrei begründeter Gesellschaft. 71

Vermögen aller Art zur Regel geworden und sei die Bruchteilsgemeinschaft auch auf andere Rechtsverhältnisse, wie die Erbengemeinschaft und die Vermengung, übertragen worden.25

Auch Wieacker hatte zuvor diese Meinung vertreten und treffend darauf hingewiesen, dass die tiefgreifende und für den römischen Handel und das Gesellschaftsrecht so bedeutende Differenzierung vom altrömischen Konsortium hin zur konsensual begründeten Societas in weniger als zwei Jahrhunderten zustande gebracht wurde.26

Die Spuren des natürlichen Konsortiums waren, wie bereits erwähnt wurde, schon früher durch die Einführung des Erbeinsetzungstestaments, vielleicht überhaupt durch die Möglichkeit, Hausfremde als Erben einzusetzen, zusehends verwischt worden (vgl. Kapitel 3.1.2.). Das nachgeformte Konsortium überdauerte also die ursprüngliche Grundform wesentlich.27

Guarino vertrat zudem die Ansicht, dass die in der republikanischen Zeit eingeführte Änderung des Steuerrechts in Form des tributum ex censu die Zurückdrängung des altrömischen Konsortiums begünstigt hätte. Denn als Bemessungsgrundlage für die Steuerpflicht sei nun nicht mehr das Vermögen einer Gruppe herangezogen worden, sondern das Vermögen jedes einzelnen Familienoberhauptes. Der steuerrechtliche Vorteil, im Rahmen eines Konsortiums verbunden zu bleiben oder sich überhaupt in einem solchen zu vereinigen, sei so weitgehend weggefallen.28

Der Stellenwert steuerrechtlicher Erwägungen für die Frage der Aufrechterhaltung bzw. die Gründung eines Konsortiums erscheint mE aber zumindest zweifelhaft. Gerade in Anbetracht der jedenfalls in der Frühzeit hohen Bedeutung der familienrechtlichen Funktion des Konsortiums werden hier wohl vorrangig andere (moralische und sittliche) Erwägungen auf Seiten der Konsorten im Vordergrund gestanden sein. Für das nachgeformte Konsortium mögen solche Überlegungen wohl auch noch größere Bedeutung als für die natürliche Hauserbengemeinschaft gehabt haben, insbesondere dann in jener Zeit, in der die Verbrüderungsfunktion des nachgeformten Konsortiums in den Hintergrund trat und der Weg zur societas omnium bonorum geebnet wurde.

25 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 410f. 26 Vgl. Wieacker, Das Gesellschaftsverhältnis des klassischen Rechts, SZ 69 (1952) 343. 27 Vgl. Wieacker, Societas 205. 28 Vgl. Guarino, Societas Consensu Contracta (1972) 17 FN 50. 72

Die fortgesetzte Gemeinschaft der Hauserben gab es aber trotzdem weiterhin „zu allen Zeiten“, noch in der späten Republik (vgl. die viel zitierte Gemeinschaft der sechzehn Aelier bei Plutarch, Vita Aem. Paul. 5, 4) und auch noch in der Kaiserzeit.29 Freilich traten die späteren Gemeinschaften dann, wie schon erwähnt wurde, nicht mehr in Form des alten Konsortiums, sondern als societates omnium bonorum und als klassisches Miteigentum zu ideellen Quoten in Erscheinung.30

3.2. Die Grundlagen des klassischen Miteigentums

Der Wandel im Eigentumsverständnis vor dem Hintergrund prozessrechtlicher Veränderungen wurde bereits am Beginn dieser Arbeit in Kapitel 1.1.1. dargestellt. Im altrömischen Sakramentsverfahren mit dem Erfordernis der zweiseitigen Eigentumsbehauptungen hatte man das - lediglich als Vorfrage für die Entscheidung über den Verfall des jeweiligen Prozesseinsatzes festzustellende - „meum esse“ noch als ein bloß relativ besseres Recht an einer Sache interpretiert. Im vorklassischen und klassischen Recht wurde demgegenüber das Eigentum schließlich als (gegenüber jedermann) geschützte Rechtsposition verstanden, im Prozess musste nur noch der Kläger sein Eigentum behaupten (und einen entsprechenden Erwerbsgrund nachweisen). Zudem erfasste man wohl schon in der späten Republik das Eigentum mit den Ausdrücken „proprietas“ und „dominium“.31

Im klassischen Recht bezeichnete „Eigentum“ im Sinne dieser Ausdrücke die mit actio in rem gegen jedermann durchsetzbare Rechtsbeziehung zu einem körperlichen Gegenstand. In ihm war die größtmögliche Fülle der Besitz-, Nutzungs- und Verfügungsgewalt vorausgesetzt. Mit Hilfe eines genetivus possessivus („alicuius esse ex iure Quiritium“) wurde diese Zuordnung zum Ausdruck gebracht und wurde sie so als „absolute, totale, ausschließliche und unteilbare rechtliche Herrschaft“ des Einzelnen über eine Sache verstanden.32

Der Eigentümer durfte mit seiner Sache grundsätzlich alles machen, was man mit ihr machen konnte. Alle denkbaren Befugnisse hinsichtlich dieser Sache waren beim Eigentümer konzentriert. Liebs bezeichnete dies pointiert als den „Grundsatz der Allmacht des Eigentümers“, dem auch die Möglichkeit offen stand, einzelne (abgestufte) Befugnisse auf

29 Vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht4 (1987) 331. 30 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung6 112; Meissel, Societas (2004) 103 FN 155. 31 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 135. 32 Vgl. Wieacker, Vom Römischen Recht2, 191. 73 andere Personen zu übertragen (beschränkte dingliche Rechte). Diese an (nicht gleich an der Sache berechtigte) Dritte übertragenen Rechte begriff man nun als „Abspaltung“ vom Eigentum.33

War das altrömische „Eigentum“ noch weitgehend unbestimmt, so wurde es nun als rechtliche Vollherrschaft an einer Sache verstanden und aus den übrigen sachenrechtlichen Erscheinungsformen herausgelöst. Es trat den übrigen Befugnissen an der Sache nicht nur gegenüber, sondern wurde es diesen „an die Spitze“ gestellt.34

Das klassische Recht ließ es also zwar zu, weiteren Berechtigten „abgestufte“ Befugnisse an einer Sache zu übertragen. Doch stellt sich daneben die Frage, inwieweit im klassischen Recht mehrere gleichberechtigte Personen das Eigentumsrecht an der Sache, beschränkt nur durch die Rechte der anderen Eigentümer, ausüben konnten, inwieweit also Miteigentum zugelassen wurde.35

Der Grundsatz hier war die „Einmannzuständigkeit“.36 Das klassische Recht war geprägt von einer „absoluten Unduldsamkeit gegen den Gedanken einer Teilung des Eigentums zwischen mehreren“. Wie bereits erwähnt wurde, war noch für die griechische Paramoné und die alten Felddienstbarkeiten eine funktionale Teilung des „Eigentums“ nahe gelegt und war die oben besagte Unduldsamkeit in dieser Strenge noch nicht angenommen worden.37

Das klassische Recht ließ demgegenüber weder ein mehrfaches Eigentum an der ganzen Sache noch ein Eigentum verschiedener Personen an Bestandteilen an ein- und derselben Sache zu.38

Doch konnte vermutlich auch das Recht der klassischen Zeit nicht übergehen, dass es faktisch doch Situationen gab, in welchen mehrere Eigentümer an einer Sache gleichberechtigt beteiligt waren. Schon erwähnt wurde, dass das alte Konsortium der Hauserben bereits in der Zeit der Republik zurückgedrängt worden war, doch blieben Erben auch danach noch oft in einer Gemeinschaft verbunden.

33 Vgl. Liebs, Römisches Recht 149f. 34 Vgl. Floßmann, Eigentumsbegriff und Bodenordnung im historischen Wandel (1976) 38. 35 Vgl. Liebs, Römisches Recht 153. 36 Vgl. Liebs, Römisches Recht 153. 37 Vgl. Wieacker, Vom Römischen Recht2 210. 38 Vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht4 150. 74

Im klassischen Recht war das alte Konsortium der Erben als Rechtsinstitut zwar verschwunden. Als „soziale Übung“ war es aber noch vorhanden und trat es auch den klassischen Juristen noch immer gegenüber, die diese Gemeinschaft dann aber als vertraglich eingegangene societas omnium bonorum konstruierten.39

Derartige Konstellationen gemeinsamen Eigentums mehrerer Eigentümer gab es also auch im klassischen Recht - nicht nur bei der fortgesetzten Gemeinschaft der Erben. Doch wie konnte man eine solche gleichberechtigte Beteiligung mehrerer Personen vor dem Hintergrund der oben genannten strengen Grundsätze das klassische Eigentum betreffend deuten?

Das Miteigentum mehrerer berechtigter Personen an einer Sache war im klassischen Recht stets Miteigentum nach ideellen Bruchteilen. Die im gemeinsamen Eigentum befindliche Sache war also nicht etwa nach realen Teilen, sondern nach rechnerischen Quoten zwischen den Miteigentümern aufgeteilt. Jeder Miteigentümer hatte zwar die volle Sachherrschaft inne, aber beschränkt durch das gleiche Recht der anderen.40

Dieses Miteigentum nach ideellen Quoten war im klassischen Recht die einzige Form einer Berechtigung mehrerer Eigentümer an einer Sache.41

Der rechnerische Anteil des Einzelnen wurde dabei nicht als „zerstückeltes Eigentumsrecht“ verstanden, sondern als ein körperlich die ganze Sache betreffendes Eigentum, das aber durch die gleichen Rechte der übrigen Eigentümer eingegrenzt und auf eine Quote beschränkt war.42

Diese Konstruktion (der „pars pro indiviso“) wird in Paulus D 50, 16, 25, 1 deutlich: „Quintus Mucius ait partis appellatione rem pro indiviso significari: nam quod pro indiviso nostrum sit, id non partem, sed totum esse. Servius non ineleganter partis appellatione utrumque significari“.

Festgehalten wurde hier insbesondere, dass auch das, was nach rechnerischen Anteilen mehreren Berechtigten gehörte, nicht nur zum Teil, sondern zur Gänze ihnen gehörte.

39 Vgl. Wieacker, Vom Römischen Recht2 198. 40 Vgl. Liebs, Römisches Recht 153. 41 Vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht4 150. 42 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 142. 75

Begrenzt wurde die Befugnis des einzelnen Miteigentümers, wie schon angesprochen wurde, durch die gleichen Befugnisse der anderen. Dernburg stellte diesbezüglich fest, dass das Miteigentum „sich also durch die Konkurrenz“ der Rechte der einzelnen Miteigentümer an der gemeinsamen Sache gestaltete.1

In jenen Fällen, in denen eine nicht real teilbare Sache im gemeinsamen Eigentum stand, wie etwa ein Sklave, erscheint das Konstrukt der „pars pro indiviso“ wohl einfacher nachvollziehbar:

„Servus communis sic omnium est non quasi singulorum totus, sed pro partibus utique indivisis, ut intellectu magis partes habeant quam corpore“ (Ulpian D. 45, 3, 5).

Des Weiteren ging Ulpian auf das Beispiel eines gemeinsamen bzw. eines gemeinsam gemieteten Wagens ein und stellte und behandelte er unter Verweis auf Celsus die Frage, ob jeder der Eigentümer bzw. Mieter nun für seinen Teil oder für die gesamte Sache hafte:

„Si duobus vehiculum commodatum sit vel locatum simul, Celsus filius scripsit, quaeri posse utrum unusquisque eorum in solidum an pro parte teneatur“ (Ulpian D. 13, 6, 5, 15).

Beantwortet wurde diese Frage von Ulpian damit, dass jeder der beiden Berechtigten den Wagen nur zu einem rechnerischen Anteil besitze, den Eigentum oder Besitz beider am ganzen gemeinsamen Wagen gebe es nicht. Auch sei dies kein real geteiltes Eigentum, sondern eben nur ein Eigentum „pro parte indiviso“:

„Et ait, duorum quidem in solidum dominium vel possessionem esse non posse; nec quemquam partis corporis dominium esse, sed totius corporis pro indiviso pro parte dominium habere“.

Ulpian hielt das bisher Gesagte also an den zitierten Stellen deutlich fest. Das klassische Recht lehnte ein Eigentum mehrerer Personen an der ganzen gemeinsamen Sache, ein dominium plurium in solidum, ab. Ebenso handelte es sich in den genannten Fällen eben auch nicht um real geteiltes Eigentum in Form von partes pro diviso.

1 Vgl. Dernburg, Pandekten I3 (1892) 453. 76

Die Vorzüge dieser klassischen Eigentumskonstruktion sind freilich in jenen Fällen, in denen sich die gemeinsame Sache nicht (Sklave) oder nicht ohne Wertminderung (Wagen) teilen ließ, zweifellos ohne Schwierigkeiten zu erkennen.

Dort aber, wo beide Formen - die pars pro diviso und die pars pro indiviso - denkbar und möglich waren, erscheint es fraglich, ob die Folge gemeinsamer Berechtigung in diesem Sinne immer die pars pro indiviso war.

Ascheuer verwies hinsichtlich der Frage der Qualität von Eigentumsanteilen von Gesellschaftern darauf, dass möglicherweise doch die Beschaffenheit des gemeinsamen Gutes und dessen Teilbarkeit eine wesentliche Rolle dabei spielten, ob nun ideell berechnete Anteile vorlagen oder real geteiltes Eigentum anzunehmen war. Sie verwies dabei auf eine bereits zitierte Stelle zur Frage der Servitutsbegründung an einem Teil eines Hauses bzw. eines Grundstücks.44

„Si quis partem aedium tradet vel partem fundi, non potest servitutem imponere, quia per partes servitus imponi non potest, sed nec adquiri“ (Ulpian D. 8, 4, 6, 1).

Ulpian stellte hier klar, dass an einem tradierten Teil eines Hauses oder eines Grundstücks kein Servitut bestellt und erworben werden könne. Möglich werde dies aber dann, wenn das Grundstück oder das Haus in (reale) Teile geteilt wird. Dann könne man daran Dienstbarkeiten bestellen, zumal es sich dann aber gar nicht mehr um einen Teil eines Grundstücks, sondern um das Grundstück selbst handle:

„Plane si divisit fundum regionibus et sic partem tradidit pro diviso, potest alterutri servitutem imponere, quia non est pars fundi, sed fundus. Quod et in aedibus potest dici, si dominus pariete medio aedificato unam domum in duas diviserit, ut plerique faciunt: nam et hic pro duabus domibus accipi debet“ (Ulpian D. 8, 4, 6, 1).

Das Römische Recht ließ freilich die reale Teilung einer Sache und die Übertragung der real abgegrenzten Teile zu. Doch Ulpian betonte auch, dass es sich bei diesen Teilen ja letztlich nicht mehr um gemeinsames Eigentum, sondern um Alleineigentum an diesem Teil handelte: „non est pars fundi, sed fundus“.

44 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 37ff. 77

Im Falle des real geteilten Eigentums („pars pro diviso“) waren also „Teile überhaupt nicht mehr da“ und bestand folglich auch kein Miteigentum an der jeweiligen Sache mehr, sondern Alleineigentum am jeweiligen (real abgegrenzten) Teil.45

Die obige Erklärung Ulpians kam also jener Situation nahe, die nach der Auflösung einer Gemeinschaft und nach der Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch die Erhebung der actio familiae erciscundae bzw. der actio communi dividundo bestand. Die bisher im gemeinsamen Eigentum der Konsorten bzw. der socii stehende Sache wurde real geteilt und die Teile durch adiudicatio den bisherigen Gemeinschaftern ins Alleineigentum zugewiesen.

Das Zusammenspiel von real geteiltem Eigentum und Miteigentum nach Quoten zeigte insbesondere auch das Beispiel des im Erdreich an der Grenze zweier Grundstücke liegenden Steines (vgl. Paulus D. 17, 2, 83). Dieser befand sich im real geteilten Eigentum (pars pro diviso) des jeweiligen Grundstückseigentümers. Wurde er aus der Erde herausgehoben, hatte jeder Grundstückseigentümer noch eine entsprechende Quote (pars pro indiviso) daran.46 Nicht Miteigentum nach Quoten, sondern Teileigentum bestand auch an der Insel im Fluss, die durch angeschwemmte Erde entstand (vgl. Gaius D. 41, 1, 7, 1ff und Paulus D. 41, 1, 29).47

Für die von Ascheuer hinterfragte Qualität der Eigentumsanteile in einer communio ist mE jedoch trotzdem von Miteigentum nach Quoten auszugehen, zumal der von Ascheuer am Ende ihrer diesbezüglichen Überlegungen vorgenommene Versuch, Ulpians Ausführungen zum gemeinsamen Wagen (D. 13, 6, 5, 15) grammatikalisch umzudeuten, sprachlich schwer nachvollziehbar ist. Bezieht man in Ulpians Zitat „nec quemquam partis corporis dominium esse, sed totius corporis pro indiviso pro parte dominium habere“ im zweiten Halbsatz „pro parte“ zu „dominium“, so ergibt sich der Hinweis auf „gedachte“ Anteile an der Sache. Bezöge man hier „pro parte“ jedoch auf „corporis“, so deutete dies auf real geteilte Anteile an der Sache hin.48

Betrachtet man hier in der A.C.I.-Konstruktion Ulpians aber nicht nur den zweiten (oben unterstrichenen) Gliedsatz, sondern den gesamten Satz, so erscheint diese Interpretation mE kaum haltbar. Denn Ulpian schilderte an dieser Stelle offenkundig einen Gegensatz, dessen

45 Vgl. Raape, Studienbehelf zu der Vorlesung über System des römischen Privatrechts2 (1947) 38. 46 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 141. 47 Vgl. Van Warmelo, Aspects of joint ownership in Roman Law, TR 25, 130f. 48 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 38. 78 zwei Denkmöglichkeiten er mit dem Wort „sed“ einander gegenüber stellte. Im ersten Halbsatz betonte er, dass niemandem ein Eigentum an einem Teil der Sache zukomme, sondern - dies legte er im zweiten Halbsatz dar - eben ein Eigentum an der ganzen Sache („totius corporis“), aber eben nur „pro parte pro indiviso“.

Interpretierte man den zweiten Halbsatz nun im oben erwähnten Sinn (und bezöge man „pro parte“ tatsächlich auf „corporis“), so wäre dieser Gegensatz im Grunde verschwunden und sagten beide Halbsätze, jedoch verbunden durch das Wort „sed“, dasselbe, nämlich, dass dem einzelnen eben nur ein Teil an der Sache gehörte (und wohl ohne Sinn übrig zu bleiben scheint zudem dann „pro indiviso“).

Letztlich erachtete auch Ascheuer selbst die Annahme lediglich gedachter Anteile als die „näherliegende“ Variante.49

Über den eigenen (rechnerischen) Anteil jedenfalls konnte der einzelne Miteigentümer frei verfügen, er konnte diesen an einen Dritten ohne Einvernehmen mit den anderen Eigentümern verpfänden, veräußern oder vermachen; durch die Erhebung der actio communi dividundo konnte der Einzelne die Gemeinschaft gegen den Willen der anderen Gemeinschafter zur Auflösung bringen.50

Im klassischen „Condominium“ verfügten die Miteigentümer also über rechnerische („gedachte“) Anteile an der Sache. Damit wurde eine „gemeinschaftliche Herrschaft nach Quoten“ über die Sache begründet. Indem die Miteigentümer ihre Herrschaft gemeinschaftlich ausübten, traten sie auch in ein „obligatorisches Verhältnis“ zueinander. Dieses konnte durch gemeinsame Erbschaft, einen Vertrag (Gesellschaftsvertrag) oder auch in anderen Fällen, wie der communio incidens, begründet werden.51

Die einzelnen „Tatbestände“ des Miteigentums werden in Kapitel 4 dargestellt werden, zuvor sollen jedoch noch die Rechte und Pflichten der Miteigentümer im Rahmen der communio in den Kapiteln 3.3. und 3.4. betrachtet werden.

49 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 39. 50 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung6 113. 51 Vgl. Von Wächter, Pandekten II (1881) 25. 79

3.3. Die communio im labilen Gleichgewicht?

Mehrere Eigentümer, die Miteigentum nach ideellen Quoten an einer gemeinsamen Sache hielten, standen in einer communio. Diese Gemeinschaft war eine Kategorie des Sachenrechts und bezeichnete man damit die gemeinschaftliche Berechtigung der Mitglieder an der Sache.52 Durch die gemeinschaftliche Ausübung der Herrschaft über die Sache, gingen die Mitglieder der communio jedoch auch obligatorische Verhältnisse miteinander ein.53

Die Regeln der communio erfassten also nur einen Teil - den sachenrechtlichen Aspekt - der, wie etwa insbesondere bei der societas, ansonsten wesentlich komplexeren Beziehungen der Mitglieder untereinander.

Das klassische Miteigentum wurde als ein Recht der einzelnen Eigentümer verstanden, das sich zwar auf die ganze im gemeinsamen Eigentum stehende Sache erstreckte, das aber dabei auch durch die gleichen Rechte der anderen Miteigentümer (rechnerisch) eben auf eine entsprechende Quote beschränkt wurde. Zu unterscheiden war zwischen den Rechten der Miteigentümer an der ganzen Sache einerseits und dem ideellen Anteil des Einzelnen andererseits, über den dieser frei verfügen konnte.54

Zu Konflikten zwischen den Miteigentümern konnte es insbesondere dann kommen, wenn über die gesamte Sache verfügt und Eingriffe auch in die Anteile der anderen Eigentümer vorgenommen werden sollten. Aber auch dann, wenn ein Miteigentümer seinen Anteil an einen Dritten veräußerte, konnte er dies ohne Zustimmung und ohne jedes Vorkaufsrecht der anderen Eigentümer tun. Damit bestand für die Gemeinschaft stets auch die Gefahr, so eine unerwünschte Person als Teilhaber zu erhalten.55

Das Miteigentum bildete somit im Grunde eine „Nutzungs- und Verwaltungsgemeinschaft im labilen Gleichgewicht“.56 Faktische Eingriffe, die über den eigenen rechnerischen Anteil hinausreichten, waren nur dann zulässig, wenn die anderen Eigentümer diese (ausdrücklich oder stillschweigend) hinnahmen.57

52 Vgl. Mayer-Maly, Römisches Recht2 66. 53 Vgl. Von Wächter, Pandekten II 25. 54 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung6 113. 55 Vgl. Raape, System des römischen Privatrechts2 38. 56 Vgl. Wieacker, Vom Römischen Recht2 198. 57 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 143. 80

Gegen unerwünschte Verfügungen des einzelnen Eigentümers hatten die anderen, die nicht einverstanden waren, ein ius prohibendi, mit dem sie die Vornahme solcher Verfügungen auch durch Selbsthilfe unterbinden konnten. Dieses Vetorecht des „Prohibenten“ war dabei stärker als das Recht zur Vornahme der Verfügung über die Sache (vgl. Marcellus D. 8, 5, 11).58

Ein Mehrheitsprinzip galt im klassischen Recht hingegen wohl noch nicht. Der Miteigentümer hatte aber als Ausweg aus Streitigkeiten freilich stets das Recht, die Auflösung der Gemeinschaft durch Erhebung der actio communi dividundo zu begehren.59

Allerdings führte diese Klage in klassischer Zeit unweigerlich zur Auflösung der Gemeinschaft (vgl. Ulpian D.10, 3, 3).60 Deren Erhebung zur Verhinderung unerwünschter Maßnahmen bei gleichzeitiger Weiterführung der Gemeinschaft sollte vermutlich erst in nachklassischer Zeit unter Justinian möglich werden.61

Eine Verfügung des einzelnen Gemeinschafters ohne die Zustimmung der übrigen war - im Gegensatz zum alten Konsortium - nun nicht mehr zulässig. Ein derart inniges Vertrauensverhältnis herrschte nicht mehr zwischen den Mitgliedern, sodass man die Verfügung über das Ganze nicht dem Einzelnen überließ.62

Unter solchen Bedingungen konnten Streitigkeiten sehr rasch zum Ende der Gemeinschaft führen. Der (klassische) „römische Individualismus“ überließ es mit seinem „Zwang zur Vernunft“63 also letztlich den Gemeinschaftern selbst, sich in der Gemeinschaft zu verständigen und ihre Beziehungen untereinander entsprechend zu regeln.64

Konnten die Eigentümer untereinander keine Einigung erzielen, so blieb nur der Ausweg der Auflösung der Gemeinschaft; es galt also - mit den Worten Seidls - der Grundsatz gegenüber den Miteigentümern: „Helft euch selbst oder teilt das Miteigentum auf“.65

58 Vgl. Wesener, Offensive Selbsthilfe im klassischen römischen Recht, in FS Steinwenter (1958) 119. 59 Vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht4 150. 60 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 224. 61 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 411; Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 143: vereinzelte klassische Vorläufer der Klage bei aufrechter Gemeinschaft seien aber möglich. 62 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 411. 63 Vgl. Wieacker, Vom Römischen Recht2 199. 64 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 591. 65 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 224. 81

3.4. Verfügungen der Miteigentümer über die gemeinsame Sache

3.4.1. Die Bedeutung des (rechnerischen) Anteils an der Sache

Der einzelne Miteigentümer hielt an der im gemeinsamen Eigentum stehenden Sache einen bloß gedachten ideellen Anteil. Jeder einzelne Eigentümer hatte zwar die volle Sachherrschaft inne, war darin aber durch das gleiche Recht der anderen eingeschränkt.66

Sein rechnerischer Anteil an der Sache wurde also nicht als ein „zerstückeltes“ Eigentumsrecht verstanden, sondern als ein körperlich die ganze Sache erfassendes Eigentum, welches jedoch aufgrund der Rechte der übrigen Miteigentümer auf eine Quote beschränkt war.67

Freilich musste jeder Miteigentümer ein Interesse daran haben, dass sein jeweiliger Anteil an der Sache einen eigenständigen wirtschaftlichen Wert hatte, über den er also unabhängig von den anderen Eigentümern und der ganzen Sache wie über einen im Alleineigentum stehenden Vermögenswert verfügen konnte. Diesem Interesse des Einzelnen an der völlig freien Handhabe über seinen Anteil standen freilich die mitunter ganz gegensätzlichen Interessen der Gemeinschaft und der anderen Eigentümer gegenüber. Gestand man dem Einzelnen die völlig freie Verfügung über seinen Anteil zu, so konnte dies auch bedeuten, dass der Gemeinschaft bisher außenstehende Dritte durch Erwerb eines Anteils hinzugesellt wurden, ohne dass die übrigen Gemeinschafter hier ein Mitspracherecht gehabt hätten. Das klassische Recht traf die Entscheidung zwischen diesen Interessen letztlich zugunsten des einzelnen Miteigentümers und zugunsten der freien Verfügung über den eigenen Anteil.68

Der Einzelne konnte über seinen rechnerischen Anteil an der gemeinsamen Sache frei und ohne die Zustimmung der anderen Eigentümer verfügen, indem er seinen Anteil veräußern, verpfänden, mit einem ususfructus belasten oder auch vindizieren konnte. Umgekehrt standen ihm auch die Nutzung und die Früchte aus der gemeinsamen Sache nur im Verhältnis seines jeweiligen Anteils zu, er erwarb an diesen keinen größeren Anteil als jenen, der seiner rechnerischen Quote an der ganzen Sache entsprach, unabhängig davon, wer von den Eigentümern die Saat für die Früchte ausgebracht hatte (vgl. Iulianus D 22, 1, 25).69

66 Vgl. Liebs, Römisches Recht 153. 67 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 142. 68 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 223. 69 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 411. 82

Über einen real abgegrenzten Teil der Sache oder über diese als Ganzes konnte der einzelne Miteigentümer allein und ohne die Mitwirkung der anderen Berechtigten nicht wirksam verfügen, stand dem doch das Recht der anderen Eigentümer im Wege und hätte dies einen eigenmächtigen Eingriff in deren Rechte dargestellt.70 Für derartige Verfügungen, die über den eigenen Anteil hinausgingen oder die ganze Sache betrafen, bedurfte es des Zusammenwirkens aller Miteigentümer, die dann parallel über ihren Anteil verfügten.71

Auch von vornherein unteilbare Verfügungen, wie die Einräumung einer Dienstbarkeit an der gemeinsamen Sache, konnten vom einzelnen Eigentümer überhaupt nicht wirksam vorgenommen werden, auch hierfür bedurfte es der gemeinsamen Verfügung durch alle Eigentümer.72

3.4.2. Zur Veräußerung des eigenen Anteils

Übertrug einer der Miteigentümer das Eigentum an seinem Anteil einem Dritten, so wurde der Erwerber freilich selbst wieder nur Miteigentümer an der gemeinsamen Sache im Ausmaß des erworbenen Anteils. Denn der bisherige Miteigentümer konnte - schon dem Grundsatz in Ulpian D. 50, 17, 54 folgend („nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet“) - eben auch nicht mehr als seinen Anteil übertragen. Gaius hielt dies ausdrücklich auch in D. 17, 2, 68 fest und verwies er darauf, dass dies selbst für die Gesellschafter der societas omnium bonorum galt: „Nemo ex sociis plus parte sua potest alienari, etsi totorum bonorum socii sint“ (vgl. Gaius D. 17, 2 ,68).

Die wirksame Veräußerung des eigenen Anteils durch den einzelnen Miteigentümer ohne die Zustimmung der anderen war also zweifellos möglich. Van Warmelo hielt es jedoch darüber hinaus auch für möglich, dass in klassischer Zeit in wenigen bestimmten Fällen auch - ähnlich der früheren Situation im alten Konsortium - die Veräußerung der ganzen Sache durch einen Einzelnen wirksam gewesen sein könnte. Insbesondere vermutete er diese Möglichkeit für die „persönlichen Sachen“ („personal belongings“) des Gesellschafters einer societas omnium bonorum, die Gaius an der gerade zitierten Stelle ganz besonders betonte. Die gänzliche Unmöglichkeit, die persönliche Habe in einer societas omnium bonorum ohne die Zustimmung der übrigen Eigentümer veräußern zu können, erachtete Van Warmelo als wesentliches

70 Vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, Römisches Recht4 150. 71 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung6 113. 72 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 411. 83

Hindernis („drag“) für die sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten ihrer Mitglieder. Dennoch gestand auch er ein, dass die Worte von Gaius in D. 17, 2, 68 in ihrer Klarheit letztlich nur schwer anzuzweifeln seien.73

Auszugehen ist somit davon, dass in klassischer Zeit die Miteigentümer die ganze gemeinsame Sache nur veräußern konnten, indem alle über ihren jeweiligen Anteil verfügten.74

Veräußerte einer der Eigentümer seinen Anteil, schied er aus der Gemeinschaft bzw. der Gesellschaft aus und ließ einen neuen „Partner“ in der Gemeinschaft zurück. Die Verfügungsbefugnis über den eigenen Anteil wurde dabei nicht durch ein „Vorkaufsrecht“ der anderen Miteigentümer beeinträchtigt. Diese konnten sich also den Erwerber des Anteils und somit den neuen Miteigentümer weder aussuchen noch sich an dessen Auswahl beteiligen.75

3.4.3. Die Verpfändung und Belastung des eigenen Anteils

Neben jener, den eigenen Anteil an der gemeinsamen Sache zu veräußern, bestand für den einzelnen Eigentümer auch die Möglichkeit, diesen zu verpfänden. Eine Verpfändung des Anteils konnte sowohl im Rahmen der fiducia als auch der Hypothek erfolgen. Da die fiducia mit der Übertragung von Besitz verbunden war, erschien es hier nachvollziehbar, dass der Miteigentümer die Kontrolle über den zu verpfändenden Wert haben musste und sich dies eben zwangsläufig nur auf den eigenen Anteil beziehen konnte. Keine wesentliche Voraussetzung war der Besitz jedoch bei der besitzlosen Hypothek, für diese reichte die bloße Vereinbarung aus, sodass hier eine Verpfändung auch der unter der Kontrolle der anderen Eigentümer befindlichen Anteile zumindest denkbar war. Dennoch war wohl auch hier die Verpfändung nur des eigenen Anteils ohne Zustimmung der anderen Eigentümer wirksam (vgl. insb. Papinianus D. 20, 4, 3, 2). Der Gläubiger erwarb, selbst wenn tatsächlich die ganze gemeinsame Sache von einem Miteigentümer verpfändet wurde, nur das Recht am Anteil des Verpfänders.76

Auffallend dabei ist, dass die Wirkung der Hypothek an einem Anteil den Ausführungen von Gaius in D. 20, 6, 7, 4 zufolge auch eine Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft insofern

73 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership in Roman Law, TR 25, 178ff. 74 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 411. 75 Vgl. Wieacker, Vom Römischen Recht2 198f. 76 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership in Roman Law, TR 25, 188ff. 84

überdauerte, als dem Gläubiger auch nach der Aufteilung des Vermögens die Anteile aller bisherigen Miteigentümer hafteten:

„Illud tenendum est, si quis communis rei partem pro indiviso dederit hypothecae, divisione facta cum socio non utique eam partem creditori obligatam esse, quae ei obtingit qui pignori dedit, sed utriusque pars pro indiviso pro parte dimidia manebit obligata“ (Gaius D. 20, 6, 7, 4).

Wenn ein Miteigentümer also seinen Anteil an einer gemeinsamen Sache verpfändete, so haftete auch nach der Aufhebung der Gemeinschaft und der (realen) Aufteilung des bisher gemeinschaftlichen Vermögens nicht nur jener Teil, der dem Verpfänder zugeteilt wurde, sondern blieben die realen Teile der (beiden) Miteigentümer je zur Hälfte nach ideellen Quoten dem Gläubiger verhaftet.

Hier stand dem Gläubiger also selbst dann nicht nur der Teil des verpfändenden Miteigentümers, sondern auch jener des anderen Miteigentümers als „Haftungsfonds“ zur Verfügung, wenn schon keine communio mehr vorlag. Es wurde also maW das bisherige Pfand, der ideelle Anteil des Miteigentümers im Rahmen der Gemeinschaft, durch die Aufhebung nicht einfach in ein Pfand in Form eines realen Teiles umgewandelt. Hier spiegelte sich mE die Natur des klassischen Miteigentums in besonders deutlicher Weise wieder, hatte der Verpfänder doch nur einen ideellen Anteil an der ganzen Sache als Pfand hingegeben und steckte doch ein solch ideeller Anteil nun auch im real geteilten Vermögen eines jeden bisherigen Miteigentümers. Für den anderen Miteigentümer, dessen realer Teil nun zu einer ideellen Quote auch nach der Aufhebung der Gemeinschaft noch weiter als Pfand haftete, musste diese Lösung allerdings unbefriedigend sein, sollte doch die Aufhebung der Gemeinschaft oft auch alle Bindungen zwischen den Miteigentümern lösen. Genau das war hier aber offenkundig (wohl zugunsten des Gläubigers) nicht der Fall!

Der Miteigentümer konnte zwar seinen Anteil eigenständig auch mit einem ususfructus belasten (vgl. Ulpian D. 10, 3, 6).

Hingegen konnte eine Dienstbarkeit an einem Anteil aber nicht begründet und nicht erworben werden (vgl. Ulpian 8, 4, 6, 1 und zum Wegerecht Modestinus D. 8, 3, 11). Hierfür wurde, wie 85 etwa auch bei einer Freilassung eines gemeinsamen Sklaven, das gemeinsame Vorgehen aller Miteigentümer benötigt.77

Denn es konnte jeder Miteigentümer ja über seinen Anteil gesondert verfügen und so gemeinsam mit den anderen auch dem Berechtigten wirksam eine Dienstbarkeit (an der ganzen Sache) einräumen, wobei diese gesonderten Verfügungen auch nicht gleichzeitig vorgenommen werden mussten. Die Einräumung bzw. der Erwerb der Servitut erfolgten dann wirksam mit der Verfügung des letzten Eigentümers (vgl. Paulus D. 8, 4, 18 und Celsus D, 8, 3, 11).

3.4.4. Die Freilassung eines gemeinsamen Sklaven

Auch die Freilassung eines gemeinsamen Sklaven konnte im klassischen Recht nur durch alle Miteigentümer wirksam erfolgen. Im alten Konsortium war die Freilassung durch bloß einen der Miteigentümer noch möglich gewesen, das klassische Recht übernahm diese Möglichkeit jedoch nicht. Ließ nur einer der Eigentümer den Sklaven mit einer formellen manumissio nach dem ius civile frei, so wuchs sein Anteil den übrigen Miteigentümern an (vgl. Paul. Sent. 4, 12, 1). Durch eine bloß informelle Freilassung wurden dagegen keine Änderungen hinsichtlich des Eigentums bewirkt.78

Der Sklave erwarb so also nicht die Freiheit, sondern blieb im Eigentum der anderen Miteigentümer, die jetzt einen entsprechend größeren Anteil an ihm hatten. Unter Justinian wurde dies geändert und erlangte der Sklave in diesem Fall die Freiheit, wenn der freilassende Eigentümer die anderen für den Verlust ihrer Rechte am Sklaven entschädigte (vgl. Codex Iust. 7, 7, 1).79 Tat er dies nicht, war eine klassische Anwachsung seines Anteils bei den übrigen Eigentümern aber auch dann wohl noch denkbar.80

Doch sprach mE wohl im klassischen Recht nichts dagegen, dass jener Miteigentümer, der den Sklaven freilassen wollte, eine actio communi dividundo erhob und so die Aufhebung der Gemeinschaft am Sklaven bewirkte.

77 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 142. 78 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership in Roman Law, TR 25, 169. 79 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 142. 80 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership in Roman Law, TR 25, 170. 86

Da der Sklave freilich nicht real teilbar war, konnte der Richter ihm dann in der adiudicatio das alleinige Eigentum zuweisen und ihn zur Leistung einer entsprechenden Entschädigung an die bisherigen Miteigentümer verpflichten. In der Folge konnte er als Alleineigentümer eine manumissio gegenüber dem Sklaven wirksam aussprechen.

3.4.5. Die Dereliktion des Anteils

Entschloss sich einer der Miteigentümer dazu, seinen Anteil an der gemeinsamen Sache aufzugeben, so resultierte daraus, wie schon bei der oben dargelegten Freilassung eines gemeinsamen Sklaven, kein herrenloser Anteil, der der (originären) Aneignung zugänglich gewesen wäre. Der aufgegebene Anteil des einen Miteigentümers wuchs den Anteilen der anderen an.81

Dass der einzelne Miteigentümer seinen ideellen Anteil an der Sache auch aufgeben konnte, erscheint heute nicht weiter umstritten. In D. 41, 7, 3 hielt Modestinus wörtlich fest:

„An pars pro derelicto haberi possit, quaeri solet, et quidem si in re communi socius partem suam reliquerit, eius esse desinit, [ut hoc sit in parte, quod in toto:] atquin totius rei dominus efficere non potest, ut partem retineat, partem pro derelicto habeat“ (Modestinus D. 41, 7, 3).

