Fachbereich Landschaftswissenschaften und Geomatik

Bachelorarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades des Bachelor of Science (B.Sc.)

Im Studiengang „Naturschutz und Landnutzungsplanung“

Titel

Eggesin 2035 Entwicklung von Zukunftsbildern für ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen mit Hilfe der Szenariotechnik

Erstgutachter: Prof. Dr. Peter Dehne Zweitgutachter: Dipl. Ing. Anja Neubauer

urn:ubn:de:gbv:519-thesis2016-0216-3

Vorgelegt von:

Burmeister Jan & Nickl Jonathan

Neubrandenburg, 18. August 2016 Inhaltsverzeichnis II

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ...... IV Tabellenverzeichnis ...... VII Vorwort (Jonathan Nickl) ...... VIII Zusammenfassung (Jonathan Nickl) ...... X 1 Einführung in die vorliegende Arbeit (Jonathan Nickl) ...... 1 1.1 Steckbrief Eggesin ...... 1 1.2 Ausgangslage ...... 2 1.3 Zielsetzung und Vorgehensweise ...... 3

Teil I: Theoretische Grundlagen (Jan Burmeister) ...... 6 2 Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) ...... 6 2.1 Kleinstadtforschung ...... 7 2.2 Definition Kleinstadt ...... 9 2.3 Bestand, räumliche Lage und Schrumpfung ...... 12 2.4 Funktion und Bedeutung ...... 17 2.5 Probleme ostdeutscher Kleinstädte ...... 19 Bevölkerungsrückgang ...... 20 Strukturschwache Wirtschaft ...... 24 Zentralörtlicher Funktionsverlust ...... 27 Kommunale Finanznot ...... 29 Soziale und gesellschaftliche Konflikte ...... 30 2.6 Potentiale von Kleinstädten im Schrumpfungsprozess ...... 32 Interkommunale Kooperation ...... 32 Endogene Potentiale ...... 34 Städtebauliche Potentiale ...... 36 Potentiale regionaler Kulturlandschaften ...... 37 Neue Technologien ...... 37 Personelle Qualifizierung ...... 37 Förderung und Vermarktung ...... 38 3 Grundlagen der Szenariotechnik (Jonathan Nickl) ...... 40 3.1 Exkurs: Kurze Entstehungsgeschichte ...... 40 3.2 Forschungsstand ...... 40 3.3 Was ist ein Szenario? ...... 41 3.4 Methodik ...... 43 3.5 Arten von Szenariotechniken ...... 44 Trendanalyse und Trendextrapolation ...... 45 Systematisch-formalisierte Szenariotechnik ...... 45 Narrativ-kreative Szenariotechnik ...... 45

Inhaltsverzeichnis III

Teil II: Szenarioprozess (Jonathan Nickl) ...... 47 4 Phase I – Bestimmung des Szenariofelds (Jonathan Nickl) ...... 47 5 Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) ...... 48 5.1 Analyse der gegenwärtigen Situation sowie jüngsten Entwicklungen in Eggesin ...... 48 Bevölkerungsentwicklung ...... 49 Daseinsvorsorge ...... 50 Wirtschaft und Arbeitsmarkt ...... 52 Natur und Landschaft ...... 54 Tourismus ...... 55 5.2 Wie es dazu kam – Eggesin von damals bis heute ...... 56 Namensgebung und die ersten Siedler ...... 56 Industrialisierung bis Ende des Zweiten Weltkriegs ...... 58 Die Zeit nach dem Krieg: Militärstandort Eggesin ...... 61 Schichtwechsel: Die Bundeswehr nach der politischen Wende ...... 61 5.3 Einflussfaktoren in Eggesin ...... 63 6 Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) ...... 65 6.1 Kurzfragebogen und Interviewleitfaden ...... 65 6.2 Interviewarten und -gruppen ...... 66 6.3 Durchführung der Interviews ...... 68 6.4 Auswertung und Interpretation der Interviewergebnisse (Jan Burmeister & Jonathan Nickl) ...... 69 Kurzfragebogen ...... 70 Bevölkerungsentwicklung ...... 72 Daseinsvorsorge ...... 75 Wirtschaft ...... 78 Sozialer Zusammenhalt ...... 81 Potentiale...... 83 Persönliche Frage zum Abschluss ...... 86 6.5 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse ...... 86 7 Phase IV – Zukunftsszenarien Eggesin 2035 (Jonathan Nickl) ...... 89 7.1 Szenario 1 – Eggesin als grüne Wohnstadt ...... 90 7.2 Szenario 2 – Blaubeerstadt Eggesin ...... 93 8 Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) ...... 96 8.1 Umsetzung Szenario 1 – Eggesin als grüne Wohnstadt ...... 96 8.2 Umsetzung Szenario 2 – Blaubeerstadt Eggesin ...... 106 9 Kritische Betrachtung des Gesamtprozesses (Jonathan Nickl) ...... 112 10 Fazit (Jan Burmeister & Jonathan Nickl) ...... 118 Literaturverzeichnis ...... XI Anhang ...... XX Abbildungsverzeichnis IV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1-1: Lage Eggesins mit umliegenden Gemeinden bzw. Städten. Eigene Darstellung, 2016 (Datengrundlage aus GeoPortal.MV 2016)...... 1

Abb. 1-2: Forschungsdesign zur Methodik des Seminars bzw. der Bachelorarbeit im Vergleich. Eigene Darstellung, 2016...... 5

Abb. 2-1: Überblick über Bestand; räumliche Lage; Schrumpfung bzw. Wachstum von Kleinstädten in Deutschland. Abbildung aus Milbert 2015: 11...... 14

Abb. 2-2: Die Bedeutung der Klein- und Mittelstädte in Deutschland. Abbildung aus Gatzweiler et al. 2012: 19...... 19

Abb. 2-3: Bevölkerungsentwicklung 2012-2030 für Landkreise und kreisfreie Städte (in %). URL: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/74_Wegweiser- Kommune/Bevoelkerungsprognose_Deutschland.jpg (Letzter Zugriff am 25.06.2016). ... 24

Abb. 2-4: Staatseinnahmen und -ausgaben in Abhängigkeit vom Alter, 1996, 1 000 Euro/Jahr. Abbildung aus Gatzweiler et al. 2012: 89...... 30

Abb. 3-1: Szenario-Trichter am Beispiel von Eggesin. Eigene Darstellung, 2016 (in Anlehnung an Kosow & Gaßner 2008: 13). Legende: t=Zeitpunkt; S=Szenario...... 42

Abb. 3-2: Die fünf Phasen der Szenarioentwicklung. Abbildung aus Kosow & Gaßner 2008: 20...... 44

Abb. 5-1: Bevölkerungsentwicklung in Eggesin von 1994 bis Ende 2014. Eigene Darstellung, 2016 (Datengrundlage vgl. StatA MV 2014a)...... 49

Abb. 5-2: Bevölkerungspyramiden Eggesins aus den Jahren 1994 sowie 2014 im Vergleich. Eigene Darstellung, 2016 (Datengrundlage vgl. StatA MV 2014b)...... 50

Abb. 5-3: Die alte Kirche Eggesins. Abbildung aus Pape et al. o. J.: 84...... 58

Abb. 5-4: Ein Langholzwagen mit vorgespannten Pferden. Abbildung aus Pape et al. o. J.: 124...... 59

Abb. 5-5: Einflussfaktoren in Eggesin: Ursachen und Wirkungen der Gesamtproblematik. Eigene Abbildung, 2016...... 64

Abb. 6-1: Die drei Studierenden Georg Barcinski, Jonathan Nickl und Jan Burmeister im Gespräch mit der Eggesiner Volkssolidarität (von rechts nach links). Foto: Anja Neubauer, 2015...... 68 Abbildungsverzeichnis V

Abb. 6-2: Die Studierenden bei der gemeinsamen Auswertung der Interviews während der Projektwoche unter Leitung von Prof. Dehne. Foto: Anja Neubauer, 2015...... 70

Abb. 6-3: Geschlechterverteilung der Befragten (n=47). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent...... 71

Abb. 6-4: Altersstruktur der Befragten (n=47). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent...... 71

Abb. 6-5: Verteilung nach Wohnhaftigkeit in Eggesin (n=47). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent...... 71

Abb. 6-6: Angaben über schulischen sowie beruflichen Abschluss in absoluten Zahlen und Prozent (n=47)...... 71

Abb. 6-7: Ergebnisse zur Bedeutung der Bevölkerungsentwicklung für die Zukunft von Eggesin (n=17 Gruppen/Personen). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent...... 72

Abb. 6-8: Nennungen zur Einschätzung der Bevölkerungsentwicklung in Eggesin (n=17 Gruppen/Personen mit 36 Nennungen). Angaben in absoluten Zahlen...... 73

Abb. 6-9: Nennungen zur Bevölkerungsentwicklung bis ins Jahr 2035, zu Potentialen und Möglichkeiten (n=17 Gruppen/Personen mit 29 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=4) ergeben sich 13 Gruppen/Personen mit 25 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen...... 74

Abb. 6-10: Ergebnisse zur Bedeutung der Daseinsvorsorge für die Zukunft von Eggesin (n=17 Gruppen/Personen). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent...... 75

Abb. 6-11: Nennungen zur Einschätzung der Grundversorgung in Eggesin (n=17 Gruppen/Personen mit 62 Nennungen). Angaben in absoluten Zahlen...... 76

Abb. 6-12: Nennungen zur Entwicklung der Daseinsvorsorge (Grundversorgung) bis ins Jahr 2035 (n=17 Gruppen/Personen mit 24 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=7) ergeben sich 10 Gruppen/Personen mit 17 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen...... 77

Abb. 6-13: Ergebnisse zur Bedeutung der wirtschaftlichen Entwicklung für die Zukunft von Eggesin (n=17 Gruppen/Personen). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent...... 78

Abb. 6-14: Nennungen zur Einschätzung der wirtschaftlichen Situation in Eggesin, auch im Vergleich mit dem Umland (n=17 Gruppen/Personen mit 49 Nennungen). Angaben in absoluten Zahlen...... 79 Abbildungsverzeichnis VI

Abb. 6-15: Nennungen zu Potentialen Eggesins als Wirtschaftsstandort bis ins Jahr 2035 (n=17 Gruppen/Personen mit 26 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=4) ergeben sich 13 Gruppen/Personen mit 22 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen...... 80

Abb. 6-16: Ergebnisse zur Bedeutung des sozialen Zusammenhalts für die Zukunft von Eggesin (n=17 Gruppen/Personen). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent...... 81

Abb. 6-17: Nennungen zur Einschätzung des sozialen Zusammenhalts in Eggesin (n=17 Gruppen/Personen mit 33 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=1) ergeben sich 16 Gruppen/Personen mit 32 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen...... 82

Abb. 6-18: Nennungen zu Verbesserungsvorschlägen hinsichtlich des sozialen Zusammenhalts in Eggesin und was in der Stadt vermisst wird (n=17 Gruppen/Personen mit 20 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=11) ergeben sich 6 Gruppen/Personen mit 9 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen...... 83

Abb. 6-19: Ergebnisse zur Frage, was das Besondere an Eggesin ist (n=17 Gruppen/Personen mit 21 Nennungen). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent...... 83

Abb. 6-20: Ergebnisse zur Frage, was der Stadt fehlt (n=17 Gruppen/Personen mit 17 Nennungen). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent...... 83

Abb. 6-21: Nennungen zur Entwicklung konkreter Leitthemen bis ins Jahr 2035 (n=17 Gruppen/Personen mit 32 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=2) ergeben sich 15 Gruppen/Personen mit 30 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen...... 84

Abb. 6-22: Nennungen zur Frage, was geschehen müsste, damit sich Eggesin bis ins Jahr 2035 positiv entwickelt (n=17 Gruppen/Personen mit 19 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=12) ergeben sich 5 Gruppen/Personen mit 7 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen...... 85

Abb. 6-23: Ergebnis zur persönlichen Zukunft in Eggesin (n=17 Gruppen/Personen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=8) ergeben sich 9 Gruppen/Personen. Angaben in absoluten Zahlen und Prozent...... 86

Abb. 7-1: Plakat zum Szenario Eggesin als grüne Wohnstadt...... 92

Abb. 7-2: Plakat zum Szenario Blaubeerstadt Eggesin...... 95 Tabellenverzeichnis VII

Tabellenverzeichnis

Tab. 2-1: Überblick über zentralörtliche Funktionen eines Grundzentrums. Tabelle nach Schulitz & Knoblauch 2011: 18...... 18

Tab. 2-2: Überblick zu möglichen Handlungsfeldern interkommunaler Kooperation. Tabelle nach Schulitz & Knoblauch 2011: 45...... 33

Tab. 5-1: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftsbereichen in den Städten Ueckermünde, und Eggesin sowie im Amtsbereich vom 30.06.2013 (nach Arbeitsort). Tabelle modifiziert nach LAG 2015: 26...... 53

Tab. 5-2: Touristische Kennzahlen der Städte Ueckermünde, Torgelow und Eggesin aus dem Jahr 2014. Eigene Tabelle, 2016 (Datengrundlage vgl. StatA MV 2014d)...... 56

Tab. 6-1: Befragte Gruppen bzw. Personen, Interviewarten und Anzahl der befragten Teilnehmer im Überblick. Eigene Tabelle, 2016...... 67

Tab. 8-1: Phasen des Kooperationsverlaufs. Tabelle nach Schulitz & Knoblauch 2011: 48...... 99

Vorwort (Jonathan Nickl) VIII

Vorwort (Jonathan Nickl)

Ein ausschlaggebender Faktor hinsichtlich der Motivation, das Thema Eggesin 2035 – Entwick- lung von Zukunftsbildern für ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen mit Hilfe der Szena- riotechnik zu wählen, war das Modul Stadt- und Dorfentwicklung des Studiengangs Naturschutz und Landnutzungsplanung (NLP) im Sommersemester 2015 unter Leitung von Herrn Prof. Peter Dehne. Wie in den Jahren zuvor verfolgte auch dieses Projekt den UniDorf-Ansatz, welcher besagt, sich mit den jeweiligen Lebenswelten der Kleinstädte Dörfer vor Ort auseinanderzusetzen und nach neuen Ideen auf lokaler Ebene zu suchen. Das UniDorf war eine gemeinsame Idee des Landkreises Vorpommern-, der Universität Greifswald sowie der Hochschule und wird seit 2009 in Kooperation mit lokalen Gemeinden verwirklicht. Im Wesentlichen geht es um einen „[...] Lern- und Entwicklungsprozess, der durch Impulse der Hochschulen gezielt initiiert und von den lokalen sowie regionalen Akteuren weiterentwickelt wird.“ (Landkreis Vorpommern-Greifswald 2013: 1). Ein an den Bedürfnissen einer Gemeinde orientierter Wissenstransfer erfolgt in der Praxis durch studentische Seminare vor Ort. Ein ent- scheidender Vorteil des UniDorf-Ansatzes besteht in der Partizipation der lokalen Bevölkerung an den Lern- und Entwicklungsprozessen sowie der Möglichkeit, durch eigene Impulse das örtliche Leben mitzugestalten. (Landkreis Vorpommern-Greifswald 2013: 1-2) Im Rahmen des Moduls beschäftigten wir uns sowohl mit der Analyse der gegenwärtigen Situation als auch mit der Historie Eggesins. Nach einer theoretischen Vorbereitung bestand die Aufgabe darin, innerhalb einer Projektwoche themenrelevante Interviews mit verschiede- nen Personengruppen vor Ort durchzuführen und auszuwerten. Im weiteren Verlauf entwickel- ten wir auf Basis dieser Interviews Zukunftsszenarien, wie sich Eggesin bis ins Jahr 2035 potentiell verändern könnte. Die Ergebnisse der Projektwoche wurden im Rahmen einer Ab- schlussveranstaltung in der Eggesiner Zeitbank präsentiert. Dadurch inspiriert möchten wir in unserer Abschlussarbeit diese Thematik aufgreifen und vertiefen. Bis dato wurden weder die Vorbereitungen während des Semesters noch die intensive Arbeit der Projektwoche vor Ort verschriftlicht. Somit besteht unser Anliegen ebenso darin, die semesterbegleitende Vorbereitung, die Protokolle der Interviews sowie zahlreichen Diskussio- nen und letztlich die Ergebnisse schriftlich festzuhalten und weiterführend aufzubereiten. Um einen vertiefenden und vor allem eigenständigen thematischen Beitrag zu leisten, wird die vor- liegende Bachelorarbeit in Bezug auf konkrete Möglichkeiten der Szenarienumsetzung bzw. Übertragbarkeit auf andere Kleinstädte erweitert. Vorwort (Jonathan Nickl) IX

Abschließend möchten wir an dieser Stelle allen Beteiligten danken, die uns auf dem Weg dieser Bachelorarbeit begleitet und unterstützt haben. Ganz besonders bedanken wir uns bei Peter Dehne und Anja Neubauer für den fachlichen Input. Darüber hinaus gilt unser Dank allen interviewten Eggesinerinnen und Eggesinern für die offenen Gespräche. Ein außerordentlicher Dank richtet sich insbesondere an den Eggesiner Bürgermeister Dietmar Jesse und Reinhard „Kurti“ Höhn, die stets ein „offenes Ohr“ für unsere Anliegen hatten. Zu guter Letzt danken wir unseren Kommilitonen für die Bereitstellung der Interviewprotokolle.

Zusammenfassung (Jonathan Nickl) X

Zusammenfassung (Jonathan Nickl)

Das Ziel der vorliegenden Arbeit lag in der Entwicklung von potentiellen Zukünften für die Stadt Eggesin bis ins Jahr 2035 mit Hilfe der Szenariotechnik. Zugunsten einer vertieften Aus- einandersetzung mit der Thematik wurde zuerst untersucht, welche Probleme wie auch Poten- tiale ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Regionen im Allgemeinen kennzeichnen. Eine anschließende Analyse der Stadt Eggesin innerhalb des Szenarioprozesses zeigte, dass beson- ders der Abzug des Militärs und die politische Wende nicht nur die Historie der Stadt, sondern auch die Gegenwart maßgeblich beeinflussten. Zugleich ergab die Untersuchung, dass nahezu alle allgemeinen Probleme von ostdeutschen Kleinstädten in peripheren Lagen auch auf Egge- sin übertragbar sind. Die Relevanz der dabei herausgearbeiteten Faktoren Bevölkerungsent- wicklung, Daseinsvorsorge, Wirtschaft und sozialer Zusammenhalt wurde zusätzlich durch Interviews mit den Einwohnern Eggesins bestätigt. Wie aus der tiefergehenden Analyse her- vorging, können diesen Faktoren auch im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung der Stadt Schlüsselrollen zugeschrieben werden. Potentiale für die Zukunft Eggesins ließen sich im Be- reich Natur und Landschaft identifizieren, Defizite hingegen in mangelnden touristischen und kulturellen Angeboten und deren Nutzung. Die grundsätzliche Ausrichtung der Zukunftsszena- rien basierte folglich auf einer positiven Entwicklung innerhalb der problematischen Faktoren und fokussierte gleichzeitig eine stärkere Nutzung vorhandener Potentiale. Dementsprechend beschreibt das erste Zukunftsszenario die Stadt Eggesin im Jahr 2035 als grüne Wohnstadt in- mitten des Naturparks Am Stettiner Haff mit naturtouristischer Nutzung. Das zweite Szenario – Eggesin als Blaubeerstadt – konzentriert sich in erster Linie darauf, vorhandene Ressourcen für den Anbau und die Weiterverarbeitung von Blaubeeren zu nutzen und dadurch ein Alleinstel- lungsmerkmal zu etablieren. Potentielle Strategien zur Umsetzung beider Szenarien könnten u. a. durch einen funktionierenden Kooperationsverbund mit den Nachbarstädten Ueckermünde und Torgelow realisiert werden.

Einführung in die vorliegende Arbeit (Jonathan Nickl) 1

1 Einführung in die vorliegende Arbeit (Jonathan Nickl)

1.1 Steckbrief Eggesin

Die Kleinstadt Eggesin liegt im Landkreis Vorpommern-Greifswald in Mecklenburg-Vorpom- mern nahe der polnischen Grenze (vgl. Abb. 1-1) und hat 4 813 Einwohner (Stand 31.12.2014; vgl. StatA MV 2014a). Im Regionalen Raumentwicklungsprogramm Vorpommern ist Eggesin als Grundzentrum eingestuft (vgl. Kap. 2.2; RPV VP 2010: 33).

Abb. 1-1: Lage Eggesins mit umliegenden Gemeinden bzw. Städten. Eigene Darstellung, 2016 (Daten- grundlage aus GeoPortal.MV 2016).

Des Weiteren befindet sich Eggesin innerhalb der Region Am Stettiner Haff. Diese Bezeichnung steht sowohl für den Amtsbereich als auch für den hiesigen Naturpark. Zum Amtsbereich ge- hören die Gemeinden Ahlbeck, , Hintersee, Luckow, Vogelsang-Warsin, , , Lübs, , Mönkebude und sowie der Eggesiner Ortsteil Hop- penwalde (vgl. Heidschmidt et al. 2011: 14). Nördlich bzw. südlich von Eggesin liegen die Nachbargemeinenden Ueckermünde und Torgelow (vgl. Abb. 1-1).

Einführung in die vorliegende Arbeit (Jonathan Nickl) 2

1.2 Ausgangslage

Zahlreiche Kleinstädte und Dörfer in Deutschland teilen ein gemeinsames Schicksal. Besonders junge Menschen aus ländlichen Regionen ziehen in die Großstädte, die ältere Generation bleibt zurück. Entwicklungen wie der demographische Wandel sind heutzutage jedermann ein Be- griff. Davon betroffen sind überwiegend ostdeutsche strukturschwache Regionen (vgl. Stiller 2011: 229), wobei ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen demografischer und wirtschaft- licher Entwicklung einer Region meist nicht von der Hand zu weisen ist (vgl. Stiller 2011: 227). So hat auch die ostdeutsche Kleinstadt Eggesin mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, die auf- grund ihrer Komplexität auf den ersten Blick schwer zu überblicken und mitnichten allein auf den demographischen Wandel zurückzuführen sind. Die ehemalige Garnisonsstadt Eggesin befindet sich seit der politischen Wiedervereinigung in einer Abwärtsspirale, charakterisiert durch Perspektivlosigkeit der jungen Bevölkerung auf- grund der schwachen Wirtschaft und einen enormen Bevölkerungsrückgang. Zudem ist die Stadt geprägt durch eine hohe Arbeitslosenquote und zahlreiche Wohnungsleerstände (vgl. Go- derbauer 2015: 35). Hauptverantwortlich für diese Situation waren u. a. die Umstrukturierung der Bundeswehr sowie der Beschluss zur Schließung des Kasernenstandorts, wodurch sich Eg- gesin plötzlich mit dem Verlust ihrer Identität als Militärstadt und der wirtschaftlichen Grund- lage konfrontiert sah (vgl. Kegler 2004: 21). Zusätzlich sind in der Region die negativen Veränderungen des demografischen Wandels mit all seinen Facetten spürbar, wie z. B. die Ver- hältnisse von Zu- und Fortzügen sowie Geburten- und Sterberaten oder der Altersstruktur (vgl. Kap. 2.5). Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob, und wenn ja, was getan werden kann, um diesen negativen Trend zu unterbrechen oder wenigstens abzuschwächen. Welche Chancen und Po- tentiale bietet Eggesin für einen positiven Blick in die Zukunft und wie könnte diese konkret aussehen? Ein vielversprechender Ansatz zur Entwicklung von Lösungen war bspw. der Bundeswett- bewerb Stadtumbau Ost. Im Rahmen dessen schlossen sich die Städte Ueckermünde, Torgelow und Eggesin (U.T.E.) 2001 zu einem interkommunalen Kooperationsverbund zusammen (vgl. BMVBW 2003: 86), welcher die gemeinsamen Handlungsschwerpunkte Wirtschaftsentwick- lung, Tourismus, Verkehrsinfrastruktur und Wohnungswirtschaft thematisierte (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 102). Die Strategie für Eggesin fokussierte sich darauf, die Stadt sukzessiv „[...] zum regionalen Dienstleister und zum kleinstädtischen Wohnort im Grünen“ (BMVBW 2003: 86) umzugestalten. Das Konzept beinhaltete sowohl eigenständige Projekte als auch Auf- gaben, die angesichts vieler Gemeinsamkeiten zwingend kommunenübergreifend realisiert Einführung in die vorliegende Arbeit (Jonathan Nickl) 3 werden müssen (vgl. Haescher 2011: 46; Schulitz & Knoblauch 2011: 101). Aufgrund von Mei- nungsverschiedenheiten, Konkurrenzdenken und Misstrauen untereinander verlor der Koope- rationsverbund jedoch in einer relativ frühen Phase deutlich an Dynamik (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 97). Bis 2011 konnten lediglich im Bereich Tourismus gemeinsame Projekte umgesetzt werden (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 103).

1.3 Zielsetzung und Vorgehensweise

Auch wenn in den letzten Jahren verstärkt nationale Anstrengungen zur Lösungsfindung unter- nommen wurden, lag jahrzehntelang weder der politische Fokus noch der Fokus stadtsoziolo- gischer Forschung auf den klein- und mittelstädtischen Problemen (vgl. Berding 2015: 6). Die Zukunft solcher Regionen ist unsicher und aufgrund ineinandergreifender Wechselwirkungen nur eingeschränkt abzuschätzen. Angesichts der sich kontinuierlich verändernden Rahmenbe- dingungen unserer Gesellschaft und der Lebenswelten im Allgemeinen müssen gegenwärtige Entscheidungen sowie potentielle Maßnahmen zukunftsfähig überdacht und getroffen werden. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 6) Daran anknüpfend hat die vorliegende Arbeit zum Ziel, unter Berücksichtigung relevanter Einflussfaktoren künftige Entwicklungsmöglichkeiten für die Stadt Eggesin zu generieren. Um abseits konventioneller Planungen mit weitreichendem Blick in die Zukunft verschiedene aus- sichtsreiche Entwicklungspfade aufzuzeigen, existieren innerhalb der Zukunftsforschung eine Reihe von Methoden. In diesem Fall wurde die Priorität auf die weit verbreitete Szenariotechnik gelegt (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 6). Zudem wurde im Rahmen der vorliegenden Untersu- chung zur tiefergehenden Analyse der Einflussfaktoren das Meinungsbild der Einwohner Eg- gesins zur Gegenwart und Zukunft ihrer Stadt mittels Interviews abgebildet. Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen Grundlagenteil (Teil I) und einen praxisori- entierten Teil II, der sich der Umsetzung des o. g. Entwicklungsprozesses konkreter Zukunfts- bilder widmet. In Teil I werden entsprechend allgemeine Probleme sowie Potentiale und Chancen ostdeutscher Kleinstädte in peripheren Lagen thematisiert (Kap. 2) und theoretische Grundlagen der Szenariotechnik näher erläutert (Kap. 3). Teil II beinhaltet neben der Szenario- feld-Bestimmung (Kap. 4), der Identifikation und Analyse der Einflussfaktoren samt Intervie- wergebnisse (Kap. 5 & 6) ebenso die ausgearbeiteten Zukunftsszenarien für Eggesin (Kap. 7). Den Abschluss des Szenarioprozesses bildet ein Ausblick auf die Möglichkeiten und Grenzen der Szenarienumsetzung (Kap. 8), eine kritische Betrachtung des gesamten Ablaufs (Kap. 9) sowie ein Fazit (Kap. 10). Einführung in die vorliegende Arbeit (Jonathan Nickl) 4

Folgende Leitfragen dienen im weiteren Verlauf als sog. roter Faden und werden jeweils an gegebener Stelle beantwortet:

1) Welche Probleme, also welche konkreten Ursachen und Wirkfaktoren, charakterisieren Eggesin? (vgl. Kap. 5.3) 2) Welche Zukunftsszenarien ergeben sich für Eggesin? (vgl. Kap. 7) 3) Inwieweit ist die Umsetzung der Szenarien in Eggesin realisierbar und auf andere Klein- städte übertragbar? (vgl. Kap. 8) 4) Ist der gewählte Szenarioprozess sinnvoll? (vgl. Kap. 10)

Im Allgemeinen beabsichtigt die Arbeit eine chronologische Darstellung der Projektwoche (Details vgl. Vorwort) und insbesondere des Szenarioprozesses. Für einen Überblick sei auf das Forschungsdesign (vgl. Abb. 1-2) verwiesen, welches die Methodik des Seminars und der vor- liegenden Arbeit illustriert. Aufgrund des eingeschränkten zeitlichen Umfangs während des Se- minars konnten nicht alle Grundlagen und Arbeitsschritte mit dem hier dargestellten Detaillierungsgrad behandelt werden. Folglich kommt es zu geringfügigen Abweichungen. Re- levante Hinweise, die zum besseren Verständnis hinsichtlich der Arbeitsweise während des Se- minars beitragen, werden im Laufe der vorliegenden Arbeit grau hinterlegt dargestellt.

Einführung in die vorliegende Arbeit (Jonathan Nickl) 5

Abb. 1-2: Forschungsdesign zur Methodik des Seminars bzw. der Bachelorarbeit im Vergleich. Eigene Darstellung, 2016. Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 6

TEIL I: THEORETISCHE GRUNDLAGEN (Jan Burmeister)

Teil I legt eine Informationsbasis für den weiteren Ablauf der wissenschaftlichen Arbeit. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen insbesondere die Begriffe: (ostdeutsche) Kleinstadt, perip- here Lage und Szenariotechnik, passend zum Titel der Bachelorarbeit. Die Analyse der ostdeutschen Kleinstädte, auch hinsichtlich deren Problemen (vgl. Kap. 2.5) und Potentialen (vgl. Kap. 2.6) gestattet eine Einordnung des Forschungsgegenstands Eggesin (vgl. Kap. 5). Darüber hinaus wird in Kapitel 2 der Schrumpfungsprozess thematisiert, unter dem eine Vielzahl von ostdeutschen Kleinstädten leidet. Auf diese Weise kann abgeprüft wer- den, ob bzw. wie der gewählte Szenarioprozess (vgl. praxisorientierter Teil II) auf andere Klein- städte übertragbar ist (vgl. Kap. 8). Neben den ostdeutschen Kleinstädten in peripheren Lagen beinhaltet Teil I die Grundlagen der Szenariotechnik (vgl. Kap. 3). Diese ist als eine Methode zur Entwicklung von Zukunfts- bildern (vgl. Kap. 3.3) definiert. Mithilfe der Szenariotechnik können Kleinstädte für die Zu- kunft vorbereitet werden. Dabei steht ein frühzeitiges Erkennen von Problemen und Potenzialen im Mittelpunkt, gerade vor dem Hintergrund der Globalisierung und dem damit verbundenen Wettbewerb von Regionen untereinander (vgl. Kap. 2.5). Viele Kleinstädte befinden sich be- reits in einer Abwärtsspirale, bedingt durch den Schrumpfungsprozess, in der die Stadtpolitik personelle und finanzielle Mittel nicht mehr selbst aufbringen kann. An dieser Stelle vermag die Szenariotechnik eine Alternative darzustellen, indem sie andere bzw. neue Entwicklungs- möglichkeiten für die Zukunft aufzeigt. Gerade in Eggesin, das stark unter dem Schrumpfungs- prozess leidet (vgl. Kap. 5.1), kann die Szenariotechnik einen Weg aus der Krise beschreiben. Insbesondere wenn ein subsidiärer Ansatz verfolgt wird, d. h. die Bürger aktiv am Prozess be- teiligt werden.

2 Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister)

Im Folgenden steht, in Anlehnung an das Siedlungsmodell Kleinstadt, speziell die ostdeutsche Kleinstadt Eggesin im Mittelpunkt der Betrachtung. Anfangs wird die Kleinstadt in den For- schungszusammenhang, hauptsächlich in den Bereich der Stadtforschung, eingeordnet (vgl. Kap. 2.1). Darüber hinaus gilt es zu klären, wie eine Kleinstadt definiert ist und inwiefern diese Definition Anwendung auf Eggesin findet (vgl. Kap. 2.2). Im weiteren Verlauf des Grundla- genteils werden Bestand und räumliche Lage ausführlicher betrachtet und ein allgemeiner Überblick zum sogenannten Schrumpfungsprozess, von dem viele Kleinstädte betroffen sind, Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 7 gegeben (vgl. Kap. 2.3). Ferner wird eine Darstellung der wichtigsten Funktionen und der Be- deutung dieses Siedlungsmodells gegeben (vgl. Kap. 2.4). Anknüpfend an den Schrumpfungs- prozess werden die Probleme der ostdeutschen Kleinstädte aufgeführt (vgl. Kap. 2.5), die als Ursache für die Schrumpfung von Kleinstädten gelten. Allerdings sind Kleinstädte nicht nur von Problemen charakterisiert, sondern bieten ferner vielfältige und unterschiedlichste Poten- tiale, die den Abschluss des Kapitels bilden (vgl. Kap. 2.6).

2.1 Kleinstadtforschung

Kleinstädte spielen in der Stadtforschung vor allem in der fachwissenschaftlichen und fachpub- lizistischen Diskussion nur eine untergeordnete Rolle (vgl. Berding 2015: 6; Schrödel 2014: 18; Karsten & Matthes 2009: 4; Herrenknecht & Wohlfarth 2004: 5; Hannemann 2002a: 12). Herrenknecht & Wohlfarth (2004) merken in der Fachzeitschrift Pro-Regio-Online an, dass die Kleinstadt in der Öffentlichkeit kaum Beachtung findet: „Als breites Diskussionsthema spielen die Kleinstädte in der öffentlichen, fachpolitischen und wissenschaftlichen Wahrnehmung so gut wie keine Rolle. In der öffentlichen Sichtweise gehen sie irgendwo zwischen Großstadt und ländlichem Raum unter. In der fachpolitischen Diskussion gehören sie irgendwie zum ländli- chen Raum, aber dieser wird weiterhin unter dem Hauptaspekt der ländlichen Dörfer und Land- wirtschaft gesehen. Und in der wissenschaftlichen Aufarbeitung sind sie eine klassische Forschungslücke: Eine explizite Kleinstadtforschung existiert nicht“ (Herrenknecht & Wohl- farth 2004: 5). In der Vergangenheit konzentrierte sich die Stadtforschung vorwiegend auf Großstädte und großstädtische Räume, deren Erkenntnisse vielfach auf Kleinstädte übertragen wurden (vgl. Kreichauf 2012:18; Hannemann 1998: 7). Dadurch konnten durchaus die Probleme einer urba- nisierten Gesellschaft aufgezeigt werden, allerdings bestand die Folge in einem fehlenden sys- tematischen Strukturwissen bezogen auf Kleinstädte. Einzige Ausnahme im Bereich der Kleinstadtforschung ist die historische Aufarbeitung bis zur Moderne. Gleichwohl findet eine Analyse ab bzw. in der Moderne nur begrenzt statt. Mit dem sogenannten Großstadtboom Ende des 20. Jahrhunderts befassten sich Stadtforscher nahezu ausschließlich mit Großstädten, an- statt auf Kleinstädte, die damals mit dem ländlichen Raum gleichgesetzt wurden, einzugehen. (Vgl. Herrenknecht & Wohlfarth 2004: 5) Nach Karsten & Matthes (2009) handelt es sich bei Kleinstädten im ländlichen Raum wo- möglich eher um eine Erfassungs- und Wahrnehmungslücke als um eine Forschungslücke. Demnach existieren zahlreiche Kleinstadtpublikationen, welche bisher nicht in ihrer Breite er- fasst wurden. Zudem betrachtet jede Fachdisziplin das Thema Kleinstadt eigenständig, Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 8 wodurch der Vergleich bzw. ein systematisches Strukturwissen erschwert wird. Darüber hinaus stellen Karsten & Matthes (2009) fest, dass wissenschaftliche Arbeiten zu den Herausforderun- gen und Handlungsansätzen von Kleinstädten im demografischen und wirtschaftsstrukturellen Wandel über einzelne Fallbeispiele selten hinausgehen. (Vgl. Karsten & Matthes 2009: 5) Pas- send dazu führen Herrenknecht & Wohlfarth (2004) die Vielzahl an regionalen und sehr orts- spezifischen Kleinstadtstudien an, die in den letzten Jahrzehnten in einer Publikationswelle entstanden. Diese lassen jedoch keine analytische Struktur erkennen und sind „[...] zwischen monographischen Studien, traditionellen Stadtbeschreibungen, aktualisierten Handbüchern, öffentlichen Landkreisveröffentlichungen und touristischen Bildbänden [...]“ einzuordnen (Herrenknecht & Wohlfarth 2004: 7). Weiterhin wird aufgeführt, dass es sich dabei größtenteils um klassische Heimatveröffentlichungen handelt, die für die allgemeine Kleinstadtforschung aufgrund ihres lokal und inhaltlich begrenzten Ansatzes nur bedingt geeignet sind. (Vgl. Her- renknecht & Wohlfarth 2004: 7) Eine Ausnahme stellen die Untersuchungen von Hannemann dar, die nicht nur Fallstudien ostdeutscher Kleinstädte enthalten, sondern einen Wegweiser für die deutsche Kleinstadtfor- schung darstellen. Vor allem die Arbeit Marginalisierte Städte. Probleme, Differenzierungen und Chancen ostdeutscher Kleinstädte im Schrumpfungsprozess aus dem Jahr 2004 ist für die ostdeutsche Kleinstadtforschung von immensem Wert. (Vgl. Schrödel 2014: 20) Weitere be- deutende Publikationen sind die Untersuchung von Knoblauch & Schulitz (2011) mit dem Titel Interkommunale Kooperation schrumpfender Kleinstädte: Analyse der Chancen und Grenzen für schrumpfende Kleinstädte im ländlichen Raum sowie die Arbeit vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Klein- und Mittelstädte in Deutschland ‒ eine Be- standsaufnahme. Eine der aktuellsten Auseinandersetzungen mit der Kleinstadt stellt die Dok- torarbeit von Schrödel (2014) mit dem Titel Empirische Bestandsaufnahme der deutschen Kleinstädte zu Beginn des 21. Jahrhunderts ‒ Ein Siedlungstyp im sozioökonomischen Nieder- gang? dar. Einerseits wurde das Forschungsfeld Kleinstadt in den letzten Jahren in wachsendem Maße über den lokalen und inhaltlich begrenzten Ansatz hinausgehend bearbeitet. Andererseits be- stehen in der Kleinstadtforschung immer noch Defizite, z. B. bei der Einordnung in den klein- städtischen Gesamtforschungszusammenhang oder der Ausweisung der Kleinstadt als eigene Forschungsdisziplin, die nicht irgendwo zwischen Stadt und Land liegt. (Vgl. Schrödel 2014: 20; Thurmann, Zwilling & Koch 2014: 4) Ein weiterer Nachteil der vorhandenen Kleinstadtliteratur ist in ihrer starken Orientierung an den Untersuchungen von Hannemann aus den frühen 2000er Jahren zu sehen. In den letzten Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 9

Jahren wurden nur wenige eigenständige Forschungen zu den Problemen, die Kleinstädte be- einflussen, durchgeführt. Häufig wird in Publikationen mit veralteten Zahlen gearbeitet, die neuesten Entwicklungen außen vor lassen. Allerdings hat sich wegen der guten wirtschaftlichen Lage in Deutschland auch die Situation für Kleinstädte in den vergangenen 5 bis 7 Jahren etwas verbessert, z. B. demografisch und wirtschaftlich. Vielerorts stehen weniger die Probleme Ein- wohnerverlust und Arbeitsplätze, sondern die fehlenden Arbeitskräfte im Fokus. Dieser Sach- verhalt wird jedoch nur spärlich in der Literatur diskutiert.

2.2 Definition Kleinstadt

Angesichts des Wandels historischer und sozialer Verhältnisse in Deutschland existiert bisher keine allgemeingültige fachliche Definition des Kleinstadtbegriffs (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 13; Hannemann 2002a: 9). Zudem müsste eine Definition von der jeweiligen Wissen- schaftsdisziplin her und im Gesamtkontext der gesellschaftlichen Entwicklung bestimmt wer- den. (Vgl. Hannemann 2002a: 9-10) Grundsätzlich liegen alle Versuche einer Begriffsbestimmung in der Stadtforschung dem statistischen Stadtbegriff, der sich an einer Mindesteinwohnerzahl orientiert, zugrunde (vgl. Kreichauf 2012: 17; Hannemann 2004: 18; Schumann 2004: 7). Dieser wurde erstmals in den 1870er Jahren, mit der Entstehung des wissenschaftlichen Phä- nomens Großstadt, von der damals aufkommenden Städtestatistik diskutiert (vgl. Schrödel 2014: 27). Gleichwohl misslang die Festlegung auf einen anerkannten Stadtbegriff und man ging dazu über, Städte nach Stadtgrößenklassen zu definieren. Nach der deutschen Reichssta- tistik von 1871 wurde die Einteilung der Gemeinden entsprechend einer Einwohnerzahl von 2 000 bis 5 000 als Landstädte, 5 000 bis 20 000 als Kleinstädte, 20 000 bis 100 000 als Mittel- städte und mehr als 100 000 als Großstädte vorgenommen. (Vgl. Berding 2015: 12; Schrödel 2014: 27; Schulitz & Knoblauch 2011: 13; Hannemann 2002a: 10) Grundsätzlich hatte die Bestimmung einer klaren Grenze mittels einer einzigen Aussage, der Einwohnerzahl, einige Vorzüge, allerdings zeigten sich auch zunehmend Probleme (vgl. Han- nemann 2002a: 10). Besonders die Nichtbeachtung qualitativer Aspekte, z. B. geografischer Kriterien, Ausstattungsmerkmale und Funktionen des Städtischen sind dabei zu nennen und warfen die Frage auf, ob die Stadtgrößenklassen ein ausreichendes Typisierungsmerkmal dar- stellen (vgl. Schrödel 2014: 28). Generell ist die Klassifizierung von Städten nach Größenklas- sen noch heute gültig, wird jedoch zunehmend als unzeitgemäß betrachtet, was zum einen aus dem Wandel der Siedlungsstrukturen und zum anderen dem veränderten Zuschnitt der admi- nistrativen Grenzen hervorgeht. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 13; Hannemann 2004: 20) Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 10

In Anbetracht dessen entwickelten verschiedenste städtische Professionen zahlreiche Mo- delle, die neben dem statistischen Stadtbegriff auch qualitative Aussagen, z. B. über städtische Funktionen, Sozialstruktur und baulich-räumliche Gegebenheiten enthielten (vgl. Schrödel 2014: 28; Schulitz & Knoblauch 2011: 13 oder Hannemann 2002a: 10). Beispielhaft sind die Ausführungen von Reinhard Stewig (nach Schrödel 2014) aus dem Jahre 1987 in seinem Werk Untersuchungen über die Kleinstadt in Schleswig-Holstein zu nennen. Ähnlich wie die Reichs- statistik definierte er Kleinstädte zunächst statistisch mit einer Anzahl von mind. 2 000 bis max. 20 000 Einwohnern. Darüber hinaus bestand bei Stewig die Einschränkung, dass auch ein Stadt- recht vorhanden sein muss. Mit der Erarbeitung von vier zusätzlichen Charakteristika (Demo- grafie, Migration, Ökonomie, soziale Verhältnisse) erweiterte er die Definition nach statistischen Größenklassen und verdeutlichte obendrein, dass es sich bei Kleinstädten in erster Linie um einen sozialen Wirkungszusammenhang handelt. Gleichwohl gelang es auch Stewig nicht, mittels qualitativen Differenzierungen eine ausreichende Vergleichbarkeit herzustellen und ließ ebenso die große Heterogenität deutscher Kleinstädte außer Acht. (Vgl. Schrödel 2014: 29) Die Schwierigkeit der Klassifizierung von Städten nach Größenklassen zeigt sich besonders bei der Gegenüberstellung von Kleinstädten in Ost- und Westdeutschland. Während in den westlichen Bundesländern häufig Gemeinden zwischen 10 000 und 25 000 Einwohnern zu den Kleinstädten gerechnet werden, ergeben sich in den ostdeutschen Bundesländern abweichende quantitative Einordnungen. In diesen Regionen haben viele Kleinstädte weniger als 15 000 bzw. 10 000 Einwohner. (Vgl. Hannemann 2002b: 65) Insgesamt sind die neuen Bundesländer wesentlich ländlicher und kleinteiliger strukturiert und damit im Verhältnis zu den alten Bun- desländern deutlich schwächer großstädtisch geprägt (vgl. Hannemann 2002a: 11). Die bisher dargelegte Problematik der Bestimmung des Kleinstadtbegriffs veranlasste Han- nemann (2002) im Forschungsprojekt Kleinstädte in Ostdeutschland – Welche Zukunft hat die- ser Stadttyp? eine Definition zu entwickeln, welche sowohl quantitative als auch qualitative Merkmale und deren Kombinationen abbildet. Zudem stand die Einbeziehung der heterogenen Siedlungsgruppe von Kleinstädten bestimmt von ihrer jeweiligen regionalen, wirtschaftlichen und funktionalen Situation im Mittelpunkt ihrer Forschungsarbeit. Gleichwohl haben nach Han- nemann (2004) Kleinstädte wesentliche Gemeinsamkeiten, welche sie in fünf verallgemeinern- den Aussagen zusammenfasste:

Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 11

1) „Die Anzahl der Bewohner liegt unter 20 000. 2) Die wirtschaftliche und sozioökonomische Struktur wird von nichtlandwirtschaftlicher Tätigkeit bestimmt. Des Weiteren ist die Wirtschaft der Kleinstädte von ortsansässigem gewerblichem Mittelstand geprägt. 3) Die baulich-räumliche Struktur ist städtisch geprägt durch ein Vorherrschen geschlos- sener, mehrgeschossiger Bebauungsformen im Ortskern, der Ausprägung eines Orts- zentrums und einen hohen Anteil an Mehrfamilienhäusern. 4) Die Kleinstädte haben Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer historischen Entwicklung, da die überwiegende Mehrheit der Kleinstädte im Mittelalter entstanden ist. Eine ge- ringere Zahl sind Bergbaustädte bzw. Residenzstädte oder sind während der Industria- lisierung aus Dörfern bzw. Arbeitersiedlungen hervorgegangen. 5) Viele Kleinstädte Deutschlands konnten bis heute die Qualität als „zentraler Ort“ er- halten, zumindest auf unterer Stufe. Sie sind lokal-regionales Einkaufszentrum und Bil- dungsstandort sowie häufig auch Standort von Kultur- und Freizeiteinrichtungen.“ (Hannemann 2004: 21)

Mit diesen fünf Kriterien umreißt Hannemann den Kleinstadttypus grob und schafft zudem ei- nen Ansatz, der durchaus erweiterungsfähig ist (vgl. Kreichauf 2012: 17). Dennoch stößt auch diese Begriffsbestimmung bei einigen Experten auf Widerspruch. So bemängelt z. B. Nieder- meyer (nach Schrödel 2014) in diesem Zusammenhang die Handhabung verschiedener Defini- tionen. Nach seiner Einschätzung wird einerseits der Versuch unternommen, mit exakten Grenzwerten auf empirischer Basis den Kleinstadtraum zu bestimmen, andererseits würden qualitative, sehr unscharfe Faktoren zur Bestimmung eingesetzt. Für Niedermeyer besteht die Annahme, dass eine gesicherte Kleinstadtdefinition nur als Einzelfalluntersuchung vorgenom- men werden kann. Dafür ist die Analyse von zwei differenzierten Standpunkten aus notwendig. Einerseits sind räumliche, formale und statische Merkmale, z. B. topografische Lage, geschlos- sene Ortsform mit deutlichem Kern, vielfältiges Gesamtbild und innere Differenzierung, Ein- wohnerzahl und die Rechtsform der Stadt abzuprüfen. Andererseits sind funktionale, soziologische und ökonomische Merkmale, wie z. B. Berufsstruktur, Handel, Verkehr, tertiärer Sektor, städtisches Leben, Kultur, zentralörtliche Umlandbedeutung in die Betrachtung mit ein- zubeziehen. Zur Untersuchung von Kleinstädten hat Niedermeyer die gesammelten Kriterien nach Dominanz der Merkmale sortiert. Demnach werden Einwohnerzahl, innere Differenzie- rung und zentralörtliche Umlandbedeutung als dominante Definitionskriterien betrachtet. Diese Methode stellt die bislang differenzierteste Variante zur Beurteilung des Kleinstadtbegriffs dar. Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 12

Allerdings ist sie sehr aufwendig und in der Hinsicht eine Vergleichbarkeit unter den Klein- städten herzustellen, schwer anzuwenden. (Vgl. Schrödel 2014: 30-31) Deshalb wird in der Praxis weiterhin mit dem statistischen Stadtbegriff gearbeitet, welcher um einzelne Kriterien ergänzt wird (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 13). Auch die Definition von Kleinstädten nach dem BBSR ist in diesem Zusammenhang zu nen- nen, die neben der Einwohnerzahl auf die zentralörtlichen Funktionen eingeht (vgl. Gatzweiler et al. 2012: 16-17). Nach Maßgabe der Kriterien des BBSR ist Eggesin seit dem Jahr 2012 nur noch als Landgemeinde ausgewiesen (vgl. Abb. 2-1). Zwar übernimmt die Gemeinde weiterhin die Funktionen eines Grundzentrums für die Umgebung, allerdings fiel 2012 die Einwohnerzahl erstmals unter die Grenze von 5 000 (StatA MV 2014a). Im Gegensatz dazu erfüllt Eggesin nach den theoretischen Grundlagen von Hannemann (2004) eindeutig die Eigenschaften einer Kleinstadt und ist demnach auch so zu charakterisieren. Zudem besitzt Eggesin in Anlehnung an Stewig (nach Schrödel 2014) das Stadtrecht. Aus den genannten Gründen wird Eggesin im weiteren Verlauf dieser Arbeit als Kleinstadt bezeichnet. Trotzdem sind die Zahlen und Fakten des BBSR aus dem Jahr 2012 im Gegensatz zu Hannemanns (2004) statistischen Erhebungen deutlich aktueller und an den Wandel der Siedlungsstrukturen in Deutschland angepasst, sodass vermehrt auf diese zurückgegriffen wird.

