Fischotterschutz im sächsisch-tschechischen Grenzgebiet

Heike Bretfeld, Berit Künzelmann & Lukáš Poledník

1 Einleitung

Der Fischotter (Lutra lutra), unsere größte heimische Marderart, besiedelt Land- und Wasserhabitate und gilt als Symbol einer naturnahen, lebendigen Flusslandschaft. Lange Zeit waren seine Bestände stark rückläufig, was auf die Bejagung als Pelzlieferant und Nahrungskonkurrent des Menschen sowie Eingriffe in seinen Lebensraum, z. B. durch Flussregulierungen und Verschmutzungen von Gewässern, zurückzuführen ist. In weiten Teilen Sachsens galt er zur Jahrtausendwende als vom Aussterben bedroht (Kategorie 1 der Roten Liste). Dank strenger Schutzbemühungen konnten in den letzten Jahrzehnten wieder positive Bestandsentwicklungen festgestellt werden. Heute wird der Fischotter als in seinem Bestand gefährdet eingestuft (Kategorie 3 der Roten Liste). Der Alttierbestand in Sachsen wird aktuell auf 400 bis 600 Tiere geschätzt (LFULG 2020). Das Hauptverbreitungsgebiet in Sachsen befindet sich in der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft.

Abbildung 1: Fischotter (c) Jiri Bohdal

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2 Das sächsisch–tschechische Kooperationsprojekt „Lutra lutra“

Da der Fischotter beidseits der deutsch-tschechischen Grenzregion an Fließgewässern vorkommt und von den Lebensbedingungen beider Länder abhängig ist, wurde im Oktober 2017 das sächsisch-tschechische Kooperationsprojekt "Lutra lutra" initiiert, bei dem das NABU-Naturschutzinstitut Region Dresden e. V. mit dem Verein ALKA Wildlife in Lidéřovice und dem Museum der Stadt Ústí nad Labem eng zusammenarbeitet. Das Projekt wird von der europäischen Union mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert. Übergeordnetes Ziel des Projektes ist die Analyse und Bewertung der Erkenntnisse zum Fischottervorkommen und zu seinen Lebensräumen im deutschen und tschechischen Projektgebiet, in Folge die Umsetzung geeigneter Maßnahmen zum Schutz des Otters und die damit einhergehende Stärkung grenzübergreifender Fischotterpopulationen.

3 Gefährdung

Der Fischotter ist heute bei uns hauptsächlich durch die Zerschneidung der Landschaft durch Verkehr und Siedlung bedroht. Besonders in den Mittelgebirgsregionen und Siedlungsbereichen des sächsischen Projektgebietes sind die Fluss- und Bachläufe durch eine Vielzahl von Brückenbauwerken und Wehranlagen gesäumt. Fischotter unterqueren Brücken nur ungern schwimmend im Wasser, sie wandern bevorzugt trockenen Fußes entlang der Ufer. Bauwerke, die die Uferbereiche nicht überbrücken und denen ottersichere Querungshilfen fehlen, können zu einem unüberwindbaren Hindernis für den Fischotter und viele andere landgebundene Säugetierarten werden. So bleibt ihnen nur der Weg über die Straße oder Schiene (DUH 2015). Mehr als 50 Prozent der Fischotterverluste in Sachsen sind auf Unfälle im Straßenverkehr zurückzuführen (LFULG 2020). Im benachbarten Tschechien sind für den Fischotter insbesondere das geringe Nahrungsangebot der Gebirgsflüsse und die Verschmutzung der Tieflandflüsse problematisch.

4 Untersuchungsgebiet

Die Projektaktivitäten erstrecken sich über die Landeshauptstadt Dresden und die sächsischen Landkreise Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, und . In Tschechien wird das Projekt in der großflächigen Aussiger Region (Ústecký kraj) umgesetzt.

