Inhaltsverzeichnis Plenarprotokoll 18/12

Deutscher

Stenografischer Bericht

12. Sitzung

Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Inhalt:

Zur Geschäftsordnung Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 855 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 841 B (CDU/CSU) ...... 856 D Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) ...... 842 A Dr. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 857 A Martin Dörmann (SPD) ...... 859 A Zusatztagesordnungspunkt 2: (CDU/CSU)...... 860 A Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsra- tes der Kreditanstalt für Wiederaufbau ge- (BÜNDNIS 90/ mäß § 7 Absatz 1 Nummer 4 des Gesetzes DIE GRÜNEN) ...... 861 B über die Kreditanstalt für Wiederaufbau  Birgit Kömpel (SPD) ...... 861 D Drucksache 18/398 ...... 843 B (CDU/CSU) ...... 863 A

Tagesordnungspunkt 1: Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor- Regierungserklärung durch die Bundes- sicherheit ...... 864 C kanzlerin Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin (Fortsetzung der Aussprache) ...... 843 B BMUB ...... 864 C (DIE LINKE) ...... 866 A Verkehr und digitale Infrastruktur ...... 843 B Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) ...... 866 D , Bundesminister  Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ BMVI ...... 843 C DIE GRÜNEN) ...... 868 A (DIE LINKE) ...... 846 C (SPD) ...... 869 C Sören Bartol (SPD) ...... 848 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . 869 D Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ (DIE LINKE) ...... 870 D DIE GRÜNEN) ...... 849 C Marie-Luise Dött (CDU/CSU) ...... 872 A Ulrich Lange (CDU/CSU) ...... 851 B Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 873 B DIE GRÜNEN) ...... 852 C Sören Bartol (SPD) ...... 874 B (DIE LINKE) ...... 853 A (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . 875 B Kirsten Lühmann (SPD) ...... 853 D Steffen Kanitz (CDU/CSU) ...... 876 D II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Bildung und Forschung ...... 877 D Zusatztagesordnungspunkt 1: Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin  Vereinbarte Debatte: zur aktuellen Situation BMBF ...... 878 A in der Ukraine ...... 894 A Franz Thönnes (SPD) ...... 894 A (DIE LINKE) ...... 880 A Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) ...... 895 C Dr. (SPD) ...... 881 B (BÜNDNIS 90/ René Röspel (SPD) ...... 882 A DIE GRÜNEN) ...... 895 D (BÜNDNIS 90/ (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 883 C DIE GRÜNEN) ...... 896 D (CDU/CSU) ...... 885 C Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU) ...... 897 A Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 898 B DIE GRÜNEN) ...... 886 C (CDU/CSU) ...... 899 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) ...... 887 B Dr. (CDU/CSU) ...... 887 C Nächste Sitzung ...... 900 C (SPD) ...... 888 B Berichtigung ...... 900 B/D Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 889 D Anlage 1 Oliver Kaczmarek (SPD) ...... 890 A Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 901 A Dr. (CDU/CSU) ...... 890 B

Dr. Simone Raatz (SPD) ...... 891 B Anlage 2 (CDU/CSU) ...... 892 C Amtliche Mitteilungen ...... 901 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 841

(A) (C)

12. Sitzung

Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Beginn: 9.01 Uhr

Vizepräsidentin : Das ist richtig und wichtig; denn dort geht es um ganz Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! viele Förderprogramme und ganz viele Bundesgelder. Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Deshalb ist es selbstverständlich, dass wir als eine von vier Fraktionen einen Vertretungsanspruch haben – die- Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir ser Auftrag ist uns zugebilligt nach der gemeinsamen einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Frak- Vereinbarung nach Sainte-Laguë/Schepers – und dass tionen der CDU/CSU und SPD haben fristgerecht bean- wir unseren Sitz dort wahrnehmen können. tragt, die heutige Tagesordnung um die Wahl von vier Mitgliedern des Verwaltungsrates der Kreditanstalt für (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wiederaufbau zu erweitern. Die Wahl soll im Anschluss an die Geschäftsordnungsdebatte erfolgen, vorausgesetzt Wir haben gegenüber den Fraktionen von SPD und das Anliegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Union deutlich gemacht, dass, wenn jetzt diese erste Be- keinen Erfolg. setzung stattfindet, wir die einzige Fraktion sind, die im Moment nicht in diesem Verwaltungsrat vertreten ist. (B) Das Wort zur Geschäftsordnung hat zunächst die Kol- (D) Wir wollen einen dieser Sitze wahrnehmen, um unserem legin Britta Haßelmann. Auftrag gerecht zu werden, gemeinsam mit den anderen Fraktionen Kontrolle auszuüben. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine Damen und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Gestern sollte kurzerhand per amtlicher Mitteilung die- Dieses Recht wird uns jetzt verweigert, und zwar mit ser Vorgang beschlossen werden. Dagegen haben wir dem Argument, die Besetzung des Verwaltungsrats wäre Widerspruch eingelegt, weil wir finden: Das muss heute nicht an den Beginn der Legislaturperiode gebunden. hier diskutiert werden. Okay, meine Damen und Herren, dann lassen Sie uns (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dieses Argument mal durchgehen. Warum sagen Sie dann in Ihrer Argumentation: Heute beginnt hier sozusa- Ich sage ausdrücklich: Das richtet sich nicht gegen die gen die 18. Legislaturperiode, und angesichts der Zu- Personen, die Sie als Mitglieder vorschlagen. Das wissen sammensetzung des Bundestags in der 18. Legislatur- auch alle handelnden Personen. Es geht uns hier um das periode besetzt die Union zwei und die SPD einen der Verfahren. freiwerdenden Sitze? Meine Damen und Herren, da kann Meine Damen und Herren, worum geht es? Es geht da- doch etwas nicht in Ordnung sein. Sie widersprechen rum, dass der Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wie- sich doch selbst. deraufbau zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode heute teilweise neu besetzt werden soll. Er wird nicht le- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gislaturperiodenscharf besetzt, sondern es werden heute Sie beziehen sich bei diesem Benennungsverfahren drei Plätze von ausscheidenden Mitgliedern nachbesetzt, auf einen Rechtsvermerk der Bundestagsverwaltung. die ihren Sitz bis zum 31. Dezember 2013 innehatten. Für Das halte ich schon mal für ein Unding, weil die Frage die 18. Legislaturperiode – darauf haben wir uns in einem der Unterrepräsentanz der Grünen in diesem Rechtsver- gemeinsamen Antrag zur Geschäftsordnung und zu den merk überhaupt nicht erörtert wird. Wenn man diesem Stellenanteilen für die Fraktionen verständigt – haben wir Verfahren und Ihrer Logik folgte, dass jetzt sozusagen als grüne Fraktion den Anspruch, in diesem Verwaltungs- die 18. Wahlperiode beginnt und deshalb der Union zwei rat der Kreditanstalt für Wiederaufbau vertreten zu sein. Sitze und der SPD ein Sitz zustehen, dann wären wir erst (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie 2015 dran. Denn bei der nächsten Besetzung nach dem der Abg. Dr. [DIE LINKE]) Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren wären erst mal wieder 842 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Britta Haßelmann (A) die SPD und die Linken dran, und die Grünen folgen erst Nun scheiden drei Mitglieder aus. Im Übrigen sollen nur (C) auf Platz sechs, im Jahr 2015. die wiedergewählt werden, die schon Mitglieder sind. Von den drei Sitzen stehen logischerweise, nach den Be- Das kann nicht richtig sein. Das ist politisch falsch, rechnungen nach Sainte-Laguë/Schepers, zwei der und es ist rechtlich höchst zweifelhaft. Wir melden hier Union und einer der SPD zu. Und Sie bekommen natür- ganz deutlich unseren Widerspruch an und werden die- lich den Sitz, wenn er frei wird und Ihnen rechnerisch ser Besetzung heute auf gar keinen Fall zustimmen. zusteht – ganz einfach! