Deutschland

dem Osten, die der Gestürzte in einem letzten Triumph noch mit nach unten zie - LINKE hen will; eine Partei schließlich, die nach einem Höhenflug auf fast zwölf Prozent ziemlich am Boden liegt. Napoleon und Lady Macbeth Monatelang hatte seine Partei in Atem gehalten, in einem erbitterten Kampf um die Macht. Vorder - Mit dem Rückzug von Oskar Lafontaine endet in der Partei gründig ging es um die Entscheidung, wer ein erbitterter Machtkampf. Sinkt die Linke zur Regionalpartei ab, auf dem Parteitag am kommenden Wo - chenende in Göttingen Vorsitzender oder steigt sie zum möglichen Partner der SPD im Bund auf? wird: der ostdeutsche, realpolitisch ori - entierte Fraktionsvize oder doch noch einmal die Machtmaschi - ne aus dem Westen. Dahinter aber stand ein von langer Hand vorbereiteter Ver - such des Politikpaares Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht, die Partei auf ihren strammen Oppositionskurs zu ver - pflichten. Für dieses Ziel arbeiteten sie mit allen Methoden, mit politischer Be - stechung, Täuschung, Drohung. Für die Partei Die Linke stellt sich nun die Existenzfrage: Spaltung und Rückfall in die Rolle als ostdeutsche Regionalpar - tei – oder eine Wiedergeburt als moder - nisierter Herausforderer und möglicher Partner für SPD und Grüne? Der Rückzug des einstigen Übervaters der Linken bringt Bewegung in die deut - sche Parteienlandschaft. Für die SPD-Spit - ze war ein Bündnis mit der Linkspartei auf Bundesebene tabu. Das lag an man - chen Programmpunkten, aber mehr noch an der Person Lafontaine. Viele Sozial - demokraten haben ihm bis heute nicht verziehen, wie er erst den SPD-Parteivor - sitz hinschmiss und dann sein eigenes A P D

Konkurrenzunternehmen aufzog. /

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D Aus dem Führungszirkel der Sozialde - I E S mokratie war bis Ende der Woche nur E N I L

O Abwägendes zu hören. „Für die SPD än - R A

C dert sich erst einmal nichts, weil das kein Linken-Politiker Lafontaine*: Ein Drama, in dem es bislang nur Verlierer gibt Sieg der Reformer ist“, meinte General - sekretärin . Und Fraktions - inmal saßen sie noch zusammen, sitz neben Lafontaine in einer Doppel - chef Frank-Walter Steinmeier höhnt: am vergangenen Sonntag im Berli - spitze übernähme. Bartsch wusste, dass „Ganz bestimmt wird sich die SPD in Pro - Ener Café Dressler Unter den Lin - der Saarländer diese Kröte nicht schlu - gramm und Personal nicht an einer völlig den. Oskar Lafontaine hatte seinen Ver - cken würde. ruinierten Linkspartei und ihrem Schick - trauten mitgebracht, sein Ri - Aber Lafontaine machte gar kein An - sal ausrichten.“ Aber schon eine Ebene vale Dietmar Bartsch war allein gekom - gebot mehr, er ahnte schon, dass die Rea - men. Lange redeten sie ganz allgemein los aus dem Osten diesmal nicht klein bei - und ganz freundlich über Politik, fast geben würden. So blieb es bei seiner Countdown für die Linke zwei Stunden dauerte dieses Abtasten Forderung, keinen weiteren Kandidaten „Welche Partei würden Sie wählen, und Belauern: Wer gibt einen Hinweis, neben ihm für das höchste Parteiamt zu - 13 wenn am nächsten Sonntag dass er bereit ist, nachzugeben im Kampf zulassen – alles oder nichts. „Dann muss Bundestagswahl wäre?“ um die Führung der Linkspartei? Wer der Parteitag entscheiden“, sagte Bartsch. 11,9 zeigt einen Moment der Schwäche? 36 Stunden später, nachdem am Mon - Antwort: Die Linke; Angaben in Prozent Bartsch war zu diesem Zeitpunkt längst tag auch noch dem ehemali - entschlossen, den Kampf zu Ende zu brin - gen Sozialdemokraten die Freundschaft 10 gen, so oder so. Er rechnete damit, dass aufgekündigt hatte, erklärte Lafontaine 9 Lafontaine ihm in diesem Gespräch beim seinen Verzicht auf den Parteivorsitz. Rotwein irgendwann anbieten würde, un - Damit endete der vorläufig letzte Akt 8 ter ihm Bundesgeschäftsführer zu werden. eines Dramas, wie es auf der politischen 7 Und er hatte sich auch eine Antwort zu - Bühne selten geboten wird und in dem Bundestags- 6 rechtgelegt: Geschäftsführer ja, aber nur, es bisher nur Verlierer gibt: einen gede - wahlergebnis wenn er bestimmen dürfe, wer den Vor- mütigten Patriarchen, dem in seiner gro - September 2009 Umfragen: Infratest dimap 5 ßen Zeit alles zugetraut wurde, sogar die * Beim NRW-Wahlkampf in Düsseldorf am 9. Mai. Kanzlerschaft; die Herausforderer aus 2009 2010 2011 2012