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Für die Untersuchungen zur Verbreitung und Lebensraumeignung des Fischotters wurden in Sachsen grenzüberschreitende Bach- und Flusslaufsysteme mit einer Gesamtstrecke von 833 km Fließgewässerlänge ausgewählt. In die Auswahl einbezogen wurde jene Fließgewässer, die vom Fischotter als potentielle Ausbreitungskorridore zwischen der sächsischen und tschechischen Grenzregion nutzbar sind. Auf sächsischer Seite wurden, von West nach Ost, Pöhlbach, Preßnitz, , Flöha, Schwarze Pockau, , , Freiberger , , , Triebisch, Wilde Weißeritz, Rote Weißeritz, Vereinigte Weißeritz, Müglitz, Weiße Müglitz, Gottleuba, Bahra, Biela, Krippenbach, und Wesenitz bearbeitet (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Karte des Untersuchungsgebietes auf deutscher und tschechischer Seite mit Darstellung der Fließgewässer

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5 Methoden

Zur Erfassung der Vorkommen und Verbreitung von Fischottern werden Wasserläufe im Projektgebiet auf Spuren des Fischotters, u.a. Kotspuren und Trittsiegel kontrolliert. Otter markieren gern an markanten, exponierten Stellen im Gelände, bevorzugt Steinen, Erdhaufen, unter Brücken. Die Markierung besteht aus einem Analdrüsensekret, das allein oder zusammen mit Kot abgesetzt wird.

5.1 Kontrolle der Querungsbauwerke hinsichtlich des Gefährdungs- potentials

Zur Erfassung von potentiellen Gefahrenstellen und Hindernissen für wandernde Fischotter wurden alle bachquerenden Brückenbauwerke aufgenommen und hinsichtlich ihres Gefährdungspotenzials für Otter und andere querende Wildtiere eingestuft. Fehlen natürliche Uferstreifen oder Bermen oder führt die Brücke einen ganzjährig hohen Wasserstand (im Uferbereich > 20 cm), ist von einem hohen Gefährdungspotential auszugehen. Wandernde Fischotter sind dann oft genötigt, das Gewässer zu verlassen und auf den Verkehrsweg auszuweichen. Sind natürliche Uferstreifen oder Bermen

Abbildung 3: Auf Spurensuche nach Losung und Trittsiegeln unter einer Brücke der Preßnitz © Berit Künzelmann 4 vorhanden oder ist der Wasserstand niedrig (in Ufernähe bis 20 cm), wurde ermittelt, ob diese Querungshilfen "ottergerecht" sind. In die Bewertung wurden neben der Beschaffenheit der Brücke ebenso die Breite und Neigung der Berme einbezogen und die Anwesenheit eines eventuell vorhandenen Uferanschlusses (optimal ist beidseitig) berücksichtigt. Jede Gefährdungsstelle wurde auch auf Nutzungsspuren des Fischotters untersucht.

5.2 Präsenzmonitoring - Losungssuche

Im Nachgang der Untersuchung von Brücken zur Identifizierung des Gefährdungspotentials, wurde aus allen kontrollierten Brücken eine Anzahl geeigneter Bauwerke für das Monitoring ausgewählt. Als geeignete Monitoring- Brücken sind alle Bauwerke zu betrachten, an denen Nutzungsspuren, z. B. Losung gefunden wurde (= positive Stichprobenorte) sowie alle Brücken ohne Nutzungsspuren, sofern sie für den Fischotter tauglich sind (= potentiell geeignete Stichprobenorte). Kriterien für die Auswahl von geeigneten Brücken sind eine hohe Auffindwahrscheinlichkeit, Zugänglichkeit sowie eine gleichmäßige Abdeckung der Stichprobenorte. Dazu wird die Fläche in 10x10 km-Raster eingeteilt und eine weitere Unterteilung der Raster in vier 5x5 km- Zellen vorgenommen. Ziel des Monitorings ist es, Kenntnisse zur Verbreitung des Fischotters im Projektgebiet zu erlangen. Es können Trends in der Population erfasst werden, jedoch ist das Monitoring nicht zur Ermittlung von fundierten Bestandsschätzungen geeignet (STIFTUNG PRO LUTRA 2017). Im sächsischen Projektgebiet wurden 197 Brücken für das Monitoring ausgewählt und auf Spuren vom Fischotter kontrolliert. Die erste Erhebung fand im Herbst 2019 statt. Zunächst wurden die Uferstreifen unter den Brücken nach Losung abgesucht und aufgefundene Losung wurde entfernt. Nach vier Wochen wurde die Kontrollstelle erneut aufgesucht, um zu prüfen, ob neue Losung hinzugekommen ist. Zusätzlich wurden Losungsproben für die Nahrungsanalyse gesammelt. Ein zweiter Kontrolldurchgang erfolgt im Frühjahr 2020. Im tschechischen Projektgebiet fand der erste Kontrolldurchgang an 132 Brücken bereits im Frühjahr 2019 statt. Der zweite Durchgang erfolgte an 135 Brücken im Herbst 2019.