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir haben natürlich bei der Bundestagsverwaltung Vizepräsidentin Petra Pau: Rechtsrat eingeholt, weil ich Ihre Interessen immer sehr Nun hat der Kollege Michael Grosse-Brömer das ernst nehme. Egal, ob es Minderheitenrechte oder Ihre Wort. persönlichen Ansichten sind – wir unterhalten uns im- mer ganz gut. (Beifall bei der CDU/CSU) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): NEN]: Nein, nein, damit kommen Sie nicht Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und durch! Wir haben einen Vertretungsanspruch!) Kollegen! Frau Kollegin Haßelmann, Sie haben sich Mühe gegeben, den Sachverhalt möglichst kompliziert Ich gehe gar nicht davon aus, dass nur ich recht habe. darzustellen. Also haben wir ein vernünftiges, sachverständiges Gut- achten eingeholt, (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Prinzip ist er ganz einfach: Es geht heute um die Be- Das ist doch kein Gutachten!) setzung eines Gremiums – das, was wir in den letzten Wochen mehrfach, fast täglich, gemacht haben. Und Sie und damit haben wir eine profunde Festlegung durch die haben es selbst angesprochen: Wir haben da ein verein- Bundestagsverwaltung. Die Kurzfassung dieser Bewer- bartes Verfahren. tung – – (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – NEN]: Das halten Sie aber nicht ein!) Gegenrufe von der CDU/CSU)

(B) Wenn, wie in diesem konkreten Fall, sieben Personen in – Ich weiß, Sie sind jetzt ein bisschen aufgeregt, aber das (D) diesem Gremium sind – wir haben eine Berechnung müssen Sie sich jetzt auch anhören. – Die Kurzfassung nach Sainte-Laguë/Schepers vereinbart –, dann ergibt dieser Bewertung lautet wie folgt: Das Sainte-Laguë/ sich folgende Zusammensetzung, auch orientiert an der Schepers-Verfahren ist vereinbart; deswegen ist das, was Größe der Fraktionen aufgrund des Wahlergebnisses: Grosse-Brömer und die CDU/CSU und die SPD sagen, Die Union bekommt drei Sitze, die SPD bekommt zwei, richtig. – Selbst wenn es nicht vereinbart wäre, gäbe es die Grünen bekommen einen und die Linken bekommen kein Verfahren, das Ihre Rechtsauffassung widerspiegelt. einen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE NEN]: Das Rechtsgutachten ist ein Witz!) GRÜNEN]: Offensichtlich nicht! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kriegen Nur damit das klar ist: Wir haben das gestern im Äl- ja keinen! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ testenrat besprochen, und es gab nicht eine Fraktion, die DIE GRÜNEN]: Vor 2015 kriegen wir gar kei- Ihrer Auffassung ist. Jenseits der Rechtslage will ich Sie nen Sitz!) mal eines fragen: Können Sie sich an 2009 erinnern? Da war es in diesem Gremium folgendermaßen: Frau Das bleibt auch so. Ich verstehe überhaupt nicht, wie Sie Scheel, eine Grüne, hatte einen Sitz inne, und uns stand auf die Idee kommen, dass man Ihnen diesen Sitz nicht er zu. Was haben wir gemacht? Wir haben keine Ge- gönnt. Es bleibt doch dabei. schäftsordnungsdebatte geführt, wir haben uns nicht auf- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- geregt, sondern haben gewartet, bis die Kollegin aus- NEN]: Warum fangen wir dann jetzt an, zu schied, bis ihre Amtszeit abgelaufen war, und dann zählen?) haben wir nachbesetzt. Es gibt in diesem konkreten Gremium nur eine Be- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sonderheit – da haben Sie völlig recht –: Es wird zu Be- NEN]: Da hatten Sie drei Sitze! – Katrin ginn der Wahlperiode, anders als die anderen, nicht in Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der Gesamtheit neu besetzt, sondern angesichts der Tat- NEN]: Bei Ihnen war es nicht so, dass Sie gar sache, dass die Mitglieder zu unterschiedlichen Zeit- nicht vertreten waren!) punkten ausscheiden, je nachdem, ob ein Platz frei wird, Schritt für Schritt. So gehört es sich unter Kollegen. Man sollte sich nicht permanent hinstellen und Sonderrechte einfordern. (Zuruf der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 843