2.3 Bestand, räumliche Lage und Schrumpfung

Bei der Betrachtung wesentlicher Publikationen deutscher Stadtforschung entsteht der Ein- druck, dass der vorherrschende Stadttyp in der Bundesrepublik Deutschland die Großstadt ist. Dabei nehmen vor allem die Klein- und Mittelstädte in der Siedlungsstruktur eine bedeutende Rolle ein. (Vgl. Schrödel 2014: 31) Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung der Bundesrepublik leben in Städten und Gemeinden mit weniger als 100 000 Einwohnern. Im Umkehrschluss be- deutet dies, dass fast 56 Millionen Menschen in Deutschland außerhalb der Großstädte wohnen. Ungeachtet dessen ist der suburbane Raum ein Ort voller Heterogenität und Widersprüchlich- keit. In Abhängigkeit von der Region sind entweder wirtschaftliche Dynamik, Wohlstand und Bevölkerungswachstum oder Schrumpfung, Abwanderung, Arbeitslosigkeit und Überalterung kennzeichnend. (Vgl. Berding 2015: 13-17) Nach Definition des BBSR (vgl. Kap. 2.2) können die 4 620 in Deutschland bestehenden Gemeinden in 1 483 ländliche Gemeinden und 3 137 Städte eingeteilt werden. Von den 3 137 Städten sind lediglich 80 Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern ausgewiesen. Bei den Mittelstädten erfolgt eine Unterscheidung in 107 große Mittelstädte (zwischen 100 000 und 50 000 Einwohner) und 502 kleine Mittelstädte (zwischen 50 000 und 20 000 Einwohner). Den Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 13 mit Abstand größten Anteil an den Städten bilden die Kleinstädte. Auch bei diesem Stadttyp findet eine Differenzierung in 877 größere Kleinstädte (zwischen 20 000 und 10 000 Einwoh- ner) und 1 571 kleinere Kleinstädte (10 000 bis 5 000 Einwohner) statt. (Vgl. Gatzweiler et al. 2012: 18) Abbildung 2-1 verdeutlicht die räumliche Verteilung und den Bestand der Städte- und Ge- meindetypen in Deutschland. Die geringe Anzahl an Landgemeinden gerade in Mecklen- burg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz hängt mit der Beurteilung der Größe und zentralörtlicher Funktionen des BBSR zusammen. Diese Bundesländer fassen ihre Gemeinden systematisch zu Gemeindeverbänden zusammen, sodass sie die Funktion eines Grundzentrums erhalten. Infolgedessen werden die Kriterien für die Definition einer Stadt er- füllt, wenn zugleich eine Einwohnerzahl von 5 000 überschritten wird. In anderen Bundeslän- dern wie Bayern, Thüringen und Sachsen (vgl. Abb. 2-1) besteht eine größere Vielfalt an unterschiedlich großen Gemeinden und Gemeindeverbänden. Im Umkehrschluss existieren nach Definitionsgrundlage des BBSR mehr Landgemeinden. Die räumliche Verteilung der Klein- und Mittelstädte ist nicht an bestimmte Zusammenhänge gebunden. Sowohl in den alten, als auch in den neuen Bundesländern sind sie zahlreich vertreten, ebenso innerhalb und außer- halb von Großstadtregionen, in zentralen und peripheren Räumen, in prosperierenden als auch strukturschwachen Regionen. (Vgl. Berding 2015: 16; Gatzweiler et al. 2012: 18-19) Zudem veranschaulicht Abbildung 2-1 neben der Anzahl der Städte- und Gemeindetypen auch deren Lage im Raum. Die räumliche Lage von Kleinstädten ist ein wesentlicher Faktor, der Einfluss auf, z. B. die Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaft mit Arbeitsplatzentwicklung, Realsteuerkraft hat. Zudem können Tendenzen für das Wachstum oder die Schrumpfung einer Region abgeleitet werden. (Vgl. Gatzweiler et al. 2012: 58-66; Schulitz & Knoblauch 2011: 14-19)

Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 14

Abb. 2-1: Überblick über Bestand; räumliche Lage; Schrumpfung bzw. Wachstum von Kleinstädten in Deutschland. Abbildung aus Milbert 2015: 11.

Die deutsche Raumordnung definiert die Lage peripherer Räume vor allem durch geografische Kriterien der Zentrenerreichbarkeit und Siedlungsdichte. Aus diesem Grund werden Periphe- rien oft mit abgelegenen, ländlichen oder grenznahen Räumen gleichgesetzt. (Vgl. Bernt & Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 15

Liebmann 2013: 11-12; Kühn & Weck 2013a: 28) Grundsätzlich unterscheidet die Raumord- nung drei Grundtypen von Räumen, die sich aus der Überlagerung der Merkmale Zentrener- reichbarkeit und Siedlungsdichte bilden: Zentralräume, Zwischenräume und Peripherräume. Der Zentralraum ist durch eine hohe Bevölkerungsdichte und starke Siedlungs- und Ver- kehrsdynamik geprägt. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte beträgt ca. 1 000 Einwohner je km2. Zwischenräume bilden die zweite Kategorie, welche über eine gute Zugänglichkeit zu den Zentren verfügen und eine entsprechend hohe Siedlungsdynamik aufweisen. Als Peripher- raum werden die dünn besiedelten, überwiegend ländlich geprägten Gebiete mit weniger als 100 Einwohnern je km2 und mit größeren Entfernungen zu den Zentren bezeichnet. (Vgl. Kühn & Weck 2013a: 28) Seit dem Jahr 2010 wird mit der Erarbeitung der Raumtypen ROB 2010 durch das BBSR verstärkt auf eine neue Kategorisierung zurückgegriffen. Diese stellt ein kleinräumigeres Ana- lyseraster dar, welches das bestehende System weiterentwickelt und ergänzt. Einerseits sind die Raumtypen durch das Merkmal Besiedlung (Unterscheidung zwischen ländlich und städtisch geprägten Gebieten) und andererseits der Lage (in vier Abstufungen von sehr zentral, über zent- ral, peripher, bis sehr peripher) definiert. Der Vorteil des neuen Analysesystems besteht in der differenzierten Darstellung von ländlich peripheren und ländlich sehr peripheren Regionen. Rund ein Fünftel des Bundesgebiets wird demnach als sehr peripher eingestuft, als peripher weitere zwei Fünftel. Mit über 25 % Bevölkerungsanteil und 20 % der Beschäftigten stellen diese beiden Raumtypen einen wesentlichen Anteil in Deutschland dar. (Vgl. Kühn & Weck 2013a: 28-29) Allerdings sind die Peripherräume in Deutschland sehr ungleich verteilt (vgl. Gatzweiler et al. 2012: 20). Grundlegend ist sowohl ein Ost-West als auch Nord-Süd-Gefälle festzustellen (vgl. Abb. 2-1). Den flächenmäßig größten Anteil an sehr peripheren Räumen stellen die Bun- desländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt (vgl. Abb. 2-1). Sehr zentrale Regionen befinden sich in der Umgebung von Metropolregionen, z. B. Berlin, Mün- chen, Hamburg, Stuttgart usw. (Vgl. Berding 2015: 14-15) Entsprechend der Anwendung der Kriterien der räumlichen Lage ist die Kleinstadt Eggesin der sehr peripheren Lage zuzuordnen (vgl. Abb. 2-1). Die Bevölkerungsdichte beträgt 56,4 EW/km2 und liegt damit sogar unterhalb der des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit 68,9 EW/km2 (vgl. Schütze & Wagner 2015: 15). Zudem beträgt die Fahrzeit über 60 Min. bis zum nächsten Oberzentrum (Neubrandenburg auf deutscher und auf polnischer Seite). Der sogenannte Schrumpfungsprozess stellt eine der wesentlichen Herausforderungen für ostdeutsche Kleinstädte, besonders in peripheren und strukturschwachen Räumen, dar. Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 16

Schrumpfung und Wachstum sind in Deutschland sehr ungleich verteilt. Während im Westen noch viele Städte wachsen, ist Ostdeutschland größtenteils von einer starken Schrumpfung ge- kennzeichnet (vgl. Abb. 2-1). (Vgl. Gatzweiler et al. 2012: 80; Schulitz & Knoblauch 2011: 23) Darüber hinaus ist festzustellen, dass eine Verschärfung der Problematik stattfindet, je kleiner und peripherer die Städte sind (vgl. Gatzweiler et al. 2012: 81). Die Schrumpfung einer Region ist nicht von einem einzelnen Faktor abhängig, sondern muss als multidimensionaler, systema- tischer Prozess betrachtet werden. Dabei können einige Indikatoren dominanter sein und sich zudem wechselseitig beeinflussen bzw. verstärken. (Vgl. Karsten & Matthes 2009: 2) Die Aus- wahl der zu betrachtenden Indikatoren erfolgt individuell nach Grundlage der jeweiligen Insti- tutionen bzw. Experten. Wesentliche Faktoren sind Bevölkerungsentwicklung, demografischer Wandel, wirtschaftliche Entwicklung, zentrifugale räumliche Entwicklung, Funktionswandel bzw. -verlust u. v. m. Diese Indikatoren können wiederum in diverse Unterpunkte aufgeteilt werden. (Vgl. Gatzweiler et al. 2012: 80-92; Schulitz & Knoblauch 2011: 23-38; Hannemann 2002a: 19-24) An dieser Stelle wird in Anlehnung an Abbildung 2-1 ein Überblick über schrumpfende bzw. wachsende Gemeinden und Städte in Deutschland gegeben. Dieser soll insbesondere zur Ver- gegenwärtigung des Schrumpfungsprozesses in der Kleinstadt Eggesin dienen. Die explizite Auseinandersetzung mit den Problemen (Indikatoren) ostdeutscher Kleinstädte findet im Kapi- tel 2.5 statt. Grundlage für Wachstum bzw. Schrumpfung von Gemeinden und Städten aus Ab- bildung 2-1 bilden die nachfolgenden Indikatoren des BBSR:

ƒ „Bevölkerungsentwicklung in % der letzten ca. 5 Jahre, ƒ Gesamtwanderungssaldo je 1000 Einwohner (Dreijahresdurchschnitt), ƒ Arbeitsplatzentwicklung in % der letzten ca. fünf Jahre, ƒ Arbeitslosenquote (Zweijahresdurchschnitt), ƒ Realsteuerkraft in Euro je Einwohner (Zweijahresdurchschnitt) und ƒ Kaufkraft in Euro je Einwohner.“ (Gatzweiler et al. 2012: 81)

Grundsätzlich ist eine Stadt oder Gemeinde umso stärker mit dem Problem der Schrumpfung konfrontiert, je stärker der Arbeitsplatzrückgang, je größer die Bevölkerungsabnahme und Wanderungsverluste, je höher die Arbeitslosigkeit und je geringer die Wirtschafts- und Kauf- kraft sind. Nach Maßgabe des BBSR gilt Schrumpfung als Problem, wenn Städte bei den ein- zelnen Indikatoren jeweils zu den unteren 20 % (unteres Quintil) der Gemeinden in Deutschland gehören. Demnach verschärft sich mit steigender Anzahl an Indikatoren im unteren Quintil Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 17

(max. sechs) die Schrumpfungsproblematik. (Vgl. Gatzweiler et al. 2012: 81; Karsten & Matthes 2009: 2) Zudem können einzelne Faktoren weitere Probleme nach sich ziehen, sodass eine verstärkende Wirkung hervorgerufen wird, wodurch eine Abwärtsspirale (Teufelskreis) entsteht (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 24-25). Im Fall von Eggesin sind drei bis sechs dieser Indikatoren den unteren 20 % zuzuordnen, sodass die Kleinstadt nach jetzigem Stand als stark schrumpfend bezeichnet werden muss. Zentrale Faktoren für Eggesin, die Bevölkerungsentwicklung und die Wirtschaft mit Arbeits- markt, können den Abschnitten 5.1.1 und 5.1.3 entnommen werden.

2.4 Funktion und Bedeutung

Im Allgemeinen ist die Funktion von Kleinstädten abhängig von ihrer räumlichen Lage. Dem- nach erfüllen Kleinstädte in peripheren Lagen andere Funktionen als eben jene in der unmittel- baren Umgebung von Metropolregionen oder suburbanen Räumen. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 14) Im Folgenden wird der Fokus auf den peripheren Raum gelegt, in dem sich auch Eggesin befindet (vgl. Kap. 2.3). Im Gegensatz zu den Kleinstädten in der Nähe von Ballungs- räumen nehmen diese im ländlichen Raum stärker ihre zentralörtlichen Funktionen wahr (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 14). Nach dem Zentrale-Orte-Konzept, welches ein grundlegendes Instrument der Raumordnung darstellt und von Walter Christaller entwickelt wurde, ist die Sicherstellung gleichwertiger Le- bensbedingungen in Deutschland anzustreben. Anfänglich wurde besonders die Versorgungs- funktion in den Mittelpunkt des Konzepts gestellt. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 17) Allerdings erfüllen die zentralen Orte im ländlichen Raum mittlerweile noch weitere und viel- fältigere Aufgaben, z. B. die Entwicklungsfunktion als regionales Wirtschafts- und Arbeits- marktzentrum oder die Siedlungs- und Wohnfunktion (vgl. Gatzweiler et al. 2012: 24). Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit einer gesamten Region ist das zentralörtliche Ange- bot an Dienstleistungen und Infrastruktur. Verstärkend ist diese Aussage unter dem allgegen- wärtigen Thema des Schrumpfungsprozesses zu betrachten. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011:17) Zentralörtliche Funktionen werden in der Raumordnung für Kleinstädte in peripheren Lagen mit Grundzentren bzw. Unterzentren gleichgesetzt (vgl. Gatzweiler et al. 2012: 25). Nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über Funktionen und die dazugehörigen Einrich- tungen in einem typischen Grundzentrum. Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 18

Tab. 2-1: Überblick über zentralörtliche Funktionen eines Grundzentrums. Tabelle nach Schulitz & Knoblauch 2011: 18.

Funktion Einrichtungen Grundversorgung mit Gütern Einzelhandelsbetriebe (Einzelhandel) und Dienstleistungen Kombinierte Einzelhandels- / Dienstleistungsbetriebe Allgemeinärzte, Apotheke Gemeindeverwaltung Kommunale Autonomie und elementare Kindertagesstätten Dienstleistungen Einrichtungen der Altenpflege Einrichtungen der Behindertenpflege Elementare Bildungseinrichtungen Grundschule, Schule der Sekundarstufe I Basale Kommunikationsdienste Kommunikationszellen Öffentliche Verkehrsanbindung ÖPNV Konzentration der Bautätigkeit auf Siedlungsschwer- Kompakte Siedlungsstruktur punkte

Bemerkenswert ist, dass Grundzentren speziell in peripheren Regionen nicht nur gewisse Funk- tionen für ihre eigene Bevölkerung übernehmen, wie bspw. die klassische Versorgungsfunktion mit den Gütern des täglichen Bedarfs, sondern auch überregionale bedeutsame Leistungen an- bieten. In diesem Zusammenhang sind besondere funktionale Spezialisierungen hervorzuhe- ben. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 15) Diese können beispielsweise im Bereich Wirtschaft, Wohnen, Freizeit, Natur und Landschaft oder auch Tourismus liegen (vgl. Gatzweiler et al. 2012: 34 ff; Schulitz & Knoblauch 2011: 15). Zukünftig werden Grundzentren in ländlichen Regionen verstärkt die wohnortnahen Funk- tionen, wie die ambulante medizinische Versorgung oder Bildung und Betreuung von Kindern, übernehmen müssen (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 19). Nicht nur die Anzahl von Klein- und Mittelstädten ist enorm, sondern auch ihre große ge- sellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung ist in Deutschland herauszuheben (vgl. Berding 2015: 13; Schumann 2004: 12). So schreibt Gatzweiler (2012): „Sie erfüllen vor allem in länd- lichen Räumen überörtliche Versorgungsfunktionen sowie wichtige Entwicklungsfunktionen als regionale Wirtschafts- und Arbeitsmarktzentren und sind in vielen Teilräumen prägend für die Raumstruktur“ (Gatzweiler et al. 2012: 18). Gatzweiler (2012) betrachtet die Klein- und Mit- telstädte als eine große Gruppe und stellt ihre Bedeutung nach den Kriterien Fläche, Bevölke- rung, Arbeitsplätze und Realsteuerkraft dar. Diese beiden Stadttypen decken über 70 % der Fläche der Bundesrepublik ab (vgl. Abb. 2-2), wobei die Kleinstädte mit einem Flächenanteil von über der Hälfte des Bundesgebiets gesondert hervorgehoben werden müssen. In Bezug auf den Faktor Bevölkerung zeigt sich ein ähnliches Bild, denn auch hier dominieren die Klein- und Mittelstädte mit über 61 % im Vergleich zu den Großstädten und Landgemeinden (vgl. Abb. 2-2). Darüber hinaus arbeitet über die Hälfte aller Beschäftigten (55,6 %) in einer Klein- Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 19 oder Mittelstadt und auch die Realsteuerkraft ist in diesen beiden Stadttypen mit 56,6 % erheb- lich (vgl. Abb. 2-2). (Vgl. Gatzweiler et al. 2012: 18-19) Berding (2015) führt zur Bedeutung der Klein- und Mittelstädte zusätzlich auf, dass die meisten der rund 3,5 Millionen Betriebe und Unternehmen in Deutschland innerhalb dieser Fläche angesiedelt sind. Ebenso ist der größte Teil der ca. 40 000 Schulen, 50 000 Kindergärten und der 2 200 Krankenhäuser diesen Stadttypen zuzuordnen. Nach Berding (2015) kommt den Klein- und Mittelstädten gerade im Bereich der Stadtentwicklung eine wichtige Rolle zu, die über die Funktion als Wohnstandort hinausgeht. (Vgl. Berding 2015: 13-14)

Abb. 2-2: Die Bedeutung der Klein- und Mittelstädte in Deutschland. Abbildung aus Gatz- weiler et al. 2012: 19.

2.5 Probleme ostdeutscher Kleinstädte

Kleinstädte, insbesondere ostdeutsche Kleinstädte, sehen sich in der heutigen Zeit mit einer Vielzahl von Problemen und Herausforderungen konfrontiert. Einige dieser Faktoren sind auf gesamtdeutscher Ebene anzutreffen, andere wiederum spezifisch für Ostdeutschland. In diesem Zusammenhang sind besonders die DDR-Vergangenheit bzw. die Herausforderungen der Wie- dervereinigung und die sich damit verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen her- vorzuheben (vgl. Hannemann 2002a: 19). Die daraus entstandenen Dilemmas in Verbindung mit aktuellen Entwicklungen bilden den Ausgangspunkt für den sogenannten Schrumpfungs- prozess (vgl. Kap. 2.3). Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 20

Das Ziel dieses Kapitels besteht darin, einen Überblick über ausschlaggebende Probleme und deren Ursachen zu geben sowie die prekäre Situation, in der sich viele ostdeutsche Klein- städte befinden, herauszuarbeiten. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die aktuelle Problemsi- tuation durch eine Fülle von Faktoren bestimmt ist, welche sich wiederum in einem multidimensionalen, systematischen Prozess gegenseitig beeinflussen (vgl. Karsten & Matthes 2009: 2). Aus diesem Grund ist es schwierig, klar abzugrenzende Kategorien zu schaffen. Gleichwohl werden die Probleme ostdeutscher Kleinstädte nachfolgend in fünf Hauptkatego- rien eingeteilt, in denen eine Vielzahl an einzelnen Faktoren eingebunden ist:

ƒ Bevölkerungsrückgang ƒ Strukturschwache Wirtschaft ƒ Zentralörtlicher Funktionsverlust ƒ Kommunale Finanznot ƒ Soziale und gesellschaftliche Konflikte

Bevölkerungsrückgang

Ein fundamentales Problem für ostdeutsche Kleinstädte stellt der Bevölkerungsrückgang dar (vgl. Berding 2015: 18; Schrödel 2014: 130). Dieser ist einerseits durch die natürlichen und andererseits durch die räumlichen Bevölkerungsbewegungen definiert, die zusammenfassend als demografischer Wandel bezeichnet werden (vgl. Schrödel 2014: 98-99; Schulitz & Knob- lauch 2011: 25). Starke Bevölkerungsverluste führen in peripheren Kleinstädten nicht nur zu Leerstand und zum Verfall von Gebäuden, sondern sind auch für die kommunalen Finanzen problematisch (vgl. Kröhnert 2011: 232). Grundsätzlich bestehen zahlreiche Zusammenhänge zwischen der demografischen und regionalökonomischen Entwicklung einer Region. Demnach beeinflussen Bevölkerungsrückgänge die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen sowie die Bedingun- gen für die Bereitstellung von Infrastruktur (Schulen, kulturelle Einrichtungen, ÖPNV etc.). Obendrein sind die demografischen Entwicklungen mitverantwortlich für den Arbeitsmarkt, dessen Struktur und für das qualitative und quantitative Arbeitsangebot. (Vgl. Stiller 2011: 227) Mit dem Rückgang der Bevölkerung und der damit verbundenen Schrumpfung nehmen auch Steuereinnahmen und Kaufkraft ab (vgl. Schumann 2004: 18). Aufgrund der beschriebenen Beispiele büßen die Standorte immens an Attraktivität ein, wodurch die einzelnen Wirkungen sich verstärken können (vgl. Berding 2015: 18). Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 21

Als erster Faktor wird die natürliche Bevölkerungsbewegung betrachtet, welche sich aus den Faktoren Geburtenrate (Fertilität) und Sterberate (Mortalität) zusammensetzt (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 26). Die Fertilität war in Deutschland von großen Schwankungen betroffen. Prinzipiell bleibt jedoch festzustellen, dass sie in den letzten Jahren auf einem niedrigen Niveau stagniert. Grundsätzlich können zwei Hauptphasen des Geburtenrückgangs nachgewiesen wer- den, wobei die erste im Zeitraum von 1908 und 1933 stattfand. Die für die heutige Zeit ent- scheidende zweite Phase des Geburtenrückgangs begann ab 1965. Während die zusammengefasste Geburtenziffer (Total Fertility Rate, TFR 1) in den 1960er Jahren, im soge- nannten „Babyboom“, noch etwa 2,5 Kinder pro Frau betrug, fiel sie in den 1980er Jahren auf ca. 1,3 und bewegt sich seither um diesen Bereich. Um 1989 lag die TFR in der DDR bei 1,6 und die BRD hatte zeitgleich nur einen Wert von 1,4. (Vgl. Schnur 2010: 45-47) Die höhere Fertilität der DDR gegenüber der BRD lag in deren familienfreundlicheren Bedingungen, z. B. bei der finanziellen Unterstützung und Bereitstellung von ausreichend Kindergarten- und Hort- plätzen, begründet (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 25). Mit dem Zusammenbruch der DDR und der damit verbundenen Transformation änderte sich die TFR in den neuen Bundesländern auf einen Wert von 0,77. Dieser ist mittlerweile wieder auf 1,3 angestiegen. Zusammengenom- men liegt die Geburtenrate in Deutschland mit ca. 1,4 Kindern je Frau um ein Drittel unterhalb des Bestandserhaltungsniveaus von 2,1 Kindern je Frau. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die künftige Müttergeneration jeweils um ein Drittel gegenüber der vorherigen abnimmt (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 26). Dass die Geburtenrate unterhalb der Bestandsquote liegt, ist hingegen nicht neu, sondern bereits seit den 1970er Jahren in Deutschland festzustellen. Aller- dings übertraf die Zahl der Sterbefälle die der Geburten kaum, weil die geburtenstarken Jahr- gänge der „Baby-Boom-Phase“ in den 1980er und 1990er Jahren zu einem „Eltern-Boom“ führten. Gleichwohl nimmt dieser Altersstruktureffekt zurzeit kontinuierlich ab. Laut Schnur (2010) rücken inzwischen die geburtenschwachen Jahrgänge ins Elternalter ein. Dies hat zur Folge, dass es in den kommenden Jahrzehnten verhältnismäßig wenig Eltern aus der inländi- schen Bevölkerung geben wird. Verstärkt tritt dieser Trend in Ostdeutschland auf, wo die Ge- burtenraten nach der Wende nochmals drastisch gesunken sind. Nach Schnur (2010) wird „die Zahl der Geburten [...] deutlich unter die der Sterbefälle sinken“ (Schnur 2010: 47), mit der Folge, dass langfristig ein natürlicher Bevölkerungsrückgang zu erwarten ist, der mittelfristig nur über Zuwanderung abgefangen werden könnte. (Vgl. Schnur 2010: 47) Indes gestaltet sich

1 Die zusammengefasste Geburtenziffer umfasst die Summe aller 30 bzw. 35 altersspezifischen Geburtenziffern der Altersjahrgänge 15 bis 45 bzw. 49 für ein Kalenderjahr. Die TFR ist eine zusammengesetzte, hypothetische Kennziffer und gibt an, wie viele Kinder je Frau geboren würden, wenn für deren ganzes Leben die altersspe- zifischen Geburtenziffern des jeweils betrachteten Kalenderjahres gelten würden. (Vgl. Dorbritz 2016)

Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 22 die Bestimmung der Ursachen für die geringe Fertilität in Deutschland aufgrund der Vielzahl an Faktoren schwierig. Im Allgemeinen tragen die Veränderung der Arbeitswelt, der Lebens- gewohnheiten und Lebensstile, der schwierigen Vereinbarkeit von Familie und Beruf dazu bei. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 26) Die zweite Größe der natürlichen Bevölkerungsbewegung stellt die Sterberate dar. Wie be- reits beschrieben, ist davon auszugehen, dass in den kommenden Jahren in Deutschland die Sterbefälle die Anzahl an Geburten deutlich übersteigen werden. Nach Schulitz & Knoblauch (2011) ist dieser Trend bereits heute im gesamten Osten festzustellen. (Vgl. Schulitz & Knob- lauch 2011: 26) Neben einer sinkenden Geburtenrate steigt parallel die Lebenserwartung der Menschen in Deutschland immer weiter an, wodurch sich der Altersaufbau der Gesellschaft verändern wird. Gründe dafür liegen vor allem in der verbesserten medizinischen und hygieni- schen Versorgung, einer gesünderen Ernährung, verbesserten Arbeitsbedingungen, höherer Wohnqualität sowie einem allgemein größeren Wohlstand. Prognosen gehen davon aus, dass im Jahr 2050 neugeborene Jungen eine durchschnittliche Lebenserwartung von 81,1 Jahren und Mädchen von 86,6 Jahren haben werden. (Vgl. Schnur 2010: 52) Zu Beginn des 20. Jahrhun- derts lag die Lebenserwartung noch etwa 30 Jahre niedriger (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 26). Vor allem die ländlichen, peripheren Regionen haben neben den natürlichen Bevölkerungs- bewegungen mit räumlichen Bevölkerungsbewegungen in Form von Wanderungsverlusten zu kämpfen (vgl. Schumann 2004: 18; Hannemann 2002a: 19). Wanderungsverluste können so- wohl in die Binnenwanderung (Wohnortwechsel innerhalb Deutschlands) als auch Außenwan- derung (Wohnortwechsel auf internationaler Ebene) unterschieden werden. Weiterhin differenziert sich die Binnenwanderung in die Bereiche interregional (Wechsel des Wohnorts in eine andere Region) und intraregional (Wechsel des Wohnorts innerhalb der Region). Für Kleinstädte in peripheren Lagen können die intraregionale und Außenwanderung, weil sie nur in einem begrenzten Ausmaß stattfinden, vernachlässigt werden. Die interregionale Wanderung ist hingegen als eine der Hauptschrumpfungsursachen von Kleinstädten zu bezeichnen. Schulitz & Knoblauch (2011) schreiben hierzu: „Heute weisen insbesondere die wenig industrialisierten und naturgeographisch und verkehrsmäßig benachteiligten Agrarräume abseits der Ballungs- zentren im Vergleich zu anderen Räumen hohe Abwanderungsraten auf“ (Schulitz & Knob- lauch 2011: 27). Dabei verlassen überwiegend junge und gut ausgebildete Bewohner aufgrund des schwachen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes die Region. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 26-27) Darüber hinaus stellen eine fehlende Lebensqualität und die ungewisse Zukunfts- Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 23 perspektive Motive für die Abwanderung dar (vgl. Kühn & Weck 2013a: 31). Die Abwande- rung ist gerade für ostdeutsche Regionen als ein großes Problem zu charakterisieren (vgl. Schrö- del 2014: 106-107). Beginnend mit der politischen Wende, z. T. aus politischen aber auch wirtschaftlichen Gründen, verließen viele Menschen die neuen Bundesländer (vgl. Schumann 2004: 18). Die Abwanderung schwächte sich in den Folgejahren zwar etwas ab, ist allerdings auch heute noch gegeben (vgl. Schrödel 2014: 101). Zudem bleibt die Wirtschaftsleistung der neuen Bundesländer auch 25 Jahre nach der Wende hinter denen der westdeutschen Bundes- länder zurück. Dies hat zur Folge, dass die Arbeitslosenquote höher und die Löhne geringer sind. Infolgedessen vollziehen sich in Deutschland die Wanderungsbewegungen von Norden nach Süden und insbesondere von Osten nach Westen. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 27) Zusammengenommen hat die Bevölkerung in Ostdeutschland durch den demografischen Wandel seit dem Jahr 1990 über 20 % abgenommen. Diese Entwicklung wird sich in den kom- menden Jahren fortsetzen. (Vgl. Milbert 2015: 5-6) Prognosen gehen davon aus, dass der Be- völkerungsrückgang in Ostdeutschland bis zum Jahr 2030, mit Ausnahme der Großstädte und deren Umland, bis zu 10 %, teilweise sogar mehr, betragen wird (vgl. Abb. 2-5) (vgl. Schrödel 2014: 131; Kröhnert 2011: 231). Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 24

Abb. 2-3: Bevölkerungsentwicklung 2012-2030 für Landkreise und kreisfreie Städte (in %). URL: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/74_Wegweiser-Kommune/Bevoelke- rungsprognose_Deutschland.jpg (Letzter Zugriff am 25.06.2016).

Strukturschwache Wirtschaft

Ein weiteres Hauptproblem für ostdeutsche Kleinstädte stellt die negative wirtschaftliche Ent- wicklung dar (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 29; Schumann 2004: 15). Deren Ausbildung ist größtenteils auf den wirtschaftlichen Strukturwandel, dem Beitritt der DDR zur Bundesre- publik Deutschland, zurückzuführen. Infolge der Öffnung der sozialistischen Planwirtschaft Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 25 gegenüber der marktwirtschaftlichen Konkurrenzsituation Westdeutschlands und dem globali- sierten Weltmarkt erfuhr der Osten Deutschlands einen drastischen Abbau seiner wirtschaftli- chen Strukturen innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums. Zeitgleich veränderten sich die Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung in Ostdeutschland entscheidend. In diesem Zusam- menhang ist bspw. die Wiedereinführung von Privateigentum an Grund und Boden, Privatisie- rung volkseigener und genossenschaftlicher Mietwohnungen zu nennen. (Vgl. Hannemann 2004: 82-83) Auswirkungen dieses Strukturwandels, vielfach sogar als Strukturbruch bezeich- net, sind laut Schulitz & Knoblauch (2011) „[...] die Abnahme der Zahl der Arbeitsplätze, eine hohe Arbeitslosigkeit sowie niedrige Durchschnittseinkommen, rückläufige Investitionen, we- nige Unternehmungsgründungen und der geringe Besatz mit Unternehmen aus Wachstums- branchen“ (Schulitz & Knoblauch 2011: 29). Beginnend mit der Transformation durchliefen die Regionen Ostdeutschlands auch verstärkt den Prozess der Deindustrialisierung (vgl. Hannemann 2002a: 20). Dieser Begriff ist hierbei sowohl in der Tertiärisierung der Produktion als auch im Rückgang traditioneller Produktions- bereiche ohne deren Ersatz durch moderne Dienstleistungen oder anderer Gewerbe des tertiären Sektors zu verstehen. Die Deindustrialisierung ist ein Prozess, der für Gesamtdeutschland An- wendung findet. (Vgl. Hannemann 2004: 83) Allerdings ist laut Hannemann (2004) der Term Deindustrialisierung für den Osten um die Begriffe „[...] De-LPGsierung (Dekollektivierung der Landwirtschaft), De-Administrierung und De-Militarisierung [...]“ zu erweitern, welche gleichermaßen erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Städte in Ost- deutschland hatten bzw. haben (Hannemann 2004: 83). Im Bereich der Industrie (einschließlich Bergbau sowie Energie- und Wasserversorgung) arbeiteten in den letzten Jahren der DDR fast 3,8 Millionen Menschen. Im Jahr 1993 waren es hingegen nur noch 1,3 Millionen Beschäftigte. Dies bedeutet, dass im Zuge der Wiedervereini- gung alleine im Bereich der Industrie ca. 70 % ihren Arbeitsplatz verloren. Neben der Industrie stellte die Landwirtschaft in der DDR für viele Städte und Gemeinden im ländlichen Raum die wirtschaftliche Basis dar. Im Agrarsektor arbeiteten im Jahr 1985 noch 850 000 Menschen, bis zum Jahr 1993 erfuhr dieser Wirtschaftszweig einen Beschäftigungsrückgang von nahezu 80 % und verzeichnete somit den größten Arbeitsplatzverlust aller Wirtschaftsbereiche in der DDR. In diesem Zusammenhang ist auch auf den von Hannemann (2004) definierten Begriff der De- LPGsierung zu verweisen, der die Umstrukturierung der landwirtschaftlichen Produktionsge- nossenschaften (LPG) zu privatwirtschaftlichen Unternehmen beschreibt. (Vgl. Hannemann 2004: 84-85) Hannemann (2004) stellt zudem fest: „Die Landwirtschaft hat heute kaum noch eine Funktion als wirtschaftliche Basis einer Stadt. Dies ist insbesondere für die Städte im so Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 26 genannten ländlichen Raum fatal. Eine Jahrhunderte alte Wirtschaftsbasis ging verloren“ (Hannemann 2004: 85). Zusätzlich zur Industrie und Landwirtschaft war die DDR, gemessen an ihrer Größe, mit einer hohen Anzahl an Militär und paramilitärischen Organisationen und Institutionen besetzt. Diese stellten einen wesentlichen Anteil an der Wirtschaftskraft vieler Regionen und Städte dar, indem sie Arbeitsplätze für Militärangehörige und Zivilangestellte bereitstellten sowie die Nachfrage für diverse Dienstleistungen schufen. Im Zuge der De-Militarisierung (seit 1989) mit fortlaufenden Schließungen und Zusammenlegungen von Dienstposten der Bundeswehr gingen viele dieser Arbeitsplätze verloren. Folglich traten regionalwirtschaftliche als auch städ- tebauliche Probleme auf. (Vgl. Hannemann 2004: 85-86) Auf den Begriff der De-Administrie- rung wird in Abschnitt 2.5.3 eingegangen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass mehrheitlich in ländlichen Regionen und Kleinstäd- ten der durch den Strukturwandel ausgelöste Rückgang von Arbeitsplätzen in der Landwirt- schaft, im Gewerbe und in der Industrie bis heute nicht in vollem Umfang durch neue Arbeitsplätze kompensiert werden konnte (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 29). Auch der an Bedeutung gewinnende tertiäre Sektor konnte das entstandene Vakuum noch nicht vollends füllen (vgl. Schrödel 2014: 83; Hannemann 1998: 25). Eine weitere Herausforderung, die für ostdeutsche Kleinstädte mit dem Übergang der DDR zur BRD hinzukam, war und ist die Globalisierung. Kleinstädte befinden sich seitdem in einem internationalen Wettbewerb und konkurrieren auch mit Großstädten oder Agglomerationsräu- men. (Vgl. Schrödel 2014: 88-89) Aufgrund ihrer geringen Standortattraktivität und Investiti- onsbereitschaft verlieren gerade ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen gegen die Konkurrenz, z. B. aus Süddeutschland und Niedriglohnländern. (Vgl. Schrödel 2014: 88-89; Schulitz & Knoblauch 2011: 29). Verstärkt wird dieser Abkopplungsprozess durch einen feh- lenden Anschluss an Innovations- und Wissensnetze, was sich in einem niedrigeren Bildungs- und Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte ausdrückt (vgl. Kühn & Weck 2013a: 33-34). Auch technologisch findet eine Abkopplung peripherer Regionen statt, gerade im Bereich der leis- tungsfähigen Internetanschlüsse mit hohen Bandbreiten, die heutzutage immer wichtiger wer- den (vgl. Berding 2015: 19). Schulitz & Knoblauch (2011) fassen die wirtschaftliche Situation wie folgt zusammen: „Insbesondere in ostdeutschen ländlich peripheren Regionen tragen hohe Defizite hinsichtlich des Sachkapitals, des Humankapitals und der haushaltsorientierten Infra- struktur dazu bei, dass Investitionen und Ansiedlungen aus bleiben“ (Schulitz & Knoblauch 2011: 29).

Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 27

Zentralörtlicher Funktionsverlust

Neben den beiden Hauptproblemen Bevölkerungsrückgang und strukturschwache Wirtschaft sind ostdeutsche Kleinstädte auch von dem Problem des zentralörtlichen Funktionsverlusts be- troffen (vgl. Hannemann 2002a: 21). Infolge des Beitritts der DDR zur BRD änderten sich die bis zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Politik- und Verwaltungsstrukturen sowie das Rechtssys- tem. Die ehemaligen Kommunen blieben zwar als Institution erhalten, gleichwohl wandelte sich ihr Handlungsrahmen und Aufgabenfeld grundlegend. In diesem Zusammenhang ist ins- besondere auf die neu dazukommenden Aufgaben im Bereich der Planung und der koordinie- renden Maßnahmen zu verweisen, wodurch die Anforderungen an die Kleinstädte dauerhaft stiegen. Durch die in Verbindung mit der politischen Wende stattfindenden Gebiets- und Ver- waltungsreformen reduzierte sich die Anzahl der Kreise in den neuen Bundesländern von 191 auf 77. (Vgl. Hannemann 1998: 25) An dieser Stelle ist der bereits erwähnte Begriff der De-Administrierung anzuführen (vgl. Abschnitt 2.5.2), der den Statusverlust als Bezirks- und Kreisstadt, den viele Städte hinnehmen mussten, beschreibt (vgl. Hannemann 2004: 86-87). Einhergehend mit dem Wegfall der administrativen Funktion vieler Kleinstädte nahm ebenso die Zahl der Arbeitsplätze ab – die Städte verloren an Image und letztendlich auch an finanzi- ellen Mitteln (vgl. Hannemann 2002a: 22). Mittlerweile fanden in den ostdeutschen Bundes- ländern weitere Gebiets- und Verwaltungsreformen statt, z. B. 2011 in Mecklenburg- Vorpommern, in denen die Anzahl der Kreise und kreisfreien Städte fortwährend reduziert wurde. Mit dem Ergebnis, dass die De-Administrierung mit all seinen Folgen für die Kleinstädte voranschreitet. Eine weitere Herausforderung infolge des Schrumpfungsprozesses stellt für Kleinstädte in Ostdeutschland der Wohnungsleerstand dar. Die Leerstände sind größtenteils auf stadtentwick- lungspolitische Entscheidungen in der Vergangenheit zurückzuführen. In der DDR-Zeit wurden die Plattenbauweise und zahlreiche Großsiedlungen als moderne Wohnraumversorgung favo- risiert. Die Folgen dieser einseitigen Politik sind noch heute in vielen Kleinstädten erkennbar. (Vgl. Schumann 2004: 22) Gleichzeitig wurde vielerorts die Altbausubstanz vor allem in den Innenstädten vernachlässigt (vgl. Hannemann 2002a: 20). Ostdeutsche Kleinstädte sind auch 25 Jahre nach der Wende mit der Sanierung der vernachlässigten Bausubstanz beschäftigt, was nicht zuletzt den finanziellen Handlungsrahmen erheblich einschränkt (vgl. Schrödel 2014: 138). Darüber hinaus stehen in den ländlichen Gebieten zunehmend Anlagen ehemaliger land- wirtschaftlicher Betriebe leer. Auch eine Vielzahl von Militärarealen wird nicht mehr genutzt. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 30) Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 28

Infolge der Vernachlässigung der Bausubstanz und zunehmenden Leerständen in den Innen- städten schritt in den letzten Jahren die Suburbanisierung immer weiter voran. Die Bewohner zogen in neu entstandene Wohngebiete außerhalb der Stadtkerne. Einerseits erlitten die Innen- städte einen Vitalitätsverlust und andererseits nahmen die Verkehrsströme in Form des Indivi- dualverkehrs zu, wodurch die Wohnqualität absank. Abgesehen von der Bevölkerung ist auch der Einzelhandel seit 1989 verstärkt aus der Innenstadt gewichen und seine Bedeutung hat sich geändert (vgl. Hannemann 2002a: 20-21). Die innerstädtischen Bereiche befinden sich in Kon- kurrenz mit den Einkaufszentren auf der „grünen Wiese“ (vgl. Schrödel 2014: 93). Nachteile der Innenstädte sind nach Hannemann (2002a) „[...] die höheren Grundstückspreise, Verkehrs- und Parkplatzprobleme, Auflagen des Denkmalschutzes, komplizierte Eigentumsverhältnisse sowie meist klein parzellierte Grundstücke“ (Hannemann 2002a: 21). Mit der Folge, dass Klein- städte ihre zentralörtlichen Funktionen im Sinne einer Versorgungsfunktion schwerer wahrneh- men können. Der familiengebundene Einzelhandel geht zurück und große Einkaufscenter siedeln sich aufgrund der fehlenden Rentabilität vorzugsweise in Großstädten an. (Vgl. Schrö- del 2014: 94) Einhergehend mit dem Schrumpfungsprozess u. a. bedingt durch den Bevölkerungsrück- gang und die strukturschwache Wirtschaft haben Kleinstädte Probleme, ihre soziale Infrastruk- tur aufrechtzuerhalten (vgl. Schumann 2004: 23). In Folge der Unterauslastung droht eine Verringerung des Angebots, sogar der vollständige Wegfall ist gegeben. Generell sind das An- gebot und die Ausstattung quantitativ und qualitativ geringer im Vergleich zu größeren Städten. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 31) Die niedrigen Geburtenraten der letzten Jahre und die Abwanderung haben dazu geführt, dass die Anzahl an Kindern und Jugendlichen drastisch ge- sunken ist, wodurch weitere Schließungen und Zusammenlegungen von Bildungseinrichtungen drohen. Schulitz & Knoblauch (2011) schreiben hierzu, „[...] dass insbesondere in Ostdeutsch- land bereits Grundschulen geschlossen werden mussten. Berufsschulen stehen vor ähnlichen Problemen“ (Schulitz & Knoblauch 2011: 31). Zudem müssen sich die Kommunen an den ver- änderten Altersaufbau und die damit verbundene erhöhte Nachfrage nach altenspezifischen Einrichtungen, z. B. Pflegeplätzen, betreutem Wohnen anpassen bzw. Kapazitäten schaffen. Gerade die nicht gesicherte Zukunft von medizinischer Versorgung in peripheren Regionen stellt in diesem Zusammenhang ein Problem dar. Auch viele Freizeit- und Kultureinrichtungen wurden aufgrund des demografischen Wandels und der angespannten finanziellen Lage ge- schlossen, weitere sind in ihrer Existenz bedroht. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 31) Ein weiteres infrastrukturelles Problem ist die Unterhaltung des öffentlichen Personennah- verkehrs (ÖPNV) (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 32). Mit dem verstärkten Gebrauch von Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 29

Privatfahrzeugen und generell zurückgehenden Fahrgastzahlen wird der ÖPNV immer unwirt- schaftlicher. Demnach sind weitere Einschränkungen des Angebots durch die Verkehrsunter- nehmen zu erwarten. (Vgl. Schumann 2004: 23) Alles in allem setzt der Schrumpfungsprozess in Kleinstädten öffentliche und private Dienstleistungsanbieter zunehmend unter wirtschaftli- chen Druck. Mit der Folge, dass die noch vorhandenen Angebote konzentriert und rationalisiert werden. Dieser Trend ist bei Post, Banken, Bahn, Tankstellen, Gastronomie und nicht zuletzt dem Einzelhandel festzustellen und wirkt sich somit negativ auf die zentralörtlichen Funktionen aus. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 32)

Kommunale Finanznot

Viele Kleinstädte befinden sich aufgrund des Bevölkerungsrückgangs und der strukturschwa- chen Wirtschaft in einer schwierigen finanziellen Situation, wodurch ihr Handlungsspielraum immer weiter eingeengt wird (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 30). Kaschlik (2012) schreibt hierzu: „Die finanzielle Situation der Städte und Gemeinden in Deutschland ist prekär“ (Kasch- lik 2012: 14). In Ostdeutschland stellt sich diese Situation angesichts besonders stark schrump- fender Regionen (vgl. Abb. 2-1) noch problematischer dar (vgl. Gatzweiler et al. 2012: 91). Infolge des Strukturwandels verloren viele Menschen ihren Arbeitsplatz und große Teile der Bevölkerung mussten Einkommensverluste hinnehmen. Dieser Trend setzte sich in einer gerin- geren Kaufkraft fort und hatte nicht zuletzt Auswirkungen auf Kultur-, Gastronomie-, Handels- und Dienstleistungseinrichtungen. Eine weitere Folge des Schrumpfungsprozesses sind die sin- kenden Einnahmen der Städte. (Vgl. Schumann 2004: 26) Weniger Bürger bedeuten schwin- dende Einnahmen aus Lohn- und Einkommenssteuern, Gebühren und geringeren Finanzzuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 30). Dem gegenüber stehen die immer weiter steigenden kommunalen Ausgaben. Ein wesent- licher Grund hierfür sind die zunehmenden Pro-Kopf-Zahlungen für Gesundheit und Pflege. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 30) Generell ist ein Trend zwischen dem Alter der Bevölke- rung und den öffentlichen Einnahmen bzw. Ausgaben festzustellen (vgl. Abb. 2-4). Bei einer Steigerung des Altersniveaus werden die Kleinstadthaushalte zukünftig noch stärker belastet sein, wodurch die kommunale Finanznot weiter voranschreitet. (Vgl. Gatzweiler et al. 2012: 89) Auch die stadttechnischen Infrastrukturen führen zu wesentlichen Kosten (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 30). Kröhnert (2011) schreibt hierzu: „Verursacht werden diese durch über- dimensionierte Wasser-, Abwasser-, Strom- oder Verkehrsnetze, deren Wartungs- und Instand- haltungskosten bestehen bleiben oder sich sogar erhöhen, wenn es weniger Nutzer gibt“ Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 30

(Kröhnert 2011: 232). Der erforderliche Rückbau gestaltet sich indes aufgrund zusätzlicher Kosten und des verstreuten Leerstands schwierig (vgl. Kröhnert 2011: 232).