5.3 Spurensuche im Schnee

Als eine effiziente Methode in den Wintermonaten, sofern schneereich, gilt die Suche nach Trittsiegeln. Insbesondere nach frischem Schneefall am Vortrag ist

5 eine Spurensuche erfolgversprechend. Die Schneespurensuche ermöglicht Schätzungen über die Populationsgröße in einem Gebiet, je nach Größe und Anzahl der Trittsiegel ist auch eine Unterscheidung der Geschlechter sowie Identifizierung von Weibchen und deren Jungen möglich. Die Uferbereiche der grenznahen Gewässer werden abgegangen und nach Trittsiegeln von Ottern im Schnee abgesucht. Vorgefundene Spuren werden verfolgt, um die genauen Wanderrouten über Land zu dokumentieren. Vorteilhaft ist dabei, wenn sich nach einer längeren Kälteperiode Eis am Gewässerrand gebildet hat, da so Aktivitäten von Fischottern im Uferbereich besser feststellbar sind. Die Suche nach Trittsiegeln soll uns neben Erkenntnissen über die Verbreitung auch die bevorzugten Migrationskorridore der Fischotter bzw. deren Querungsstellen vom sächsischen ins tschechische Gebiet liefern.

5.4 Genetische Untersuchungen

Es wird davon ausgegangen, dass die böhmische Fischotterpopulation aufgrund der ungünstigen Habitat-Qualität des tschechischen Erzgebirges und Erzgebirgsvorlands keine zum Erhalt der Population notwendige hohe Fortpflanzungs- und Überlebensrate besitzt. Es besteht daher die Annahme, dass ihr Erhalt nur durch ständige Einwanderung von Tieren aus Sachsen gewährleistet wird. Um diese These zu überprüfen, werden genetische Analysen (individuelle DNA-Profile) freilebender Otter an Hand von Losungsproben vorgenommen, um Daten zur Größe und Zusammensetzung (Geschlecht) der Population und zur Populationszugehörigkeit (sächsische oder böhmische Subpopulation) zu erhalten und folglich Erkenntnisse zur genetischen Variabilität und zum Genfluss zu gewinnen. Ergänzt werden diese Untersuchungen durch genetische Analysen von Gewebeproben (Muskelproben) toter Fischotter. Insgesamt konnten im deutsch-tschechischen Projektgebiet 80 Losungsproben gesammelt werden. Auf tschechischer Seite wurden außerdem vier tote Otter aufgefunden, denen Muskelgewebe zur Beprobung entnommen werden konnte. Ergänzt wird die Sammlung durch 16 Gewebeproben, die von verunglückten Ottern auf sächsischer Seite stammen. Die Erfolgsquote genetischer Analysen variiert meist stark, da oft nur ein geringer Prozentsatz der Kotproben ausreichend Otter-DNA enthält. Um die Chancen einer erfolgreichen Analyse zu erhöhen, wurden deshalb möglichst frische Proben genommen. Ideal sind Proben, die nicht älter als 24 Stunden sind.