Modestinus behandelte hier also die Frage, ob ein Teil des Eigentums aufgegeben werden könne. In der Folge bestätigte er diese Möglichkeit für den Fall des Miteigentums, an welchem der eigene Anteil aufgegeben werden könne und dieser dann eben aufhöre, dem bisherigen Miteigentümer zu gehören. Für den Alleineigentümer lehnte er die Möglichkeit der Aufgabe eines Teils des Eigentums aber im letzten Satz ab. Die beiden gegensätzlichen Konstellationen grenzte er deutlich mit dem Wort „atquin“ ab.

Doch Seidl wies völlig zu Recht darauf hin, dass sich eine Anwachsung des aufgegebenen Anteils bei den anderen Eigentümern aus dieser Stelle gar nicht ableiten ließe. Dabei räumte er ein, dass die Anwachsung aber die Folge dieses Gedankens sei.82

81 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 142. 82 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 222. 87

Tatsächlich ist die geradezu vorsichtige Formulierung des Modestinus hier auffallend. Modestinus beschränkte sich darauf festzustellen, dass der aufgegebene Anteil eben einfach aufhöre, seinem Eigentümer zu gehören.

Gerade die (vermutlich später eingefügte) Wendung „ut hoc sit in parte, quod in toto“ erscheint aber im gegebenen Kontext missverständlich.83 Am Ganzen kann ja nach den Worten Modestinus´ selbst ein Teil des Eigentums nicht aufgegeben werden. Wohl aber könnte das gesamte Eigentum an einer (ganzen) Sache aufgegeben und dieses dann von jemand anderem originär (durch occupatio) erworben werden. Wenn also das für den aufgegebenen Anteil gelten solle, „was für das Ganze gilt“, so spräche dies mE ja erst recht eher gegen die Anwachsung des Anteils und wohl für die Möglichkeit einer originären Aneignung dieses Anteils.

Dennoch erscheint letztlich doch die Anwachsung des aufgegebenen Anteils vor dem Hintergrund des klassischen Miteigentums als die nächstliegende Annahme. Versteht man das Miteigentum nach dem klassischen Recht als eine Sachherrschaft, die zwar die ganze gemeinsame Sache erfasst, die jedoch aufgrund der Rechte der anderen Eigentümer auf eine Quote beschränkt wird, so ergibt sich daraus, dass durch das Ausscheiden eines Miteigentümers das Eigentum der anderen jedenfalls nicht mehr durch das Recht des Ausscheidenden beschränkt wird.84

Mit anderen Worten wird durch den Wegfall eines Miteigentümers das Eigentum der verbliebenen Miteigentümer in einem geringeren (rechnerischen) Ausmaß eingeschränkt und haben diese daher auch eine höhere Quote an der gemeinsamen Sache.

Dennoch bleiben angesichts der vage anmutenden Formulierung von Modestinus Bedenken. Warum sprach er die Anwachsung des Anteils nicht konkret an? Warum beschrieb er die Folge der Aufgabe des Anteils so allgemein, indem er nur feststellte, dass dieser Anteil eben „aufhört, ihm (Anm.: dem bisherigen Miteigentümer) zu gehören“?

Zweifelsfrei war die Aufgabe eines Anteils am gemeinsamen Eigentum also möglich, zumindest darauf lässt die zitierte Stelle schließen.85

83 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership in Roman Law, TR 25, 172. 84 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 142. 85 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership in Roman Law, TR 25, 172. 88

Abschließend sei festgehalten, dass die Anwachsung des aufgegebenen Anteils bei den übrigen Miteigentümern (im Gegensatz zu einer eventuellen originären Aneignung von Seiten eines Dritten) auch verhinderte, dass eine außenstehende Person, die nicht einmal vom ausscheidenden Miteigentümer ausgesucht worden war, zur Gemeinschaft stoßen konnte. Die Bejahung einer originären Aneignung des aufgegebenen Anteils trüge also hingegen dazu bei, dass die verbleibende Gemeinschaft unter Umständen noch instabiler würde.

3.4.6. Die Vindikation des eigenen ideellen Anteils

Neben den bisher dargelegten Verfügungen hatte der einzelne Miteigentümer auch das Recht, seinen Anteil an der Sache zu vindizieren und von jedem, der ihm diesen vorenthielt, heraus zu verlangen.86

Im Fall der Vermischung oder Vermengung stand dem Miteigentümer unstrittig die vindicatio pro parte zur Verfügung (vgl. Ulpian D. 6, 1, 3, 2). Der Miteigentümer, dessen Stoff mit jenem eines anderen vermengt oder vermischt worden war, konnte mittels vindicatio pro parte eine seinem Anteil entsprechende Menge am Gemisch bzw. dem Gemenge verlangen.

Dem mit einer partitio legata bedachten Legatar und dem Erben stand zunächst die vereinfachte Form der Abfindung des Legatars nach Paulus D. 30, 27 zur Verfügung. Für den Fall, dass diese nicht zur Anwendung kam, konnte der Legatar seinen Miteigentumsanteil mit dem „vindicare portionem“ beanspruchen.87

Auch in anderen Fällen als diesen konnte der Miteigentümer seinen Anteil vindizieren. Die hierfür wohl wichtigste Quelle findet sich in Ulpian D. 6, 1, 8:

„Pomponius libro trigensimo sexto probat, si ex aequis partibus fundum mihi tecum communem tu et Lucius Titius possideatis, non ab utrisque quadrantes petere me debere, sed a Titio, qui non sit dominus, totum semissem. aliter atque si certis regionibus possideatis eum fundum: nam tunc sine dubio et a te et a Titio partes fundi petere me debere: [quotiens enim certa loco possidebuntur, necessario in his aliquam partem meam esse:] et ideo te quoque a Titio

86 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 411. 87 Vgl. Stiegler, Vindicare portionem (D. 30, 27), SZ 84 (1967) 357 (362). 89 quadrantem petere debere, quae distinctio neque in re mobili neque in hereditatis petitione locum habet: nunquam enim pro diviso possideri potest“ (Ulpian D. 6, 1, 8).

Allgemeiner formuliert, waren A und B im ersten von Ulpian hier beschriebenen Fall Miteigentümer eines gemeinsamen Grundstücks, das jedoch im gemeinsamen Besitz von B und C war.

Wollte A nun seinen Anteil herausverlangen, musste er diesen zur Gänze von C (Lucius Titus) einfordern. C war ja nicht Eigentümer des von ihm mitbesessenen Grundstücks. Die Rechtsposition von B wurde in diesem Fall von A nicht angefochten.88

Wesentliches Merkmal dieses ersten Falles war der Umstand, dass B und C hier den Mitbesitz nicht an realen Anteilen des Grundstücks von A und B innehatten. Es genügte daher, dem Konstrukt des Miteigentums folgend, wenn der nicht im Besitz befindliche A, der seinen Anteil am Grundstück vindizieren wollte, dies nur gegenüber dem Mitbesitzer C, der ja nicht Eigentümer war, tat.

Im zweiten von Ulpian betrachteten Fall aber hielten B und C ihren Mitbesitz am Grundstück des A und B an real abgegrenzten Teilen. In jedem dieser Teile steckte ein Miteigentumsanteil des A, der, wenn er seinen Anteil am Grundstück vindizieren wollte, dies nun gegenüber beiden Mitbesitzern (B und C) tun musste. A musste daher sowohl gegenüber dem Nichteigentümer C eine Hälfte seines Anteils (also ein Viertel des ganzen Grundstücks) als auch gegenüber dem Miteigentümer B die andere Hälfte einfordern.

Van Warmelo wies an dieser Stelle darauf hin, dass, wenn Ulpian den außenstehenden Nichteigentümer Lucius Titius gar nicht erwähnt hätte, man davon ausgehen könne, dass eine vindicatio auf den Anteil auch allein gegen den Miteigentümer eingebracht werden konnte. So hätte man auch auf diese Weise die Aufhebung der Gemeinschaft erreichen können, wenn man gleichzeitig freilich akzeptierte, dass die vindicatio pro parte auch in anderen Fällen als dem klassischen der confusio und commixtio zur Anwendung gelangte.89

88 Vgl. Glück, Ausführliche Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld VIII/1 (1807) 144. 89 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership in Roman Law, TR 25, 139. 90

Ein ähnlicher Fall findet sich für einen vererbten ususfructus in Labeo D. 33, 2, 31. In dem dort beschriebenen Fall hatte an einem Grundstück, welches im gemeinsamen Eigentum zweier Miteigentümer (A und B) stand, einer der beiden den darauf befindlichen ususfructus seiner Frau vermacht.

Auch in diesem Fall habe sich die Ansicht durchgesetzt, dass nach dem Tod des vermachenden Miteigentümers und nach einer entsprechenden richterlichen Realteilung des bisherigen gemeinsamen Grundstücks der ususfructus weiter auf den realen Teilen beider Miteigentümer laste (vgl. Labeo D. 33, 2, 31).

Wie bei der Vindikation einer ganzen Sache musste auch bei der auf einen Anteil bezogenen die herauszugebende Sache bzw. eben der Anteil genau bezeichnet werden (vgl. Paulus D. 6, 1, 6 und Gaius 6, 1, 76). Nur als Ausnahme war eine rei vindicatio incertae partis vorgesehen, wenn der genaue Anteil zunächst nicht angegeben werden konnte, wie bei der Vermengung oder Vermischung von Stoffen gleicher Natur (vgl. Ulpian D. 6, 1, 3, 2).

Ebenso musste ein Vermächtnisnehmer, der einen Anteil am Vermächtnis einforderte, den genauen Anteil noch nicht angeben, wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, ob sein Vermächtnis gekürzt werden musste, um den Erben die seit der Lex Falcidia (ca. 40 v. Chr.) vorgesehene „falcidische Quart“ zu sichern. Auch dann, wenn dem Legatar ein Sklave vermacht worden war und er in gerechtfertigter Unkenntnis über den vindizierten Anteil befand, konnte von der genauen Angaben des Anteils abgesehen werden (vgl. Gaius D. 6, 1, 76, 1 bzw. Paulus D. 10, 3, 8, 1).

Nahm der Kläger ansonsten ohne Grund keine genaue Bezeichnung des Anteils vor oder vindizierte er einen zu großen Anteil, so riskierte er die Abweisung seiner Klage wegen einer pluris petitio (vgl. Gaius Inst. 4, 53a).

Die Formel der Vindikation eines Anteils unterschied sich von der „normalen“ Vindikation einer ganzen Sache insbesondere in ihrer Formel. Der Kläger musste sich hier einer abgewandelten Formel bedienen, die so ausgesehen haben könnte: „si paret rem Ai.Ai. esse pro parte illa […]“. Der Hinweis auf den bloßen Anteil, der vindiziert wurde, wurde in die intentio und dann auch in die Restitutionsklausel der Formel aufgenommen („…neque ea res restituetur pro parte illa“). Die condemnatio wies den Verweis auf den Anteil dagegen nicht auf, da ohne 91 weiteres klar ist, dass der (im eigenen Namen klagende) Miteigentümer ohnehin nur den ihm selbst zugefügten Schaden einfordern darf.90

Ein weiterer Unterschied zur Vindikation einer ganzen Sache lag darin, dass der Miteigentümer nur die Einräumung von Mitbesitz, nicht aber von Alleinbesitz fordern konnte. Aus diesem Grund genügte es nicht, dass der Richter im Verfahren den (erfolgreichen) Kläger nur als Miteigentümer an der Sache feststellte, sondern musste er auch den Anteil des Klägers und das Ausmaß, in welchem die Sache restituiert wird, festlegen.91

Ein einzelner Eigentümer konnte an sich nur seinen Anteil an der gemeinsamen Sache einfordern. Forderte er die ganze Sache ein, führte das zur Abweisung seiner Klage (wegen einer pluris petitio). Nur hinsichtlich einer nicht teilbaren Berechtigung, wie etwa einer Servitut, konnte er auf Gewährung des gesamten Rechtes klagen.92

Nun gab es aber jene Fälle, in denen die Forderung nur des eigenen Anteils von den anderen Miteigentümern keinen ausreichenden Schutz bieten konnte. Zu denken ist hier an den Fall, dass einem Miteigentümer von den anderen die ausschließliche Nutzung des gemeinsamen Gutes eingeräumt wurde. Der zur alleinigen Nutzung befugte Eigentümer musste dafür einen Pachtzins entrichten. Vereinbart wurde eine solche Nutzung des gemeinsamen Gutes durch locatio conductio. Wurde der dadurch zur Benutzung befugte Eigentümer nun durch einen Dritten daran gehindert, half es nicht, seinen Anteil nur gegen die anderen Eigentümer zu verteidigen. Das hätte ja nicht die ungestörte Benützung des Gutes ermöglicht. Die Störung war hier ja von einem Dritten zu vertreten.

Freilich konnte sich der zur Nutzung befugte Gemeinschafter durch die actio conducti an die anderen Eigentümer wenden. Durch sie konnte er darauf drängen, dass auch die anderen Eigentümer ihre Anteile gegen den Dritten verteidigten. Diese Möglichkeit entsprang also dem Vertrag des Pächters und der anderen Eigentümer der gemeinsamen Sache. Auch eine Zession der Klage der anderen Gemeinschafter auf den zur Nutzung befugten Eigentümer war zulässig. Schließlich vertrat Von Seeler hier die Ansicht, dass dieser noch eine weitere Möglichkeit habe, die ungestörte Nutzung der Sache zu sichern. Man müsse ihm wohl die Befugnis zusprechen,

90 Vgl. Von Seeler, Die Lehre vom Miteigenthum nach Römischem Recht (1896) 85. 91 Vgl. Von Seeler, Die Lehre vom Miteigenthum 84. 92 Vgl. Weiss, Institutionen des römischen Privatrechts (1949) 164. 92 hier die Klage auch für die Genossen auf das Ganze zu erheben. Er könne dabei also als freiwilliger Stellvertreter aller seiner Genossen tätig werden.93

3.4.7. Nutzung der gemeinsamen Sache

Die Nutzung der gemeinsamen Sache war den Miteigentümern nur in Relation ihrer ideellen Anteile gestattet. So erwarb der einzelne Eigentümer an den Früchten nur Eigentum, das seinem Anteil entsprach (vgl. D. 22, 1, 25).94 Waren an die Sache Verpflichtungen geknüpft, so trafen diese den Eigentümer nur nach seinem eigenen Anteil (vgl. D. 39, 2, 27). Eine Ausnahme war hier aber der Vertrag mit einem Sklaven, der mehreren Eigentümern gehörte. Der Vertragspartner konnte hier jeden der Eigentümer des Sklaven auf das Ganze klagen (vgl. D. 15, 1, 27, 8).95 Der einzelne Eigentümer war verpflichtet, seinen Genossen Anteile hinsichtlich des Gewinnes aus der Sache zu gewähren. Für diesen Zweck stand wohl die actio communi dividundo zur Verfügung. Diese Klage war aber in klassischer Zeit mit der Beendigung der Gemeinschaft verbunden. Für denkbar erachtet wurde daher die begrenzte Anwendung der actio negotiorum gestorum. In den Quellen fehlen aber entsprechende Hinweise auf diese Klage.96 Die Klage war aber wohl auf die Abrechnung nützlicher Aufwendungen eines Gemeinschafters anwendbar. Nicht abgerechnet wurden durch sie aber die notwendigen Aufwendungen. Sie wurden bei der Aufhebung berücksichtigt.97

Oft war die Nutzung einer gemeinsamen Sache nur nach den eigenen ideellen Anteilen nicht praktikabel. Die Eigentümer konnten daher miteinander Vereinbarungen über die Nutzung der ganzen Sache abschließen. So konnte ein Gemeinschafter die ganze Sache für sich nutzen. Die Gegenleistung war ein Geldbetrag oder dann die Hingabe des eigenen Anteils zur Nutzung durch einen anderen Eigentümer. Die zeitliche Nutzung des Gutes wurde durch eine societas, eine locatio conductio oder einen Innominatkontrakt vereinbart. War die Gegenleistung des zur Nutzung befugten Eigentümers keine Geldleistung, so war aber eine Klage aus der Pacht ausgeschlossen (vgl. D. 10, 3, 23). Das traf zu, wenn die Eigentümer der Reihe nach zur

93 Vgl. Von Seeler, Die Lehre vom Miteigenthum 86. 94 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 411. 95 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz. 228. 96 Vgl. Von Seeler, Die Lehre vom Miteigenthum 15 bzw. dagegen Seiler, Der Tatbestand der negotiorum gestio im römischen Recht (1968) 309. 97 Vgl. Seiler, Der Tatbestand 298, 301. 93

Nutzung des ganzen Gutes befugt waren. Dann gab jeder der Eigentümer auch seinen Anteil zur Nutzung durch den anderen hin.98

Die unerwünschte Nutzung der Sache konnte jeder Eigentümer durch sein ius prohibendi verhindern. Das ließ auch die Selbsthilfe zur Verhinderung einer Maßnahme zu. Jeder Eigentümer konnte so eine unerwünschte Maßnahme an der gemeinsamen Sache auch gewaltsam verhindern. Das Vetorecht war stärker als die gegnerische Befugnis zur Durchführung der Maßnahme. Daher konnte jede Maßnahme eines Eigentümers durch ein Verbot des anderen Genossen verhindert werden. Jede Maßnahme an der Sache war also von der Duldung der anderen Eigentümer abhängig. Wenn keiner der Eigentümer ein Veto aussprach, war die Maßnahme zulässig.99

In der Gemeinschaft gab es unter den Eigentümern keinen Rechtszwang. Ohne das Einvernehmen aller Gemeinschafter war nur die Aufhebung der Gemeinschaft ein Ausweg. Das bedeutete aber nicht, dass die Gemeinschaft ein gerichtsfreier Raum gewesen wäre. Den Eigentümern standen einige Behelfe auch gegen die eigenen Genossen zur Verfügung.100

Einig scheint man sich darüber, dass den Gemeinschaftern die actio legis Aquiliae sowie die actio furti gegen die Genossen zustand. Die hier zweitgenannte Klage schied aber gemäß D. 9, 4, 41 aus, wenn ein gemeinsamer Sklave den Diebstahl beging. Wurden unerwünschte Maßnahmen durchgeführt, konnten die anderen Eigentümer auch die Besitzinterdikte anwenden. Schädigte Regenwasser das gemeinsame Gut, stand den Genossen die actio aquae pluviae arcendae zur Verfügung (vgl. D. 39, 3, 6, 2). Diese Klage konnte auch gegen die Miteigentümer erhoben werden (vgl. D. 39, 3, 6, 3). Strittig schien aber die Verwendung der actio negatoria gegen einen anderen Gemeinschafter. Nicht zur Anwendung kamen gegen die Genossen die cautio damni infecti sowie die Klage zur Grenzbereinigung. Die Gemeinschaft der Eigentümer war also kein gerichtsfreier Raum. Nicht verkannt wird aber, dass sich die eben erwähnten Instrumente teils auf eng definierte Fälle bezogen. Zahlreiche Konflikte waren nur durch eine Einigung der Gemeinschafter zu beheben. Konnten sie kein Einvernehmen erreichen, blieb nur die Beendigung der Gemeinschaft als Ausweg.101

98 Vgl. Von Seeler, Die Lehre vom Miteigenthum 41. 99 Vgl. Wesener, Offensive Selbsthilfe, in FS Steinwenter 119. 100 Vgl. Misera, Der Nutzungstausch bei Nachbarn und Miteigentümern, SZ 94 (1977) 267 (287). 101 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 411 bzw. Von Seeler, Die Lehre vom Miteigenthum 21. 94

Freilich war das für die Gemeinschafter, die Interesse an deren Fortbestand hatten, unbefriedigend. Die vorhin genannten Instrumente boten in einigen Fällen einen anderen Ausweg. Dann konnte von der Aufhebung der Gemeinschaft auch abgesehen werden 102

3.5. Zur Aufhebung der Gemeinschaft

Die klassische Gemeinschaft bot durch ihre Konstruktion Potential für Konflikte der Gemeinschafter. Paulus sprach von großen und häufigen Streitigkeiten in der Gemeinschaft (vgl. D. 8, 2, 26). Zu den Streitigkeiten trugen wohl die Verfügung über den eigenen Anteil sowie das starke Veto gegen unerwünschte Maßnahmen wesentlich bei.

Streitigkeiten waren also in der Gemeinschaft häufig. Einen Ausweg bot hier die jederzeitige Beendigung der Gemeinschaft durch einen Gemeinschafter. Jeder der Gemeinschafter konnte durch eine Klage die Gemeinschaft beenden. Keiner wurde gegen seinen Willen zur Gemeinschaft verpflichtet (vgl. D. 12, 6, 26, 4). Seit den Zwölf Tafeln stand den Hauserben die actio familiae erciscundae zur Verfügung. Durch sie wurde die Hausgemeinschaft der sui heredes beendet. Schon während des dritten Jahrhunderts v. Chr. trat durch eine Lex Licinnia zu ihr die actio communi dividundo hinzu. Die erstgenannte Klage bestand aber zur Aufhebung der Erbengemeinschaft weiterhin. Die hier genannten Klagen dienten aber mehreren Zwecken. Sie hoben die Gemeinschaft auf. Das gemeinsame Eigentum wurde zu Alleineigentum der Genossen. Der richterliche Ausspruch ordnete den Gemeinschaftern das Alleineigentum an realen Teilen des Vermögens zu. War die gemeinsame Sache aber nicht teilbar, so konnte sie nur einem der Genossen zugesprochen werden. Die anderen Gemeinschafter wurden durch Geldabfindungen entschädigt. Die Abfindung der Gemeinschafter wurde durch Kondemnation auferlegt. Der Gemeinschafter, dem das Gut zugesprochen wurde, musste dann den Ausgleich durch Geld vornehmen. Forderungen der Gemeinschafter konnten in den Verfahren zur Aufhebung der Gemeinschaft abgerechnet werden. Ein Saldo der Gemeinschafter konnte hier wohl berücksichtigt werden. Die sachenrechtliche Wirkung der Klagen war aber in der Aufhebung der Gemeinschaft sowie der Beendigung des gemeinsamen Eigentums zu sehen. Das bisher gemeinsame Vermögen wurde nun zu Alleineigentum der Gemeinschafter. Die Verwendung der Klagen hob die Gemeinschaft auf. Ihre Verwendung während der

102 Vgl. dazu Misera, Der Nutzungstausch, SZ 94, 287. 95

Gemeinschaft war wohl noch nicht üblich. Kaser sah für die Anwendung der Klagen ohne Beendigung der Gemeinschaft nur Vorstufen.103

3.6. Zusammenfassung

Zur Zeit der jüngeren Republik wurde das natürliche Konsortium der Hauserben verdrängt. Dazu trug das Erbeinsetzungstestament wesentlich bei. Der Erblasser hatte so die Möglichkeit, den Nachlass auch nur an einen der sui heredes zu übertragen. Dadurch wurde nur ein Erbe benannt, die anderen wurden von der Erbschaft aber ausgeschlossen. Eine Zersplitterung des Vermögens konnte so vermieden werden. Blieben die Hauserben nach dem Tod des Familienoberhauptes weiter in einer Gemeinschaft verbunden, so hatte jeder von ihnen nun ein Miteigentum nach ideellen Anteilen. Die Hauserben waren nun in keinem natürlichen Konsortium mehr vereint. Jeder von ihnen hatte am gemeinsamen Nachlass einen ideellen Anteil. Jeder Gemeinschafter konnte über seinen Anteil verfügen. Eine Verfügung eines Gemeinschafters über das ganze Vermögen war nun aber unmöglich. Ebenso wurde das gekorene Konsortium nun verdrängt. Ersetzt wurde es durch die konsensuale Gesellschaft. In der societas omnium bonorum wurde das ganze Vermögen der Gemeinschafter gemeinsames Vermögen. Zur Gründung einer konsensualen Gesellschaft wurde aber kein strenger ziviler Akt benötigt. Das ebnete auch den Peregrinen den Weg in die Gesellschaft. Ein wesentlicher Antrieb für die Dominanz der neuen Gesellschaft war wohl darin zu sehen. Das Konsortium aber wurde durch eine Legisaktion begründet. Daher war es den Peregrinen verschlossen.

Die Gemeinschaft der Eigentümer wies einige besondere Wesenszüge auf. So konnte jeder Eigentümer frei über seinen Anteil verfügen. Gegen die Maßnahmen eines anderen konnte er sein Veto erheben. Eine Maßnahme an der Sache war nur wirksam, wenn keiner der Eigentümer ein Veto erhob. Die Mehrheit der Gemeinschafter genügte für die Vornahme der Maßnahme noch nicht. Die Maßnahme musste von allen Gemeinschaftern wenigstens geduldet werden. War kein Einvernehmen der Eigentümer zu erreichen, war die Aufhebung der Gemeinschaft häufig der einzige Ausweg. Jeder Eigentümer konnte dazu eine Klage erheben. Schon seit den Zwölf Tafeln stand den Erben dazu die actio familiae erciscundae zur Verfügung. Durch sie wurde die Hausgemeinschaft aufgehoben. Durch eine Lex Licinnia trat zu ihr die actio communi dividundo dazu. Durch die genannten Klagen konnte jeder Eigentümer die Aufhebung der Gemeinschaft erreichen. Keiner wurde gegen seinen Willen zur Gemeinschaft verpflichtet.

103 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 411f. 96

Die Gemeinschaft hing daher vom guten Einvernehmen der Gemeinschafter ab. Jeder Genosse konnte seinen ideellen Anteil veräußern, verpfänden oder aufgeben. Ein gemeinsamer Sklave musste aber von jedem seiner Eigentümer frei gelassen werden. Nur dann wurde er ein freier Mensch. Sonst blieb er der Sklave der anderen Eigentümer. Erst Justinian änderte das. Der freisprechende Eigentümer konnte seine Genossen dann in Geld entschädigen. Dadurch erreichte der Sklave seine Freiheit.

97

Kapitel 4: Erscheinungsformen klassischen Miteigentums

4.1. Erben und Kollegatare

4.1.1. Erbengemeinschaft

Die zweifellos ursprünglichste Form gemeinsamen Eigentums war die Gemeinschaft von Erben. Sie erfasste das gesamte Vermögen der Erben. Seit der Zeit der Zwölf Tafeln stand den Erben aber zur Beendigung der Gemeinschaft die actio familiae erciscundae zur Verfügung.1 Seidl sah in der Gemeinschaft der Erben überhaupt die älteste Form einer Eigentumsgemeinschaft in der Antike! Zugleich wies er aber darauf hin, dass die Einordnung der Erbengemeinschaft als Unterfall des Miteigentums wohl erst die Sache einer hoch entwickelten Rechtsordnung war. In den Vordergrund rückte zuerst die erb- oder familiengüterrechtliche Funktion dieser Gemeinschaft.2

Wie schon in Kapitel 2 ausgeführt wurde, hatte jeder Konsorte im altrömischen Konsortium die Befugnis, auch allein über das ganze Vermögen zu verfügen. Die Konsorten genossen also untereinander großes Vertrauen. Jeder von ihnen war ja in der Lage, für die Gemeinschaft nachteilige Verfügungen zu treffen. Das konnte freilich auch zum Untergang der gemeinsamen Existenzgrundlage der Erben führen. Konnten sich die Erben hinsichtlich einer Verfügung nicht einigen, blieb ihnen nur die klageweise Aufhebung ihrer Gemeinschaft. Ein Verbotsrecht des einzelnen Konsorten war denkbar, für diese Zeit aber nicht bezeugt. In der frühklassischen Zeit verschwand diese Gemeinschaftsform. Neben sie trat jetzt das Miteigentum nach ideellen Anteilen. Die Erben verfügten nun über eigene ideelle Anteile des gemeinsamen Vermögens. Über den eigenen Anteil konnte jeder Erbe frei verfügen. Es erscheint aber möglich, dass die klassische Variante der Gemeinschaft vorrangig für die Bedürfnisse der Erwerbsgesellschaft in der jüngeren Republik geschaffen wurde. Die Zuordnung von eigenen Anteilen an die Konsorten schien hier wirtschaftlich weniger riskant als bei den bäuerlichen Gütern. Letztlich hatten dann aber auch die Erben in der Gemeinschaft Miteigentum nach ideellen Anteilen.3

1 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership, TR 25, 145. 2 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 221. 3 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 141. 98

Der einzelne Miterbe konnte nun also nur über seinen eigenen ideellen Anteil des Gesamtgutes verfügen. Seine Berechtigung richtete sich sachenrechtlich nach den Regeln über das Miteigentum. Die Gemeinschaft konnte von den Erben einvernehmlich beendet werden. Daneben konnte jeder Erbe die Aufhebung der Gemeinschaft auch durch die actio familiae erciscundae herbeiführen. Die Klage diente aber noch nicht zur Abrechnung in der aufrechten Erbengemeinschaft.4 Sie war nun auch nur noch auf die Aufhebung der Erbengemeinschaft beschränkt. Für die Aufhebung anderer Gemeinschaften mehrerer Eigentümer stand die actio communi dividundo zur Verfügung. Auch diese Klage führte zur Beendigung der Gemeinschaft. Den Gemeinschaftern wurde dann Alleineigentum zugesprochen.5

Die klassische Erbengemeinschaft unterschied sich also klar vom vorklassischen Konsortium. Erstere war im Grunde nun eine konsensuale societas, die das ganze Vermögen der Erben erfasste. Daube verwies darauf, dass sich in der Erbengemeinschaft der Wechsel von der vorklassischen zur klassischen Konstruktion der Gemeinschaft sehr deutlich zeige. Es sei daher ein Fehler, die klassische Erbenvereinigung wie ein vorklassisches Konsortium zu sehen.6

Die Hauserben hatten also die Möglichkeit, das geerbte Vermögen des Vaters in einer societas weiter zu führen. Gingen die Erben diesen Weg, so wurde ihr ganzes Vermögen gemeinsames Gut. Dies betraf also auch den Erwerb der Gemeinschafter aus anderer Quelle. Die Erben konnten aber auch einen anderen Weg wählen. Sie konnten die Gemeinschaft nur auf die hereditas parentium einschränken. Der Erwerb aus anderer Quelle blieb dann Alleineigentum des Gemeinschafters (vgl. D. 17, 2, 52, 6). Die Weiterführung des väterlichen Vermögens war also nicht nur als societas omnium bonorum der Erben denkbar. Es gab so die Möglichkeit, eigenen Erwerb aus der Gemeinschaft auszunehmen. Die von den Erben eingeschränkte Gemeinschaft hatte nur den Nachlass des Vaters als Gegenstand. Hatten die Söhne das Vermögen des verstorbenen Vaters gemeinsam inne, so konnte also dennoch nicht von vornherein auf eine societas omnium bonorum geschlossen werden. Gingen die Erben aber freiwillig eine solche weit reichende Gesellschaft ein, so musste eben auch ihr Sondergut gemeinsames Eigentum werden (vgl. D. 17, 2, 52, 8).7

4 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 727. 5 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 143. 6 Vgl. Daube/Cohen/Simon (Hg.), Collected Studies in Roman Law I 43. 7 Vgl. zu den Details Meissel, Societas 145f. 99

4.1.2. Vermächtnisnehmer

Klassisches Miteigentum wurde auch dann begründet, wenn ein Erblasser eine Sache mehreren Vermächtnisnehmern hinterließ. Die Kollegatare erwarben an dieser Sache Miteigentum nach ideellen Anteilen. Sie verfügten also über eigene Anteile an der gemeinsam erworbenen Sache. Gaius sprach dabei von einzelnen Anteilen der Kollegatare (vgl. singuli partes in Gaius Inst. 2, 199 bzw. 2, 223). In klassischer Zeit war dabei aber zwischen den einzelnen Typen von Vermächtnissen zu differenzieren. Die Vermächtnisnehmer wurden nur dann Miteigentümer, wenn ihnen die Sache durch ein Vindikationslegat oder durch ein Präzeptionslegat hinterlassen wurde.8 Nutzte ein Erblasser aber das Damnationslegat, hatte der einzelne Vermächtnisnehmer einen Anspruch auf die ganze Sache oder ihren Wert in Geld. Das Vermächtnis (disiunctim) wurde entsprechend der Zahl der Vermächtnisnehmer vervielfacht. Erst Justinian beendete (gemäß C. 6, 43, 1) die Differenzierung der Vermächtnistypen. Die Kollegatare wurden dann in der Regel zu Miteigentümern. Eine gegenteilige Anordnung des Erblassers blieb weiterhin zulässig.9

Eine Gesellschaft oder Erbengemeinschaft von Vermächtnisnehmern bestand aber nicht. Daher konnten die Vermächtnisnehmer zur Beendigung ihrer Gemeinschaft auch nicht die actio familiae erciscundae heranziehen. Sie hatten dafür die actio communi dividundo zu ergreifen (vgl. Inst. Iust. 3, 27, 3). Daneben stand ihnen aber eventuell auch die vindicatio pro parte zur Verfügung. Der einzelne Kollegatar konnte diese Klage wohl gegen den Erben sowie die anderen Vermächtnisnehmer erheben. Auch gegen Dritte, die die gemeinsame Sache besaßen, konnte sie erhoben werden. Der einzelne Gemeinschafter konnte mit ihrer Hilfe eben auch von den anderen Vermächtnisnehmern seinen Anteil fordern. Dadurch beendete er auch die Gemeinschaft der Kollegatare. Somit schien aber die actio communi dividundo hier unnotwendig. Gerade in dieser Hinsicht könnte aber eine Besonderheit dieser Gemeinschaft zu erblicken sein. Möglich wäre es, dass in dieser Gemeinschaft besondere Regeln angewendet wurden. Darin wäre eine Ähnlichkeit zur Gemeinschaft aufgrund der Vermischung (confusio) von Stoffen unterschiedlicher Eigentümer sehen. Auch diese Gemeinschaft von Eigentümern wies eine ähnliche Parallelität der genannten Klagen auf.10

8 Vgl. dazu Van Warmelo, Aspects of Joint ownership, TR 25, 146. 9 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 431, 433. 10 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership, TR 25, 146. 100

Als Hinweis für die Zulässigkeit der vindicatio pro parte gegen den Erben sah Stiegler auch den in Paulus D. 30, 27 verwendeten Ausdruck des vindicare portionem an.11

4.2. Die klassische Societas

4.2.1. Konsortium und Societas

Schon zuvor in Kapitel 2 wurde erwähnt, dass das consortium ercto non cito wohl die Grundlage der klassischen Gesellschaft war. Zunächst war das natürliche Konsortium (in Gaius Inst. 3, 154a) die Gemeinschaft der Hauserben. Diese setzten nach dem Tod des Familienoberhauptes ihre Hausgemeinschaft als Konsortium fort. Wohl schon seit der Zeit der älteren Republik war es auch nicht miteinander verwandten Personen möglich, ein Konsortium zu gründen (vgl. Gaius Inst. 3, 154b). Das gemeinsame Vermögen musste hier kein Nachlass sein.12 Das so nachgeformte Konsortium wurde nun aber Schritt für Schritt von der klassischen societas omnium bonorum abgelöst.13 Zudem entwickelte sich wohl schon in der jüngeren Republik die auf der fides begründete Erwerbsgesellschaft für begrenzte Einzelzwecke.14

Wieacker ging davon aus, dass das Konsortium in der hochklassischen Zeit der Vergangenheit angehörte. Als Begründung für seine zeitliche Einschätzung nannte er einige Eckdaten, die hierfür von Bedeutung waren. Er verwies zunächst auf die für das nachgeformte Konsortium wesentliche legis actio. Diese sei wohl während des ersten Jahrhunderts n. Chr. praktisch verschwunden. Die Gesamtzuständigkeit des Konsortiums sei weg gefallen und durch das klassische Miteigentum ersetzt worden. Diesen Schritt datierte Wieacker in die Zeitspanne zwischen Sabinus und den Hochklassikern. Wieacker räumte dabei ein, dass man den Zerfall der legis actio nicht zu früh ansetzen dürfe. Hingegen habe das Erbeinsetzungstestament das natürliche Konsortium der Hauserben schon seit den Zwölf Tafeln überlagert. Das gekorene Konsortium habe also seine natürliche Grundform weit überdauert.15

Spätestens seit Sabinus war also wohl auch das gekorene Konsortium gänzlich als Vergangenheit zu sehen. Den natürlichen Hausverband beschrieb Gaius nur als Vorzeit. Das

11 Vgl. Stiegler, Vindicare portionem, SZ 84, 362. 12 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen des Gaius, SZ 54, 289. 13 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership, TR 25, 151. 14 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 280. 15 Vgl. Wieacker, Societas 205. 101 nachgeformte Konsortium war dann allenfalls noch verschwindende Gegenwart. Es wurde ersetzt von einer konsensualen Gesellschaft. Diese benötigte zu ihrer wirksamen Gründung eben keine legis actio. Dadurch hatten nun auch Peregrinen die Möglichkeit, ihr Vermögen in der Gesellschaft zu vereinen. Darin sah Wieacker sogar den stärksten Antrieb zur Dominanz der ohne strengen Formzwang zu gründenden Gesellschaft.16

4.2.2. Das Gesellschaftsvermögen

Verwiesen sei hier zunächst darauf, dass die Einräumung von Miteigentum durch die Gesellschafter in vielen Gesellschaften praktisch gar nicht notwendig schien. Die Gesellschafter wurden oft nur mit ihrem eigenen Kapital in der Gesellschaft tätig. Die Übertragung von Miteigentum an die anderen Gesellschafter war dann nicht erforderlich. Der Gesellschafter musste also nicht zwangsläufig Verfügungen über sein Eigentum treffen.17

Nur bei der societas omnium bonorum wurde das Vermögen der Gesellschafter ohne Übertragungsakt gemeinschaftliches Vermögen. Das betraf insbesondere das bei der Begründung der Gesellschaft vorhandene Vermögen. Dieses Vermögen wurde, wie auch künftiger Erwerb, gem D. 17, 2, 2 ipso iure gemeinschaftliches Gut. Dagegen war für ein gemeinsames Klagerecht bei Forderungen nur eines Gesellschafters eine Zession an die anderen notwendig (vgl. D. 17, 2, 3). Auch Schenkungen sowie Erbschaften an die Gesellschafter wurden gemeinsames Vermögen. Das traf auch auf Schadenersatz sowie die Mitgift zu (vgl. D. 17, 2, 52, 16). Kaufte ein socius aber später eine Sache, so erwarben die anderen Gesellschafter kein Miteigentum ipso iure daran. Dieses musste durch einen gesonderten Akt übertragen werden (vgl. D. 17, 2, 74). Die Gesamtgesellschaft zeichnete sich also dadurch aus, dass das (zu Beginn vorhandene sowie später erworbene) Vermögen des einzelnen Gesellschafters ohne sein weiteres Zutun gemeinsames Vermögen wurde. Dieses Merkmal hob die Gesamtgesellschaft von anderen Gesellschaftstypen ab. Das gekorene Konsortium hatte dazu eine streng formale legis actio benötigt.18

Ob der bloße Konsens der Gesellschafter wirklich genügte, um gemeinsames Vermögen zu begründen, erscheint aber für die beginnende Klassik strittig. Eindeutig schien dies wohl nur für das spät- bzw. nachklassische Römische Recht. In klassischer Zeit mochte eventuell noch

16 Vgl. Wieacker, Societas 207. 17 Vgl. Wieacker, Das Gesellschafterverhältnis des klassischen Rechts, SZ 69, 333. 18 Vgl. zu Details Mehr, Societas und universitas 31. 102 ein eigener Akt zur Übertragung ins gemeinsame Eigentum nötig gewesen sein. Die Begründung gemeinschaftlichen Eigentums durch reinen Konsens erschien zunächst wohl nicht anzunehmen.19

4.2.3. Zu anderen Gesellschaftstypen

Neben der zuvor erläuterten Gesamtgesellschaft konnten auch Gesellschaften für den gemeinsamen Erwerb begründet werden. Diente sie generell dem Erwerb der Gesellschafter, bezeichnete man sie als societas quaestus. Eine Gesellschaft konnte aber auch nur für einen genau fixierten Erwerbszweck begründet werden. Diesfalls war sie eine sog. societas alicuius negotiationis (vgl. D. 17, 2, 52, 2). Dementsprechend wurde hier nur der Erwerb aus der bezeichneten Tätigkeit gemeinsames Vermögen der Gesellschafter. Diese Gesellschaft bezog sich so nur auf die vereinbarte Form des Erwerbs.20

In den genannten Gesellschaften war aber eine gesonderte Übertragung des Eigentums der Gesellschafter notwendig. Wie der Akt der Übertragung aussah, ist aber bis heute nicht klar. Wieacker schloss hierfür eine mancipatio aus. Sie ermöglichte keine teilweise Übertragung von Miteigentum. Der übertragende Gesellschafter hätte so seinen Anteil nicht einbehalten können. Die traditio schied Wieacker ebenso aus. Sie sei als Akt zur Begründung von Miteigentum nur sehr beschränkt geeignet. Die Bedingung sei hierbei, dass den anderen Gesellschaftern schon der Mitbesitz an der gemeinsamen Sache eingeräumt war. Ein geeigneter Grund für die spätere Übertragung des Besitzes an der Sache war die traditio aber nicht. Wieacker schloss daraus, dass für die Übertragung der Anteile des Gutes an die anderen Gesellschafter nur eine in iure cessio in Frage kam. Die bloße Übergabe der Sache war dagegen keine Grundlage für die Begründung von Miteigentum. Als Ergebnis ist hier zu erwähnen, dass die Übertragung von Anteilen an der Sache eines Gesellschafters in den anderen Gesellschaften als der societas omnium bonorum eines Übertragungsaktes bedurfte. Dieser Akt war Wieackers Gedankengang nach eine in iure cessio.21

Auch in der klassischen Erwerbsgesellschaft schien ein gemeinsames Gesellschaftsvermögen durchaus üblich. Es war hier aber kein notwendiges Merkmal der Gesellschaft. Zuvor erwähnt

19 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership, TR 25, 150. 20 Vgl. zu jener Unterscheidung Mehr, Societas und universitas 32. 21 Vgl. Wieacker, Gesellschafterverhältnis, SZ 69, 337f. 103 wurde schon, dass oft ein gemeinsames Vermögen in der Praxis nicht notwendig schien.22 Wenn ein gemeinsames Gesellschaftsvermögen bestand, unterlag es den Regeln der Gemeinschaft.