Abb. 2-4: Staatseinnahmen und -ausgaben in Abhängigkeit vom Alter, 1996, 1 000 Euro/Jahr. Abbildung aus Gatzweiler et al. 2012: 89.

Ein weiteres Problem für Kleinstädte ist die Abhängigkeit von externen finanziellen Ressour- cen, vor allem von öffentlichen Strukturfördermitteln. Allerdings sind Kleinstädte damit an die Weichenstellung der Bundes- bzw. Landespolitik gebunden, in der die großen Städte bisher im Mittelpunkt standen. Der geringe, kaum vorhandene Finanzspielraum macht die Umkehrung der negativen Entwicklung für schrumpfende Regionen überaus schwierig bzw. unmöglich. Teilweise sind die Kleinstädte nicht in der Lage, den bei Fördermaßnahmen notwendigen Ei- genanteil aufzubringen, auch wenn dieser nur 10 % beträgt. (Vgl. Berding 2015: 20) Darüber hinaus unterliegen viele ostdeutsche Kleinstädte dem Haushaltssicherungskonzept. Damit sind sie von Kommunalaufsichten abhängig und demzufolge nicht frei in ihrer Entscheidung über Ausgaben und möglichen Investitionen. (Vgl. Kaschlik 2012: 14)

Soziale und gesellschaftliche Konflikte

Bedingt durch die Folgen des ökonomischen Wandels finden auch sozialstrukturelle Verände- rungen statt, z. B. mit der Individualisierung und Pluralisierung von Lebensstilen. Dabei treten die veränderten Lebensweisen an die Stelle traditioneller und fest gefügter Gesellschaftsmo- delle. Schrödel (2014) schreibt hierzu: „Verantwortlich für diese Ausdifferenzierung von Le- bensstilen der Gegenwart [...] sind [...] die noch nicht da gewesene Erhöhung des materiellen Lebensstandards, eine weitgehende Bildungsexpansion, vor allem bei Frauen, ihre enorm ge- stiegene Erwerbsbeteiligung, der Ausbau des Wohlfahrtsstaates, eine Vermehrung der nicht durch Arbeit ausgefüllten Zeit“ (Schrödel 2014: 92). Hinzu kommt die ständige Ausweitung Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 31 der Technologie, insbesondere im Arbeitsprozess. Im Ergebnis stellt sich eine Freisetzung der Individuen aus den bisherigen Sozialformen heraus. Mit der Auflösung der Industriegesell- schaft findet eine Veränderung der Werte, z. B. im Zusammenhang zwischen Arbeit und Fami- lie sowie den Strukturen des sozialen Lebens statt. (Vgl. Schrödel 2014: 91-92) Der Wandel individueller Lebenszusammenhänge trifft besonders Kleinstädte, deren positives Merkmal eine engmaschige Sozialstruktur ist. Nach Schrödel (2014) besteht die große Gefahr, dass diese zusehends zerfällt und somit soziale und gesellschaftliche Konflikte auslöst bzw. verstärkt. (Vgl. Schrödel 2014: 246) Häufig treten in Kleinstädten als Folge des Schrumpfungsprozesses erhebliche Konflikte zwischen der politischen Verwaltung und dem Empfinden der Bevölkerung auf. Anlässlich der demografischen Entwicklung betreiben viele Stadtverwaltungen eine Politik mittels Vorgaben und städtebaulichen Instrumentarien, die dem negativen Trend entgegenwirken soll. Das soge- nannte Gesundschrumpfen gilt dabei als bevorzugtes Mittel, um die Schrumpfungssymptome zu bekämpfen. Damit einher gehen Identitäts- und Sinnverluste für die Bevölkerung. Infolge der Abwanderung steigt nicht nur der Leerstandsanteil in den Kleinstädten, auch soziale Bezie- hungen gehen verloren und ein Bruch innerhalb der lokalen Netzwerke ist festzustellen. Nicht selten reagieren die verbleibenden Einwohner mit einem Rückzug in die Privatsphäre und ver- ringertem zivilgesellschaftlichen Engagement. (Vgl. Schumann 2004: 25) Schumann (2004) fasst diesen Sachverhalt mit den Worten, eine „[...] kollektive Resignation macht sich breit“ (Schumann 2004: 25) zusammen. Somit fühlen sich etliche verbleibende Bürger in Kleinstädten abgehängt und vergessen. Zudem manifestiert sich eine allgemeine Hoffnungslosigkeit. (Vgl. Kühn & Weck 2013a: 39) Allerdings entstehen soziale Konflikte nicht nur innerhalb des Stadtgefüges, sondern werden auch von außen in Form der Stigmatisierung herangetragen. Die Stigmatisierung ist definiert als eine Zuschreibung negativer Merkmale, die Ursache und Folge sozialer Randständigkeit sein kann. (Vgl. Kühn & Weck 2013a: 39) Mit dem Rückzug von Wirtschaftsunternehmen, der Finanznot, Abwanderung und wachsender Arbeitslosigkeit schwinden Image und Attraktivität von Kleinstädten (vgl. Berding 2015: 20). Stellungnehmend zu diesen Themen berichten die Medien mit teils dramatischen Problemzuschreibungen wie Entleerung, Verödung, Vergrei- sung, Hauptstadt der Arbeitslosen und Pleitestadt. Infolge dieser negativen Schlagworte kommt es zu einer weiteren Stigmatisierung von Kleinstädten, die nicht selten in einer Abwärts- spirale endet. (Vgl. Berding 2015: 20; Kühn & Weck 2013a: 39)

Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 32

2.6 Potentiale von Kleinstädten im Schrumpfungsprozess

Im vorangegangenen Kapitel wurde eine Vielzahl von Herausforderungen, vor denen ostdeut- sche Kleinstädte stehen, beschrieben und der daraus resultierende Schrumpfungsprozess the- matisiert. Diese prekäre Situation muss jedoch nicht zwangsläufig den negativen Abschluss einer Entwicklung darstellen. Kleinstädte, auch jene in peripheren Lagen, verfügen über diverse Auswege. Allerdings besteht die Schwierigkeit darin, diese zu erkennen und letztendlich auch umzusetzen. Generell ist festzustellen, dass im Gegensatz zu den Problemen, die häufig allge- meingültig für Kleinstädte sind, Potentiale selten für deren Gesamtheit gelten. Diese müssen jeweils einzelfallbezogen ermittelt werden. Gleichwohl benennt die Fachliteratur Handlungs- bereiche, die wesentliche Potentiale von Kleinstädten darstellen können. (Vgl. Thurmann et al. 2014: 5-7; Schumann 2004: 27) Als Grundlage für Kapitel 8 werden nachfolgend die allgemeinen Möglichkeiten kurz und zusammenfassend dargestellt. Auf diese Weise entsteht eine theoretische Basis, die anschlie- ßend für den Einzelfall Eggesin präzisiert und inhaltlich weiterentwickelt wird. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der schieren Anzahl an möglichen Potentialen für Kleinstädte im Schrumpfungsprozess kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht.

Interkommunale Kooperation

Ein wesentliches Potenzial für Kleinstädte in peripheren Lagen stellt die interkommunale Ko- operation dar (vgl. Kühn & Weck 2013b: 83). Diese ist als eine freiwillige Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften zum gemeinsamen Erreichen eines bestimmten Ziels definiert (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 39). Bedingt durch eine Vielzahl an Problemen (vgl. Kap. 2.5) sind die Handlungsspielräume der Stadtpolitik in ostdeutschen Kleinstädten stark einge- schränkt. Gleichzeitig befinden sie sich in einem Wettbewerb um Einwohner, Unternehmen und staatliche Fördermittel. (Vgl. Kühn & Weck 2013b: 83) Jene Herausforderungen überfor- dern etliche Kleinstädte bzw. es mangelt ihnen an Ressourcen, um die Probleme im Alleingang zu bewältigen (vgl. Berding 2015: 73). Die konkreten Motive für eine Zusammenarbeit haben sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert und beispielsweise an Verstädterungsprozesse, den gesellschaftlichen Wandel u. v. m. angepasst. Mit dem Bedeutungsgewinn der regionalen Ebene aufgrund eines geänderten Planungsverständnisses nehmen sogenannte strategische Netze eine fortwährend wichtigere Rolle ein. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 39-40) Mittels einer Kooperation von Kleinstädten untereinander und deren Umland können Synergieeffekte, z. B. durch Spezialisierung, Arbeitsteilung und Erfahrungsaustausch erzielt werden. Darüber Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 33 hinaus ermöglicht eine gemeinsame Außendarstellung gegenüber EU, Bund oder Land die stra- tegische Position für Förderprogramme oder Wettbewerbe, die auf Regionen ausgerichtet sind, zu verbessern. (Vgl. Schumann 2004: 34) In der folgenden Tabelle sind als Überblick diverse Handlungsmöglichkeiten einer inter- kommunalen Kooperation aufgelistet. Diese sind jeweils charakteristischen Handlungsfeldern in Kleinstädten zugeordnet. In der Praxis erfolgt die Auswahl gemeinsamer Handlungsfelder in Abhängigkeit vom konkreten Aufgaben- und Problemdruck sowie von den Interessen und der Kooperationsbereitschaft der Partner (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 44).

Tab. 2-2: Überblick zu möglichen Handlungsfeldern interkommunaler Kooperation. Tabelle nach Schulitz & Knoblauch 2011: 45.

Handlungsfeld Maßnahmen

ƒ Struktur- und Wirtschaftsförderung ƒ Gewerbegebiete, Technologie- und Gründerzentren Wirtschaft ƒ Gewerbeflächenpools ƒ Aus- und Weiterbildung ƒ Regional- und Stadtmarketing ƒ Melde-, Bau- und Sozialwesen ƒ Einkaufsgemeinschaften Verwaltung ƒ Beschaffung ƒ Personalverwaltung ƒ Ausbildungsverbund ƒ Steuerung der Siedlungsentwicklung Siedlungsentwicklung ƒ Flächenbereitstellung und Bevorratung ƒ Gemeinsamer FNP ƒ Regionale Entwicklungskonzepte ƒ Gesundheitswesen ƒ Schulwesen Soziale und technische ƒ Kulturförderung Infrastruktur ƒ Sozial- und Jugendhilfe ƒ Ver- und Entsorgung (Energie, Abfall, Wasser) ƒ ÖPNV ƒ Imagewerbung und Vermarktung Tourismus ƒ Gemeinsames Tourismus-Informationssystem ƒ Rad- und Wanderwege ƒ Freiraumschutz Ökologie ƒ Luftreinhaltung, Klimaschutz, Wasserschutz ƒ Renaturierungsmaßnahmen ƒ Abfallentsorgung

In Deutschland existiert bereits eine Vielzahl an interkommunalen und regionalen Kooperatio- nen. Gleichwohl bestehen große Unterschiede hinsichtlich ihrer Organisationsmerkmale. Schu- litz & Knoblauch (2011) schreiben hierzu: „Die Gestaltung und Organisation der Kooperation hängt von der spezifischen Problemstellung der Region, von den politisch-administrativen Strukturen in den Kommunen, von der Kooperationsbereitschaft der Akteure sowie von den Rahmenbedingungen der Landespolitik ab“ (Schulitz & Knoblauch 2011: 46). Die von Schulitz Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 34

& Knoblauch (2011) aufgeführten Merkmale verdeutlichen das vielschichtige und komplexe System einer interkommunalen Zusammenarbeit. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 46) Auf- grund der diversen Möglichkeiten in der Ausgestaltung und Organisation einer Kooperation wird an dieser Stelle darauf verzichtet, weiter in die genaue Analyse einzusteigen. In Kapitel 8 wird für das Praxisbeispiel Eggesin eine ausführliche Untersuchung einzelner Bereiche vorge- nommen. In der Theorie bietet die interkommunale Kooperation eine hohe Lösungskapazität für schrumpfende Kleinstädte. Allerdings stößt dieser Ansatz in der Realität immer wieder auf Grenzen. Die möglichen Chancen einer Kooperation werden aufgrund von akteursbezogenen Hemmnissen nicht ausgeschöpft und konfliktreiche Themen bzw. Verteilungsfragen in der Re- gel umgangen. Darüber hinaus haben viele Kleinstädte, auch die akut unter dem Schrumpfungs- prozess leiden, die Bestrebung, die kommunale Eigenständigkeit zu wahren. Mit der Folge, dass für effiziente regionale Lösungen Barrieren entstehen. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 68) Alles ins Allem benötigen interkommunale Kooperationen sehr viel Zeit und sind zudem stark von den handelnden Personen abhängig (vgl. Berding 2015: 73).

Endogene Potentiale

Anlässlich der zunehmenden Probleme von peripheren Regionen, bedingt durch den Schrump- fungsprozess, entstand in den 80er Jahren die Theorie und Strategie der endogenen Regional- entwicklung. Diese ist als eine Erweiterung des klassischen Entwicklungsbegriffs definiert, der neben ökonomischen auch ökologische, soziokulturelle und politische Aspekte beinhaltet. (Vgl. Foißner 2000: 300) Das Wort endogen impliziert einen Wandlungsprozess, der aus dem Inneren eines Systems, d. h. aus der Kleinstadt heraus, entsteht (vgl. Hannemann 2002a: 26). Grundlage der endogenen Strategie einer Region bilden die bislang nicht bzw. nur unzureichend genutzten Potentiale, welche in ihrer Gesamtheit zu entwickeln sind (vgl. Foißner 2000: 300). Das endo- gene Potential ist somit gleichzusetzen mit der Leistungsfähigkeit, die aus dem Inneren eines Systems kommt und mobilisierbar ist. Voraussetzung ist allerdings, dass es etwas in wirtschaft- licher, politischer und soziokultureller Hinsicht zu entwickeln gibt und dafür eine tragfähige ökologische Basis gegeben ist. Während sich die traditionelle Regionalpolitik vermehrt auf exogene Wachstumsimpulse konzentriert (bspw. durch Qualifizierung zurückgebliebener Ge- biete für die Ansiedlung neuer Betriebe), werden beim endogenen Potential die materiellen Ressourcen (z. B. Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur, Ver- und Entsorgungsmöglich- keiten) nur zum Teil genutzt. (Vgl. Hannemann 2002a: 26) Das Hauptaugenmerk liegt nach Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 35

Hannemann auf der „[...] Berücksichtigung und Einbeziehung der vor Ort vorhandenen insti- tutionellen und kulturellen Eigenschaften sowie dem Netz von Firmen und Bildungseinrichtun- gen, welche Wissenstransfer und Kooperation möglich machen [...]“ (Hannemann 2002a: 26). Die endogene Leistungsfähigkeit einer Kleinstadt ist nach Foißner (2000) sehr vielschichtig und setzt sich z. B. aus dem soziokulturellen-, Entscheidungs-, Flächen-, Umwelt-, Land- schafts-, Infrastruktur-, Arbeitskräfte- und dem Kapitalpotential zusammen. Unter den genann- ten Bereichen ist besonders der soziokulturelle Bezug hervorzuheben. Dieser ist laut Foißner (2000) mit der mentalen Einstellung der regionalen Bevölkerung zu lokalen Aktivitäten gleich- zusetzen. (Vgl. Foißner 2000: 300) Das soziokulturelle Potential umfasst drei wesentliche Komplexe (Vereine, informelle Netzwerke und Identifikation der Bürger mit der eigenen Stadt), die gemeinhin als besondere Stärke von Kleinstädten gelten (vgl. Hannemann 2002b: 71). Vereine sind Ausdruck der gemeinschaftlichen Interessen der BürgerInnen. In Kleinstädten besteht ein größeres Engagement der Einwohner, sich außerhalb des Erwerbs- und Privatlebens in Vereinen zu organisieren. Typische Beispiele sind die Sport-, Garten-, Kleintierzucht- und Schützenvereine. Diese Organisationsstruktur bedient nicht nur die Nachfrage nach Aktivitäten, sondern schafft darüber hinaus ein sogenanntes „Wir-Gefühl“. Einerseits erhöht das Vereinsle- ben den Bekanntheitsgrad und stärkt andererseits die Netzwerkstrukturen unter den Kleinstäd- terInnen. Angesichts einer guten Vernetzung zwischen der Stadtverwaltung und den Vereinen können trotz eingeschränkter finanzieller Mittel vielfältige Freizeitmöglichkeiten geschaffen werden. (Vgl. Hannemann 2002b: 71) Informelle Netzwerke entwickeln sich in Kleinstädten ausgehend von der geringen Größe und Überschaubarkeit sowie fehlender Anonymität im Um- gang der Menschen untereinander. Zudem treffen die politisch Verantwortlichen und die Be- völkerung im Alltag aufeinander, sodass Interessen und Kritik ausgetauscht werden können. Auch die Nachbarschaftshilfe ist ein Bestandteil der informellen Netzwerke, gleichzusetzen mit einem nichtmonetären Leistungstausch. Die dritte wichtige Säule des soziokulturellen Potenti- als besteht in der Identifikation der Bürger mit ihrer eigenen Stadt. Damit einher geht ein aus- geprägtes Verantwortungsbewusstsein, welches das Handeln der engagierten Einwohner prägt. Durch dieses Bewusstsein von Stärken und Defiziten werden Lösungsversuche angestrebt, die die Entwicklung der Stadt fördern. (Vgl. Hannemann 2002b: 72) Die drei Indikatoren sind nach Hannemann (2002b) „[...] nutzbare endogene Potentiale, die die Entwicklung der Kleinstädte und ihrer Umgebung trotz geringem wirtschaftlichen Poten- tial, geringer Bevölkerungsdichte und peripherer Lage positiv beeinflussen (können)“ (Hanne- mann 2002b: 72). Allerdings sind der soziale Zusammenhalt und die Gemeinschaft in Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 36 vermeintlich übersichtlichen Kleinstadtstrukturen jenseits der Metropolen keine Selbstver- ständlichkeit, sondern eine wertvolle Ressource. Viele politische Programme und Strategien setzen jedoch genau dieses freiwillige Engagement als Selbstverständlichkeit voraus, wodurch eine Überforderung eintritt. (Vgl. Berding 2015: 69-70) Dies hat zur Folge, dass dieser Prozess zu einer verringerten zivilgesellschaftlichen Aktivität führt (vgl. Schumann 2004: 37).

Städtebauliche Potentiale

In vielen peripheren Kleinstädten bestehen städtebauliche Potentiale in der hohen Wohnquali- tät, kurzen Wegen und der Nähe zur Landschaft (vgl. Thurmann et al. 2014: 7). Voraussetzung ist, dass die Standorte verkehrstechnisch gut erschlossen sind und eine attraktive Lage aufwei- sen, sodass eine hohe Lebensqualität für die Bewohner erreicht wird (vgl. Sturm & Walther 2011: 4; Schumann 2004: 33). Im Gegensatz zu den zentralen Regionen haben Kleinstädte in peripheren Lagen den großen Vorteil der deutlich geringeren Bodenpreise (vgl. Schumann 2004: 33). Zudem bestehen Flächenpotentiale hinsichtlich des Wohnbaulands, z. B. für die Er- richtung von Einfamilienhäusern (vgl. Foißner 2000: 302). Die städtebaulichen Potentiale von Kleinstädten liegen neben dem Wohnen auch in der Re- vitalisierung der Innenstädte. Dementsprechend ist die Stärkung der Innenstädte und Verbesse- rung der Standortbedingungen für Handel und Gewerbe ein Schwerpunkt städtebaulicher Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen. Einerseits muss der innerstädtische Handel gestärkt werden. Andererseits gilt es, das Wohnen in der Innenstadt in ausreichender Form zu gewähr- leisten. Mit dem Ziel, dass sich beide Größen wechselseitig ergänzen. Letztendlich müssen die teils historischen Stadtkerne durch Besucher und Anwohner wiederbelebt werden (vgl. Baumann, Hesse & Karsten 2010: 32). Infolge einer erfolgreichen Revitalisierung und Ver- marktung der Innenstadt können die Wettbewerbschancen einer Kleinstadt deutlich ansteigen. (Vgl. Schumann 2004: 30-31) Die dritte Säule der städtebaulichen Potentiale stellen die Brachflächen dar. Stadtbrachen werden nach Schumann (2004) „[...] heute noch als Wechselfläche der Entwicklung betrachtet, mit denen eine Stadt irgendwie zurechtkommen muss“ (Schumann 2004: 32). Jene Areale kön- nen sich sowohl in Zentrumsnähe als auch im Stadtumland befinden. Allerdings sind Brachflä- chen nicht zwangsläufig etwas Negatives, sondern besitzen einzigartige Standortqualitäten, z. B. für Freiräume, Wohnräume, Gewerbeflächen, regenerative Energien, Spielplätze. Die große Schwierigkeit besteht darin, geeignete Konzepte zu entwickeln und letzten Endes, vor dem Hintergrund der kommunalen Finanznot, diese auch umzusetzen. (Vgl. Schumann 2004: 32-33) Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 37

Potentiale regionaler Kulturlandschaften

Kleinstädte werden dank ihrer überschaubaren Größe häufig als räumliche Einheit mit der um- gebenden Landschaft wahrgenommen. Insgesamt bilden die Kulturlandschaften ein wichtiges Potential für die Stadtentwicklung. Sie stellen die Grundlage für die Bereiche Tourismus, Nah- erholung, Freizeit und Sport dar. (Vgl. Thurmann et al. 2014: 7) Ein hohes Landschaftspotential zeichnet sich einerseits durch einen attraktiven Wohnstandort für die Bevölkerung und ande- rerseits durch ein vielfältiges Angebot für Touristen aus. Allerdings ist dieses Potential sehr stark abhängig von der Lage der Kleinstadt, z. B. ob Anziehungspunkte für Touristen vorliegen. (Vgl. Foißner 2000: 302) Eine weitere Chance besteht in dem wachsenden Bereich der regenerativen Energien. Auf- grund des Flächenpotentials von Kleinstädten und ihrer Umgebung stellen besonders Wind- und Solarenergie Möglichkeiten dar. In den Bereichen Natur, Landschaft, Tourismus und Öko- logie ist zudem auf die verstärkende Wirkung mittels einer interkommunalen Kooperation zu verweisen (vgl. Abschnitt 2.6.1). (Vgl. Thurmann et al. 2014: 7)

Neue Technologien

Die Neuen Technologien bedeuten gerade in strukturschwachen Regionen eine Chance. Mit ihnen ist beispielsweise ein Austausch von Waren und Dienstleistungen leichter und schneller zu realisieren. Darüber hinaus können bereits entstandene Lücken, z. B. vom zurückgehenden Einzelhandel, kompensiert werden. Die gesamte Nutzung der Neuen Technologien ist aller- dings abhängig von dem Ausbau der Breitbandversorgung. Aus diesem Grund muss eine hohe Priorität der Entwicklung eines zukunftsfähigen Breitbandnetzes zukommen. Gleichwohl kann auch die beste mediale Versorgung die entstehende Lücke im sozialen Netz, ausgelöst vom Bevölkerungsrückgang und dem damit verbundenen Leerstand, nicht schließen. Im Umkehr- schluss bedeutet dies, dass die Neuen Technologien ein großes Potential darstellen, jedoch nach Berding (2015) keine dauerhafte und alleinige Lösung für die entstehenden Herausforderungen sein können. (Vgl. Berding 2015: 74-75)

Personelle Qualifizierung

Neben der Digitalisierung ist in der personellen Qualifizierung von Bürgern ein Potential aus- zumachen. Dieses qualifizierte Personal wird besonders in Stadtverwaltungen, z. B. für inno- vative Ideen, Beratung, Verwaltung und Management, benötigt. (Vgl. Thurmann et al. 2014: 7) Denn nicht immer führen die bekannten und scheinbar bewährten Konzepte zum Ziel. Vielmehr Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 38 stellen neue und unbekannte Entwicklungsmöglichkeiten ein Potential für die Bewältigung schwieriger Herausforderungen dar. Dem gegenüber stehen hohe finanzielle und administrative Hürden, die den experimentellen Ansätzen oftmals keine Chance einräumen. (Vgl. Berding 2015: 76)

Förderung und Vermarktung

Für Kleinstädte im Schrumpfungsprozess sind Förderprogramme und Investitionshilfen wich- tige Finanzierungsbeiträge, um den kommunalen Städtebau, den Wohnungsbau sowie die lo- kale Wirtschaft zu stärken. In diesem Zusammenhang stellt die Akquirierung aller möglichen finanziellen Zuschüsse ein Potential dar. (Vgl. Schumann 2004: 28) Aktuell existieren nach Gatzweiler et al. (2012) diverse Programme der Städtebauförderung: „Stadtumbau Ost und Stadtumbau West, Aktive Stadt- und Ortsteilzentren, Städtebaulicher Denkmalschutz sowie das 2010 neu eingeführte Programm Kleinere Städte und Gemeinden - überörtliche Zusammenar- beit und Netzwerke“ (Gatzweiler et al. 2012: 99). Einen besonderen Beitrag leistet dabei das letztgenannte Förderprogramm, weil es speziell für Städte und Gemeinden in dünn besiedelten, schrumpfenden Räumen für städtebauliche Gesamtmaßnahmen zur Sicherung und Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge entwickelt wurde. Dabei steht die Gewährleistung der zentralört- lichen Funktionen im Mittelpunkt. Wesentliche Voraussetzung zum Erhalt der finanziellen Mit- tel ist allerdings die interkommunale Zusammenarbeit. Auch in dem Förderprogramm Stadtumbau Ost, das eine Antwort auf den demografischen und wirtschaftlichen Wandel liefern soll, besteht ein Potential speziell für ostdeutsche Kleinstädte. (Vgl. Gatzweiler et al. 2012: 99-101) Abgesehen von einer externen finanziellen Unterstützung, ist die Förderung der lokalen Wirtschaft eine wesentliche Chance in Kleinstädten. Über Jahre hinweg haben sich Netzwerke und Kooperationsstrukturen zwischen den lokalen Unternehmen und den Kommunen entwi- ckelt. Darauf aufbauend besteht die Möglichkeit, mittels öffentlich-privaten Verbindungen, ge- meinsam Probleme zu lösen. Einerseits kann die Wirtschaft durch geringe finanzielle Hilfen die soziale und wirtschaftliche Entwicklung einer Stadt voranbringen, z. B. durch eine Unter- stützung des Einzelhandels, Übernahme von Pflege- und Instandsetzungsleistungen usw. An- dererseits profitiert diese in Form eines Imagegewinns und dem Erhalt der örtlichen Kaufkraft auch selbst davon. Im Gegenzug kann die lokale Politik unterstützend und beratend wirken. Ein weiteres Potential für die Wirtschaft kann die lokale Vermarktung hochwertiger regionaler Pro- dukte sein. (Vgl. Berding 2015: 71) Ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen (Jan Burmeister) 39

Eine der wesentlichen Aufgaben für Kleinstädte muss die Profilierung eigener spezifischer Qualitäten sein, d. h. die Stärkung ihrer Identität. Dabei ist die Herausbildung eines Alleinstel- lungsmerkmals und besonderer Charakteristika denkbar. (Vgl. Berding 2015: 73-74) In diesem Zusammenhang ist ein professionelles Stadtmarketing einschließlich einer Öffentlichkeitsar- beit notwendig. Generell dürfen Planung und Stadtentwicklung nicht hinter verschlossenen Tü- ren stattfinden, sondern sollten nach Schumann (2004) „[...] mit Hilfe von breit angelegten Instrumentarien, wie z. B. Publikationen in Zeitschriften, Medienarbeit im Lokalfernsehen und Festen offen dargestellt werden“ (Schumann 2004: 38). Ein professionelles Stadtmarketing kann eine Verbesserung des Images erreichen, welches auf die gesamte Stadt wirkt, z. B auf den Tourismus, die Einwohneridentifikation oder die lokale Wirtschaft. (Vgl. Schumann 2004: 38)

Grundlagen der Szenariotechnik (Jonathan Nickl) 40

3 Grundlagen der Szenariotechnik (Jonathan Nickl)

3.1 Exkurs: Kurze Entstehungsgeschichte

Der Begriff Szenario bzw. Szenarium stammt aus dem Theater und bezeichnet die Abfolge der Szenen eines Dramas. So wie das Theaterstück auf der Bühne u. a. die gesellschaftliche Realität inszeniert, ist auch die Methode der Szenariotechnik eine analytische Simulation potentieller Zukünfte. (Vgl. Fellner & Gestring 1999: 62) Erste Schritte machte diese Technik im militäri- schen Sektor (vgl. Minx & Roehl 2012: 118). Im Rahmen eines Projekts der US-Air-Force in den 1950er Jahren übertrug einer der ersten Zukunftsforscher, Hermann Kahn, den Begriff der Szenarien erstmals auch auf Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (vgl. Dönitz 2009: 7). Ab den 1960er Jahren begann bspw. das Unternehmen General Electric erste Energieszenarien ein- zusetzen (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 7). Zum Erfolg und größeren Bekanntheitsgrad schaffte es die Technik in den 1970er Jahren. In Zeiten (noch) stabiler Ölpreise prognostizierte der Öl- konzern Shell rapide steigende Preise. Mit dem in den Folgejahren tatsächlich steigenden Öl- preisniveau war Shell der einzige Konzern auf dem Markt, der auf diese Situation vorbereitet war, entsprechend strategisch handeln und so seine Marktposition gegenüber Mitstreitern deut- lich verbessern konnte. (Vgl. Minx & Roehl 2012: 118) Weitere Popularität erreichten Szena- rien auf Basis computergestützter Simulationen im Zuge des Club of Rome Berichts Limits of Growth im Jahr 1972 (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 7). Seitdem hat sich die Szenariotechnik zum Standard strategischer Planungen entwickelt und sukzessive viele weitere Anwendungs- bereiche und Kontexte erschlossen. Darunter zählen die strategischen Planungen in Unterneh- men, Politik(-beratung), lokale und globale Energieszenarien sowie Klimaprognosen und die Stadt-, Raum- oder Regionalplanung. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 7)

3.2 Forschungsstand

Nach Fellner & Gestring (1999) hat sich die Szenariotechnik im Rahmen der Zukunftsfor- schung aus einer Vielzahl unterschiedlicher Ansätze entwickelt. Die Autoren sehen darin eine Begründung, warum wissenschaftsgeschichtlich bis dato kein einheitliches Konzept entstanden ist und die Methodik bei weitem nicht als ausgereift angesehen werden kann. (Vgl. Fellner & Gestring 1999: 61). Auch Kosow & Gaßner (2008) kritisieren nach umfangreicher nationaler sowie internatio- naler Literaturrecherche, dass es kein Fundament an umfassender oder gar einheitlicher Theorie zur eigentlichen Methodik gibt. Zwar liefern zahlreiche Studien detaillierte Beschreibungen einzelner Techniken und eine Vielzahl an fertigen Szenariotexten, gleichzeitig erfolgt aber nur Grundlagen der Szenariotechnik (Jonathan Nickl) 41 eine schwache Darstellung der methodischen Vorgehensweise – eine Reflektion findet nur sel- ten statt. Zugleich mangelt es einigen Studien oftmals an Transparenz. Ausführliche Hilfestel- lungen oder Werkzeuge für den praktischen Einsatz fehlen größtenteils. Darüber hinaus existieren weder Anleitungen zur Auswahl einer situationsangepassten Szenariotechnik noch einheitliche Bewertungsmaßstäbe. Häufig ist zu erkennen, dass es sich bei der Szenariotechnik vielmehr um ein individuelles Erfahrungswissen als um detailliert veröffentlichte und eingän- gige Methoden handelt. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 8-9) Eine weiterführende Literatur- recherche komplettiert dieses Bild: So zielen die Ausführungen von bspw. Minx & Roehl (2012: 120), Dönitz (2009: 28) und Mietzner (2009: 291) auf denselben Sachverhalt ab. Hinsichtlich des aktuellen Forschungsstands der Szenariotechnik kann festgehalten werden, dass sich die genaue Vorgehensweise und die Auswahl an Werkzeugen von Fall zu Fall unter- scheiden und dem definierten Ziel situationsabhängig angepasst werden müssen. So kommt dem internen und individuell gewonnenen Erfahrungswissen auch in dieser Arbeit eine große Bedeutung zu.

3.3 Was ist ein Szenario?

Angesichts der mannigfaltigen Entwicklung von Szenariotechniken in den unterschiedlichsten Bereichen (vgl. Kap. 3.1) haben sich im Laufe der Zeit ebenso viele Definitionen wie Vorge- hensweisen entwickelt. Die ursprüngliche Terminologie des Begriffs bleibt jedoch gleich: Sze- narien beschreiben nachvollziehbare Bilder und Rahmenbedingungen einer möglichen Zukunft. Sie beschränken sich nicht nur darauf, einen zu Ende geführten Zustand aufzuzeigen, sondern spiegeln vielmehr schrittweise Entwicklungen und Dynamiken wider, die auf komplexen Ein- flussfaktoren beruhen. (Vgl. Schauppenlehner-Kloyber et al. 2013: 486-487; Nanz & Fritsche 2012: 74; Dönitz 2009: 7-8; Kosow & Gaßner 2008: 9-10; Fellner & Gestring 1999: 61) Grundsätzlich sollen Szenarien keine eng definierte Zukunft oder nur bestimmte Ereignisse darstellen. Viel wichtiger ist es dabei, einen Raum verschiedener Möglichkeiten aufzuspannen, innerhalb dessen die Entwicklung verschiedener Zukunftspfade projiziert wird. Um eine ge- wisse Offenheit zukünftiger Fortschritte zu symbolisieren und gleichzeitig auch Alternativen anbieten zu können, sollten in der Regel mindestens zwei Szenarien herausgearbeitet werden. (Vgl. Schauppenlehner-Kloyber et al. 2013: 486-487; Nanz & Fritsche 2012: 75; Dönitz 2009: 7-8; Kosow & Gaßner 2008: 12; Fellner & Gestring 1999: 7) Am besten lässt sich dieses Prinzip anhand des sog. Szenario-Trichters in folgender Abbil- dung verdeutlichen (vgl. Abb. 3-1). Je weiter die beschriebenen Szenarien in der Zukunft lie- gen, desto größer wird das aufgespannte Feld zukünftig möglicher Entwicklungen. Zudem wird Grundlagen der Szenariotechnik (Jonathan Nickl) 42 beim Blick in die Zukunft auch die Bandbreite einzelner Faktoren immer größer, d. h. für jeden einzelnen Zukunftsaspekt erweitert sich die mögliche Ausprägung trichterförmig. Die Summe aller Faktoren innerhalb des Trichters bildet den Raum potentieller Zukünfte. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 13)

Abb. 3-1: Szenario-Trichter am Beispiel von Eggesin. Eigene Darstellung, 2016 (in An- lehnung an Kosow & Gaßner 2008: 13). Legende: t=Zeitpunkt; S=Szenario.

Im Rahmen der Zukunftsforschung können Szenarien in Form von Texten mit unterschiedli- chem Umfang und Detaillierungsgrad beschrieben werden oder durch die Untersuchung quan- titativer Modelle erfolgen (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 9). Angewandt wird die Technik zumeist in Szenario-Workshops oder Szenario-Konferenzen. Im Mittelpunkt steht die Antizipation künftiger Probleme und deren Integration in Lösungsan- sätzen. Gleichzeitig lassen sich daraus anschauliche Handlungsempfehlungen schlussfolgern (vgl. Nanz & Fritsche 2012: 75). Abschließend sei angemerkt, dass Szenarien weder einen Anspruch auf Wahrheit haben noch ein Mittel zur Vorhersage einer bestimmten Zukunft sind. Stattdessen sind es Entwürfe oder Explorationen, die auf gegenwärtigem und zurückliegendem Wissen beruhen und denk- bare sowie wünschenswerte Zukunftsentwicklungen aufzeigen (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 10; Fellner & Gestring 1999: 61).

Grundlagen der Szenariotechnik (Jonathan Nickl) 43

3.4 Methodik

Auch hinsichtlich der methodischen Vorgehensweise lassen sich trotz der bereits erwähnten Vielfalt an Techniken Gemeinsamkeiten erkennen. Laut Kosow & Gaßner (2008) besteht eine überwiegende Einigkeit darin, den generellen Ablauf einer Szenarioentwicklung in folgende fünf Phasen einzuteilen (vgl. Abb. 3-2):

1) Szenariofeld-Bestimmung 2) Einflussfaktoren-Identifikation 3) Einflussfaktoren-Analyse 4) Szenario-Generierung 5) Szenario-Transfer (optional) (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 19-20)

In der ersten Phase der Szenariofeld-Bestimmung wird die genaue Thematik der Untersuchung definiert. Im Einzelnen werden die Fragen geklärt, worum es gehen soll, was der Forschungs- gegenstand ist, wie dieser abgegrenzt werden kann (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 20) und wel- che zeitliche Reichweite betrachtet wird (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 77). Die zweite Phase dient der Identifikation der Einfluss- bzw. Schlüsselfaktoren (auch De- skriptoren genannt), d. h. es werden sowohl quantitative als auch qualitative Kenngrößen be- stimmt, die auf das im Schritt zuvor definierte Szenariofeld einwirken und es maßgeblich beeinflussen. (Vgl. Minx & Roehl 2012: 122; Kosow & Gaßner 2008: 21) Einflussfaktoren können charakteristische Eigenschaften (Parameter), veränderte Größen (Variablen) oder Ent- wicklungen und Ereignisse sein. Wie relevante Einflussfaktoren im Verlauf des Gesamtprozes- ses lokalisiert werden, kann sich von Fall zu Fall sehr differenziert gestalten. Notwendiges Wissen und Kenntnisse über das Szenariofeld können neben arbeits- und zeitintensiver theore- tischer Vorbereitung auch durch partizipative Workshops oder Befragungen erarbeitet werden. Während eine detaillierte theoretische Vorarbeit vorrangig die Auswahl bestimmter Faktoren fokussiert (vgl. Kap. 5), steht im Rahmen von Workshops vielmehr die Zusammensetzung der Teilnehmer sowie deren Partizipation im Mittelpunkt. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 21) Die Analyse der Einflussfaktoren im nächsten Schritt (Phase 3) ist kennzeichnend für die Szenariotechnik und hebt sie deutlich von anderen Methoden ab. Die einzelnen, im Schritt zu- vor definierten Einflussfaktoren werden im aufgespannten Szenario-Trichter (vgl. Abb. 3-1) in die Zukunft projiziert und auf mögliche Ausprägungen untersucht. Ausgewählt werden jene Ausprägungen, die auch in die Generierung der Szenarien einfließen sollen. Zwar läuft diese Grundlagen der Szenariotechnik (Jonathan Nickl) 44

Vorgehensweise nach keinem einheitlichen Prinzip ab, doch beinhaltet sie zur Vorstellung zu- künftiger Entwicklungen immer instinktive und kreative Gesichtspunkte. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 21) Konkrete Zukunftsszenarien (Phase 4) ergeben sich aus der Grundfläche des Trichterquer- schnitts zum ausgesuchten Projektionszeitpunkt (vgl. Abb. 3-1 & 3-2). Einzelne Faktorenbün- del werden verdichtet und im weiteren Verlauf zu konsistenten Szenarien skizziert. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 21). Die Darstellung der Szenarien erfolgt entweder mithilfe kre- ativer Darstellungsmöglichkeiten, wie z. B. literarisch-narrativen Geschichten, oder durch sta- tistische bzw. systematisch-formalisierte Methoden (vgl. Minx & Roehl 2012: 123; Kosow & Gaßner 2008: 21-22). Innerhalb der abschließenden fünften Phase des Szenarioprozesses erfolgt die Rückkopp- lung der generierten Szenarien auf den vorangegangenen Abschnitt. Um die skizzierten Zu- künfte zu erreichen, wird bei diesem Transfer geprüft, welche realistischen Möglichkeiten oder Handlungsoptionen hinsichtlich einer praktischen Implementierung der erarbeiteten Potentiale bestehen. (Vgl. Minx & Roehl 2012: 123; Kosow & Gaßner 2006: 58)

Abb. 3-2: Die fünf Phasen der Szenarioentwicklung. Abbildung aus Kosow & Gaßner 2008: 20.

3.5 Arten von Szenariotechniken

Grundsätzlich können drei verschiedene Gruppen von Szenariotechniken unterschieden wer- den: Trendanalysen bzw. Trendextrapolationen, systematisch-formalisierte und narrativ-krea- tive Szenariotechniken (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 32).