Michael Grosse-Brömer (A) Ich will Ihnen abschließend sagen: Wir, die Union, Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr (C) haben die ganze Zeit – das wird auch in den künftigen und digitale Infrastruktur: Debatten so sein – Wert darauf gelegt, dass die Opposi- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und tion Minderheitenrechte bekommt, auch wenn sie Quo- Kollegen! Das Bundesministerium für Mobilität und ren nicht erreicht. Modernität hat Aufgaben, die von zentraler Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sind. NEN]: Aber nicht heute!) (Zurufe von der LINKEN) Aber eines müssen Sie sich abgewöhnen: Sonderrechte für Ihre Fraktion, für Ihre Abgeordneten zu fordern, aus- – Schon Aufruhr beim ersten Satz, nicht schlecht. gehend von der Annahme, dass Abgeordnete der Grünen (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der wertvoller sind als Abgeordnete der SPD oder anderer CDU/CSU und der SPD) Fraktionen. Verkehr und digitale Infrastruktur, das sind die He- (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rausforderungen, die wir nicht nur rein technisch disku- Da machen wir nicht mit, auch wenn Sie hier noch so tieren dürfen, sondern die wir vor allem gesellschafts- viele Geschäftsordnungsdebatten beantragen. politisch verantworten und organisieren müssen. Wer Mobilität organisiert, der organisiert die Lebensadern Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. unserer Gesellschaft, der stellt die Weichen für Wachs- tum und zukünftigen Wohlstand in unserem Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Es war deswegen ein richtiger Schritt, dass wir die GRÜNEN]: Am Thema vorbei!) Bereiche Verkehrsinfrastruktur und digitale Netze in ei- nem Ministerium gebündelt haben und damit zusammen denken, zusammen planen und zusammen errichten. Das Vizepräsidentin Petra Pau: ist genau der Ansatz, der mit über die Zukunftschancen Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte zu beachten, unseres Landes entscheidet und damit über die Zukunfts- dass wir über den Aufsetzungsantrag abstimmen. Wer chancen eines jeden Einzelnen von uns. Der Zugang zur stimmt für den Aufsetzungsantrag? – Wer stimmt dage- digitalen Welt, der über die Netze organisiert wird, wird gen? – Wer enthält sich? – Der Aufsetzungsantrag ist mit mit ausschlaggebend dafür sein, ob unsere nächste Ge- den Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion neration Zukunftschancen in unserem Land hat. gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (B) bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (D) Wir verfahren jetzt weiter gemäß der Tagesordnung. Ich rate dazu, dies unter folgendem Gesichtspunkt zu Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 2 auf: sehen: Wenn wir für einen Moment die Technik in den Hintergrund und die Gesellschaftspolitik in den Vorder- Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsrates grund treten lassen, dann kann man feststellen, dass die der Kreditanstalt für Wiederaufbau gemäß Frage der Digitalisierung vor allem eine Frage der Ge- § 7 Absatz 1 Nummer 4 des Gesetzes über die rechtigkeit ist. Es ist eine Frage der Innovationsgerech- Kreditanstalt für Wiederaufbau tigkeit, ob ich heute Zugang zur digitalen Welt habe, und damit ist es eine Frage der Teilhabegerechtigkeit. Jeder Drucksache 18/398 in unserem Land hat Anspruch darauf, an der neuen Dazu liegt ein Wahlvorschlag der Fraktionen der Technologie teilzuhaben. CDU/CSU und der SPD vor. Wer stimmt für den Wahl- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) vorschlag auf Drucksache 18/398? – Wer stimmt dage- gen? – Wer enthält sich? – Der Wahlvorschlag ist ange- Wir haben mit der sozialen Marktwirtschaft Ökono- nommen. mie