4.2.4. Zur Wirkung der Gesellschaft

Begründet wurde die klassische Gesellschaft durch den bloßen Konsens der Gesellschafter. Die Gesellschaft blieb für die Dauer des aufrechten Konsenses unter den Gesellschaftern bestehen (vgl. Gaius Inst. 3, 151). Jeder Gesellschafter konnte jederzeit seinen Willen kundtun, die Gesellschaft zu beenden. Dadurch wurde die Gesellschaft aber aufgelöst. Auch durch den Tod, die capitis deminutio oder den Konkurs eines Gesellschafters wurde die Gesellschaft beendet. Sofern nichts anderes vereinbart wurde, waren die einzelnen Anteile am Gewinn gleich groß.23

Die klassische Gesellschaft wirkte nur innerhalb der Vereinigung der Gesellschafter. Verfügungen des einzelnen Gesellschafters gegenüber Dritten wirkten nur für oder gegen diesen socius. Die anderen Gesellschafter wurden aus einer solchen Verfügung eines Gesellschafters nicht verpflichtet oder berechtigt. Darin unterschied sich die Gesellschaft klar vom vorklassischen Konsortium. In diesem war der einzelne Konsorte ja befugt, wirksam über das ganze gemeinsame Gut zu verfügen. Über eine solche Befugnis verfügte der klassische Gesellschafter nun nicht. Die Pflichten des einen Gesellschafters gegenüber den anderen waren durch das Prinzip der fides begründet. Die Möglichkeit zur klageweisen Durchsetzung gab es in der Klassik wohl nicht. Die Anwendung der actio pro socio während der aufrechten Gesellschaft war wohl nicht klassisch. Auch die Geschäftsführung war durch das Einvernehmen der Gesellschafter zu regeln. Allerdings konnten Strafen gegen Gesellschafter vereinbart werden, wenn sie ihrer Pflicht in der Gesellschaft nicht nachkamen. So konnten Ansprüche gegen die Gesellschafter schon in der aufrechten Gesellschaft erzwingbar gemacht werden. Offenkundig vermied es die Rechtsordnung hier, in die Beziehung der Gesellschafter zueinander einzugreifen. Ein wesentlicher Baustein der Gesellschaft war daher das Einvernehmen der Gesellschafter. War dieses Einvernehmen gestört, konnte jeder Gesellschafter die Gesellschaft beenden.24

22 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 281. 23 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 574. 24 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 576. 104

Das Gleiche konnte auch über die Gemeinschaft, den Familienverband und die Körperschaften gesagt werden. Auch in diesen Gemeinschaften waren die Beziehungen der Eigentümer zueinander vorrangig von deren Einvernehmen abhängig.25

4.2.5. Zu den Klagen der Gesellschafter

Die Gedanken zur Gesellschaft nun abschließend soll hier noch die Problematik zweier Klagen bei Beendigung der Gesellschaft kurz erörtert werden. Nach beendeter Gesellschaft stand den bisherigen Gesellschaftern die actio pro socio zur Verfügung. Diese diente zur Abrechnung der noch offenen Ansprüche zwischen den Gesellschaftern. Zur Abrechnung kamen dabei auch nicht geleistete Beiträge, Schäden der Gesellschaft oder Ansprüche hinsichtlich des Gewinnes der Gesellschaft. Die genannte Klage gehörte den bonae fidei iudicia an.26

Zusätzlich waren die Gesellschafter aber auch in einer Gemeinschaft verbunden. Eine solche lag dann vor, wenn ein gemeinsames Vermögen der Gesellschaft existierte. Zur Aufhebung dieser (sachenrechtlichen) Gemeinschaft musste ein Gesellschafter aber jedenfalls die actio communi dividundo anwenden. Nur ihr Verfahren bot den Richtern die Möglichkeit, die Gemeinschaft zu beenden und Alleineigentum durch adiudicatio zuzusprechen. Aber auch durch diese Klage konnten Ansprüche der Gesellschafter abgerechnet werden. Fraglich erschien daher, welche Klage ein Gesellschafter vorrangig anwenden solle. Des Weiteren schien fraglich, ob durch die Verwendung der einen Klage die andere ausgeschlossen war.

Beantwortet wurde diese Frage insofern als jede der erwähnten Klagen zur vollen Liquidation der Gesellschaft notwendig war. Zur Aufhebung der Gemeinschaft war jedenfalls die actio communi dividundo erforderlich. Durch sie konnten aber auch Ansprüche der Gesellschafter abgerechnet werden. Trotzdem war für diesen Zweck die actio pro socio einschlägig. Jene Forderungen (nomina), die nur auf die Gesellschaft bezogen waren, konnten nur durch diese Klage abgerechnet werden. Forderungen, die keine Beziehung zur Gemeinschaft hatten, waren kein Teil des Verfahrens zur Aufhebung der Gemeinschaft. Der Richter in diesem Verfahren konnte über solche Forderungen nicht absprechen. Das hieß aber, dass jede der genannten Klagen ihre eigene Funktion hatte. So konnte wohl auch auf keine von ihnen verzichtet werden. Nur eine der Klagen hätte den Gesellschaftern nicht gedient. Zur Abrechnung aller ihrer

25 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 576. 26 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 576. 105

Ansprüche und für die Aufhebung der Gemeinschaft benötigten sie eben jede dieser Klagen. Wurde eine Forderung in einem der Verfahren abgerechnet, wurde sie freilich im anderen Verfahren nicht mehr berücksichtigt. Die Klage war dann in Hinblick auf diese Forderung konsumiert. Einige Forderungen konnten wahlweise mit jeder der genannten Klagen eingefordert werden. So konnten Ersatzansprüche für die Nutzung der gemeinsamen Sache und Aufwendungen für sie mit jeder dieser Klagen abgerechnet werden (vgl. D. 10, 3, 3 sowie D. 17, 2, 38, 1). Dasselbe war auch für die von einem Gesellschafter schuldhaft verursachten Schäden an der Sache zu sagen (vgl. D. 17, 2, 34). Hier lag also eine konkurrierende Zuständigkeit der Klagen vor.27 Das war letztlich das Ergebnis einer Verbindung der Gesellschaft mit einer dinglichen Gemeinschaft.

4.3. Vermengung und Vermischung

Zu Miteigentum nach ideellen Anteilen konnten im klassischen Römischen Recht auch die Vermischung von Flüssigkeiten und die Vermengung fester Stoffe führen. Die Quellen unterschieden zwar nicht ausdrücklich nach der Beschaffenheit der vermengten Stoffe unterschiedlicher Eigentümer. Das Ergebnis der Verbindung der Stoffe war aber schließlich doch nach ihrer Beschaffenheit zu differenzieren. Die Eigenschaft der Ausgangsstoffe war insbesondere für den Fall der unbeabsichtigten Verbindung wesentlich, wie sogleich dargelegt wird. Ein weiteres wichtiges Kriterium war wohl schon in klassischer Zeit der Wille der Eigentümer, ihre Stoffe zu verbinden. Anhand dieser Faktoren unterschied man die gleich erörterten Fälle der Verbindung von Ausgangsstoffen.

Zunächst sei hier der Fall der beabsichtigten Vermengung fester Stoffe erwähnt. Dieser Vorgang führte zu Miteigentum der Stoffeigentümer. Diese hatten ideelle Anteile an dem der Vermengung entspringenden Gemenge. Die Stoffeigentümer waren in einer Gemeinschaft verbunden. Jeder der Eigentümer konnte die Aufhebung der Gemeinschaft durch die actio communi dividundo fordern (vgl. D. 6, 1, 5).

Die willentliche Vermischung von Flüssigkeiten verschiedener Eigentümer führte ebenso zu deren Miteigentum. Vermischten Eigentümer ihren Wein willentlich, so hatten sie gemeinsames Eigentum hinsichtlich des Gemisches. Der Wille der Eigentümer führte auch hier

27 Vgl. Drosdowski, Das Verhältnis von actio pro socio und actio communi dividundo im klassischen römischen Recht (1997) 14ff. 106 zu einer Gemeinschaft. Das war auch dann der Fall, wenn die vermischten Flüssigkeiten unterschiedlich waren (vgl. D. 41, 1, 7, 8 zur Vermischung von Wein und Honig).

War aber eine untrennbare Vermengung von festen Stoffen von den Eigentümern gar nicht beabsichtigt, so war das Ergebnis kein gemeinsames Eigentum. Den Eigentümern der Ausgangsstoffe wurde aber eine dingliche Klage gewährt, die eine Herausgabe jenes Teils des Gemenges ermöglichte, der ihrem Beitrag daran entsprach. Ein Eigentümer eines Ausgangsstoffes konnte also seinen Teil des Gemenges herausfordern. Das war auch dann möglich, wenn der zustehende Gewichtsanteil des Gemenges noch ungewiss war (vgl. D. 6, 1, 3, 2). Die von den Stoffeigentümern nicht beabsichtigte Vermengung fester Stoffe führte also nicht zu Miteigentum pro indiviso. Nach Ansicht Kasers kam es hier zu keiner Verschiebung des Vermögens der Eigentümer. Jeder bleibe der Eigentümer seines eigenen Stoffanteils. Jeder Stoffeigentümer könne daher die vindicatio pro parte auf einen Anteil auch des Gemenges anwenden.28

In Zweifel gezogen wurde diese Ansicht aber für die unbeabsichtigte Vermischung flüssiger Stoffe. Bei der Vermengung fester Stoffe war die physische Trennbarkeit der vermengten Stoffe ja weiter gegeben. Getreidekörner konnte man auch nach der Vermengung noch ihren Eigentümern zuordnen. Bei gemischten flüssigen Stoffen war das nicht möglich. Die flüssigen Stoffe der einzelnen Eigentümer flossen ja ineinander. So war bei solchen Vermischungen die Anwendung nur der dinglichen Klage auf einen Anteil des Gemisches schwer zu erklären. Des Weiteren wurde auch darauf verwiesen, dass die Quellen die Frage der beabsichtigten Vermischung gleich wie jene der zufälligen beantworteten. Zu nennen ist hier Inst. Iust. 2, 1, 27. Auch Gaius (in D. 41, 1, 7, 9) erwähnte für die Vermischung ohne den Willen der Stoffeigentümer das gleiche Ergebnis wie für die beabsichtigte Vermischung.

Thönnissen ging anhand der Quellenlage davon aus, dass auch die unbeabsichtigte Vermischung zu Miteigentum führte. Die Eigentümer der vermischten Stoffe waren also in einer Gemeinschaft vereinigt. Diese unterlag freilich den Regeln der Gemeinschaft. Daher konnte die Gemeinschaft durch die actio communi dividundo beendet werden. Gemeinsames Eigentum war nach dieser Meinung das Ergebnis jeder Vermischung. Der fehlende Wille der Eigentümer zur Vermischung hatte hier dafür keine Bedeutung.29 Die Besonderheit war hier

28 Vgl. Kaser, Die natürlichen Eigentumserwerbsarten im altrömischen Recht, SZ 65 (1947) 219 (241). 29 Vgl. Thönnissen, Das römische Recht der Vermischung und Vermengung von Sachen (2008) 48. 107 aber darin zu sehen, dass auch die dingliche Klage auf einen Anteil des Gemisches angewendet wurde.30

4.4. Weitere Fälle von Miteigentum

Abschließend sollen hier nun noch einige weitere Fälle von Miteigentum erwähnt werden. Miteigentum nach ideellen Anteilen war auch bei einer gemeinsamen Trennwand in Häusern gegeben (paries communis). Die Wand war das gemeinsame Eigentum der Eigentümer der angrenzenden Häuser. Die Errichtung, die Benutzung sowie die Pflege der gemeinsamen Wand unterlagen den Regeln der Gemeinschaft. Benutzt werden durfte die jeweils dem eigenen Haus zugewandte Seite der Mauer. Die schädigende Benutzung konnte verboten werden. Nicht zulässig war etwa der Einbau von Heizungsrohren. Wurde einem Eigentümer eine Maßnahme an der Wand verboten, so konnte er sich durch Verwendung der actio communi dividundo dagegen wehren. Ihre Anwendung beendete die Gemeinschaft der Eigentümer der Mauer aber nicht. Die Klage war hier schon während der Gemeinschaft zulässig. So konnte sie auch der Abrechnung von Aufwendungen sowie von Schadenersatz dienen. Die Kosten für die Pflege der Mauer waren anteilig zu tragen.31 Der Bau von Trennwänden dürfte in Rom schon durch die Raumnot nach dem zweiten Punischen Krieg in der Praxis an Bedeutung gewonnen haben.

Wohl auch von gewisser Bedeutung war in der Praxis ein weiterer, hier zu erwähnender Fall des gemeinsamen Eigentums. Kauften mehrere Personen gemeinsam eine Sache, so wurden sie nur Miteigentümer dieser Sache. Auch sie waren in einer Gemeinschaft vereinigt. Gaius ging in D. 10, 3, 2 zudem davon aus, dass die Käufer auch in einer Gesellschaft vereint waren. Den Kauf einer gemeinsamen Sache unterschied Gaius hier klar von einer bloßen Gemeinschaft der Legatare. Diese waren nur in einer Gemeinschaft ohne Gesellschaft verbunden.

Der hier nun abschließend erörterte Fall betrifft einen Stein oder eine Pflanze, der bzw. die sich an einer Grundstücksgrenze befand. Das Eigentum daran stand den Eigentümern der darunter befindlichen Grundstücke zu. Diese Regel war aber nur anwendbar, wenn der Stein oder die Pflanze noch in der Erde war. Wurde der Stein oder die Pflanze ausgegraben, wurde er oder sie zu Miteigentum der Eigentümer der Grundstücke. Nach der Ausgrabung entsprach der ideelle Anteil der Eigentümer daran jenem, der ihnen vorher in der Erde real zukam. Durch die

30 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 160. 31 Vgl. Rainer, Der paries communis im klassischen römischen Recht, SZ 105 (1988) 488. 108

Ausgrabung aus der Erde wurde das Teileigentum nun zu Miteigentum nach ideellen Anteilen. Hier zeigte sich der Unterschied von Teileigentum sowie Miteigentum klar. Paulus sah hier in D. 17, 2, 83 eine Parallele zur Gemeinschaft der Eigentümer durch Vermischung von flüssigen Stoffen.32

4.5. Zusammenfassung

Als die früheste Form von Miteigentum wird die Gemeinschaft der Hauserben angesehen. Die sui heredes setzten nach dem Tod des Familienoberhauptes ihre Hausgemeinschaft fort. Schon zur Zeit der Republik wurde aber das natürliche Konsortium der Hauserben durch das Miteigentum nach ideellen Anteilen verdrängt. Die Erben hatten nun eigene ideelle Anteile des gemeinsamen Nachlasses. Jeder Erbe konnte über den eigenen Anteil frei verfügen. Über das ganze gemeinsame Gut konnte der einzelne Gemeinschafter das nicht mehr tun. Die Hauserben blieben also in einer Gemeinschaft vereinigt. Diese Gemeinschaft konnte weiterhin durch die actio familiae erciscundae beendet werden. Wurde eine Sache mehreren Vermächtnisnehmern gemeinsam hinterlassen, so erwarb jeder von ihnen ebenso nur Miteigentum daran. Zu beachten war dabei aber, dass man dazu ein Vindikationslegat benötigte. Ein Damnationslegat gab dagegen allen Vermächtnisnehmern einen Anspruch auf das ganze Vermächtnis oder dessen Wert. Ihre Gemeinschaft konnte durch die actio communi dividundo beendet werden. Daneben wurde aber auch die Vindikation des eigenen Anteils für möglich erachtet.

Auch das Vermögen in der Gesellschaft war gemeinsames Eigentum ihrer Gesellschafter. Ein gemeinsames Vermögen war aber keine Bedingung für die Gründung einer Gesellschaft. Nur in einer societas omnium bonorum wurde das ganze Vermögen der Gesellschafter ipso iure ins Miteigentum übertragen. In der Erwerbsgesellschaft konnte aber die Übertragung ins Miteigentum nur durch einen eigenen Akt erreicht werden. Die Gesellschaft fußte auf dem Prinzip der Treue. Sie konnte, anders als das Konsortium, auch von Peregrinen begründet werden. Das war ein wesentlicher Antrieb für die Dominanz der konsensualen Gesellschaft.

Als weitere Beispiele von Miteigentum sind die beabsichtigte Vermengung sowie die Vermischung von Ausgangsstoffen verschiedener Eigentümer zu nennen. Auch bei Kauf einer gemeinsamen Sache erwarben die Käufer Miteigentum nach Anteilen (vgl. Gaius D. 10, 3, 2).

32 Vgl. zu D. 17, 2, 83 Kaser/Knütel/Lohsse. Römisches Privatrecht21 141. 109

Kapitel 5: Betrachtungen zum nachklassischen Eigentumsrecht

5.1. Vulgarisierung und Rückkehr zur Klassik

Die nachklassische Periode war zunächst von den Wirren und den Zeichen des Niedergangs des römischen Reiches geprägt. Nachdem zu Zeiten Severus Alexanders das Reich an den Rand des Abgrundes gelangt war, war es zwar Diokletian, der eine starke Zentralgewalt etablieren konnte und durch Reskripte die klassischen Rechtsansichten fortzusetzen versuchte. Doch bot die absolute Monarchie letztlich einer freien Rechtspflege in der Tradition der Klassik keinen Raum mehr. Es kam zur Vulgarisierung des Rechts, das in dieser Form unter Konstantin sogar die Reichsgesetzgebung erfasste.1

Die zentralistische Politik trat in dieser Zeit einer stark segmentierten Gesellschaft gegenüber, die sich großen und permanenten wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgesetzt sah. Im Recht setzte sich die Tendenz zur Monopolisierung, Kodifizierung und genauen Überwachung seiner Anwendung durch.2

Im vierten nachchristlichen Jahrhundert unterlag der aus der Klassik überlieferte Rechtsstoff der Vulgarisierung sowohl im Westen als auch im Osten des römischen Reiches. Im Westen sollte sich diese auch im fünften Jahrhundert fortsetzen und steigern, während im Osten schließlich im fünften und sechsten Jahrhundert eine Rückbesinnung auf die Klassik einsetzte. Man begann damit, die noch verfügbaren klassischen Materialien zu sammeln und zu erörtern, woraus schließlich die Institutionen Justinians und die Digesten hervorgingen.3

Der Vulgarismus führte ab dem dritten Jahrhundert zu einem Abstieg der spätrömischen Rechtskultur, der sich im Westen des römischen Reichs auch in den folgenden Jahrhunderten fortsetzen sollte. Waren unter Diokletian die Fachjuristen noch an den klassischen Werten orientiert, vollzog sich unter Konstantin die vollständige Abkehr von diesen Werten.4

1 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 5. 2 Vgl. Bretone, Geschichte des römischen Rechts (1992) 236ff. 3 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 30. 4 Vgl. Wieacker, Vom Römischen Recht2 233. 110

Die riesige wirtschaftliche und soziale Not der Gesellschaft veranlasste die zusehends zunehmende Bürokratie zu Schutzmaßnahmen zugunsten der Untertanen.5 Teils aus machtpolitischen Erwägungen, teils eben auch aus wohlfahrtsstaatlichen Erwägungen wurde in deren Leben massiv eingegriffen.6

Im Eigentumsrecht verschwand nun die Unterscheidung des Quiritischen vom bonitarischen Eigentum sowie von jenem an Provinzialgrundstücken. Es entwickelte sich ein einheitlicher Eigentumsbegriff, der sich aus der Verschmelzung dieser drei - bereits gegenstandslosen - Typen des klassischen Eigentums ergab. Es existierten aber die Begriffe des bonitarischen und des provinzialischen Eigentums wohl noch weiter, bevor sie erst Justinian endgültig aus den Quellen beseitigte.7

Das Eigentum unterlag zahlreichen staatlichen Beschränkungen, woraus sich eine Art „qualifiziertes Eigentum“ ergab. Als Beispiele seien hier nur die Beschränkungen bei der Veräußerung von Grenzland (Cod. Th. 7, 15, 1 und 7, 15, 2) und bei der Veräußerung von Handwerksbetrieben, die der Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Gütern (Schweinehändler, Bäcker, u.a.) dienten, genannt. Erstere konnten nur an andere Soldaten oder zumindest an Personen, die auch zur Verteidigung der Grenze bereit waren, übertragen werden. Versorgungsbetriebe konnten wirksam nur an Personen übertragen werden, die bereit und in der Lage waren, den Betrieb fortzuführen, ansonsten musste der Käufer das erworbene Land wieder an den Verkäufer zurück übertragen (vgl. Cod. Th. 13, 6, 6 und 13, 6, 7).8

Die Abgrenzung zwischen dem Eigentum (dominium/proprietas) und den in der Klassik noch so streng davon getrennten iura in re aliena wurde nun aufgehoben, ebenso wurden die klaren Grenzen zwischen dem Eigentum und dem Besitz verwässert. Statt der eigentlich notwendigen Bezeichnung als Eigentum fand sich nun der Begriff „possessio“ in den Quellen, ebenso wie umgekehrt „dominium“ mitunter den Besitz ungenau bezeichnete.9

Der vulgaristische Eigentumsbegriff war terminologisch also weder von den beschränkten Sachenrechten noch vom Besitz scharf getrennt. Von „dominium“ oder „proprietas“ war

5 Vgl. Waldstein/Rainer, Römische Rechtsgeschichte10 (2005) 229. 6 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 6. 7 Vgl. Vandendriessche, Possessio und Dominium im postklassischen römischen Recht (2006) 234. 8 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law – The Law of property (1951) 41ff. 9 Vgl. unter Verweis auf zahlreiche Quellen im Cod. Th. Levy, West Roman Vulgar Law 22, 32; aM Vandendriessche, Possessio und Dominium 235ff. 111 mitunter auch dann die Rede, wenn eine Sache in jemandes Sachgewalt stand, unabhängig davon, ob die Sache ganz oder nur teilweise, dauernd oder eben nur auf Zeit beherrscht und benutzt werden konnte. Justinian hob schließlich das Eigentum wieder klar vom Besitz und den übrigen beschränkten Sachenrechten ab.10

Insbesondere Kaser führte dieses vulgaristische Eigentumsverständnis zum einen auf Laienmeinungen, die Eigentum und Besitz nicht klar auseinanderhalten konnten, zum anderen aber auch auf das schon klassische Eigentum an Provinzialgrundstücken, das mit dem missverständlichen Ausdruck „uti frui habere possidere“ beschrieben worden war, zurück. Die Übernahme alter hellenistischer Denkformen hielt er für unwahrscheinlich. Für denkbarer hielt er, dass durch den Wegfall der juristischen Hochkultur die geistigen Voraussetzungen für die klassische Differenzierung des Eigentums von anderen Rechten wegfielen, woraus ein „Rückfall in primitive laienhafte Denkformen“, die zum Teil mit denen der vorwissenschaftlichen Stufe übereinstimmten, resultierte.11

Auch Levy wies auf die durchaus auffälligen Parallelen des vulgaristischen Eigentumsverständnisses mit jenem des altrömischen Rechts hin und hielt dabei insbesondere fest, dass auch dieses keinen Eigentumsbegriff im späteren (klassischen) Sinne aufwies. Dennoch hielt er letztlich diese Ähnlichkeiten zwischen dem alten römischen Recht und dem vulgaristischen Eigentumsverständnis für nicht ausreichend, um Letzteres auf Ersteres zurückführen zu können. Es erschien ihm geradezu „absurd“, davon auszugehen, dass die Leute im späten Reich Kenntnis von den „unter dem Recht der klassischen Periode verborgenen archaischen Rechtsschichten“ hatten.12

In den nachfolgenden Unterkapiteln werden die nachklassischen Änderungen in Bezug auf das Miteigentum nach Quoten, weitere Tatbestände seiner Entstehung sowie die nachklassischen Ansätze des späteren, von den mittelalterlichen Lehren entworfenen „geteilten Eigentums“ beleuchtet.

10 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 (1975) 262. 11 Vgl. Kaser, Ausgewählte Schriften II (1976) 37. 12 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 72; ebenso gegen eine Herleitung aus dem alten Recht u.a. Stühff, Vulgarrecht im Kaiserrecht (1966) 85. 112

5.2. Die nachklassischen Besonderheiten des Miteigentums

5.2.1. Die Abkehr vom Individualismus klassischer Prägung

Wagt man zunächst einen kurzen Rückblick in die klassische Gestaltung des Miteigentums nach ideellen Anteilen, so ergibt sich nachstehendes Bild:

Als einzige Form der Berechtigung mehrerer Eigentümer an ein- und derselben Sache existierte im klassischen Römischen Recht das Miteigentum nach ideellen Anteilen. Ein Eigentum mehrerer Personen an der ganzen Sache, ein „dominium plurium in solidum“, gab es, anders als im Fall des deutschrechtlichen Gesamthandeigentums oder auch im altrömischen Konsortium, nicht (vgl. Ulpian D. 13, 6, 5, 15: „et ait […] in solidum dominium vel possessionem esse non posse“).

Im altrömischen Konsortium hatte noch jeder Konsorte allein das Recht, auch über die ganze Sache wirksam zu verfügen, einen rechtlich eigenständigen Anteil hatte der Einzelne an der gemeinsamen Sache oder den einzelnen Gegenständen hier nicht. Diese Form der Gesamtberechtigung verschwand allerdings wohl schon in der frühklassischen Zeit.13

Im klassischen Recht hatte der einzelne Miteigentümer hingegen einen eigenen rechnerischen Anteil an der gemeinsamen Sache, über den er frei und unabhängig von den anderen Eigentümern verfügen konnte. Der Miteigentümer konnte seinen eigenen Anteil frei veräußern oder verpfänden.14

Zudem stand es dem Miteigentümer frei, seinen Anteil mit einem ususfructus zu belasten. Die Belastung mit einer Servitut hingegen betraf als unteilbare Verfügung die ganze gemeinsame Sache. Eine solche Verfügung konnte nur dann wirksam werden, wenn alle Miteigentümer über ihren jeweiligen Anteil (parallel, aber nicht zwangsläufig gleichzeitig) verfügten.15

Dies galt insbesondere auch für die Freilassung eines Sklaven, welcher im gemeinsamen Eigentum mehrerer Personen stand. Wenn nur einer der Miteigentümer die manumissio (nach

13 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 141. 14 Vgl. Apathy/Klingenberg/Pennitz, Einführung6 113. 15 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht I2 411. 113 ius civile) vornahm, so erlangte der Sklave seine Freiheit nicht, sondern wuchs der Anteil des freilassenden Miteigentümers den anderen Eigentümern an, die fortan über einen entsprechend höheren Anteil am Sklaven verfügten.16

Unter Justinian aber sollte, wie in Kapitel 5.3. gezeigt werden wird, diese Regelung geändert und die Möglichkeit zur Abfindung der nicht freilassungswilligen Eigentümer und damit zur wirksamen Erlangung der Freiheit eingeräumt werden.

Faktische Maßnahmen, die nicht nur den eigenen Anteil betrafen, sondern die ganze Sache, bedurften in klassischer Zeit insofern zumindest der „Duldung“ durch die anderen als für deren Zulässigkeit kein Eigentümer von seinem Recht, die Maßnahme durch Selbsthilfe (oder auch durch Instrumente des Besitzschutzes) zu untersagen, Gebrauch machen durfte. Damit stand in klassischer Zeit jedem einzelnen Miteigentümer ein freies Vetorecht, ein ius prohibendi, zu, welches zudem stärker als das Recht des anderen Miteigentümers, der die Maßnahme vornehmen wollte, war (vgl. Marcellus D. 8, 5, 11 bzw. Papinian D. 10, 3, 28).17

Eine derartige Betonung der Rechte des Einzelnen musste zwangsläufig in vielen Gemeinschaften zu größeren Konflikten führen (vgl. Paulus D. 8, 2, 26). Zudem blieb aus unüberwindbaren Streitigkeiten der Miteigentümer in klassischer Zeit nur der Ausweg der Auflösung der Gemeinschaft durch Erhebung der actio communi dividundo bzw. der actio familiae erciscundae. Diese Klagen standen dem Einzelnen jederzeit zur Verfügung. Niemand sollte gegen seinen Willen zum Verbleib in der Gemeinschaft gezwungen werden (vgl. „nemo enim invitus compellitur ad communionem“, Ulpian D. 12, 6, 26, 4).

Die Aufrechterhaltung der Gemeinschaft hing also vom Einvernehmen der beteiligten Gemeinschafter ab. Jede Störung des Gleichgewichts zwischen ihnen konnte so zur Beendigung der Gemeinschaft führen. Ein Ausschluss des Rechts, jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft herbeizuführen, war wohl nur sehr eingeschränkt und auf eine festgelegte Zeit zulässig (vgl. Paulus D. 10, 3, 14, 2 und D. 10, 3, 19 zu gemeinsamen Hauseingängen).

Das Miteigentum klassischer Prägung konnte also zu Recht als eine „Nutzungs- und Verwaltungsgemeinschaft im labilen Gleichgewicht“ bezeichnet werden, in der jedes Mitglied

16 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 142. 17 Vgl. Wesener, Offensive Selbsthilfe, in FS Steinwenter (1958) 119. 114

über ein freies Vetorecht, volle und uneingeschränkte Verfügungsfreiheit über den eigenen Anteil und die jederzeit vorhandene „Kündigungsmöglichkeit“ verfügte.18

Des Weiteren musste die Betonung der Rechte des einzelnen Miteigentümers für eine moderne und sich stark weiterentwickelnde Wirtschaftsordnung zunehmend ungeeignet erscheinen. Dennoch spiegelte sich hier wohl eine grundlegende Wertung des klassischen Römischen Rechts wider: offenkundig schienen die klassischen Juristen jeder Form von Mehrheiten von Eigentümern an einer Sache zumindest skeptisch oder sogar ablehnend gegenüberzustehen. Zwar erachtete man es in einer begrenzten Zahl von Fällen zulässig, das mehrere Eigentümer für sich Miteigentum nach ideellen Quoten an einer Sache beanspruchten (Bsp. Erbengemeinschaft, Gesellschaft und confusio/commixtio). Dieses sollte aber auch nur eine bloße „Übergangsform“ sein und letztlich zurück zu Quiritischem Alleineigentum führen.19

Die Miteigentümer konnten zwar über ihren Anteil frei (und auch zum Nachteil der Gemeinschaft) verfügen, Maßnahmen des anderen Gemeinschafters durch ihr ius prohibendi sogar in Form der Selbsthilfe verhindern und jederzeit die Gemeinschaft beenden.

Dennoch erscheint es mE nicht gerechtfertigt, dem klassischen, freilich mit starken Rechten des Einzelnen versehenen Miteigentum von vornherein jeden „Gemeinschaftsgedanken“ absprechen zu wollen. Dieser ist wohl gerade nicht erst „germanischen Ursprungs“.20

Denn gerade vor dem Hintergrund der starken Rechte des einzelnen Mitglieds mussten sich die Mitglieder der Gemeinschaft eben miteinander „verstehen“ und aufeinander Rücksicht nehmen. Die dargelegte Konstruktion erzwang von den Mitgliedern der Gemeinschaft „gesunden Menschenverstand“ und „billiges Einvernehmen“. Nur äußerste Rücksicht also gegenüber dem jeweils anderen konnte eine Zerschlagung der Gemeinschaft verhindern.21

Zudem entsprangen gerade die ursprünglichen antiken Gemeinschaften (fortgesetzte Gemeinschaft der Hauserben) wohl gerade auch einem Gemeinschaftsgedanken, der freilich durch wirtschaftliche Nöte und durch die schon angesprochene Kargheit des Bodens verstärkt worden sein mag. Aber letztlich fühlte man sich ja zur Gemeinschaft, zur eigenen Familie

18 Vgl. Wieacker, Vom Römischen Recht2 198. 19 Vgl. Oppikofer, Über gemeinschaftliches Eigentum (1922) 38. 20 aM Oppikofer, Über gemeinschaftliches Eigentum 37. 21 Vgl. Wieacker, Vom Römischen Recht2 199. 115 zugehörig, wenn auch so mancher Erbe vom „Absprung“ aus der Gemeinschaft durch existenzielle Nöte abgehalten worden sein mag.

Auch dem alten Konsortium lag mE ein gewichtiger Gemeinschaftsgedanke zugrunde. Dieser mochte unbestritten oft auch in gewisser Weise durch die drohenden Schwierigkeiten, die eigene Existenz im Fall der Beendigung der Gemeinschaft zu sichern, nicht ganz freiwillig aufrechterhalten worden sein.

Dies ändert natürlich nichts daran, dass vor dem dargelegten Hintergrund die Rechte des einzelnen Miteigentümers im klassischen Recht wesentlich höher bewertet waren als die Interessen der Gemeinschaft.22

Der Aufbau einer neuen Staatsordnung und die damit einhergehende absolute Monarchie im dritten Jahrhundert n. Chr. bahnten aber auch der Einschränkung der Rechte des Einzelnen in der Gemeinschaft den Weg.

Denn nach den Wirren dieser Zeit, die das Reich an den Rande des Abgrundes geführt hatten, stellte, wie eingangs bereits erwähnt wurde, Diokletian (ab 284 n. Chr.) wieder eine starke Zentralgewalt im Reich her. Damit gingen jedoch eine starke Bürokratie und die „rücksichtslose Beschränkung der persönlichen Freiheit zugunsten der Staatsinteressen“ einher.23

Der Einzelne wurde zur Unterordnung gezwungen. Die Rechte des Einzelnen wurden teils aus machtpolitischen Erwägungen, teils aus wohlfahrtsstaatlichen Motiven stark eingeschränkt.24

Damit war wohl der Boden auch für entsprechende Veränderungen innerhalb der Gemeinschaft von Miteigentümern vorbereitet.