Grundlagen der Szenariotechnik (Jonathan Nickl) 45

Trendanalyse und Trendextrapolation

Trendanalysen bzw. -extrapolationen basieren nahezu ausschließlich auf der Fortsetzung von vergangenen sowie gegenwärtigen Entwicklungen (Trends) in die Zukunft. Im Gegensatz zum gewöhnlichen Sprachgebrauch beschreiben Trends in diesem Zusammenhang keine kurzfristi- gen Erscheinungen, sondern eine langfristige Entwicklungsrichtung bestimmter und als zu- kunftsrelevant definierter Faktoren. Die Explorationen bestimmter Faktoren in die Zukunft werden entweder mittels statistischer Verfahren berechnet (quantitativ) oder beschrieben (qua- litativ) und basieren auf langfristig erhobenen Daten und Informationen. Die für diese Berech- nungen zu Grunde liegende Trendanalyse erschließt vielfältige Kontexte und findet auch außerhalb der Szenariotechnik Anwendung. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 33-34, 72)

Systematisch-formalisierte Szenariotechnik

Mit der zweiten Gruppe – den systematisch-formalisierten Szenarien – werden Techniken be- schrieben, die besonders auf eine Kombination eindeutig definierter Schlüsselfaktoren gestützt sind. Diese Techniken enthalten sowohl qualitative als auch quantitative Ansätze. Um die Wechselwirkungen und Dynamiken der Schlüsselfaktoren systematisch herauszuarbeiten bzw. zu bewerten, werden diese in einer Matrix gegenübergestellt. Dieser quantifizierende Vergleich der Einflüsse untereinander erfolgt häufig mittels einer Skala von 0 (kein Einfluss) bis 3 (starker Einfluss). Die Summen aller Bewertungen gelten als Maß der Vernetzung. Unterschieden wird dabei zwischen den Summen der Zeilen (Aktivsumme) und Spalten (Passivsumme), die entwe- der beschreiben, welchen aktiven Einfluss ein Faktor auf andere Faktoren hat, oder, wie stark der Faktor passiv von anderen Faktoren beeinflusst wird. Durch diese Berechnung und Bewer- tung werden die Einflussfaktoren bestimmt, die im weiteren Verlauf der Szenariogenerierung prioritär betrachtet werden sollen. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 38-39, 72)

Narrativ-kreative Szenariotechnik

Auf diese Technik wurde im Rahmen des Seminars zurückgegriffen, weshalb sie im Folgenden näher betrachtet werden soll. Die narrativ-kreative Szenariotechnik beruht im Gegensatz zu den beiden vorangegangen, eher formalisierten bzw. statistischen Techniken auf den direkten Ge- brauch von kreativen Methoden, Ideen und einbezogenem Wissen über die örtlichen Entwick- lungen. Im Vordergrund steht die Kommunikation und Partizipation innerhalb des Prozesses. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 46; Minx & Böhlke 2006: 16) Grundlagen der Szenariotechnik (Jonathan Nickl) 46

Zusätzlich lässt sich die Vorgehensweise anhand der Schnittstelle zur Unterkategorie der normativ-narrativen Szenariotechnik konkretisieren. Hierbei geht es besonders um die Ausar- beitung und Illustration positiver Zukunftsbilder. Innerhalb eines realistischen Rahmens setzen sich diese Szenarien aus einer Kombination von gegenwärtigen Möglichkeiten und einer Se- lektion wünschenswerter (normativer) Entwicklungen zusammen. Dabei steht in erster Linie die Gruppenarbeit als gemeinschaftlicher Prozess aller Akteure im Vordergrund. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 52; Minx & Böhlke 2006: 16-17) Die Darstellung narrativer Szenarien erfolgt in Form von Erzählungen. Neben der kommu- nikativen Aufgabe ist für die Ausgestaltung ein hohes Maß an Realismus, Genauigkeit sowie Deutlichkeit wesentlich. Die Erzählungen bzw. Geschichten müssen zum einen transparent und verständlich sein, zum anderen einer zusammenhängenden Gedankenführung folgen. (Vgl. Ko- sow & Gaßner 2008: 52) Eine allgemeine Verständlichkeit wird laut Schwartz (1996) ebenso dadurch erreicht, dass diese Art von Szenarien weitestgehend dem menschlichen Denken entsprechen. In vielerlei Hinsicht plant der Mensch in seinem Alltag kontinuierlich voraus. Diese Planung erfolgt in der Regel über das Erzählen von Geschichten und nicht in Abhängigkeit von Wahrscheinlichkeiten, Relevanzbäumen oder Diagrammen. (Vgl. Schwartz 1996; nach Mietzner 2009: 100) Daher ist ein als Geschichte erzähltes Szenario ein starkes Mittel, um eine komplexe Reihe von Ereignis- sen und Beziehungen überschaubar und lebendig zu verpacken (Übersetzt aus van der Heijden 1997, nach Mietzner 2009: 100). Allerdings sollte beachtet werden, dass eine Kommunikation von im Prozess gewonnenem Wissen nach außen aufgrund der intensiven Gruppenerfahrung nur eingeschränkt möglich ist. Entsprechend sind für die Präsentation der Ergebnisse kreative Formen zu wählen. (Vgl. Minx & Roehl 2012: 123-124) Daran angelehnt wurde auch am konkreten Beispiel Eggesin eine kre- ative Kommunikationsform zur Vermittlung der ausgearbeiteten Szenarien gewählt (vgl. Kap. 7). Phase I – Bestimmung des Szenariofelds (Jonathan Nickl) 47

TEIL II: SZENARIOPROZESS (Jonathan Nickl) Der praxisorientierte Teil II beschreibt die notwendigen Schritte auf dem Weg zu Zukunftssze- narien und verfolgt dabei die Chronologie des Arbeitsprozesses. Der dafür erforderliche theo- retische Rahmen wurde im zweiten Kapitel des Grundlagenteils (vgl. Kap. 2) definiert. Um die Situation in Eggesin im gesamtheitlichen Kontext verstehen und einordnen zu können, erfolgen innerhalb des Prozesses an gegebenen Stellen entsprechende Verweise und Rückschlüsse auf vorausgehende theoretische Ausführungen. In Anlehnung an die Methodik der Szenariotechnik (vgl. Kap. 3.4) wird zuerst das Szena- riofeld bestimmt (vgl. Kap. 4). Darauf aufbauend werden mit Hilfe einer detaillierten Beschrei- bung Eggesins die dortigen Einflussfaktoren identifiziert (vgl. Kap. 5). Die anschließende Darstellung der Interviews dient der tiefergehenden Analyse der Einflussfaktoren und deren Projektion in die Zukunft (vgl. Kap. 6). Den Abschluss bilden zwei ausgearbeitete Szenarien (vgl. Kap. 7), Möglichkeiten zur Umsetzung (vgl. Kap. 8) sowie eine kritische Betrachtung des Gesamtprozesses (vgl. Kap. 9).

4 Phase I – Bestimmung des Szenariofelds (Jonathan Nickl) Die Thematik der vorliegenden Untersuchung ergibt sich aus der zu Beginn grob skizzierten Situation Eggesins 2 in Kombination mit der allgemeinen Problematik ostdeutscher Kleinstädte in peripheren Lagen (vgl. Kap. 2.5). Die dort zusammengetragenen Informationen sind zu- gleich ausschlaggebend dafür, die Situation Eggesins näher zu betrachten und unter Berück- sichtigung bestimmter Faktoren Zukunftsbilder für das Jahr 2035 aufzuzeigen. Gleichwohl der Fokus primär auf Eggesin liegt, ist es sinnvoll, die jeweilige Situation zum besseren Verständnis in bestimmten Bereichen u. a. in Bezug auf die Konkurrenzsituation der U.T.E.-Städte unterei- nander überörtlich zu betrachten (vgl. Kap. 1.2 & 8.1). Entsprechend werden diese Analogien zur Erforschung der Problematik im weiteren Verlauf vergleichend dargestellt.

Im Kontext des UniDorfs war die Stadt Eggesin als Forschungsgegenstand zu Beginn des Mo- duls Stadt- und Dorfentwicklung vordefiniert (Details vgl. Vorwort). Die Auswahl erfolgte wie in den letzten Jahren bei anderen UniDörfern in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Vorpom- mern-Greifswald. Im Zuge eines Auswahlverfahrens setzte sich Eggesin gegen andere Bewer- ber durch und wurde nicht zuletzt aufgrund der zuvor thematisierten problematischen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten ausgewählt.

2 Um den Einstieg in die Arbeit zu erleichtern, wurde die gegenwärtige Situation der Stadt Eggesin – als Haupt- untersuchungsort – bereits im Vorfeld einleitend vorgestellt (vgl. Kap. 1.2). Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 48

5 Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl)

Die zweite Phase des Szenarioprozesses dient der Identifikation der Einflussfaktoren (vgl. Kap. 3.4). Die Auswahl bzw. Erarbeitung und Verknüpfung dieser ist in Anbetracht des zukünftigen Zeithorizonts „Konstruktionsarbeit“ (Kosow & Gaßner 2008: 10), d. h. bestimmte Faktoren oder Ereignisse werden entweder als relevant betrachtet oder bewusst vernachlässigt. Die Annahme, welche Faktoren oder Ereignisse für Eggesin herangezogen werden, erfolgt durch die Analyse von Daten. Dieser Schritt erfordert einerseits fundiertes Wissen über die örtlichen Gegebenheiten, andererseits ist er zumeist subjektiv begründet und unterliegt dem- nach normativen Beurteilungen. (Vgl. Kosow & Gaßner 2008: 10) Um der beschriebenen Chronologie des Arbeitsprozesses gerecht zu werden, wird zuerst ein Überblick über die aktuelle Ausgangslage Eggesins mit seinen jüngsten Entwicklungen gege- ben (vgl. Kap. 5.1). Im nächsten Teilbereich folgt eine detaillierte Darstellung der Historie Eg- gesins (vgl. Kap. 5.2). Das darauffolgende Kapitel 5.3 dient der Zusammenfassung und endgültigen Festlegung der Einflussfaktoren. In Anlehnung an Kosow & Gaßner (2008) werden somit detaillierte theoretische Grundlagen in den Szenarioprozess zur Identifikation von Ein- flussfaktoren integriert (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 21).

Im Rahmen des Seminars erfolgten zur Identifikation der Einflussfaktoren erste Auseinander- setzungen mit der aktuellen Lage Eggesins sowohl durch Recherchen im Vorfeld als auch durch einen kurzen Besuch vor Ort. Da die Einflussfaktoren eine Grundlage für die anschließenden Interviews in Eggesin darstellten, wurden sie bereits vor der Projektwoche erarbeitet. Zu Be- ginn des einwöchigen Aufenthalts in Eggesin lieferten Vorträge über die Geschichte der Stadt zusätzlich ein tiefergehendes Verständnis für die jüngsten Entwicklungen und deren Ursachen. Im Laufe des Seminars wurden die Einflussfaktoren in den Bereichen Bevölkerungsentwick- lung, Daseinsvorsorge, Wirtschaft und sozialer Zusammenhalt identifiziert.

5.1 Analyse der gegenwärtigen Situation sowie jüngsten Ent- wicklungen in Eggesin

Um aufzuzeigen, welche individuellen Aspekte Eggesin charakterisieren und inwieweit die an- gesprochenen allgemeinen Probleme ostdeutscher Kleinstädte in peripheren Lagen übertragbar sind, werden im Folgenden in Anlehnung an Kapitel 2 neben den problematischen Bereichen Bevölkerungsentwicklung, Daseinsvorsorge (soziale bzw. technische Infrastruktur; Bildung und Kultur), Wirtschaft und Arbeitsmarkt auch die möglichen Potentiale bzw. Chancen von Natur und Landschaft sowie Tourismus aufgegriffen und analysiert. Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 49

Bevölkerungsentwicklung

Die Stadt Eggesin ist in Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung sowohl von den allgemeinen Veränderungen des demografischen Wandels (sinkende Geburtenrate, Altersstruktur, Ab- und Zuwanderung) als auch von den individuellen Folgen der Kasernenschließungen und somit dem Abzug vieler Soldaten betroffen (vgl. Abschnitt 5.2.4). Ebenso spielt die Abwanderung insbe- sondere junger Leute aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage eine entscheidende Rolle (vgl. REK - 2002: 27). Hatte die Stadt 1994 noch 8 118 Einwohner zu verbuchen, so sind es im Jahr 2014 nur noch 4 813 (vgl. Abb. 5-1). Das entspricht einem Bevölkerungsrück- gang von ca. 41 %. Im Jahr 1990, also während bzw. kurz nach der Wende, erreichte die Ein- wohnerzahl mit ca. 9 000 ihren historischen Höchststand (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 24).

9.000 8.000 7.000 6.000 5.000 4.000

Einwohner 3.000 2.000 1.000 0 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Jahr

Abb. 5-1: Bevölkerungsentwicklung in Eggesin von 1994 bis Ende 2014. Eigene Darstellung, 2016 (Datengrundlage vgl. StatA MV 2014a).

Darüber hinaus ist auch die Veränderung der Altersstruktur in den letzten Jahrzehnten ein deut- liches Anzeichen für den starken Bevölkerungsverlust. Während das Regionale Entwicklungs- konzept des Landkreises Uecker-Randow im Jahr 2000 noch von einer relativ jungen Eggesiner Bevölkerung ausging (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 25), lässt sich im Jahr 2014 eine deut- liche Überalterung feststellen. Folgendes Diagramm stellt die Alterspyramiden der Jahre 1994 und 2014 gegenüber (vgl. Abb. 5-2), wobei hinsichtlich der Altersstruktur aus dem Jahr 2014 von einer umgedrehten Pyramide gesprochen werden kann. Besonders auffallend ist im Jahr 2014 ein deutlicher Rückgang der Altersbereiche der 3- bis 18-Jährigen sowie 20- bis 45-Jäh- rigen, bei gleichzeitiger Erhöhung der über 50-Jährigen. Ferner sind defizitäre Geburtenraten beider Jahre (1994 und 2014) in den Altersbereichen unter 3 Jahren zu konstatieren. So können Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 50 die Daten von 1994 insbesondere aus heutiger Sicht bereits als Hinweis auf eine tendenziell rückläufige Bevölkerungsentwicklung interpretiert werden. Nach der Wende sind allerdings nicht nur in Eggesin die Bevölkerungszahlen zurückgegan- gen, auch Torgelow musste diesbezüglich einen Rückgang von ca. 18 % hinnehmen. In Uecker- münde hingegen veränderten sich die Zahlen nur geringfügig, wenngleich sich an der vorherrschenden Altersstruktur auch hier erkennen lässt, dass der demografische Wandel be- reits eingesetzt hat. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 94)

1994 2014 Alter Alter

75 und mehr 75 und mehr 65 bis 75 65 bis 75 60 bis 65 60 bis 65 55 bis 60 55 bis 60 50 bis 55 ♂ ♀ 50 bis 55 ♂ ♀ 45 bis 50 45 bis 50 40 bis 45 40 bis 45 35 bis 40 35 bis 40 30 bis 35 30 bis 35 25 bis 30 25 bis 30 20 bis 25 20 bis 25 18 bis 20 18 bis 20 15 bis 18 15 bis 18 10 bis 15 10 bis 15 6 bis 10 6 bis 10 3 bis 6 3 bis 6 unter 3 unter 3 500 400 300 200 100 0 100 200 300 400 500 400 300 200 100 0 100 200 300 400 Einwohnerzahl Einwohnerzahl

Abb. 5-2: Bevölkerungspyramiden Eggesins aus den Jahren 1994 sowie 2014 im Vergleich. Eigene Darstellung, 2016 (Datengrundlage vgl. StatA MV 2014b).

Daseinsvorsorge

Soziale Infrastruktur, Bildung und Kultur

Die medizinische Versorgung der Region wird von einer Kombination aus Fach- und Allge- meinkrankenhäusern in Ueckermünde und sowie ambulanten Einrichtungen und so- zialen Diensten gewährleistet (vgl. LAG 2015: 35; REK Uecker-Randow 2002: 96). In Eggesin praktizieren insgesamt vier niedergelassene Hausärzte und ein Facharzt für Frauenheilkunde.3 Sofern ein Besuch nicht ansässiger Fachärzte erforderlich ist, müssen längere Wege in Kauf genommen werden. Des Weiteren sind eine vollstationäre Dauerpflegeeinrichtung und eine Einrichtung mit Kurzzeitpflegeplätzen vorhanden. Die aktuelle medizinische Versorgungs- struktur ist demnach als ausreichend zu bezeichnen, wobei besonders im ländlichen Raum Nachfolgeprobleme unter den ansässigen Ärzten und somit potentielle Schwierigkeiten in der

3 Dies ergab eine Suche auf der Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommerns: http://www.kvmv.info/patienten/40/index.html (Letzter Zugriff am 28.05.2016). Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 51 zukünftigen flächendeckenden Versorgung vor Ort bestehen. Aufgrund der Bevölkerungsent- wicklung und Altersstruktur (vgl. Abschnitt 5.1.1) stieg die Zahl an Pflegebedürftigen in der Region stetig, was in der Folge zu einer Verschärfung der Situation führte. In Zukunft wird nicht nur der Bedarf an stationären Pflegeeinrichtungen, sondern auch an betreuten Wohnfor- men steigen. (Vgl. LAG 2015: 36) Die demografische Entwicklung Eggesins führte in der Vergangenheit auch zu einer konti- nuierlich abnehmenden Zahl an Schülern (vgl. LAG 2015: 35). Zu den derzeitigen Bildungs- einrichtungen zählen eine Grundschule, die offene Regionale Ganztagsschule Ernst Thälmann und der Hauptsitz der beruflichen Schule des Landkreises Vorpommern-Greifswald (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 97). Die kulturellen Angebote für Bevölkerung und Besucher werden maßgeblich von aktiven regionalen Akteuren, freiberuflichen Künstlern und dem lebendigen Vereinsleben bestimmt (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 105). Zu den kulturellen Anlaufstellen in Eggesin gehören die Kulturwerkstatt und Blaubeerscheune im Hof des Rathauses (vgl. Haescher 2011: 47), die Heimatstube sowie das Militärmuseum (vgl. Kuna & Kuna 2002: 32). Gleichzeitig erweitern die beiden Letztgenannten durch den Erhalt kulturhistorischer Traditionen ebenso das touristi- sche Angebot (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 106-107). Seit 2002 organisiert der Verein Pro Eggesin e. V. das alljährliche Blaubeerfest mit einer Vielzahl an kulinarischen Angeboten, die bei den Besuchern großen Anklang finden. Allgemein stellt das Vereinsleben in Eggesin ein durchaus nutzbares Potential für die Zukunft dar (vgl. Abschnitt 2.6.2). Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche liegen mehrheitlich in Händen der ansässigen Sportvereine und Ju- gendeinrichtungen (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 102). Für diese Zwecke existieren in Eg- gesin ein Jugendzentrum, eine Jugendkunstschule, ein Sportcenter und zahlreiche Sportvereine. Obgleich des facettenreichen Spektrums an kulturellen Angeboten besteht in der Region ein Mangel hinsichtlich Verknüpfung und gemeinsamer Vermarktung der Angebotspalette. Ein ko- operatives Kulturmanagement, Gesprächsrunden oder eine entsprechende Internetpräsenz könnten die zweifelsfrei vorhandenen Potentiale besser nutzbar machen und zudem die Kom- munikation fördern. (Vgl. REK Uecker-Randow 2002: 107)

Technische Infrastruktur

Die verkehrliche Anbindung Eggesins zur ca. 15 km entfernten Anschlussstelle der Bun- destraße B 109 sowie zur ca. 30 km entfernten Auffahrt der Autobahn A 20 erfolgt größtenteils über die Landstraßen L321 und L32 (vgl. Andres 2006: 2). Weitere überregionale Straßenver- bindungen sind die B 104 (Lübeck – Stettin) und die A 11 (Berlin – Stettin). Darüber hinaus Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 52 besteht eine regionale Zugverbindung der Deutschen Bahn AG über die Strecke Pasewalk – Ueckermünde. Die Nahreisezüge verkehren im Zweistundentakt (vgl. REK Uecker- Randow 2002: 44). Zusätzlich ist Eggesin mit dem Bus erreichbar (bspw. von Torgelow, Ueckermünde oder Stettin). Die Regionalbusse verkehren allerdings zum Teil nur in einem ein- geschränkten Umfang und orientieren sich dabei stark an dem Schülerverkehr. Ferner ist es möglich, Eggesin und Region über die Wasserstraßen der Uecker bzw. Randow zu erschließen. Eine touristische Nutzung in Form von Wasserwanderungen steht hier im Vordergrund. (Vgl. LAG 2015: 34)

Wirtschaft und Arbeitsmarkt

Die wirtschaftlichen Einschnitte, die Eggesin und Region in den letzten Jahrzehnten prägten, sind zum einen auf den in Kapitel 2.5 angesprochenen tiefen Strukturwandel nach der Wende (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 54), zum anderen auf die drastischen Truppenabzüge inner- halb der Bundeswehr zurückzuführen (vgl. Abschnitt 5.2.4). Die derzeitige Wirtschaftsstruktur der Region ist sowohl von der traditionellen Land- und Forstwirtschaft (hauptsächlich im Umland) und dem produzierenden Gewerbe als auch vom zunehmend wichtiger werdenden Dienstleistungssektor bestimmt (vgl. LAG 2015: 26). Viele Betriebe haben sich auf die Produktion von Nahrungsgütern spezialisiert oder agieren als Zulieferer für Windkraftanlagenhersteller bzw. sonstige Maschinenbaubereiche. Zugleich sind in der Region auch hoch entwickelte Unternehmen im Bereich der Medizintechnik ansäs- sig. Im Allgemeinen dominieren jedoch kleine und mittelständische Unternehmen das wirt- schaftliche Bild. Einer der wenigen Großbetriebe, der in den vergangenen Jahren gehalten werden konnte und daher besonders hervorzuheben ist, sind die Eggesiner Han- ning-Elektro-Werke mit 230 Mitarbeitern. (Vgl. LAG 2015: 26-27) In den Sektoren Handel, Gastgewerbe und Verkehr sowie sonstigen Dienstleistungen (inkl. Gesundheitsbereich) arbeiten bezogen auf die Stadt Eggesin knapp über die Hälfte aller sozial- versicherungspflichtig Beschäftigten; in den Städten Ueckermünde und Torgelow fällt die Zahl noch höher aus (vgl. Tab. 5-1). Angesichts des vergleichbar hohen Anteils an Beschäftigten in den sonstigen Dienstleistungen lässt sich in Kombination mit der bereits beschriebenen Bevöl- kerungsentwicklung Eggesins (vgl. Abschnitt 5.1.1) auf einen wachsenden Bedarf an Arbeits- kräften insbesondere im Gesundheitsbereich schließen. Unter Berücksichtigung, dass die Städte Ueckermünde und Torgelow ungefähr doppelt so viele Einwohner besitzen, weist Eggesin im Vergleich dennoch sichtbar schwächere Beschäf- Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 53 tigungszahlen auf (vgl. Tab. 5-1). Dies ist u. a. auf die hohe Arbeitsplatzzentralität sowie Ver- sorgungsfunktion der Nachbarstädte Ueckermünde und Torgelow mit einhergehenden, deutli- chen Einpendlerüberschüssen zurückzuführen (vgl. LAG 2015: 32). Eggesin hat hingegen mehr Aus- als Einpendler zu verbuchen (vgl. StatA MV 2014c). Lediglich im Bereich Land-, Forst- wirtschaft und Fischerei kann der Amtsbereich Am Stettiner Haff – jedoch ohne Eggesin – eine höhere Beschäftigungszahl vermerken (vgl. Tab. 5-1). Folgende Tabelle verschafft einen detaillierten Überblick bezüglich der sozialversicherungs- pflichtig Beschäftigten nach Wirtschaftsbereich und Arbeitsort in den Städten Ueckermünde, Torgelow und Eggesin sowie im Amtsbereich Am Stettiner Haff aus dem Jahr 2013.

Tab. 5-1: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftsbereichen in den Städten Ueckermünde, Tor- gelow und Eggesin sowie im Amtsbereich Am Stettiner Haff vom 30.06.2013 (nach Arbeitsort). Tabelle modifi- ziert nach LAG 2015: 26.

Gesamt Land- und Forst- prod. Ge- Handel, Gastge- sonst. Dienst- wirtschaft, Fische- werbe werbe und Ver- leistungen rei kehr Stadt Uecker- 3 598 29 788 734 2 047 münde Stadt Torgelow 4 072 20 1 254 530 2 268

Stadt Eggesin 914 1 381 218 314 Amt Am Stetti- ner Haff (ohne 581 76 265 98 142 Eggesin) Amt Am Stetti- ner Haff (mit Eg- 1 495 77 646 316 456 gesin)

Die Arbeitslosenquote der Region Am Stettiner Haff lag im Jahr 2014 mit 15,8 % deutlich über dem Durchschnitt des Landkreises Vorpommern-Greifswald mit 13,8 %. Auch im Vergleich mit dem Landesdurchschnitt Mecklenburg-Vorpommerns (11,0 %) ist die Arbeitslosigkeit der Region unverkennbar höher. Zusätzlich ist in der Region ein Fachkräftemangel zu konstatieren. (Vgl. LAG 2015: 31) Die Nähe Eggesins zu den großen Wirtschaftsräumen Stettin, Berlin sowie Skandinavien kann ein enormes Potential für die künftige Entwicklung der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts im Allgemeinen darstellen (vgl. LAG 2015: 39). Auch hinsichtlich regionaler Vermarktung hochwertiger landwirtschaftlicher Produkte besteht ein großes Potential. Der Anteil an land- wirtschaftlichen Unternehmen im Umland, die ihre Flächen ökologisch bewirtschaften, ist nicht nur im Landes-, sondern auch im Bundesvergleich überdurchschnittlich hoch. Eine Direktver- marktung und Belieferung ansässiger Gastronomie wird allerdings durch die geringe Kaufkraft Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 54 wie auch Bevölkerungsdichte erschwert und daher kaum wahrgenommen. (Vgl. LAG 2015: 29; REK Uecker-Randow 2002: 66-67) Ebenso kann die Entwicklung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten hinsichtlich Dienstleis- tungen und Tourismus als Anpassung an den demografischen Wandel eine Chance für die Zu- kunft sein (vgl. LAG 2015: 43).

Natur und Landschaft

Die Landschaft der Region um Eggesin ist geprägt durch das Vorpommersche Flachland im nördlichen Teil und dem Rückland der Mecklenburgischen Seenplatte im Süden. Das Vorpom- mersche Flachland ist charakterisiert durch ausgedehnte Waldflächen der Ueckermünder Heide.4 Auf den nährstoffarmen, sandigen Böden dominieren Kiefern und rund um Eggesin ebenso zahlreiche Blaubeersträucher. (Vgl. LAG 2015: 37) In den Brohmer Bergen und der Caselower Heide besteht die potentiell natürliche Vegetation aus reinen Laub- bzw. Mischwäl- dern mit überwiegend Rotbuchen und Kiefern (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 30). Aufgrund der langjährigen militärischen Nutzung entstanden im Laufe der Zeit ebenso wertvolle Zwerg- strauch-Heiden und Magerrasen-Flächen. An der westlichen Grenze zum Landkreis Mecklen- burgische Seenplatte schließt die Große Friedländer Wiese an. Dabei handelt es sich um ein Niedermoorgebiet mit intensiver Nutzung als Grünland. (Vgl. LAG 2015: 37) Im südlichen Teil der Region – dem Rückland der Mecklenburgischen Seenplatte – bahnen sich die beiden Flüsse Uecker und Randow ihren Weg durch das Kuppige Uckermärkische Lehmgebiet sowie die Ueckermünder Heide bis zur Mündung ins Stettiner Haff bei Uecker- münde. Die Landschaftseinheiten des Uecker- und Randowtals verfügen über fruchtbare Böden sowie eine Vielzahl von kleinen Seen und Söllen. (Vgl. LAG 2015: 37) Zur natürlichen Vege- tation der Niederungsbereiche von Uecker und Randow gehören Erlen- bzw. Erlen-Eschenwäl- der (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 30). Die Einzigartigkeit der Natur- und Kulturlandschaft wird bestimmt durch ein vielgestaltiges Spektrum an naturräumlichen Einheiten (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 30), einen geringen Versiegelungsgrad, einen großen Anteil an unzerschnittenen Räumen von bedeutender Schutz- würdigkeit und einer hohen Luftreinheit aufgrund kaum emittierender Industrie (vgl. LAG 2015: 45-46). Die damit einhergehenden klimatischen Bedingungen und die weitestgehend ex- tensive Landwirtschaft bringen zudem eine umfangreiche Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten hervor (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 32).

4 In Eggesin beträgt der Anteil der Waldflächen 79,2 %, die Flächen für Siedlungen und Verkehr machen hin- gegen nur 5,9 % der Gesamtfläche aus (vgl. Tabelle 2 aus REK Uecker-Randow 2002: 19). Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 55

Ein Großteil der beschriebenen Landschaftseinheiten sind als Natur- oder Landschafts- schutzgebiete ausgewiesen und zugleich Bestandteile des Naturparks Am Stettiner Haff. Seit 2012 befindet sich der Sitz der Naturparkverwaltung in unmittelbarer Nähe zum Eggesiner Bahnhof (vgl. Haescher 2011: 47). Trotz der vielfältigen naturräumlichen Gliederung und landschaftlichen Abwechslung ge- genüber dem vorgelagerten Küstenbereich Vorpommerns steht die Region um Eggesin, Torge- low und Ueckermünde in ihrer Attraktivität weit hinter den Ostseeregionen. Dennoch bieten das Stettiner Haff, die großen Waldflächen der Ueckermünder Heide und sonstigen störungsar- men Freiräume nicht nur ein umfassendes natur- und landschaftsräumliches, sondern auch tou- ristisches Potential. (Vgl. REK Uecker-Randow 2002: 37)

Tourismus

Die abwechslungsreiche Natur- und Kulturlandschaft Eggesins und Umgebung (vgl. Abschnitt 5.1.4) besitzt die besten Voraussetzungen zur vielfältigen touristischen Nutzung. Zu den Poten- tialen der Region zählen besonders folgende touristische Themen: Natur und Wildnis, Wasser, grenzüberschreitender Tourismus, Kultur, Familientourismus, Landurlaub und Tagestouris- mus. (Vgl. LAG 2015: 29-31) Die hierfür zwingend erforderlichen touristischen Wegenetze sind grundsätzlich positiv zu bewerten. Die Region besitzt einen umfassenden Bestand an Rad-, Wander-, Reit- und Wasser- wanderwegen (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 50). Als Beispiele hierfür sind der Rundwan- derweg um den Eggesiner See mit Naturlehrpfad oder die Wasserwanderrastplätze in Eggesin und Torgelow zu nennen. Defizite bezüglich des Wegenetzes bestehen lediglich in der internen Verflechtung (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 50). Wenngleich die durchschnittlichen touristischen Kennzahlen in der Gesamtregion Am Stet- tiner Haff im Zeitraum von 2006 bis 2013 gestiegen sind, treten zum einen große regionale Unterschiede auf, zum anderen lag die Auslastung der Betriebe im Jahr 2013 deutlich unter dem Landesdurchschnitt (Region 16,96 %; Land M-V 26,66 %) (vgl. LAG 2015: 29-30). Dass es beträchtliche lokale Unterschiede gibt, kann durch einen genaueren Blick auf die touristischen Kennzahlen für Ueckermünde, Torgelow und Eggesin aus dem Jahr 2014 bestätigt werden (vgl. StatA MV 2014d). In der Stadt Ueckermünde sind im Gegensatz zu Torgelow sowie Eggesin nicht nur die höchste Anzahl an Beherbergungsbetrieben und Schlafgelegenhei- ten, sondern auch die meisten Gästeankünfte sowie -übernachtungen auszumachen (vgl. Tab. 5-2). Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 56

Tab. 5-2: Touristische Kennzahlen der Städte Ueckermünde, Torgelow und Eggesin aus dem Jahr 2014. Eigene Tabelle, 2016 (Datengrundlage vgl. StatA MV 2014d).

Beherbergungen einschl. Camping Stadt Ueckermünde Stadt Torgelow Stadt Eggesin Geöffnete Beherbergungsbetriebe 17 4 4

Angebotene Schlafgelegenheiten 1 955 107 91

Gästeankünfte 44 889 5 537 3 651

Gästeübernachtungen 150 256 11 391 6 792

Auch wenn in den letzten Jahren vermehrt Anstrengungen unternommen wurden, die gesamte Region besser zu vermarkten, ist das Stettiner Haff mit der Stadt Ueckermünde als Zentrum des regionalen Tourismus nach wie vor die wichtigste Destination (vgl. REK Uecker- Randow 2002: 80). Für die Regionen im Hinterland, wie Torgelow oder Eggesin, bedeutet dies, dass die Städte ihre Potentiale noch besser ausschöpfen sollten. Diesbezüglich mangelt es al- lerdings noch an konsequenten Angebotsspezialisierungen sowie -verflechtungen (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 88). Auch der grenzüberschreitende Tourismus mit seinen enormen Po- tentialen ist bisher unterwickelt, von vorhandenen Synergien wird bisher nur unzureichend Ge- brauch gemacht (vgl. REK Uecker-Randow 2002: 85). Nicht zuletzt führte die Ausweisung des Nationalparks Am Stettiner Haff zu einem höheren regionalen Bekanntheitsgrad. Um sowohl die regionalen als auch überregionalen Synergien vielversprechender nutzbar zu machen, die Zusammenarbeit zu stärken und die Aufgabentei- lung besser zu planen, sind weitere Kooperationen zwischen den Urlaubsregionen für die zu- künftige Entwicklung unerlässlich. (Vgl. REK Uecker-Randow 2002: 85)

5.2 Wie es dazu kam – Eggesin von damals bis heute

Jede Stadt hat ihre eigene Geschichte, welche unmittelbar die Gegenwart bestimmt. Die histo- rische Entwicklung prägte besonders im Fall Eggesins die Identität der Stadt. Daher werden im Folgenden die Entwicklungslinien aufgezeigt und zur Identifikation der Einflussfaktoren zur Verfügung gestellt.

Namensgebung und die ersten Siedler

Der Name Eggesin geht auf das wendische Wort Gizyn zurück, welches Zusammenfluss bedeu- tet und erstmalig auf einer landesherrlichen Urkunde aus dem Jahr 1216 erwähnt wurde (vgl. Graupner & Mietzner 2000: 7; Heidschmidt et al. 2011: 14). Da slawische Namen üblicher- weise auf eine Beschreibung des Landschaftsbilds zurückzuführen sind, kann angenommen Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 57 werden, dass damit das Zusammentreffen der beiden Flüsse Uecker und Randow gemeint ist (vgl. Heidschmidt et al. 2011: 14). Aus der Urkunde geht ebenso hervor, dass die damalige Siedlung dem Kloster Grobe auf geschenkt wurde. Folgerichtig ist anzunehmen, dass zum Zeitpunkt der Schenkung das kleine Dorf schon existiert hat und mit reichlich Leben ge- füllt war. (Vgl. Graupner & Mietzner 2000: 7) Obgleich eine frühe Besiedelung durch Funde aus der jüngeren Steinzeit nachgewiesen ist, geht die Gründung des Dorfes zweifellos auf die Wenden zurück. Im Laufe der Jahre veränderte sich der Name Gizyn zu Exinn, danach über Ecsin schließlich zu Eggesin. (Vgl. Pape et al. o. J.: 15) Anfänglich besiedelten Bauern und Teerschweler das Dorf. Die alte und mittlerweile fast vergessene Berufsgruppe der Teerschweler nutzte das Holz der Kiefernwälder, um mit Hilfe des daraus gewonnen Harzes Glas zu produzieren. (Vgl. Hausberg 2003: 27) Nach langjährigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Brandenburg und Pommern ging das Gebiet der Uckermark, das bis Eggesin reichte, um 1250 in Brandenburger Hände über. Viele weitere Bau- ern und Bürger besiedelten das Land. In den Folgejahren blieb das Gebiet nach wie vor lange Zeit umkämpft. Die Bewohner waren somit stets Hunger und Elend ausgesetzt. Erst mit der Schließung eines Friedensvertrags im Jahr 1493 kehrte für ca. 150 Jahre Ruhe ein. (Vgl. Pape et al. o. J.: 15-16) Nach einem erneuten Krieg zwischen Schweden und der Provinz Pommern während des Dreißigjährigen Kriegs, den damit einhergegangenen grausamen Menschenmorden, Hungers- nöten, Seuchen und gänzlich verwüsteten Landstrichen lebten in Eggesin nur noch fünf Bauern. Für mehrere Jahrzehnte befanden sich Eggesin und Umland fortan unter schwedischer Herr- schaft. Währenddessen zogen weitere Kriege durchs Land: Im Jahr 1655 begann der Schwe- disch-Polnische Krieg, nur 20 Jahre später unterlagen die Schweden im Kampf gegen Brandenburg. Von 1700 bis 1720 tobte der Nordische Krieg durch die Region, bei dem die Schweden von Polen und Russen endgültig geschlagen wurden. Gegen eine Zahlung von 400 000 Talern konnte der damalige preußische Soldatenkönig die Region Vorpommern von den Russen abkaufen und auch über den Friedensschluss 1720 hinaus behalten. (Vgl. Pape et al. o. J.: 18-23) Geprägt von unzähligen Kriegen, Feindseligkeiten und wiederkehrendem Elend konnte in Eggesin nach über 100 Jahren wieder ein friedlicheres Leben geführt werden. Die frühere Kir- che hatte zwar die Kriege überstanden, wurde in den Folgejahren allerdings baufällig. So kam es im Jahr 1731 zur Einweihung eines neuen Gotteshauses in Fachwerkbauweise (vgl. Abb. 5-3). Nach multipler Nutzung als Kirche, Schulgebäude und Turnhalle ist das Ge- bäude bis heute erhalten geblieben. (Vgl. Heidschmidt et al. 2011: 17; Graupner & Mietzner Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 58

2000: 8) Im Jahr 1749 wurde der Ortsteil Hoppenwalde als klassisches Kolonistendorf gegrün- det. Die Pfälzer Kolonisten bekamen vom Staat Gebäude und Hofwehr geschenkt. Als Gegen- leistung mussten sie Abgaben zahlen und das Land bebauen. Erst im Jahr 1848 wurden die Kolonisten freie Eigentümer ihrer Höfe. (Vgl. Heidschmidt et al. 2011: 21)

Abb. 5-3: Die alte Kirche Eggesins. Abbildung aus Pape et al. o. J.: 84.

Industrialisierung bis Ende des Zweiten Weltkriegs

Vor einer weiteren kriegerischen Fehde von 1870 bis 1871 – dem Deutsch-Französischen Krieg – brachte die Entdeckung reichlicher Tonverkommen einen wirtschaftlichen Auf- schwung in die Region (vgl. Graupner & Mietzner 2000: 8). Der Tonabbau war Voraussetzung für die Entstehung von Ziegeleien, die für etwa ein Jahrhundert lang vielen Arbeitern einen gesicherten Lebensunterhalt verschaffen konnten. Die sich daraus entwickelte Industrie strahlte eine hohe Anziehungskraft auf Zuwanderer aus, woraufhin sich die Einwohnerzahl von ca. 1 120 im Jahr 1860 auf ca. 2 771 im Jahr 1910 mehr als verdoppelte. (Vgl. Pape et al. o. J.: 131) Zur Blütezeit des Tonabbaus existierten in Eggesin sieben Ziegeleien. Einige konn- ten sich bis ca. 1958/61 halten, doch mit jeder weiteren Ziegelei, die im Laufe der Zeit geschlos- sen wurde, verschwand sukzessive auch der Beruf des Zieglers (vgl. Graupner & Mietzner 2000: 8-9). Die weitreichenden Kiefernwälder auf den Sandböden der Ueckermünder Heide brachten im Zuge der Holzverarbeitung ein weiteres industrielles Standbein nach Eggesin. Die Lang- Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 59 holzfahrer, die im Winter die schweren Kiefernstämme auf Schlitten aus dem Wald transpor- tierten, waren seiner Zeit ein vertrauter Anblick (vgl. Abb. 5-4). Da noch kein Schienenverkehr existierte, wurde das in den Sägewerken bearbeitete Holz zu Beginn auf dem Wasserweg ver- schifft und erst ein paar Jahre später in Eisenbahnwaggons ausgeliefert. Die aufstrebenden Kahnschiffer, die sich die Holzauslieferung zum Beruf machten, brachten weiteren Wohlstand in die Region (vgl. Heidschmidt et al. 2011: 14). Die Holzproduktion stand auch zu Zeiten der DDR noch im Vordergrund, verschwand allerdings mit der politischen Wende vollständig. (Vgl. Graupner & Mietzner 2000: 9)

Abb. 5-4: Ein Langholzwagen mit vorgespannten Pferden. Abbildung aus Pape et al. o. J.: 124.

Durch den Bahnanschluss 1884 nach Ueckermünde und Jatznik profitierten nicht nur die Zie- gel- und Holzindustrien (vgl. Heidschmidt et al. 2011: 14), sondern auch die Bewohner Egge- sins im Allgemeinen: Die Orte der Region waren schneller erreichbar, womit sich die Welt des Einzelnen größer anfühlte (vgl. Graupner & Mietzner 2000: 9). Der Reichtum einiger Familien kam allmählich immer deutlicher zum Vorschein. Insbesondere die angesehenen Ziegeleibesit- zer und Kahnschiffer, aber auch eine große Lehrerschaft, Fleischer und Bäcker, Schuhmacher sowie Postbeamte zählten zu den vermögenden und aufstrebenden Gesellschaftsschichten. Durch neue Bauwerke, die zusammen mit Staat und Kirche errichtet wurden, veränderte sich allmählich das „Gesicht“ Eggesins. (Vgl. Graupner & Mietzner 2000: 10) Auch heute fallen die damaligen Bauwerke aufgrund ihrer einheitlichen Gestaltung aus roten Backsteinen auf. Dazu zählen sowohl die neugotische Kirche mit ihrem 48 m hohen Turm aus dem Jahr 1911 (vgl. Heidschmidt et al. 2011: 14) als auch das Pastorenhaus, das Forsthaus und die alte Schule (vgl. Graupner & Mietzner 2000: 11). Oftmals wurden die mit Ornamenten, Simsen und Schriftzü- gen versehenen Gebäude auf Postkarten abgebildet und als Gruß aus Eggesin in Pommern in Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 60 die ganze Welt verschickt (vgl. Graupner & Mietzner 2000: 11). Ein weiterer großer Entwick- lungsschritt war die Elektrifizierung im Jahr 1913, was viele neue Errungenschaften ermög- lichte, wie bspw. Glühbirnen, Radios und diverse Haushaltsgeräte (vgl. Graupner & Mietzner 2000: 12). Mit Beginn des Ersten Weltkriegs (1914-1918) stagnierte die wirtschaftliche Entwicklung. Es wurde weniger gebaut und die lokalen Ziegeleien sowie Sägewerke waren schon bald nicht mehr konkurrenzfähig. Ansteigende Lohn- und Transportkosten, die Inflation sowie der Wäh- rungswechsel zur Reichsmark taten ihr Übriges. Zusätzlich wirkte sich der Transportweg auf der Oder nachteilig für die hiesige Kahnschifffahrt aus. (Vgl. Kuna & Kuna 2002: 31-32) Die politischen Bewegungen von der Weimarer Republik bis ins Jahr 1945 hielten auch in Eggesin Einzug. Wie überall in Deutschland wurde demonstriert und darüber diskutiert, wie das Leben im Land verbessert werden könnte – doch letztendlich ordnete man sich auch hier der mächtigsten Partei unter. Es gab neue Gesetze und Verordnungen, Tapfere, die sich gegen die Verfolgung bestimmter Gruppen stellten und welche, die ihre Meinung wie die Fahne im Wind wechselten. (Vgl. Graupner & Mietzner 2000: 12) Das architektonische Fachwerk-En- semble der heutigen Karl-Marx-Straße stammt aus dieser Zeit und wurde zeitgleich mit dem Bau der Munitionsfabriken in den Wäldern um Eggesin errichtet. So diente die Siedlung der Unterbringung vieler Dienstverpflichteter, denen es aufgrund der Entfernung zu ihrem ur- sprünglichen Wohnort nicht möglich war, tagtäglich zur Arbeit zu gelangen. Unter ihnen be- fanden sich zahlreiche Menschen aus Polen oder der Ukraine. Im Gegensatz zu den meisten Eggesiner Verkehrswegen, die hauptsächlich aus Sand bestanden, waren die Verkehrswege die- ser Siedlung bereits aus Beton gefertigt. Zudem gab es mit einem Kinosaal und einer Gaststätte auch ein eigenes kulturelles Herzstück. Da sich seit dem Bau der Betonstraßen im Jahr 1937 nur wenig veränderte, kann Eggesin über einen dieser Wege sogar heute noch erreicht werden. (Vgl. Graupner & Mietzner 2000: 13) In den Munitionsfabriken wurde unter strikter Geheim- haltung Sprengstoff für Granaten und Bomben produziert. Die Tarnung im Wald war so effek- tiv, dass selbst auf Luftaufnahmen keine dieser Fabriken ausgemacht werden konnte. Im Februar 1943 kam es allerdings in einer der Fabriken zu einer verheerenden Explosion, bei der 42 Menschen starben. Nach dem Krieg wurde der Fabrikkomplex durch Truppen der Roten Armee gesprengt. Die ökologischen Auswirkungen dieser Sprengungen auf den Wald sind bis heute allgegenwärtig. (Vgl. Hausberg 2003: 27)

Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 61

Die Zeit nach dem Krieg: Militärstandort Eggesin

Verantwortliche sowjetische Offiziere und Offiziere der Kasernierten Volkspolizei der DDR definierten die Wälder der Ueckermünder Heide als geeignetes Militärgebiet (vgl. Graupner & Mietzner 2000: 14). Demnach wurde Eggesin 1952 Standort der Kasernierten Volkspolizei, später Garnison der Nationalen Volksarmee (NVA) sowie einer Panzerdivision (vgl. Hausberg 2003: 27). Infolge der Militäransiedlung kam es zum verstärkten Aufbau industrieller Infra- struktur und handwerklicher Produktionsstätten (vgl. Heidschmidt et al. 2011: 15), wie bspw. ein Werk für Elektromotoren (ELMO). Das Werk hatte seinerzeit hochmoderne Anlagen und weit über 1 000 Mitarbeiter. Ein Großteil der Beschäftigten waren die Frauen der stationierten Soldaten, denen so die Möglichkeit gegeben wurde, etwas dazuzuverdienen. (Vgl. Hausberg 2003: 32) Folglich musste für einen Großteil der insgesamt 15 000 stationierten Berufssoldaten und ihren Familien ausreichend Wohnraum geschaffen werden. Im Umkreis von Eggesin ent- standen im Laufe der Zeit mehrere Siedlungen – zuerst die Holzhäuser der Wohnsiedlung Kar- pin, danach wurden in den 1970er Jahren die ersten Neubauten in Plattenbauweise errichtet. (Vgl. Hausberg 2003: 27) Da mit dem Anteil junger Familien zugleich die Zahl der Kinder stieg, reichte schon bald die alte Dorfschule nicht mehr aus. Für die kinderreiche Stadt mussten demzufolge vier neue Schulen gebaut werden. (Vgl. Graupner & Mietzner 2000: 15) Als wichtigste Garnison der DDR wurde dem Dorf 1966 anlässlich der 750-Jahrfeier das Stadtrecht verliehen (vgl. Heidschmidt et al. 2011: 15). Nichtsdestotrotz entstanden hinsichtlich der regionalen Abge- schiedenheit folgende Bezeichnungen: „Autonome Panzerrepublik Eggesin“ oder das „Land der drei Meere: Waldmeer, Sandmeer, gar nichts mehr“ (Kegler 2004: 21; Hausberg 2003: 28).