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Abbildung 4: Orte der gesammelten Losungsproben in sechs Einzugsgebieten im sächsisch-tschechischen Grenzgebiet

Abbildung 5: Tot aufgefundene Otter innerhalb des Projektzeitraumes

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5.5 Einsatz von Wildkameras

Für den direkten Nachweis von Fischottern kommen Fotofallen zum Einsatz, die Hinweise auf die Anzahl der Individuen im Gebiet, deren Aktivitäten und die Größe der Aktionsräume geben sollen. Die Kameras werden für mehrere Tage an strategisch geeignet erscheinenden Stellen im Gelände, an denen Aktivitäten durch den Fischotter zu erwarten sind, postiert. Zumeist handelt es sich dabei um Kreuzungsstellen, an denen Fischotterkot (frisch oder in großen Mengen) gefunden wurde. Die Fotofallen wurden im Sommerhalbjahr angebracht, wenn kein Nahrungsmangel herrscht und nur eine geringe oder keine Markierungsaktivität zu verzeichnen ist. Im Winterhalbjahr werden Fotofallen zu Zeiten erhöhter Wanderaktivitäten an Kreuzungsstellen mit großem Gefährdungspotenzial postiert. Hierbei soll das Verhalten der Fischotter (und anderer wandernder Wildtiere) an Brücken mit fehlenden natürlichen Uferstreifen/Bermen oder hohen Wasserständen dokumentiert werden. Dabei wird die Gefahr, welche vom Straßenverkehr ausgehen kann, fotografisch festgehalten.

5.6 Kartierung zur Lebensraumeignung

Um Aussagen darüber treffen zu können, ob und wie ein Gewässer als Lebensraum für den Fischotter geeignet ist, werden Habitat-Kartierungen mit Hauptaugenmerk auf den grenznahen Bereich der Gewässerläufe und der Zuflüsse durchgeführt. Hierfür werden die Bäche und Flüsse in 200-m- Abschnitte eingeteilt, entlang derer Parameter erfasst werden, die sich negativ auf die Lebensweise des Fischotters auswirken können. Dazu gehören beispielsweise fehlende Vegetation oder anthropogene Bauwerke wie vertikale Ufermauern, Straßen, Gebäude oder Zäune, an denen die Wanderungsaktivitäten beeinträchtigt werden können. Zusätzlich folgt auf jeden 200-m-Erfassungsabschnitt ein Kontrollpunkt, der hinsichtlich seiner positiven Ausstattungsmerkmale für den Fischotter dokumentiert wird. Dabei werden Elemente notiert, die nützlich für den Fischotter sein können. Dazu gehören natürliche Strukturen im Wasser wie zum Beispiel Inseln oder umgestürzte Bäume. Auch Holzstapel oder Steinhaufen, die Unterschlupfmöglichkeiten bieten, werden erfasst. Zusätzlich wird das Vorkommen von Neophyten notiert. Jeder Kontrollpunkt wird zudem fotografisch dokumentiert, um die Gegebenheiten im Nachhinein nachvollziehen zu können.

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Abbildung 6: Vielfältig gestaltete und naturnahe Uferbereiche bieten dem Fischotter Versteckmöglichkeiten und eine gute Nahrungsverfügbarkeit © Berit Künzelmann

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6 Ergebnisse

6.1 Kontrolle der Querungsbauwerke hinsichtlich des Gefährdungs- potentials

Kontrolle von Brücken / Bauwerken: Sächsisches Projektgebiet: Kontrolle von 658 Brücken, davon 16 als gefährlich für den Fischotter eingestuft; zusätzlich Kontrolle von 8 Verrohrungen, davon 1 als gefährlich eingestuft

Tschechisches Projektgebiet: Kontrolle von 883 Brücken, davon 1 für den Fischotter als gefährlich eingestuft; zusätzlich Kontrolle von 122 Verrohrungen, davon 35 als gefährlich eingestuft