Auch die in der Gemeinschaft der Eigentümer bisher erlaubte Eigenmacht wurde jetzt im Interesse der Wahrung des Rechtsfriedens zugunsten des Eingreifens der staatlichen Gewalt zurückgedrängt.25

22 Vgl. Seidl, Römisches Privatrecht Rz 223. 23 Vgl. Kunkel/Schermaier, Römische Rechtsgeschichte14 (2005) 179. 24 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 6. 25 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 273. 116

Maßnahmen des einzelnen Eigentümers, die über seinen eigenen Anteil hinausgingen oder die ganze Sache betrafen, waren nicht mehr deshalb zulässig, weil keiner der anderen Miteigentümer von seinem Vetorecht Gebrauch machte und so die Maßnahme stillschweigend duldete. Benötigt wurde nun hingegen die ausdrückliche Zustimmung der Gemeinschafter. Hier genügte für die Zulässigkeit der Maßnahme allerdings bereits jene der Mehrheit der Eigentümer.26

Zudem konnte der Einzelne unliebsame Maßnahmen, die nicht im Interesse der Gemeinschaft lagen, nicht mehr durch Selbsthilfe unterbinden bzw. deren Auswirkungen beseitigen. Dafür bedurfte es nun richterlicher Kontrolle und der Erhebung der actio communi dividundo. Diese Klage konnte jetzt auch während aufrechter Gemeinschaft erhoben werden. Eine Aufhebung der Gemeinschaft war mit ihr nun nicht mehr verbunden.27

Jetzt konnten mit der actio communi dividundo Aufwendungen des einzelnen Gemeinschafters für die Sache abgerechnet und notwendige Aufwendungen entsprechend auf alle Eigentümer aufgeteilt werden.28

Ebenso wurden Streitigkeiten über die Aufrechterhaltung von jenen Maßnahmen, die im Interesse der Gemeinschaft lagen, und Schadenersatzansprüche einzelner Eigentümer nun auf diesem Wege abgewickelt.29

Die actio communi dividundo änderte also ihren Charakter als Klage nur zur Aufhebung der Gemeinschaft. Sie führte jetzt nicht mehr zwangsläufig zur Auflösung der Gemeinschaft der Eigentümer. Denn sie diente nun der Schlichtung bei Konflikten zwischen den Miteigentümern, ohne dass diese gleich die Aufhebung der Gemeinschaft in Kauf nehmen mussten. Es zählte der Wille der Mehrheit nun stärker als jener des einzelnen Mitglieds der Gemeinschaft, wodurch die Gemeinschaft als solche geschützt wurde.30

Die Lockerung der strengen klassischen Prinzipien mochte wohl auch durch die in ihrer Bedeutung zunehmenden frühchristlichen Prinzipien forciert werden. Zwischen den

26 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 273. 27 Vgl. zu möglichen klassischen Ansätzen Kaser, Das Römische Privatrecht II2 FN 105, 106, 107. 28 Vgl. Oppikofer, Über gemeinschaftliches Eigentum 39. 29 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 273. 30 Vgl. Oppikofer, Über gemeinschaftliches Eigentum 39. 117

Eigentümern wurde nun „billige Rücksicht“ gefordert und wurde das bisher freie Vetorecht des einzelnen Mitglieds im Interesse der Gemeinschaft eingeschränkt.31

Dadurch erreichte die Gemeinschaft eine entsprechend höhere Stabilität. Konflikte innerhalb der Gemeinschaft über Maßnahmen oder für die Sache erbrachte Aufwendungen konnten nun auch ohne deren Aufhebung mit richterlicher Entscheidung beigelegt werden. Die Auflösung der Gemeinschaft war also nicht mehr die einzige (in Kauf zu nehmende) Lösung für solche Konflikte.

Als schützenswert anerkannt wurde also die Gemeinschaft selbst, die auf Dauer und im Interesse der Mehrheit sowie losgelöst vom Willen des einzelnen Mitglieds angelegt wurde. Über den Nutzen und die Erhaltung der gemeinsamen Sache entschied nun die Mehrheit der Gemeinschafter. Für interne Konflikte standen die Hilfe der actio communi dividundo und eine richterliche Entscheidung zur Verfügung.32

5.2.2. Zur Entstehung nachklassischen Miteigentums

Wie im vorangegangenen Kapitel (4) dargelegt wurde, war im klassischen Römischen Recht Miteigentum nach ideellen Quoten im Rahmen der Erbengemeinschaft, am (eventuell vorhandenen) Gesellschaftsvermögen der konsensualen societas sowie im Rahmen der Vermischung bzw. Vermengung von Stoffen verschiedener Eigentümer entstanden.33

Auch die Verletzung der seit der klassischen Lex Falicidia vorgesehehen Quart, die dem Erben verbleiben musste, durch ein Legat führte dazu, dass dem Erben und dem Legatar an der vermachten unteilbaren Sache Miteigentum zukam (vgl. Paulus D. 10, 3, 8, 1).34 a) Miteigentum im nachklassischen Erbrecht

Die Erbengemeinschaft blieb auch im nachklassischen Recht ein Anwendungsfall des Miteigentums nach ideellen Anteilen. Doch zerfiel hier das Rechtsverhältnis der Miterben, wie es im klassischen Recht noch durch die actio familiae erciscundae erfasst worden war, durch

31 Vgl. Wieacker, Vom Römischen Recht2 199. 32 Vgl. Oppikofer, Über gemeinschaftliches Eigentum 39. 33 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 141. 34 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 561 FN 79. 118 den „Verfall des Aktionenbegriffs“, der den Westen und den Osten auch noch unter Justinian betraf, in einzelne Rechte. Nun konnte die Klage nicht nur auf die Aufhebung der Erbengemeinschaft und die Aufteilung des Vermögens, sondern auch auf einzelne Leistungen zwischen den Erben gerichtet werden.35

Die nachklassischen Quellen selbst vermieden offenkundig die Erwähnung der (klassischen) Besonderheiten der einzelnen Klagen. Levy erörterte dies u.a. anhand der Ausführungen aus dem vierten Jahrhundert zur actio familiae erciscundae und zur actio communi dividundo im Codex Theodosianus (Cod. Th. 2, 24, 1 und 2 sowie Cod. Th. 2, 25, 1). Diese enthielten im Wesentlichen nur inhaltliche Regeln, wie etwa jene, dass die Familie eines Sklaven bei der Aufteilung einer gepachteten Liegenschaft nicht getrennt werden dürfe, oder jene, dass im Rahmen der Aufteilung auch formlose Anordnungen des Erblassers zu berücksichtigen seien. Die besondere Funktion dieser Klagen, insbesondere die Zuweisung von Eigentum durch die adiudicatio, blieb unerwähnt.36

Das Rechtsverhältnis der Erben wurde von Justinian als obligatio quasi ex contractu verstanden. Es wurde auch weiterhin nach den Regeln der Gemeinschaft beurteilt. Die actio familiae erciscundae wurde nun ausdrücklich als bonae fidei iudicium anerkannt (vgl. Inst. Iust. 4, 6, 28). Sie war jetzt aber keine Klage mehr, die zwangsläufig auf Aufhebung der Gemeinschaft gerichtet war, sondern sie konnte nun, wie auch die actio communi dividundo, während aufrechter Gemeinschaft auf einzelne Leistungen erhoben werden.37

Auch in nachklassischer Zeit konnte Miteigentum durch das Vermächtnis einer Sache an mehrere Legatare entstehen. In klassischer Zeit hatte dies jedenfalls für die Vindikationslegate (und die Präzeptionslegate) gegolten (vgl. Gaius Inst. 2, 199 und 2, 223). Zwischen den Kollegataren galt dabei das Prinzip der Anwachsung.38

Justinian beseitigte die unterschiedlichen Legatsformen des klassischen Rechts. Er verfügte, dass alle Legate einen einheitlichen Charakter, eine „einheitliche Natur“ haben sollten (vgl. Codex Iust. 6, 43, 1).39

35 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 537. 36 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 209. 37 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 538. 38 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 432. 39 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 431. 119

Die Möglichkeit, eine Sache mehreren Vermächtnisnehmern gemeinsam zu vermachen, wurde aber auch nach der Abschaffung der beiden oben genannten Legatsformen sowie des Damnationslegats beibehalten und auf Fideikommissare ausgedehnt (vgl. Codex Iust. 6, 51, 1, 11).40

Die Legatare, denen die Sache „coniunctim“ vermacht wurde, erwarben daran das Miteigentum im Verhältnis ihrer Anteile. Wurde ihnen die Sache dagegen „disiunctim“ vermacht, so erwarben sie diese „nach Kopfteilen“.41 In beiden Fällen (auch im Fall der Vermachung „disiunctim“) konnte nun die Anwachsung zur Anwendung gelangen, wenn die Parteien dies so wollten (vgl. Codex Iust. 6, 51, 1, 11a und 11b). Zu der in klassischer Zeit bei den Damnationslegaten vorgesehenen „Vervielfachung“42 des Legats kam es nur dann noch, wenn der Eigentümer dies ausdrücklich angeordnet hatte.43

Im Unterschied zur Erbengemeinschaft stand die actio familiae erciscundae den Kollegataren zur Aufhebung der Gemeinschaft nicht zur Verfügung. Wie auch in anderen Fällen des Miteigentums gelangte hier die actio communi dividundo zum Einsatz (vgl. Inst. Iust. 3, 27, 3). Zudem wird davon ausgegangen, dass auch zwischen den Legataren die vindicatio pro parte zulässig gewesen sei.44 b) Miteigentum in der Gesellschaft

Die privatrechtliche societas geriet in der nachklassischen Zeit zusehends in den Schatten der öffentlich-rechtlichen Verbände.45 Zu diesen gehörten insbesondere auch die nachklassischen corpora, die Berufsverbände mit vererblicher Pflichtmitgliedschaft.46

Die Zwangsgenossenschaften nahmen in dieser Zeit einen wesentlich breiteren Raum ein als die privatrechtliche Gesellschaft und färbten auf deren rechtliche Gestalt ab. Dies äußerte sich im Wesentlichen darin, dass ein Gesellschaftsvermögen jetzt für alle Gesellschaften typisch wurde. In der Klassik dagegen war ein solches kein typisches Merkmal der Gesellschaft und im

40 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership in Roman Law, TR 25, 146. 41 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 274. 42 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 433. 43 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 559. 44 Vgl. Van Warmelo, Aspects of Joint ownership in Roman Law, TR 25, 146. 45 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 45. 46 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 115. 120

Grunde nur der societas omnium bonorum eigen. Der in dieser Gesellschaft charakteristische Gesamtakt zur Vergemeinschaftung des Vermögens wurde durch vulgare Rechtsansichten auf alle Gesellschaften erstreckt.47

Auch in der Gesellschaft wurden, wie zuvor für die Erbengemeinschaft dargelegt wurde, die actio pro socio und die actio communi dividundo in einzelne Ansprüche der socii, etwa auf Beitragsleistung und Schadenersatz, aufgelöst. Die Klagen standen auch in der aufrechten Gesellschaft zur Verfügung. Des Weiteren wurde wohl auch die strenge Abgrenzung der beiden genannten Klagen nicht mehr aufrechterhalten.48 c) Zur Registrierung von Schenkungen

Ein Gesetz Kaiser Konstantins aus dem Jahr 323 führte für Schenkungen neue Formvorschriften ein. Verlangt wurde jetzt neben der Übergabe und der Beurkundung auch die Einreichung der Schenkung zur behördlichen Registrierung (vgl. Frag. Vat. 249).49 Die Registrierungspflicht verfolgte im Wesentlichen zunächst wohl fiskalpolitische Motive50 und diente sie eher der Kundmachung der Schenkung als dem Schutz des Schenkenden vor übereilten Entscheidungen.51

Unter Justinian wurde die Verpflichtung zu Registrierung der Schenkungen übernommen. Jedoch wurden Schenkungen im Wert bis zu 300 Solidi, später bis zu einem Wert von 500 Solidi, von dieser Pflicht befreit. Generell nicht unter diese Pflicht fielen Schenkungen zu religiösen Zwecken (vgl. Codex Iust. 8, 53, 34, 1a).52

Überstieg der Wert der Schenkung, die aus beweglichen oder unbeweglichen Sachen bestand, diesen Betrag, musste die Schenkung registriert werden. Um den Wert zu eruieren, wurde eine entsprechende Schätzung angeordnet. Wurde der Pflicht zur Registrierung nicht entsprochen, blieb die Schenkung nur bis zum Freibetrag wirksam. Hinsichtlich des darüber liegenden Betrags war sie jedoch ungültig (Codex Iust. 8, 53, 34, 1c: „…superfluum tantum vacuari“).

47 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 409. 48 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 410. 49 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 294. 50 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 275. 51 Vgl. Mayer-Maly, Römisches Recht2 160. 52 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 295. 121

Der Beschenkte erwarb das Eigentum an der Schenkung also nur bis zum Wert des Freibetrags. Der überschießende Anteil blieb im Eigentum des Schenkers. Zwischen dem Schenkenden und dem Beschenkten entstand also Miteigentum. Ihre Anteile entsprachen dem Freibetrag in Relation zum überschießenden Betrag.53

Diese Lösung wurde in den meisten Fällen ohne Zweifel als unbefriedigend empfunden. Demjenigen, der den größeren Anteil an der Sache hatte, war aber die Möglichkeit eingeräumt, dem anderen den Wert seines Anteils zu zahlen, um die Sache als Ganzes übernehmen zu können (vgl. Codex Iust. 8, 53, 34, 2).

Wollte er dies nicht tun, so wurde angeordnet, dass die Sache geteilt werden solle, sofern dies ohne Schaden möglich war (Codex Iust. 8, 53,34, 2a). Andernfalls hatte auch derjenige, der den kleineren Anteil an der Sache hatte, nun die Möglichkeit, dem anderen dessen Wert zu ersetzen und die (ganze) Sache zu übernehmen (Codex Iust. 8, 53, 34, 2b). d) Zur Freilassung eines gemeinsamen Sklaven

Im klassischen Recht konnte ein im gemeinschaftlichen Eigentum stehender Sklave nur dann die Freiheit erlangen, wenn alle seine Eigentümer die Freiheit verfügten. Wurde der Sklave nur von einem Eigentümer freigelassen, blieb er ein Sklave im Eigentum der übrigen Eigentümer, denen der Anteil des Freilassers anwuchs (Pauli sent. 4, 12, 1).

Justinian änderte diese als „beispielhaft schlecht“ bezeichnete Lösung. Dem freilassenden Eigentümer wurde nun die Möglichkeit gegeben, den anderen Eigentümern deren Anteil am Sklaven abzulösen. Indem diesen also der Wert ihres Anteils ersetzt werden konnte, konnte der Sklave in die Freiheit entlassen werden (vgl. Inst. Iust. 2, 7, 4).

Justinian griff hier auf nachklassisches Kaiserrecht in Form einer Konstitution des Kaisers Severus zurück (vgl. die Bezugnahme darauf in Codex Iust. 7, 7, 1, 1). Dieser zufolge musste der Erbe eines freilassenden Soldaten die anderen Anteile am Sklaven von deren Eigentümern kaufen und diesem die Freiheit gewähren.54

53 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 274. 54 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 137. 122

Auch das jüdische Recht, das in einem solchen Fall die Freiheit des Sklaven vorsah (aber die Verpflichtung, die anderen Eigentümer abzufinden, dem Sklaven selbst auferlegte) wird als mögliches Vorbild für Justinians Änderung gesehen.55

5.3. Ansätze eines geteilten Eigentums im Vulgarrecht

Mit der Vulgarisierung des klassischen Rechts verschwand auch das Konzept der iura in re aliena, die in der Klassik vom Eigentum noch streng abgegrenzt worden waren. Das „Eigentum“ war nun nicht mehr das Recht an einer Sache in Form der ausschließlichen Kontrolle darüber.56

Auch der Usufruktuar, der Erbpächter und der an den bona materna berechtigte Ehegatte wurden jetzt als „Eigentümer“ gesehen. Ihr Recht an der Sache war so im Grunde eben kein ius in re aliena mehr, sondern ein Recht an der (zum Teil) eigenen Sache. Dieses Recht wurde als eine Form („variety“) des Eigentums angesehen.57

Die an der Sache berechtigten Personen standen als „Eigentümer“ nebeneinander. Ihre Befugnisse variierten nach Wirkungsbereich und Dauer. Als Fälle eines solchen geteilten Eigentums nannte Levy etwa das Grenzland, das Cod. Th. 7, 15, 1 zufolge an den Staat zurückfiel, wenn es keinem qualifizierten Veteranen mehr gehörte. Auch die Erbpacht an Reichsgütern, das dem Verbandszweck gewidmete Vermögen der Verbände und die Verfügung des Ehegatten über die bona materna begründeten ein „geteiltes Eigentum“.58

Zudem wurde auch in der Befugnis eines Minenbetreibers, auf privatem Grund zu schürfen, ein solches Eigentum erblickt. Dieser musste lediglich zehn Prozent der Erträge an den Grundeigentümer und zehn Prozent an den Staat abliefern (vgl. Cod. Th. 10, 19, 10). Achtzig Prozent verblieben ihm. Die Befugnisse des Grundeigentümers waren so für einen recht geringen Betrag dauerhaft eingeschränkt. Die Rechte des Betreibers waren übertragbar und vererbbar. Levy zufolge lag auch hier (implizit) die Konstruktion eines nach der Funktion aufgetrennten Eigentums vor.59

55 Vgl. Reichard, Der Verzicht auf einen Miteigentumsanteil, in FS Otte zum 70. Geburtstag (2005) 275. 56 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 63. 57 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 67. 58 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 67. 59 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 114. 123

Der Erbpächter wurde im Codex Theodosianus zumindest an einigen Stellen in die Nähe des „Eigentums“ gerückt. Tatsächlich bot sich hier aber ein recht verwirrendes Bild. Zum einen wurde der Erbpächter nur als conductor bezeichnet und wurde sein Recht als solches dem (vollen) Eigentum gegenübergestellt (vgl. Cod. Th. 5, 15, 15). Zum anderen wurde er an anderer Stelle als conductor, sein Recht aber als dominium benannt (vgl. Cod. Th. 5, 15, 18). Überhaupt als „Eigentümer“ wurde er wohl in Cod. Th. 2, 25, 1 und 13, 11, 6 gesehen. Trotz dieser unterschiedlichen Bezeichnungen erkannte Levy insofern eine (vage) Linie, als er feststellte, dass der Erbpächter zumeist im Rahmen der Beschreibung seiner Rechte als „Eigentümer“ bezeichnet werde. Hinsichtlich seiner Pflichten werde er oft nur als conductor verstanden.60 Wohl seit der Spätklassik stand dem Erbpächter zwar kein Eigentum, aber eine dingliche Klage zu (vgl. Paulus D. 6, 3, 1, 1).

Seit Konstantin wurde auch dem Vater an dem von der Mutter vererbten Vermögen (bona materna) ein „Nutzeigentum“ zugesprochen. Den Kindern blieb „nur“ ein durch die Nutzung des Vaters entsprechend eingeschränktes Eigentum. Den Vater trafen hinsichtlich der bona aber Sorgfaltspflichten. Die Veräußerung oder Belastung des Gutes war ihm nicht gestattet (vgl. Cod. Th. 8, 18, 2 und 7). Auch die Kinder konnten diese Gegenstände nicht ohne den Willen des Vaters veräußern, belasten oder vererben (vgl. Codex Iust. 6, 61, 8, 5).61

Das Vulgarrecht kannte also eine Mitberechtigung mehrerer „Eigentümer“ an derselben Sache, indem es die Funktionen des Eigentums auf die an der Sache Mitberechtigten aufteilte.62 Das „unvermeidbare Ergebnis“ dieser Ansicht war das in der Klassik noch klar abgelehnte „dominium plurium in solidum“.63

Die fehlende Abgrenzung der beschränkten Sachenrechte und die Erweiterung des Eigentumsbegriffs auf andere Rechtsverhältnisse beruhten wohl nicht auf der dogmatischen Durchdringung und der Rezeption (ohne Zweifel ähnlicher) altrömischer oder griechischer Ansichten. Doch bot das Vulgarrecht völlig „neue Ausblicke“ auf das Recht. Es waren schließlich eher Gesetze des vierten und fünften Jahrhunderts und Auszüge aus den Digesten,

60 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 47. 61 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 218. 62 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 272. 63 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 67. 124 die später den Glossatoren als Ausgangspunkt ihrer Überlegungen dienten, und nicht germanische Quellen.64

Unter Justinian wurde der Bezug zum Eigentumsverständnis der klassischen Zeit wieder weitgehend hergestellt. Doch existierte keine Kontinuität zwischen dem Justinianischen Recht und dem der klassischen Zeit. Das Vulgarrecht vertrat oft völlig konträre Ansichten im Vergleich zum klassischen Recht. Dass doch klassische Konzepte in Justinians Werk wieder an Bedeutung gewinnen, ist dessen intensiven Bemühungen zuzuschreiben, Ansichten, die bereits Jahrhundert vergessen waren, wieder neu zu entdecken.65

Auch die oben dargelegten Ansätze des „geteilten Eigentums“ verschwanden unter Justinian wieder. Justinian erkannte nur noch das Vollrecht als Eigentum an.66 Auch die scharfe (klassische) Abgrenzung der beschränkten Sachenrechte gegenüber dem Eigentum wurde nun wieder hergestellt.67

Die im Vulgarrecht noch mit „Eigentum“ des Erbpächters verbundene Erbpacht wurde nun (Codex Iust. 4, 66, 1 zufolge) als eigenes ius in re aliena verstanden.68

Das zeichnet ein schlüssiges Bild mit der schon oben erwähnten Stelle Paulus D. 6, 3, 1, 1. Hier wurde zwar darauf verwiesen, dass der Erbpächter durch die Pacht kein Eigentümer werde. Man sprach ihm aber eine dingliche Klage zu. Diese Klage förderte (als rei vindicatio utilis) das spätere Konstrukt des dominium utile. Dieses wurde dann auch anderen Berechtigten an einer Sache, wie den Vasallen, (analog) zuerkannt.69

Die familienrechtliche Nutzungsbefugnis des Vaters an den bona materna war jetzt als ein gesetzlicher ususfructus am (Allein-)Eigentum der Kinder konzipiert (vgl. Codex Iust. 6, 60, 1).70

64 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 68. 65 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 19. 66 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 272. 67 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 81. 68 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 272. 69 Vgl. Mayer-Maly, Römisches Recht2 65. 70 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II2 215. 125

Abgelehnt wurde die Konstruktion eines nach Funktionen geteilten Eigentums nun auch dann, wenn die Umstände es eigentlich nahe legten. So war jetzt weder das Recht von Pfandgläubiger und Pfandschuldner noch jenes von Ehemann und Kindern an der Mitgift (dos) als solches zu sehen.

Bei der Mitgift der Frau trat nun die Ansicht in den Vordergrund, dass diese der Versorgung der Frau nach Beendigung der Ehe dienen solle. Dann aber, wenn die Frau an der Scheidung schuldig war oder verstorben war, fiel die Mitgift in das (alleinige) Eigentum der Kinder. Dem Mann bzw. dem Vater blieb daran ein (qualifizierter) Nießbrauch oder gar nur ein „ius nudum“.71

Justinian stellte klar, dass das Eigentum der Frau an der Mitgift ein „natürliches“ Eigentum sei und dieses ihr verbleiben solle. Die Ansicht, dass die Mitgift ins Vermögen des Mannes falle, führte er auf die „Spitzfindigkeit der Gesetze“ zurück, diese Ansicht könne aber freilich nichts an der „Wahrheit der Sache“ ändern (Codex Iust. 5, 12, 30). Justinian sah offenkundig noch davon ab, das „Eigentum“ des Mannes an der Mitgift ausdrücklich zu verneinen.72

Für den Fall, dass der Ehemann die Mitgift in Form einer Hypothek belastet hatte, stand der Frau eine actio in rem (Codex Iust. 5, 12, 30, 1) zur Verfügung, um diese zurückzufordern. Doch auch diesbezüglich ließ Justinian die anderslautende Meinung, dass die Mitgift ins Vermögen des Mannes fiel, gelten und verwies er die Frau (als Nichteigentümerin) in diesem Fall auf die Hypothekarklage. Die Rechte der Frau an der Mitgift waren so unabhängig davon, welche Ansicht man bevorzugte, voll geschützt. Ein gleichzeitiges, zwischen Ehemann und Ehefrau geteiltes „Eigentum“ an der Mitgift wurde damit jedenfalls ausgeschlossen.73

Ein solch geteiltes Eigentum wurde auch im Fall der Verpfändung einer Sache und der Zuweisung des Eigentums durch kaiserliche Verfügung nicht anerkannt. Der Gläubiger hatte das Recht, sich durch den Verkauf der Sache zu befriedigen. Konnte er keinen Käufer finden, so musste zunächst der Schuldner verständigt und ein Zeitpunkt fixiert werden, bis zu dem der Schuldner die Sache „auslösen“ konnte (Codex Iust. 8, 33, 3, 2 und 3a). Tat der Schuldner dies nicht, so wurde dem Gläubiger auf Antrag das Eigentum an der Sache durch kaiserliche „Vergünstigung“ zugesprochen.

71 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 82. 72 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 83. 73 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 83. 126

Der Gläubiger wurde damit Eigentümer. Dem Schuldner wurde nur noch aus „Gründen der Pietät“ (pietatis intuitu, Codex Iust. 8, 33, 3, 3b) das Recht eingeräumt, die Sache vom Gläubiger (innerhalb von zwei Jahren) zurückzukaufen. Tat er dies nicht, so blieb die Sache unwiderruflich im Eigentum des Gläubigers (Codex Iust. 8, 33, 3, 3c). Ein gleichzeitiges „Eigentum“ zwischen Gläubiger und Schuldner an der verpfändeten Sache bestand also auch hier in keinem Moment.74

Unter Justinian war der Gedanke eines nach Funktionen auf mehrere Berechtigte aufgeteilten Eigentums verschwunden. So blieb von ihm zunächst wohl nicht mehr als ein kurzes „Zwischenspiel“ im (vulgaren) Recht der Nachklassik.

Seine „Blütezeit“ erlebte dieses Konstrukt erst aufgrund der Überlegungen der mittelalterlichen Glossatoren, die aus der dem einstigen bonitarischen Eigentümer gewährten rei vindicatio utilis auf ein dominium utile des Ersitzungsbesitzers schlossen. Schließlich wurde dieses (in Form eines „Untereigentums“) gegen Ende der Glossatorenschule auch dem Erbpächter, dem Erbbauberechtigten und dem Lehensmann zuerkannt.75

Die wesentliche Grundlage dieser Überlegungen der Glossatoren waren aber jedenfalls die Gesetzgebung des vierten und fünften Jahrhunderts und die Digesten und wohl nicht germanische Quellen.76

Wie schon kurz erwähnt wurde, wiesen die vulgaren Ansichten zum Eigentum nicht zu übersehende Ähnlichkeiten mit dem altrömischen Recht auf. Auch das alte Recht kannte ja keine beschränkten Rechte Dritter an fremden Sachen, die vom Eigentum klar abgegrenzt worden wären. Berechtigungen Dritter, wie Servituten oder Nießbrauch, wurden im Unterschied zum späteren klassischen Recht zunächst nur vom „meum esse“ erfasst.77

Das Vulgarrecht knüpfte bisweilen zwar an das alte Römische Recht an.78 Trotzdem lehnte insbesondere Levy die Annahme einer Kontinuität zwischen diesen verschiedenen Rechtsschichten ab. Levy wies darauf hin, dass damals das alte Recht ja vom klassischen Recht

74 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 81. 75 Vgl. Hagemann, Eigentum, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte I2 1274. 76 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 68. 77 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 71. 78 Vgl. Kaser/Knütel/Lohsse, Römisches Privatrecht21 5. 127

überlagert war. Der Gedanke, dass man im späten römischen Reich die alten Ansichten kannte, erschien Levy aber absurd!79

Verstärkt wird dieser Eindruck mE dadurch, dass den Ansichten des alten Rechts und dem vulgaren Recht in (rechts)historischer Hinsicht ganz unterschiedliche Bedingungen zugrunde lagen. Im altrömischen Recht fand eine grundlegende dogmatische Durchdringung des „Eigentums“ nicht statt. Von ihm wurden in der Frühzeit auch keine beschränkten Sachenrechte abgeleitet.

Das nachklassische Recht dagegen konnte auf die (klaren) klassischen Positionen zurückgreifen. Trotzdem traten diese (zumindest theoretisch bekannten) Ansichten in den Hintergrund. Das mag man dem Niedergang der Rechtswissenschaft zuschreiben.

Levy erklärte diesen Niedergang auch damit, dass die Juristen dieser Zeit versuchten, die ihnen bekannten Ansichten des klassischen Rechts dem Verständnis der (laienhaften) Allgemeinheit zugänglich zu machen.80

In Zweifel zu ziehen ist mE dabei seine Ansicht, dass sich die Juristen dieser Zeit nicht „im Klaren waren, was sie taten“. In Bezug auf das alte Römische Recht erachtete Levy, wie schon erwähnt wurde, die Ansicht als „absurd“, diese hätten irgendein Wissen über die alten Rechtsansichten besessen. Unabsichtlich seien sie eben in eine „primitivere Rechtstechnik“ abgeglitten.81

Eine solche grobe Unkenntnis der nachklassischen Juristen erscheint aber letztlich mE kaum anzunehmen. Denn die berühmten, im Jahr 1933 in Kairo entdeckten Fragmente zu den Institutionen des Gaius könnten dem vierten oder dem fünften Jahrhundert zuzuordnen sein. Gerade in ihnen finden sich Erklärungen zum alten Konsortium und zur Verbrüderung (vgl. Gaius Inst. 3, 154a und b). Zwar war und ist man sich hinsichtlich der Herkunft dieser Handschrift uneinig. Aber Levy selbst vertrat 1934 die Meinung, sie könne in Ägypten ebenso wie in Italien entstanden sein.82

79 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 72. 80 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 71. 81 Vgl. Levy, West Roman Vulgar Law 72. 82 Vgl. Levy, Neue Bruchstücke aus den Institutionen, SZ 54, 261. 128

Somit erscheint es mE möglich, dass auch die Juristen der nachklassischen Zeit und besonders die Rechtsgelehrten im weströmischen Reich Kenntnis von den Ansichten des altrömischen Rechts erlangen konnten.

Damit aber wäre, entgegen Levys Theorie, auch nicht auszuschließen, dass die Übernahme dieser alten Ansichten doch beabsichtigt war oder doch wenigstens in deren Kenntnis erfolgte.

Dass die nachklassischen Quellen die Begriffe nicht streng voneinander abgrenzten, wird in jüngerer Zeit in Frage gestellt. Anhand der Überprüfung unterschiedlicher Quellen im Codex Theodosianus kam Vandendriessche (im Jahr 2006) zum Ergebnis, dass es verfehlt wäre anzunehmen, dass die Juristen nicht mehr in der Lage waren, „Besitz“ und „Eigentum“ klar abzugrenzen. Die These der „Vulgarierung“ des nachklassischen Rechts könne durch die eingehender überprüften Quellen im Codex Theodosianus, die Eigentum und Besitz behandeln, nicht bestätigt werden.83

Vandendriessche zog in Kapitel 3 ihrer Quellenprüfung insbesondere die Quellen im Cod. Th. heran, die Levy als Beispiele einer ungenauen Verwendung der Begriffe dominium und possessio benannt hatte. Sie gelangte zum Ergebnis, dass in den von ihr überprüften Quellen der Ausdruck „dominium“ tatsächlich das Eigentum und „dominus“ den Eigentümer im klassischen Sinn bezeichne. Eine Verwischung dieser Begriffe sei nicht gegeben.

In Cod. Th. 2, 26, 1 werde der Eigentümer eines besetzten Grundstücks korrekt als solcher benannt. In Cod. Th. 2, 29, 2 sei als Gegenleistung an den Vermittler (eines sog. suffragium) die Übertragung von Eigentum korrekt bezeichnet. Schenkte die Verlobte ihrem Bräutigam etwas, so fiel das Eigentum an der Schenkung an sie bzw. ihre Erben zurück, wenn einer der Verlobten vor der Ehe starb (vgl. Cod. Th. 3, 5, 6). Auch der, der den anderen in seinem ruhigen Besitz „suo dominio“ störe, sei in Cod. Th. 4, 22, 2 als Eigentümer zu verstehen. In Hinsicht auf den geflohenen Sklaven in Cod. Th. 10, 12, 2, 1 sei der Ausdruck dominium nur als Herrschaftsrecht (und nicht als Eigentum oder Besitz) gemeint. Eine ungenaue Verwendung der Begriffe sah Vandendriessche auch dabei nicht.

83 Vgl. Vandendriessche, Possessio und Dominium 235ff. 129

5.4. Zusammenfassung

Die Gemeinschaft der Erben führte auch im nachklassischen Recht zu Miteigentum nach ideellen Anteilen. Justinian verstand die Beziehung der Erben als obligatio quasi ex contractu. Die actio familiae erciscundae führte nun nicht mehr nur zur Auflösung der Gemeinschaft. Sie konnte nun vom Erben während aufrechter Gemeinschaft auch auf einzelne Leistungen erhoben werden.

Auch in nachklassischer Zeit konnte Miteigentum durch das Vermächtnis einer Sache an mehrere Legatare entstehen. Dabei kam es seit Justinian nicht mehr auf die jeweilige Legatsform an. Justinian verfügte, dass alle Legate eine einheitliche Natur haben sollen. Die unterschiedlichen Formen der Legate verschwanden. Den Vermächtnisnehmern stand die actio communi dividundo zur Auflösung ihrer Gemeinschaft zur Verfügung.

Die privatrechtliche societas geriet in dieser Zeit in den Sog der öffentlich-rechtlichen Verbände. Diese beeinflussten ihre Struktur wesentlich. Ein gemeinsames Gesellschaftsvermögen war nun für alle (privaten) Gesellschaften typisch.

Ein Gesetz Kaiser Konstantins aus dem Jahr 323 führte für Schenkungen die Pflicht zur Registrierung ein. Unter Justinian wurden Schenkungen bis zu einem Wert von 300 Solidi (später von 500 Solidi) von dieser Verpflichtung befreit. Überstieg der (durch Schätzung ermittelte) Wert der Schenkung diesen Betrag, musste die Registrierung beantragt werden. Andernfalls war die Schenkung lediglich im Ausmaß des Freibetrags wirksam. Der Beschenkte erwarb in diesem Fall das Eigentum an der Schenkung nur bis zu diesem Freibetrag. Der darüber hinaus gehende Anteil verblieb im Eigentum des Schenkers. Schenker und Beschenkter waren also Miteigentümer an der Schenkung.

Justinian erklärte die Freilassung eines gemeinsamen Sklaven nur durch einen Miteigentümer für wirksam, wenn die anderen Eigentümer vom Freilassenden finanziell abgefunden wurden. Der Sklave war damit frei.

Nahm ein Miteigentümer eine Maßnahme an der gemeinsamen Sache vor, die über seinen Anteil hinaus reichte, benötigte er die ausdrückliche Einwilligung der anderen Eigentümer. Die (stillschweigende) Duldung der Maßnahme durch die anderen Eigentümer genügte nicht mehr. 130

Willigte die Mehrheit der Eigentümer in die Maßnahme ein, war diese zulässig. Unerwünschte Maßnahmen durften nun nicht mehr durch die Ausübung von Selbsthilfe unterbunden werden. Die Eigenmacht der Eigentümer wurde in der absoluten Monarchie zugunsten stärkerer staatlicher Kontrolle eingeschränkt. Zur Verhinderung der Vornahme solcher Maßnahmen, die nicht im Interesse der Gemeinschaft lagen, war nun die actio communi dividundo zu erheben. Auch zur Abrechnung von Ansprüchen der Eigentümer gelangten die actio communi dividundo bzw. die actio familiae erciscundae zur Anwendung. Diese Klagen standen jetzt auch während aufrechter Gemeinschaft zur Verfügung. Sie führten nicht mehr automatisch zur Aufhebung der Gemeinschaft.

Wohl schon im nachklassischen Vulgarrecht waren Vorgänger eines funktionell „geteilten Eigentums“ zu finden. Die klare Abgrenzung des Eigentums von den iura in re aliena im klassischen Recht trat in den Hintergrund.

Als „Eigentümer“ wurden u.a. jetzt auch der Erbpächter, der Usufruktuar und der an den bona materna mitberechtigte Vater benannt. Dem Letztgenannten war seit Konstantin ein „Nutzeigentum“ zuerkannt. Den Kindern blieb ein durch die Berechtigung ihres Vaters eingeschränktes Eigentum am mütterlichen Vermögen.

Unter Justinian wurde der Bezug zum klassischen Eigentumsverständnis wieder weitgehend hergestellt. Die Erbpacht wurde jetzt als eigenständiges beschränktes Sachenrecht verstanden. Die Nutzung der bona materna durch den Vater erfolgte nun im Rahmen eines gesetzlichen ususfructus.

Als strittig gilt, ob die Ansätze des auf mehrere berechtigte Personen aufgeteilten Eigentums in der Nachklassik tatsächlich „nur“ auf den Niedergang der Rechtswissenschaft, das Unwissen der nachklassischen Juristen über die klassischen Rechtsansichten und auf das „versehentliche“ Vermischen von Begriffen zurückgeführt werden können. Ähnlichkeiten der (vulgaren) nachklassischen Ansichten im Vergleich zum „Eigentum“ des altrömischen Rechts lassen es zumindest möglich erscheinen, dass durchaus nicht nur versehentlich auf alte Ansichten zurückgegriffen wurde. 131

Kapitel 6: Gemeinschaftliches Eigentum im Mittelalter

6.1. Gesamthandeigentum des deutschen Rechts

6.1.1. Die Brüdergemeinschaft

Den Ausgangspunkt des gemeinschaftlichen Eigentums bildete auch im frühmittelalterlichen germanischen Recht, ähnlich wie im altrömischen Recht, zunächst die nach dem Tod des Familienoberhauptes fortgesetzte Brüdergemeinschaft.1

Schon vor dessen Tod war den Söhnen eine latente Mitberechtigung am Hausgut eingeräumt.2 Vater und Söhne waren der „eigentliche Kern der Hausgemeinschaft“.3 Haus und Hof standen im Familieneigentum.4

Wie im altrömischen Recht verblieben die Söhne des Hauses auch nach dem Tod des Familienoberhauptes im gemeinsamen Haushalt. Es herrschte Gleichberechtigung unter den Brüdern. Eine privilegierte Position des ältesten Bruders oder ein Erstgeburtsrecht war auch den frühmittelalterlichen germanischen Rechten fremd.5

Ebenso wenig hatte der älteste Sohn die Vormundschaft über seine minderjährigen Brüder und seine unverheiratete Schwestern.6 Allerdings dürfte eine (eingeschränkte) Führungsrolle des ältesten Sohnes in einigen gemeinschaftlichen Angelegenheiten anerkannt worden sein, wie im Fall der Blutrache oder in einem Rechtsstreit.7

In der Regel herrschte das Prinzip der Gleichberechtigung der Brüder in der Gemeinschaft. Ihr war das Eigentum an Haus und Hof zugeordnet. Über das gemeinsame Gut konnte nur die gesamte Hand der Mitglieder verfügen. Es war also gemeinschaftliches Handeln der Brüder dafür erforderlich.8

1 Vgl. Lepsius, Gesamthand, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), HRG II2 (2012) 265. 2 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 53. 3 Vgl. Ogris, Hausgemeinschaft, in Erler/Kaufmann (Hg.), HRG I (1971) 2025. 4 Vgl. Gschnitzer, Sachenrecht2 58. 5 Vgl. Schultze, Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, SZ germ. Abt. 56 (1936) 264 (268). 6 Vgl. Ogris, Brüdergemeinschaft, in Erler/Kaufmann (Hg.), HRG I 520. 7 Vgl. Schultze, Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, SZ 56, 269. 8 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 53. 132

Die Rechtsträger des ganzen Hausguts waren die Brüder in ihrer Gesamtheit. Ideelle Anteile des einzelnen Bruders am Hausgut gab es nicht.9

Zwar sind hier Parallelen der germanischen Rechte mit dem alten Römischen Recht und dem griechischen Recht erkennbar.10 Ein wesentlicher Unterschied bestand aber in der Verfügungsmacht der einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft. Im altrömischen Konsortium konnte jedes Mitglied wirksam über das ganze Gut verfügen. Als Hintergrund dieser weiten Befugnis des einzelnen Hauserben wurde das besondere Vertrauensverhältnis in der Familie genannt (vgl. Kapitel 2).