und sozialen Ausgleich zusammengebracht. Die so- ziale Marktwirtschaft gibt uns bis heute den Auftrag, die Ich rufe nun wieder Tagesordnungspunkt 1 auf: Ökonomie und die Ökologie sowie nunmehr gerade auch die Ökonomie und die digitale Revolution zusammenzu- Regierungserklärung durch die Bundeskanz- bringen; denn das ist der Garant für wirtschaftlichen Er- lerin folg in unserem Land. Neben der Produktivität und der (Fortsetzung der Aussprache) sozialen Verantwortung wird die Teilhabe an der digita- Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir am Mittwoch len Welt künftig über Wachstum und Wohlstand mit ent- für die heutige Aussprache insgesamt 3 Stunden und scheiden. 36 Minuten beschlossen haben. Dabei darf man sich nicht ausruhen auf dem, was man Wir kommen nun zu den Bereichen Verkehr und di- schon erreicht hat, darauf, dass wir funktionierende gitale Infrastruktur. Das Wort hat der Bundesminister Netze in den großen Städten haben und große Daten- Alexander Dobrindt. mengen transportiert werden können. Wir haben in die- sem Bereich eine enorme Dynamik zu verzeichnen. Die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Datenmenge, die transportiert werden muss, wird in den neten der SPD) nächsten Jahren sprunghaft ansteigen. 2020 werden wir 844 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Bundesminister Alexander Dobrindt (A) fünfzigmal mehr Daten transportieren und speichern – Ich kann ja verstehen, dass Sie Zweifel daran haben, (C) müssen, als dies zurzeit der Fall ist. Dabei geht es nicht dass wir gut zusammenarbeiten können. Glauben Sie nur um die Kommunikation, die wir alle mit unseren mir: Der Bundeswirtschaftsminister und Handys ausüben, sondern in erster Linie um die Kom- ich haben in dieser Frage exzellent zusammengearbeitet. munikation der Dinge untereinander. Dadurch werden (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Daten produziert. Die selbstständige Kommunikation NEN]: Da passt kein Blatt dazwischen!) der Maschinen untereinander wird Produktionsprozesse bestimmen. Das, was wir heute als Industrie 4.0 bezeich- Wir haben uns in der bedeutenden, entscheidenden in- nen, die Modernisierung der Produktionsprozesse mittels haltlichen Frage, wer zukünftig für die Frequenzpolitik Digitalisierung, ist in vollem Gange. Die wirtschaftliche zuständig ist – die Frequenzpolitik kann ein Schlüssel Bedeutung der digitalen Infrastruktur ist inzwischen so sein, wenn es darum geht, in der Fläche eine echte Breit- groß, dass wir sie neben der Arbeit, neben den Ressour- bandversorgung zu haben –, geeinigt. Das BMVI ist zu- cen und neben dem Kapital als vierten Produktionsfaktor künftig für die digitale Dividende und die Frequenzpoli- bezeichnen können. tik zuständig. Das ist in unser beider Interesse. Es liegt in der gemeinsamen Verantwortung des Bundeswirt- Deswegen dürfen wir in Europa nicht einfach zu- schaftsministers und mir, dass wir mit dieser Strategie schauen, wie unser Wirtschaftsraum in diesem Bereich am Schluss im Sinne der Bevölkerung Deutschlands er- im Vergleich zu anderen Wirtschaftsräumen, beispiels- folgreich sind und eine flächendeckende Breitbandver- weise dem der Vereinigten Staaten von Amerika oder der sorgung haben. Deswegen danke schön an den Bundes- asiatischen Länder, Gefahr läuft, technisch abgehängt zu wirtschaftsminister dafür, dass dies gelungen ist. werden. Es ist etwas Neues für uns, darüber nachzuden- ken, was es für uns in Europa bedeutet, technisch abge- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) hängt zu werden. In anderen Regionen der Erde haben Sie sehen, wir nehmen diese Herausforderung ernst. wir 50 Prozent mehr Pro-Kopf-Investitionen in die digi- Ich erwarte nicht, dass dies einfach gelingen kann. Des- tale Infrastruktur als in Europa. Das kann uns nicht zu- wegen ist es umso wichtiger, dass man seine Kompeten- friedenstellen. Das heißt, dass die Kluft, die im digitalen zen an dieser