28 & '% ! 22/2012 tiefer klang die Reaktion deutlich freund - Solange sie allein war, konnte sie sich sensgespräche auf Spitzenebene. „Das licher. „Sowohl Herr Bartsch als auch die nie richtig gegen Bartsch und dessen För - war die Vereinbarung“, poltert Ramelow genannten möglichen Kandidatinnen ste - derer Gysi durchsetzen. Aber jetzt hatte heute wütend vor Genossen – denn was hen für einen durchaus soliden Politik - sie ihren Partner an der Seite. Nur er, La - dann folgte, empfindet er als Täuschung. stil“, urteilte der Berliner SPD-Landes - fontaine, könne Bartsch verhindern, so Andere Parteigenossen werden noch chef Michael Müller. hätten Wagenknecht und ihre Freunde deutlicher. Sie nennen Klaus Ernst und Für Lafontaine wiederholt sich mit dem auf ihn eingeredet, berichtet es der Lin - Lafontaine „Lügner“. Rückzug aus der Führung der Linken ein ken-Mann im Hintergrund. Schnell wurde klar, dass Lafontaine persönliches Trauma. Schon einmal, im So begann das Spiel um die Macht, im wohl gar nicht daran dachte, sich mit Herbst 1990, ließen ihn die Ostdeutschen Rückblick nennt es der Thüringer Frakti - Bartsch zu einigen. Statt über eine Lö - auflaufen mit seinen Ambitionen, damals, onschef Bodo Ramelow, einer der Haupt - sung zu verhandeln, zog er sich ins Saar - als sie ihm den Griff zur Kanzlerschaft verhandlungsführer hinter den Kulissen, land zurück und ließ die Partei rätseln, verwehrten. 22 Jahre später scheiterte der Machtmensch aus dem Westen wieder an selbstbewussten Ossis. Das Waterloo des Saar-Napoleons liegt östlich der Elbe. Auch in der Linkspartei rätselten in den vergangenen Wochen viele, warum Lafontaine mit 68 Jahren noch einmal brachial an die Spitze strebte. Und wie dieser Instinktpolitiker übersehen konnte, dass der Widerstand zu groß sein würde, um mit seinen maßlosen Forderungen durchzukommen. Eine Antwort auf die - ses Rätsel bekommt man im , bei einem langjährigen, engen Mitarbeiter. Bevor der Mann Auskunft gibt, muss man mit ihm allerdings spätabends über

die Grenze nach Frankreich fahren, zu ) . U (

tief sitzt die Angst, von Lafontaines Zu - T E N .

trägern gesehen und verpetzt zu werden. K E H T

„Die Antwort heißt Sahra“, sagt der O T O H

Vertraute. Der Saarländer selbst sei schon P / L E

lange müde von der Politik, so berichtet H C S T

es der Mitstreiter; seine Bemerkungen, U R T

dass er keine Lust mehr habe, seien durch - S A M

aus ernst zu nehmen. O H T

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Es spricht einiges dafür, dass diese Ein - . O (

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schätzung stimmt: Lafontaine hatte sein P D

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Leben nach der Trennung von Ehefrau E K B