Schichtwechsel: Die Bundeswehr nach der politischen Wende

Nach der Wiedervereinigung trat die Bundeswehr die Nachfolge der NVA an (vgl. Hausberg 2003: 28), seitdem ist die militärische Prägung früherer Tage Vergangenheit (Heidschmidt et al. 2011: 15). Die NVA-Kasernen wurden zwar noch aufwändig nach Bundeswehr-Standard umgebaut 5 (vgl. Hausberg 2003: 29), durch Umstrukturierungsmaßnahmen verringerte sich je- doch die Zahl der Bundeswehrsoldaten stetig (vgl. Haescher 2011: 46; Hausberg 2003: 29; Staud 2002: 1). Die dadurch fehlenden Arbeitskräfte wirkten sich auch auf das ELMO-Werk aus, das nach der Wende abgewickelt und durch die Hanning-Elektro-Werke ersetzt wurde (vgl. Hausberg 2003: 32). Die Gärtnerei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG)

5 Nach einem Artikel der Zeit-Online wurden mehr als 100 Millionen Mark investiert (vgl. Staud 2002: 1). Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 62 musste ebenso wie der Sägebetrieb des Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebs die Arbeit einstel- len. Auch die Deutsche Reichsbahn baute etliche Stellen ab. (Vgl. Graupner & Mietzner 2000: 17-18) Neben den wirtschaftlichen Auswirkungen führte der einhergehende Bevölkerungsver- lust ebenso zu einem Rückgang der Schülerzahlen und in der Folge zur Schließung des Egge- siner Gymnasiums unmittelbar nach der Wende (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 95). Im Jahr 2002 kam es aufgrund der Bundeswehrreform zur Schließung der Vorpommern-Kaserne in Eg- gesin. Kurze Zeit darauf zogen auch die Soldaten der zweiten großen Kaserne ab. Der Bürger- meister Eggesins schrieb Petitionen und organisierte Protestaktionen – war doch die Bundeswehr seiner Zeit nicht nur größter Arbeitsgeber, sondern auch größter Lehrbetrieb und Auftraggeber – allerdings ohne Erfolg. (Vgl. Hausberg 2003: 29; Staud 2002: 1) Der Standort schrumpfte von ehemals noch 1 800 Bundeswehrsoldaten weiter auf 55 (vgl. Preissler 2001). Immerhin machte die Bundespolitik der Region zwischenzeitlich Hoffnung: Es gebe „hin- reichende Sicherheit“ (Staud 2002: 1), die Kasernen zu erhalten, sagte der damalige Bundes- kanzler Gerhard Schröder, als er zusammen mit seinem Verteidigungsminister Rudolf Scharping im Jahr 2000 durch den Osten Deutschlands reiste und auch in Eggesin haltmachte, um seinen „Dank und Respekt“ (Staud 2002: 1) auszudrücken. Von den Berufssoldaten der NVA, der ehemals größten einheimischen Berufsgruppe, wurden ohnehin nur ca. 6 % in die Bundeswehr übernommen, woraufhin die Arbeitslosenquote bis 2003 auf ca. 20 bis 25 % an- stieg. Viele der früheren NVA-Soldaten wurden in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gesteckt oder machten Umschulungen. Diejenigen, die in der Bundeswehr weiterarbeiten durften, sahen sich fortwährend einem politisch bedingten, massiven Stellenabbau und somit einer unsicheren Zukunft konfrontiert. (Vgl. Hausberg 2003: 30) Aufgrund der wirtschaftlichen Situation zogen die meisten Menschen auf der Suche nach Arbeit aus Eggesin weg. Laut Dennis Gutgesell, dem stellvertretenden Landrat und Ex-Bürgermeister Eggesins, sind aus seiner ehemaligen Schul- klasse nur drei Leute in ihrer Heimatstadt geblieben. (Vgl. Haescher 2011: 46) Jedwede Versu- che größere Betriebe anzusiedeln, wie z. B. ein Fachglaswerk aus Japan, eine Besteckfabrik aus Solingen oder Produktionshallen des Automobilherstellers BMW, konnten nicht verwirklicht werden (vgl. Preissler 2001). Da vermehrt junge und beruflich höher qualifizierte Leute abwan- derten, fehlten folglich wichtige Arbeitskräfte, um Wirtschaftswachstum zu generieren (vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 95). Der starke Bevölkerungsverlust hielt auch im Wohnungswesen Einzug, sodass in manchen Blöcken ein Leerstand von einem Drittel, teilweise sogar mehr herrschte (vgl. Hausberg 2003: 30). Mithilfe erarbeiteter Maßnahmen aus dem Entwicklungskonzept des Bundeswettbewerbs Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 63

Stadtumbau Ost wurden mittlerweile über 550 Wohnungen zurückgebaut, teilweise ganze Blö- cke abgerissen. An deren Stelle entstanden z. T. weiträumige Grünflächen. Durch die Sanie- rung, den Rückbau sowie Abriss unzähliger Wohnungen trägt Eggesin zwar eine große finanzielle Last, andernfalls aber hätte sich die Stadt in eine Ruine verwandelt. So konnte der Wohnungsleerstand allein im Zeitraum von 2009 bis 2011 von 16,8 % auf 9,9 % reduziert wer- den. (Vgl. Haescher 2011: 47) Am 30. September 2015 wurde schließlich der Kasernenstandort Eggesin-Karpin an den Bund übergeben (vgl. Krause 2015). Teile des traditionsreichen Lo- gistikbataillons 142 (die „letzten Mohikaner“ Diekhoff 2014) verließen das Gelände ebenso wie das Sanitätszentrum. Im Zuge der Flüchtlingskrise Ende 2015 unterzog das Innenministerium den Kasernenstandort einer Prüfung zur weiteren Nutzung als Erstaufnahmelager (vgl. Krause 2015).

5.3 Einflussfaktoren in Eggesin

Zusammenfassend haben besonders der Abzug des Militärs sowie die politische Wende demo- grafisch wie auch wirtschaftlich tiefe Einschnitte hinterlassen. Darüber hinaus sind nahezu alle allgemeinen Probleme von ostdeutschen Kleinstädten in peripheren Lagen (vgl. Kap. 2.5) auch auf Eggesin übertragbar. Dieser Zusammenhang verdeutlicht den bereits fortgeschrittenen Schrumpfungsprozess (vgl. Kap. 2.3) und offenbart die Faktoren, die Eggesin nicht nur gegen- wärtig maßgeblich beeinflussen, sondern denen gleichzeitig besondere Schlüsselrollen für die Zukunft der Stadt zuteilwerden. Dessen ungeachtet haben sich ebenso deutliche Potentiale in den Bereichen Natur und Landschaft sowie Tourismus herausgestellt. Dementsprechend können die in Abbildung 5-5 dargestellten Hauptprobleme identifiziert werden. An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Gesamtproblematik in Eggesin als Prozess gesehen werden muss, wobei sich die Wirkfaktoren und deren Ursachen untereinander beein- flussen und gegenseitig verstärken können. Da die aufgeführten Einflussfaktoren unmittelbar mit der ersten Leitfrage, welche Probleme (Ursachen und Wirkfaktoren) Eggesin charakterisie- ren, verknüpft sind, wird diese im Zuge dessen beantwortet.

Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren (Jonathan Nickl) 64

Abb. 5-5: Einflussfaktoren in Eggesin: Ursachen und Wirkungen der Gesamtproblematik. Eigene Abbildung, 2016.

Abbildung 5-5 zeigt weiterhin, dass die hier herausgearbeiteten Einflussfaktoren inhaltlich den im Seminar erarbeiteten Faktoren Bevölkerungsentwicklung, Daseinsvorsorge, Wirtschaft so- wie sozialer Zusammenhalt entsprechen. Der zusätzliche Faktor zentralörtlicher Funktionsver- lust aus Abbildung 5-5 war lediglich Bestandteil des Faktors Daseinsvorsorge und die kommunale Finanznot zählte im Seminar größtenteils zur Wirtschaft (vgl. Anhang A). Somit kann davon ausgegangen werden, dass die Situation in Eggesin bereits im Seminar vollständig erfasst wurde. Im weiteren Verlauf des Szenarioprozesses werden die Einflussfaktoren des Se- minars mit Hilfe von Interviews vertieft und gedanklich in die Zukunft projiziert (vgl. Kap. 6). Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 65

6 Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl)

Die Interviews zielten darauf ab, einerseits ein Feedback zur Relevanz der identifizierten Ein- flussfaktoren (vgl. Kap. 5.3) zu bekommen und andererseits situative Meinungen und alltags- praktisches Wissen der Einwohner Eggesins in Erfahrung zu bringen. In Anlehnung an die theoretischen Grundlagen der Szenariotechnik (vgl. Kap. 3.4) wurde damit eine vertiefende Analyse und Gewichtung der Einflussfaktoren vorgenommen, um darauf aufbauend Zukunfts- szenarien generieren und ggfs. wünschenswerte Entwicklungen berücksichtigen zu können. Darüber hinaus ermöglichten die Interviews, den UniDorf-Ansatz zu verfolgen, in die örtlichen Lebenswelten Eggesins „einzutauchen“ und die Bewohner durch den partizipativen Charakter gleichzeitig in die Ausrichtung der Szenarien einzubeziehen. Im weiteren Verlauf folgen zuerst detaillierte Informationen zum Interviewleitfaden, den durchgeführten Interviewarten und teilnehmenden Gruppen sowie zur Vorgehensweise bei der Durchführung der Interviews (vgl. Kap. 6.1 bis 6.3). Kapitel 6.4 widmet sich der Auswertung und Interpretation der Interviewergebnisse. In Kapitel 6.5 werden die prägnantesten Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert.

6.1 Kurzfragebogen und Interviewleitfaden

Um ein einheitliches Vorgehen aller Seminarteilnehmer innerhalb der Projektwoche zu gewähr- leisten und die im Absatz zuvor definierten Ziele zu erreichen, wurden ein Kurzfragebogen sowie Interviewleitfaden angefertigt. Ein Interviewleitfaden dient dazu, die Interviewten an die Thematik heranzuführen und den Einstieg ins Gespräch möglichst einfach zu gestalten (vgl. Kurz et al. 2009: 471). Innerhalb des Kurzfragebogens wurden die demografischen Daten Name, Geschlecht, Alter, Wohndauer, schulischer bzw. beruflicher Abschluss sowie Beruf erfasst (vgl. Anhang A). Die nachfolgenden Themenbereiche des Interviewleitfadens entsprechen den identifizierten Ein- flussfaktoren Bevölkerungsentwicklung, Daseinsvorsorge, Wirtschaft und sozialer Zusammen- halt, die um den Punkt Potentiale (vgl. Kap. 5.3) sowie einer persönlichen offenen Frage zum Abschluss erweitert wurden. Die Vorgehensweise innerhalb der genannten vier Einflussfaktoren folgt dabei einem klaren Muster: Die erste Frage beinhaltet eine Einschätzung zur Relevanz des jeweiligen Einflussfak- tors bezogen auf die Zukunft auf einer Skala von 0 (gar nicht wichtig) bis 4 (sehr wichtig). Die zweite Frage innerhalb eines Komplexes ist offen formuliert und zielt auf eine Einschätzung der gegenwärtigen Situation ab. Den Abschluss bildet jeweils eine weitere offene Frage zur Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 66

Prognose bis ins Jahr 2035 bzw. zur Verbesserung der allgemeinen zukünftigen Entwicklung. Die Ausgestaltung im darauffolgenden Themenblock Potentiale unterscheidet sich leicht von den zuvor erläuterten Fragen. So fehlt die erste Frage mit der einleitenden Einschätzung per Skala, zusätzlich wird explizit nach positiven Entwicklungen gefragt für den Fall, es erfolgen ausschließlich negative Einschätzungen durch die Befragten (vgl. Anhang A). Die Inhalte und Formulierungen der Fragen wurden bis zur finalen Konzeption des Leitfa- dens in der Gruppe diskutiert und ggfs. modifiziert. Der Kurzfragebogen und Interviewleitfaden inkl. einer einleitenden Erläuterung zum Interview befinden sich unter Anhang A.

6.2 Interviewarten und -gruppen

Im Laufe der Befragung wurden sowohl Fokusgruppengespräche und Experteninterviews als auch sonstige Interviews durchgeführt (vgl. Tab. 6-1). Fokusgruppen sind moderierte Gesprächsrunden mit partizipativem Charakter und haben das Ziel, eine begrenzte Teilnehmerzahl in eine freie Diskussion über bestimmte Themen ein- zubinden (vgl. Schulz 2012: 9; Mayerhofer 2009: 479). Es kommt nicht darauf an, eine Über- einstimmung zwischen den Teilnehmern zu erreichen (vgl. Schulz 2012: 9), sondern möglichst viele Facetten und Erkenntnisse hinsichtlich Meinungen, Einstellungen, Wünsche und Ideen über ausgewählte Themen zu gewinnen (vgl. Snoy 2012: 249). Da eine erfolgreiche Fokus- gruppe maßgeblich von einer sorgfältigen Teilnehmerauswahl bestimmt wird (vgl. Snoy 2010: 94), wurden im Rahmen dieses Projekts bewusst die Einwohner Eggesins als Betroffene zu Gesprächen eingeladen. Bei der Zusammenstellung der Teilnehmer sollte zudem beachtet werden, dass negative Gruppeneffekte minimiert werden. Die Funktionalität einer Fokusgruppe ist am besten gewährleistet, wenn die Gesprächspartner in Bezug auf sozioökonomische sowie demografische Besonderheiten eine gewisse Homogenität aufweisen. (Vgl. Schulz 2012: 95; Snoy 2010: 95; Bohnsack & Przyborski 2009: 498; Mayerhofer 2009: 482) Solche Konstella- tionen fördern nicht nur die Kommunikation der Gruppenteilnehmer untereinander, sondern regen auch zu ehrlichen und offenen Antworten an (vgl. Schulz 2012: 14). Ferner sollten die Gespräche an neutralen Orten mit einer angenehmen Atmosphäre durchgeführt werden (vgl. Snoy 2010: 95). Bezüglich der Teilnehmerzahl betrachten Snoy (2012) und Mayerhofer (2009) sechs bis zehn Teilnehmer als Idealgröße (vgl. Snoy 2012: 250; Mayerhofer 2009: 480). Experteninterviews sind Gespräche mit Personen aus bestimmten Themenbereichen bzw. Fachgebieten. Die Inhalte dieser Interviews fokussieren sich dementsprechend auf einen spezi- ellen Wissensstand (vgl. Pfadenhauer 2009: 451). Ein Experte kann innerhalb eines Themen- bereichs nicht nur Problemlösungen anbieten, sondern verfügt in der Regel auch über fundierte Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 67

Kenntnisse, die ihn befähigen, sowohl Ursachen als auch Lösungsprinzipien zu erkennen (vgl. Pfadenhauer 2009: 452). Zu den sonstigen Interviews zählen Erhebungen, die aufgrund ihrer Struktur und der spon- tanen Teilnehmerauswahl weder den Fokusgruppengesprächen noch Experteninterviews zuge- ordnet werden können.6 Die Auswahl der zu befragenden Gruppen bzw. Einzelpersonen übernahmen die Projektlei- ter Herr Prof. Peter Dehne und Frau Anja Neubauer von der Hochschule Neubrandenburg sowie Enrico Stahlkopf vom Landkreis Vorpommern-Greifswald. Der Eggesiner Reinhard „Kurti“ Höhn zeigte sich für die Organisation der Termine verantwortlich. Folgende Tabelle (vgl. Tab. 6-1) verschafft einen Überblick in welchen Bereichen Interviews geführt wurden, welcher Interviewart diese zugeordnet werden können und wieviel Personen daran teilgenom- men haben.

Tab. 6-1: Befragte Gruppen bzw. Personen, Interviewarten und Anzahl der befragten Teilnehmer im Überblick. Eigene Tabelle, 2016.

Bereiche Interviewarten Anzahl Befragte Gruppen bzw. Fokusgruppen- Experten- Sonstiges Teilnehmer Einzelpersonen gespräch interview Interview Vertreter der Wirtschaft ƒ Bike-Manufaktur X 1 ƒ Angelköder (Online-Versand) X 1 ƒ Drogerie X 2 ƒ Zeitungskiosk X 1 ƒ Landwirtschaft X 3 Kultur & Vereine ƒ Jugendzentrum X 2 ƒ Zeitbank X 1 ƒ Sportverein X 1 ƒ Volkssolidarität X 12 Vertreter der Verwaltung ƒ Ehrenamtliche Stadtvertreter X 4 ƒ Stadtverwaltung X 4 Jugendliche X 7 Flüchtlinge X 4 Spontane Straßeninterviews X 4

6 Einige der spontan gewählten Interviewpartner konnten nicht die Zeit aufbringen, die für eine lückenlose Durchführung des gesamten Interviewleitfadens nötig gewesen wäre. Infolgedessen konnten nicht immer alle Themenbereiche mit der erforderlichen Intensität thematisiert werden. Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 68

6.3 Durchführung der Interviews

Die Qualität eines Interviews hängt maßgeblich von den Fähigkeiten des Moderators ab, dem bei der Gesprächsführung eine „Schlüsselrolle“ (Mayerhofer 2009: 482) zukommt. Generell soll der Moderator offen sowie kommunikativ sein und ein umfassendes thematisches Wissen aufweisen (vgl. Mayerhofer 2009: 482). Besonders bei Gesprächsrunden mit mehreren Perso- nen (vgl. Abb. 6-1) muss die Moderation darauf achten, alle Teilnehmer gleichermaßen ins Ge- spräch einzubeziehen, d. h., die Gruppe nicht von einer Person dominieren zu lassen und passive Personen zur aktiven Teilnahme zu animieren (vgl. Schulz 2012: 15; Mayerhofer 2009: 481). Darüber hinaus ist es wichtig, inhaltliche Stellungnahmen zu unterlassen, Fragen nicht an Einzelne, sondern ausschließlich an die Gruppe zu richten und eine individuelle Kom- munikation zwischen Teilnehmer und Moderator zu vermeiden (vgl. Schulz 2012: 16; Bohnsack & Przyborski 2009: 499-500). Bei Experten- oder sonstigen Einzelinterviews sollte das Gespräch zudem möglichst den klassischen Gepflogenheiten des normalen „Miteinander- Redens“ (Pfadenhauer 2009: 453) entsprechen.

Abb. 6-1: Die drei Studierenden Georg Barcinski, Jonathan Nickl und Jan Burmeister im Gespräch mit der Eggesiner Volkssolidarität (von rechts nach links). Foto: Anja Neubauer, 2015.

Für die Durchführung der Interviews teilten sich die insgesamt 12 Studierenden zuvor in vier Kleingruppen zu je drei Personen auf. In einem weiteren Schritt wurden die zu befragenden Teilnehmer (vgl. Tab. 6-1) diesen Kleingruppen zugeordnet. Hinsichtlich der o. g. Anforderun- gen war es erforderlich, die Wahl des Moderators einer sach- sowie fachlichen Beurteilung zu unterziehen (vgl. Mayerhofer 2009: 487). Demnach zeigte sich innerhalb der studentischen Ar- beitsgruppen im Sinne einer gruppeninternen Evaluierung jeweils eine Person für die Modera- tion, eine weitere für die Protokollierung des Gesprächs verantwortlich. Die dritte Person diente Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 69 der allgemeinen Absicherung bzw. Unterstützung. Der Interviewleitfaden (vgl. Kap. 6.1 & An- hang A) gewährleistete ein einheitliches Vorgehen im Gespräch und war zudem eine inhaltliche sowie gedankliche Orientierungshilfe. Die Interviews fanden an verschiedenen Orten in Egge- sin und Umgebung statt.

6.4 Auswertung und Interpretation der Interviewergebnisse (Jan Burmeister & Jonathan Nickl)

Die Ergebnisse der Befragungen werden unabhängig von der Interviewart (vgl. Kap. 6.2) in ihrer Gesamtheit dargestellt. Eine Unterscheidung ist angesichts der inhaltlichen Konstanz und dem Zweck der Interviews nicht zwingend notwendig. Dementsprechend wurde bewusst auf eine methodische „[...] Typenbildung [...]“ nach „[...] milieu-, geschlechts- oder generations- spezifischer Art“ (Bohnsack & Przyborski 2009: 502) verzichtet. Innerhalb des Abschnitts zum Kurzfragebogen erfolgt die Auswertung demografischer Da- ten (Geschlecht, Alter, Wohndauer sowie schulischer und beruflicher Abschluss; vgl. Abschnitt 6.4.1). Namen und Berufe der Gesprächsteilnehmer werden zur Wahrung der Anonymität im Rahmen dieser Arbeit nicht ausgewertet. -Darauffolgend werden die Ergebnisse aus den Themenbereichen (ؙEinflussfaktoren) Be völkerungsentwicklung, Daseinsvorsorge, Wirtschaft und sozialer Zusammenhalt sowie aus den Erweiterungen Potentiale und der persönlichen Frage thematisiert (vgl. Abschnitt 6.4.2 bis 6.4.7). Für jeden einzelnen Einflussfaktor wird zu Beginn das Ergebnis zur Frage, welche Re- levanz der jeweilige Faktor für die Zukunft Eggesins hat, abgebildet. Bei der Stimmenvertei- lung wurden sowohl Gruppen als auch Einzelpersonen mit je einer Stimme gewertet. Die Personenanzahl innerhalb einer Gruppe blieb somit unberücksichtigt. Die Auswertung aller weiteren offenen Fragen richtete sich nach Häufigkeit der genannten Antworten. Mayerhofer (2009) empfiehlt hinsichtlich der Auswertung offener Fragen, die „[...] getroffenen Äußerun- gen Kategorien zuzuordnen und durch Abstrahierung und Umformung zu grundsätzlichen bzw. typischen Aussagen zu gelangen“ (Mayerhofer 2009: 483). Demzufolge wurden einzelne Nen- nungen auf ihre Bedeutung hin untersucht, typisiert und entsprechend zugeordnet (vgl. auch Prinzip der „[...] thematische[n] Gliederung [...]“ nach Bohnsack & Przyborski 2009: 501). Trotz der o. g. Typisierung und Zuordnung war es vorgesehen, so viele ursprüngliche Aussagen wie möglich zu erhalten. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass über die Ergebnisdarstellung hinaus versucht wird, entweder Fakten zur Untermauerung vermeintlich widersprüchlicher Daten zu generieren oder Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 70

Erklärungsansätze auf interpretativer Basis bei unerwarteten Ergebnissen anzubieten. Alle ur- sprünglichen Nennungen bzw. Wortlaute können den jeweiligen Interviewprotokollen auf dem beiliegenden Datenträger entnommen werden.

Während der Projektwoche erfolgte die Auswertung der Interviews durch partizipative Rück- kopplung der Teilergebnisse in die Gesamtgruppe. Die gewonnenen Erfahrungen wurden ge- meinsam diskutiert, gleichzeitig schriftlich festgehalten und an einer großen Tafel zusammenfassend visualisiert (vgl. Abb. 6.2). Neben eigenen Eindrücken stellte dies eine zu- sätzliche Grundlage zur Entwicklung der Szenarien dar.

Abb. 6-2: Die Studierenden bei der gemeinsamen Auswertung der In- terviews während der Projektwoche unter Leitung von Prof. Dehne. Foto: Anja Neubauer, 2015.

Kurzfragebogen

An der Befragung nahmen insgesamt 47 Personen, verteilt auf 17 Gruppen, teil (vgl. Tab. 6-2). Darunter befanden sich 27 Frauen (57 %) und 20 Männer (43 %) (vgl. Abb. 6-3). Eine deutliche Mehrheit von 68 % der Befragten war zum Zeitpunkt der Erhebung älter als 50 Jahre. Knapp über ein Viertel aller Befragten befand sich im Altersbereich der 60- bis 69-Jährigen (26 %), gefolgt von den 50- bis 59-Jährigen (23 %). Die 30- bis 39- bzw. unter 20-Jährigen sind mit jeweils 15 % vertreten, gefolgt von den 70- bis 79- (13 %), den über 80- (6 %) sowie 20- bis 29-Jährigen (2 %). Innerhalb der Altersspanne von 40 bis 49 Jahren gab es keinen Interviewpartner (vgl. Abb. 6-4). Diese Altersverteilung spiegelt in etwa die Alters- struktur der gesamten Region wider (vgl. Abschnitt 5.1.1).

Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 71

Abb. 6-3: Geschlechterverteilung der Befragten Abb. 6-4: Altersstruktur der Befragten (n=47). (n=47). Angaben in absoluten Zahlen und Angaben in absoluten Zahlen und Prozent. Prozent.

Als zusätzliche Information wurde erhoben, wie lange die Befragungsteilnehmer bereits in Eg- gesin wohnhaft sind. Weit mehr als die Hälfte aller Befragten äußerten, schon mehr als 25 Jahre in Eggesin zu wohnen (60 %). Bis 25 Jahre wohnhaft in Eggesin waren neun der interviewten Personen (19 %). Weitere Nennungen sind den Kategorien bis fünf Jahre (15 %) sowie bis zehn Jahre (2 %) zuzuordnen, während zwei Gesprächspartner diesbezüglich keine Angaben mach- ten (4 %) (vgl. Abb. 6-5).

Abb. 6-5: Verteilung nach Wohnhaftigkeit in Abb. 6-6: Angaben über schulischen sowie Eggesin (n=47). Angaben in absoluten Zahlen und beruflichen Abschluss in absoluten Zahlen und Prozent. Prozent (n=47).

Ferner waren Personen, die keine Angabe zum schulischen sowie beruflichen Abschluss mach- ten, überdurchschnittlich häufig vertreten (30 %). Über ein Fünftel der Teilnehmer gab an, eine Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 72

Berufsausbildung (26 %) zu haben, 23 % ein Studium. Neun Personen besaßen weder einen schulischen noch beruflichen Abschluss (19 %). Eine Person war mit Abitur vertreten (2 %) (vgl. Abb. 6-6).

Bevölkerungsentwicklung

Für 94 % der befragten Gruppen oder Einzelpersonen besaß die Bevölkerungsentwicklung eine sehr wichtige bzw. wichtige Bedeutung für die zukünftige Entwicklung Eggesins. Lediglich eine Stimme (6%) hatte eine neutrale Meinung zur Relevanz der Bevölkerungsentwicklung. Die Antwortmöglichkeiten weniger wichtig und gar nicht wichtig wurden nicht genannt (vgl. Abb. 6-7).

Abb. 6-7: Ergebnisse zur Bedeutung der Bevölkerungsentwick- lung für die Zukunft von Eggesin (n=17 Gruppen/Personen). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent.

Wie schätzen Sie die Bevölkerungsentwicklung in Eggesin ein?

Mit insgesamt zehn Nennungen überwiegt die Antwort Wegzug der jüngeren Generation (vgl. Abb. 6-8). Der u. a. daraus resultierende hohe Altersdurchschnitt der Bevölkerung wurde ebenfalls angegeben und rangiert an zweiter Stelle (n=8). Die allgemeine Antwort Bevölke- rungsrückgang wurde am dritthäufigsten genannt (n=4). Dazu gehören, wie aus den Abschnit- ten 2.5.1 und 5.1.1 hervorgeht, nicht nur der Wegzug der Jugend, sondern auch die Verhältnisse von Geburten- und Sterberaten sowie allgemeine Zu- und Abwanderungen. Ebenfalls vier Nen- nungen erhielt der Mangel an Arbeits- und Ausbildungsplätzen, der zu einem großen Teil auch zum Wegzug der Jugend beitrug. Der Verlust des Militärstandorts kann mit drei Nennungen Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 73 aufgeführt werden, wobei dies vielmehr als Grund für den bereits genannten Bevölkerungs- rückgang betrachtet werden kann. Weitere Antworten waren Nachfolgeproblem (n=2), Zuzug von Flüchtlingen, steigende sowie sinkende Geburtenrate, mangelnde Bezahlung und als Folge eines starken Bevölkerungsrückgangs der Leerstand von Wohnungen (je n=1). Die widersprüchlichen Angaben zur steigenden bzw. sinkenden Geburtenrate (vgl. Abb. 6-8) können mit Blick auf die Zahlen des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vor- pommerns erklärt werden. Im Zeitraum von 1994 bis 2014 schwankte die Zahl der Lebendge- borenen zwischen 34 (2006) und 65 (1999). Generell ist über diese Zeitspanne hinweg weder eine kontinuierlich ab- noch zunehmende Zahl an Lebendgeborenen zu erkennen. In Anbetracht der aktuellsten Zahlen aus den Jahren 2013 (46) und 2014 (39) kann tendenziell von einer Ab- nahme der Lebendgeborenen gesprochen werden. (Vgl. StatA MV 2014e)

12 10 10 8 8 6 4 4 4 3 2 2 11111 0

Abb. 6-8: Nennungen zur Einschätzung der Bevölkerungsentwicklung in Eggesin (n=17 Gruppen/Personen mit 36 Nennungen). Angaben in absoluten Zahlen.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Bevölkerung Eggesins bis ins Jahr 2035 entwickeln? Welche Potentiale und Möglichkeiten sehen Sie?

Entsprechend der zweigeteilten Formulierung der Frage wurde auch die Auswertung in zwei Bereiche unterteilt (vgl. Abb. 6-9): Bevölkerungsentwicklung bis ins Jahr 2035 sowie Potenti- ale und Möglichkeiten. Den ersten Teil der Frage (vgl. Abb. 6-9, blaue Balken) sahen mit sieben Nennungen die meisten Interviewten mit einer allgemein negativen Tendenz behaftet, ohne diese näher spezi- fiziert zu haben. Jeweils drei Antworten fielen auf die Bevölkerungstendenzen Status Kleinstadt wie auch Status Dorf und auf einen weiterhin steigenden Altersdurchschnitt zurück. Laut einer Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 74

Meinung wird Eggesin in Zukunft nach wie vor mit Nachfolgeproblemen konfrontiert sein (z. B. hinsichtlich junger Mediziner; vgl. Abschnitt 5.1.2). Hinter der Nennung Status Kleinstadt verbergen sich die Meinungen, die von einer stagnie- renden Bevölkerungsentwicklung ausgehen, d. h. Eggesin werde bis ins Jahr 2035 keinen nen- nenswerten Einwohnerverlust notieren und Kleinstadt bleiben. Der Status Dorf beschreibt hingegen Meinungen, die von einem allgemeinen Bevölkerungsrückgang ausgehen, so dass Eggesin seinen bisherigen Stadtstatus verlieren würde. Eine nachträgliche Zuordnung der Ant- worten Status Dorf würden folgerichtig zugunsten der häufigsten Antwort der allgemeinen ne- gativen Bevölkerungsentwicklung erfolgen und diese auf insgesamt zehn Nennungen erhöhen.

8 7

6 4 4 4 333 2 2 1 11

0

Bevölkerungsentwicklung Potentiale und Möglichkeiten

Abb. 6-9: Nennungen zur Bevölkerungsentwicklung bis ins Jahr 2035, zu Potentialen und Möglichkeiten (n=17 Gruppen/Personen mit 29 Nennungen). Unter Ausschluss der Katego- rie keine Angabe (n=4) ergeben sich 13 Gruppen/Personen mit 25 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen.

Potentiale und Möglichkeiten (vgl. Abb. 6-9, grüne Balken) sahen die Interviewten vorrangig in einer zukünftigen Altersresidenz (n=4). Zwei Nennungen unter Arbeits- und Ausbildungs- plätze schaffen beschreiben den Schlüssel zu einer positiven Bevölkerungsentwicklung. Durch die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen kann demnach der Wegzug insbesondere junger Leute vermieden und gleichzeitig der Zuzug neuer Einwohner generiert werden. Mit jeweils einer Nennung wurden die Potentiale des Gemeindeverbunds U.T.E. sowie das Ehren- amt genannt. Vier der interviewten Gruppen bzw. Personen machten keine Angaben.

Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 75

Daseinsvorsorge

Den Themenbereich der Daseinsvorsorge schätzten 76 % der Befragten als sehr wichtig und wichtig für die Zukunft Eggesins ein. Je zwei Gruppen bzw. Einzelpersonen äußerten sich in dieser Hinsicht neutral oder gaben weniger wichtig an. Keiner der Interviewpartner erachtete die Daseinsvorsorge als gar nicht wichtig (vgl. Abb. 6-10).

Abb. 6-10: Ergebnisse zur Bedeutung der Daseinsvorsorge für die Zukunft von Eggesin (n=17 Gruppen/Personen). An- gaben in absoluten Zahlen und Prozent.

Wie schätzen Sie die Grundversorgung in Eggesin ein? Was bietet Ihnen Eggesin bzw. was vermissen Sie?

Die Frage zur gegenwärtigen Grundversorgung wurde aufgrund ihrer Komplexität und der ho- hen Anzahl an Nennungen in die vier inhaltlichen Teilbereiche Dienstleistungen (gelb), kultu- relle Einrichtungen (grün), Verkehrsinfrastruktur (schwarz) und Bildungseinrichtungen (blau) gegliedert (vgl. Abb. 6-11). Innerhalb der Dienstleistungen war bis auf eine Stimme der Großteil der Befragten der Mei- nung, dass die angebotenen Einkaufsmöglichkeiten ausreichen (n=9). Lediglich eine größere Drogerie fehlt (n=7) nach Angaben der Teilnehmenden. Zudem scheint ein Mangel an Ärzten bzw. Fachärzten zu bestehen (n=6). Demgegenüber steht eine Stimme, die die bisherige Ge- sundheitsversorgung als ausreichend einschätzte. Die Aussagen zum generellen Ärztemangel können mit Hilfe der Suchergebnisse auf der Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung so- wie Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommerns teilweise bestätigt werden (vgl. Abschnitt 5.1.2). In Eggesin sind je vier Haus- und Zahnärzte sowie ein Facharzt für Frauenheilkunde Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 76 tätig. Ein Besuch anderer Fachärzte ist demnach mit längeren Verkehrswegen in die umliegen- den Städte verbunden. Ferner gestaltet sich die Übergabe von Arztpraxen an junge Mediziner (Nachfolgeproblem) besonders in peripheren Regionen vermehrt schwierig. (vgl. LAG 2015: 36; REK Uecker-Randow 2002: 96)

positiv negativ 10 9 8 8 7 7 7 7 6 6 5 4 4 2 1 1 0

Dienstleistungen Kulturelle Einrichtungen Verkehrsinfrastruktur Bildungseinrichtungen

Abb. 6-11: Nennungen zur Einschätzung der Grundversorgung in Eggesin (n=17 Gruppen/Per- sonen mit 62 Nennungen). Angaben in absoluten Zahlen.

Das kulturelle Angebot wurde von der Mehrheit als nicht ausreichend beschrieben (n=8). Gleichzeitig wurde angemerkt, dass das vorhandene Kulturangebot nur unzureichend genutzt werde (n=7). Wiederum fünf Nennungen bezeichneten das kulturelle Angebot als ausreichend. In Bezug auf die entgegenstehenden Meinungen zum kulturellen Angebot muss mit Blick auf Abschnitt 5.1.2 in Kombination mit den Eindrücken aus der Projektwoche angemerkt werden, dass Eggesin durchaus ein vielschichtiges kulturelles Angebot anzubieten scheint. Stattdessen bestehen Defizite in der öffentlichen Kommunikation sowie Verknüpfung und Vermarktung der Angebotspalette. Zudem kommt es öfter zu Terminüberschneidungen von Veranstaltungen besonders in Torgelow und Ueckermünde. Darüber hinaus können Äußerungen in Bezug auf kulturelle Angebote häufig subjektiv begründet sein. In puncto Verkehrserschließung als dritter Teilbereich der Grundversorgung trafen abermals gegensätzliche Meinungen aufeinander. Sieben Nennungen sind einer ausreichenden Verkehrs- infrastruktur zuzuordnen, während vier Meinungen diese als nicht ausreichend charakterisier- ten. Diese Antworten können ebenfalls größtenteils auf subjektive Bewertungsmaßstäbe zurückgeführt werden, was den vermeintlichen Widerspruch somit aufzuheben vermag. Nichts- Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 77 destotrotz können die etwas längere Anbindung zu den Autobahnen A11 und A20, die zwei- stündliche Taktung der Züge oder der stark an Schülern ausgerichtete Busverkehr durchaus kritisiert werden (vgl. Abschnitt 5.1.2). Hinsichtlich der Bildungseinrichtungen herrschte dagegen Einigkeit innerhalb der Befrag- ten. Der Bestand an Schulen und Kitas wurde angesichts der aktuellen Bevölkerungsstruktur mit sieben Stimmen als ausreichend bezeichnet.

Wie wird sich ihrer Meinung nach die Daseinsvorsorge (Grundversorgung) bis ins Jahr 2035 entwickeln?

Im Gegensatz zur obigen Frage wurde in diesem Fall aufgrund der geringen Anzahl an Nen- nungen keine Kategorisierung in Teilbereiche vorgenommen.

8 7

6

4 33 222 2 11111

0

Abb. 6-12: Nennungen zur Entwicklung der Daseinsvorsorge (Grundversorgung) bis ins Jahr 2035 (n=17 Gruppen/Personen mit 24 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=7) ergeben sich 10 Gruppen/Personen mit 17 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen.

Besonders auffallend waren hier die häufigen Antworten, die keine Vorschläge oder Ideen an- boten (keine Angabe; n=7), womit sich ein eher hoffnungsloses Bild hinsichtlich der Daseins- vorsorge in Eggesin im Jahr 2035 eröffnete (vgl. Abb. 6-12). Alle weiteren Meinungen fielen in ihrer Häufigkeit deutlich zurück. Mit je drei Nennungen können die Aussagen, dass die Schu- len geschlossen werden und nur noch das Nötigste vorhanden sein wird, angeführt werden. Jeweils zwei Stimmen enthielten Gedanken zur Fusion von Grund- und Regionalschule, einer Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 78 abnehmenden Verkehrsinfrastruktur und – weniger negativ behaftet – einer in der Zukunft un- veränderten Grundversorgung. Gegensätzliche Nennungen erfolgten hinsichtlich eines abneh- menden bzw. zunehmenden kulturellen Angebots (je n=1). Zudem war ein Teilnehmer der Meinung, dass das Nachfolgeproblem weiterhin existent sein wird. Ebenfalls einmal genannt wurde eine in Zukunft abnehmende Gesundheitsversorgung. Vor dem Hintergrund des steigen- den Altersdurchschnitts in Eggesin (vgl. Abschnitt 5.1.1) war hingegen ein Teilnehmer der Meinung, dass die Gesundheitsversorgung in Zukunft an Wichtigkeit gewinnen wird.

Wirtschaft

Die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung Eggesins befanden 88 % der Befragten als sehr wichtig bzw. wichtig. Nur zwei Stimmen hatten diesbezüglich eine neutrale Meinung (vgl. Abb. 6-13).

Abb. 6-13: Ergebnisse zur Bedeutung der wirtschaftlichen Ent- wicklung für die Zukunft von Eggesin (n=17 Gruppen/Perso- nen). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent.

Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Situation in Eggesin ein? Auch im Vergleich mit dem Umland?

Innerhalb dieser Frage erfolgte den Antworten entsprechend eine Zuordnung in die Kategorien Arbeitsplätze (blau), Fachkräftemangel (grün), Politik (schwarz) und Kaufkraft (gelb) (vgl. Abb. 6-14). An erster Stelle rangiert die häufigste Antwort Ausbildungs- und Arbeitsplätze fehlen (n=15). Im Feld etwas weiter abgeschlagen, aber ebenfalls die Kategorie der Arbeitsplätze betreffend, Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 79 wurde mit drei Stimmen die Abwanderung von Betrieben genannt (vgl. Abschnitt 5.1.3). Zwei Stimmen kritisierten die Notwendigkeit von mehreren Standbeinen. Innerhalb der Kategorie Politik wurden mit je fünf Stimmen sowohl die Finanznot der Kom- munen als auch das Kommunikationsdefizit (bspw. zwischen Politik und Wirtschaft) angespro- chen. Die Konkurrenzsituation gegenüber dem Umland (vgl. Kap. 1.2 & 5.1) und vergangene Fehlinvestitionen (z. B. im Militärbereich; vgl. Abschnitt 5.2.4) wurden jeweils viermal ge- nannt. Jeweils einmal wurden viele Steuern durch kleine Firmen und wenig Steuereinnahmen erwähnt.

16 15 14 12 10 8 55 6 444 3 4 222 2 1 1 1 0

Arbeitsplätze Fachkräftemangel Politik Kaufkraft

Abb. 6-14: Nennungen zur Einschätzung der wirtschaftlichen Situation in Eggesin, auch im Ver- gleich mit dem Umland (n=17 Gruppen/Personen mit 49 Nennungen). Angaben in absoluten Zahlen.

Je zwei Interviewte nannten die in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Bildungs- und Nachfolgeprobleme, was der dritten Kategorie Fachkräftemangel zuzuordnen ist. Demzufolge existiert das Problem, geeignete Nachfolger zu finden, nicht nur im medizinischen Bereich (vgl. Abschnitt 6.4.3), sondern auch in wirtschaftlichen Betrieben und ist u. a. auf eine man- gelnde Bildung zurückzuführen. In der Kategorie Kaufkraft sprachen vier Teilnehmer bzw. Gruppen das Problem der gerin- gen Kaufkraft in Eggesin an (vgl. Abschnitt 5.1.3), welches auch mit dem Wegbruch des Ein- zelhandels (n=1) in Verbindung gebracht werden kann.

Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 80

Welches Potential bietet Eggesin bis ins Jahr 2035 als Wirtschaftsstandort Ihrer Meinung nach?

Wie in den vorhergehenden Abschnitten zur Bevölkerungsentwicklung und Daseinsvorsorge zeigt sich auch hier ein weniger positives Bild (vgl. Abb. 6-15). Ein großer Teil der Antworten fiel mit insgesamt neun Nennungen darauf zurück, dass in Eggesin kein zukünftiges wirtschaft- liches Potential gesehen wurde. Weitere vier Gruppen/Personen machten keine Angaben. Die Antworten wenig Ausbildungs- und Arbeitsplätze, Status Quo erhalten (jeweils n=2), Abwan- derung von Betrieben, Konkurrenz zum Umland steigt sowie verstärkt Werbung schalten (je- weils n=1) sind grundsätzlich nicht als Potentiale einzustufen. 20 Nennungen von insgesamt 26, die entweder kein Potential sahen oder keine bzw. eine unzutreffende Antwort gaben, zei- gen deutlich, dass es den Befragten schwerfiel, wirtschaftliche Potentiale für die Zukunft ihrer Stadt zu sehen (vgl. Kap. 6.5).

10 9

8

6 4 4 222 2 1111111

0

Abb. 6-15: Nennungen zu Potentialen Eggesins als Wirtschaftsstandort bis ins Jahr 2035 (n=17 Gruppen/Personen mit 26 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=4) ergeben sich 13 Gruppen/Personen mit 22 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen.

Potentiale hingegen wurden in den Bereichen Tourismus (n=2) und erneuerbare Energien so- wie im Gemeindeverbund U.T.E. (jeweils n=1) benannt. Eine weitere Stimme ordnete den (ehe- maligen) Militärstandort als wirtschaftlich nach wie vor wichtig ein. Zudem wurde angemerkt, dass aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und keine Monopolstellung mehr zugelassen werden sollte (n=1).

Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 81

Sozialer Zusammenhalt

Der soziale Zusammenhalt war für 76 % der Eggesinerinnen und Eggesiner sehr wichtig bzw. wichtig. Zwei Teilnehmer empfanden ihn als weniger wichtig. Weitere zwei neutrale Meinun- gen vervollständigen die Frage (vgl. Abb. 6-16).

Abb. 6-16: Ergebnisse zur Bedeutung des sozialen Zu- sammenhalts für die Zukunft von Eggesin (n=17 Grup- pen/Personen). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent.

Wie schätzen Sie derzeitig den sozialen Zusammenhalt in Eggesin ein?

Von einer leichten Mehrheit der Befragten wurde der soziale Zusammenhalt als gut (n=8) ein- geschätzt. Fast genauso viele Teilnehmer schätzten den sozialen Zusammenhalt hingegen als nicht gut ein (n=7). Vier Teilnehmer erklärten, dass die Arbeit der Vereine ein maßgeblicher Faktor für den sozialen Zusammenhalt ist. Mit jeweils drei Nennungen wurde zwar ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis attestiert, aber gleichzeitig angemerkt, dass der soziale Zusam- menhalt früher besser war. Wie aus den Gesprächen hervorging, wurde mit „früher“ die Zeit vor der politischen Wende beschrieben, in der z. B. die „Ellbogenmentalität“ oder der gesell- schaftliche Egoismus gegenüber der heutigen Zeit weniger ausgeprägt waren (vgl. Inter- viewprotokolle). Darüber hinaus wurden viele Probleme auf ein Kommunikationsdefizit (n=2) nicht nur innerhalb der Eggesiner Bevölkerung, sondern auch zwischen Stadt und Bewohner zurückgeführt. Kein Heimatgefühl mehr zu haben, war bei zwei Gesprächen ein weiterer Grund für die Abnahme des sozialen Zusammenhalts. Jeweils eine Nennung fiel auf die Begriffe Ge- nerationskonflikt, Bildungsdefizit und Rechtsradikalismus. Eine Gruppe/Person enthielt sich der Stimme (vgl. Abb. 6-17). Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 82

positiv negativ 10 8 8 7

6 4 4 3 3 22 2 1111

0

Abb. 6-17: Nennungen zur Einschätzung des sozialen Zusammenhalts in Eggesin (n=17 Gruppen/Personen mit 33 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=1) ergeben sich 16 Gruppen/Personen mit 32 Nennungen. Angaben in absoluten Zah- len.

Die Interviews zeigten, dass der soziale Zusammenhalt in Eggesin eng mit dem Vereinsleben verknüpft ist. Bewohner, die sich in Vereinen engagieren und einen großen Teil ihrer sozialen Kontakte dadurch generieren, bewerteten den Zusammenhalt in der Regel als gut. Personen, die hingegen weniger oder gar nicht in das Vereinsleben involviert waren, wurden zwar keineswegs vom kleinstädtischen Leben ausgeschlossen, definierten dadurch aber einen kleineren Kreis so- zialer Kontakte in der Stadt. Vermutlich entstand in Folge dessen für einzelne Interviewpartner der Eindruck eines weniger guten sozialen Zusammenhalts.

Was könnte Eggesin bezüglich des sozialen Zusammenhalts besser machen? Was vermissen Sie?