Stelle bündelt. Nicht nur in der Politik, Bereich inzwischen zwischen uns, den Vereinigten Staa- sondern auch in der Wirtschaft wird es darum gehen, ob ten von Amerika und den chinesischen Märkten entstan- man die Kompetenzen bündeln kann. Wenn Sie sich den ist, nicht kleiner, sondern immer größer wird. Es heute anschauen, welche Topunternehmen es in der digi- braucht eine Initialzündung, damit wir eine Aufholjagd talen Welt gibt, dann werden Sie darunter kaum noch ein starten können. Deswegen werden wir eine Netzallianz europäisches Unternehmen finden. Der Wettbewerb fin- Digitales Deutschland ins Leben rufen, an der all dieje- det heute zwischen Amerika und den asiatischen Län- (B) (D) nigen teilnehmen sollen, die willig sind, in unsere digita- dern statt. len Netze zu investieren. Wir werden die Rahmenbedin- gungen so gestalten, dass diese Investitionen in die Wer zukünftig Wertschöpfung generieren will, der Netze in erhöhtem Maße erfolgen können und das Vor- wird sich an der Spitze der technischen Entwicklung be- haben erfolgreich ist. wegen müssen. (Beifall des Abg. Andreas G. Lämmel [CDU/ (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) CSU]) Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass Dies ist nicht nur eine rein finanzielle Frage, sondern es wir bis 2018 ein flächendeckendes Breitbandnetz mit ist auch eine Frage der Sicherheit. Ich trete da dem Bun- 50 Megabit pro Sekunde in Deutschland haben wollen. desinnenminister nicht zu nahe, weil auch wir in diesem Neben dem Ausbau des Glasfaserkabelnetzes wird man Bereich an einem gemeinsamen Strang ziehen. dafür weitere Techniken benötigen. Wir gehen davon aus, dass dieser schnelle Datenzugang in der Fläche nur (Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE dann zu erreichen ist, wenn man Hybridtechniken ein- GRÜNEN]: Der ist ja auch nicht da!) setzt, das heißt, die Nutzung unterschiedlicher Netzzu- Gesetze sind das eine, das Know-how über die Technik gänge gleichzeitig möglich ist. ist das andere. Wenn wir in Europa die Kompetenz ver- lieren, die digitale Technik zu verstehen, und sie nur An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit wahrneh- noch konsumieren, dann ist auch die Sicherheitsfrage men, für die ausgesprochen gute Zusammenarbeit mit nicht lösbar. Deswegen müssen wir uns Kompetenz an dem Wirtschaftsministerium zu danken. Das ist nicht im- dieser Stelle zurückerarbeiten. mer eine Selbstverständlichkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (, Parl. Staatssekretärin: Bei uns schon! – Beifall bei der SPD) Ich sage Ihnen: Eine Aufgabe der Netzallianz wird sein, das Interesse derjenigen, die heute in dieser Bran- – Mit dem Bundeswirtschaftsministerium schon, habe che, in der digitalen Welt wirtschaftlich unterwegs sind, ich gerade gehört. zu wecken und zu fördern, in der digitalen Champions League mitzuspielen. Dabei geht es für uns in der Tat um (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eine digitale Souveränität Europas. Ein Kontinent, der NEN]: Sigmar Gabriel scheint das Thema davon lebt, dass er Spitzentechnologien entwickelt, und nicht so wichtig zu sein!) in der Welt mit dabei ist, wenn es darum geht, Spitzen- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 845

Bundesminister Alexander Dobrindt (A) technologien zu nutzen, kann schlichtweg nicht akzep- Wir haben uns innerhalb der Koalition auf zusätzliche (C) tieren, dass er in einem bedeutenden Feld der Zukunft, Infrastrukturinvestitionsmaßnahmen in Höhe von 5 Mil- nämlich der digitalen Modernisierung, nicht ganz vorne liarden Euro geeinigt. Das ist ein wesentlicher Beitrag, mitspielt. Deswegen müssen wir unsere digitale Souve- um die Substanzsicherung unserer Verkehrswege voran- ränität in Europa verteidigen, auch gegenüber anderen zutreiben. Davon müssen alle Bereiche profitieren, so- Ländern der Erde. wohl die Straße als auch die Schiene und die Wasser- wege. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir werden einen erheblichen Teil dieser Mittel für Modernisierung ist übrigens auch das Schlüsselwort, Erhaltungsmaßnahmen einsetzen. Das wiederum heißt, wenn es um die klassische Infrastruktur geht: um die Straßen, um die Schienen, um die Wasserwege und um dass die Spielräume für den Neubau natürlich nicht gren- den Luftverkehr. Das wollen wir nicht isoliert betrach- zenlos sein werden. Deswegen ist es unsere Aufgabe, für ten, sondern es geht um ein vernetztes Mobilitätsange- weitere finanzielle Spielräume zu sorgen. Dies geht nur, bot. Wir werden unsere Infrastruktur nicht nur sichern wenn wir die Weiterentwicklung der Nutzerfinanzierung müssen – wir haben ja gut ausgebaute Netze im Bereich vorantreiben. Das betrifft auf der einen Seite die Lkw- der Straßen, der Bahnen und der Wasserwege –, sondern Maut, die wir, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wir wollen sie auch weiterhin ausbauen. Schritt für Schritt ausweiten werden. Das betrifft auf der anderen Seite die Pkw-Maut, über die wir von den Hal- Wir haben gerade in diesen Tagen über 20 Jahre tern nicht in Deutschland zugelassener Pkw einen ange- Bahnreform diskutiert und sie gefeiert. Die Bilanz ist im messenen Beitrag erheben werden mit der Maßgabe, Grundsatz sehr positiv. Trotz aller Konkurrenz durch das dass kein Halter eines in Deutschland zugelassenen Auto, den Flugverkehr und inzwischen auch durch Fern- Fahrzeugs stärker belastet wird als heute. Einen genau buslinien nimmt die Attraktivität der Bahn weiter zu. dies beinhaltenden Gesetzentwurf werde ich vorlegen. Die Fahrgastzahlen steigen weiter an. Wir wollen das Er wird europarechtskonform sein. Etwas anderes gibt es System der Schiene stärken und es weiter ausbauen, um mit mir auch nicht. einen verlässlichen und sicheren Schienenverkehr zu ha- ben. Das ist notwendig, weil wir ein Höchstmaß an Mo- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. bilität für alle garantieren müssen. Mobilität ist ein Sören Bartol [SPD] – Stephan Kühn [Dresden] Grundrecht, und zu Recht fordern die Menschen in die- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tosender Ap- sem Land eine funktionierende Mobilitätsinfrastruktur plaus bei der SPD! – Heiterkeit beim BÜND- ein. NIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse- Brömer [CDU/CSU]: Ich habe nichts gehört!) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (B) NEN]: Steht das im Grundgesetz, Herr – Ich freue mich, wie euphorisch sich die Grünen schon (D) Dobrindt?) wieder diesem Thema nähern. Ich habe in den letzten Tagen bei den Gesprächen mit (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vertretern der Bahn deutlich darauf hingewiesen, dass NEN]: Wir warten die ganze Zeit darauf, dass die Bahn inzwischen mehr als ein Reisemittel, mehr als Sie etwas dazu sagen!) ein Transportmittel geworden ist. Sie ist für viele ein mobiler Arbeitsplatz geworden. Deswegen hat die Bahn – Betrachten Sie es doch einfach einmal ganz unideolo- die Verantwortung, die digitale Modernisierung voran- gisch. zutreiben. WLAN an den Bahnhöfen, leistungsfähige In- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hei- ternetanschlüsse in den Zügen – das entspricht einer mo- terkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – dernen Kundenorientierung. Wir können von der Bahn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- verlangen, dass sie hier besser wird und dafür sorgt, dass NEN]: Und das ausgerechnet aus Ihrem diese modernen Technologien in die Bahn Eingang fin- Munde! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/ den. DIE GRÜNEN: Wir sind gespannt!