Ein solches Vertrauen könnte man freilich auch der germanischen Familie zuschreiben. Dennoch gab es eine Verfügungsbefugnis des einzelnen Mitglieds der Familie über das ganze Gut im germanischen Recht nicht.11

In der Literatur mitunter angesprochene Gemeinsamkeiten der germanischen Brüdergemeinschaft und des altrömischen, von Gaius beschriebenen Konsortiums werden sich mE im Wesentlichen nur auf den gemeinsamen Zweck dieser Gemeinschaften und auf deren (familiäre und/oder wirtschaftliche) Hintergründe beziehen. Gerade die Frage der Verfügungsberechtigung des einzelnen Mitglieds über das gesamte Gut war dagegen eben ganz unterschiedlich geregelt.

Wie in der altrömischen Gesellschaft waren wohl auch im germanischen Recht des frühen Mittelalters jene Gemeinschaften, die zunächst nur im familiären Umfeld unter Angehörigen auftraten, die Grundlage des gemeinschaftlichen Eigentums. Freilich mochten diese Gemeinschaften in altrömischer Zeit wie auch im germanischen Recht oft nicht nur auf dem freien Willen ihrer Mitglieder beruhen. Solche Gemeinschaften gehorchten wohl nicht selten den Erfordernissen des Alltags und der Notwendigkeit, die eigene Existenz zu sichern.

Die Brüder blieben wohl auch jetzt noch eher aus wirtschaftlichen Gründen und zur Sicherung ihrer (ohnehin oft kargen) Existenz in der Gemeinschaft vereint, nicht anders als die Menschen zuvor in altrömischer Zeit.

9 Vgl. Schultze, Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, SZ 56, 268. 10 Vgl. Gschnitzer, Sachenrecht2 59. 11 Vgl. Schultze, Zur Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, SZ 56, 268. 133

Der Ansicht, der Gedanke einer Gemeinschaft in „unserem Rechtsleben“ sei erst „germanischen Ursprungs“ ist insofern zu widersprechen!12

Wie in altrömischer Zeit diente wohl auch die frühe germanische Gemeinschaft in der Familie dem Kampf gegen die Zerschlagung von Haus und Hof in kaum rentable Kleinsthöfe und gegen die Knappheit der Ressourcen. Die germanische Gemeinschaft war in ihrer Bestandsfähigkeit aber wohl stabiler als das altrömische Konsortium. Dazu trug freilich bei, dass eben nur die Gesamtheit der Gemeinschafter, nicht aber das einzelne Mitglied, über das ganze gemeinsame Gut verfügen konnte. Ein Recht des einzelnen Mitglieds, die Aufhebung der Gemeinschaft zu fordern, gab es nicht. Die Auflösung der Gemeinschaft erfolgte nur im Einvernehmen aller Brüder.13

Im Fall des Todes eines Mitglieds blieb die Gemeinschaft bestehen. Der „Anteil“ des Verstorbenen wuchs den anderen Geschwistern an.14 Hatte das verstorbene Mitglied Kinder, konnten diese in die Gemeinschaft eintreten.15

Zu einer dogmatischen Bearbeitung dieser Gemeinschaft kam es in altrömischer Zeit und im germanischen Recht nicht.16 Man sah diese Form der Gemeinschaft und das damit verbundene gemeinschaftliche Eigentum an Haus und Hof wohl einfach als sinnvolles und oft ohnehin als alternativenloses Instrument, das die eigene Existenz sichern konnte.

Dazu, dass es auch im germanischen Recht zu keiner weiteren dogmatischen Erfassung solcher Gemeinschaften kam, trug vielleicht die geographische Nähe der germanischen Gebiete zu den romanischen Völkern bei. Mit dieser ging eine Verschmelzung von Elementen des germanischen Rechts mit dem Vulgarrecht einher, welches mit dem Niveau des einstigen klassischen Rechts kaum vergleichbar war. Diese Verschmelzung mochte zu einer weiteren Vereinfachung der ohnehin schon stark eingeschränkten vulgarrechtlichen Ansichten geführt haben. So kam es auch im (germanischen) Recht des frühen Mittelalters zu keiner weiter führenden dogmatischen Durchdringung der Gemeinschaft von mehreren Eigentümern.

12 aM Oppikofer, Über gemeinschaftliches Eigentum 37. 13 Vgl. Ogris, Brüdergemeinschaft, in Erler/Kaufmann (Hg.), HRG I 520. 14 Vgl. Bungenstock, Anwachsung, in Erler/Kaufmann (Hg.), HRG I 181. 15 Vgl. Ogris, Brüdergemeinschaft, in Erler/Kaufmann (Hg.), HRG I 520. 16 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 54. 134

Die germanischen Rechtsquellen begnügten sich offenbar damit, die im alltäglichen Leben in Erscheinung tretenden Gemeinschaften zu beschreiben.17

Das Edictum Rothari aus dem Jahr 643 n. Chr. legte die Gemeinschaft unter Brüdern unter der Überschrift „De fratres, qui in casam cummunem remanserent“ wie folgt dar:

„Gesetzt, es bleiben Brüder nach des Vaters Tode in gemeinschaftlichem Haushalt sitzen, und einer unter ihnen hat sich einiges Gut verdient, sei´s als des Königs oder eines Richters Gefolgsmann: derlei behält er im Voraus, ohne Beteiligung der Brüder. Was aber einer sich draußen im Heeresdienst erwirbt, das wird Gesamtgut auch der Brüder, die er daheim zurückließ. […] Und nimmt sich einer eine Frau und wird ihr Mittum vom Gesamtgut aufgebracht, […]: da wird dem einen aus dem Gesamtgut gerade so viel zugeschieden, wie einst der Bruder seiner Frau zum Mittum gab. Was dann an Vater- oder Muttergut noch übrig ist, das teilen sie zu gleichen Teilen“ (Edictum Rothari 167).18

Die von den Brüdern nach dem Tod ihres Vaters fortgesetzte Gemeinschaft wurde also auch im Recht der Langobarden im siebenten Jahrhundert beschrieben und die Abgrenzung des Sondereigentums des einzelnen Mitglieds vom Vermögen der Gemeinschaft geregelt.

Der Verdienst aus dem Heeresdienst und aus der Gefolgschaft blieb im Eigentum des einzelnen Gemeinschafters, ebenso auch das außerhalb des Hauses durch Geschäfte Erworbene.19

Weiterführende Überlegungen zur Rechtsnatur dieser Gemeinschaft, zu der damit einhergehenden Vermögensgemeinschaft und zur Position des einzelnen Mitglieds fehlen im Edictum Rothari noch.

Wagt man einen großen (zeitlichen) Sprung ins 13. Jahrhundert und zu dem um 1230 entstandenen Sachsenspiegel, zeigt sich, dass Art 12 des Landrechts nicht viel ausführlicher schien als die zuvor wiedergegebene Stelle des Edictum Rothari.

„Wenn Brüder oder andere Leute (swo brudere oder andere lute) ihr Gut gemeinsam haben, vermehren sie dies durch Aufwendungen oder durch ihre Arbeit, so ist deren Nutzen allen

17 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 54. 18 Zur Übersetzung Beyerle, Die Gesetze der Langobarden (1947) 57. 19 Vgl. Mehr, Societas und universitas 56. 135 gemeinsam, ebenso der Schaden. Was aber ein Mann mit seinem Weibe erwirbt, das teilt er mit seinem Bruder nicht. Verspielt aber ein Mann sein Gut oder verhuret er es oder verschwendet er es mit Geschenken oder Aufwand, dem seine Brüder oder die ihr Gut mit ihm gemeinsam haben, nicht beigepflichtet haben, so ist der Schaden, den er daraus nimmt, allein sein Schaden und nicht seiner Brüder noch seiner Genossen, die ihr Gut gemeinsam haben“ (Sachsenspiegel I, 12).20

Ins Auge fällt hier der Hinweis darauf, dass nun nicht nur Brüder die Träger einer solchen Gemeinschaft sein konnten. Auch Personen außerhalb der Familie und des gemeinsamen Haushalts („Gefährten“, „geweken“) konnten sich zu einer solchen Gemeinschaft vereinigen. Das gemeinsame Vermögen war das Rückgrat der Gemeinschaft. Der Erwerb des einzelnen Mitglieds floss in das gemeinsame Vermögen. Gesonderte Einkünfte des einzelnen Mitglieds wurden hier nicht genannt.

6.1.2. Anwendungsfälle des Gesamthandprinzips

Konkrete historische Anwendungsfälle der Gemeinschaft zur gesamten Hand waren die bäuerliche Gemeinderschaft, die Ganerbschaft, die eheliche Gütergemeinschaft und Vorläufer der Handelsgesellschaft.21

Als älteste Gemeinderschaft wird die bäuerliche Brüdergemeinschaft erachtet. Ihre Bauprinzipien waren Gesamthandeigentum am gemeinsamen Vermögen, Gesamthandberechtigung bei Forderungen und Gesamthandverpflichtung bei den Schulden. Es herrschten hier der Grundsatz der Gleichberechtigung und das Prinzip der Einstimmigkeit. Die Beendigung der Gemeinderschaft war zunächst nur einstimmig möglich. Bei Wegfall eines Gemeinders kam es zur Anwachsung.22

Nach dem Vorbild der bäuerlichen Gemeinschaft wurden seit dem 12. Jahrhundert vom Adel und der Ritterschaft Ganerbschaften begründet. Ihr Zweck war es, das gemeinsame Familiengut geschlossen zu bewahren. Die Ganerbschaft konnte der Familie den adeligen Besitz und die entsprechenden Standesrechte sichern. Begründet wurde die Gemeinschaft durch einen förmlichen Vertrag. Gegenstand dieses Vertrags waren finanzielle, militärische und

20 Zur Übersetzung Hirsch, Der Sachsenspiegel-Landrecht (1936) 120f. 21 Vgl. Lepsius, Gesamthand, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), HRG II2 265. 22 Vgl. Ogris, Gemeinderschaft, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), HRG II2 54. 136 wirtschaftliche Vereinbarungen der Ganerben. Daneben waren darin auch Regeln des gemeinsamen Lebens zu finden (Burgfrieden). Der wesentliche Unterschied zur bäuerlichen Gemeinderschaft war in der Zuweisung der Benützung einzelner Räumlichkeiten an einzelne Ganerben zu erblicken. Dieser Unterschied wurde auch mit einem großzügigeren Lebensstil der Ritter begründet. Auf Schwierigkeiten stieß dabei wohl gerade die Führung eines gemeinsamen Haushalts. Die Ganerben konnten daher einzelne Räume der Burg für sich und ihre Familie in Anspruch nehmen. Aus einer getrennten Benützung ergab sich freilich in der Regel nicht die Auflösung der Gesamthandgemeinschaft. Aufgetrennt war hier meistens nur die Nutzung, nicht die Substanz der Güter (Watschar). Der Zweck der Ganerbschaft war ja die geschlossene Wahrung des Familiengutes.23

Nach den bäuerlichen Gemeindern und den ritterlichen Ganerben ist die eheliche Gütergemeinschaft als weiteres Beispiel einer gesamthänderisch konzipierten Gemeinschaft zu nennen. Hier ist insbesondere das sog. Kaufgut der Ehegatten als Ausgangspunkt zu erwähnen.

Die Grundlage des Kaufguts war das gemeinsame Handeln der Ehepartner. Erwarben die Ehegatten (inter vivos) gemeinsam Vermögen, so war dieses Vermögen Kaufgut. An die Ehepartner (gemeinsam) vererbtes Vermögen konnte ebenfalls als Kaufgut deklariert werden.

Das Kaufgut schränkte die Ansprüche der Erben am ehelichen Vermögen erheblich ein. War ein Ehegatte verstorben, wurde dem überlebenden Partner an dessen Anteil ein Nießbrauch auf Lebenszeit zugesprochen.24

Es lag wohl nahe, diese Wirkung vertraglich auch für Vermögen zu vereinbaren, das nur ein Ehepartner erworben hatte. Ab dem 15. Jahrhundert ging der Anteil des verstorbenen Partners gar ins Eigentum des Überlebenden über.25 Das Kaufgut diente also der Versorgung des überlebenden Partners. Es war die Grundlage der Miteigentumsformen der Ehegatten im späten Mittelalter. Die Möglichkeit, vertraglich auch nur von einem Gatten erworbenes Gut zu Kaufgut zu erklären, löste es von der Bedingung des gemeinsamen Handelns. Das Miteigentum der Ehepartner (zur gesamten Hand) war nun ein eigenes Rechtsinstitut.26

23 Vgl. Ogris, Ganerben, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), HRG I2 1929. 24 Vgl. Brauneder, Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich (1973) 237ff. 25 Vgl. Brauneder, Ehegüterrecht 241. 26 Vgl. Brauneder, Ehegüterrecht 240. 137

Als ein Anwendungsfall der Gesamthandgemeinschaft wurden vorhin auch Vorgänger der Handelsgesellschaft genannt. Die kontinentale Handelsgesellschaft hatte ihren wichtigsten Vorläufer in der compagnia. Sie ging aus der Hausgemeinschaft hervor. Die Kennzeichen der compagnia waren u.a. die Haftung des gemeinsamen Mobiliarvermögens, ihr Agieren als Außengesellschaft und die Führung einer Firma (eines Siegels). Handwerker bedienten sich der compagnia ebenso wie international tätige Kaufmannsfamilien.27

Anzumerken ist aber, dass die Einordnung dieser Gesellschaft als Gesamthandgemeinschaft noch relativ jung ist. Bis ins ausgehende 19. Jahrhundert war das römische Sozietätsrecht die Grundlage des Unternehmensrechts. Während der Vorbereitung der GesbR im deutschen BGB griff erst die zweite Kommission das Gesamthandprinzip auf.28 In Hinblick auf ihre Ursprünge im Römischen Recht war die Annahme von Quoteneigentum auch in der compagnia bis dahin naheliegend.

Erst die jüngere Theorie sah die Quelle des Unternehmensrechts vorrangig im mittelalterlichen Gewohnheits- und Statutarrecht. Es sei in den Wirtschaftszentren in Italien geformt worden, noch bevor das rezipierte Recht seinen Einfluss ausüben konnte. Es habe im 14. Jahrhundert über gefestigte Grundlagen in den Städten, Zünften und Kaufmannschaften verfügt.29

Wohl erst diese dogmatische Änderung hinsichtlich des Ursprungs der modernen Handelsgesellschaft ebnete mE den Weg zur Einordnung auch der compagnia als Gesamthandgemeinschaft.

6.2. Bedenken zum Gesamthandprinzip

Die genannten Gemeinschaften mehrerer Eigentümer sind uns heute als Gesamthandgemeinschaften überliefert.30 Ansätze einer anderen Sichtweise scheinen aber schon im späten Mittelalter denkbar.

27 Vgl. Amend-Traut, Handelsgesellschaften, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), HRG II2 705. 28 Vgl. Fleischer/Agstner, MPI Research Paper Nr. 10/17, Personengesellschaften in Italien und Deutschland (2017) 309f. 29 Vgl. Mehr, Societas und universitas 28. 30 Vgl. Floßmann/Kalb/Neuwirth, Privatrechtsgeschichte7 (2014) 194. 138

Ascheuer zeigte dies anhand der Glosse Buchs zu Art 12 des Sachsenspiegels mE sehr plausibel auf. Johann von Buchs Ausführungen zur Gemeinschaft der Brüder wiesen in der Tat sprachliche Widersprüche auf. Er verwies zu Beginn darauf, dass die Brüder „gesamptes und ungezweites“ Gut hätten. Am Ende seiner Glosse sprach er aber von Teilen des einzelnen Bruders, die dieser verwirken oder übergeben könne. Dieser Widerspruch sei nach Ansicht Ascheuers nur durch die Annahme gedachter Anteile des Gemeinschafters zu lösen. Diese Ansicht werde durch die Glosse des Accursius verstärkt (um 1230). Buchs Glosse sei durch jene des Accursius maßgeblich beeinflusst worden. Auch Accursius war für das gemeinschaftliche Eigentum von ideellen Anteilen ausgegangen. In Anlehnung daran habe Buch in der Gemeinschaft der Brüder solche Anteile gesehen.31

Ascheuer ortete hier also die Versuche, die deutsche Gesamthandgemeinschaft mit Hilfe des Römischen Rechts zu erklären, schon für das späte Mittelalter. In der frühen Neuzeit bis ins 18. Jahrhundert stand die Rechtswissenschaft bei der Erfassung der Eigentumsgemeinschaften dann im Bann des römisch-gemeinen Rechts.

Freilich bot dieses oft keine befriedigenden Erklärungen für die Besonderheiten der deutschen Konstruktionen. Trotzdem schien man sich von den römischen Grundlagen nicht zu lösen. Durchaus versuchte man aber, diese Grundlagen während des 15.und 16. Jahrhunderts entsprechend zu modifizieren. Erwähnt werden sollen hier nur die Erwägungen Rittershausens zur Ganerbschaft. Seine Ausführungen zeigten deutlich auch das Unbehagen dabei, die deutsche Gesamthandgemeinschaft nur mit den Instrumenten des Römischen Rechts zu erklären.

In ähnlicher Weise stützte man sich auch zur Beilegung von Streitigkeiten über die Belehnung mehrerer Berechtigter vorrangig auf das römische Miteigentum. Das Ergebnis schien freilich oft wenig überzeugend. Hier sei nur kurz das Gutachten von Henning Goden zur Belehnung mehrerer Söhne mit Salzquellen erwähnt. Zwar schien der rechtliche Rahmen in auf eine Gesamthandgemeinschaft der belehnten Söhne hinzudeuten. Der Sachsenspiegel (Lehnrecht Art 32 § 3) konstruierte eine solche Belehnung als eine gesamthänderische Gemeinschaft. Nur über einen gedanklichen Umweg kam Henning Goden aber schließlich zur Erkenntnis, dass hier Miteigentum nach ideellen Anteilen vorliege.

31 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 59, 63. 139

Hinsichtlich der Details zu dieser Entscheidung darf im Übrigen auf die Ausführungen im nächsten Kapitel (7.2.) verwiesen werden.

6.3. Zur Schwächung des Gesamthandprinzips

Die genannten Gemeinschaften sind uns heute, wie zuvor erwähnt wurde, als Gesamthandgemeinschaften bekannt. Schon während des Hochmittelalters trat aber die Tendenz einer Schwächung dieses Prinzips zu Tage. Diese Schwächung war auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen, darunter auch auf einen grundlegenden Wandel der gesellschaftlichen Struktur. Die einzelnen Faktoren, die zu dieser Schwächung beitrugen, standen freilich zueinander in Beziehung. Auf sie soll nun näher eingegangen werden.

6.3.1. Kündigung/Auflösung

Die von den Brüdern fortgeführte Hausgemeinschaft wies zunächst eine hohe Stabilität auf. Zur Auflösung der Gemeinschaft war eine diesbezüglich einstimmige Entscheidung aller Gemeinschafter notwendig. Wohl schon seit dem Mittelalter genügte dafür dann aber die Mehrheit der Gemeinder. Schließlich war auch die Kündigung eines einzelnen Mitglieds der Gemeinschaft zulässig. Die Gemeinschaft konnte nun also auch durch nur ein Mitglied zur Auflösung veranlasst werden.32

Die Auflösung der Gemeinschaft führte dazu, dass die Gemeinschafter nun die frei werdenden realen Teile des bisher gemeinsamen Vermögens in ihr Alleineigentum zugewiesen bekamen. Das bisher gemeinsame Vermögen wurde also auf die Gemeinschafter aufgetrennt. Jeder von ihnen wurde nun Alleineigentümer eines realen Teiles des Vermögens. Getrennt war hier also nicht nur die Nutzung des Gutes, sondern das Vermögen an sich (sog. Watschar).33

Die vereinfachte Auflösung der Hausgemeinschaft führte nun wohl häufiger zu einer Zersplitterung des bisher gemeinsamen Gutes. War dieses schon vorher eventuell wenig rentabel, so konnten die nun kleineren Einheiten ihre Eigentümer und deren Familien wohl noch weniger versorgen. Geringere Erträge des Bauern führten auch zu geringeren Einkünften der

32 Vgl. Ogris, Gemeinderschaft, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), HRG II2 55. 33 Vgl. Floßmann/Kalb/Neuwirth, Privatrechtsgeschichte7 195. 140

Grundherren. Diese drängten daher verstärkt auf die geschlossene Vererbung der Höfe an nur einen Erben, den Anerben. Sie bestanden so auf die Unteilbarkeit der Höfe.34

6.3.2. Anerbensitte

Ein Teil der Grundherren erkannte die Gefahren, die damit verbunden waren, die Güter uneingeschränkt zu teilen. Trotz entsprechender Verbote setzten sich die Bauern oft darüber hinweg und entzogen sich der Kontrolle der Grundherren. Auch die Einhebung des Zinses wurde dadurch erheblich erschwert. Zur Lösung zumindest dieser Probleme griff man aber auf das System der Zinsträgerei zurück.35 Wo ihr Einfluss noch ausreichend war, drängten die Grundherren aber auf die Unteilbarkeit ihrer Güter. In vielen Gegenden Europas, wie in Bayern, wurde das System der geschlossenen Vererbung der Güter vorherrschend.36 In anderen Gebieten, wie im Norden Frankreichs, setzte sich dieses System dagegen nicht durch.37

Die unterschiedlichen Erbsitten hatten auch Auswirkung auf die familiäre und soziale Struktur der Bauern. In jenen Gebieten, in denen die Vererbung der Güter vorrangig geschlossen erfolgte, herrschten größere häusliche Einheiten vor. In jenen Gegenden, in denen sich die geschlossene Vererbung nicht durchsetzte, zeigten die bäuerlichen Familien dagegen die Tendenz zur Kleinfamilie. Diese bestand als Kernfamilie in erster Linie aus den Eltern und ihren Kindern. In Gebieten, in denen die geschlossene Vererbung der Güter (an die Anerben) vorherrschte, blieben größere Hausverbände bestehen. Die Vererbung des ganzen Gutes an nur einen Erben, den Anerben, schloss freilich die anderen Familienangehörigen von der Erbschaft aus. Oft waren diese gezwungen, ihre Existenz als Kleinpächter, als Hilfskräfte oder als Handwerker in der Stadt zu sichern. So zeigte sich in diesen Gebieten eine bäuerliche Oberschicht, die die Höfe weiterführte. Daneben gab es aber eine Schicht von Menschen, die ihre Existenz nun ohne den Besitz von Land sichern mussten.38

Auch die Anerbensitte schwächte freilich das Prinzip der Gesamthandgemeinschaft weiter ab. Das bäuerliche Gut wurde hier geschlossen an einen einzigen Erben, meist den ältesten Sohn, übergeben. Der Anerbe wurde Alleineigentümer des an ihn vererbten Gutes. Eine gemeinsame Berechtigung mehrerer Eigentümer gab es daran nicht. Eine solche gemeinschaftliche

34 Vgl. Rösener, Bauern im Mittelalter4 (1991) 197. 35 Vgl. Rösener, Grundherrschaft im Wandel (1991) 528. 36 Vgl. Rösener, Bauern4 196. 37 Vgl. Abel, Agrarpolitik3 (1967) 169. 38 Vgl. Rösener, Bauern4 197. 141

Berechtigung gab es freilich auch bei den real abgegrenzten Teilen nicht, wenn die brüderliche Gemeinschaft aufgelöst wurde. Die den Gemeinschaftern dann zugewiesenen Teile des Vermögens standen auch in deren Alleineigentum. An die Stelle des gemeinsamen Eigentums trat also auch hier Alleineigentum.

6.3.3. Getrennte Nutzung

Wie zuvor erwähnt wurde, stand bei den Ganerbschaften die geschlossene Bewahrung des gemeinsamen Familiengutes im Vordergrund. Die adeligen Ganerben standen in einer (vertraglichen) Gesamthandgemeinschaft.

Gerade bei den Rittern stieß eine gemeinsame Wirtschaftsführung in einem Haus aber auf Schwierigkeiten. Ogris nannte als Grund hierfür den großzügigeren Lebensstil der Ritter. Wo dies baulich möglich erschien, konnten nun einzelne Ritter getrennte Räume in Anspruch nehmen. Dabei wurde ihnen aber nur die Nutzung der Räume zugewiesen. Das gemeinsame Gut blieb weiter in der Gesamthandgemeinschaft der Ganerben bestehen. Die Zuweisung von Vermögen bzw. Teilen des gemeinsamen Vermögens (Watschar) blieb dagegen die Ausnahme. Die Zuordnung des Vermögens an sich an einzelne Ganerben schien mit dem Zweck der Bewahrung des Vermögens nur schwer vereinbar. Wo dies trotzdem geschah, wurde das gemeinsame Gut durch Veräußerungsverbote und den Ganerbenretrakt vor der Zersplitterung gesichert. Der einzelne Ganerbe konnte also getrennte Räume für sich und seine Familie nutzen. Über den so genutzten Teil des Vermögens verfügen konnte er ohne das Einverständnis der anderen Ganerben aber nicht. So konnten das adelige Gut sowie die Standesrechte als geschlossenes Vermögen bewahrt werden.39

Die Ganerben blieben also trotz der Zuordnung getrennter Räume bzw. Häuser in der Gesamthandgemeinschaft weiter verbunden. Das Gut der Ganerben blieb weiter ihr gemeinsames Eigentum. Die Ganerben konnten aber eigene abgegrenzte Räume für sich nutzen. Das gemeinsame Leben in einem Hausverband war keine Bedingung für eine aufrechte Gemeinschaft der Ganerben.

39 Vgl. Ogris, Ganerben, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), HRG I2 1929. 142

Die Aufhebung des gemeinsamen Hausverbandes bedeutete freilich nicht, dass der Ganerbe frei über den genutzten Wohnbereich verfügen konnte. Er hatte also in der Regel noch keinen gedachten Anteil des gemeinsamen Vermögens.40

6.3.4. Ausbau der Städte

In der Stadt des Mittelalters zeigte sich das Gesamthandprinzip zunächst deutlich in der Großfamilie. Sie bestand aus mehreren Generationen, die gemeinsam ein Haus bewohnten. Nicht zuletzt durch die schon beschriebene Zersplitterung der bäuerlichen Güter bzw. die Anerbensitte zogen nun verstärkt Fremde in die Stadt.

Schon erwähnt wurde, dass viele Menschen, die kein oder nicht ausreichend Land hatten, nun nach anderen Möglichkeiten der Sicherung ihrer Existenz suchen mussten. Sie fanden in der Stadt wohl bessere Chancen auf Arbeit vor als auf dem Land.

Die Zuwanderer aus der näheren Umgebung hatten zuvor zumeist weniger qualifizierte oder landwirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt. Das engere Einzugsgebiet lag dabei bei rund 30 oder 40 Kilometer entfernt. Daneben wanderten auch höher qualifizierte Handwerker aus weiter entfernten Städten zu. Freilich nahm die Zahl der Zuwanderer mit der Entfernung ab. Die Mehrzahl der Zuwanderer kam aus der Umgebung. Viele Bauern versuchten, durch Abwanderung in die Städte den schlechten Bedingungen und der Abhängigkeit von den Grundherren zu entfliehen. Das Ergebnis war oft ein Mangel an Arbeitskräften in der Umgebung. Die Grundherren sprachen dann Abzugsverbote aus. Die Städte konnten Aufnahmesperren verhängen. Trotz der Sperre zugewanderte Bauern wurden an die Grundherren ausgeliefert.41

Die Zuwanderer waren zumeist arm. Viele von ihnen suchten in der Stadt ja Möglichkeiten, ihre prekäre Existenz zu sichern. Nur wenige konnten eine eigene Bleibe erwerben. Die Zuwanderer wurden daher vorerst in die Familiengemeinschaften integriert. Gemeinsam nutzte man den oft noch einzigen Raum des Hauses. Das Wohnhaus in der Stadt war vorerst ähnlich gebaut wie das Bauernhaus. Es hatte nur einen einzigen Raum, dort war auch die gemeinsame

40 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 80. 41 Vgl. Engel, Die deutsche Stadt des Mittelalters (1993) 261f. 143

Kochstelle. Das Wohnhaus entlehnte also vorerst die Baugewohnheiten des bäuerlichen Hauses.42

Der zugezogene Fremde wurde in die familiäre Gemeinschaft integriert. Er trug finanziell zur Unterkunft bei. Der Eigentümer des Hauses gewährte ihm dann einen dinglichen Anspruch an einem gedachten Anteil des Hauses. Ein real abgegrenzter Teil des Hauses stand dem Zuwanderer nicht zur Verfügung.43 Dies änderte sich durch die Einführung des Steinbaus in den Städten. Im Vordergrund stand dabei der bessere Schutz der Häuser vor Bränden. Wesentlich trugen dazu seit dem 12. Jahrhundert die Fachwerkhäuser und später die steinernen Dielenhäuser bei.44 Die steinernen Wände verstärkten auch die Tragfähigkeit des Gebäudes. Häuser mit mehreren Stockwerken wurden errichtet. Manche Häuser hatten (ab dem 14. Jahrhundert) auch mehr als nur ein zusätzliches Geschoß. Die Wohnfläche war entsprechend größer.45

Die Häuser wurden nun stabiler gebaut. Für größere Unterkünfte reichte eine kleinere Fläche des teuren Bodens aus. So konnten mehr Menschen auf weniger verbauter Fläche leben. Wohnungen wie Geschäfte hatten freilich einen höheren Wert für den Eigentümer, wenn sie real von anderen Räumen getrennt waren. Nicht zuletzt dank der größeren Häuser war dies nun möglich. Dabei konnten auch ganze Stockwerke in real abgegrenztem Eigentum eines Eigentümers stehen. Darüber konnte der Eigentümer dann frei verfügen. Das Stockwerkseigentum war nun bekannt.46

Die sog. Sondereigentumstheorie sah das Stockwerk als Alleineigentum des jeweiligen Eigentümers. Die übrigen Teile des Hauses wurden als gemeinsames Eigentum aller Eigentümer angesehen. Auch das Grundstück war Miteigentum der Hauseigentümer. Der römische Grundsatz, dass sich der Eigentümer des Gebäudes nach dem Eigentümer des Grundstücks richte, wurde hier nicht angewendet. Die Miteigentumstheorie sah dagegen auch das Stockwerk als Miteigentum an. Den Miteigentümern stand hier aber die Klage zur Aufhebung der Gemeinschaft nicht zu.47

42 Vgl. Hamm, Die deutsche Stadt im Mittelalter (1935) 100. 43 Vgl. Oppikofer, Über gemeinschaftliches Eigentum 25. 44 Vgl. Engel, Die deutsche Stadt 89. 45 Vgl. Hamm, Die deutsche Stadt 112. 46 Vgl. Kohl, Stockwerkseigentum, ERV 55 (2007) 257. 47 Vgl. Wünsch, Stockwerkseigentum, Hausgemeinschaft und Hausgenossenschaft (1950) 47ff. 144

6.3.5. Handelsgesellschaft

Wie zuvor erwähnt wurde, war auch die compagnia als ursprüngliche Form der kontinentalen Handelsgesellschaft als Gesamthandgemeinschaft aufgebaut. Sie ging aus der Hausgemeinschaft hervor. Auch hier stand zunächst noch das gemeinsame Quartier im Vordergrund.48

Die häusliche Gemeinschaft geriet auch bei den kaufmännischen Gesellschaften zusehends in den Hintergrund. Größere Verbände mit mehr Mitgliedern benötigten aber eine praktikablere Organisation. Man ging dazu über, den einzelnen Gemeinschaftsmitgliedern mehr Freiheit zu gewähren. Auch in der Gemeinschaft der Kaufleute zeigte sich also eine Schwächung der nicht mehr zeitgemäßen Gesamthandkonstruktion.49

Schon erwähnt wurde das Aufblühen der Städte. Dort erfuhren während des 14. Jahrhunderts das Handwerk, der Handel und die Produktion von Waren für den Export einen bedeutsamen Aufschwung. Letzteres führte zu einer Belebung des kapitalintensiven Fernhandels. Die Kaufleute und ihre Gesellschaften waren nun auch an entfernten Plätzen tätig. Eine starre Bindung an das Einverständnis aller Gesellschafter zu einzelnen Geschäften entsprach nicht mehr den Anforderungen des modernen Handels. Die Entscheidungen eines weit entfernt befindlichen Gesellschafters konnten nur schwer durch eine ausdrückliche Erklärung der anderen Gesellschafter abgesegnet werden. Die vorhandenen Mittel der Weiterleitung von Nachrichten waren noch zu langsam. Abhilfe bot nun die Möglichkeit, den einzelnen Gesellschafter vor Ort mit der Geschäftsführung zu betrauen. Seine Aufgaben konnten vertraglich beschränkt werden. Schloss er auftragswidrig Geschäfte ab, konnte ein interner Ersatzanspruch der Gesellschafter fällig werden. War ein solches Geschäft für die Gesellschaft nachteilig, so haftete der abschließende Gesellschafter für den Schaden. Das abgeschlossene Geschäft blieb aber nach außen wirksam. Die Gesellschaft wurde durch dieses Geschäft verpflichtet. Die Gesellschaft hatte gegen den Gesellschafter nur einen internen Anspruch auf Ersatz des Schadens. Der einzelne Gesellschafter konnte auftragskonform also selbständig handeln. Überschritt er seine Kompetenz, wurde er ersatzpflichtig. Das durch ihn abgeschlossene Geschäft blieb wirksam. Die Vertretung der Gesellschaft (nach außen) war vertraglich oft nur als Teil der internen Beziehungen der Gesellschafter normiert.50

48 Vgl. Amend-Traut, Handelsgesellschaften, in Cordes/Lück/Werkmüller (Hg.), HRG II2 705. 49 Vgl. Floßmann/Kalb/Neuwirth, Privatrechtsgeschichte7 195. 50 Vgl. Lutz, Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften in der Zeit der Fugger (1976) 327. 145

Noch während des 15. und 16. Jahrhunderts lag der Schwerpunkt in den Gesellschaftsverträgen auf den internen Beziehungen der Gesellschafter. Auch die Regeln der Vertretung der Gesellschaft waren oft hier vereinbart. Eine Firma und ein Firmenzeichen konnten fixiert werden.51

Der Gesellschaftsanteil des Gesellschafters wurde nun offenbar bedeutsamer. Dessen Vererbbarkeit konnte jetzt vertraglich vereinbart werden. Auch für die Auseinandersetzung des Vermögens bei Beendigung der Gesellschaft diente er als rechnerische Grundlage. Die zeitliche Befristung des Vertrags war zulässig. Nach Vertragsablauf hatte der ausscheidende Gesellschafter dann einen Anspruch auf einen entsprechenden Anteil des Gesellschaftsvermögens. Die mögliche Geschäftsführung eines einzelnen Gesellschafters trug wie auch die beschriebene Stärkung des Anteils zur Schwächung der Gesamthandkonstruktion bei.52

6.4. Das dominium utile

Als Grundlage der Theorie des dominium utile diente den mittelalterlichen Glossatoren die rei vindicatio utilis. Das Justinianische Recht hatte diese Klage den Inhabern unterschiedlicher Rechtspositionen zuerkannt. Einige dieser Inhaber wurden im vorangehenden Kapitel schon erwähnt. Als solche Inhaber sind hier insbesondere der Erbpächter und der Superfiziar zu nennen. Diesen Personen räumte das nachklassische Recht eine entsprechende Klage in rem ein (vgl. u.a. D. 43, 18, 1, 3). Auch dem Ersitzer einer (der Usukapion nicht zugänglichen) Sache stand diese Klage zu (vgl. D. 39, 3, 1, 23). Zudem konnte die Ehefrau mit ihr die dos zurückfordern (vgl. C. 5, 12, 30). Ein Soldat erhob die Klage, wenn er eine mit seinem Geld gekaufte Sache einforderte (vgl. C. 3, 32, 8). Schließlich stand die Klage auch dem bonorum possessor zu (vgl. D. 5, 5). Auch den Vasallen wurde sie wie einem Eigentümer gegenüber Dritten gewährt (vgl. Libri Feud. II, 8). Die Glossatoren sahen die Grundlage ihrer Theorie also in einer Klage, die in den genannten, ganz unterschiedlichen Fällen gewährt wurde. Auf ihr gründeten sie ihre Ansicht, dass den zur Erhebung der Klage berechtigten Personen auch Eigentum zustehe.53

51 Vgl. Lutz, Die rechtliche Struktur 443. 52 Vgl. Lutz, Die rechtliche Struktur 354. 53 Vgl. Lange/Kriechbaum, Römisches Recht im Mittelalter II (2007) 925. 146

Dabei erfassten die Glossatoren aber sehr unterschiedliche Fälle einer Mitberechtigung an einer Sache. Die wohl notwendige Differenzierung der einzelnen Befugnisse nahmen sie nicht vor. So war der Soldat bzw. die Ehefrau, die eine mit dem eigenen Geld gekaufte Sache bzw. ihre dos einforderte, eigentlich als Volleigentümer zu sehen. Dass ihnen eine actio utilis zuerkannt wurde, hatte nach Ansicht Koschakers vorwiegend nur formale Gründe.54 Von der actio utilis wurde generell auf ein Eigentum geschlossen. Diesen Schluss zogen die Glossatoren auch bei den nur dinglich berechtigten Personen, wie dem Erbpächter oder dem Superfiziar. Hier wurde ein systematischer Fehler, jedenfalls aber eine Schwäche ihrer Theorie gesehen.55 Dementsprechend wurde das dominium utile von Anfang an kontrovers betrachtet. Schon während des 13. und 14. Jahrhunderts näherten die Postglossatoren die Befugnis des Vasallen, des Superfiziars etc. an den ususfructus an. Dabei ist aber der wesentliche Unterschied in der prozessrechtlichen Grundlage zu betonen. Für die Verteidigung einer Dienstbarkeit stand die actio confessoria zur Verfügung.56 Vorher begannen die Glossatoren aber, die genannten Positionen in eine einheitliche Gruppe einzuordnen. Es war wohl Johannes Bassianus (verst. 1197), der dafür den Begriff des dominium utile einführte.57