Wie schon bei der Zukunftsfrage innerhalb des Bereichs der Daseinsvorsorge (vgl. Abb. 6-12) dominierte auch hier die Antwort keine Angabe (n=11). Mit drei Nennungen folgte mehr Kom- munikation. Die restlichen Antworten erhielten jeweils eine Stimme, darunter befanden sich gemeinsame Aktivitäten (organisieren), Bildung verbessern, Stärkung der Vereine sowie eine stärkere Würdigung des Ehrenamts, Unterstützung der Jugend und Bevölkerung motivieren (vgl. Abb. 6-18).

Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 83

12 11 10 8 6 4 3 2 111111 0

Abb. 6-18: Nennungen zu Verbesserungsvorschlägen hinsichtlich des sozialen Zu- sammenhalts in Eggesin und was in der Stadt vermisst wird (n=17 Gruppen/Personen mit 20 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=11) ergeben sich 6 Gruppen/Personen mit 9 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen.

Potentiale

Was ist das Besondere an Eggesin? Was fehlt der Stadt ihrer Meinung nach?

Die häufigsten Nennungen in Bezug zur ersten Teilfrage, was das Besondere in Eggesin ist, waren Natur und Landschaft (n=8; 38,1 %) und Ruhe (n=6; 28,6 %). Mit jeweils zwei Angaben (je 9,5 %) folgten die touristische Attraktivität, Vereinsarbeit (Ehrenamt) und die Geschichte als Militärstadt (Militärmuseum). Eine Antwort zielte auf die Besonderheit Eggesins als Alters- wohnsitz ab (vgl. Abb. 6-19).

Abb. 6-19: Ergebnisse zur Frage, was das Beson- Abb. 6-20: Ergebnisse zur Frage, was der Stadt dere an Eggesin ist (n=17 Gruppen/Personen mit fehlt (n=17 Gruppen/Personen mit 17 Nennun- 21 Nennungen). Angaben in absoluten Zahlen und gen). Angaben in absoluten Zahlen und Prozent. Prozent. Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 84

Die zweite Teilfrage zielte darauf ab, herauszufinden, was der Stadt Eggesin fehlt (vgl. Abb. 6-20). Ein Großteil der Befragten vermisste im Allgemeinen Tourismus (n= 5; 29,4 %). Als Beispiele wurden explizit ein Fahrradverleih und Zeltplatz genannt. Einen Mangel an Gewerbe (Arbeitsplätze), Kultur sowie Dienstleistungen, wie z. B. Einkaufsmöglichkeiten, sahen jeweils drei Teilnehmer (je 17,6 %) als Defizit. Zwei Stimmen (11,8 %) kritisierten die allgemein schlechte Vermarktung Eggesins, während eine Nennung die Jugend in der Stadt vermisst (5,9 %). Angesichts der Meinung, Eggesin fehle es an kulturellen Einrichtungen, kann an dieser Stelle auf den Beitrag innerhalb des Themenbereichs Daseinsvorsorge (vgl. Abschnitt 6.4.3) und zusätzlich auf Abschnitt 5.1.2 verwiesen werden.

Wohin könnte sich Eggesin bis ins Jahr 2035 Ihrer Meinung nach entwickeln (Leitthema)?

Hinsichtlich der Frage, wohin sich Eggesin bis ins Jahr 2035 entwickeln könnte, wird mit ins- gesamt zwölf Nennungen die Bedeutsamkeit der grenzübergreifenden Zusammenarbeit (Polen und Gemeindeverbund U.T.E.) klar erkennbar (vgl. Abb. 6-21). Wie bereits aus Abschnitt 2.6.1 und der Analyse Eggesins in Kapitel 5.1 hervorgeht, könnte ein funktionierender Gemeinde- verbund eine essentielle Weichenstellung für die Zukunft der Stadt sein. Auch wenn im Rah- men der Bevölkerungsentwicklung (vgl. Abb. 6-9) wenig Potential im Kooperationsverbund (nur eine Nennung) gesehen wurde, verdeutlicht die häufigste Antwort dieser Frage, dass die interviewten Personen die Relevanz des gemeindeübergreifenden Potentials dennoch erkann- ten.

14 12 12 10 8 6 5 3 4 2222 2 1111 0

Abb. 6-21: Nennungen zur Entwicklung konkreter Leitthemen bis ins Jahr 2035 (n=17 Gruppen/Personen mit 32 Nennungen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=2) ergeben sich 15 Gruppen/Personen mit 30 Nennungen. Angaben in absoluten Zah- len. Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 85

Weiterhin vorstellbare Leitthemen sind Tourismus (n=5), grüne Wohnstadt (n=3), Alterswohn- sitz, erneuerbare Energien und Straßendorf (je n=2). Bezogen auf erneuerbare Energien schien Konsens darin zu bestehen, dass Windräder abgelehnt und Anlagen zur Förderung von Solar- energie auf dem ehemaligen Militärgelände bevorzugt wurden (vgl. Interviewprotokolle). Während zwei Stimmen bezüglich dieser Frage keine Angabe machten, wurden mit jeweils einer Stimme Natur und Landschaft, Flüchtlinge, Jugendförderung und Call-Center im Ross- mann genannt. Hier fällt insbesondere die lediglich einmalige Nennung von Natur und Land- schaft auf. Auf den ersten Blick scheint nur wenig Hoffnung einer dahingehenden Ausrichtung zu bestehen, obwohl bei der vorherigen Frage am häufigsten Natur und Landschaft als Beson- derheit von Eggesin identifiziert wurde (vgl. Abb. 6-19). Da ein solches Leitthema allerdings meist eng mit einer touristischen Nutzung landschaftlicher Aspekte verknüpft ist, könnte eine mögliche Erklärung darin bestehen, dass viele der Interviewten das Leitthema Natur und Land- schaft teilweise gleichbedeutend mit der zweithäufigsten Antwort Tourismus interpretierten. Darüber hinaus könnte auch die dreimalige Nennung grüne Wohnstadt mit Natur und Land- schaft verknüpft werden.

Was müsste geschehen, damit sich Eggesin bis ins Jahr 2035 positiv entwickelt?

Bei der Frage, was geschehen müsste, damit sich Eggesin bis ins Jahr 2035 positiv entwickelt (vgl. Abb. 6-22), wird durch die meist genannte Antwort keine Angabe (n=12) wiederholt er- sichtlich, dass häufig keine Lösungsvorschläge durch die Bewohner Eggesins angeboten wer- den konnten.

14 12 12 10 8 6 4 2 2 11111 0

Abb. 6-22: Nennungen zur Frage, was geschehen müsste, damit sich Eggesin bis ins Jahr 2035 positiv entwickelt (n=17 Gruppen/Personen mit 19 Nennungen). Unter Aus- schluss der Kategorie keine Angabe (n=12) ergeben sich 5 Gruppen/Personen mit 7 Nennungen. Angaben in absoluten Zahlen. Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 86

Weitere Antworten zu dieser Frage waren mit zwei Nennungen Gewerbe/Industrie ansiedeln und mit jeweils einer Stimme Vermarktung sowie Tourismus stärken, Wegzug der Jugend ver- hindern, vom Militärstandort distanzieren und Arbeitsplätze für Jugendliche schaffen (vgl. Abb. 6-22).

Persönliche Frage zum Abschluss

Als abschließende Interviewfrage wurde um eine Einschätzung der persönlichen Zukunft in Eggesin gebeten (vgl. Abb. 6-23). Knapp die Hälfte machte diesbezüglich keine Angaben (47 %; n=8). Vier Gruppen/Personen gaben an, in Eggesin bleiben zu wollen (23 %), während sich drei hingegen sicher waren, in den nächsten Jahren wegziehen zu wollen (18 %). Zwei Stimmen waren unentschlossen, wobei die Befragten erklärten, die Entscheidung z. B. von ei- ner Aussicht auf einen Arbeitsplatz abhängig machen zu wollen (12 %).

Abb. 6-23: Ergebnis zur persönlichen Zukunft in Eg- gesin (n=17 Gruppen/Personen). Unter Ausschluss der Kategorie keine Angabe (n=8) ergeben sich 9 Gruppen/Personen. Angaben in absoluten Zahlen und Prozent.

6.5 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

Die Einflussfaktoren Bevölkerungsentwicklung (94 %), Daseinsvorsorge (76 %), Wirtschaft (88 %) und sozialer Zusammenhalt (76 %) wurden von einem überwiegenden Teil der Befrag- ten als wichtig bzw. sehr wichtig angesehen. Besonders die Relevanz der Faktoren Bevölke- rungsentwicklung und Wirtschaft für Eggesin werden durch die Ergebnisse bestätigt. Ein Querschnitt durch alle Antworten bestärkt die vorangegangenen Analysen von ostdeut- schen Kleinstädten in peripheren Lagen bzw. von Eggesin selbst, die in den Kapiteln 2 und 5 Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 87 bereits tiefgehend dargestellt wurden. Es wird deutlich, dass die Gegenwart Eggesins zusam- menfassend durch einen allgemeinen Bevölkerungsrückgang, hohen Altersdurchschnitt, eine schlechte wirtschaftliche Lage und einem Defizit an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen geprägt ist. Hohe Investitionen im Militärbereich und der anschließende Verlust des Militärstandorts waren zu einem beträchtlichen Anteil mitverantwortlich, dass es zu dieser Situation kommen konnte. Die Hürden, um die derzeitige Lage zu verändern, können durch die Finanznot der Kommune, den Konkurrenzdruck zum Umland und die geringe Kaufkraft der Bevölkerung nach wie vor nicht so einfach überwunden werden. Etwas weniger Probleme ergaben die Antworten innerhalb der Einflussfaktoren Daseinsvor- sorge und sozialer Zusammenhalt. Ein Großteil der Befragten konnte sich zwar hinsichtlich der Qualität des kulturellen Angebots nicht einigen, doch war der Punkt, dass viele das verfügbare Angebot nicht wahrnehmen, unstrittig. Die vorhandene Verkehrsinfrastruktur sowie die Ein- kaufsmöglichkeiten bezeichneten die meisten Teilnehmer als ausreichend, auch wenn eine Dro- gerie schmerzlich vermisst wird. Allgemeiner Konsens herrschte ebenso bei den Schulen und Kitas, die für die gegenwärtigen Schüler- bzw. Kinderzahlen ausreichen. Kritisiert wurden hin- gegen der Fachärztemangel und das allgemeine Nachfolgeproblem. Ein häufig auftretender Punkt war die Arbeit der zahlreichen Vereine in Eggesin, die maßgeblich für den sozialen Zu- sammenhalt sorgen, auch wenn dieser nicht von jedem als gut empfunden wurde. Die Einschätzungen der Einflussfaktorenentwicklung bis ins Jahr 2035 fielen mehrheitlich negativ aus. So erstreckten sich die Nennungen von einer weiterhin negativen Bevölkerungs- entwicklung und kein wirtschaftliches Potential über die komplette Schließung der Schulen bis hin zu nur noch das Nötigste vorhanden. Nichtsdestotrotz wurden in den Bereichen Natur und Landschaft, Ruhe und Tourismus die größten Potentiale gesehen. Als mögliche Leitthemen dominierten die grenzübergreifende Zu- sammenarbeit (U.T.E. und Polen), Tourismus sowie Eggesin als grüne Wohnstadt. Ungeachtet dessen fiel es den Befragten generell schwer, bei Fragen zur Zukunft konkrete positive Lösungsansätze oder Verbesserungsvorschläge zu nennen (vgl. Abschnitte 6.4.2 bis 6.4.5). Die häufige Antwort keine Angabe lässt dabei reichlich Spielraum für Interpretationen. Sie könnte einerseits auf Desinteresse oder geringes Verantwortungsbewusstsein, andererseits auf Unzufriedenheit, Ratlosigkeit oder gar Resignation aufgrund von Perspektivlosigkeit zu- rückzuführen sein. Da die Teilnehmer zu einem großen Teil nicht den Eindruck hinterließen, keine Verantwortung übernehmen zu wollen oder kein Interesse an einer Veränderung zu ha- ben, bestehen denkbare Motive vielmehr in einer Unzufriedenheit in Verbindung mit einer ge- wissen Resignation hinsichtlich wirksamer Lösungen. Viele der bisherigen Lösungsansätze Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews (Jonathan Nickl) 88 brachten schlichtweg nicht den erhofften Erfolg. Als jüngstes Beispiel kann der Kooperations- verbund U.T.E. angeführt werden, in dem die meisten Befragten das größte Potential für eine positive Zukunft sahen. Aufgrund einer in der Vergangenheit eher unglücklichen und nicht, wie gewünscht, bereichsübergreifenden produktiven Zusammenarbeit musste Eggesin diesbezüg- lich vermehrt Rückschläge in Kauf nehmen. Da angesichts U.T.E. also bereits Lösungsvor- schläge existieren und damit verknüpfte Erwartungen bisher nicht annähernd erfüllt werden konnten, scheint es plausibel, dass sich eine gewisse Unzufriedenheit und/oder Resignation der Bewohner in der Antwort keine Angabe niederschlägt. Auch das tendenziell pessimistische Er- gebnis der persönlichen Frage zum Abschluss der Interviews kann die Argumentation hinsicht- lich des Gefühls von Perspektivlosigkeit auf Seiten der Eggesiner zusätzlich untermauern. Ergänzende kritische Überlegungen werden unter Kapitel 9 diskutiert.

Phase IV – Zukunftsszenarien Eggesin 2035 (Jonathan Nickl) 89

7 Phase IV – Zukunftsszenarien Eggesin 2035 (Jonathan Nickl)

In diesem Kapitel werden die entwickelten Zukunftsszenarien beschrieben und zugleich die zweite Leitfrage, welche Zukunftsszenarien sich für Eggesin ergeben, beantwortet. Beide Sze- narien beschreiben Eggesin im Jahr 2035 unter Berücksichtigung der zuvor identifizierten und durch Interviews analysierten Einflussfaktoren Bevölkerungsentwicklung, Daseinsvorsorge, Wirtschaft, sozialer Zusammenhalt und der Erweiterung Potentiale (vgl. Kap. 2.6, 5.3 & 6.1). Dazu wurden die Faktoren entsprechend der dargestellten Methodik verdichtet und zu konsis- tenten Szenarien ausgearbeitet (vgl. Kap. 3.4). Ungeachtet der theoretischen Vielfalt möglicher und vorstellbarer Szenarien, gibt es in der Praxis hinsichtlich der Quantität an Ausarbeitungen kognitive Grenzen (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 22), gleichzeitig limitiert ein zeitlicher Rah- men. In diesem Fall wurde sich an der Mindestanzahl von zwei Szenarien orientiert (vgl. Kap. 3.3), die mit Hilfe der normativ-narrativen Szenariotechnik in Form von Geschichten il- lustriert werden (vgl. Abschnitt 3.5.3). Die Ausrichtung der Szenarien liegt auf dem Gestal- tungstyp „Carpe Diem“ (Kosow & Gaßner 2008: 22), was einer positiven Entwicklung der Einfluss- sowie Umfeldfaktoren entspricht. Als gemeinsamer Tenor und Grundlage für die Ausrichtung beider Szenarien gilt, dass be- sonders die tiefergehende Analyse der Einflussfaktoren und deren Projektion in die Zukunft mittels Interviews die für die zukünftigen Gestaltungsmöglichkeiten kritischen Faktoren Bevöl- kerungsentwicklung und Wirtschaft sichtbar machten (vgl. Kap. 6.5). Um die negative Bevöl- kerungsentwicklung zu unterbrechen und gleichzeitig die wirtschaftliche Struktur zu stärken, muss die Schaffung von Arbeitsplätzen oberste Priorität haben. Weiterhin bedarf es an Ideen, das bisher nicht ausgeschöpfte Potential von Natur und Landschaft besser nutzbar zu machen. Ferner besteht ein Defizit hinsichtlich Angebot und Vernetzung insbesondere touristischer Strukturen und der bereichsübergreifenden internen Kommunikation (vgl. Abschnitte 5.1.2, 5.1.5 & Kap. 6.5). Daher liegt ein weiteres Hauptaugenmerk beider Szenarien auf der Stärkung des Tourismus sowie der Kooperation und aktiven Zusammenarbeit, nicht nur mit den Nach- barstädten Ueckermünde und Torgelow (Stichwort U.T.E.), sondern auch mit dem Nachbarland Polen. Zum einen entstand das Szenario Eggesin als grüne Wohnstadt in Form eines im Jahr 2035 verfassten Tagebucheintrags einer jungen Stadtplanerin, die im Jahr 2015 nach Eggesin kam. Zurückblickend auf die letzten 20 Jahre beschreibt sie darin ihre Ziele und Gedanken, die zum Wandel Eggesins führten. Das zweite Szenario mit dem Titel Blaubeerstadt Eggesin wurde als Zeitungsartikel aus dem Jahr 2035 ausgestaltet, der rückblickend die Entwicklung der Stadt seit 2015 nachzeichnet. Phase IV – Zukunftsszenarien Eggesin 2035 (Jonathan Nickl) 90

Zur Ausarbeitung der Zukunftsszenarien teilten sich die Studierenden vor Ort in zwei Gruppen auf. Jede Gruppe konstruierte jeweils ein Szenario. Aufgrund der in den letzten Jahrzehnten negativen Entwicklung Eggesins bestand ein besonderes Anliegen darin, positive Entwick- lungsrichtungen aufzuzeigen. Die Szenarien wurden am letzten Tag der Projektwoche im Rah- men der Abschlussveranstaltung in der Eggesiner Zeitbank öffentlich präsentiert. Das erste Szenario (Eggesin als grüne Wohnstadt) in Form eines im Jahr 2035 verfassten Tagebucheintrags einer jungen Stadtplanerin wurde vor Ort mithilfe eines schauspielerisch dar- gestellten Niederschreibens der Gedanken durch eine Mitstudentin bei gleichzeitigem Abspie- len der Gedanken mittels einer Tonbandaufnahme illustriert. Das zweite Szenario (Blaubeerstadt Eggesin) in Form eines Zeitungsartikels aus dem Jahr 2035 wurde im Rahmen der Präsentation vor Ort mithilfe einer schauspielerischen Konversa- tion zwischen Enkel und Großvater über den o. g. Zeitungsartikel vorgestellt. Zur visuellen Unterstützung der Vorträge wurden zwei Plakate zu den jeweiligen Szenarien entwickelt (vgl. Abb. 7-1 & 7-2). Der gesamte Vortrag in der Eggesiner Zeitbank ist als Video- datei auf dem beiliegenden Datenträger verfügbar (Videodatei: Vortrag_Eggesin_2015.mp4). Im Zuge dieser Bachelorthesis wurden beide Szenarien geringfügig überarbeitet.

7.1 Szenario 1 – Eggesin als grüne Wohnstadt

Eggesin, 10. Juli 2035 Liebes Tagebuch, Es ist jetzt 20 Jahre her, dass ich als junge Stadtplanerin nach Eggesin kam. Bei meiner Ankunft fand ich einen Ort vor, der sich in einem idyllischen Naturraum befand. Der ländliche Raum mit seiner Ruhe und Gelassenheit inspirierte mich, den urbanen Charakter der Stadt mit der Natur zu vereinen. Mir fiel auf, dass es alles gab, was man zum Leben braucht – und doch bot sich Potential für mehr. Mit einer Studentengruppe der Hochschule Neubrandenburg und den Bürgern Eggesins habe ich die ersten Schritte gemacht. Die ehemalige Garnisonsstadt verlor durch den Abzug des Militärs ihre Identität, die sie seit dem Zweiten Weltkrieg innehatte. Dies führte dazu, dass viele Bewohner Eggesin den Rücken kehrten. Die Einwohnerzahl fiel von ca. 8 500 auf 4 800 – Wohnungsleerstand war die Folge. Außerdem kam es zum Rückgang des lokalen klein- und mittelständischen Gewerbes. In der Jugend machte sich Perspektivlosigkeit breit, wodurch diese abwanderte und anderswo Fuß fasste. Dies führte zu einem Wandel des Altersdurchschnitts. Phase IV – Zukunftsszenarien Eggesin 2035 (Jonathan Nickl) 91

Auf der Suche nach einer Neuausrichtung entstand die Idee zur Entwicklung einer grünen Wohnstadt. Das Potential, welches die Stadt bot, lag einerseits in der zentralen Lage im Natur- park Am Stettiner Haff, die sich durch das Naturparkzentrum am Bahnhof widerspiegelte. An- dererseits gab es die Randow, die sich als kleiner naturbelassener Fluss durch die Landschaft zog. Auch innerstädtisch zeigte sich ein großes naturräumliches Potential. Freiräume zogen sich wie ein grünes Band durch die ganze Stadt. Mein Ziel war es, das von Plattenbauten geprägte Stadtbild aufzulockern – vor allem, weil ich anfangs selbst in einem halb leeren Block gewohnt habe. Zusammen mit der Stadtverwal- tung entschlossen wir uns für einen weiteren Rückbau der Mehrgeschosser auf zwei Etagen. Außerdem wurden in den Wohngebieten kleine, parkähnliche Grünflächen angelegt, die den Bewohnern als Treffpunkt und Entspannungsort dienen. Einige Neubauten sind in Gänze abge- rissen und auf den geschaffenen Freiflächen weitere Einfamilienhäuser errichtet worden. Auf diese Art entstanden Altersresidenzen und zusätzlich Wohnraum für jüngere Familien. Günsti- ger Baugrund lockte mehrere Investoren nach Eggesin, die gemeinsam ein Zentrum für alters- gerechtes Wohnen errichteten. Dabei wurden betreute Appartements und Pflegestationen eingerichtet, um der älteren Bevölkerung eine gesicherte Zukunft zu bieten. Die neu entstande- nen Arbeitsplätze lockten neue Bewohner an die Randow. Auch die Kooperation mit den Nach- barstädten Torgelow und Ueckermünde sorgte für weitere Zuzüge. In diesem „Dreigespann“ nahm Eggesin die Rolle als Wohnstadt ein, Torgelow fungierte als Industriestandort und Ueckermünde als Tourismusmagnet. Somit stieg auch die Attraktivität für weitere nicht ortsan- sässige Unternehmen. Heute ist aus der ehemals verschlafenen Garnisonsstadt Eggesin eine kleine, vitale, grüne und lebensfreundliche Wohnstadt geworden. In der Innenstadt hat sich mittlerweile eine Dro- gerie angesiedelt und es gibt wieder mehrere kleine Bäckereien und Cafés. An der Randow ist eine kleine Badebucht mit angrenzendem Kanu- und Fahrradverleih eingerichtet worden, die eine direkte Verbindung zwischen Wasser- und Radweg herstellt. Der alte Bahnhof wurde als Hostel mit integriertem Bauernmarkt an das Naturparkzentrum angeschlossen. Das Hostel bie- tet Übernachtungsmöglichkeiten sowohl für ganze Schulklassen als auch für Radfahrer und sonstige Touristen an. Im Bauernmarkt können außerdem regionale Produkte erworben werden, wie die Blaubeermarmelade, die ich so gerne zum Frühstück esse. Auf dem Parkplatz des ehe- maligen Aldi-Markts entstand ein zentral gelegener Stadtplatz, der für den wöchentlichen Markt und Veranstaltungen genutzt wird. Innerhalb des stadtnahen und neu geplanten Seniorenzent- rums befindet sich eine für alle zugängliche Schwimmhalle. Im Rahmen des Städteverbunds wurde eine Regionalschule mit Zweigstellen in Torgelow und Ueckermünde eingerichtet. Phase IV – Zukunftsszenarien Eggesin 2035 (Jonathan Nickl) 92

Dadurch muss die Schule keine Mindestanzahl an Schülern erfüllen. Auf dem ehemaligen Bun- deswehrgebiet wartet ein militärhistorischer Pfad auf zahlreiche interessierte Besucher. Durch einen Steg ist der Pfad auch von der Randow aus erreichbar. Das damalige Kasernengelände beherbergt heute nicht nur das Militärmuseum, sondern auch einen Solarpark. Das Museum wird besonders von ehemaligen Soldaten gut besucht. Jährlich stimmt die Stadt mit den Verei- nen und Bewohnern Veranstaltungen und sonstige Aktionen ab. Die Stadt dient dabei als Ver- mittler, so dass keine Überschneidungen mit anderen Terminen mehr entstehen. Besonders die Veranstaltungen in der Kulturwerkstatt sind mir ans Herz gewachsen – was haben wir dort schon getanzt und gelacht! Eggesin wurde zur grünen Wohnstadt im Herzen des Naturparks Am Stettiner Haff und ein Zentrum für Naturtouristen. Ansässiges Gewerbe und Dienstleister bieten für die Bewohner genügend Arbeitsplätze. Ich finde besonders schön, dass die Eggesiner über die Jahre hinweg noch näher zusammengerückt sind. Wir ziehen alle gemeinsam an einem Strang und ich bin stolz, eine Eggesinerin zu sein!

Abb. 7-1: Plakat zum Szenario Eggesin als grüne Wohnstadt. Phase IV – Zukunftsszenarien Eggesin 2035 (Jonathan Nickl) 93

7.2 Szenario 2 – Blaubeerstadt Eggesin

Hamburger Morgenblatt vom 10. Juli 2035 Rubrik // Überregionales

Die Stadt der neuen „drei Meere“: Waldmeer, Sandmeer, Blaubeermeer

Wir befinden uns im Jahr 2035. Eine Blaubeere ziert das Ortsschild der bundesweit bekannten Stadt Eggesin. In einer für die Ostseeregion typischen Kleinstadt fühlen sich die Bewohner in ihrer überschaubaren und naturverbundenen Heimatstadt sehr wohl. Die Arbeitslosigkeit liegt nur leicht über dem Bundesdurchschnitt. Vorwiegend finden die Eggesiner Arbeitsplätze in ih- rer Heimatstadt oder der Region vor. Doch das war nicht immer so. Als einer der größten Militärstützpunkte der ehemaligen DDR beherbergte Eggesin bis zu 14 000 Soldaten. Auch nach der Wende waren noch zahlreiche Truppen der Bundeswehr stati- oniert. Dementsprechend hat sich Eggesin jahrzehntelang auf das Vorhandensein des Militärs verlassen, dahingehend investiert, Wohnraum geschaffen und versucht, vielfältige Freizeitan- gebote anzubieten. Doch seit dem Abzug der Truppen und dem einhergehenden Verlust des Militärstandorts hat sich die Situation grundlegend verändert. Plötzlich zeichneten sich viele Probleme ab, wie bspw. eine hohe Arbeitslosigkeit und dadurch fehlenden Kaufkraft, Abwan- derung insbesondere junger Bewohner, Wohnungsleerstand sowie die Schließung vieler Ge- schäfte. Im Jahr 2015 erkannte Eggesin mit Hilfe von Studenten der Hochschule Neubrandenburg ihr vorhandenes Potential als Blaubeerstadt. Das Ziel zur Veränderung bestand darin, die At- traktivität zu steigern und ein Alleinstellungsmerkmal zu etablieren. Eggesin bot aufgrund der vorhandenen Blaubeerwälder und Erfahrungen in Anbau sowie Vermarktung von Blaubeeren ideale Voraussetzungen, dieses Potential stärker in den Fokus zu rücken. Zudem wurde seit vielen Jahren vom Verein Pro Eggesin e. V. regelmäßig ein Blaubeerfest organisiert, bei dem eine hohe Nachfrage an Blaubeerprodukten bestand. Die Blaubeerkönigin, die alle zwei Jahre im Zuge des Festes gewählt wurde, trug zudem unmittelbar zur stärkeren Identifikation bei. So bildete letztendlich die Blaubeere – das schon damalige Symbol der Stadt – die Grundlage für eine aufkeimende Idee und Eggesin nahm das Ruder selbst in die Hand. Durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen der Bevölkerung, Stadtverwaltung, dem Verein Pro Eggesin e. V. sowie einem regional engagierten Investor wurde der Beschluss ge- fasst, auf dem ehemaligen Gelände des Aldi/Spar-Markts ein Produktionszentrum für regionale Phase IV – Zukunftsszenarien Eggesin 2035 (Jonathan Nickl) 94 und biologische Blaubeerprodukte aufzubauen. Anfänglich wurde ein Grundsortiment von Blaubeerprodukten hergestellt. Dazu zählten beispielsweise Marmeladen, Kuchen, Saft, Bier und Spirituosen. Neben der Produktion stand die professionelle Vermarktung in der Blaubeer- scheune und in nahegelegenen Märkten im Vordergrund. Die regional vertriebenen Produkte fanden einen guten Absatz. Nach einer gewissen Etablierungszeit zeigte sich das wachsende Potential für ein vielfältigeres Sortiment. Um den Bedarf zu decken und die neuen Produktideen zu verwirklichen, schuf Eggesin weitere Anbauflächen in Form von Plantagen. Folglich stieg der Bedarf an Arbeitskräften, welche in Eggesin gefunden werden konnten. Um dem modernen und digitalen Zeitalter Rechnung zu tragen, wurde zusätzlich auf eine starke Internetpräsenz gesetzt. Neben der regionalen Vermarktung der Waren konnte im Laufe der Zeit eine überregi- onale Expansion der Güter angestrebt werden. Mittlerweile bewirbt die Blaubeerstadt ihre nachhaltigen und ökologischen Produkte nicht nur im gesamten Bundesgebiet, sondern auch in Polen. Im ersten Schritt profitierte davon besonders der Tagestourismus. Die Deutsche Bahn erkannte das Potential und strukturierte den vorhandenen Fahrplan auf eine stündliche Taktung um. Durch die erhöhte Anzahl an Besuchern aus bspw. Stettin, Hamburg oder Berlin stieg gleichermaßen die Frequentierung des Wasserwanderrastplatzes und des Naturparks. Im Natur- park entstand eine Jugendherberge mit Erlebnishof, vorwiegend für Schulklassen und Ferien- camp-Besucher. Gleichzeitig wurde ein Konzept erarbeitet, das Kindern und Jugendlichen den nachhaltigen Umgang mit der Natur näherbringt und zusätzlich Wege zur gesunden Ernährung vermittelt. Die gestiegene Attraktivität Eggesins – besonders durch die Schaffung von Arbeitsplätzen – wirkte sich sowohl positiv auf die Wirtschaft und Bevölkerungsentwicklung als auch auf die Bildungseinrichtungen aus. Aufgrund dieser Entwicklung und den daraus folgenden Mehrein- nahmen konnte die Stadt ihre finanzielle Lage aufbessern. Die ansässigen klein- und mittelstän- dischen Unternehmen sowie die Grund- und Regionalschule konnten gehalten werden. Die Schülerzahlen sind stabil. Ebenso profitierte die bestehende Vereinsstruktur, die große Stärke Eggesins, von der Etablierung der Jugend. Das leidige Thema des fehlenden Nachfolgers ist somit nicht mehr existent. Das Blaubeerfest wurde für die Jugend in ein Blaubeerkunstfestival erweitert und dadurch das kulturelle Angebot ergänzt. Inzwischen findet in Eggesin das größte Blaubeerfest Deutschlands statt. Die positive Entwicklung Eggesins setzte erst ein, als sich die Stadt voll und ganz hinter das Projekt stellte und ein reger Austausch zwischen der Bevölkerung, den Vereinen, der Stadt und der Wirtschaft entstand. In Eggesin wurde nicht nur der Zusammenhalt verbessert, sondern auch ein starkes Selbstbewusstsein erarbeitet. Infolgedessen konnte der Regionalverbund U.T.E. Phase IV – Zukunftsszenarien Eggesin 2035 (Jonathan Nickl) 95 weitere gemeinschaftliche Projekte realisieren und gestärkt auftreten. Eggesin hat sich von sei- ner Vergangenheit als ehemalige Garnisonsstadt gelöst und sein wahres Potential für die Zu- kunft erkannt.

Abb. 7-2: Plakat zum Szenario Blaubeerstadt Eggesin.

Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 96

8 Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister)

Anknüpfend an die beiden Zukunftsszenarien Eggesin als grüne Wohnstadt und Blaubeerstadt Eggesin (vgl. Kap. 7) bildet die folgende fünfte Phase den Abschluss des gewählten Szenari- oprozesses. Dabei stehen die Rückkopplungen der generierten Szenarien einschließlich der Überprüfung ihrer Umsetzungsmöglichkeiten im Mittelpunkt. Gewissermaßen wird ausgehend von dem Jahr 2035 in Form eines Szenario-Transfers zurückgeschaut, wie die beschriebene Situation erreicht worden ist. In diesem Zusammenhang gilt es zudem abzuprüfen, welche rea- listischen Möglichkeiten einer praktischen Implementierung der erarbeiteten Potentiale (vgl. Kap. 2.6, Abschnitte 5.1.4 & 5.1.5) bestehen. Zusätzlich wird abschließend eine mögliche Über- tragbarkeit der erstellten Szenarien auf andere Kleinstädte mit ähnlichen Rahmenbedingungen, in Anlehnung an die dritte Leitfrage (vgl. Kap. 1.3), untersucht. Grundsätzlich verfolgen die beiden formulierten Zukunftsszenarien differenzierte Ansätze, die als unterschiedliche Reaktionen der Kleinstadt auf ihre ausschlaggebenden Probleme (vgl. Kap. 5.3) charakterisiert sind. Bei Eggesin als grüne Wohnstadt wurde erkannt, dass die nega- tiven, durch Schrumpfung verursachten Entwicklungen kaum umgekehrt werden können. Im Vordergrund steht die Strategie, den Schrumpfungsprozess durch eine Kombination aus Rück- bau bzw. Abbau von Angeboten und Infrastruktur, Bestandspflege, Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung zu planen und zu begleiten. In Verbindung mit der Nutzung von Poten- tialen, z. B. Natur, Tourismus und interkommunaler Kooperation (U.T.E.), soll in Eggesin die Lebensqualität für die Bevölkerung erhalten bzw. gesteigert werden und zudem die Kleinstadt Handlungsfähigkeit zurückerlangen. Im Gegensatz dazu verfolgt das Szenario Blaubeerstadt Eggesin primär den Ansatz die wirt- schaftliche Situation zu verbessern, indem das Potential der Blaubeere in den Vordergrund rückt. Infolge der Ausrichtung auf dieses Produkt sollen im Laufe der Zeit Arbeitsplätze ent- stehen, wodurch sich vorhandene Probleme, die Eggesin charakterisieren (vgl. Kap. 5.3), ab- schwächen. Eine Anpassung in Form von Rückbau oder Abbau, wie im ersten Szenario beschrieben, ist dabei nicht primär vorgesehen. Das Szenario ist eher gekennzeichnet durch eine Ausnutzung von möglichst vielen Potentialen, z. B. Förderung und Vermarktung, inter- kommunale Kooperation und endogene Potentiale, die bislang nur begrenzt Anwendung in Eg- gesin finden.

8.1 Umsetzung Szenario 1 – Eggesin als grüne Wohnstadt

Das Zukunftsszenario Eggesin als grüne Wohnstadt beruht maßgeblich auf dem Konzept der interkommunalen Kooperation mit den Nachbarstädten Ueckermünde und Torgelow. In diesem Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 97

Dreigespann übernimmt Eggesin die Funktion als Wohnstadt, Ueckermünde als Tourismus- magnet und Torgelow fungiert als Industriestandort. Im Rahmen der gemeinsamen Teilnahme am Wettbewerb Stadtumbau Ost im Jahr 2001 hat- ten sich die drei Kleinstädte bereits einmal zusammengeschlossen (vgl. Kap. 1.2). In diesem Zusammenhang entstand auch ein Regionales Entwicklungskonzept (REK U.T.E.), das die Be- wältigung des Strukturwandels sowie die Verhinderung weiterer Abzüge thematisierte. An- knüpfend an die erfolgreiche Teilnahme am Wettbewerb Stadtumbau Ost sollte die vorhandene Kooperation weitergeführt und darüber hinaus um gemeinsame Handlungsfelder erweitert wer- den. Allerdings tauchten in der Folgezeit vermehrt Probleme auf, die zum Scheitern der Zu- sammenarbeit führten. Einerseits war die Kooperation nach einer relativ kurzen Entstehungszeit noch nicht gefestigt genug, um komplexe Aufgaben und Fragestellungen gemeinsam zu bewäl- tigen. Andererseits entstand ein Misstrauen unter den Partnern, z. B. dass eine Kleinstadt Nach- teile gegenüber den anderen Beteiligten durch Aufgabenteilungen erhalte. Einen deutlichen Bruch erfuhr die Kooperation durch die Kommunalwahlen im Jahr 2002 und den folgenden Wechsel der Bürgermeister in Ueckermünde und Eggesin. Während der Bürgermeister von Eg- gesin die Zusammenarbeit weiterhin als Chance für die Stadt- und Regionalentwicklung ver- stand, zeigte die neue Bürgermeisterin von Ueckermünde nur geringes Interesse an einer Fortsetzung gemeinsamer Arbeit. Die eigenständige Profilierung von Ueckermünde hatte für sie eine höhere Priorität. Weitere unterschiedliche Positionen ergaben sich zwischen den drei Nachbarstädten infolge der gescheiterten Bemühungen um die Ausweisung als gemeinsames Mittelzentrum und durch die Ämterfusion.7 Demgemäß nahm die Motivation der Kooperati- onspartner ab und sorgte für Unstimmigkeiten, auch auf persönlicher Ebene. In der Folge verlor die interkommunale Kooperation nach einer erfolgreichen Startphase im weiteren Verlauf im- mer mehr an Dynamik und ist mittlerweile nahezu aufgegeben worden. Grundsätzlich bleibt auch festzustellen, dass die drei Partner ein unterschiedlich großes Interesse an der Zusammen- arbeit hatten. Lediglich in den Bereichen Tourismus und Kultur fanden bis 2011 noch Aktivi- täten statt. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 93-99) Für eine mögliche Umsetzung des Zukunftsszenarios Eggesin als grüne Wohnstadt muss die interkommunale Kooperation mit Ueckermünde und Torgelow reaktiviert werden. Grundlage dafür ist, dass aus bereits gemachten Fehlern gelernt und ein neuer Ansatz gewählt wird. Die Basis für eine erneute Zusammenarbeit besteht durchaus. Zum einen ist seit 2013 in der Stadt Ueckermünde ein neuer Bürgermeister im Amt und zum anderen wurde mittlerweile erkannt,

7 Fusion der Stadtverwaltung Eggesins mit dem Amt Ueckermünde Land zum gemeinsamen Amt Am Stettiner Haff sowie der Stadtverwaltung Torgelow mit dem Amt . Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 98 dass der Schrumpfungsprozess mit all seinen Folgen (vgl. Kap. 2.3) schwierig allein zu bewäl- tigen ist. Gerade vor dem Hintergrund der Probleme, die ostdeutsche Kleinstädte in peripheren Lagen charakterisieren (vgl. Kap. 2.5), ist eine Zusammenarbeit unerlässlich. Nachfolgend wird dargestellt, wie eine interkommunale Kooperation für Eggesin, Ueckermünde und Torgelow aussehen könnte. In einem ersten Schritt müssen sich die drei Kleinstädte von ihren Problemen bzw. dem Konkurrenzdenken untereinander lösen und erkennen, dass der Nutzen einer solchen freiwilli- gen Zusammenarbeit größer ist als die zu erwartenden Kosten. In diesem Zusammenhang gilt es, die Vorteile für alle Beteiligten in Form eines „Dazugewinnens“ herauszuarbeiten und ein möglichst gleich großes Interesse an der Kooperation herzustellen. Hierbei liegt der Ansatz für Ueckermünde im Tourismusbereich, für Torgelow in der Wirtschaft und für Eggesin im Woh- nen. Ueckermünde weist im Vergleich mit den anderen beiden Städten die besten touristischen Zahlen auf (vgl. Tab. 5-2) und hat zudem das größte Potential im genannten Bereich. Allerdings liegt das Seebad damit immer noch deutlich hinter der Konkurrenz etwa auf Rügen oder Use- dom zurück (vgl. Abschnitt 5.1.4). Demnach ist die touristische Stärkung der Gesamtregion Am Stettiner Haff, z. B. eine gemeinsame Imagewerbung und Vermarktung sowie ein verknüpftes Tourismusinformationssystem, ein wesentliches Ziel der Zusammenarbeit. Dabei übernimmt Ueckermünde die Leitung. Der Ausgangspunkt für Torgelow liegt in der Stärkung bzw. dem Ausbau des produzierenden Gewerbes, speziell der Metallbau spielt eine besondere Rolle. Tor- gelow hat momentan die meisten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im sekundären Sektor und zusätzlich einen deutlichen Einpendlerüberschuss (vgl. Abschnitt 5.1.3). Denkbar wäre die Bündelung des vorhandenen produzierenden Gewerbes aus Eggesin und Uecker- münde in Torgelow. Darüber hinaus ermöglicht eine wirtschaftliche Kooperation bspw. eine gemeinsame Struktur- und Wirtschaftsförderung, Gewerbeflächenpools, Technologie- und Gründerzentren u. v. m. (vgl. Abschnitt 2.6.1). Somit könnte die Wettbewerbsfähigkeit der Ge- samtregion gestärkt werden. Das Handlungsfeld Siedlungsentwicklung in Verbindung mit der sozialen und technischen Infrastruktur bildet die Grundlage des Kooperationsansatzes für Eg- gesin. Sowohl wirtschaftlich als auch touristisch ist sie die schwächste der drei genannten Kleinstädte (vgl. Tab. 5-1 & 5-2). Trotzdem kann Eggesin die zentrale Rolle als Wohnstadt einnehmen und damit unterstützend für Ueckermünde und Torgelow wirken. Einerseits eignet sich die räumliche Lage hervorragend zum Wohnen – zentral gelegen zwischen den Kleinstäd- ten Torgelow und Ueckermünde im Naturraum Am Stettiner Haff. Andererseits sind sowohl genügend Freiflächen zum Hausbau vorhanden, ebenfalls bietet der gegenwärtige Leerstand Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 99 von 9,9 % (vgl. Abschnitt 5.2.4) ein Potential. In Verbindung mit der intensivierten Ausrich- tung auf den tertiären Sektor, z. B. Bereitstellung von Gesundheitsleistungen, kann Eggesin einen wichtigen Partner in dem Städteverbund darstellen. Grundsätzlich sollte dem wirtschaft- lichen Potential der Dienstleistungen, insbesondere im Pflegebereich, eine wachsende Bedeu- tung beigemessen werden. Damit besteht die Aussicht, neue Arbeitsplätze in Eggesin zu schaffen bzw. wegfallende Stellen im primären bzw. sekundären Sektor auszugleichen (vgl. Abschnitt 2.5.2). Anlässlich der ersten Kooperation zwischen den drei Kleinstädten im Jahr 2001 wurde der projektbezogene Ansatz gewählt. Dieser versprach ein vergleichsweise geringes Risiko, weil Vor- und Nachteile abschätzbar waren. Jetziger Ausgangspunkt für eine mögliche Umsetzung des Zukunftsszenarios Eggesin als grüne Wohnstadt wäre die Entwicklung der Gesamtregion. Damit wird ein deutlich umfassenderer Ansatz ausgewählt, der sich mit Themen und Fragestel- lungen beschäftigt, welche die traditionelle Stadtentwicklung häufig nicht abdeckt. Unerläss- lich hierfür ist die Anfertigung eines regionalen Entwicklungskonzepts. Das Gelingen der interkommunalen Kooperation hängt auch unmittelbar mit dem zeitlichen Rahmen zusammen. Während 2001 für den Wettbewerb Stadtumbau Ost alles sehr schnell ge- hen musste, kann jetzt über eine längere Zeitspanne geplant werden. Sie dient den Beteiligten, eine Vertrauensbasis zu schaffen und alte Rivalitäten abzubauen. Die gesamte Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen den Partnerstädten sollte langsam wachsen und mit fortschreitender Dauer intensiviert bzw. um neue Handlungsfelder (vgl. Abschnitt 2.6.1) erweitert werden. Nachfolgend ist ein möglicher Kooperationsverlauf einer interkommunalen Zusammenarbeit dargestellt, wie er bspw. zwischen Eggesin, Ueckermünde und Torgelow aussehen könnte.

Tab. 8-1: Phasen des Kooperationsverlaufs. Tabelle nach Schulitz & Knoblauch 2011: 48.