Von den untersuchten 658 Bauwerken im sächsischen Projektgebiet weisen 290 Brücken (44%) natürliche Uferstreifen oder Bermen auf beiden Seiten auf und sind deshalb für den Fischotter optimal geeignet. Hier kann davon ausgegangen werden, dass der Fischotter und andere Wildtiere die Brücken unterqueren und somit gefahrlos ihren Wanderaktivitäten nachgehen können. An 141 Brücken (21%) ist eine Berme auf zumindest einer Seite des Ufers vorhanden. Auch diese Bauwerke sind noch als sicher einzustufen, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass vor allem unerfahrene wandernde Fischotter unter Umständen trotzdem auf die Straße gelangen. An 219 Brücken (33%) ist nicht ganzjährig ein trockener Uferstreifen vorhanden. Dazu zählen jene Bauwerke, an denen der Fischotter zumindest zu Zeiten von Niedrigwasser (Wasserpegel am Gewässerrand bis 20 cm) die Brücken unterquert und nicht auf die Straße ausweicht. Die Bauwerke sind daher noch als bedingt ottertauglich einzustufen. Führen Gewässer unter Brücken ganzjährig einen hohen Wasserpegel und natürliche Uferstreifen oder Bermen fehlen, ist davon auszugehen, dass wandernde Otter die Brücken nicht unterqueren, sondern den Weg über die Straße nehmen. Als nicht passierbar für den Fischotter wurden 16 Brücken und eine Verrohrung eingeschätzt. Darunter sind 13 Bauwerke, die als sehr gefährlich eingestuft wurden, da wandernde Otter hier auf Straßen des übergeordneten Straßennetzes (Bundesstraßen, Staatsstraßen, Kreisstraßen) mit erhöhtem Verkehrsaufkommen oder Bahntrassen ausweichen müssen. In Tschechien wurden 1005 Querungsbauwerke geprüft. Darunter waren 122 Verrohrungen. 67 Verrohrungen waren nicht passierbar für wandernde Otter 10 und an 35 dieser Bauwerke besteht dringender Handlungsbedarf zur Entschärfung, da diese als gefährlich eingestuft werden mussten. Unter den kontrollierten Brücken konnte an 487 Kreuzungsstellen (48%) Bermen auf beiden Seiten festgestellt werden, 177 (18%) weisen eine Berme auf einer Seite auf und bei 219 (22%) fehlt ein trockener Uferstreifen gänzlich. Vier Brücken sind nicht ohne weiteres für den Fischotter passierbar. An einer dieser Brücken besteht dringender Handlungsbedarf, denn sie wurde als gefährlich eingestuft.

Abbildung 7: Erfasste Kreuzungsstellen im sächsischen Projektgebiet unterteilt nach passierbaren und unpassierbaren Bauwerken

Abbildung 8: Anteil der durchgängigen und undurchgängigen Bauwerke im sächsischen Projektgebiet

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Abbildung 9: Erfasste Kreuzungsstellen im tschechischen Projektgebiet unterteilt nach passierbaren und unpassierbaren Bauwerken

Abbildung 10: Anteil der durchgängigen und undurchgängigen Bauwerke im tschechischen Projektgebiet

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6.2 Präsenzmonitoring - Losungssuche

Im sächsischen Projektgebiet liegen noch keine vollständigen Ergebnisse zum Monitoring vor, da der zweite Durchgang im Frühjahr 2020 noch aussteht. Im Herbst 2019 fand der erste Durchgang statt, bei dem 197 Kontrollstellen aufgesucht wurden. Bei der Erstbegehung konnte an 168 Kontrollstellen (85%) Otterlosung gefunden und entfernt werden. Bei der Zweitkontrolle wurde an 145 Kontrollstellen (74%) neue Losung gefunden. Lediglich an 23 Stellen (12%) kam kein Otter vorbei, um erneut zu markieren. An 23 Kontrollstellen fehlte Losung an beiden Terminen, während an sechs Stellen immerhin bei der Zweitbegehung positive Nachweise erbracht werden konnten. Daraus resultiert, dass der Fischotter im Herbst 2019 weitestgehend flächendeckend im Projektgebiet vertreten und aktiv war. Bei der Kontrolle von 132 Brücken im tschechischen Projektgebiet im Frühjahr 2019 konnten 88 Brücken als positiv (Nachweis von Losung) eingestuft werden, 44 Brücken wurden als negativ bewertet (keine Losung nachweisbar). Beim zweiten Durchgang im Herbst 2019 erfolgten Kontrollen an 135 Brücken. Hier waren 75 Brücken mit positivem Ergebnis, an 60 Brücken konnte kein Nachweis erbracht werden. Für 126 Brücken lagen Daten zu beiden Durchgängen vor, die in die weitere Auswertung einfließen konnten. Ein Rückgang des Auftretens der Art (vom positiven zu negativen) ist bei 25 Brücken zu verzeichnen, eine Erhöhung (von negativ zu positiv) konnte an 14 Brücken ermittelt werden.