Eine wichtige Differenzierung erfuhr die Theorie der Glossatoren durch Bartolus. Die Konsiliatoren übernahmen die von den Glossatoren ausgearbeiteten Fälle des dominium utile. So ordnete auch Bartolus die Berechtigung des Erbpächters, des Superfiziars und des Vasallen als dominium utile ein. Der Ersitzer eines Grundstücks habe ebenso ein solches Eigentum inne. Bartolus differenzierte aber innerhalb der Positionen, die ein solches Eigentum einräumten, noch einmal. Das Eigentum desjenigen, der ein Grundstück erfolgreich ersaß, verdrängte das Eigentum des bisherigen Eigentümers. An die Stelle des bisherigen Eigentums trat dann das Eigentum des Ersitzenden. Der bisherige Eigentümer verlor also die Sache. Das dominium utile des Erbpächters, des Vasallen, etc. trat dagegen neben das Eigentum des dominus directus. Sein Eigentum konkurrierte mit jenem der zur Nutzung des Grundstücks befugten Person. Die Unterscheidung von Bartolus differenzierte also danach, ob das Eigentum des bisherigen Eigentümers verdrängt wurde oder es neben dem Eigentum der nutzungsberechtigten Person weiterhin bestand. Damit behob Bartolus die zuvor erwähnte Schwäche der Theorie der Glossatoren.58

54 Vgl. Koschaker, Besprechung zu Bussi, La formazione dei dogmi, SZ 58, 254. 55 Vgl. Landsberg, Die Glosse des Accursius (1883) 98. 56 Vgl. Kriechbaum, Actio, ius und dominium 336. 57 Vgl. Lange/Kriechbaum, Römisches Recht im Mittelalter II 926. 58 Vgl. Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, SZ 70, 361ff. 147

Daneben sprach Bartolus eine dritte Kategorie des Eigentums an. Die Grundlage für das schwächere quasi-dominium war nach Ansicht von Bartolus die Publizianische Klage. Die Glossatoren schienen sich uneinig, ob jemand, der diese Klage erheben konnte, auch ein dominium utile innehatte. Gegen die Einordnung als dominium utile sprach aber, dass die Publizianische Klage keinen Schutz gegen den Eigentümer gewähren konnte. Wer die Publizianische Klage zur Verfügung hatte, hatte also nur das schwächere quasi-dominium inne. Ein dominium utile war damit noch nicht zuerkannt.59 Die Position des dominium utile war stärker. Wenn der dominus utilis die Früchte und den Besitz gegen den Obereigentümer einforderte, so drang er mit seiner Klage durch. Die Klage des dominus utilis setzte sich hier sogar gegen den dominus directus durch.60 In der Praxis vor Gericht waren die drei Kategorien von Bedeutung, da der Kläger die Kategorie, auf die er seine Klage gründete, benennen musste. Insbesondere das quasi-dominium war in der Klage gesondert zu erwähnen. Es konnte nicht einfach unter der Bezeichnung ex iure dominii inkludiert werden.61

Durch das dominium utile erreichten die Glossatoren eine Fusion der römischen und germanischen Grundsätze. Diese Konstruktion trug dazu bei, die strengen römischen Regeln für die Praxis brauchbar zu machen. In der Nachklassik wurde die rei vindicatio utilis demjenigen gewährt, der vor Gericht wie ein Eigentümer angesehen wurde. Dabei war aber der zur Klage Berechtigte nicht Eigentümer. Nun erscheint es nicht unmöglich, die Klage auch nur dinglich berechtigten Personen zu gewähren. Die Glossatoren schlossen aus der Klage dann aber, dass der Kläger auch Eigentümer sei. Auch das war nicht von vornherein als falsch zu erachten. Auch das deutsche Recht kannte eine Berechtigung mehrerer Personen zur Benützung eines Grundstücks. Insofern war die Position eines römischen Erbpächters oder Superfiziars durchaus vergleichbar mit der deutschen Nutzungsberechtigung (Gewere) mehrerer Personen. Ein funktionelles Eigentum mehrerer Eigentümer schien schon in der römischen Erbpacht prinzipiell angelegt.62

Trotzdem blieb das dominium utile von Anfang an bis zu den entscheidenden Angriffen Thibauts heftigen Zweifeln ausgesetzt. Seine Gegner sahen darin nichts anderes als ein dingliches Recht an einer fremden Sache. Nach Ansicht Ehrenzweigs könne man das aber nur für die Anfangszeit sagen. Dann habe das Nutzungseigentum an Bedeutung gewonnen. Es sei

59 Vgl. Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, SZ 70, 364. 60 Vgl. Kriechbaum, Actio, ius und dominium 339. 61 Vgl. Coing, Zur Eigentumslehre des Bartolus, SZ 70, 365. 62 Vgl. Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte4 (1985) 43. 148 dann mit dem dominium directum ins Gleichgewicht getreten. Schließlich sei es volles Eigentum geworden.63

Schwab wies treffend darauf hin, dass die unveränderte Anwendung des römischen Eigentumsverständnisses die soziale Wirklichkeit dieser Zeit nicht getroffen hätte. Die mittelalterlichen Juristen hätten daher das römische Eigentumsverständnis im Sinne des zuvor Erwähnten modifiziert. Die Konstruktion des Nutzungseigentums spiegelte die mittelalterliche Lehenspyramide wider. Schwab zog aber in Zweifel, dass andernfalls eine soziale Revolution gedroht hätte. Diese Annahme überschätze seiner Ansicht nach die Sprengkraft juristischer Begriffe.64

Hinsichtlich der letzten Aussage Schwabs sind mE Zweifel zu hegen. Die starke politische Komponente des Nutzungseigentums zeigte sich klar bis ins 19. Jahrhundert. Das Nutzungseigentum überdauerte die Zeit bis zur Kritik Thibauts bzw. sogar bis zur Aufhebung der Untertänigkeit (um 1850). Die Kritik, dass es eigentlich nur auf einen Irrtum (der Glossatoren) zurückzuführen sei, konnte es offensichtlich nicht entscheidend schwächen.

Franz Wieacker vertrat die Meinung, dass die Unterscheidung von dominium directum und dominium utile die Schonung des bäuerlichen Besitzes zumindest zuließ. Ungünstiger für die Bauern seien die Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges, der stärkere Druck der Grundherren und die Zeitpacht gewesen. Die Bauern seien also in ihrer Position geschwächt worden. Wieacker sah aber nicht das rezipierte Gemeine Recht als wesentlichen Grund dafür an. Denn es habe die Schwächung der Bauern zwar nicht verhindert, sie aber auch nicht forciert. Das römische Eigentum sei an der Oberfläche geblieben. Für Wieacker schienen also die faktischen Gegebenheiten die stärkere Begründung für die Schwächung der Position der Bauern als das römische Eigentumsverständnis.65

Das Nutzungseigentum hatte also mE eine wichtige Funktion als Puffer für den Besitz der Bauern. Darin aber ist seine starke politische Bedeutung zu erblicken! Seine politische Bedeutung überwog seine juristische Feinheit klar. Die Gefahr einer Revolution durch die (in gewisser Weise enteigneten) Bauern war ohne die Abfederung mE durchaus gegeben.

63 Vgl. Ehrenzweig, Privatrecht I/22 157. 64 Vgl. Schwab, Eigentum, in Brunner/Conze/Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe 2 (1975) 70. 65 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit2 (1967) 235. 149

6.5. Zusammenfassung

Die in Kapitel 6.1. beschriebene fortgesetzte Gemeinschaft der Brüder war auch der Ursprung der deutschen Gesamthandgemeinschaft. Die Brüder blieben als Erben nach dem Tod des Familienoberhauptes in der Gemeinschaft verbunden. Schon zu Lebzeiten ihres Vaters hatten die Söhne eine Mitberechtigung am Hausgut. Nach seinem Tod blieb ihr gemeinsames Vermögen in einer Gesamthandgemeinschaft vereinigt. Die Brüder konnten nur gemeinsam über dieses Vermögen verfügen. Gesondertes Eigentum des einzelnen Bruders sah zumindest das Edictum Rothari (167) vor. Nur alle Brüder gemeinsam konnten die Gemeinschaft beenden. Der Sachsenspiegel (1230) ermöglichte auch fremden Personen eine solche Gemeinschaft.

Auch als Gesamthandgemeinschaft aufgebaut waren die bäuerliche Gemeinderschaft sowie die Ganerbschaft. Letztgenannte hatte den besonderen Zweck, das adelige Gut geschlossen zu bewahren. Die nur gemeinsame Verfügungsbefugnis der Ganerben konnte diesen Zweck sichern. In der compagnia vereinigten sich Handwerker wie Kaufmänner. Gemeinsam erworbenes Gut der Ehepartner wurde als Kaufgut gemeinsames Vermögen.

Wohl noch vor Beginn der Neuzeit wurde es auch für den einzelnen Gemeinschafter möglich, die Gemeinschaft zu kündigen. Die Gesamthandgemeinschaft wurde damit freilich instabiler. Jeder Gemeinschafter konnte jetzt die Gemeinschaft beenden. Die Zerschlagung der gemeinsamen Höfe war gerade bei den Bauern eine große Gefahr. Die Grundherren fürchteten um ihre Einnahmen. Sie forcierten daher die geschlossene Vererbung der Höfe an einen einzigen Erben. Der Anerbe wurde der alleinige Eigentümer des Hofes. Die ausgeschlossenen Erben zogen oft auf der Suche nach Arbeit in die Städte. Als Zuwanderer wurden sie vorerst in bestehende Familien integriert. Der Umstieg von Holzhäusern auf Steinbauten machte den Bau höherer Häuser möglich. Den familienfremden Bewohnern wurde nun das Eigentum an einer eigenen Wohneinheit oder auch an ganzen Stockwerken zugewiesen.

Der Fernhandel nahm zu. In der compagnia konnte nun auch ein Gesellschafter die Geschäfte führen. Die genannten Faktoren schwächten das Gesamthandprinzip ab.

Die Glossatoren bzw. Postglossatoren schlossen von der (nachklassischen) rei vindicatio utilis auf ein Eigentum der zur Klage berechtigten Personen. Dieses Eigentum wurde u.a. dem Erbpächter, dem Superfiziar und dem Vasallen zugesprochen. Es war J. Bassianus, der es wörtlich dominium utile benannte. Trotz der Kritik an ihrer juristischen Begründung wahrte die 150

Theorie der Glossatoren ihre Bedeutung bis ins 19. Jahrhundert. Die Kritik von A.F.J. Thibaut sowie die Abschaffung der Untertänigkeit bereiteten der Theorie aber ein Ende. Von Beginn an war diese Konstruktion aber den heftigen Angriffen der Romanisten ausgesetzt. 151

Kapitel 7: Die Zeit der Rezeption und des Usus modernus

7.1. Zur Rezeption des römischen Eigentumsbegriffes

Die gemeinrechtliche Theorie übernahm den weiten Sachbegriff, der nicht nur die res corporales, sondern auch Rechte erfasste.1 Die gemeinrechtliche Theorie rezipierte darüber hinaus auch den streng „absoluten“ Eigentumsbegriff der römischen Quellen.2

Angeknüpft wurde hinsichtlich des Eigentums an körperlichen Sachen weiter an die Eigentumsdefinition des Bartolus. Dieser hatte das Eigentum ja als Recht bezeichnet, über eine körperliche Sache vollends zu verfügen, soweit es das Gesetz nicht verbietet.3

Der Definition kam zusehends die Bedeutung einer Legaldefinition in Europa zu. Sie wurde von den Juristen in ganz Europa, in Deutschland ebenso wie auch in Frankreich und Spanien, wörtlich übernommen. Auch im Usus modernus lehnte man sich weitgehend an den Wortlaut dieser Definition an.4 So betonte auch Georg Adam Struve (1619-1692) die Verfügungsrechte des Eigentümers über seine körperliche Sache. Struve erkannte im Eigentum ein „jus in re corporali, quo quis de re ista potest pro arbitrio, nomine ipso disponere“.5

Das Eigentum an der Sache und die Sache wurden hier also klar voneinander unterschieden. Für das Eigentum wesentlich war das (unbeschränkte) Verfügungsrecht des Eigentümers (perfecte disponere). Die Verfügungsbefugnis des Eigentümers bestand vorrangig aus rechtsgeschäftlichen Verfügungen über die Sache, insbesondere aus dem Recht, die Sache zu verkaufen (vendere).6

Das wesentliche Merkmal des Verfügungsrechts des Eigentümers waren im Wesentlichen die rechtlichen Verfügungen über die Sache. Auch im Usus modernus wurde noch die Veräußerungsbefugnis des Eigentümers betont. Diese Befugnis schloss das Recht zur Übertragung der Sache an Dritte, zur Vermietung oder Verpachtung, zur Verpfändung, zu

1 Vgl. Kleensang, Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei Franz Ferdinand Klein, in Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 108 (1998) 101. 2 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit2 234. 3 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I (1985) 292. 4 Vgl. Klemm, Eigentum und Eigentumsbeschränkungen in der Doktrin des usus modernus 49. 5 Vgl. Struve, Syntagma Jurisprudentiae (1702) 11,6,1,4. 6 Vgl. Hass, Ist Nutzungseigentum noch Eigentum? (Diss. 1976) 43. 152 letztwilliger Verfügung über sie und zur Gewährung von Nutzungsrechten und Dienstbarkeiten daran ein. Das Recht des Eigentümers, seine Sache zu benützen, trat neben das Verfügungsrecht. Das ius disponendi des Eigentümers blieb zunächst auf rechtliche Verfügungen beschränkt. Erst im Laufe der Zeit wurde die Nutzungsbefugnis darin einbezogen.7 Der Umfang der vom ius disponendi erfassten Rechte wurde im Verlauf des 18. Jahrhunderts um die Nutzziehung des Eigentümers sowie um den Besitz erweitert.8

Der rezipierte „absolute, abstrakte, dehnbare“ und von den übrigen dinglichen Rechten klar abgegrenzte Eigentumsbegriff traf am Beginn der Neuzeit auf eine noch immer feudalistisch geprägte Gesellschafts- und Bodenordnung.9 Dem deutschen Recht des Mittelalters mit seinen unterschiedlichen Rechtskreisen und abgestuften Rechtsbeziehungen war es hingegen nicht fremd gewesen, dass eigentümerähnliche Berechtigungen auch mehreren Personen zuerkannt worden waren (z.B. mehrfache Gewere).10

Unter solchen Bedingungen aber schien es in der frühen Neuzeit wohl noch nicht möglich, dem rezipierten Eigentumsbegriff in der Praxis zum Durchbruch zu verhelfen. Wenn man die gewohnten feudalen Strukturen des Mittelalters nicht überstürzt abschaffen wollte, musste auch der rezipierte (absolute) Eigentumsbegriff zunächst an der Oberfläche bleiben. Der Anwendung dieses Begriffs standen in der Praxis die lehnsrechtlichen, gutsherrlichen und familienrechtlichen Bindungen des Grundeigentums im Wege.11 Zur Lehre vom Ober- und Untereigentum, wie sie von den mittelalterlichen Juristen ausgearbeitet worden war, stand der rezipierte (römische) Eigentumsbegriff „in einem deutlichen Spannungsverhältnis“.12

Was aber konnte die Rezeption des römischen Eigentumsverständnisses unter diesen Gegebenheiten überhaupt bewirken?

Einig scheint man sich in der Literatur darüber, dass die Rezeption des rein privatrechtlichen römischen Eigentumsbegriffes die Loslösung des Eigentums von seinen öffentlich-rechtlichen

7 Vgl. Hecker, Eigentum als Sachherrschaft (1990) 89. 8 Vgl. Hecker, Eigentum als Sachherrschaft 90. 9 Vgl. Floßmann, Eigentumsbegriff und Bodenordnung 38. 10 Vgl. Floßmann, Eigentumsbegriff und Bodenordnung 39. 11 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit2 235. 12 Vgl. Kroeschell, Zur Lehre vom germanischen Eigentumsbegriff, Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht (1995) 215. 153

Komponenten förderte. Die schon seit dem Ende des Mittelalters einsetzenden Bestrebungen für einen Abbau der feudalen Ordnungen seien durch diesen Begriff begünstigt worden.13

Den feudalen Ordnungen war ja eigen, dass die Beziehung des Grundherrn zu seinen Vasallen weit über die (privatrechtliche) Nutzung des anvertrauten Bodens hinausreichte. Neben den privatrechtlichen Vereinbarungen waren darin eben auch jene Beziehungen integriert, die man nach heutigem Verständnis dem öffentlichen Recht zuordnen könnte. Der Bauer fiel etwa unter die polizeilichen Befugnisse und die Gerichtsbarkeit des Grundherrn.14

Die Rezeption des privatrechtlich geprägten römischen Eigentumsverständnisses bewirkte die „Scheidung“ von Privatrecht und dem öffentlichen Recht. Das private Recht am Grundstück war nun nicht mehr zwangsläufig mit der Gebietsherrschaft des Grundherrn verbunden.15

Wesentlich umstrittener scheint die Antwort auf die Frage, ob die Rezeption des absoluten römischen Eigentumsbegriffes die Entrechtung der Bauernschaft maßgeblich förderte. Dass das Römische Recht die Befugnisse des Eigentümers klar von den (beschränkten) Rechten Dritter an einer Sache abgrenzte, erscheint klar. Dann aber ist es wohl nahe liegend, dass auch im Fall der Rezeption des Konstrukts des Nutzungseigentums eben trotzdem nur einer der „wahre“ Eigentümer sein kann. Den weiten (absoluten) Befugnissen des Eigentümers werden dann die Rechte Dritter, wie etwa des Nutzungseigentümers, eben letztlich doch nur untergeordnet.

Vor diesem Hintergrund konnte die Frage wohl nicht ausbleiben, wer denn nun der wahre Eigentümer sei und ob die Sache nun dem Obereigentümer oder dem Nutzungseigentümer gehöre.16

Mit anderen Worten ausgedrückt, ist also die Frage zu stellen, ob die Sicht des Eigentums als absolutes Herrschaftsrecht des Eigentümers zu einem Abbau der bäuerlichen Rechte beitrug.

Diese Frage wurde von Rudolf Hübner zumindest für Teile der niederen ländlichen Bevölkerung bejaht. Die „Überspannung“ der (individuellen) Rechte des Eigentümers und die

13 Vgl. Floßmann, Eigentumsbegriff und Bodenordnung 40. 14 Vgl. Meder, Rechtsgeschichte5 (2014) 231. 15 Vgl. Wagner, Das geteilte Eigentum im Naturrecht und Positivismus (1938) 29. 16 Vgl. Kroeschell, Zur Lehre vom germanischen Eigentumsbegriff 215. 154

Sicht der Nutzungsrechte als nur beschränkte dingliche Rechte hätten an manchen Orten zur Entrechtung dieser Gruppe geführt.17

Besonders Willoweit erkannte schon für das 15. Jahrhundert eine folgenschwere „Symbiose“ von Eigentum und Freiheit. Der Eigentümer könne über seine Sache auch disponieren, indem er sie missbrauche (ius abutendi). Seine rechtliche Position werde durch die Freiheit, über die Sache zu verfügen und sie zu missbrauchen, charakterisiert.18

Hecker sprach sich gegen dieses von Willoweit gezeichnete Bild des Eigentums in der frühen Neuzeit aus. Es sei sehr fraglich, ob Freiheit, Wille, Belieben und Gutdünken tatsächlich schon im 15. Jahrhundert Teil der Eigentumsdogmatik waren. Belegbar sei das Recht, die eigene Sache zu missbrauchen, wohl erst für das 18. Jahrhundert. Für die Zeit davor seien keine entsprechenden Belege zu finden.19

Gundlings Ansicht aus dem Jahr 1734, dass man als Eigentümer seinen Tisch auch in Stücke hauen dürfe20, bezeichnete Hecker als vereinzelte frühe Stimme, die das Recht, die Sache zu missbrauchen, befürwortete.21

Schließlich scheint man sich nun doch einig, dass nicht die Rezeption des römischen Eigentums entscheidend zur Entrechtung der Bauern beigetragen habe. Die Gründe hierfür seien eher in der Verschlechterung der bäuerlichen Position durch Anwendung ungünstiger Besitzrechte, wie der Zeitpacht, zu suchen. Das Gemeine Recht habe diese Verschlechterung des bäuerlichen Besitzes zwar nicht verhindert, aber auch nicht gefördert. Zudem habe gerade die Rezeption des Nutzungseigentums den bäuerlichen Besitz geschont.22

Das römische Prinzip der absoluten Verfügungsmacht des Eigentümers blieb zu Beginn der Neuzeit ein noch von der Wirklichkeit „weit entfernter Gedanke“.23 Mayer-Maly wies darauf hin, dass die Freiheit des Eigentums erst nach der Rezeption und in der Zeit des frühen

17 Vgl. Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts5 (1930) 246. 18 Vgl. Willoweit, Dominium und Proprietas, in Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 94 (1974) 149. 19 Vgl. Hecker, Eigentum als Sachherrschaft 93, 100, 102. 20 Vgl. Gundling, Ausführlicher Discours über das Völcker- und Naturrecht (1734) 252. 21 Vgl. Hecker, Eigentum als Sachherrschaft 102. 22 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte2 235. 23 Vgl. Kocher, Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechtskodifikation (1979) 131. 155

Kapitalismus wieder stärkere Bedeutung erlangte, dabei aber nicht mehr die der römisch- rechtlichen Ordnung erreichte.24

Die Rezeption des dominium utile vermochte freilich, wie vorhin erwähnt wurde, die feudale Ordnung vorerst zu schonen. Für die Einordnung der unterschiedlichen Besitzrechte in rechtlicher Hinsicht besaß dieses dominium eine entscheidende Tragweite. Erkannte man eben auch dem zur Nutzung Berechtigten die Position eines Eigentümers zu, so nahm man freilich den Grundherren bzw. den Lehnsmännern ihre alleinige Position als Eigentümer gegenüber den (besitzenden) Bauern bzw. Vasallen. So nahm auch ein Leihberechtigter an der Absolutheit des Eigentums Teil. In der Gruppe der Besitzrechte war ein scharfer Gegensatz zwischen den Inhabern des Nutzungseigentums und den Inhabern eines ungünstigeren Besitzrechts (wie der Zeitpacht) die Konsequenz. Vor dem Hintergrund der örtlichen Rechtszersplitterung war eine entsprechende Differenzierung aber schwierig. So führte die Rezeption des dominium utile wohl sogar zu einer „nicht angemessenen“ Vereinheitlichung unterschiedlicher Besitzrechte. Die Grenze von (universell) berechtigten Eigentümern und beschränkt berechtigten Nichteigentümern war verschoben.25

Auch in der Zeit des Usus modernus bekannte man sich weiterhin zum (abstrakten, absoluten) Eigentumsbegriff des Römischen Rechts. Diesem Begriff traten insbesondere das Pfand und die Servitut als iura in re aliena gegenüber.26

Hass bezeichnete die Eigentumsdefinition von Georg Adam Struve als ein „Ergebnis der Rezeption“.27

Struve betonte die Verfügungsbefugnis des Eigentümers und unterschied klar die Proprietät von der Nutzung einer Sache: „Das erlangte und erworbene Dominium besteht fürnehmlich in der Proprietät oder Eigenthume und in der freyen Macht und Gewalt darvon zu disponiren und zu ordnen und dann in der Niessung, so aus dem Eigenthum herfleust und nach des Eigenthums- Herren Belieben von der Proprietät kann abgesondert seyn“.28

24 Vgl. Mayer-Maly, Zur Rechtsgeschichte der Freiheitsidee in Antike und Mittelalter, in Österreichische Zeitschrift für Öffentliches Recht 6 (1955) 399 (425); aber relativierend Mayer-Maly, Das Eigentum in der österreichischen Rechtsordnung, in Wirtschaftspolitische Blätter XVII (1970) 404 (405). 25 Vgl. Schwab, Eigentum, in Brunner/Conze/Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe 2, 71. 26 Vgl. Klemm, Eigentumsbeschränkungen 50. 27 Vgl. Hass, Nutzungseigentum 44. 28 Vgl. Struve, Jurisprudentia Romano-Germanico Forensis (1670) 2, 10, § 1, zitiert bei Hattenhauer/Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit (1967) 165. 156

Struve betonte hier also, dass die Nutzung einer Sache von der Verfügungsfreiheit des Eigentümers abgesondert sein könne. Die Nutzung der Sache ergebe sich zwar aus dem Eigentum, sie könne aber eben nach Belieben des Eigentümers an einen anderen übertragen werden. Dann blieb freilich dem Eigentümer nur ein dominium minus plenum an seiner Sache.

Auch in Österreich entsprachen der Eigentumsbegriff und die Formen des Eigentums im 17. Jahrhundert durchaus noch der gemeinrechtlichen Lehre.29

7.2. Zur Dominanz römischer Grundsätze

7.2.1. Romanistische Doktrin

Die Theorie des Gemeinen Rechts übernahm aus dem Römischen Recht den Grundsatz, dass ein gleichzeitiges Eigentum mehrerer Eigentümer an einer ganzen Sache, ein „dominium duorum in solidum“, nicht existierte. Gemeinsames Eigentum wurde somit nur in Form des Miteigentums nach ideellen Anteilen anerkannt. Schwierigkeiten ergaben sich aus dieser Ansicht freilich bei der rechtlichen Erklärung spezifischer Rechte im territorialen Gewohnheits- und Statutarrecht.30

Von der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an (bis ins 18. Jahrhundert) wurden nun auch die deutschen Gesamthandkonstrukte von der romanistischen Doktrin erfasst. Diese Konstrukte (u.a. Ganerbschaften) wurden in erster Linie mit den Regeln der römischen societas, der communio und vereinzelt auch der universitas erklärt.31

Die Lehre in der Zeit von etwa 1450 bis etwa 1775 war nach Ansicht Buchdas von der vollen Entfaltung des Romanismus geprägt. Praxis und Theorie hätten versucht, ihren Gegenstand fast nur mit der Hilfe der rezipierten Doktrin zu meistern.32 Allerdings schien das Unbehagen in der Lehre dabei zu steigen. Man schien sich über die Schwächen des Römischen Rechts und die Schwierigkeiten bei der Erklärung der Gesamthandgemeinschaft durchaus im Klaren. Gedanken, die von den römischen Quellen abwichen, konnten sich aber letztlich nicht

29 Vgl. Wesener, Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit (1989) 70. 30 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I 293 (unter Hinweis auf die Digesten, insb. D. 13, 6, 5, 15 und D. 49, 17, 19, 3). 31 Vgl. Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte4 125. 32 Vgl. Buchda, Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre (1936) 31. 157 durchsetzen. Man schien, vor der Übermacht des Römischen Rechts wohl zu resignieren.33 Die wesentliche Grundlage dieser Zeit waren die Konsilien einzelner Gutachter zu konkreten Themen. Doch mühten sich die Konsilien mit einzelnen Fällen ab. Durch ihre Kasuistik (in der Tradition des Mos Italicus) waren sie aber nicht in der Lage, einheitliche oder geschlossene dogmatische Grundlagen zu schaffen.34

Deutlich wurden die Schwierigkeiten, die sich aus der Anwendung der römisch-rechtlichen Regeln auf die (deutschrechtlichen) Eigentumsgemeinschaften ergaben, bei der Gesamtbelehnung. Normen zur Belehnung mehrerer Berechtigter fanden sich schon im Lehnrecht des Sachsenspiegels. Es normierte die Verleihung eines Gutes an mehrere Brüder, die dieses „mit gesammter Hand“ empfingen (vgl. Art 32 § 1). Keine der so belehnten Personen konnte aber einen Teil des Gutes ohne den anderen verleihen, aufgeben oder den anderen entziehen. Wovon man keinen Teil empfangen habe, könne man gemäß Art 32 § 3 auch keinen Teil verleihen oder aufgeben.35

Die Gesamtbelehnung wurde vom sächsischen Lehnrecht also offenkundig als Gesamthandgemeinschaft normiert.36 Dagegen schloss sich die Coinvestitura gemäß den langobardischen Libri Feudorum den römischen Quellen und daher dem Miteigentum nach ideellen Anteilen an.37 Seit der Reichskammergerichtsordnung von 1495 kam den Libri Feudorum (nur) noch subsidiäre Bedeutung nach den lokalen Rechtsquellen zu. Daher war für die Frage der Anwendbarkeit des jeweiligen Rechts (und so auch für die Frage der Ausformung der Gesamtbelehnung) die geographische Lage des umstrittenen Lehens von erheblicher Bedeutung.38

Aber auch dann, wenn dieses Kriterium eigentlich für die Annahme einer Gemeinschaft zur gesamten Hand sprach, schien man sich von den römisch-rechtlichen Vorbildern nicht zu weit entfernen zu wollen. Als weithin bekanntes Beispiel sei hier das sechste Gutachten von Henning Goden (1450-1521) über einen Streit über Salzquellen genannt. In seinem Gutachten mit der

33 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 87. 34 Vgl. Buchda, Gesamthandlehre 33. 35 Vgl. Hirsch, Eike von Repgow, Sachsenspiegel/Lehnrecht (1939) 137. 36 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 67. 37 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 68 mit Hinweis (u.a.) auf Libri Feudorum I, tit. I, cap. 2. 38 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 69. 158

Bezeichnung „De Salinis“ befasste sich Goden ausführlich mit einem Rechtsstreit in Halle über die gemeinsame Belehnung mit Salzquellen.39

In Halle war vorgesehen, dass die Rechte an den Salzquellen, die die Stadt vom Erzbischof von als Lehen innehatte, nur an Bürger von Halle verliehen werden durften. Die vier Salzquellen waren in 32 „Stühle“ geordnet, ein Stuhl bestand aus 48 sogenannten „Pfannen“. Kein Bürger durfte aber an mehr als einem Stuhl berechtigt sein.

Im Anlassfall von Godens Gutachten hatte ein Bürger seinen drei Söhnen einen Stuhl gemeinsam vermacht. Einer der Söhne hatte nun den Plan, für seine Kinder einen weiteren Stuhl (zu seinem vom Vater hinterlassenen Stuhl) dazu zu erwerben. Ginge man hier von einer Gemeinschaft (der Söhne) zur gesamten Hand aus, so wäre der Stuhl des Vaters im gemeinsamen Besitz der Söhne. Die Söhne wären als eine Person zu sehen und verfügten nicht über (gedachte) Anteile an den Pfannen. Der Erwerb weiterer Pfannen (oder Stühle) wäre den Söhnen dann nicht möglich. Erachtete man die Gemeinschaft der Söhne aber als Miteigentum nach ideellen Anteilen, so hieße das, dass jeder der Söhne nur ein rechnerisches Drittel an dem vom Vater hinterlassenen Stuhl, also 16 Pfannen, besäße. Der Erwerb bis zu 32 weiterer Pfannen wäre jedem Sohn dann zu ermöglichen.

Henning Goden folgte in seinem Gutachten vorerst dem sächsischen Lehnrecht. Er zitierte Art 32 des Sachsenspiegels. Die Söhne vertraten gemeinsam die Person ihres verstorbenen Vaters. Dieser unterlag zu Lebzeiten der Beschränkung auf den Besitz der Rechte an höchstens einem Stuhl. Auch auf seine drei Söhne war daher diese Beschränkung anzuwenden. Der Erwerb weiterer Pfannen wäre den Söhnen so nicht möglich gewesen.

Dennoch kam Goden schließlich zu einem völlig anderen Ergebnis. Jeder Sohn könne weitere Pfannen erwerben, wenn er die Höchstgrenze von 48 Pfannen nicht überschreite. Man habe sich den Stuhl des Vaters als in Teile zerlegt zu denken. Jeder der Söhne besitze einen gedachten Anteil. Jeder Sohn vertrete den Vater nur zu jenem Teil, zu dem er Erbe geworden sei.40

Das Gutachten Godens zeigte (ab Seite 23b) eine Wendung, die sich nach den Worten Ascheuers „nicht ganz harmonisch“ in die bisherige Vorgangsweise einfüge.41 Tatsächlich

39 Vgl. Goden, Consilia (1545) 22ff. 40 Vgl. Goden, Consilia 25a. 41 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 73. 159 schien Goden zunächst den Gedanken einer Gesamthandgemeinschaft der Söhne zu verfolgen. Dann aber drehte er sein Gutachten mE abrupt in die andere Richtung einer Miteigentumsgemeinschaft der Söhne ab.

Die Wendung Godens führte Ascheuer auf sein mögliches Unbehagen zurück, sich zu weit von den römischen Vorbildern zu entfernen. Goden habe sich dem seiner Zeit immanenten Zwang des Römischen Rechts wohl gebeugt.42

Dieses von Ascheuer angesprochene Unbehagen trat auch in den nachfolgenden Jahrhunderten zutage. Die Gesamtbelehnung wurde von der Theorie als eine societas, eine communio oder als eine dieser ähnliche Konstruktion angesehen. Zwar betonte man auch die Einheit der Investitur oder zog erbrechtliche Gedanken heran. Doch blieb das bloßes „Beiwerk“.43

Modifikationen, wie Matthias Berlichs Verneinung des Mehrheitsprinzips44 bei der Gesamtbelehnung, konnten an deren Interpretation mit Hilfe der Konstruktionen des Römischen Rechts nichts ändern. Die Berechtigung der mitbelehnten Personen wurde (noch im 19. Jahrhundert) weiterhin als Miteigentum nach ideellen Anteilen erfasst.45

Bei den Ganerbschaften zeigte sich ein ähnliches Bild zu deren Erklärung. Die Grundlage für deren dogmatische Einordnung waren für das 16. und 17. Jahrhundert die Ausführungen von Konrad Rittershausen (1560-1613). Rittershausen stütze sich zur Erklärung der unterschiedlichen Formen der Ganerbschaften im Wesentlichen auf die römischen Konstruktionen der communio, der societas und des condominium. Regalien und Privilegien der Ganerbschaft konnten nach Ansicht Rittershausen aber auch der Ganerbschaft als einer Art Körperschaft (corpus condominorum) verliehen werden.46 Rittershausen kombinierte hier die societas mit Ansätzen der römischen universitas.47 Den gleichen (körperschaftlichen) Ansatz für die Ganerbschaft verfolgte auch Paul Wehner (1583-1612), ein Schüler von Rittershausen.48

42 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 74. 43 Vgl. Buchda, Gesamthandlehre 54. 44 Vgl. Berlich, Decisiones aureae (1685) Decisio 125 Nr. 6 (326). 45 Vgl. Duncker, Das Gesamteigentum (1843) § 11 (93). 46 Vgl. Rittershausen, Partitiones Iuris Feudalis (1615) I, Cap. 17 (254ff). 47 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 83. 48 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 85; Wehner, Practicarum Juris Observationum (1624) 200. 160

Die dogmatische Einordnung der Ganerbschaft mit Hilfe der genannten römischen Instrumente blieb auch im 17. und 18. Jahrhundert im Vordergrund. Die Konstruktion der communio, der societas und das condominium blieben dabei der Grundton.49

Duncker sah noch im 19. Jahrhundert die Ganerbschaft als eine modifizierte Form einer communio an. Trotz ihrer dauerhaften Einrichtung und der Auflösung nur durch die Übereinkunft aller Ganerben dürfe man nicht schließen, dass die Ganerbschaft nicht unter den Begriff der „communio“ passe.50

Die eheliche Gütergemeinschaft wurde im 17. Jahrhundert als communio oder societas erklärt.51 Zwar stand diese Sicht auch im 18. Jahrhundert noch weitgehend im Vordergrund. Sie beherrschte aber nun nicht mehr allein das Gebiet der Gütergemeinschaft.52 Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde hier dem Ende des 17. Jahrhunderts entworfenen dominium plurium in solidum mehr Raum zuerkannt. Daneben trat die auch gegen Ende des 17. Jahrhunderts entwickelte Theorie der moralischen Person in Erscheinung.53 Diese Konstruktionen des ausgehenden 17. Jahrhunderts bezeichnete Buchda als „unrömische Gedanken“, die in dieser Zeit in die Gesamthandlehre eindrangen.54

7.2.2. Die Theorie des dominium plurium in solidum (1681)

Als Begründer der Theorie des dominium plurium in solidum wird heute ein Autor gesehen, der unter dem Pseudonym Justus Veracius auftrat. Veracius bezog sich in seiner Theorie zwar auf das Bamberger Ehegüterrecht. Seine Theorie ging aber schließlich in ihrer Reichweite weit darüber hinaus.55

Der Kernsatz seiner Theorie war darin zu sehen, dass sich bei der ehelichen Gütergemeinschaft das Gut der Ehegatten verband, sodass jeder von ihnen Eigentümer am ganzen Gut war. Die Ehegatten waren also (gleichzeitig) am ganzen Vermögen berechtigt.56 Darin war freilich eine klare Abkehr von den bisher zur Erklärung der Gesamthandgemeinschaft herangezogenen

49 Vgl. Buchda, Gesamthandlehre 76, 78. 50 Vgl. Duncker, Das Gesamteigentum 152. 51 Vgl. Buchda, Gesamthandlehre 95. 52 Vgl. Buchda, Gesamthandlehre 97. 53 Vgl. Buchda, Gesamthandlehre 98, 101. 54 Vgl. Buchda, Gesamthandlehre 31. 55 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 99. 56 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 100. 161

Regeln des Römischen Rechts zu erblicken. Veracius setzte sich (mit Unbehagen) in einen (bewussten) Gegensatz zu den bisherigen Definitionsversuchen für diese Gemeinschaft mit Hilfe des Römischen Rechts.57 Das Römische Recht hatte ja ein (gleichzeitiges) Eigentum mehrerer Personen an einer Sache abgelehnt.58

Veracius baute seine Theorie im Wesentlichen auf drei Argumenten auf. Seine Theorie führte ihn ausgehend vom Würzburger Stadtrecht über die Lehre von Charles Dumoulin zurück bis in das nachklassische Römische Recht.59

Das Würzburger Stadtrecht normierte, dass jeder Ehegatte mit einem Testament nur über ein Drittel des ehelichen Gutes verfügen konnte. Ein Drittel des ehelichen Gutes war gemeinsames Vermögen, das der alleinigen Verfügung des einzelnen Ehegatten nicht zugänglich war.60