Phasen Inhalte

Vorlaufphase ƒ Informelle Treffen der Akteure zwecks unverbindlichem Infor- mationsaustausch ƒ Entschluss zur Kooperation ƒ Definition von konkreten Handlungsfeldern Orientierungsphase ƒ Klärung der Kooperationsform ƒ Erarbeitung eines Leitbildes oder Konzepts ƒ Aufstellung von Spielregeln Test- oder ƒ Umsetzung erster Maßnahmen ƒ Diskussion eines Kosten-Lasten-Ausgleichs Konsolidierungsphase ƒ (Erweiterung eines Beteiligtenkreises) ƒ Stabilisierung der Beziehungen ƒ Bearbeitung weiterer Projekte und neuer Themen Reifephase, gefestigte ƒ Übertragung von Aufgabenfeldern auf geeignete Kooperati- Kooperation onsformen ƒ Routinierte Zusammenarbeit auf breiter Basis ƒ Vertragliche Fixierung der Arbeitsform Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 100

Ein wesentlicher Makel innerhalb der ersten Kooperation zwischen den drei Kleinstädten be- stand in der ausbleibenden externen Beratung, die im Anschluss an den Wettbewerb Stadtum- bau Ost hätte erfolgen müssen. Dadurch fehlte es an erforderlichen Moderations- und Koordinationsleistungen, wodurch wichtige Impulse ausblieben. Im Rahmen der reaktivierten Zusammenarbeit ist daher eine unabhängige Organisation, z. B. eine regionale Entwicklungs- agentur, in den Prozess mit einzubeziehen. Diese kann beispielsweise vielfältigste organisato- rische Aufgaben, die bei der Zusammenarbeit anfallen, übernehmen. Allerdings ist auch der Einsatz eines Promotors denkbar. Diese Person oder Gruppe kann mit einer Projektleitung gleichgesetzt werden und dient dazu, den Nutzen der Kooperation herauszustellen, wichtige Überzeugungsarbeit zu leisten und nicht zuletzt neue Themen aufzugreifen. Im Zuge der ersten Kooperation von U.T.E. fehlte genau ein solcher Akteur, was mit zum Scheitern beitrug. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 49 & 105) Wesentlich trägt auch die Auswahl bzw. Einbindung von geeigneten Personen zum Erfolg der Zusammenarbeit bei. Für den regionalen Entwicklungsansatz dürfen nicht nur politische Entscheidungsträger im Prozess beteiligt werden. Vielmehr gilt es, gesellschaftliche Gruppen und auch Bürger einzubinden, damit die Durchsetzungschancen einer Zusammenarbeit steigen. Weitere Vorteile eines großen Akteursspektrums sind ein hohes Maß an Eigendynamik und kreatives Potential, das auf einer breiten Basis sichergestellt wird. Auch einzelne Personen sind innerhalb der interkommunalen Kooperation zwischen Eggesin, Ueckermünde und Torgelow entscheidend, insbesondere die Bürgermeister besetzen eine Schlüsselrolle. Für eine erfolgreiche Kooperation U.T.E. sind jedoch zwei Voraussetzungen essenziell, die auch in der Vergangenheit zu Problemen untereinander führten. Zum einen müssen die drei Kleinstädte bereit sein, Kompetenzen an den jeweiligen Partner abzugeben. Zum anderen soll- ten finanzielle Belastungen fair geteilt werden. Generell stellt die kommunale Finanznot (vgl. Abschnitt 2.5.4) ein wesentliches Problem für die Kooperation dar. Diese beeinflusst viele ausschlaggebende Faktoren, beginnend mit dem nötigen Personal zur Verwirklichung der Zu- sammenarbeit bis hin zur Umsetzung von Einzelprojekten, die einen gewissen monetären kom- munalen Eigenanteil erfordern. Demgegenüber ermöglicht eine interkommunale Zusammenarbeit auch erst den Erwerb zusätzlicher finanzieller Mittel, z. B. mit dem Programm Kleinere Städte und Gemeinden - überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke (vgl. Abschnitt 2.6.7). Wie in Abschnitt 2.6.1 beschrieben, bietet die interkommunale Kooperation in der The- orie eine hohe Lösungskapazität. Allerdings werden die theoretisch vorhandenen Chancen auf- grund von akteursbezogenen Hemmnissen selten ausgeschöpft und konfliktreiche Themen bzw. Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 101

Verteilungsfragen in der Regel umgangen. Zugegebenermaßen kann auch die erneute Zusam- menarbeit von diesen Problemen betroffen sein und damit das gesamte Szenario scheitern. Demgegenüber wurden möglichst alle in der Vergangenheit begangenen Fehler analysiert und Möglichkeiten für deren Umkehr aufgezeigt, so dass zumindest ein vollständiger Fehlschlag wenig plausibel scheint. Neben der interkommunalen Kooperation, die bereits wesentliche Punkte für die Umsetzung des Zukunftsszenarios Eggesin als grüne Wohnstadt enthält, kann Eggesin auch einiges selbst für die Realisierung der beschriebenen Situation tun (vgl. Kap. 7.1). In diesem Zusammenhang ist vor allem das städtebauliche Potential (vgl. Abschnitt 2.6.3) zu nennen. Ausgehend von dem Bundeswettbewerb Stadtumbau Ost wurden bereits über 550 Wohnungen zurückgebaut, teil- weise sogar ganze Häuserblöcke abgerissen (vgl. Abschnitt 5.2.4). Für eine erfolgreiche Um- setzung des Szenarios sollte in den nächsten Jahren an diese Entwicklung angeknüpft werden. Zusätzlich sind die vorhandenen stadttechnischen Infrastrukturen, z. B. Wasser-, Abwasser-, Strom- oder Verkehrsnetze, an den tatsächlichen Bedarf Eggesins anzupassen. Bedingt durch den bereits erfolgten und weiteren Abriss der Plattenbauten werden Freiflächen in der Klein- stadt entstehen. Diese Areale sind Grundlage für die Errichtung von Einfamilienhäusern und die Anlage von Grünflächen, welche das Stadtbild auflockern sollen. Mit der Bereitstellung von Bebauungsgebieten für Eigenheime entspricht die Kleinstadt Eggesin zudem einem bundeswei- ten Trend nach individuellem Wohnungsbau. In der Theorie werden die Bebauungsflächen eine große Nachfrage erzeugen. Zum einen sind die Bodenpreise in Eggesin mit durchschnittlich unter 30 € pro m², selbst in guter Lage, sehr gering (vgl. LAiV 2014). Zum anderen bietet die Kleinstadt eine ausreichende soziale, kulturelle und technische Infrastruktur (vgl. Ab- schnitt 5.1.2). Darüber hinaus ist Eggesin von einer einzigartigen Natur- und Kulturlandschaft durchzogen und umgeben (vgl. Abschnitt 5.1.4), sodass eine hohe Lebensqualität für die Be- wohner sichergestellt wird. Das Zukunftsszenario Eggesin als grüne Wohnstadt sieht weitere städtebauliche Potentiale vor, wie bspw. die Revitalisierung der Innenstadt und die Nutzung der vorhandenen Brachflä- chen (vgl. Abschnitt 2.6.3). Für die Innenstadt ist im Gegensatz zu den Plattenbauten nicht der Rückbau prägend, sondern eine Modernisierung, Qualitätsverbesserung und Bestandspflege an- zustreben. Damit sollen sowohl das Wohnen im Zentrum Eggesins als auch die örtliche Wirt- schaft gestärkt werden, z. B. mit Hilfe von Bäckereien und Drogerien. Die Umgestaltung der Brachflächen ist ebenfalls ein grundlegendes Ziel bei der Umsetzung des Szenarios. Auf diesen Arealen sollen passend zum Titel der grünen Wohnstadt parkähnliche Grünflächen ange- legt werden. Ein weiterer Bestandteil des Konzepts ist die Umgestaltung des Parkplatzes des Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 102 ehemaligen Aldi-Markts zu einem neuen Stadtzentrum, das sowohl für den wöchentlichen Markt als auch für Veranstaltungen zur Verfügung steht. Infolgedessen wird die Innenstadt weiter aufgewertet. Darüber hinaus bieten die militärischen Brachflächen ein enormes Potential als Standort für erneuerbare Energien, z. B. für Solarparks. Generell kann die Umstellung auf diese Energieform ein zukunftsfähiges Modell für die Kleinstadt Eggesin darstellen (vgl. Ab- schnitt 2.6.4). Zum einen trägt es zum Image als Stadt mit hochwertiger Natur und Landschaft bei. Zum anderen partizipiert Eggesin an Solar- oder Windparks mit der Einnahme von Gewer- besteuern. Diese können dabei helfen, die kommunale Finanznot, in der sich die Kleinstadt befindet, abzumildern. Zusammengefasst sollte die gesamte städtebauliche Ausrichtung Egge- sins die Erhaltung bzw. Steigerung der Lebensqualität für die Bevölkerung gewährleisten und damit im Mittelpunkt der möglichen Umsetzung des Zukunftsszenarios stehen. Gleichwohl kosten der Rückbau der Blockbebauung, die Reduzierung der stadttechnischen Infrastruktur, die Umgestaltung der Frei- und Brachflächen und nicht zuletzt die Modernisierung der Innen- stadt viel Geld. Vor dem Hintergrund der kommunalen Finanznot (vgl. Abschnitt 2.5.4) Egge- sins scheint die Bewältigung dieser Aufgaben schwierig bzw. nicht realisierbar. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, bspw. der Bundeswettbewerb Stadtumbau Ost (vgl. Ab- schnitt 5.2.4), dass eine Durchführung der genannten Maßnahmen durchaus möglich ist. Zudem findet die Verwirklichung des Szenarios unter dem Aspekt der interkommunalen Kooperation statt. Dadurch sind im Verbund U.T.E. potentielle Aufgaben bzw. Lasten der Siedlungsentwick- lung gemeinsam steuer- und teilbar, sowie neue Fördermittel, die auf Regionen ausgerichtet sind, zugänglich (vgl. Abschnitt 2.6.7). Die regionale Natur- und Kulturlandschaft zählt zu den großen Stärken Eggesins. Der idyl- lische Naturraum, welcher die Kleinstadt umgibt (vgl. Abschnitt 5.1.4), in Verbindung mit den Charakteristika Ruhe, Gelassenheit und Überschaubarkeit, sind integrale Bestandteile des Zu- kunftsszenarios. Damit sich Eggesin als grüne Wohnstadt entwickeln kann, ist es wichtig, die bestehenden naturräumlichen Einheiten (vgl. Abschnitt 5.1.4) zu schützen und insbesondere innerhalb der Stadt auszubauen, wodurch sich die Wohn- und Lebensqualität für die Bürger erhöht. Die regionale Kulturlandschaft bildet unter anderem die Grundlage für die Bereiche Tourismus, Naherholung, Freizeit und Sport und trägt damit zur gesamten Stadtentwicklung bei (vgl. Abschnitt 2.6.4). Die touristische Aufwertung der Gesamtregion Am Stettiner Haff ist im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit anzustreben (vgl. Abschnitt 5.1.5). Aller- dings können auch in Eggesin einzelne Projekte zur Verbesserung des Fremdenverkehrs und der Naherholung beitragen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Themen Natur und Wasser prägend. Beispielhaft führt das Zukunftsszenario die Schaffung einer Badebucht Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 103 mit angrenzendem Fahrrad- und Kanuverleih auf. Auch die Umnutzung des ehemaligen Bahn- hofsgebäudes zu einem Hostel mit integriertem Bauernmarkt kann das touristische Angebot bereichern. Eggesin sollte sich im Verbund U.T.E. beispielsweise auf den Natur- bzw. Aktiv- tourismus fokussieren. In Verbindung mit der Spezialisierung Ueckermündes auf den Bereich des Strandurlaubs sind positive Synergieeffekte zu erwarten. Darüber hinaus bietet die Ge- schichte Eggesins als Garnisonsstadt ein touristisches Potential. Die ehemaligen Soldaten und dazugehörigen Familien oder interessierte Besucher können die Vergangenheit im Militärmu- seum oder auf einem militärhistorischen Pfad nacherleben (vgl. Kap. 7.1). Im Mittelpunkt sollte die Wahrung der Geschichte Eggesins stehen, welche die Kleinstadt bis heute prägt (vgl. Kap. 5.2). Damit Eggesin als Wohnstadt mit seinen städtebaulichen, kulturellen und touristischen An- geboten erfolgreich sein kann, müssen vor allem die Außendarstellung und der Bekanntheits- grad verbessert werden. Die verbreitete Bezeichnung „Land der drei Meere: Waldmeer, Sandmeer, gar nichts mehr“ (vgl. Abschnitt 5.2.3) ist mit einem professionellen Stadtmarketing einschließlich einer breiten Öffentlichkeitsarbeit zu überwinden. Eine Möglichkeit hierfür ist die verstärkte Werbung für die Vorteile der Kleinstadt, z. B. mit Publikationen in Zeitschriften oder Auftritten im deutschlandweiten Fernsehen. Auch ein neuer Internetauftritt, einschließlich Ueckermünde, Torgelow und Eggesin im Verbund U.T.E., kann das Image der Gesamtregion aufwerten und eine Realisierbarkeit des Zukunftsszenarios ermöglichen. Nicht zuletzt hängt die Umsetzung des Zukunftsszenarios für Eggesin, das von unterschied- lichen Problemen (vgl. Kap. 5.3) beeinflusst wird, von dem endogenen Potential, insbesondere dem soziokulturellen Bezug ab (vgl. Abschnitt 2.6.2). Die gemeinhin als besondere Stärke von Kleinstädten geltende Vereinsarbeit, die informellen Netzwerke und Identifikation der Bürger mit der eigenen Stadt sind wesentliche Bestandteile für eine erfolgreiche Implementierung. Folglich könnten in Eggesin, das ein sehr aktives Vereinsleben aufweist (vgl. Abschnitt 5.1.2), einige Projekte trotz eingeschränkter finanzieller Mittel realisiert werden. Allerdings sind diese über Jahre gewachsenen Strukturen keine Selbstverständlichkeit, sondern eine wertvolle Res- source. Die Stadt kann sich nicht darauf verlassen, dass Vereine und informelle Netzwerke alle Probleme eigenständig lösen. Vielmehr sollte das Interesse bestehen, Eggesin gemeinsam zu- kunftsfähig zu gestalten. Dafür ist jedoch eine Verbesserung der Kommunikation und Vernet- zung zwischen Bürgern, Stadtverwaltung und Vereinen essenziell. Vor dem Hintergrund der großen Herausforderungen und Unwägbarkeiten, die das Szenario Eggesin als grüne Wohnstadt mit sich bringt, könnten auch neue oder kreative Ansätze (vgl. Abschnitt 2.6.6) fernab des Alt- bewährten helfen.

Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 104

Übertragbarkeit Szenario 1 Das Zukunftsszenario Eggesin als grüne Wohnstadt (vgl. Kap. 7.1) und die daran anknüpfende Umsetzung (vgl. Kap. 8.1) sind speziell für Eggesin, Ueckermünde und Torgelow entwickelt worden. Aus diesem Grund ist es schwierig, die individuellen Rahmenbedingungen, welche die drei Gemeinden (vgl. Kap. 5.1) und deren möglichen Verbund prägen, auf andere Kleinstädte hundertprozentig zu übertragen. Viele Kleinstädte in Ostdeutschland, aber auch in den alten Bundesländern, stehen dem Schrumpfungsprozess gegenüber (vgl. Abb. 2-1). Die dafür cha- rakteristischen Ursachen und Wirkungen (vgl. Kap. 2.5) sind jedoch häufig sehr ähnlich. Indes- sen können einzelne Faktoren, z. B. Bevölkerungsrückgang, strukturschwache Wirtschaft oder kommunale Finanznot einen unterschiedlich starken Einfluss haben. Während in Eggesin der Abzug des Militärs prägend war bzw. ist (vgl. Abschnitt 5.2.4 & Kap. 5.3), sind andere Regio- nen mit differenzierten Problemlagen konfrontiert. Dennoch ist der im Zukunftsszenario be- schriebene Weg, dem Schrumpfungsprozess mittels einer Kombination aus Rückbau bzw. Abbau von Angeboten und Infrastruktur, Bestandspflege, Effizienzsteigerung und Qualitäts- verbesserung zu begegnen, ein in der Praxis weit verbreiteter Ansatz. Dementsprechend können zumindest einzelne Bereiche der beschriebenen Umsetzung, z. B. die interkommunale Koope- ration, das städtebauliche Potential oder die endogene Entwicklung, auf andere Kleinstädte übertragen werden. In Deutschland existieren bereits zahlreiche positive Praxisbeispiele, die in ähnlicher Art und Weise, wie die in Kapitel 8.1 dargestellte Implementierung für Eggesin, vor- gegangen sind. Nachfolgend wird ein Beispiel kurz vorgestellt und der gewählte Ansatz be- schrieben. In der Region Schwalm-Eder-West, gelegen im Bundesland Hessen, haben sich die fünf Kleinstädte Borken, Bad Zwestern, Jesberg, Neuental und Wabern in einer interkommunalen Kooperation zusammengeschlossen, um gemeinsam dem Schrumpfungsprozess zu begegnen. Das gesamte Gebiet ist von einer negativen Bevölkerungsentwicklung gekennzeichnet, die in den 1970er Jahren begann. Alleine für die Jahre 2004 bis 2020 wird ein Bevölkerungsverlust von 17 % prognostiziert. Zudem verschiebt sich die Altersstruktur, ähnlich wie in Eggesin (vgl. Abschnitt 5.1.1), immer weiter. Darüber hinaus zählt die periphere Gegend zu den struktur- schwachen Regionen in Hessen mit einer Arbeitslosenquote von ca. 10 %. Im Zuge des Wett- bewerbs Stadt 2030 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bildete sich im Jahr 2003 die Kooperation der genannten Kleinstädte. Das übergeordnete Ziel der Zusam- menarbeit war, im Hinblick auf den Bevölkerungsrückgang Voraussetzungen für den Erhalt der Lebensqualität der Bevölkerung und zukunftsfähige Arbeitsplätze in der Region zu schaf- fen. Ausgehend von der Gründung eines Zweckverbands zur Übernahme der Trägerschaft eines Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 105 interkommunalen Gewerbegebiets wurde die Kooperation ständig weiterentwickelt. In der Folge konnte die Zusammenarbeit um zusätzliche Handlungsfelder, z. B. Flächennutzung, Inf- rastruktur, gewerbliche Wirtschaft, Landwirtschaft, Tourismus, Freizeit und Gesundheit, er- gänzt werden. Dabei verfolgen die beteiligten Kleinstädte einen integrierten, umfassenden und auf eine Funktionsteilung ausgerichteten Ansatz, genauso wie er beim reaktivierten U.T.E. vor- gesehen ist (vgl. Kap. 8.1). Die Kleinstadt Wabern fungiert dabei als Standort für Rohstoffge- winnung und -veredelung sowie Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte. Bad Zwestern konzentriert sich auf die Bereiche Gesundheit und Fremdenverkehr. Jesberg und Neuental ha- ben ihre Entwicklung auf die Erholungsfunktion und den Tourismus ausgerichtet. Borken erhält als größte Stadt des Kooperationsraums die mittelzentralen Versorgungsmöglichkeiten und Einrichtungen der sozialen Infrastruktur. Nach einer längeren und erfolgreichen Zusammenar- beit ist die vorhandene Verbandsstruktur mittlerweile gefestigt und hat sich zudem bewährt. Durch die Kooperation entstanden Synergieeffekte und es wurden Einsparungen erzielt, bspw. durch eine effektivere Verwaltungsarbeit. Außerdem hat die gesamte Region eine deutlich bes- sere Verhandlungsposition gegenüber Dritten, z. B. Kreis-, Landes- und Bundesbehörden. Auch die Lebensqualität für die Bewohner ist gestiegen. Nicht zuletzt ermöglichte erst der Zusam- menschluss der Kommunen die Teilnahme an verschiedenen Förderprogrammen, die für ein- zelne Städte nicht zugänglich gewesen wären. Mit der Aufnahme der Kooperation in das Forschungsprogramm Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) Stadtumbau West zahlte sich der Mut der fünf Kleinstädte besonders aus. Die Bundesregierung und das Land Hessen stellten der Region vier Millionen Euro bei einem Eigenanteil von einer Million Euro bereit. Mit diesen zusätzlichen Mitteln konnten weitere kostenintensive Projekte umgesetzt werden. (Vgl. Schulitz & Knoblauch 2011: 75-91) Die Kooperationsbedingungen in der Region Schwalm-Eder-West bieten im Vergleich zu U.T.E. aufgrund der besseren wirtschaftlichen Voraussetzungen und einer höheren finanziellen Förderung günstigere Grundlagen für eine Zusammenarbeit. Allerdings sind auch Borken, Bad Zwestern, Jesberg, Neuental und Wabern negativ durch den Schrumpfungsprozess beeinflusst und entschlossen sich gerade deswegen, mit einem neuen Ansatz dieser Situation zu begegnen. Zusammenfassend zeichnet sich die Umsetzung des Zukunftsszenarios Eggesin als grüne Wohnstadt durch eine hohe Übertragbarkeit auf andere Kleinstädte aus. Das interkommunale Kooperationsbeispiel der Region Schwalm-Eder-West hat gezeigt, dass auch ein umfassender regionaler Entwicklungsansatz in der Praxis tatsächlich realisierbar ist. Auch die Übertragbar- keit einzelner im Szenario beschriebener Potentiale, bspw. städtebaulicher, endogener, touris- tischer oder naturräumlicher Art, ist für Kleinstädte gegeben. Grundvoraussetzung dafür ist Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 106 allerdings, dass eine Anpassung der notwendigen Umsetzungsschritte an die jeweils örtlichen Gegebenheiten erfolgt.

8.2 Umsetzung Szenario 2 – Blaubeerstadt Eggesin Auch beim Zukunftsszenario Blaubeerstadt Eggesin (vgl. Kap. 7.2) ist die interkommunale Ko- operation ein wichtiger Bestandteil, aber nicht die zentrale Leitidee wie bei Eggesin als grüne Wohnstadt (vgl. Kap. 8.1). Dennoch gilt es, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und die Zusammenarbeit unter Beachtung der aufgezeigten Empfehlungen (vgl. Kap. 8.1) wieder aufzunehmen. Im Gegensatz zum umfassenden Entwicklungsansatz des ersten Szenarios Egge- sin als grüne Wohnstadt ist hier jedoch der projektbezogene Ansatz maßgebend. Damit soll an die anfangs erfolgreiche Zusammenarbeit mit Ueckermünde und Torgelow für den Bundes- wettbewerb Stadtumbau Ost angeknüpft werden. Im Mittelpunkt der Kooperation stehen die Handlungsfelder Wirtschaftsentwicklung, Regionalmarketing und Tourismusförderung. Durch die Umsetzung gemeinschaftlich vereinbarter Schlüsselprojekte, z. B. der Errichtung einer Ju- gendherberge mit Erlebnishof im angrenzenden Naturpark, soll sowohl für Eggesin als auch Ueckermünde und Torgelow ein Mehrwert entstehen. Vor allem mit der gemeinsamen Ver- marktung der Region U.T.E. und dem potentiellen Erwerb zusätzlicher finanzieller Fördermittel kann dem Interesse der drei Kleinstädte an einer Zusammenarbeit entsprochen werden. Der gewählte konventionelle Ansatz einer Kooperation gewährleistet, konfliktreiche Themen mög- lichst zu umgehen bzw. mittels einer verbesserten Kommunikation untereinander zu lösen und Verteilungsfragen fair zu regeln. Aus den genannten Gründen ist die beschriebene Methode der interkommunalen Kooperation als durchaus erfolgversprechend einzustufen. Zumal sich die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in den letzten Jahren zum Positiven geändert haben und Lösungsmöglichkeiten für frühere Kontroversen bestehen (vgl. Kap. 8.1). Die Grundkonzeption des Zukunftsszenarios Blaubeerstadt Eggesin sieht vor, dass die Klein- stadt ihre wirtschaftliche Situation von innen heraus verbessern kann. Das Ziel besteht darin, charakteristische Probleme Eggesins abzuschwächen (vgl. Kap. 5.3). Dabei soll ein bereits vor- handenes Potential, nämlich die Blaubeere, in den Vordergrund rücken. Eggesin trägt ohnehin schon den Titel Blaubeerstadt, allerdings ist dieser Sachverhalt kaum bekannt. Sogar die Egge- siner Bevölkerung scheint darin weder etwas Besonderes noch ein Potential zu sehen (vgl. Ab- schnitt 6.4.6). Dabei findet seit 2002 jedes Jahr im Juli auf dem Vierseitenhof an der Blaubeerscheune das Blaubeerfest statt, in dem die Frucht als Symbol der Region im Mittel- punkt steht (vgl. Abschnitt 5.1.2). Die Veranstaltung beinhaltet ein vielfältiges Programm, Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 107 z. B. Wanderungen durch die Ueckermünder Heide, Blaubeermarkt, Livemusik u.v.m. Das Fest wird von dem Verein Pro Eggesin e. V. geplant und ausgerichtet. (Vgl. Stadt Eggesin o. J.) Nach einem erfolgreichen Start mit der Vermarktung der Blaubeerprodukte auch außerhalb des Blaubeerfests durch den Verein Pro Eggesin e. V. traten einige Probleme auf. Zum einen missfiel dem örtlichen Einzelhandel der Vertrieb auf ehrenamtlicher Basis, weil darin eine Kon- kurrenz gesehen wurde, welche keine Lohnkosten zahlen musste und somit preiswerter war. Zum anderen hatte der Verein nicht ausreichend Mitglieder, um stabile Öffnungszeiten sicher- zustellen, wozu auch der fehlende Nachwuchs beitrug. Darüber hinaus konnte kein dauerhafter Lagerbestand an Blaubeerprodukten, z. B. Blaubeerbier, gewährleistet werden. Aus den ge- nannten Gründen standen Touristen, aber auch Einheimische oftmals vor verschlossenen Türen und bekamen nur selten Blaubeererzeugnisse. In der Folge verlor die anfänglich gute Idee an Zustimmung und Attraktivität.8 Mit der Umsetzung des Zukunftsszenarios Blaubeerstadt Eggesin soll nunmehr das Potential der Blaubeere für Eggesin möglichst umfassend ausgeschöpft werden. Gegenwärtig erfüllt die Kleinstadt bereits einige wichtige Voraussetzungen, damit die Implementierung gelingen kann. Die Kulturlandschaft mit ihren nährstoffarmen und sandigen Böden, die von Kiefernwäldern dominiert werden, eignet sich hervorragend als Standort zum Anbau der Blaubeeren (vgl. Ab- schnitt 5.1.4). Zudem besitzt Eggesin, insbesondere der Verein Pro Eggesin e. V., reichlich Er- fahrung mit der Herstellung sowie Vermarktung von Blaubeerprodukten (vgl. Abschnitt 5.1.2). Außerdem sind bereits notwendige Strukturen wie die Blaubeerscheune, das Blaubeerfest oder der Titel Stadt der Blaubeere vorhanden. Der entscheidende Unterschied zum früheren Ansatz aus dem Jahr 2002 liegt darin, das gesamte Projekt auf einer breiteren Basis, d. h. nicht nur ehrenamtlich, zu entwickeln. Damit einher geht die Beteiligung und intensive Zusammenarbeit zwischen der Bevölkerung, der Stadtverwaltung und dem Verein Pro Eggesin e. V. Hierbei muss insbesondere die Kommunikation zwischen den beteiligten Gruppen verbessert werden, denn aktuell ist ein Kommunikationsdefizit in vielen Bereichen, bspw. Daseinsvorsorge, Wirt- schaft und sozialer Zusammenhalt (vgl. Abschnitte 6.4.3, 6.4.4 & 6.4.5), festzustellen. Grund- sätzlich sollte in einer kleinen überschaubaren Stadt wie Eggesin die Verständigung untereinander besser gelingen. Möglichkeiten wären z. B. Bürgerversammlungen, Wirtschafts- foren oder eine weitere Entwicklung der informellen Netzwerke (vgl. Abschnitt 2.6.2 & 5.1.2). Alternativ ist die Einrichtung eines Referats für Kommunikation und Bürgerdialog, ansässig in der Stadtverwaltung, denkbar. Darüber hinaus sieht das Zukunftsszenario eine Beteiligung

8 Als Quelle dieser Informationen dienten persönliche Mitteilungen von Eggesiner Bürgern und Mitgliedern des Vereins Pro Eggesin, deren Namen aus Vertrauensschutzgründen nicht genannt werden, im Zuge der Projekt- woche am 07./08.07.2015. Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 108 mehrerer regional engagierter Investoren, z. B. Landwirten oder Bierbrauern, vor. Diese wer- den benötigt, um ein gewisses Startkapital für die Errichtung eines Produktionszentrums für regionale und biologische Blaubeerprodukte auf dem ehemaligen Gelände des Aldi/Spar- Markts bereitzustellen. Grundsätzlich kann auch die Stadt Eggesin das Projekt finanziell unter- stützen, bspw. mit Fördermitteln. Obgleich die kommunale Finanznot eine hohe monetäre Be- teiligung seitens der Stadt als sehr unwahrscheinlich erscheinen lässt. Eine dritte Möglichkeit für die Realisierung des Produktionszentrums bietet das Crowdfunding. Auf diese Weise kann das nötige Eigenkapital durch eine Vielzahl von Menschen, z. B. den Bewohnern Eggesins, aber auch von anderen Personen, in Form eines Darlehens bereitgestellt werden. Dafür ist je- doch eine intensive Werbung und Überzeugungsleistung in der Region und im Internet für das Gesamtkonzept Blaubeerstadt Eggesin notwendig. Damit würde sich, unter Einbeziehung der Bürger Eggesins, deren Akzeptanz für das Projekt deutlich erhöhen. Der erste und entscheidende Schritt, ausreichend finanzielle Mittel für das Projekt aufzu- bringen, ist wesentliche Voraussetzung für weitere Maßnahmen. Dennoch ist festzustellen, dass die monetäre Ausgestaltung des Szenarios äußerst schwierig wird. Wie bereits erwähnt, sind weder die Stadtverwaltung, noch der Verein oder die Bürger alleine in der Lage, diese Last aufbringen. Eine Möglichkeit könnte die Ausgestaltung mittels der interkommunalen Koopera- tion sein, indem U.T.E. gemeinsam investiert und später auch profitiert. Gegebenenfalls gestat- tet die Zusammenarbeit zwischen Ueckermünde, Torgelow und Eggesin an diesem Schlüsselprojekt eine Förderung durch Mittel des Landes, des Bundes oder der EU (vgl. Ab- schnitt 2.6.7). Falls keine Finanzierungsmöglichkeit gefunden werden sollte, sind die weiteren beschriebenen Schritte unerheblich. Nachfolgend wird jedoch von einer positiven Situations- entwicklung ausgegangen. Anfänglich soll in dem Produktionszentrum ein Grundsortiment bestehend aus Marmeladen, Kuchen, Saft, Bier und Spirituosen (vgl. Kap. 7.2) hergestellt werden. In diesem Zusammen- hang entstehen im Anbau, der Herstellung und Vermarktung neue Arbeitsplätze, die vorwie- gend mit Arbeitskräften aus Eggesin und Umgebung zu besetzen sind. Abweichend zum jetzigen ehrenamtlichen Verkauf der Blaubeererzeugnisse in der Blaubeerscheune werden die Blaubeerprodukte auch an nahe gelegene Märkte ausgeliefert. Dafür ist ein professionelles Mar- keting einschließlich einer Öffentlichkeitsarbeit notwendig. Bei der Öffentlichkeitsarbeit kön- nen vor allem die endogenen Potentiale (vgl. Abschnitt 2.6.2), die Vereine und informellen Netzwerke Eggesins (vgl. Abschnitt 5.1.2), helfen. Die geschäftliche Vermarktung ist bspw. auch mit Hilfe der Neuen Technologien zu realisieren (vgl. Abschnitt 2.6.5), u. a. dem verstärk- ten Einsatz des Internets. Ähnlich der Umsetzung des Zukunftsszenarios Eggesin als grüne Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 109

Wohnstadt (vgl. Kap. 8.1) sollte auch für die Blaubeerstadt Eggesin Werbung in Zeitschriften und Fernsehen stattfinden. Passend zu diesem Zweck ist der Slogan „Die Stadt der neuen drei Meere: Waldmeer, Sandmeer, Blaubeermeer“ in Anlehnung an die despektierliche Beschrei- bung Eggesins „Land der drei Meere: Waldmeer, Sandmeer, gar nichts mehr“ (vgl. Abschnitt 5.2.3) entwickelt worden. Wie bereits oben beschrieben, lösen die Blaubeerprodukte gegenwär- tig eine große Nachfrage aus. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass mit verbesserter Werbung die Kaufbereitschaft weiter gesteigert werden kann. Nach einer gewissen Etablie- rungszeit ist eine Expansion des Produktionszentrums mit einhergehender Erweiterung des An- gebots durchaus vorstellbar. Ein Vorbild könnte z. B. die Alte Pommernkate in Rambin auf Rügen sein, die sich auf Sanddornprodukte und regionale Waren spezialisiert hat. An dem glei- chen Standort hat sich zudem eine Brauerei angesiedelt, welche außergewöhnliche Biererzeug- nisse herstellt. Weitere Beispiele sind Karls Erlebnisbauernmärkte, die in den vergangenen Jahren zunehmend expandierten und nun einen touristischen Anziehungspunkt in ihrer jeweili- gen Region darstellen. Ein steigender Bedarf an Blaubeererzeugnissen bedingt eine Vergröße- rung der Anbauflächen in Form von Plantagen. Die dafür notwendigen Flächen sind in der Umgebung von Eggesin ausreichend vorhanden (vgl. Abschnitt 5.1.4). Zusätzlich wird der Be- darf an Arbeitskräften steigen. Die aktuelle Arbeitslosenquote von 15,8 % in der Region Am Stettiner Haff (vgl. Abschnitt 5.1.3) bietet die Möglichkeit, die freien Arbeitsstellen zu besetz- ten. Alternativ besteht die Chance, Saisonarbeitskräfte aus dem benachbarten Polen anzuwer- ben. Generell stellt Polen mit dem nächstgelegenen Oberzentrum Stettin einen wichtigen Absatzmarkt dar. Zudem ist die polnische Kleinstadt Złotów, eine Partnerstadt Eggesins, ein möglicher Vertriebspartner der Blaubeerprodukte. Innerhalb der im Zukunftsszenario Blau- beerstadt Eggesin beschriebenen 20 Jahre soll sich die Werbung und Vermarktung über das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausbreiten. Diese Variante ist bspw. mit der Belieferung von Feinkost- bzw. Bioläden durchführbar. Allerdings kann auch ein System wie bei Karls Erlebnisbauernmärkten denkbar sein. Wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass Eg- gesin sein Charakteristikum als Blaubeerstadt konsequent ausbaut. Das Szenario schlägt ergän- zend die Erweiterung des Blaubeerfests zu einem Blaubeerkunstfestival vor, sodass auch für die Jugend kulturelle Angebote geschaffen werden. Bei einer erfolgreichen Implementierung des Zukunftsszenarios könnte Eggesin in vielerlei Hinsicht profitieren. Die Ansiedlung der Blaubeerwirtschaft mit einhergehender Schaffung von Arbeitsplätzen würde die Kommunalfinanzen, z. B. mit Gewerbesteuern und einem Teil der Einkommenssteuer, aufbessern. Aufgrund der bundesweiten Werbung als Blaubeerstadt könnte ebenso der Tagestourismus zunehmen, was positive Auswirkungen auf die Anziehungspunkte Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 110

Eggesins, den Wasserwanderrastplatz und den Naturpark hätte. Infolge der steigenden Besu- cherzahlen sollte auch der für die Kleinstadt bedeutende Bahnanschluss erhalten bleiben. Ge- gebenenfalls ist sogar die Ausweitung des Fahrangebots mit einer stündlichen Taktung des Zugverkehrs möglich. Der entscheidende Unterschied zur jetzigen Situation wäre, dass Eggesin Anerkennung und Bedeutung mit seinem Alleinstellungsmerkmal als Blaubeerstadt erhielte und dementsprechend die Attraktivität der überschaubaren Kleinstadt anstiege. Auf diese Weise würde sich nicht nur die Außendarstellung Eggesins positiv verändern, sondern auch die Iden- tifikation der Bevölkerung mit der eigenen Stadt verbessern. Entgegen der aktuellen Unzufrie- denheit, Ratlosigkeit und teilweisen Resignation aufgrund von ausbleibenden Perspektiven bzw. Lösungen (vgl. Kap. 6.5) bestünde nun wieder Zuversicht. Infolge einer Attraktivitätsstei- gerung, eines vorteilhafteren Images und der potentiellen Schaffung von Arbeitsplätzen sind positive Veränderungen hinsichtlich Wirtschaft und Bevölkerungsentwicklung durchaus mög- lich. Vor allem die Abwanderung jüngerer Generationen könnte abgeschwächt werden, wovon wiederum die Vereine und Bildungseinrichtungen profitieren würden. Die mögliche Entwicklung Eggesins bis ins Jahr 2035 mit der Ausrichtung auf die Blaubeere ist von vielen verschiedenen Parametern abhängig. Zudem ist die Einschätzung und Bewertung der einzelnen Faktoren kompliziert. Aus dem genannten Gründen sind die Auswirkungen der Implementierung des Zukunftsszenarios bewusst sehr positiv formuliert, d. h. es wurde vom Idealfall ausgegangen. Zugegebenermaßen könnten sich sowohl die Wirtschaft als auch die Be- völkerung anders als beschrieben entwickeln. Mit der Umsetzung des Szenarios sind auch bei Weitem nicht alle Probleme lösbar, die Eggesin aktuell charakterisieren (vgl. Kap. 5.3). Die wesentliche Aussage des Szenarios und der Umsetzung ist jedoch, dass eine Zukunftsperspek- tive durch das bereits vorhandene Potential besteht. Allerdings muss sich für Realisierbarkeit dieses Szenarios von der militärischen Vergangenheit gelöst werden (vgl. Kap. 7.2).

Übertragbarkeit Szenario 2 Die Umsetzung des Zukunftsszenarios Blaubeerstadt Eggesin ist als schrittweiser Prozess auf- gebaut. Erst die erfolgreiche Bewältigung einer Maßnahme, z. B. die Errichtung des Produkti- onszentrums (vgl. Kap. 8.2), kann einen folgenden Handlungsschritt auslösen. Die Auswahl der dafür notwendigen Umsetzungsschritte fand entsprechend den regionalen Gegebenheiten Eg- gesins statt. Zudem bezieht sich die gesamte Implementierung ausnahmslos auf das Alleinstel- lungsmerkmal der Blaubeerfrucht. Unter den genannten Voraussetzungen kann die dritte Leitfrage nach der Übertragbarkeit auf andere Kleinstädte nicht pauschal beantwortet werden. Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien (Jan Burmeister) 111

Dennoch besteht für eine periphere Region durchaus die Möglichkeit, dem Schrumpfungspro- zess mit anderen Alleinstellungsmerkmalen zu begegnen. Die Herausbildung eines besonderen Charakteristikums muss nicht zwangsläufig eine Frucht wie die Blaubeere sein. Auch die Aus- richtung auf besondere Persönlichkeiten, bspw. in der Lutherstadt Eisleben oder der Reuterstadt Stavenhagen, sind denkbar. Darüber hinaus können spezifische Qualitäten wie bei der Klingen- stadt Solingen oder der Autostadt Wolfsburg zu Bekanntheit und wirtschaftlichem Erfolg füh- ren. Mit der im Zukunftsszenario beschriebenen intensiven Ausrichtung auf die Blaubeere in Form des Produktionszentrums, der Blaubeerscheune, dem Blaubeerkunstfestival u. v. m. würde Eggesin ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland bieten. Aktuell existiert mit Enz- klösterle eine Landgemeinde, gelegen im Nordschwarzwald im Enztal, die ebenfalls mit der Heidelbeere wirbt. Der Ort organisiert jährlich eine Heidelbeerwoche, den Höhepunkt stellt das Heidelbeerfest dar. Diese Veranstaltung ist regional zwar sehr beliebt, hat aber vergleichsweise wenig Einfluss auf die wirtschaftliche Situation. Im Vordergrund stehen die Erweiterung des kulturellen Angebots und die Einbeziehung der Bevölkerung zur Gewährleistung des sozialen Zusammenhalts in der Region. Das Modell der Blaubeerstadt wäre unter Umständen auf die Region Enztal und die Landgemeinde Enzklösterle übertragbar. Zumal die wirtschaftlichen Vo- raussetzungen für die Implementierung im Bundesland Baden-Württemberg durchaus vorhan- den wären. Gleichwohl ist Enzklösterle keine Kleinstadt, sodass die Frage der Übertragbarkeit des Zukunftsszenarios Blaubeerstadt Eggesin in seiner dargestellten Form zu verneinen ist. Die in der Umsetzung beschriebene interkommunale Kooperation mit einem projektbezoge- nen Ansatz bietet hingegen ein großes Übertragungspotential auf andere Kleinstädte in peri- pheren Regionen, insofern die Blaubeere kein Bestandteil ist. In der Praxis wurde diese Form der Zusammenarbeit bereits mehrfach erfolgreich angewendet. Ein Paradebeispiel ist u. a die hessische Kreisstadt Eschwege mit seinen sieben Nachbarkommunen, die sich in einer Stadt-Umland-Kooperation zur Sicherung des Nahversorgungsangebots und Attraktivität der Innenstädte zusammenschlossen (vgl. Baumann, Hesse & Karsten 2010: 41). Auch der Mittel- zentrale Städteverbund Göltzschtal bestehend aus den Kleinstädten Rodewisch, Auerbach, El- lefeld und Falkenstein betreibt vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der kommunalen Finanznot eine erfolgreiche interkommunale Kooperation in Sachsen (vgl. Schu- litz & Knoblauch 2011: 133).

Kritische Betrachtung des Gesamtprozesses (Jonathan Nickl) 112

9 Kritische Betrachtung des Gesamtprozesses (Jonathan Nickl)

Mit Blick auf das Seminar als auch auf die vorliegende Arbeit gibt es diverse Ansatzpunkte zur Optimierung, die nachfolgend – neben erwähnenswerten positiven Abläufen – thematisiert und zur Diskussion gestellt werden. Vorab kann positiv hervorgehoben werden, dass trotz einer weniger intensiven Auseinandersetzung mit der komplexen Thematik im Laufe des Seminars keine für Eggesin relevanten Aspekte des Szenarioprozesses vernachlässigt wurden. Zugunsten der Übersichtlichkeit werden die kritischen Punkte analog zu den Phasen des Szenarioprozesses eingeteilt.

Phase II – Identifikation der Einflussfaktoren

Im vorliegenden Fall wurden die Einflussfaktoren (vgl. Kap. 5) als Grundlage für den Inter- viewleitfaden benötigt und infolgedessen bereits im Vorfeld erarbeitet. Stattdessen wäre es denkbar gewesen, die Faktoren im Rahmen partizipativer Workshops zu entwickeln und die Einwohner Eggesins somit noch stärker in den Prozess zu integrieren (vgl. Nanz & Fritsche 2012: 75). Dadurch hätten u. U. individuelle Sichtweisen auf potentielle Einflussfaktoren ana- lysiert oder diskutiert werden können. Angesichts des allgemeinen Projektablaufs (anschlie- ßende Interviews) sowie der verfügbaren Zeit kann die Vorgehensweise des Seminars allerdings als angemessen, der Situation entsprechend und in der Umsetzung effizient beurteilt werden.

Phase III – Analyse der Einflussfaktoren mittels Interviews

Während der Interviewvorbereitung zu Beginn des Seminars waren ursprünglich ausschließlich Fokusgruppeninterviews geplant (vgl. Kurzfragebogen des Interviewleitfadens unter Anhang A). Im Laufe der Projektwoche vor Ort kamen aus organisatorischen Gründen selektive Exper- teninterviews und spontane Straßenbefragungen hinzu. Letztendlich wurden drei verschiedene Interviewarten durchgeführt: Selektive Fokusgruppengespräche und Experteninterviews sowie spontane Straßenbefragungen (vgl. Tab. 6-1). Zum einen stellt sich hier die Frage, ob die dadurch entstandene Heterogenität in der Gestal- tung der Interviews nachteilige Effekte mit sich gebracht haben könnten. Beispielsweise kann eine verminderte Vergleichbarkeit der gewonnenen Informationen angesprochen werden, weil Einzelmeinungen der gleiche Stellenwert wie Gruppenmeinungen zugesprochen wurde. Ein Verlust an Informationen in der Gruppe ist dabei vorstellbar. Möglicherweise hätte eine gewisse Homogenität bezüglich der Interviewarten (entweder selektiv oder spontan) einen spürbaren Einfluss auf die Qualität der Ergebnisse gehabt. Kritische Betrachtung des Gesamtprozesses (Jonathan Nickl) 113

Zum anderen war eine Einteilung in Fokusgruppengespräch oder Experteninterview im Zuge dieser Arbeit nicht immer eindeutig, da auch einige Experteninterviews – ähnlich den Fo- kusgruppengesprächen – mit mehreren Personen abgehalten wurden (vgl. Tab. 6.1). Um eine Differenzierung vornehmen zu können, fanden bei der Einteilung die Definitionen von Snoy (2012) und Mayerhofer (2009) Anwendung, die Fokusgruppen mit sechs bis zehn Teilnehmern als Idealgröße ansehen (vgl. Snoy 2012: 250; Mayerhofer 2009: 480) (vgl. Kap. 6.2). Die Ein- teilung in Fokusgruppen- bzw. Experteninterview basiert dementsprechend ausschließlich auf

Unterschieden bezüglich der Personenanzahl innerhalb einer Gruppe. Abgesehen davon empfiehlt Pfadenhauer (2009) aufgrund des häufigen Gebrauchs des Be- griffs Experteninterview für nahezu jegliche Art von Gesprächen, nur solche Gesprächsvarian- ten als Experteninterview zu bezeichnen, bei denen sich die Interviewer mit den Interviewten in Bezug auf den thematischen Wissensstand auf gleicher Augenhöhe befinden. Zusätzlich dis- kutiert Flick (2012) die Schwierigkeit einer Definition, „[...] wer eigentlich als Experte zu se- hen ist.“ (Flick 2012: 214). Demnach sollte sowohl die Identifizierung und Auswahl von Experten als auch deren Wissensstand über relevante Themen sorgfältig überprüft werden (vgl. Flick 2012: 214-215; Pfadenhauer 2009: 455). Hinsichtlich dessen muss bei einer nach- träglichen Reflektion kritisch angemerkt werden, dass weder die Auswahl noch das thematische Wissen der befragten Experten einer Validierung unterzogen wurde. Darüber hinaus handelt es sich nach Flick (2012) bei Experteninterviews weniger um eine eigenständige Interviewform, sondern vielmehr um eine Variante des Leitfadeninterviews (vgl. Flick 2012: 214). Folglich kann die Bezeichnung Experteninterview in diesem Fall einen falschen Eindruck beim Leser erzeugen. Auch die Fokusgruppengespräche orientierten sich erstrangig am Interviewleitfaden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die dadurch vorgegebene Struktur die Entwicklung so- zialer Dynamiken wie auch den Raum für die Entfaltung und Veränderung des Gesprächsge- genstands einschränkte und somit ein wichtiges Element der Fokusgruppengespräche verloren ging (vgl. Flick 2012: 262; Schulz 2012: 9; Mayerhofer 2009: 479). Da also alle Interviews auf dem im Vorfeld angefertigten Leitfaden basierten, ergeben sich aus dieser Argumentation folgende Vorschläge zur alternativen Benennung der Interviewarten: Entweder könnten alle Interviews unabhängig von der Teilnehmeranzahl als Leitfadeninterview oder – wenn es nötig erscheint, die Personenanzahl hervorzuheben – als (leitfadenorientierte oder fokussierte) Einzel- oder Gruppeninterviews bezeichnet werden. Eine weitere Möglichkeit zur Definition der Interviews – unabhängig von der Teilnehmeranzahl – besteht im ebenfalls leitfadengeführten problemzentrierten Interview (vgl. Flick 2012: 210; Witzel 2000). Wie bei Kritische Betrachtung des Gesamtprozesses (Jonathan Nickl) 114 den in Eggesin durchgeführten Interviews setzt sich die Konzeption des problemzentrierten In- terviews aus einem vorgeschalteten Kurzfragebogen, einem Leitfaden mit Forschungsfragen, ggfs. Tonbandaufzeichnungen und einem Interviewprotokoll zusammen. Tonbandaufzeichnun- gen der Gespräche waren auch bei den vorliegenden Interviews vorgesehen, konnten aber auf- grund eines technischen Defekts der Aufzeichnungsgeräte letztendlich nicht realisiert werden. Unabhängig von der Bezeichnung der Interviewarten bestand ein großer Vorteil von Grup- pengesprächen als qualitative Erhebungsmethode in der schnellen Ausführung. Obgleich der bereits beschriebenen eingeschränkten Gruppendynamik aufgrund des standardisierten Leitfa- dens wurde im Gespräch dennoch eine gewisse Flexibilität gewährleistet und dadurch neue Ideen aktiviert. Getätigte Aussagen führten teils zu spontanen und abweichenden Wortmeldun- gen anderer Teilnehmer, so dass in einer lockeren Atmosphäre ehrliche und authentische Ant- worten gewonnen werden konnten. (Vgl. Flick 2012: 249-250; Mayerhofer 2009: 486) Obwohl qualitative Methoden primär zum Wissenserwerb eines wenig erforschten Bereichs dienen und Aufschluss darüber geben, wie sich Meinungen im sozialen Diskurs verändern können, sind sie demgegenüber auch zur allgemeinen, explorativen Ideenfindung geeignet (vgl. Breitenfelder & Zeglovitz 2009: 1114). So haben sich die Gruppeninterviews zur Ideenfindung auch in Eggesin als vorteilhaft erwiesen. Verbesserungen hinsichtlich der Diskussionsqualität von Gruppengesprächen sehen Flick (2012) und Schulz (2012) darin, dass sich die Teilnehmer innerhalb einer Gruppe nicht persön- lich kennen sollten (vgl. Flick 2012: 249-250; Schulz 2012: 15). Eine Berücksichtigung dessen war im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nahezu unmöglich, da es sich bei den Teilneh- mern aller Gruppengespräche ausschließlich um die Einwohner Eggesins handelte. Zu beach- ten, dass sich die Teilnehmer nicht kennen, hätte eine andere Zusammensetzung der Gruppen und somit einen enormen organisatorischen Aufwand nach sich gezogen, der in der Kürze der Zeit nicht realisierbar gewesen wäre. Zu den erforderlichen Fähigkeiten des Moderators, dem eine Schlüsselrolle in Gruppenge- sprächen zukommt (vgl. Kap. 6.3), kann aufgrund der Durchführung in mehreren Kleingruppen mit verschiedenen studentischen Moderatoren keine pauschalisierte Aussage getroffen werden. Die Projektleiter besuchten einige Interviews stichprobenartig, dennoch konnte keine allumfas- sende objektive Kontrolle gewährleistet werden. Da die Studierenden zum Zeitpunkt der Inter- views dank der Vorbereitungen im Vorfeld den gleichen Wissensstand bezüglich den jüngsten Entwicklungen in Eggesin und hohen Anforderungen an die Moderation besaßen, kann davon ausgegangen werden, dass zentrale Aspekte größtenteils beachtet wurden und eine korrekte Vorgehensweise weitestgehend gegeben war. Kritische Betrachtung des Gesamtprozesses (Jonathan Nickl) 115

Schließlich stehen die spontanen Straßenbefragungen sowohl in Bezug auf die Quantität als auch Qualität der getätigten Aussagen deutlich hinter den anderen Interviewarten. Dies ist größ- tenteils darauf zurückzuführen, dass sich die spontan angesprochenen Personen nicht immer die Zeit nehmen konnten, die für die Komplexität der Fragestellungen nötig gewesen wäre (vgl. Kap. 6.2). Möglicherweise spielte auch eine gewisse Skepsis gegenüber den ihrerseits un- bekannten Fragestellern eine Rolle, sodass insbesondere persönliche (sensible) Fragen nicht oder nur unvollständig beantwortet wurden. Daher können für künftige Interviews spontane Straßenbefragungen, vor allem vor dem Hintergrund komplexer Fragestellungen, nicht emp- fohlen werden.