6.3 Spurensuche im Schnee

Im ersten Zwischenergebnis der Spurensuche im Schnee wurde festgestellt, dass sich die Otter im Winter bevorzugt in flacheren Bereichen der Flüsse aufhalten, jedoch auch bis in die Grenzregion wandern. Oftmals konnten nur sehr lokal begrenzte Spuren bei Ausstiegen am Gewässer festgestellt werden. Zudem wurden Spuren insbesondere an Brücken festgestellt, wo die Otter die Gewässer verlassen und die Brücke umwandern bzw. die Straße queren oder den Uferstreifen nutzen um Losung oder Markierungsflüssigkeit an strategisch günstiger Stelle abzusetzen.

6.4. Einsatz von Wildkameras

Die Bilder der Wildkameras zeigen, dass sich Fischotter ihren Lebensraum mit zahlreichen anderen Arten und zum Teil auch mit Nahrungskonkurrenten teilen. So wurden durch die Kameras unter anderem Fuchs, Hauskatze, Waschbär und Marder sowie Maus und Iltis nachgewiesen. 13

An den Standorten, an denen Fischotter durch die Wildkameras fotografisch festgehalten werden konnten, sind die Zeitabstände zwischen Ottersichtungen recht groß. Bei einer Standzeit von maximal 14 Tagen, konnten mit allen Wildkameras jeweils nur in einer Nacht Aktivitäten registriert werden. Dies deutet auf sehr weiträumige Streifgebiete oder auch auf eine geringe Individuendichte hin. Die Fischotter hielten sich jeweils nur sehr kurz am Standort auf, meist war nur das Vorbeiziehen zu beobachten. Bisher gelangen uns Nachweise in Bild und Ton an sieben Stellen, in einem Fall konnten wir sogar zwei Otter gleichzeitig aufnehmen (Flöha in Heidersdorf) und einen Otter beim Markieren auf einer Berme filmen (Biela, Mündung Cunnersdorfer Bach). In einem Fall wurde ein heulender Otter dokumentiert.

Abbildung 11: Durch Wildkamera aufgenommener Otter an der Einmündung des Cunnersdorfer Baches in die Biela

6.5 Habitatkartierung

Im sächsischen Projektgebiet wurden auf einer Strecke von 60 km Habitatkartierungen durchgeführt. Als naturnah im Grenzbereich fiel dabei die Bobritzsch mit nahezu unverbauten Ufern auf. Auch der Holperbach bietet mit seinem natürlichen Gewässerverlauf im Grenzbereich gute Bedingungen für Wanderbewegungen von Fischottern zwischen Sachsen und Tschechien. Außerdem wurde festgestellt, dass sich besonders im sächsischen Projektgebiet das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera) und der

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Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica) punktuell sehr stark an Gewässerufern vermehren und die natürliche Ufervegetation verdrängen. Im gesamten Projektgebiet wurde die Habitateignung an über 1.800 Stellen entlang von 47 Fließgewässern untersucht, um das Potential dieser Flüsse und Bäche als Tagesruheplätze einzuschätzen.

7 Umsetzung von Schutzmaßnahmen

Im Rahmen des Projektes konnte schon eine Reihe an Maßnahmen zur Ökologisierung des Gewässernetzes und zur Lebensraumaufwertung umgesetzt werden. So erfolgte 2018 die Revitalisierung des trocken liegenden Bergmolchteichs im Wachwitzgrund bei Dresden-Rochwitz. Die Teichbau- maßnahmen beinhalteten die Beräumung der Fläche, den Wiederanschluss des Stillgewässers im Nebenschluss an den Bachlauf, eine teilweise Entschlammung des Teichgrundes und die Neu-Modellierung des Gewässers und seines Randes.