Veracius sah hier eine gemeinsame Berechtigung der Ehegatten (in solidum) an einem Drittel des Gutes. Diese gemeinsame Berechtigung sei aber ohne Schwierigkeiten auf das ganze Gut zu erstrecken. Die Ehegatten seien zwar gemeinsam an ihrem ehelichen Gut berechtigt. Die Ehefrau habe aber an diesem Gut kein Verfügungsrecht. Veracius erkannte der Ehefrau nur ein Eigentum in habitu zu. Er verwies dabei auf die Ansicht des französischen Gelehrten Charles Dumoulin (1500-1566). Auch Dumoulin sprach der Ehefrau die Wirkung der communio nur in habitu zu. Der Ehemann aber hatte die Befugnis, über das ganze Gut (in actu) zu verfügen. Als ein weiteres (drittes) Argument seiner Theorie führte Veracius an, dass auch das auch das Römische Recht eine Berechtigung mehrerer Eigentümer anerkannt habe. Er wies hier auf die Position der Kollegatare (in C. 6, 51, 11) hin. Kollegatare konnten ein Vermächtnis freilich ablehnen. Den Kollegataren, die das Vermächtnis annahmen, wurde dann das „Ganze“ übertragen („totum volentibus accedere“). Veracius schloss hier darauf, dass der einzelne Kollegatar bereits ein Eigentum in solidum hatte.61

Die Theorie von Justus Veracius hatte in der bis dahin romanistisch dominierten Gesamthandlehre kein Vorbild. Veracius´ Gedanken ließen erstmals deutlich werden, was der Rechtsanwendung im Alltag entsprach. Die Juristen der Rezeption waren kaum in der Lage

57 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 104. 58 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 100 samt Verweis auf Ulpianus D. 13, 6, 5, 15. 59 Vgl. Buchda, Gesamthandlehre 120f. 60 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 101. 61 Vgl. Buchda, Gesamthandlehre 120ff samt Verweis auf Veracius, Libellus consuetudinum principatus Bambergensis (1681) 69ff. 162 gewesen, die Besonderheiten der deutschen Gesamthandgemeinschaft überzeugend dogmatisch zu erklären.62

Dennoch setzte sich die Idee des Gesamteigentums nur langsam durch. Die romanistische Doktrin behauptete sich zunächst „ungeschwächt“.63 Auch in der Mitte des 18. Jahrhunderts war die Theorie der ehelichen Gütergemeinschaft noch weitgehend dem Römischen Recht verhaftet.64

In Heinrich Arnold Lange (1724-1783) fand der Gedanke des Gesamteigentums zwar einen sehr beredten Anhänger. Dieser ging davon aus, dass sich das Eigentum jedes Ehegatten auf das ganze eheliche Vermögen (und nicht nur auf dessen Hälfte) beziehe. Er bezeichnete es als „fast allgemeinen Fehler“, dass die Doctores den Eheleuten jeweils nur die Hälfte des ehelichen Vermögens zuordneten. Dabei wies er insbesondere auf die für den Verkauf des Vermögens notwendige Einwilligung beider Ehegatten hin.65

Gleichzeitig stieß Veracius´ Theorie aber auf Ablehnung und teilweise heftige Kritik. Ein Teil der Lehre ging auch im 18. Jahrhundert weiterhin von Miteigentum der Ehegatten in der Gemeinschaft aus. Als wichtiger Vertreter hierfür ist Johann Friedrich Eisenhart zu nennen, der die eheliche Gütergemeinschaft weiter als communio nach Vorbild des Römischen Rechts ansah.66

Die deutlichste Ablehnung des Gesamteigentums äußerten schließlich im 19. Jahrhundert Romeo Maurenbrecher und Ludwig Duncker. Maurenbrecher nannte das Gesamteigentum einen Widerspruch mit der Logik und durchaus „ein Unrecht“. Gemeinsames Eigentum bestehe nur als römisches Condominium oder aber in einer „moralischen Person“ (universitas).67

In ähnlich klarer Weise äußerte Duncker seine Ablehnung des Gesamteigentums. Er nannte es ein „Trugbild“, das eheliche Vermögen sah er, ähnlich der römischen dos, als Alleineigentum des Ehemannes an.68

62 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 109. 63 Vgl. Buchda, Gesamthandlehre 135. 64 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 109. 65 Vgl. Lange, Die Rechtslehre von der Gemeinschaft der Güther unter denen teutschen Eheleuten (1766) 162, 171. 66 Vgl. Eisenhart, Institutiones Iuris Germanici Privati3 (1775) 151. 67 Vgl. Maurenbrecher, Lehrbuch des gesamten heutigen gemeinen deutschen Privatrechts I (1840) 452. 68 Vgl. Duncker, Das Gesamteigentum 2, 228. 163

Die Theorie des Gesamteigentums konnte sich aber trotz der Kritik bis ins beginnende 19. Jahrhundert verfestigen. Es behauptete sich neben der römischen Lehre und dehnte seinen Anwendungsbereich über das ursprüngliche Gebiet der Gütergemeinschaft der Ehegatten aus. Es avancierte zu einem „Rechtsgedanken“ und wurde ein Gattungsbegriff.69

Seine Kritiker ruhten aber nicht. Nach 1800 setzten die wohl entscheidenden Angriffe auf das Gesamteigentum ein. Insbesondere trug Johann Christian Hasse wesentlich zu diesen Angriffen bei. Hasse ersetzte das solidarische Gesamteigentum durch sein eigenes Konstrukt der „mystischen Person“.70

In Österreich bot sich die Anwendung des von Veracius entworfenen „dominium in solidum“ aber nicht an. Die Ehepartner wurden hier während der aufrechten Ehe als Quoteneigentümer gesehen.71 Der von Veracius zunächst ja für die eheliche Gütergemeinschaft entwickelte Begriff fand in Österreich keine Aufnahme.72

7.2.3. Die Theorie der mystischen Person von Hasse

Der ursprüngliche Begriff der „moralischen Person“ wurde zunächst von Samuel Pufendorf begründet. In seinem Werk „De jure naturae et gentium“ aus dem Jahr 1672 sprach Pufendorf eine persona moralis composita an. Pufendorf bezeichnete mit diesem Ausdruck eine durch ein moralisches Band verbundene Vereinigung von Menschen.73

Die moralische Person war als Vereinigung klar zu trennen von den Menschen als ihren „psychophysischen“ Trägern.74 Die grundsätzliche Voraussetzung des „moralisch differenten Handelns“ sah Pufendorf in der Freiheit des Willens. Ohne sie fiele jede Moralität menschlichen Handelns dahin.75 Die Freiheit sei die vornehmste Eigenschaft des Willens. Sie zeige sich in der Möglichkeit, ohne Nötigung und aus innerem Antrieb zu handeln.76

69 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 123. 70 Vgl. Buchda, Gesamthandlehre 136, 146. 71 Vgl. Brauneder, Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich 269. 72 Vgl. Wesener, Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit 67. 73 Vgl. Pufendorf, De jure naturae et gentium libri octo (1672) I 1 § 12 (10). 74 Vgl. Welzel, Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs (1958) 29. 75 Vgl. Welzel, Die Naturrechtslehre Pufendorfs 25. 76 Vgl. Welzel, Die Naturrechtslehre Pufendorfs 21. 164

Pufendorf sah in der moralischen Person also eine Vereinigung von Personen.77 Pufendorfs Theorie der moralischen Person war von Beginn an umstritten. Ihre Bedeutung wurde zunächst noch nicht erkannt. Der Ausdruck der moralischen Person fristete ein eher kümmerliches Dasein. Ihre Bedeutung ging rasch verloren.78

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts suchte Johann Christian Hasse (1779-1830) nach einer eigenen Konzeption für die gesamthänderische Berechtigung. Die Theorie des Gesamteigentums lehnte er als undenkbar ab. Wie für Veracius war aber die eheliche Gütergemeinschaft auch der Ausgangspunkt für Hasses Überlegungen.79

Die Ehegatten sah Hasse als physische Personen an, die nicht in einer communio vereinigt waren, aber Subjekt der Summe der Rechte und Verbindlichkeiten waren. Dieses Subjekt bezeichnete er als sog. mystische Person. Der einzelne Ehegatte war hinsichtlich des Vermögens dieser Konstruktion nicht berechtigt oder verpflichtet. Die Rechte und Verbindlichkeiten wurden als in keiner Weise auf die Ehegatten aufgeteilt angesehen. Der Träger des ehelichen Vermögens war die mystische Person.80

Hasse betonte dabei aber auch die Unterschiede seiner mystischen Person im Vergleich zur römischen universitas. An der ehelichen Gemeinschaft seien ja nur zwei Personen beteiligt. Das Mehrheitsprinzip sei daher nicht anwendbar.81 Falle ein Mitglied aus, so existiere die mystische Person nicht mehr. Sie bestehe ja aus jenen Individuen, aus denen sie sich konstituiert. Die Bindungen zwischen dem Vermögen und der konkreten Personenvereinigung wären hier ja nicht neutral und unpersönlich. Dieser Umstand ergebe sich auch aus dem höchstpersönlichen Charakter der ehelichen Gütergemeinschaft.82

Hasses Theorie von der mystischen Person konnte sich in ihrer ursprünglichen Form dann aber nicht behaupten. Zwar unterlag sie zahlreichen Modifikationen. In ihnen zeigte sich teilweise auch das Bestreben, die Theorie auf andere Gesamthandbeziehungen anzuwenden. Die Theorie Hasses besaß aber nicht die Kraft, sich allgemein (in ihrer ursprünglichen Form) durchzusetzen.

77 Vgl. Welzel, Die Naturrechtslehre Pufendorfs 29 FN 32. 78 Vgl. Welzel, Die Naturrechtslehre Pufendorfs 30. 79 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 153. 80 Vgl. Hasse, Beytrag zur Revision der bisherigen Theorie von der ehelichen Gütergemeinschaft nach deutschem Privatrecht (1808) 93, 100, 104, 106. 81 Vgl. Hasse, Beytrag zur Revision der bisherigen Theorie 109. 82 Vgl. Hasse, Beytrag zur Revision der bisherigen Theorie 138. 165

Hasse konnte aber anhand seiner Theorie der zu dieser Zeit schon niedergehenden Gesamthanddogmatik eine eigenständige Konstruktion gegenüberstellen.83

Der Begriff der moralischen bzw. mystischen Person deckte sich vorerst nicht mit dem der juristischen Person. Erst während des 19. Jahrhunderts wurden beide Ausdrücke nach und nach gleichbedeutend.84

Die Privatrechtswissenschaft begann erst an der Wende zum 19. Jahrhundert, die juristische Person als ihr Teilgebiet zu bearbeiten.85 Der heute übliche Begriff der juristischen Person wurde in der deutschen Pandektistik entworfen. Die Rechtsfähigkeit des Menschen wurde dabei auf Organisationen übertragen.86 Das Vermögen der juristischen Person wurde von dem ihrer Mitglieder getrennt. In den (Ober-)Begriff der juristischen Person wurden nun auch Stiftungen und Anstalten eingegliedert. Häufig wurde daneben aber auch der Ausdruck der moralischen Person weiterhin verwendet.87

7.2.4. Die Verbindung der gesamten Hand mit der juristischen Person (Beseler)

Zumindest für einen kurzen Zeitraum wurden die Gesamthandgemeinschaften mit der Theorie der juristischen Person verknüpft. In seiner Genossenschaftstheorie prägte Georg Beseler (1809-1888) in den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts den Begriff der Genossenschaft für die Erfassung der Gesamthandgemeinschaft. In seinem 1843 erschienen Werk „Volksrecht und Juristenrecht“ ging Beseler einen Schritt weiter. Er verband für die Erklärung der gesamthänderischen Gemeinschaften die Prinzipien der römischen communio und der universitas. Beseler sah in diesen römischen Institutionen „einander schroff gegenüberstehende Formen“ menschlicher Vereinigungen. Die communio beruhe durchaus auf dem Willen des einzelnen Mitglieds. Die universitas sei aber die „Durchführung“ des Begriffs der juristischen Person.88

83 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 156ff. 84 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht II (1989) 336. 85 Vgl. Schnizer, Die juristische Person in der Kodifikationsgeschichte des ABGB, in FS Wilburg zum 60. Geburtstag (1965) 143 (147). 86 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht II 337. 87 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht II 338. 88 Vgl. Beseler, Volksrecht und Juristenrecht (1843) 163. 166

Die Gemeinschaft habe keine selbständige Persönlichkeit. Anders sei die Situation aber nach dem deutschen Recht. Die Genossenschaft verbinde das Recht der Gesamtheit mit dem der einzelnen Mitglieder. Es liege also eine Verbindung der communio und der universitas vor.89 Diese Prinzipien seien in der Genossenschaft in einem organischen Gefüge miteinander verbunden.90 Beseler ordnete die Ganerbschaft, die Gesamtbelehnung und die eheliche Genossenschaft in den Begriff der Genossenschaften in der Familie ein. In der ehelichen Gemeinschaft kam das genossenschaftliche Prinzip aber nur beschränkt zur Anwendung. Die noch so innige eheliche Verbindung der Ehegatten führe nicht zur Rechtspersönlichkeit der Ehe. Sie werde aber nicht von den strengen Regeln der Gemeinschaft (communio) beherrscht. Bei den unterschiedlichen, von Beseler genannten Genossenschaftsformen sei zu prüfen, wie stark der Begriff der universitas von dem der Gemeinschaft modifiziert wird.91

Beseler distanzierte sich letztlich ab 1847 von der engen Verbindung der gesamthänderischen Gemeinschaft und der juristischen Person. Er grenzte nun die Genossenschaft deutlich von der gesamthänderischen Gemeinschaft ab. Die Gemeinschaft verbinde die Mitglieder zu einer Gruppe. Diese Verbindung war das korporative Merkmal der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft selbst war dagegen keine Körperschaft. Die gesamthänderische Gemeinschaft hatte so keine juristische Persönlichkeit. Das gemeinsame Eigentum war das (ungeteilte) Rechtsobjekt in der Gemeinschaft. Die Mitglieder prägten die Gemeinschaft durch ihre eigene Rechtspersönlichkeit.92

In ähnlich deutlicher Weise unterschied auch Otto Gierke (1841-1921) das genossenschaftliche Prinzip von dem der gesamten Hand. Das besondere Wesen der gesamthänderischen Gemeinschaft sei in der persönlichen Verbundenheit der Mitglieder zu sehen.93 Der einzelne Gemeinschafter könne zwar durchaus Sonderrechte gegenüber der Gesamtheit haben. Solche Sonderrechte nannte Gierke sogar Anteile. Er meinte hier freilich aber nicht die Zerlegung der gemeinschaftlichen Sachherrschaft in Anteile.94 Die verbundenen Teilhaber blieben stets das

89 Vgl. Beseler, Volksrecht und Juristenrecht 164. 90 Vgl. Beseler, Volksrecht und Juristenrecht 165. 91 Vgl. Beseler, Volksrecht und Juristenrecht 165 bzw. 169. 92 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 171ff. 93 Vgl. Gierke, Deutsches Privatrecht II (1905) 389. 94 Vgl. Gierke, Deutsches Privatrecht II 389, 392. 167 einheitliche Subjekt der Gemeinschaft.95 Das Gemeinschaftsvermögen stand den Teilhabern (von den Sonderrechten abgesehen) im Ganzen zu.96

7.3. Die Modifikation des dominium utile

Das Gemeine Recht übernahm, wie auch der usus modernus, die Unterscheidung von dominium directum und dominium utile. Die mittelalterliche Lehre hatte ja die Konstruktion des dominium utile insbesondere zur Erklärung der Position des Lehnsmannes (anhand der römischen rei vindicatio utilis) ausgearbeitet.97

Zunächst war dem Ersitzungsbesitzer das dominium utile zuerkannt worden. Schließlich war diese Konstruktion u.a. auf den Lehnsmann, den Erbpächter und den Nutzungsberechtigten der Landleihe erweitert worden.98 Die mit dem Eigentum verbundenen Befugnisse an der Sache waren zwischen dem Obereigentümer und dem zur Nutzung Berechtigten aufgeteilt. Bartolus de Saxoferratis hatte dem Obereigentümer die Verfügungsbefugnis, dem Untereigentümer aber die (alleinige) Nutzungsbefugnis zugesprochen. In dieser Form fand die gemeinrechtliche Eigentumsdoktrin in Deutschland Eingang. Bis zu seiner Übernahme in den Kodifikationen des 18. Jahrhunderts unterlag das dominium utile aber einer bedeutenden Modifikation durch Georg Adam Struve.99

Zunächst aber nahmen die Reichs- und Landesgesetze des 16. Jahrhunderts die Theorie des dominium utile in Deutschland auf. Zu nennen ist hier schon die Wormser Reformation von 1498. Sie setzte den „Erbbestender“ dem Pächter auf Zeit (conductor) gegenüber. Nur dem Erbbestender wurde (in V 2) die „nutzlich herschaft“ des Grundes zugeordnet. Dem Zeitpächter wurde diese Befugnis nicht zugesprochen. Auch die 1572 erlassenen Kursächsischen Konstitutionen kannten das dominium utile des Erbzinsmannes. Dessen Position trat der sogenannte „schlechte Zins“ gegenüber. Der daraus zur Nutzung berechtigte Zinsmann hatte aber nicht nur das beschränkte Eigentum, sondern das volle Eigentum am Grundstück inne. Die Vermutung in II 39 sprach in dubio für das Bestehen eines solchen „schlechten“ Zinses.100

95 Vgl. Gierke, Deutsches Privatrecht II 392. 96 Vgl. Gierke, Deutsches Privatrecht II 392f. 97 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I 292. 98 Vgl. Coing, Europäisches Privatrecht I 293. 99 Vgl. Kroeschell, Zur Lehre vom germanischen Eigentumsbegriff 215. 100 Vgl. Beyerle, Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands (1938) 177, 282. 168

Das rezipierte Recht kannte aber als weiterreichende Leiherechte nur das Lehen und die Erbpacht. Was nicht darunter zu begreifen war, wurde als Zeitpacht eingeordnet. Das war nicht zwangsläufig mit einer Verschlechterung der bäuerlichen Befugnisse verbunden. In vielen Fällen bestand die Vermutung, dass das Gut im Eigentum des Bauern stand (vgl. oben die Ausführungen zu den Kursächsischen Konstitutionen). Der Zins wurde von den Bauern dann als Reallast zugunsten der Grundherren getragen.101

Die Rechtsquellen dieser Zeit verwendeten also den Begriff des Nutzungseigentums oder ähnliche Worte. Aber gemeint waren dabei doch nur beschränkte dingliche Rechte des Nutzungsberechtigten. Duncker verwies darauf, dass nur die Ausdrücke in die Gesetze eingegangen seien, die ein dingliches Recht bezeichneten. Man könne Dunckers Ansicht nach daher nicht annehmen, dass durch den bloßen Gebrauch der Terminologie die Theorie eine „gesetzliche Sanction“ erhalten habe.102

In Österreich erreichte die Ansicht, dass das Nutzungseigentum eine Art des Eigentums sei, auch keine breitere Wirkung. Die Literatur und Gesetzgebung zeichneten hier während des 16. und 17. Jahrhunderts ein Bild der Distanz und der praktischen Unbedeutsamkeit des Nutzungseigentums. Manche Rechtsordnung sah von der Verwendung des Begriffs des Untereigentums gänzlich ab. Als Beispiel wurde hier der Tractatus de juris incorporalibus genannt. Zahlreiche andere Werke bezeichneten nur den Grundherrn als den wahren Eigentümer. Nicht von der Hand zu weisen scheint, dass gerade in dieser bewegten Zeit der bäuerlichen Konflikte der Idee des Eigentums der Bauern kein Raum gegeben wurde. Erst unter Maria Theresia und Josef II. trat der Ausbau der bäuerlichen Besitzrechte ins Zentrum der Rechtspolitik. Der Bauernstand sollte der Freiheit teilhaftig werden, am Bodenverkehr teilnehmen und kreditfähig werden.103

Als Zwischenergebnis ist also festzustellen, dass das Nutzungseigentum zwar begrifflich Eingang in die Rechtsordnungen fand. Gemeint war aber doch vorerst nur ein beschränktes dingliches Recht an einer fremden Sache.

101 Vgl. Wagner, Naturrecht und Positivismus 33. 102 Vgl. Duncker, Über dominium directum und dominium utile, in Zeitschrift für Deutsches Recht II (1839) 209f. 103 Vgl. Pichler, Das geteilte Eigentum im ABGB, in ZNR 8 (1986) 23 (32ff). 169

Der Usus modernus nahm die Theorie des Nutzungseigentums an. Einige Autoren des Usus modernus sahen dieses aber auch nur als ein dingliches Recht des Nutzungseigentümers an einer fremden Sache an.

Zu nennen ist hier insbesondere Wolfgang Adam Lauterbach (1618-1678). In seinem Werk „Collegium theoretico-practicum“ benannte er das Nutzungseigentum als eine Form des ususfructus. War das Nutzungsrecht mit dem Recht, die Sache zu vindizieren, verknüpft, so nenne man es dominium utile. Als Beispiel eines solchen ususfructus (causalis) nannte er die Befugnis des Vasallen. Auch der Erbpächter und der Superfiziar haben einen solchen ususfructus inne. Der formale ususfructus aber berechtige nur zur schonenden Nutzung der Sache. Nicht verbunden sei damit die Berechtigung, die Sache zu vindizieren.104

In ähnlicher Weise grenzte auch Samuel Stryk (1640-1710) das Nutzungseigentum und den ususfructus ab. Das Nutzungseigentum sei eben auch das Recht, die (fremde) Sache zu vindizieren. Der ususfructus erlaube nur die schonende Nutzung der Sache. Die Sache zu verändern, sei dabei nicht zulässig.105

Die wichtigste Änderung der Theorie des Nutzungseigentums nahm in der Zeit des Usus modernus Georg Adam Struve vor. Struve wies zwar dem Nutzungseigentümer weiter das (alleinige) Nutzungsrecht zu. Dazu kam aber nach Ansicht Struves jetzt die Teilhabe an der Verfügungsbefugnis des Grundherrn. Wer die Nutzungsbefugnis habe und auch an der Proprietät teilhabe, habe das Nutzungseigentum inne. Struve nannte es auch Mindereigentum oder das „nutzbar Eigenthum“. Er grenzte es klar vom Grundeigentum oder „MehrerEigenthum“ des Grundherrn ab. Das Grundeigentum war jetzt auch in der Verfügungsbefugnis eingeschränkt.106

Struve emanzipierte sich so von den Quellen des Römischen Rechts. Das Ergebnis war ein wörtlich auf den Grundeigentümer und den Nutzungseigentümer aufgetrenntes Eigentum.107 Der Grundeigentümer verlor also sein volles Eigentum. Ihm blieb nur ein beschränktes Eigentum an der Sache. Auch das (nutzbare) Eigentum des Nutzungsberechtigten war freilich

104 Vgl. Lauterbach, Collegium theoretico-practicum I (1763) 7.1.7., 7.1.8. 105 Vgl. Stryk, Specimen usus moderni pandectarum II (1737) 7.1.3. 106 Vgl. Struve, Syntagma 11,6,3,55. 107 Vgl. Klemm, Eigentum und Eigentumsbeschränkungen 85f. 170 nur ein eingeschränktes Eigentum. Struve vertrat hier eine eigenständige Sichtweise des nutzbaren Eigentums.108

Die Grenze von Obereigentum und dem Nutzungseigentum verlief jetzt durch die Verfügungsbefugnis (Proprietät). Verlieh der Vasall sein Eigentum weiter, so hatte auch der Untervasall einen Teil der Proprietät. Im Ergebnis hieß das, dass auch die Verfügungsbefugnis noch einmal (auf eine weitere Person) aufgetrennt wurde. Die Veräußerung der Sache wurde so wohl an den Willen weiterer Personen geknüpft.109

In dieser von Struve geänderten Form fand das Nutzungseigentum auch Aufnahme in die naturrechtlichen Kodifikationen (vgl. insb § 357aF ABGB).110

Dennoch stieß diese Konstruktion weiterhin auf scharfe Kritik seiner Gegner. Diese Kritik erreichte ihren Höhepunkt in Anton F.J. Thibauts (1772-1840) Überlegungen zum Nutzungseigentum. Thibauts fundierte Kritik entzog der Theorie die Grundlage.111 Thibaut unterschied aber in seiner Kritik das ursprüngliche (ausschließende) dominium utile vom konkurrierenden Nutzungseigentum. Das erstgenannte dominium sei durch eine actio utilis geschützt. Dieses verdiene keinen Tadel. Daneben verwies Thibaut aber auf das konkurrierende, beschränkte Nutzungseigentum. Dieses dominium utilis hätten der Vasall, der Erbpächter und der Superfiziar. Darin sah Thibaut ein „Unding“, das auf einem Irrtum der Glossatoren beruhe. Einige fühlten diesen Irrtum recht gut. Es könnten nämlich nicht zwei zugleich Eigentümer sein. Diese Art des dominium widerspreche sich logisch. Trotzdem behielt es seinen Namen als Art des Eigentums.112

Die Kritik richtete sich also (nur) gegen das konkurrierende Nutzungseigentum der zur Nutzung berechtigten Personen. Dieses beschränkte Eigentum wurde dem Erbpächter, dem Vasallen und dem Superfiziar zugeordnet. Das Nutzungseigentum dieser berechtigten Personen hatte freilich das ursprüngliche dominium utile des Präskribenten verdrängt. Wohl schon seit dem 15. Jahrhundert verstand man den Ausdruck „utile“ in der Bedeutung von „Nutz und Gewer“.

108 Vgl. Wesener, Zur Rechtsquellenlehre und zum Privatrechtssystem Georg Adam Struves, in FS Blaho zum 70. Geburtstag (2009) 515 (525). 109 Vgl. Weber, Handbuch des in Deutschland üblichen Lehenrechts II (1808) 105. 110 Vgl. Kroeschell, Zur Lehre vom germanischen Eigentumsbegriff 215f. 111 Vgl. Kroeschell, Zur Lehre vom germanischen Eigentumsbegriff 216f. 112 Vgl. Thibaut, Versuche über einzelne Theile der Theorie des Rechts II2 (1817) 88f. 171

Durch die Übertragung ins Deutsche entstand daraus der Ausdruck des Nutzungseigentums.113 Die Aufhebung der Untertänigkeit (vgl. Art 7 StGG) und die Grundentlastung der Bauern entzogen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nun auch dem Nutzungseigentum sein wesentliches Anwendungsgebiet. Trotzdem wurde seine Renaissance in Deutschland auch während des 20. Jahrhunderts lebhaft (in der Theorie) diskutiert. Dabei wurden häufig die Überlegungen des deutschen Juristen und Politikers Hans-Jochen Vogel hervorgehoben.114

Vogel äußerte 1972 die Ansicht, dass die Auftrennung des Bodeneigentums in ein Verfügungs- und ein Nutzungseigentum zu einem geläuterten Eigentumsbegriff führen könne. Oft entspreche die Nutzung des Grundes nicht dem Interesse der Gemeinschaft. Im Vordergrund stehe in der Regel die Nutzung, die den höchsten Ertrag erziele. Vogels Ansicht nach müsse ein Rechtsnachfolger in das bestehende Nutzungseigentum eintreten.115

Diese Überlegung erscheint mE aber gerade in Bezug auf eine unerwünschte Nutzung wenig überzeugend. Zur Einschränkung einer (gesellschaftlich) nachteiligen Nutzung ist mE eher das öffentliche Recht heranzuziehen. Individuelle Auflagen in Bescheiden und die übergeordnete Zuordnung der möglichen Nutzung (in der Raumordnung und bei der Widmung von Gründen) sind dabei bewährte Mittel. Ein Rückgriff auf das Nutzungseigentum zur Steuerung der Nutzung ist daher nicht notwendig. Ein Abweichen von der Konzeption des einheitlichen Eigentums (gegenüber beschränkten dinglichen Rechten) erscheint überschießend.

7.4. Zusammenfassung

Die dogmatische Einordnung der deutschen Gesamthandgemeinschaft erfolgte bis weit ins 18. Jahrhundert auf der Grundlage des Römischen Rechts. Die unterschiedlichen Gemeinschaften (wie Gesamtbelehnung oder Ganerbschaft) wurden vorrangig mit Hilfe der societas oder der communio erklärt. Die Versuche, eigenständige Konstruktionen zu entwerfen, blieben vorerst an der Oberfläche. Im 18. Jahrhundert drangen schließlich stärker „unrömische Gedanken“ in die Diskussion ein. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts entwarf ein (unbekannter) Autor unter dem Namen Justus Veracius die Konstruktion des Gesamteigentums. Von der

113 Vgl. Strauch, Das geteilte Eigentum in Geschichte und Gegenwart, in FS Hübner zum 70. Geburtstag (1984) 273 (279). 114 Vgl. dazu besonders Mayer-Maly, Das Eigentumsverständnis der Gegenwart und die Rechtsgeschichte, in FS Hübner 145 (156). 115 Vgl. Vogel, Bodenrecht und Stadtentwicklung, in NJW 35 (1972) 1544 (1546). 172 ehelichen Gütergemeinschaft aus nahm es seinen Weg auch zur Erklärung der anderen Gemeinschaften. Das Gesamteigentum von Veracius blieb aber weiterhin heftig umkämpft. Johann Christian Hasse verwarf es im frühen 19. Jahrhundert. Bei seiner Suche nach einer eigenen Erklärung der Eigentümergemeinschaft erreichte Hasse schließlich den Gedanken der mystischen Person. Auch Hasse ging von der ehelichen Gütergemeinschaft aus. Die Ehegatten seien aber nicht selbst am ehelichen Vermögen berechtigt. Die Ehepartner seien die Mitglieder der mystischen Person. Diese Vereinigung der Ehepartner sei selbst das Subjekt der Rechte und Verbindlichkeiten der Gemeinschaft. Die mystische Person ging schließlich in die Konstruktion der juristischen Person ein.

Die Theorie des dominium utile erfuhr in der Zeit des Usus modernus eine entscheidende Änderung durch Georg Adam Struve. Struve ordnete dem Nutzungsberechtigten nun auch einen Anteil an der Verfügungsbefugnis zu. Der Nutzungseigentümer hatte also Teil an der Verfügungsbefugnis des Obereigentümers. Struve gelangte so zu einer eigenständigen Konstruktion des Nutzungseigentums. Die heftige Kritik Thibauts trug zweifellos zum Niedergang des Nutzungseigentums bei. Die Abschaffung der Untertänigkeit entzog dieser Konstruktion aber schließlich ihr Anwendungsgebiet. Zwar wurde seine Wiederbelebung im 20. Jahrhundert durchaus lebhaft diskutiert. Diese Diskussion bewirkte aber keine Steigerung seiner Bedeutung mehr. 173

Kapitel 8: Das gemeinschaftliche Eigentum im Naturrecht und in den Kodifikationen in Bayern, Preußen und Österreich

8.1. Die naturrechtliche Lehre als Grundlage

Die frühen Vertreter der Naturrechtslehre gingen von einem vorgesellschaftlichen Naturzustand aus, in welchem noch keine hierarchischen Beziehungen unter den Menschen herrschten. In diesem Zustand verfügten die Menschen über gleiche Rechte. Während Thomas Hobbes (1588- 1679) diesen ursprünglichen Zustand als einen fürchterlichen Kriegszustand sah, in welchem die Menschen bereits um die knappen Ressourcen gewaltsam kämpfen mussten, gründete dieser Zustand bei Hugo Grotius (1583-1645) und Samuel Pufendorf (1632-1694) auf einer Gemeinschaft, der communio primaeva, in welcher der Mensch aufgrund seiner Schwäche zur friedlichen Kooperation bereit war (Prinzip der imbecilitas und der socialitas). Insbesondere Pufendorf betonte hier die „kooperative Seite der Selbsterhaltung“.1

Im (friedlichen) Urzustand teilten die Menschen die benötigten Güter miteinander. Diese konnten sie beliebig aus der Natur für ihren Gebrauch nehmen. Die Befugnis (concessio) hierfür hätten die Menschen von Gott erhalten. Diese Befugnis stellte nach Pufendorf aber noch kein dingliches Recht dar, sondern diene sie zunächst nur der Sicherung des Lebens der Menschen. Es sei falsch anzunehmen, dass den Menschen in Form der göttlichen Befugnis bereits ein dingliches Recht eingeräumt worden wäre.2

Im Urzustand befanden sich die Güter im Eigentum keines Menschen. Christian Wolff (1679- 1754) sprach hier von einer communio negativa, in welcher die Dinge niemandem gehörten.3 Aber der Urzustand war nicht von Dauer. Die Menschen strebten nach Luxus. Dafür mussten sie entsprechend mehr leisten, einige waren aber „faul“ und leisteten dazu einen geringeren Beitrag. Die schlechte Natur des Menschen habe dazu geführt, diesen Zustand verlassen zu müssen. Mit dem Sozialvertrag (Gesellschaftsvertrag) wurde daher das Eigentum eingeführt. Es sollte jeder das, was er aus der Natur gewann, für sich behalten dürfen.4 Aus dem bei Hobbes

1 Vgl. Neu, Der Mensch im Naturzustand, Politische Theorie und moderne Naturrechtslehre, Kap. 6.7.4., abrufbar unter: www.uni-muenster.de/FNZ-Online/recht/polittheorie/unterpunkte/mensch.htm, abgefragt am 07.06.2017. 2 Vgl. Pufendorf, De jure naturae et gentium libri octo IV 4 § 10 (468). 3 Vgl. Wolff, Jus naturae methodo scientifica pertractum (1742) II 1 § 105 (105). 4 Vgl. Hecker, Das Eigentum, einst Gottesgabe, heute Herrschaftsrecht, in ZNR 10 (1988) 179 (183). 174 kriegerischen Urzustand wurde durch diesen Vertrag ein gesellschaftlicher Friedenszustand, aus dem bei Pufendorf brüchigen Frieden im Naturzustand wurde durch ihn ein gesicherter Frieden.5

Das neu eingeführte Eigentum war aber nach Pufendorf zunächst nur ein Recht, das seine Wirkung in der Beziehung zu anderen Menschen entfaltete. Es schloss andere nicht berechtigte Menschen von der im Eigentum befindlichen Sache aus. Das Eigentum zeigte seine Wirkung also „ad alios homines“, damit niemand angreife, was „schon einem anderen zugeordnet ist“.6

Die soziale Grundfunktion des Privateigentums war also die klare Trennung von „mein und dein“. Es diente damit dem Frieden in der Gesellschaft. Als seine weiteren wesentlichen gesellschaftlichen Funktionen werden die verbesserte Auswertung der verfügbaren Güter, die Förderung des Tauschverkehrs, die Sicherung der sozialen Freiheit und der mit ihm verbundene Machtpluralismus genannt.7 Auf der Ebene der individuellen Person diene es aber der Befriedigung des Menschen in seinem Bedürfnis nach Eigentum und in seiner Bereitschaft, anderen wirksam zu helfen. Zudem ermögliche es die schöpferische Entfaltung des Lebens und die Zukunftsvorsorge für die eigene Familie als Gemeinschaft.8

Wie zuvor erwähnt wurde, erblickte das Naturrecht den Schwerpunkt des Eigentums zunächst in dessen Ausschließlichkeitsfunktion (gegenüber nicht an der Sache berechtigten Menschen).9

Grotius und Pufendorf unterschieden auch klar das vollständige Eigentumsrecht vom unvollständigen Eigentum. Letzteres wurde als „dominium minus plenum“ bzw. als „dominium diminutum“ bezeichnet. Das volle Eigentum gewährte dem Eigentümer die völlige Verfügungsfreiheit über die Sache. Der Eigentümer hatte somit das Recht, frei und nach Willkür (pro arbitrio) über die Sache zu verfügen.10

Fraglich erscheint aber, ob mit dieser Freiheit das Recht einherging, die eigene Sache auch zu missbrauchen oder zu zerstören. Christian Wolff beschrieb das volle Eigentumsrecht als

5 Vgl. Neu, Der Mensch im Naturzustand, Politische Theorie und moderne Naturrechtslehre, Kap. 6.7.4., verfügbar unter: www.uni-muenster.de/FNZ-Online/recht/polittheorie/unterpunkte/mensch.htm, abgefragt am 07.06.2017. 6 Vgl. Pufendorf, De jure naturae et gentium libro octo IV 4 § 10 (468). 7 Vgl. Messner, Das Naturrecht7 (1984) 1070f. 8 Vgl. Messner, Das Naturrecht7 1069. 9 Vgl. insb Pufendorf, De jure naturae et gentium IV 4 § 10 (468). 10 Vgl. Schwab, Eigentum, in Brunner/Conze/Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe 2, 75. 175

Befugnis, über die Sache frei zu verfügen, die Sache zu benützen und aus ihr Früchte zu gewinnen (ius utendi bzw. ius fruendi). Die Befugnis zur freien Verfügung bezeichnete Wolff als Proprietät.11

Ein „ius abutendi“ sah Wolff darin aber offenbar nicht. Seiner Ansicht nach solle der Eigentümer die Sache „nicht anders“ benützen als es seine Pflichten erfordern. Wolff wies aber darauf hin, dass niemand den dagegen verstoßenden Gebrauch des Eigentümers verhindern könne.12

Auch Wolff verband die persönliche Freiheit und die Freiheit des Eigentums eng miteinander. Der naturrechtliche Eigentumsbegriff und die mit ihm verbundene Befreiung des Eigentums von allen Bindungen ergaben sich aus dem naturrechtlichen Freiheitsgedanken.13

Waren mehrere Eigentümer an einer Sache berechtigt, bezeichnete Wolff das als „communio positiva“. Den Eigentümern standen in dieser Gemeinschaft an der gemeinschaftlichen ungeteilten Sache Anteile zu.14

Wie erwähnt, bestand nach Wolff das (volle) Eigentum aus dem Recht, über die Sache zu verfügen, sie zu nutzen und Früchte daraus zu gewinnen. Waren diese Rechte nicht eingeschränkt, so hatte der Eigentümer das volle Eigentum. War jemand anderer zur Nutzung der Sache und an den Früchten aus der Sache berechtigt, so war das Eigentum ein dominium minus plenum.15

Wolff vertrat aber die Ansicht, dass „eigentlich der Eigentümer“ sei, „wer die Proprietät hat“. Wolff betonte hier also die Position des Obereigentümers als (eigentlicher) Eigentümer. Damit relativierte er gleichzeitig jene des Nutzungsberechtigten. Die Sache bleibe nach Wolffs Ausführungen ja trotz des Gebrauchs durch diesen das Eigen desjenigen, der auch die Verfügungsberechtigung an der Sache hat.16

11 Vgl. Wolff, Jus naturae methodo scientifica II 2 §§ 131, 136 und 138 (127ff). 12 Vgl. Wolff, Grundsätze des Natur- und Völkerrechts2 (1769) § 202 (127). 13 Vgl. Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte4 148. 14 Vgl. Wolff, Grundsätze des Natur- und Völkerrechts2 § 196 (123). 15 Vgl. Wolff, Grundsätze des Natur- und Völkerrechts2 § 198 (125). 16 Vgl. Wolff, Grundsätze des Natur- und Völkerrechts2 § 198 (125). 176

Wolffs „dominium minus plenum“ bewegte sich in der Tradition des gemeinen Rechts. Der Umstand, dass das (ältere) Naturrecht die Ausschließlichkeit des Eigentums besonders hervorhob, stand nicht im Widerspruch dazu, die Befugnisse auf mehrere Personen aufzuteilen.17

8.2. Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756)

Das Eigentum wird in CMBC II 2 § 1 wie folgt definiert: „Das Eigenthum ist eine Macht und Gewalt, mit dem Seinigen nach eignen Belieben frey und ungehindert soweit zu disponiren als Gesatz und Ordnung zulaßt“.