Fragebogen

Hinsichtlich der Antwortmöglichkeiten innerhalb der Kategorie Abschluss des Kurzfragebo- gens (vgl. Anhang A) kommt es aufgrund der vorliegenden Konzeption zu Ungenauigkeiten. So wurde in dieser Kategorie die schulische und berufliche Ausbildung zusammengenommen. Bei der standardisierten Vorgabe, den höchsten Abschluss anzugeben, ist nicht nachvollziehbar, ob Befragungsteilnehmer, die bspw. Berufsausbildung angaben, einen Haupt- oder Realschul- abschluss oder das Abitur innehatten. Zusätzlich sei angemerkt, dass im Fragebogen die Option Fachabitur fehlte und somit der zweite Bildungsweg nicht abgebildet wurde. Um ein differenzierteres und aussagekräftigeres Ergebnis bezüglich des Schul- bzw. Berufs- abschlusses zu erhalten, erscheint folgende getrennte Einteilung sinnvoll:

1) Schulabschluss mit den Antwortmöglichkeiten Hauptschule, Realschule, Abitur und Fachabitur sowie ohne Abschluss. 2) Berufliche Qualifikation mit den Antwortmöglichkeiten Berufsausbildung, Studium so- wie ohne Berufsqualifikation. Ggfs. hätte die Antwortmöglichkeit Studium zusätzlich in die Art des akademischen Abschlusses gegliedert werden können (Bachelor, Master, Diplom, Promotion etc.).

Da jedoch weder innerhalb der Projektwoche noch im Rahmen dieser Arbeit im Zuge der Aus- wertungen Zusammenhänge zwischen soziodemografischen Daten und konkreten Aussagen hergestellt wurden, können Auswirkungen auf die Ergebnisse ausgeschlossen werden. Die Experteninterviews Jugendzentrum und Flüchtlinge mussten aufgrund nicht mehr auf- findbarer Aufzeichnungen für diese Arbeit nachträglich durch Gedächtnisprotokolle rekonstru- iert werden (vgl. Interviewprotokolle). Dies geschah in Kooperation mit den damals Kritische Betrachtung des Gesamtprozesses (Jonathan Nickl) 116 verantwortlichen Gruppenleitern. Obwohl nach Mayerhofer (2009) eine nachträgliche Ausar- beitung von Gesprächsprotokollen vermieden werden sollte (vgl. Mayerhofer 2009: 483), fiel die Entscheidung für diese Arbeit letztendlich zugunsten einer größeren Datenmenge mittels Rekonstruktion aus.

Auswertung

Mayerhofer (2009) kritisiert, dass bei der Auswertung von Gruppeninterviews bzw. qualitativer Erhebungen quantitative sowie qualitative Methoden aufgrund verschiedener Zielsetzungen nicht kombiniert und Antworten nicht gezählt werden sollten (vgl. Mayerhofer 2009: 486-487). Im Rahmen der Untersuchung dienten die Ergebnisse der Interviews (vgl. Kap. 6.5) allerdings als Grundlage und Leitlinie für die daran anknüpfende Entwicklung von Zukunftsszenarien. Zu diesem Zweck waren sowohl die Inhalte (qualitativ) als auch die Häufigkeit bestimmter Aus- sagen (quantitativ) von zentraler Bedeutung. Erst dadurch konnten Ideen und Wünsche der Be- fragten berücksichtigt (oder vernachlässigt) und weiterentwickelt werden. Bezüglich der häufigen Antwort keine Angabe und negativen Aussagen im Allgemeinen (vgl. Kap. 6.5), die besonders im Zusammenhang mit den Zukunftsfragen geäußert wurden, wäre es rückblickend durchaus angebracht gewesen, stärker nach den Motiven der Eggesiner Bewohner zu fragen und diese gemeinsam zu diskutieren. Oftmals war es für die Interviewten scheinbar schwierig, sich auf eine ungewisse Zukunft einzulassen. Unter Umständen hätte eine tiefgreifende Diskussion zusätzliche relevante Gesichtspunkte hervorgebracht.

Phase IV – Zukunftsszenarien Eggesin 2035

Zur Ausarbeitung der beiden Zukunftsszenarien stand innerhalb der Projektwoche lediglich ein Tag zur Verfügung. Trotz der im Gegensatz zur Projektwoche detaillierteren Auswertung der Interviews in dieser Arbeit (vgl. Kap. 6.4) haben sich keine gravierenden Unterschiede in den Ergebnissen niedergeschlagen, die zu anderen thematischen Ausrichtungen der Szenarien ge- führt hätten. Um im Rahmen dieser Arbeit gleichzeitig einer Verschriftlichung des Seminars (Details vgl. Vorwort) gerecht zu werden und die Ergebnisse der Projektwoche nicht zu verfäl- schen, wurde auf eine Ausarbeitung weiterer Szenarien verzichtet. Schließlich wäre es vorstellbar gewesen, die Einwohner Eggesins als Adressaten der Szena- rien intensiver und vor allem aktiv in die konkrete Szenarioentwicklung einzubeziehen, um zum einen die Teilhabe und folglich die Akzeptanz zu fördern (vgl. Nanz & Fritsche 2012: 32) und zum anderen die Szenarien stärker an den Wünschen sowie Ideen der Bewohner auszurichten. Eine direkte Beteiligung an der konkreten Szenarioentwicklung steigert nach Kosow & Gaßner Kritische Betrachtung des Gesamtprozesses (Jonathan Nickl) 117

(2008) ebenso die Wirksamkeit von Szenarien (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 81). Jedoch fun- gierte auch hier die zur Verfügung stehende Zeit innerhalb der Projektwoche als limitierender Faktor, der diese Vorgehensweise ausschloss. Zudem wurde durch die zuvor geführten Inter- views ein gewisser Grad an Beteiligung der Adressaten an der Entwicklung und Ausrichtung der Szenarien gewährleistet.

Phase V – Umsetzung der Zukunftsszenarien

Maßnahmen zur Umsetzung der Szenarien oder deren Übertragbarkeit auf andere Kleinstädte (vgl. Kap. 8) stehen stets vor dem Hintergrund einer unsicheren und komplexen Zukunft. An- gesichts des großen Zeithorizonts von 20 Jahren (bis 2035) können Möglichkeiten zur prakti- schen Implementierung konkreter Handlungsoptionen aufgrund gesellschaftlicher und politischer Veränderungen nur bedingt geplant werden. D. h. es besteht die Gefahr, dass be- stimmte Entwicklungen an Bedeutung gewinnen, die zum aktuellen Zeitpunkt nur unzureichend eingeschätzt werden können (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 80). Beispielhaft ist hier die Flücht- lingskrise in den Jahren 2015/16 zu nennen, bei der mit kurzfristigen politischen Lösungen entgegengesteuert werden musste, wodurch individuelle Planungen temporär an Relevanz ver- lieren. Um wenigstens eine grobe Orientierung bzw. einen Rahmen für Gestaltungs- und daraus resultierende Handlungsmöglichkeiten geben zu können, sind insbesondere bei sehr langen Zeiträumen normative Wunsch- oder Zielszenarien – wie in diesem Fall – von hohem prakti- schen Nutzen (vgl. Kosow & Gaßner 2008: 80).

Fazit (Jan Burmeister & Jonathan Nickl) 118

10 Fazit (Jan Burmeister & Jonathan Nickl)

Bevor die vierte und letzte Leitfrage beantwortet wird, ob der gewählte Szenarioprozess für die Entwicklung von Zukunftsbildern für Eggesin bis ins Jahr 2035 sinnvoll war, setzen sich die folgenden Ausführungen zusammenfassend aus Kapitel 3 zuerst mit den Grenzen der norma- tiv-narrativen Szenariotechnik, im Anschluss daran mit dessen Anwendungsbereich auseinan- der. Den Abschluss der Arbeit bildet ein Ausblick auf Grundlage elementarer Ergebnisse. Wie aus Kapitel 3.5 hervorgeht, erweist sich die normativ-narrative Szenariotechnik als nicht geeignet, wenn möglichst eindeutige und zweifelsfreie, d. h. „harte“ Prognosen für die Zukunft erstellt werden sollen, die nur einzelne oder wenige Faktoren betrachten. In diesem Fall sind eindimensionale Trendanalysen bzw. -extrapolationen eine angemessenere Wahl. Ebenso we- nig ist die gewählte Technik zur Untersuchung von gut erforschbaren, vorwiegend quantifizier- baren Faktoren und gesichertem Wissen über deren Wechselwirkungen geeignet – hier sollte vielmehr auf systematisch-formalisierte Techniken zurückgegriffen werden. Sinnvoll ist die gewählte Szenariotechnik hingegen dann, wenn das Ziel der Untersuchung nicht nur darin besteht, alternative potentielle Zukünfte aufzudecken, sondern auch, wenn wie im Rahmen des UniDorfs insbesondere der Kommunikationsprozess im Vordergrund steht. Die Vorgehensweise in Eggesin gewährleistete es, sowohl die komplexen gegenwärtigen Einfluss- faktoren zu analysieren und durch Interviews ins Jahr 2035 zu projizieren als auch mögliche Zukünfte zu formulieren. Die Partizipation der betroffenen Einwohner am Lern- und Entwick- lungsprozess ermöglichte es, in die örtlichen Lebenswelten „einzutauchen“ und ein Gefühl für die jeweiligen Situationen zu entwickeln. Das gemeinsame Aufdecken von tiefgehenden Fra- gestellungen war ebenso ein wichtiger Bestandteil des Prozesses wie den Einwohnern Eggesins mehr Mut für zukünftige Entscheidungen zuzusprechen (vgl. Minx & Böhlke 2006: 17-19). Konfrontiert mit einer scheinbar unüberwindbaren Problemsituation in Eggesin gekenn- zeichnet durch einen enormen Bevölkerungsrückgang und der daraus resultierenden kommu- nalen Finanznot konnten im Rahmen dieser Arbeit schlussendlich nicht nur notwendige Lösungsvorschläge grundlegender Probleme, sondern auch innovative Ideen für potentielle Zu- künfte der Stadt mitsamt Umsetzungsstrategien entwickelt werden. Angesichts dessen erwiesen sich die normativ-narrative Szenariotechnik und der Projektablauf im Allgemeinen trotz der genannten Optimierungsmöglichkeiten des vorangegangenen Kapitels auch in Eggesin als sinn- voll. Im konkreten Fall von Eggesin lässt sich aus dem Gesamtprozess schlussfolgern, dass es für die Zukunft der Stadt von großer Bedeutung sein wird, sich seiner Stärken und Potentiale, die in dieser Arbeit aufgezeigt wurden, bewusst zu werden und diese entsprechend zu nutzen. So Fazit (Jan Burmeister & Jonathan Nickl) 119 bietet die Kooperation U.T.E. für Ueckermünde, Torgelow und Eggesin eine gemeinsame Chance dem Schrumpfungsprozess und dessen Folgen wirksam entgegenzutreten. Wesentliche Voraussetzung ist jedoch, dass aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt wird und künftig ein kollektives Eintreten füreinander stattfindet. In diesem Zusammenhang gilt es, vor allem die Kommunikation unter den drei genannten Kleinstädten zu verbessern, sodass Missverständ- nisse frühzeitig ausgeräumt werden können. Doch auch innerhalb der Stadt besteht Handlungsbedarf hinsichtlich der Verständigung zwi- schen den politischen Entscheidungsträgern, Vereinen und Bürgern, insbesondere im wirt- schaftlichen und sozialen Bereich. Eine intensive Arbeit an diesem Defizit, nicht nur seitens der Politik, kann viele der bestehenden Gegensätze reduzieren und Lösungsansätze für die Zu- kunft aufzeigen. An dieser Stelle sei auf Berding (2015) verwiesen, der den sozialen Zusam- menhalt in Kommunen und der Gesellschaft nur als so stabil beschreibt, „wie sie […] gemeinsame Werte, Normen und Grundlagen für Verständnis und Solidarität schafft“ (Berding 2015: 6). Eine Förderung der vorhandenen positiven Attribute, wie die charakteristische Natur und Landschaft, die wiederum in Verbindung mit Naturtourismus stehen, sollten klar in den Vordergrund rücken. Mit dieser Arbeit als potentielle inspirative Grundlage liegt es schließlich an Eggesin selbst mit wirksamer Werbung sowie Vermarktung sein stigmatisierendes Image als „Land der drei Meere: Waldmeer, Sandmeer, gar nichts mehr“ hinter sich zu lassen und neue Wege zu beschreiten.

Literaturverzeichnis XI

Literaturverzeichnis

Andres, M. (2006): Platz an der Randow, Diplomarbeit, Neubrandenburg.

Baumann, K; Hesse, K.-M. & Karsten, M. (2010): Starke Klein- und Mittelstädte: Städtebauför- derung in ländlichen Räumen. In: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung (Hrsg.): Kongress, 22. Juni 2010, Berlin.

Berding, U. (2015): Stadt Land Raum – Öffentliche Orte jenseits der Metropolen. In: Herbert Quandt-Stiftung (Hrsg.): Gedanken zur Zukunft, 28, Darmstadt.

Bernt, M. & Liebmann, H. (2013): Städte in peripherisierten Räumen - Eine Einführung. In: Bernt, M. & Liebmann, H. (Hrsg.): Peripherisierung, Stigmatisierung, Abhängigkeit? - Deutsche Mittelstädte und ihr Umgang mit Peripherisierungsprozessen, Wiesbaden. S. 11-22.

BMVBW (Hrsg.) (2003): Dokumentation zum Bundeswettbewerb „Stadtumbau Ost“ – für le- benswerte Städte und attraktives Wohnen, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Woh- nungswesen, Bonn. S. 82-87. URL: http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/BMVBS/Sonderveroeffentli- chungen/2005undaelter/DL_DokumentationBundeswettbewerbSuO.pdf;jsessio- nid=6FF82E260A3733D34C6B0C4D46DDA158.live1043?__blob=publicationFile&v=6 (Letzter Zugriff am 07.04.2016).

Bohnsack, R. & Przyborski, A. (2009): Gruppendiskussionsverfahren und Focus Groups. In: Buber, R. & Holzmüller, H.-H. (Hrsg.): Qualitative Marktforschung: Konzepte, Methoden, Analysen, Wiesbaden. S. 491-506.

Breitenfelder U. & Zeglovitz E. (2009): Der Einsatz qualitativer Methoden im Forschungsdes- ign für wahlwerbende Organisationen. In: Buber, R. & Holzmüller, H.-H. (Hrsg.): Qualita- tive Marktforschung: Konzepte, Methoden, Analysen, Wiesbaden. S. 1103-1119.

Diekhoff, M. (2014): Letzte Soldaten verlassen Eggesin im nächsten Jahr. In: Nordkurier – unabhängige Tageszeitung für Mecklenburg-Vorpommern vom 09. Jan. 2014, Neubranden- burg/Eggesin. URL: http://www.nordkurier.de/mecklenburg-vorpommern/letzte-soldaten- verlassen-eggesin-im-naechsten-jahr-094226801.html (Letzter Zugriff am 31.03.2016). Literaturverzeichnis XII

Dorbritz, J. (2016): Zusammengefasste Geburtenziffer (Total Fertility Rate -TFR). Bundesin- stitut für Bevölkerungsforschung (BIB) (Hrsg.), Wiesbaden. URL: http://www.bib-demo- grafie.de/SharedDocs/Glossareintraege/DE/Z/zusammengefasste_geburtenziffer.html (Letzter Zugriff am 04.07.2016).

Dönitz, E.-J. (2009): Effizientere Szenariotechnik durch teilautomatische Generierung von Konsistenzmatrizen. In: Bürgel, H.-D.; Grosse, D.; Herstatt, C.; Koller, H. & Möhrle, M.-G. (Hrsg.): Forschungs-/Entwicklungs-/Innovations-Management, Wiesbaden.

Fellner, A. & Gestring, N. (1999): „Zukünfte“ der Stadt: Szenarien zur Stadtentwicklung. In: Beiträge der Universität Oldenburg zur Stadt- und Regionalplanung, Band 6, Oldenburg.

Flick, U. (2012): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung, überarbeitete 5. Auflage, Rein- bek bei Hamburg.

Foißner, P. (2000): Endogene Entwicklung in peripheren Regionen: Möglichkeiten der Akti- vierung endogener Potenziale in der Region Vorpommern. In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Raumforschung und Raumordnung, Vol. 58, Issue 4, Hannover. S. 297-306.

Gatzweiler, H.-P.; Adam, B; Milbert, A; Pütz, T; Spangenberg, M; Sturm, G. & Walther, A. (2012): Klein- und Mittelstädte in Deutschland: Eine Bestandsaufnahme. In: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (Hrsg.): Analysen Bau, Stadt, Raum, Band 10, Stuttgart.

GeoPortal.MV / Landesamt für innere Verwaltung Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.) (2016): WebGIS, Geodatensuche und mehr. Koordinierungsstelle für Geoinformationswesen (KGeo), Schwerin. URL: http://www.gaia-mv.de/gaia/gaia.php (Letzter Zugriff am 21.06.2016).

Goderbauer, E. (2015): Stadtumbau in Schrumpfungsregionen – interkommunal planen, abge- stimmt umsetzen. In: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (Hrsg.): Perspektiven der Regionalentwicklung in Schrumpfungsregionen, BBSR-Online-Publika- tion, Nr. 18/2015, Berlin. S. 33-42. URL: http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentli- chungen/BBSROnline/2015/DL_ON182015.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Letzter Zugriff am 07.04.2016).

Graupner, W. & Mietzner, G. (2000): Eggesin: kleine Stadt in Vorpommern, Eggesin. Literaturverzeichnis XIII

Haescher, K. (2011): Städte ändern ihr Gesicht: Eggesin, Torgelow und Ueckermünde meistern Herausforderungen. In: Ministerium für Verkehr, Bau und Landesentwicklung (Hrsg.): Stattlich! Stadtansichten aus 20 Jahren, Schwerin. S. 46-47.

Hannemann, C. (1998): Kleine Stadt, was nun? Ein Lehrforschungsprojekt im Studiengang So- zialwissenschaften, Lehrgebiet Stadt- und Regionalsoziologie – Projektbericht, Berlin.

Hannemann, C. (2002a): Kleinstädte in Ostdeutschland - Welche Zukunft hat dieser Stadttyp? In: Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Sozialwissenschaften Lehrbereich Stadt- und Regionalsoziologie (Hrsg.): Abschlussbericht des Forschungsprojekts gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung, Berlin.

Hannemann, C. (2002b): "Soziales Kapital" kleiner Städte Perspektive für schrumpfende Städte in Ostdeutschland? In: Berliner Debatte Initial: sozial- und geisteswissenschaftliches Jour- nal (Hrsg.): WeltTrends, 2, Potsdam. S. 64-75.

Hannemann, C. (2004): Marginalisierte Städte: Probleme, Differenzen und Chancen ostdeut- scher Kleinstädte im Schrumpfungsprozess, Berlin.

Hausberg, L.-E. (2003): Fünf Jahre Eggesin und mehr – Erlebnisse, Erfahrungen, Meinungen, Nachgedanken, Niebüll.

Heidschmidt, E.; Hornung, H.; Müsebeck, R.; Siedl, U. & Winter, H. (2011): NaturLand- schaft – Erlebnisregion Am Stettiner Haff. Amt „Am Stettiner Haff“ (Hrsg.), 1. Auflage, Eggesin.

Herrenknecht, A. & Wohlfarth, J. (2004): Die vernachlässigten Kleinstädte – Der vergessene Teil des Ländlichen Raumes. In: PRO-REGIO-ONLINE REDAKTION (Hrsg.): PRO-RE- GIO-ONLINE – Zeitschrift für den Ländlichen Raum, Heft Nr. 2 - 2004, Boxberg-Wölchin- gen.

Karsten, M. & Matthes, F. (2009): Schwerpunktthema – Stadtumbau von Klein- und Mittel- städten im Strukturwandel – Auswertungspapier der Bundestransferstelle Stadtumbau West, Oldenburg. Literaturverzeichnis XIV

Kaschlik, A. (2012): Eigenständige kleinstädtische Entwicklungen? Lokale Handlungsspiel- räume vor dem Hintergrund von Finanznot und Politikverdrossenheit. In: Engel, A.; Hart- eisen, U. & Kaschlik, A. (Hrsg.): Kleine Städte in peripheren Regionen - Prozesse, Teilhabe und Handlungsbefähigung, integriertes Stadtentwicklungsmanagement, Detmold. S. 11-28.

Kegler, H. (2004): Charrette-Verfahren: die Beispiele Eggesin und Gräfenhainichen. In: Bun- desamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.): Forum Bau und Raum: Suburbia: Perspek- tiven jenseits von Zersiedelung, Ausgabe 1, Bonn. URL: http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/Abgeschlossen/ForumBau- Raum/Ausgaben/DL_Ausgabe1.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Letzter Zugriff am 06.04.2016).

Kosow, H. & Gaßner, R. (2008): Methoden der Zukunfts- und Szenarioanalyse – Überblick, Bewertung und Auswahlkriterien. Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (Hrsg.), WerkstattBericht, Nr. 103, Berlin.

Krause, T. (2015): Flüchtlinge sollen in Karpiner Kaserne unterkommen. In: Nordkurier – un- abhängige Tageszeitung für Mecklenburg-Vorpommern vom 02. Okt. 2015, Neubranden- burg/Eggesin. URL: http://www.nordkurier.de/ueckermuende/fluechtlinge-sollen-in- karpiner-kaserne-unterkommen-0217825810.html (Letzter Zugriff am 05.05.2016).

Kreichauf, R. (2012): Kleinstadt und Zuwanderung – Zur Theorie und Empirie ethnischer Seg- regation in kleinen Städten. Forum Stadt- und Regionalplanung e.V. (Hrsg.): Graue Reihe des Instituts für Stadt- und Regionalplanung – Technische Universität Berlin, Heft 41, Ber- lin.

Kröhnert, S. (2011): Zeitgespräch: Der demografische Wandel teilt Deutschland in Schwund- und Boomregionen - aufzuhalten ist diese Entwicklung nicht. In: ZBW - Deutsche Zentral- bibliothek für Wirtschaftswissenschaften, Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (Hrsg.): Wirtschaftsdienst, Vol. 91, Issue 4, Hamburg. S. 230-233.

Kuna, E. & Kuna, H. (2002): Zwischen Uecker und Randow – Historische Ortsporträts, Pase- walk.

Kurz, A.; Stockhammer, C.; Fuchs, S. & Meinhard, D. (2009): Das problemzentrierte Interview. In: Buber, R. & Holzmüller, H.-H. (Hrsg.): Qualitative Marktforschung: Konzepte, Metho- den, Analysen, Wiesbaden. S. 463-476. Literaturverzeichnis XV

Kühn, M. & Weck, S. (2013a): Peripherisierung - ein Erklärungsansatz zur Entstehung von Peripherien. In: Bernt, M. & Liebmann, H. (Hrsg.): Peripherisierung, Stigmatisierung, Ab- hängigkeit? - Deutsche Mittelstädte und ihr Umgang mit Peripherisierungsprozessen, Wies- baden. S. 24-46.

Kühn, M. & Weck, S. (2013b): Interkommunale Kooperation, Konkurrenz und Hierarchie. In: Bernt, M. & Liebmann, H. (Hrsg.): Peripherisierung, Stigmatisierung, Abhängigkeit? - Deutsche Mittelstädte und ihr Umgang mit Peripherisierungsprozessen, Wiesbaden. S. 83-106.

LAG / Lokale Aktionsgruppe „Stettiner Haff“ (2015): Strategie für lokale Entwicklung 2014-2020 für die LEADER-Region „Stettiner Haff“. Wettbewerbsbeitrag für die Auswahl lokaler Aktionsgruppen für die EU-Förderperiode 2014-2020 des Ministeriums für Land- wirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern, Pasewalk. URL: http://www.kreis-vg.de/media/custom/2164_2841_1.PDF?1437375625 (Letzter Zugriff am 05.05.2016).

LAiV / Landesamt für innere Verwaltung (Hrsg.) (2014): Übersicht über die Bodenrichtwerte für typische Orte oder Ortsteile zum Stichtag 31.12.2013 für den Bereich der Landkreise und der kreisfreien Städte Mecklenburg-Vorpommerns. URL: http://www.laiv-mv.de/land- mv/LAiV_prod/LAiV/AfGVK/Grundstueckswertermittlung/Bodenrichtwerte/Bodenrichtw erte_typischer_Orte_2013.pdf (Letzter Zugriff am 15.05.2016).

Landkreis Vorpommern-Greifswald (Hrsg.) (2013): UniDorf. Vom Elfenbeinturm ins Dorf – Hochschulen als Impulsgeber. Eine Handreichung für Hochschulen, ländliche Ge- meinden und Menschen mit Gestaltungswillen. Stabsstelle Kommunales Bildungsmanage- ment / Lernen vor Ort, . URL: http://www.europa- mv.de/cms2/Europamv_prod/Europamv/de/ostsee/Forum_Ostsee_M-V/_Dokumenten- liste/2._Sitzung_am_17._Juni_2014_Technologietransfer_und_Fachkraeftebuend- nis_fuer_M-V/LK_VG_UniDorf.pdf (Letzter Zugriff am 30.06.2016).

Lukesch, R.; Payer, H. & Rabenau (2008): Wissen von innen - Fokusgruppen in der Begleit- forschung zu Regionen Aktiv. In: Böcher, M.; Krott, M. & Tränkner, S. (Hrsg.): Regional Governance und integrierte ländliche Entwicklung. Ergebnisse der Begleitforschung zum Modell- und Demonstrationsvorhaben, Wiesbaden. S. 179-206. Literaturverzeichnis XVI

Mayerhofer, B. (2009): Das Fokusgruppeninterview. In: Buber, R. & Holzmüller, H.-H. (Hrsg.): Qualitative Marktforschung: Konzepte, Methoden, Analysen, Wiesbaden. S. 477-490.

Mietzner, D. (2009): Strategische Vorausschau und Szenarioanalysen – Methodenevaluation und neue Ansätze. In: Reger, G. & Wagner, D. (Hrsg.): Innovation und Technologie im mo- dernen Management, Potsdam.

Milbert, A. (2015): Wachsen oder schrumpfen? In: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raum- forschung (BBSR) (Hrsg.): BBSR-Analysen KOMPAKT 12/2015, Bonn. URL: http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/AnalysenKom- pakt/2015/DL_12_2015.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Letzter Zugriff am 07.06.2016).

Minx, E. & Böhlke, E. (2006): Denken in alternativen Zukünften: wie lassen sich in einer Welt, die ständig rapiden Veränderungen unterliegt, tragbare strategische Konzepte entwickeln? In: Internationale Politik, Jg. 61, Heft 12, S. 14-22. URL: https://zeitschrift- ip.dgap.org/de/article/getFullPDF/13398 (Letzter Zugriff am 09.08.2016).

Minx, E. & Roehl, H. (2012): Szenario-Technik – Zukünfte anders denken. In: Roehl, H.; Winkler, B.; Eppler, M. & Fröhlich, C. (Hrsg.): Werkzeuge des Wandels: die 30 wirksams- ten Tools des Change Management, Stuttgart. S. 118-125.

Nanz, P. & Fritsche, M. (2012): Handbuch Bürgerbeteiligung – Verfahren und Akteure, Chan- cen und Grenzen. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Schriftenreihe (Bd. 1200), Bonn.

Pape, A.; Glanz, H. & Massow, M. (Hrsg.) (o. J.): Stuckeldamm un Moelaland Eggesin. Lie- beserklärung an ein Dorf. URL: http://www.eggesin.de/fileadmin/media- pool/pdf/800_Jahre_Eggesin/Stuckeldamm_opt_red.pdf (Letzter Zugriff am 24.04.2016).

Pfadenhauer, M. (2009): Das Experteninterview. In: Buber, R. & Holzmüller, H.-H. (Hrsg.): Qualitative Marktforschung: Konzepte, Methoden, Analysen, Wiesbaden. S. 449-461.

Preissler, I. (2001): Eggesin war immer eine Stadt des Militärs. [...]. In: Berliner Zeitung vom 03. Febr. 2001, Berlin. URL: http://www.berliner-zeitung.de/eggesin-war-immer-eine- stadt-des-militaers--jetzt-will-die-bundeswehr-die-kasernen-schliessen--die-menschen-sa- gen--sie-fuehlen-sich-betrogen-waldmeer--sandmeer--gar-nichts-mehr-16074262 (Letzter Zugriff am 08.05.2016). Literaturverzeichnis XVII

REK Uecker-Randow / Regionales Entwicklungskonzept für den Landkreis Uecker-Randow (2002): Wir am Stettiner Haff – Lebenswerte Region zwischen Usedom und Berlin, Dezem- ber 2002, Rostock/Pasewalk. URL: http://www.kreis-vg.de/me- dia/custom/2164_511_1.PDF?1358235454 (Letzter Zugriff am 04.06.2016).

RPV VP / Regionaler Planungsverband Vorpommern (Hrsg.) (2010): Regionales Raument- wicklungsprogramm Vorpommern (RREP VP), August 2010, Greifswald.

Schauppenlehner-Kloyber, E.; Penker, M. & Braito, M. (2013): Kollektive Strategien für zu- kunftsfähige Stadtentwicklung – Erfahrungen aus einem partizipativen Szenarienprozess in Niederösterreich. In Schrenk, M.; Popovich, V.; Zeile, P. & Elisei, P. (Hrsg.): Proceedings REAL CORP, Tagungsband vom 20-23 Mai 2013, Rom. S. 485-496.

Schnur, O. (2010): [Kapitelname]. In: Schnur, O.; Gebhardt, D. & Drilling, M. (Hrsg.): Demo- graphischer Impact in städtischen Wohnquartieren - Entwicklungsszenarien und Hand- lungsoptionen, Wiesbaden.

Schrödel, G. (2014): Empirische Bestandsaufnahme der deutschen Kleinstädte zu Beginn des 21. Jahrhunderts: ein Siedlungstyp im sozioökonomischen Niedergang?, Göttingen.

Schulitz, A. & Knoblauch, B. (2011): Interkommunale Kooperation schrumpfender Klein- städte: Analyse der Chancen und Grenzen für schrumpfende Kleinstädte im ländlichen Raum, München.

Schulz, M. (2012): Quick and easy!? Fokusgruppen in der angewandten Sozialwissenschaft. In: Schulz, M.; Mack, B. & Renn, O. (Hrsg.): Fokusgruppen in der empirischen Sozialwissen- schaft - von der Konzeption bis zur Auswertung, Wiesbaden. S. 9-22.

Schumann, D. (2004): Irgendwo im Nirgendwo? Kleine Städte in peripheren Regionen Ost- deutschlands. Diplomarbeit, Neubrandenburg.

Schütze, E. & Wagner, B. (2015): Begründung Flächennutzungsplan Eggesin. Eggesin. URL: http://www.eggesin.de/fileadmin/mediapool/pdf/buegerservice/satzungen/FNP__Begruen- dung.pdf (Letzter Zugriff am 09.06.2016).

Snoy, R. (2010): Werkzeugkiste: 23. Fokusgruppen. In Handelsblatt Fachmedien (Hrsg.): Or- ganisationsentwicklung: Zeitschrift für Unternehmensentwicklung und Change Manage- ment, Bd. 29.2010, 2, Düsseldorf. S. 94-98. Literaturverzeichnis XVIII

Snoy, R. (2012): Fokusgruppen: Tiefe Einsichten durch qualitative Tools. In: Roehl, H.; Winkler, B.; Eppler, M. & Fröhlich, C. (Hrsg.): Werkzeuge des Wandels: die 30 wirksams- ten Tools des Change Management, Stuttgart. S. 249-255.

Stadt Eggesin (Hrsg.) (o. J.): Blaubeerstadt Eggesin URL: http://www.eggesin.de/tourismus/blaubeerscheune/ (Letzter Zugriff am 14.08.2016).

StatA MV / Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.) (2014a): Bevölkerung am 31.12. nach Geschlecht. Zeitraum: 1994 – 2014. Statistisches Informationssystem – SIS-On- line, Schwerin. URL: http://sisonline.statistik.m-v.de/gemeinden_zeitreihe.php?&ge- biet=2529&statistik=2 (Letzter Zugriff am 04.04.2016).

StatA MV / Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.) (2014b): Bevölkerung am 31.12. nach Altersgruppen und Geschlecht. Zeitraum: 1994 – 2014. Statistisches Informati- onssystem – SIS-Online, Schwerin. URL: http://sisonline.statistik.m-v.de/gemeinden_zeit- reihe.php?&gebiet=2529&gruppen=2&statistik=3 (Letzter Zugriff am 22.04.2016).

StatA MV / Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.) (2014c): Sozialversiche- rungspflichtig Beschäftigte am Arbeits- und Wohnort, Ein- und Auspendler über Gemein- degrenzen. Zeitraum: 2014. Statistisches Informationssystem – SIS-Online, Schwerin. URL: http://sisonline.statistik.m-v.de/gemeinden_zeitreihe.php?&gebiet=2529&statistik=9 (Letzter Zugriff am 08.05.2016).

StatA MV / Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.) (2014d): Beherbergungsbe- triebe, Gästebetten, Gästeübernachtungen, Gästeankünfte nach Gemeinden für das Jahr 2014. Statistisches Informationssystem – SIS-Online, Schwerin. URL: http://sisonline.sta- tistik.m-v.de/sachgebiete/G446901G_Beherbergungsbetriebe_Gaestebetten_Gaesteueber- nachtungen_Gaesteankuenfte_nach_Gemeinden (Letzter Zugriff am 15.05.2016).

StatA MV / Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.) (2014e): Lebendgeborene nach Geschlecht im Zeitraum von 1994 bis 2014. Statistisches Informationssystem – SIS- Online, Schwerin. URL: http://sisonline.statistik.m-v.de/gemeinden_zeitreihe.php?&ge- biet=2529&statistik=4 (Letzter Zugriff am 20.06.2016).

Staud, T. (2002): Die Spuren des Kanzlers, verweht. In: Zeit-Online (vom 1. August 2002), Nr. 32/2002, S. 1. URL: http://www.zeit.de/2002/32/Die_Spuren_des_Kanzlers_verweht (Letzter Zugriff am 26.04.2016). Literaturverzeichnis XIX

Stiller, S. (2011): Zeitgespräch: Schrumpfende Regionen - Probleme und Chancen. In: ZBW - Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften, Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (Hrsg.): Wirtschaftsdienst, Vol. 91, Issue 4, Hamburg. S. 227-230.

Sturm, G. & Walther, A. (2011): Lebensqualität in kleinen Städten und Landgemeinden. Aktu- elle Befunde der BBSR-Umfrage. In: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.): BBSR-Berichte KOM- PAKT, 5/2011, Bonn.

Thurmann, T.; Zwilling, J. & Koch, P. (2014): Kleinstädte in der Peripherie. In: Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) (Hrsg.): IRS aktuell – Magazin für so- zialwissenschaftliche Raumforschung, No. 79, Erkner.

Witzel, A. (2000). Das problemzentrierte Interview [25 Absätze]. Forum Qualitative Sozialfor- schung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 22. URL: http://nbn-resol- ving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001228 (Letzter Zugriff am 10.08.2016).

Anhang XX

Anhang

A Erläuterung zum Interview, Kurzfragebogen und Interviewleitfaden B Eigenständigkeitserklärungen

Anhang XXI

Anhang A

Erläuterung zum Interview

Sehr geehrte Eggesinerinnen und Eggesiner, wir sind von der Hochschule Neubrandenburg und studieren im Bachelor-Studiengang Natur- schutz und Landnutzungsplanung (Sicherung, Planung und Gestaltung von Natur, Landschaft, Freiräumen in Städten und Dörfern). Im aktuellen Sommersemester 2015 belegen wir das Wahlpflichtmodul Stadt- und Dorfentwicklung unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Dehne. Dabei setzten wir uns mit den Folgen des demografischen Wandels in Dörfern und Städten in Mecklenburg-Vorpommern auseinander. In diesem Jahr steht die Kleinstadt Eggesin im Mit- telpunkt unserer Betrachtung. Untersucht werden sollen sowohl die Geschichte als auch die Rahmenbedingungen von Eggesin, mit dem Ziel ein Zukunftsbild für das Jahr 2035 aufzustel- len. Die dafür nötige Analyse von Eggesin findet in Form eines UniDorfes (vor Ort) im Zeit- traum vom 06.07 – 10.07.2015 statt. Die besondere Bedeutung des UniDorfes liegt in dem Dialog und der Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort. Zu diesem Zweck führen wir in Eggesin + Ortsteilen Interviews durch und würden uns sehr freuen, wenn Sie sich dafür etwas Zeit nehmen würden. Sie können somit aktiv mithelfen, Bil- der für die Zukunft der Kleinstadt und ihrer Ortsteile zu entwerfen sowie Bewohnern, Politik und Verwaltung Impulse, Anregungen und Orientierung für die Stadt- und Dorfentwicklung zu geben. Das Interview sollte nicht länger als 90 Minuten in Anspruch nehmen, und Ihre Antwor- ten werden vertraulich behandelt. Die personenbezogenen Daten dienen ausschließlich zur in- ternen Verwendung.

Zur Abschlussveranstaltung im Gebäude der Zeitbank am 10.07.2015 um 13:00 Uhr, sind Sie recht herzlich eingeladen. Wir hoffen auf eine rege Teilnahme und freuen uns auf Ihren Besuch.

Noch ein Hinweis: Bitte beantworten Sie alle Fragen ernsthaft und möglichst vollständig. Nur so können wir aus ihren Angaben lernen und diese später verwenden.

Vielen Dank

Anhang XXII

Kurzfragebogen

Zur Person

Name ………………………………………………………………………………………….…………… Fokusgruppe ………………………………………………………………………………………….……………

Geschlecht männlich weiblich

Alter < 20 20 bis 29 30 bis 39 40 bis 49

50 bis 59 60 bis 69 70 bis 79 80 und älter

wohnhaft 5 Jahren 10 Jahren 25 Jahren mehr als 25 hier seit

Abschluss ohne Hauptschule Realschule Abitur

Berufsausb. Studium

Beruf ………………………………………………………………………………………….………

Anhang XXIII

Interviewleitfaden

(A) Bevölkerungsentwicklung

1. Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach die Bevölkerungsentwicklung für die Zu- kunft von Eggesin? Bitte geben Sie Ihre Einschätzung in einer Skala von 0 (gar nicht wichtig) bis 4 (sehr wichtig) an.

gar nicht wichtig (0) weniger wichtig (1) neutral (2) wichtig (3) sehr wichtig (4)

2. Wie schätzen Sie die Bevölkerungsentwicklung in Eggesin ein? ƒ Demographischer Wandel ƒ Mangel an Arbeitsplätzen ƒ Abwanderung von Betrieben

3. Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Bevölkerung Eggesins bis ins Jahr 2035 entwi- ckeln? Welche Potentiale und Möglichkeiten sehen Sie?

(B) Daseinsvorsorge

4. Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach die Daseinsvorsorge für die Zukunft von Eggesin? Bitte geben Sie Ihre Einschätzung in einer Skala von 0 (gar nicht wichtig) bis 4 (sehr wichtig) an.

gar nicht wichtig (0) weniger wichtig (1) neutral (2) wichtig (3) sehr wichtig (4)

5. Wie schätzen Sie die Grundversorgung in Eggesin ein? Was bietet Ihnen Eggesin bzw. was vermissen Sie? ƒ Verkehrsinfrastruktur (ÖPNV, Radwege, Straßen etc.) ƒ Bildungseinrichtungen ƒ Dienstleistungen (Gesundheit, Konsumgüter etc.) ƒ Kulturelle Einrichtungen

Anhang XXIV

6. Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Daseinsvorsorge (Grundversorgung) bis ins Jahr 2035 entwickeln?

(C) Wirtschaft

7. Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach die wirtschaftliche Entwicklung für die Zukunft von Eggesin? Bitte geben Sie Ihre Einschätzung in einer Skala von 0 (gar nicht wichtig) bis 4 (sehr wichtig) an.

gar nicht wichtig (0) weniger wichtig (1) neutral (2) wichtig (3) sehr wichtig (4)

8. Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Situation in Eggesin ein? Auch im Vergleich mit dem Umland? ƒ Arbeitsplätze (Arbeitslosigkeit) ƒ Fachkräftemangel ƒ Politik (Steuern, Finanznot der Kommunen etc.) ƒ Kaufkraft

9. Welches Potential bietet Eggesin bis ins Jahr 2035 als Wirtschaftsstandort Ihrer Mei- nung nach?

(D) Sozialer Zusammenhalt

10. Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach der soziale Zusammenhalt für die Zukunft von Eggesin? Bitte geben Sie Ihre Einschätzung in einer Skala von 0 (gar nicht wichtig) bis 4 (sehr wichtig) an.

gar nicht wichtig (0) weniger wichtig (1) neutral (2) wichtig (3) sehr wichtig (4)

11. Wie schätzen Sie derzeitig den sozialen Zusammenhalt in Eggesin ein?

12. Was könnte Eggesin bezüglich des sozialen Zusammenhalts besser machen? Was ver- missen Sie? Anhang XXV

(E) Potentiale

13. Was ist das Besondere an Eggesin? Was fehlt der Stadt Ihrer Meinung nach?

14. Wohin könnte sich Eggesin bis ins Jahr 2035 Ihrer Meinung nach entwickeln (Leit- thema)? ƒ Erneuerbare Energien (EE); Energiedörfer etc. ƒ Grenzübergreifende Zusammenarbeit (z. B. Polen) ƒ Entwicklung eines alten- und familiengerechten Quartiers (barrierefreie Stadt)

Achtung Zusatzfrage! Falls Frage 14 negativ ausfällt! 15. Was müsste geschehen, damit sich Eggesin bis ins Jahr 2035 positiv entwickelt?

(F) Offene Frage zum Abschluss

16. Wie sehen Sie Ihre persönliche Zukunft und die Zukunft Ihrer Familie in Eggesin?

Weitere Anmerkungen (Zusatzinformationen aus den Gesprächen): ………………………………………………………………………………………….……… ………………………………………………………………………………………….……… ………………………………………………………………………………………….……… ………………………………………………………………………………………….……… ………………………………………………………………………………………….……… ………………………………………………………………………………………….……… ………………………………………………………………………………………….……… ………………………………………………………………………………………….……… ………………………………………………………………………………………….………

Anhang XXVI

Anhang B

Eigenständigkeitserklärung (Jan Burmeister)

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

Neubrandenburg, den 18.08.2016

Jan Burmeister

Eigenständigkeitserklärung (Jonathan Nickl)

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.

Neubrandenburg, den 18.08.2016

Jonathan Nickl