Christa Müller neu geordnet; er hatte ein Ü L

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schönes Haus auf dem Land gekauft, Wa - H C O genknecht hatte für ihn ihren Wohnsitz J an die Saar verlegt. Spitzenkandidaten Kipping, Schwabedissen, Bartsch: „Kooperative Führung“ Weil ein Lafontaine nicht ganz auf Sta - tus und Privilegien verzichten kann, woll - eine „Schmierenkomödie“. Den Eröff - wie die „kooperative Führung“ aussehen te er den Fraktionsvorsitz im Saarland nungszug machte das Paar im vergange - könnte, von der er gesprochen hatte. behalten und liebäugelte mit einer Spit - nen Dezember, bei einem Treffen der Zu einem zweiten Treffen der Länder - zenkandidatur für die Europawahl. Aber Landes- und Fraktionsvorsitzenden im fürsten im April in Düsseldorf reiste La - mehr sollte es auch nicht unbedingt sein. thüringischen Elgersburg, wo Personal fontaine nicht einmal mehr an. Die Run - „Ich habe in meinem Leben in genug Sit - und Politik für die Landtagswahlkämpfe de beschloss, zwei Emissäre an die Saar zungen gehockt“, sagte er vor Monaten und den Parteitag 2012 auf der Tagesord - zu schicken: Heinz Vietze, Chef der Rosa- am Ende einer Veranstaltung: „Wenn ich nung standen. Luxemburg-Stiftung, und den hessischen meine Denkmäler sehen will, kann ich Gleich zu Beginn der Zusammenkunft Fraktionschef Willi van Ooyen. Lafon - durch Saarbrücken spazieren.“ schlug das Bartsch-Lager vor, den nächsten taine ließ nur ausrichten: keine Personal - Doch dann erklärte Bartsch seinen An - Parteitag vorzuziehen, um die Führungs - debatte während der Wahlkämpfe. Dann spruch auf den Vorsitz. Das sei das Signal frage vor den anstehenden Wahlen zu klä - sollte die alte PDS-Größe Hans Modrow für das Lager um Sahra Wagenknecht ge - ren. Das leuchtete den meisten ein, aber vermitteln, einer der wenigen ehemaligen wesen, ihren Lebensgefährten zu drän - Lafontaine lehnte ab; er musste Zeit gewin - PDS-Politiker, denen Lafontaine vertraut. gen, sich dem Anführer der Ost-Realos nen. Als Bartsch-Getreue darauf die Idee Aber auch für Modrow hieß es: kein Ter - in den Weg zu stellen, so erzählt es der einer Mitgliederbefragung ins Spiel brach - min in Saarbrücken. Vertraute. Wagenknecht ist dem ehema - ten, konterte Lafontaine mit der Anregung, Schließlich stellte der misstrauisch ge - ligen Schatzmeister und Gysi-Freund der Vorstand sollte lieber selbst einen Per - wordene Gregor Gysi seinen langjährigen schon aus PDS-Zeiten in inniger Feind - sonalkompromiss präsentieren, „eine ko - Co-Chef nach einem gemeinsamen Wahl - schaft verbunden. Während Bartsch die operative Führung unter Einbeziehung von kampfauftritt in Nordrhein-Westfalen zur Linkspartei mit der SPD zusammen in Bartsch“, wie sein Angebot lautete. Rede. Was denn nun sei, mit dem Kom - viele Regierungen bringen will, setzt Wa - Lafontaine wusste genau, dass er bei promissvorschlag und mit Bartsch? Es genknecht auf harten Oppositionskurs. einem Basisentscheid wenig Chancen ge - wurde laut, die beiden gingen im Streit Für sie ist das Bündnisgerede Verrat. habt hätte, also verabredete man Kon - auseinander. Zu dem Zeitpunkt ahnte

& '% ! 22/2012 29 Deutschland

Gysi bereits, dass sich das Spiel nicht nur nicht mehr für den aufgestellt Der digitale um Lafontaine und Bartsch drehte, son - werde. dern dass auch Sahra Wagenknecht an Auch in Thüringen versuchte Lafon - ihrem Aufstieg arbeitete – und zwar auf taine, Ostdelegierte auf seine Seite zu SPIEGEL seine Kosten. Einen deutlichen Hinweis, ziehen. Dem Landesvorsitzenden Knut dass sie ihm seinen Platz streitig machte, Korschewsky ließ er das Angebot über - hatte es bei einer Fraktionssitzung im bringen, er könne Bundesgeschäftsführer Frühjahr gegeben. Vor einer Bundestags - werden, wenn er im Osten für Lafontaine debatte zum Euro-Rettungsschirm hatten werbe. Der thüringische Fraktionschef sich Wagenknechts Anhänger zu Wort ge - Bodo Ramelow saß gerade am Lenkrad meldet, Gysi solle seine Redezeit „mit seines Autos, als er von Lafontaines Lock - der Sahra“ teilen; traditionell sind solche mittel erfuhr; er bekam einen solchen Auftritte Chefsache. Tobsuchtsanfall, dass er fast einen Unfall Nach einigem Hin und Her platzte Gysi verursacht hätte. Ramelow stellte Kor - dann der Kragen. Am Ende redete er al - schewsky zur Rede, der verkündete dann lein, Wagenknecht schwänzte die Debat - am Montagabend kleinlaut, er persönlich te. Anschließend kam sie zu ihm und er - sei nun für einen „dritten Weg“, ohne klärte, der Vorstoß sei mit ihr nicht abge - Lafontaine und Bartsch. sprochen gewesen. Aber Gysi ist zu lange Es ist gut möglich, dass dieser dritte im Geschäft, um solchen Entschuldigun - Weg jetzt Realität wird: mit einer weib - gen zu trauen. lichen Doppelspitze aus der bisherigen Je länger der Kampf um den Parteivor - Vizechefin und der in sitz währte, desto klarer wurde, dass es Nordrhein-Westfalen gerade krachend ge - um weit mehr ging, als Oskar Lafontaine scheiterten Spitzenkandidatin Katharina an die Spitze zu hieven. Wagenknecht und Lafontaine wollten die Not der Partei nut - zen, um ihr ihren Willen aufzuzwingen. In der Parteizentrale lief der getreue Klaus Ernst durch die Gänge und berei - tete die Mitarbeiter auf die Rückkehr des Königs vor. Bei einer Versammlung vor zwei Wochen stellte sich Ernst vor die Belegschaft und erklärte: Alle müssten wissen, hinter ihm stehe Lafontaine, und der verdächtige das gesamte Haus der Il - N O P