Der Eigentumsbegriff im Codex ist weit zu verstehen. In der Regel kann gemäß II 2 § 4 alles „eigenthumlich“ werden, was nicht von Natur aus oder durch spezielle Verordnung als Ausnahme zu sehen ist.

In seinen Anmerkungen zum Codex erklärte Kreittmayr, dass nach deutschem Recht auch unkörperliche Sachen Gegenstand des Eigentums seien. Ein Unterschied (im Eigentum an körperlichen Sachen und Rechten) wäre auch ex jure naturae nicht ausfindig zu machen.18

Das Eigentum an unkörperlichen Sachen wird im Codex (II 2 § 2) als Quasi-dominium benannt und dem „wahren“ Eigentum an körperlichen Sachen (verum dominium) gegenüber gestellt. Hier wird u.a. auch das dominium utile, das nutzbare Eigentum, vom dominium directum der Grundherrschaft abgegrenzt.

Hat eine Sache aber „mehrere Herren“, so werden diese „als ein Mann“ gerechnet. Kein Eigentümer darf gemäß II 2 § 16 den anderen in seinem Miteigentum stören oder beeinträchtigen.

Zu Recht wies Ascheuer darauf hin, dass an dieser Stelle keine näheren Details zur inneren Struktur des Miteigentums ersichtlich seien. Wie die Berechtigungen der Eigentümer (im Inneren) aufgeteilt werden, bleibe im Dunkeln.19

17 Vgl. Moriya, Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, in Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 164 (2003) 1 (18). 18 Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem II (1761) 2 § 2 (803). 19 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 132. 177

Der Blick in Kreittmayrs Compendium kann hier zunächst nur wenig Aufklärung hinsichtlich der Natur der Anteile der Eigentümer bringen. Es weist zusätzlich darauf hin, dass keiner der Eigentümer ohne den anderen (in re communi) etwas tun könne. Das Recht des einzelnen Eigentümers, etwas zu verbieten, sei stärker.20

Wesentlich hilfreicher sind Kreittmayrs Anmerkungen zum Codex. Das Gesamteigentum bezeichnete er hier als bloße „Chimere“. Ein Eigentum mehrerer Berechtigter in solidum sei nicht möglich. Mehrere Eigentümer stünden nach außen „wie ein Mann“. Verbunden seien sie aber jeder nur „pro sua parte vel portione“. Werde die bisher gemeinsame Sache auf die Eigentümer aufgeteilt, hätte jeder Alleineigentum. Der bisherige Miteigentümer sei dann nicht mehr im Besitz nur „pro parte indivisa“.21

Jeder Teilhaber könne seinen Anteil auch ohne das Einvernehmen der anderen an fremde Personen veräußern.22

Die Wortwahl Kreittmayrs an diesen Stellen der Anmerkungen lässt auf ein Miteigentum nach ideellen Anteilen nach Vorbild des Römischen Rechts schließen.23

Das „dominium utile“ definiert der Codex in II 2 § 2 wie folgt: „…directum et utile wird genannt, wenn die Sache mehrere Herren hat, und einem davon die Grundherrschaft, dem andern aber nur das nutzbare Eigenthum […] zugehört“.

In den Anmerkungen legte Kreittmayr dar, dass der Nutzungseigentümer auch einen Anteil an der Proprietät hat. Darin sah Kreittmayr den Unterschied zum Nutzungsberechtigten im Rahmen des ususfructus.24

Damit scheint klar, dass Kreittmayr das utile dominium dem Eigentum, dem dominium minus plenum, zuordnete. Dass er auch dem Nutzungseigentümer einen Anteil an der Proprietät zugestand, entsprach Struves Konstruktion.25

20 Vgl. Kreittmayr, Compendium Codicis Bavarici (1768/1990) II 2 § 16 (64). 21 Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem II 2 § 16 Nr. 1, 2 (928). 22 Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem II 2 § 16 Nr. 4 (929). 23 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 134. 24 Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem II 2 § 2 (807). 25 Vgl. Wagner, Das geteilte Eigentum im Naturrecht und Positivismus 49. 178

Die wesentlichen Anwendungsfälle des Nutzungseigentums waren das Lehen, das Erbrecht, das Leibgedinge und das Freistift (II 2 § 2).

Neben dem Lehen und dem Erbrecht wurden hier auch das Freistift und das Leibgedinge genannt. Das Freistift hing in der Dauer von der Willkür des Obereigentümers ab, das Leibgedinge war mit der Lebenszeit des Berechtigten befristet. Aus der Sicht des Bauern waren diese Besitzrechte somit die ungünstigsten (im Vergleich zu den vererblichen Rechten).26

Strittig war im 18. Jahrhundert, ob dem Bauern im Leibgedinge ein Nutzungseigentum oder nur ein Nießbrauch zugestanden werden solle. Die Praxis ging von einem Nutzungseigentum aus. Auch Kreittmayr schloss sich dieser Sicht an.27

Kreittmayr legte also den Erbrechten und ähnlichen Rechten sowie dem Lehen die „Wirkung von Eigentum“ bei.28 Doch wies er klar darauf hin, dass das Nutzungsrecht „an sich“ eben „kein dominium“ herbeiführe.29

Der „Erbrechter“ und der Vasall benötigten aber den Konsens ihrer Herren, wenn sie ihr Nutzungseigentum veräußerten oder verpfändeten. Ohne wichtigen Grund konnte der Konsens aber auch nicht verweigert werden. Der jeweilige Herr hatte den Konsens ausdrücklich und schriftlich (u.a. in einem „Willenbrief“) zu erteilen.30

Abschließend sei noch erwähnt, dass auch dem Inhaber eines Fideikommisses das Nutzungseigentum zugesprochen wurde.31

8.3. Das Allgemeine Landrecht in Preußen (1794)

Eine Definition des Eigentümers findet sich im Allgemeinen Landrecht Preußens in I 8 § 1. Als Eigentümer bezeichnete das ALR denjenigen, welcher befugt ist, über die Substanz einer Sache

26 Vgl. Stolleis, Die bayerische Gesetzgebung, in Coing/Wilhelm (Hg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jhd. III (1976) 44 (49). 27 Vgl. Dannhorm, Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe (2003) 285. 28 Vgl. Kreittmayr, Compendium Codicis Bavarici II 2 § 6 (61). 29 Vgl. Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem II 2 § 2 (806). 30 Vgl. Kreittmayr, Compendium Codicis Bavarici IV 7 §§ 12-15 und V 18 §§ 29-33 (234 und 298). 31 Vgl. Kreittmayr, Compendium Codicis Bavarici III 10 §§ 13-16 (178). 179 oder eines Rechts mit Ausschließung anderer, aus eigener Macht, durch sich selbst oder einen Dritten zu verfügen.

Der Begriff des Eigentums im ALR war weit gefasst, er schloss auch das Eigentum an Rechten ein. Unter Eigentum wurde im ALR nicht nur das an körperlich „in die Sinne fallenden“ Sachen verstanden. Das ALR bezog in das Eigentum auch das an Rechten ein, „deren Dasein nur durch die Ausübung sich äußert“.32

Gemäß ALR I 8 § 2 war alles, was einen „ausschließenden Nutzen“ gewähren kann, ein möglicher Gegenstand des Eigentums.

Unter dem vollen Eigentum wurde das Recht verstanden, eine Sache zu besitzen, sie zu gebrauchen und sich ihrer zu begeben. Die Berechtigung, über die Substanz der Sache zu verfügen, wurde auch vom ALR „Proprietät“ genannt. Von der Proprietät wurde das Nutzungsrecht an einer Sache unterschieden (vgl. ALR I 8 §§ 9-11).

Von einem „freien Eigentum“ konnte im ALR letztlich aber nicht die Rede sein. Das Eigentum in Preußen unterlag zum einen ständischen Schranken. So war etwa der Besitz „adeliger Güter“ nur dem Adel gestattet (ALR II 7 § 37). Das Vorrecht, erbunteränige Bauern zu haben und über diese Herrschaftsrechte auszuüben, hatten nur ritterliche Gutsbesitzer (ALR II 7 § 91). Der bäuerliche Besitz unterlag einem strengen Bewirtschaftungszwang zur Unterstützung der „gemeinen Nothdurft“ (ALR II 7 § 8). Wurde das Gut beharrlich vernachlässigt, konnte der Besitzer gezwungen werden, es jemandem anderen zu übergeben (ALR II 7 § 9). Die Trennung in ein Ober- und Untereigentum blieb im ALR aufrecht. Für die Veräußerung des Gutes benötigte man weiter den ausdrücklichen Konsens des Obereigentümers (vgl. ALR I 18 § 698).33

Hatten mehrere Miteigentümer das volle Eigentum an einer Sache, so sprach das ALR von einem „gemeinschaftlichen Eigentum“ (ALR I 8 § 14 und § 15). Das gemeinschaftliche Eigentum wurde ausführlich in ALR I 17 geregelt. In ALR I 17 § 1 wurde das gemeinschaftliche Eigentum entsprechend konkretisiert. Dieses sei eben dann vorhanden, wenn „dasselbe

32 Vgl. Svarez, Unterricht für das Volk über die Gesetze (1793, Reprint 1948) 25. 33 Vgl. Ulmschneider, Eigentum und Naturrecht im Deutschland des beginnenden 19. Jahrhunderts (2003) 142. 180

Eigentumsrecht“ mehreren Personen (ungeteilt) zustand. Das Recht des einzelnen Eigentümers an der Sache gehöre zu seinem „besonderen Eigentum“ (vgl. ALR I 17 § 4).

Jeder „Teilnehmer“ durfte seinen Anteil (ohne Mitwirkung der anderen) auch an Fremde veräußern oder verpfänden (ALR I 17 § 60 und § 69).

Die Möglichkeit, auf diese Art über einen Anteil zu verfügen, ließ Ascheuer auch für das ALR von Miteigentum nach gedachten Anteilen ausgehen.34

Auch Heinrich Göppert war schon im 19. Jahrhundert davon ausgegangen, dass dem gemeinschaftlichen Eigentum des ALR der römische Begriff des condominium „getrost“ unter zu legen sei.35

Das „nutzbare Eigentum“ und das Obereigentum wurden auch im ALR weiter aufrechterhalten. In ALR I 8 § 19 wurde derjenige als „Eigner“ der Sache benannt, der nur die Proprietät an ihr hatte, nicht aber das Nutzungsrecht. Dem nutzbaren Eigentümer wurden in § 20 dagegen ein Miteigentum an der Proprietät und das Nutzungsrecht an der Sache zuerkannt.

Das im preußischen ALR weiter verwendete Konzept des nutzbaren Eigentums lehnte sich somit, wie schon der bayrische Kodex, eng an die Lehre Struves an.36

Das ALR ging von einem uneingeschränkten Eigentum als Regel aus. Eine Auftrennung der Befugnisse auf einen Obereigentümer und einen Nutzungseigentümer wurde gemäß ALR I 8 § 22 nicht von vornherein angenommen.

Das „geteilte Eigentum“ wurde im ALR in einem eigenen Titel unter I 18 normiert. In diesem Abschnitt des ALR wurden zudem die wichtigsten Anwendungsfälle, das Lehen (ab I 18 § 13) und das Erbzinsgut (ab I 18 § 680) geregelt.

Wie im bayrischen Recht trat auch im preußischen ALR der Fideikommiss als Anwendungsfall des „dominium utile“ hinzu. Das Obereigentum an den Vermögenswerten stand der ganzen

34 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 135. 35 Vgl. Göppert, Beiträge zur Lehre vom Miteigenthum nach dem preußischen ALR (1864) 17. 36 Vgl. Von Below, Wald - von der Gottesgabe zum Privateigentum (1998) 11. 181

Familie zu (vgl. ALR II 4 § 73). Der jeweilige Besitzer des Vermögens hatte daran das nutzbare Eigentum (vgl. ALR II 4 § 72).

Kein nutzbares Eigentum hatte aber der Erbpächter. Denn die Erbpacht wurde im ALR, wie das ähnlich konzipierte Meierrecht, nur als ein (vererbbares) Nutzungsrecht an einer fremden Sache verstanden (vgl. ALR I 21 § 187). Im Vergleich zu einem Erbzinsberechtigten trug der Erbpächter ein geringeres wirtschaftliches Risiko. Dem Erbpächter stand, im Unterschied zum Erbzinsmann, ein Pachtnachlass zu, wenn das gepachtete Gut vermindert wurde (vgl. ALR I 21 § 207 zur remissio). Der Erbpächter konnte aber nicht über die Substanz der von ihm genutzten Sache verfügen. Das geringere Verfügungsrecht über die Sache und das kleinere wirtschaftliche Risiko deuteten auf eine Position des Erbpächters hin, die im ALR deutlich von der eines Eigentümers abgegrenzt schien.37

8.4. Das österreichische ABGB von 1812 und seine Entwürfe

8.4.1. Codex Theresianus von 1766

Der Codex Theresianus nannte in II Cap. III n. 1 das Eigentum das „vornehmste dingliche Recht“, das alle anderen Arten von dinglichen Rechten in sich einschließt. Das Eigentum wurde in II Cap. III n. 2 als das Recht und die „Befugnuß“ bezeichnet, mit den Sachen frei zu schalten und zu walten, es sei denn, Gesetze, Verträge, Vergleiche oder ein letzter Wille verhinderten das.

Nach Thinnfelds Entwurf waren zunächst auch „Gerechtigkeiten“ als Gegenstand des Eigentums vorgesehen. Die Umarbeitung Azzonis schränkte das Eigentum aber auf körperliche Sachen ein.38

Die einzelnen, mit dem Eigentum verbundenen Befugnisse wurden im Codex Theresianus an mehreren Stellen „kasuistisch“ aufgelistet. Als die wesentlichste Wirkung des Eigentums wurde in C. Th. II Cap. 3 n. 21 der unbeschränkte Gebrauch der eigenen Sache bei Ausschließung aller anderen benannt, denen kein Recht daran zustand. Die Sache könne benutzt, zur eigenen Bequemlichkeit gebraucht, geändert, anderen übertragen, verzehrt, vermindert und verbraucht

37 Vgl. Dannhorn, Deutsche Erbleihe 295. 38 Vgl. Harrasowsky, Der Codex Theresianus und seine Umarbeitungen II (1884) 43 FN 2. 182 werden. Zudem habe ein Eigentümer die ihm „angebührenden“ Rechtsmittel (n. 23) zur Verfügung, um seine Sache zurück zu erlangen. Die einzelnen Befugnisse des Eigentümers wurden noch einmal in C. Th. II Cap. I n. 157 genannt.39

Grundsätzlich war der Eigentumsbegriff des Codex Theresianus ein absoluter, Einschränkungen waren aber durch Verordnungen und Gesetze möglich.40

Azzoni und Holger wandten sich dagegen, das Privateigentum und das höchste dominium eminens des Landesherrn auf die gleiche Ebene zu stellen. Das dominium eminens sollte (aufgrund seiner Schutzfunktion) dem privaten Eigentum übergeordnet sein.41

Im Sinn des Gemeinwohls und der Wohlfahrt des Staates konnte eine gewisse Nutzung der Sache vorgeschrieben oder verboten werden. Die Wohlfahrt des Staates wurde dem „sonderheitlichen Wohl“ der einzelnen Person vorgezogen. Das Recht der einzelnen Person an der Sache hatte der höchsten Gewalt zur Ordnung des gemeinen Wohls zu weichen (vgl. C. Th. II Cap. I n. 160).

Als Beispiele für Fälle, in denen die Beschränkung des Eigentums zulässig war, wurden eine Hungersnot und die Verteidigung gegen einen (äußeren) Feind genannt. Hierbei seien die Not, die Gleichheit und andere Umstände nach Billigkeit und Tunlichkeit zu beurteilen.42

Eine Beschränkung auf solche Notfälle war durch den Codex Theresianus selbst aber nicht normiert. Die Zulässigkeit einer Beschränkung des Eigentums der Untertanen durch das dominium eminens wurde (nur) dann anerkannt, wenn ein gewichtiger öffentlicher Grund, eine causa publica eaque maxima, vorlag.43

Gemäß C. Th. II Cap. III n. 7 konnte das Eigentum an einer Sache nicht bei zwei Herren „für voll“ sein. Wohl aber konnten mehrere Teilhaber an der Sache berechtigt sein.

39 Vgl. Kocher, Höchstgerichtsbarkeit 136. 40 Vgl. Wesener, Von Sachen und dinglichen Rechten, in FS Schott zum 65. Geburtstag (2001) 255 (258). 41 Vgl. Kocher, Höchstgerichtsbarkeit 134. 42 Vgl. Harrasowsky, Der Codex Theresianus II 43 FN 2. 43 Vgl. Kocher, Höchstgerichtsbarkeit 135 FN 39. 183

Der Codex Theresianus sagte aber nichts Näheres darüber, wie die Gemeinschaft mehrerer Teilhaber intern organisiert war. Ähnlich wie im Fall des ALR kann auch hier die Natur der Gemeinschaft der Eigentümer durch Hinzuziehung anderer Normen erschlossen werden.

Ascheuer verwies dabei auf Hinweise bei den Regeln des Codex Theresianus zur ehelichen Gütergemeinschaft und zur Gemeinschaft von Erben. In der aufrechten Ehe herrschte als Regel die Gütertrennung. Das Vermögen, das vor der Ehe vorhanden war, blieb im Eigentum des Ehepartners, dem es vor der Ehe gehörte. Auch das, was ein Partner in der Ehe erwarb, blieb in seinem Eigentum. Ein Partner hatte während der Ehe somit keinen Anspruch am Vermögen des anderen Ehepartners (vgl. C. Th. I Cap. III n. 204). Es bestand aber die Möglichkeit, dass sich der eine Partner seines Eigentums vertraglich zu Gunsten des anderen begab (vgl. C. Th. I Cap. III n. 207). Daraus ergab sich aber in der Regel Eigentum des Mannes und nicht eine Gütergemeinschaft. Ascheuer kam zu dem Ergebnis, dass ein beiden Partnern gleichzeitig zustehendes Eigentum dem Codex fremd war. Zudem konnte ein Erblasser im Falle der Gemeinschaft von Erben jedem eingesetzten Erben seinen Anteil zuweisen. Ein jeder Erbe war (nur) in demjenigen Anteil „sein Erb“, in dem er vom Erblasser eingesetzt wurde (vgl. C. Th. II Cap. XII n. 39). Ascheuer nahm schließlich vor dem Hintergrund dieser Überlegungen wohl zu Recht ein Miteigentum nach dem römischen Vorbild an. Sie räumte aber ein, dass sich aus den genannten Normen zur ehelichen Gütergemeinschaft und zur Gemeinschaft von Erben nur „vage“ Anhaltspunkte für die Sichtweise gemeinschaftlichen Eigentums ergeben.44

Die Differenzierung des Eigentums in ein Obereigentum und ein Untereigentum wurde von Holger und Azzoni verworfen. Denn das Untereigentum sei ja doch nur ein (dingliches) Recht an einer fremden Sache.45 In Azzonis Vorentwurf von Mai 1753 und in Holgers „Anmerckungen“ über das österreichische Recht von September 1753 fand sich das nutzbare Eigentum daher auch im Abschnitt über die Rechte an einer fremden Sache (Teil II, 11. Abh.).46

In C. Th. II Cap. III n. 5 kam die klare Abgrenzung des Eigentums von den Rechten an einer fremden Sache deutlich hervor. Das Recht an einer fremden Sache könne nämlich keinesfalls ein Eigentum sein, sondern eben nur eine eigentümliche „Gerechtigkeit“. Das Eigentum

44 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 138f. 45 Vgl. Harrasowsky, Der Codex Theresianus II 42 FN 2. 46 Vgl. Neschwara (Hg.), Die ältesten Quellen zur Kodifikationsgeschichte des österreichischen ABGB (2012) 132, 275. 184 verbleibe bei demjenigen, dem die Sache „gehöret“. Der Eigentümer eigne dem Benutzer nur die Nutzung der Sache, nicht die Sache selbst zu.

Der Codex Theresianus bediente sich zwar des Begriffs des „nutzbaren Eigentums“ für das Erbzinsrecht. Dem Erbzinsmann wurde das nutzbare Eigentum (als Begriff) zuerkannt (vgl. C. Th. II Cap. XXV n. 3). Nichtsdestotrotz wurde das Erbzinsrecht im Kapitel über die dinglichen Rechte geregelt und fand es Eingang in den Katalog dieser Rechte (in C. Th. II Cap. II n. 27). Der Codex Theresianus sah das Erbzinsrecht und das Oberflächenrecht somit doch nur als einfache dingliche Rechte an einer fremden Sache (und nicht als Eigentum) an.47

Im Codex Theresianus wurde somit die Einordnung des dominium utile als dingliches Recht an einer fremden Sache konsequent betrieben. Auf die vor diesem Hintergrund eher verwirrende Bezeichnung der damit verbundenen Rechte als Eigentum wurde zwar nicht verzichtet. Erst Martinis Entwurf sorgte aber für eine eigentumspolitische „Anreicherung“ des dominium utile.48

8.4.2. Der Entwurf Hortens

Wie schon der Codex Theresianus (C. Th. II Cap. III n. 1) nannte auch der Entwurf Hortens das Eigentum das „vornehmste unter allen Rechten“ (vgl. in II Cap. 2 § 1). Der Entwurf Hortens listete die einzelnen Befugnisse des Eigentümers, anders als der Codex Theresianus, schon in der Definition selbst auf (vgl. 2. Satz in II Cap. 2 § 1). Sein Entwurf setzte an die Stelle einer nur abstrakten Definition des Eigentums die Beschreibung der einzelnen damit verbundenen Befugnisse des Eigentümers.49

Als rechtlichen Grund für mögliche Einschränkungen des Eigentums benannte der Entwurf (in Entwurf Horten II Cap. 2 § 2), neben Verträgen und letztwilligen Anordnungen, nicht generell das Gesetz, sondern direkt die „höchste Gewalt“ des Herrschers. Dieser durfte mit allen Sachen und Rechten der einzelnen Personen verfahren wie es der Nutzen des gemeinen Wesens oder die „Nothdurft“ erforderte.50

47 Vgl. Hass, Nutzungseigentum 49. 48 Vgl. Pichler, Eigentum im ABGB, in ZNR 8, 28. 49 Vgl. Kocher, Höchstgerichtsbarkeit 142. 50 Vgl. Kocher, Höchstgerichtsbarkeit 142. 185

Über die rechtliche Beziehung mehrerer Teilhaber einer Sache sagte Hortens Entwurf nichts Näheres aus. Normiert war aber darin, dass in einer (ungeteilten) Gemeinschaft mehrerer Berechtigter jeder seinen Anteil an der Sache verkaufen darf (vgl. Entwurf Horten III Cap. 9 § 11). Wie Ascheuer dies schon für den bayrischen Codex Maximilianeus vorschlug, kann mE auch hier für Hortens Entwurf aufgrund dieser Befugnis des einzelnen Eigentümers auf Miteigentum nach ideellen Anteilen geschlossen werden.51

Auch der Entwurf Hortens bediente sich, wie der Codex Theresianus, des Begriffs des „nutzbaren Eigentums“. So wurde das nutzbare Eigentum dem Erbzinsmann gegen Entrichtung des Erbzinses zugesprochen (vgl. Entwurf Horten III Cap. 14 § 1 und II Cap. 22 § 3). An der Oberfläche eines Grundes Berechtigten war dieses Eigentum ebenfalls zuerkannt (vgl. Entwurf Horten II Cap. 22 § 10).

Das Erbzinsrecht und das Recht der Oberfläche wurden in Hortens Entwurf gemeinsam in Cap. 22 des II. Teiles normiert. Eingeordnet war dieses Kapitel (in Teil II) zwischen jenem über den Besitz (Cap. 21) und jenem über die Dienstbarkeiten (Cap. 23).

Wie der Codex Theresianus nutzte auch der Entwurf Hortens den Begriff des nutzbaren Eigentums. Auch in Hortens Entwurf wurde darunter aber eben nur ein dingliches Recht an einer fremden Sache verstanden. Kocher wies darauf hin, dass der Entwurf Hortens (in seiner Unterscheidung in ein Ober- und ein Untereigentum) offenbar mit der gleichen Inkonsequenz vorging wie der Codex Theresianus.52

8.4.3. Martinis Entwurf

Martinis Entwurf stellte dem Hauptstück über das Eigentum, wie der Codex Theresianus, eine abstrakte Definition des Eigentums voran (vgl. Entwurf Martini II 3 §§ 1, 2). Dabei unterschied der Entwurf Martinis das Eigentum im engsten „Verstande“ an körperlichen Sachen von jenem im weiteren Sinn, das auch unkörperliche Sachen zum Gegenstand hatte (vgl. Entwurf Martini II 3 § 2).

51 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 136. 52 Vgl. Kocher, Höchstgerichtsbarkeit 143. 186

Eine Beschreibung der einzelnen Rechte eines Eigentümers fand sich dann in II 3 § 8. Das vollständige Eigentum berechtigte den Eigentümer, seine Sache nach Willkür zu nutzen, sie ganz oder Teile davon zu übertragen, sie nicht zu nutzen oder sie aufzugeben (vgl. § 8).

Mehrere Eigentümer einer (ungeteilten) gemeinsamen Sache waren nach außen als eine einzige Person anzusehen (vgl. Entwurf Martini II 3 § 7). Der einzelne Eigentümer hatte aber das volle Eigentum an dem ihn „treffenden Sachteil“.

Der Urentwurf verwendete statt des Ausdrucks „Sachteil“ dann aber nur noch den Begriff „Teil“ (vgl. Urentwurf II 3 § 79).53 Die Gemeinschaft der Eigentümer konnte nach Ansicht Ascheuers auch als universitas gesehen werden. Schließlich folgte sie dieser Ansicht aber nicht. Die unmittelbare Berechtigung der Miteigentümer lege nahe, dass die Anordnung, die Gemeinschaft als eine Person anzusehen, nur bildhaft gemeint sei. In Einklang mit der zeitgenössischen Interpretation des bayrischen Codex nahm Ascheuer auch hier mE zu Recht ideelle Anteile der Eigentümer an.54

Dem „getheilten Eigenthum“ widmete Martinis Entwurf ein eigenes Hauptstück, das siebente im zweiten Teil. Es schloss an die Hauptstücke über den Eigentumserwerb an (vgl. Entwurf Martini II 4, 5 und 6).

Martinis Entwurf ging hier seinen eigenen Weg und näherte die Befugnisse aus dem Ober- und dem Nutzungseigentum dem vollen Eigentum an. In Martinis Entwurf stand die „Idee des Eigentums“ im Vordergrund.55 Nutzungseigentum erkannte der Entwurf Martinis (in II 7) an Stiftsgütern (§ 3), an Lehensgütern (§ 4), dem Erbpächter (§ 6) und dem Erbzinsmann (§ 7) zu.56

8.4.4. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1812)

In § 353 ABGB wird alles, was jemandem zugehört, alle körperlichen und unkörperlichen Rechte, als sein Eigentum bezeichnet. Der Eigentümer hat das Recht, mit der Substanz und den Nutzungen der Sache nach Willkür zu schalten und alle anderen davon auszuschließen (vgl.

53 Vgl. Ofner, Der Urentwurf I (1889/1976) XXXVII. 54 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 140. 55 Vgl. Pichler, Eigentum im ABGB, in ZNR 8, 27. 56 Vgl. Kocher, Höchstgerichtsbarkeit 148. 187

§ 354 ABGB). Das ABGB erkennt auch unkörperliche Sachen als Gegenstand des Eigentums an. Der weite Sachbegriff des § 285 steht mit dem weiten Begriff des Eigentums in § 353 in Einklang.57 Franz von Zeiller vertrat die Ansicht, dass auch bei Rechten die Merkmale des Eigentums vorhanden seien. Habe jemand nur ein Recht zur Nutzung einer Uhr, so stünden ihm bei weitem nicht alle Verfügungen über die körperliche Sache zu. Er könne aber sein Recht daran ganz oder zum Teil oder auch gar nicht gebrauchen. Der Unterschied liege nur in der „Verschiedenheit“ des Gegenstandes.58

Demgegenüber wird heute § 353 als zu weit gefasst gesehen. Barta verwies darauf, dass gerade die Regeln über den Schutz und den Erwerb nur für das Eigentum an körperlichen Sachen anzuwenden seien. Erforderlich seien die restriktive Auslegung und die teleologische Reduktion von § 353 ABGB.59

Wie im Urentwurf (in II 3 § 79) wurden mehrere Eigentümer einer (noch ungeteilten) Sache als eine einzige Person angesehen. Die Teilhaber hatten aber das volle Eigentum an den ihnen gehörigen Teilen (§ 361 ABGB).

Die Eigentümer konnten ihren eigenen Anteil gemäß § 829 ABGB selbständig verpfänden, vermachen oder veräußern. Ascheuer ging vor diesem Hintergrund auch hier wieder von gedachten Anteilen der Teilhaber während der aufrechten Gemeinschaft aus. Sie räumte dabei aber ein, dass diese Normen über das gemeinschaftliche Eigentum nach wie vor Möglichkeiten für einen Fortgang der Gesamthanddiskussion beließen.60

Zeiller selbst bestätigte dieses Konzept und sprach von „idealen Anteilen“, die sich über alle Teile und Rechte der Sache erstrecken.61 Über die ganze Sache könnten die Gemeinschafter nur gemeinsam als eine „moralische Person“ verfügen. Bei Zeiller selbst klingen also auch Elemente des Gesamteigentums an.62

Dennoch setzte sich schließlich die Auslegung des gemeinschaftlichen Eigentums des ABGB als Miteigentum nach ideellen Anteilen durch. Zwar gab es offizielle Quellen, die das

57 Vgl. Hoop, Abtretungsverbot, in Schriften zur Rechtsgeschichte 58 (1992) 39. 58 Vgl. Zeiller, Commentar über das ABGB I/2 (1812) 110. 59 Vgl. Barta, Zivilrecht I 489. 60 Vgl. Ascheuer, Der Anteil des Gesamthänders 141. 61 Vgl. Zeiller, Commentar über das ABGB I/2, 121. 62 Vgl. Floßmann/Kalb/Neuwirth, Privatrechtsgeschichte7 196 FN 441. 188

Gesamthandeigentum als mit dem ABGB vereinbar sahen. Brauneder verwies hier auf ein Hofdekret vom 14.12.1790 (JGS Nr. 96) über die Eintragung von Eigentum in das Grundbuch. Aber die verkürzte, dem Gemeinen Recht geschuldete Auslegung als Miteigentum nach ideellen Anteilen erlangte das „Monopol“.63

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts schienen die Zweifel an dieser Auslegung schließlich verschwunden.64

Die Differenzierung von Obereigentum und Nutzungseigentum fand auch Aufnahme ins ABGB. Gemäß § 357 stand dem Obereigentümer ein Recht an der Substanz der Sache, aber kein Nutzungsrecht zu. Der Nutzungseigentümer aber hatte das Recht zur alleinigen Nutzung und einen Teil des Rechts an der Substanz inne. Auch das ABGB übernahm somit das Konzept Struves.

Nutzungseigentum wurde nach dem ABGB dem Berechtigten an Erbzinsgütern, an Lehensgütern, dem Erbpächter und dem Inhaber eines Familienfideikommisses zuerkannt. Die Unterscheidung des Ober- und des Untereigentums war aber schon zur Zeit ihrer Kodifikation keine lebendige Form des Eigentums mehr. Die Ablösungsgesetzgebung und die Auflösung der Untertänigkeit seit 1848 ließen insbesondere die Normen über das Erbzinsgut und die Erbpacht schließlich obsolet werden.65

Franz von Zeiller trat dem Konzept des Nutzungseigentums offenkundig ablehnend entgegen. Durchaus ausweichend vertrat er die Ansicht, dass ein bürgerliches Gesetzbuch nicht der Ort sei, in die Beziehung von Grundherrn und Grundhold hineinzuregieren. Zeillers zögerlich wirkende Annäherung schien aber vor dem Hintergrund nachvollziehbar, als Befürchtungen der Stände, die Bauern könnten sich als Eigentümer des Grundes sehen, geäußert wurden. Aufnahme fanden die Erbpacht und das Erbzinsgut dann gemeinsam mit den Pacht- und Mietverträgen im 25. Hauptstück. Das Nutzungseigentum wurde zwar (nominell) noch als Eigentum bezeichnet. Aber Zeiller beließ diesem Recht nur noch die (verbale) Position eines dinglichen Rechtes. Das Nutzungseigentum iSd § 357 ABGB wurde zu einem

63 Vgl. Brauneder, Europäische Privatrechtsgeschichte (2014) 129. 64 Vgl. Stubenrauch, Commentar zum ABGB I (1887) 445. 65 Vgl. Floßmann/Kalb/Neuwirth, Privatrechtsgeschichte7 200. 189

„Beschwichtigungsrecht“ degradiert. Von der Aufnahme des Nutzungseigentums ganz absehen konnte Zeiller nicht. Zu präsent schien es wohl trotz aller Kritik noch.66

Das Konzept des Nutzungseigentums hatte wohl doch noch genügend rechtsbildende Kraft zu dieser Zeit.67 Die Lehre (in Preußen und Österreich) schien sich aber im Klaren über die Schwächen des Konzepts. Sie erachtete das Nutzungseigentum als dingliches Recht und den Obereigentümer als den eigentlichen Eigentümer.68

8.5. Zusammenfassung

In den in den vorangehenden Kapiteln betrachteten Kodifikationen bzw. Entwürfen zum ABGB ist das gemeinsame Eigentum als Miteigentum nach ideellen Anteilen zu sehen.

Zum einen kann dies aus der Verfügungsbefugnis des einzelnen Miteigentümers über den eigenen Anteil an der Sache abgeleitet werden. Ausdrücklich normiert wird eine solche Befugnis über den eigenen Anteil im preußischen ALR (I 17 §§ 60 und 69) und im österreichischen ABGB (§ 829). Auch die Entwürfe des ABGB von Horten (vgl. Entwurf Horten III Cap. 9 § 11) und von Martini (in II 3 § 7) sowie der Urentwurf (in II 3 § 79) nennen diese Berechtigung bzw. das volle Eigentum des einzelnen Miteigentümers über seinen Anteil ausdrücklich.

Für den bayrischen Codex ist dabei auf Kreittmayrs Anmerkungen hinzuweisen, in denen er eine recht klare Präferenz für die Sicht als Miteigentum nach gedachten Anteilen in der Gemeinschaft erkennen ließ (vgl. Anmerkungen Kreittmayrs II 2 § 16 Nr. 1 und 2). Für den Codex Theresianus scheint sich dies durch Heranziehung der Regeln zur Gemeinschaft von Erben und zur ehelichen Gütergemeinschaft zu ergeben. Ein gleichzeitig den beiden Ehepartnern zustehendes Eigentum (als Gesamthandeigentum) war hier nicht vorgesehen. Ging die Frau gemäß C. Th. I Cap. III n. 27 vertraglich von der alleinigen Verfügung über ihr Vermögen ab, so war Eigentum des Mannes, nicht Gesamthandeigentum, das Ergebnis.

66 Vgl. Pichler, Eigentum im ABGB, in ZNR 8, 31. 67 Vgl. Wagner, Naturrecht und Positivismus 52. 68 Vgl. Hass, Nutzungseigentum 52. 190

Die Kodifikationen in Bayern, Preußen und Österreich sowie die Entwürfe des ABGB verwendeten zwar die Begriffe des Nutzungseigentums, des Nutzungseigentümers oder des „nutzbaren“ Eigentums. In den meisten Werken hatte dieses Recht aber (abgesehen von seiner Bezeichnung) nicht die Bedeutung von Eigentum. Es bezeichnete dann nur noch ein beschränktes dingliches Recht.

In Bayern wies Kreittmayr persönlich darauf hin, dass die Befugnis zur Nutzung nicht Eigentum herbeiführe (vgl. Anmerkungen II 2 § 2).

Der Codex Theresianus erkannte dem Erbzinsmann zwar (von der Terminologie her) das Nutzungseigentum zu. Das Erbzinsrecht selbst wurde aber nur als dingliches Recht gesehen. Dementsprechend wurde es in den (nicht taxativen) Katalog der dinglichen Rechte integriert (vgl. C. Th. II Cap. II n. 27).

Eine ähnliche Sicht auf das Erbzinsrecht zeigte auch der Aufbau von Hortens Entwurf. Dieser normierte das Erbzinsrecht gemeinsam mit dem ähnlichen Oberflächenrecht in einem Kapitel (vgl. Hortens Entwurf II Cap. 22). Dieses Kapitel schloss sich jenem über den Besitz an und ging jenem über die Dienstbarkeiten voran.

Auch das ABGB verwendete (in § 357) schließlich den Begriff des Nutzungseigentümers, den es dem Obereigentümer gegenübertreten ließ. Franz von Zeiller stand dem Nutzungseigentum (als Eigentum) aber eher ablehnend gegenüber. Das ABGB konnte schließlich zwar nicht völlig auf den Begriff verzichten. Zeiller erkannte dem Nutzungseigentum aber eben doch nur die Funktion eines dinglichen Rechts zu.

Im Vergleich dazu rückte Martinis Entwurf die „Idee“ des Eigentums wesentlich stärker in den Vordergrund. Wie das ALR (in I 18) widmete auch Martini ein eigenes Kapitel der Differenzierung des Ober- und des Untereigentums (vgl. Entwurf Martini II 7). Es schloss sich direkt an die Kapitel über den Erwerb von Eigentum an.

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