Abbildung 12: Revitalisierter Teich bei Maxen © Jan Schimkat

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An drei Standorten wurden mit Beginn des 3. Quartals 2018 Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung der Fischotterganzjahreshabitate eingeleitet. Dazu wurden am Oberlauf von Preßnitz, Müglitz und Bahra Neophyten beseitigt. Die Entnahme der Pflanzen und des Samenpotenzials am Oberlauf der Bäche ist geeignet, den unteren Bachlauf vor Neueintrag der Samen invasiver Neophyten zu schützen und die Entwicklung der heimischen Pflanzen-gesellschaften zu fördern. Weiterhin wurden zwei Flurstücke am Lachsbach bei Rathmannsdorf/Porschdorf gekauft, welche aufgewertet und für den Fischotter gestaltet werden sollen. Zwei weitere Teichrevitalisierungen mit den Schwerpunkten Entschlammen und Wiederherstellen von offenen Wasserflächen fanden im Frühjahr 2020 bei Maxen (Landkreis Sächsische Schweiz - Osterzgebirge) sowie im Helfenberger Grund an den Dresdner Elbtalhängen statt. In der Dresdner Heide erfolgte der Anschluss eines alten, inzwischen trocken liegenden Altarmes an die Prießnitz. Weitere Maßnahmen zur Renaturierung von Fluss- und Bachabschnitten sowie zur Revitalisierung alter, meistens verschlammter oder gar trocken liegender Teiche sind in Planung und sollen schrittweise umgesetzt werden. Der Fischotter dient hierbei als eine Flaggschiffart des Naturschutzes; die durchgeführten Maßnahmen kommen somit einer ganzen Reihe von gewässergebundenen Tier- und Pflanzenarten zugute.

8 Ausblick

Das Projekt ist nunmehr im letzten Projektjahr. Wir werden an der weiteren Umsetzung von praktischen Schutzmaßnahmen, wie bspw. dem Bau von Bermen arbeiten. Folgen wird außerdem eine Informationsbroschüre mit Maßnahmenbeschreibungen, die dem Schutz des Fischotters und der Verbesserung seiner Lebensbedingungen dienen soll. In naher Zukunft werden auch die Daten der genetischen Analyse erwartet, die Aufschluss über die Ausdehnung der Reviere, die Bestandszahlen sowie Verwandtschaftsverhältnisse sächsischer und tschechischer Subpopulationen geben sollen. Im laufenden Projektjahr werden die Projektpartner auch die vollständige Sammlung der Ergebnisse aller Erfassungen zusammentragen – es bleibt also spannend!

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Wollen auch Sie dem Fischotter helfen?

Kennen Sie im Projektgebiet geeignete Stellen, wo wir für den Fischotter aktiv werden können? Oder haben Sie selbst einen Teich, den man aufwerten kann? Melden Sie sich bei uns! Gerne setzen wir Maßnahmen gemeinsam mit Ihnen um. Weitere Informationen zum Projekt und Aktuelles zu Veranstaltungen und Vorträgen finden Sie unter: www.nsi-dresden.nabu-sachsen.de/projekte/lutra-lutra www.alkawildlife.eu www.vydryonline.cz www.muzeumusti.cz/de

Literatur

DUH - DEUTSCHE UMWELTHILFE (2015): Neue Wege für den Fischotter. - Jahresbericht 2015, S. 10–11. SÄCHSISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT, LANDWIRTSCHAFT UND GEOLOGIE (Hrsg.) (2020): Fischotter (Lutra lutra) – FFH-Art 1355. https://www.natura2000.sachsen.de/fischotter-lutra-lutra-22860.html, zuletzt aufgerufen am 03.02.2020. STIFTUNG PRO LUTRA: Zweites Fischotter Monitoring in der Schweiz 2016, im Auftrag des Bundesamts für Umwelt BAFU, 2017 ZÖPHEL, U., TRAPP, H. & WARNKE-GRÜTTNER, R. (2015): Rote Liste der Wirbeltiere Sachsens - Kurzfassung. https://www.natur.sachsen.de/ download/ natur/RL_WirbeltiereSN_Tab_20160407_final.pdf

Anschriften

Heike Bretfeld & Berit Künzelmann Lukáš Poledník AG Naturschutzinstitut ALKA Wildlife o.p.s. Region Dresden e.V. Lidéřovice 62 Weixdorfer Str. 15 380 01 Peč 01129 Dresden Czechia

Manuskripteingang 09.02.2020

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