loyalität. Dann sagte er, nur mit Lafon - I

/ Jetzt exklusiv in der neuen Ausgabe: taine erreiche die Partei noch genügend S S E N

Prozente bei Wahlen. Und Prozente be - O B

Jung, arm, Mutter – N deuteten Geld. Und Geld bedeute Ar - A F E T Video über Alleinerziehende beitsplätze: „Auch eure!“ Das verstanden S alle als Drohung. „Arschloch“, schallte Politikerpaar Lafontaine, Wagenknecht in es aus der Menge zurück. „Die Antwort heißt Sahra“ Von einem personellen Kompromiss - Kunst für Millionen – angebot war schon lange nicht mehr die Schwabedissen. Es wäre immerhin ein Animation über die teuersten Rede. Emissäre übermittelten Gysi und Generationswechsel. Bartsch vor zwei Wochen weitere Bedin - Bleibt die Frage, was aus Sahra Wagen - Bilder der Welt gungen: Wagenknecht solle noch in die - knecht wird, der Lady Macbeth der Lin - ser Legislaturperiode gleichberechtigte ken. Nach dem gescheiterten Anlauf von Der Rapper des Propheten – Fraktionsvorsitzende werden, für Bartsch Lafontaine meldete Ernst für sie den An - Video über die Fatwa gegen den sei allenfalls als Vizevorsitzender Platz, spruch auf den Vorsitz an, quasi als di - und auch das nur „auf Bewährung“. La - rekte Erbfolge. Die Realos wissen, sie ge - iranischen Musiker Shahin Najafi fontaine will sich dazu nicht äußern, Wa - hört zu den Figuren, die auch außerhalb genknecht nennt diese Darstellung, „ein der Partei Strahlkraft besitzen, und sie mieses Spiel“ jener, die ihr und Lafontai - kann die Wut der Fundis über Bartsch ne schaden wollten ausschlachten. Nun war klar: Was Lafontaine ein „An - Wenn die Linke nicht zur Provinzpar - Die neue Art zu lesen gebot in einer schwierigen Situation“ tei absteigen will, braucht sie Leute, die Der digitale SPIEGEL lässt Sie so tief in ein Thema nannte, bedeutete für große Teile der Par - auch außerhalb des verlässlichen Fan - einsteigen, wie Sie es möchten. Mit zusätzlichen tei Unterwerfung. blocks Säle füllen. Dass Lafontaine für Hintergrundseiten, exklusiv produzierten Videos, Vom starken Widerstand überrascht, die Genossen als Gastredner weiterhin versuchte Lafontaines Lager, die Ostfront kämpferische Vorträge halten wird, darf interaktiven Grafiken, 360°-Panoramafotos und aufzuweichen. Den wichtigen, weil mit - als ausgeschlossen gelten. Seinen ehema - 3-D-Modellen. gliederstärksten Verband in Sachsen woll - ligen Büroleiter in der Parteizentrale, Ha - Einmal anmelden und auf jedem te es gewinnen, indem die weithin unbe - rald Schindel, ließ er am Telefon zornig Gerät lesen – egal, wo Sie gerade kannte Bundestagsabgeordnete Sabine wissen: „Die glauben doch nicht im Ernst, sind. Das komplette Heft Zimmermann aus Zwickau als zweite dass ich nächstes Jahr für die noch Wahl - immer schon ab Sonntag 8 Uhr. Vorsitzende präsentiert wurde. Doch die kampf mache, wenn sie mir jetzt in den Einfach QR-Code Sachsen ließen nur kühl wissen, dass Frau Arsch treten.“ scannen, z. B. mit Zimmermann dann kommendes Jahr M& )' D& , C& '($% H  "## der App „Sminna“ 30 & '% ! 22/2012 www.spiegel.de/digital