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie Wenn in fast allen unseren Nachbarländern die deut- bei Abgeordneten der LINKEN und des schen Autofahrer über eine Nutzerabgabe ganz selbst- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) verständlich an der Finanzierung der funktionierenden Wir müssen die leistungsfähige Schieneninfrastruktur Infrastruktur beteiligt werden, dann ist es doch nur eine erhalten und ausbauen. Dafür sind weiterhin Investitio- Frage der Gerechtigkeit, dass Fahrer aus dem Ausland, nen notwendig. Wir werden in den nächsten Monaten die unsere Infrastruktur in Deutschland nutzen, auch am mit der Deutschen Bahn AG in die Verhandlungen über Erhalt mit beteiligt werden. Um mehr geht es doch gar eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung eintre- nicht. ten und wollen darin die finanziellen Rahmenbedingun- (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. gen für den Erhalt dieser Infrastruktur festlegen. Ich will Andrea Wicklein [SPD] – Katja Keul [BÜND- in diesem Zusammenhang auch festhalten: Wir stehen NIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch eine Frage der genauso zu einem gesunden und funktionierenden Wett- bewerb auf der Schiene wie zum integrierten Konzern Gerechtigkeit! – Britta Haßelmann [BÜND- Deutsche Bahn AG. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, ja, starker Auf- tritt sieht anders aus! – Gegenruf des Abg. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Sören Bartol [SPD]: Was hast du heute gefrüh- 846 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Bundesminister Alexander Dobrindt (A) stückt? – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann Schlüssel dafür, dass diese Autos in breiter Masse zur (C) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist doch so!) Verfügung stehen werden. Wir haben das Zukunftsprojekt Elektromobilität auf Ich glaube an die Elektromobilität. Gerade die Elek- die Agenda gesetzt. Dafür wurden in der Vergangenheit tromobilität kann ein Element sein, um den Modernisie- die Weichen schon gut gestellt. Die deutschen Autoher- rungsprozess unseres Landes mit voranzutreiben. Elek- steller haben angekündigt, dass in diesem Jahr 16 ver- tromobilität auf der einen Seite und Digitalisierung auf schiedene Modelle auf dem Elektroautomarkt verfügbar der anderen Seite, das ist ein Beispiel dafür, dass in den sein werden. Es gab allein im letzten Jahr einen Zuwachs Akzenten, die wir in diesem Jahr setzen, die Themen von 32 Elektrofahrzeugmodellen auf dem deutschen Mobilität und Modernität eng miteinander verknüpft Markt. Inzwischen sind über 104 000 Elektrofahrzeuge sind. Wir sind fest entschlossen, Mobilität und Moderni- in Betrieb. Das zeigt: Die Elektromobilität beginnt zu tät weiterzuentwickeln – im Sinne von Wachstum und wachsen. Das ist ein ermutigender Schritt. Wohlstand in unserem Land. Das heißt aber auch: Wir müssen neue Anreize setzen, Herzlichen Dank. damit noch mehr dieser Autos schneller auf den Markt (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) kommen. Deswegen bringen wir ein Elektromobilitätsge- setz auf den Weg, in dem wir vor allem Privilegien für Halter und Fahrer von Elektrofahrzeugen schaffen wie Vizepräsidentin Petra Pau: zum Beispiel Sonderparkplätze oder die Möglichkeit zur Das Wort hat die Kollegin Sabine Leidig für die Frak- Nutzung von Sonderfahrspuren. tion Die Linke. Alles, was hilft, zu überzeugen, dass Elektromotoren (Beifall bei der LINKEN) ein Automobilantrieb der Zukunft in unserer mobilen Gesellschaft sind, ist es, glaube ich, wert, dass man es Sabine Leidig (DIE LINKE): organisiert und mit auf den Weg bringt. An dieser Stelle Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! wollen wir den Mehrwert der Elektromobilität über den Ich will aus dem weiten Feld der Verkehrspolitik drei reinen Umwelt- und Energiegedanken hinaus herausstel- Themen ansprechen: die Straße, die Bahn und den len. ÖPNV. Vorab will ich aber sagen, dass mich Herr Dobrindt Vizepräsidentin Petra Pau: überrascht hat: Herr Dobrindt, Sie haben über Infrastruk- Herr Minister, wenn Sie als Abgeordneter sprechen tur und Netze viel interessanter gesprochen, würden, müsste ich Sie schon seit zwei Minuten auffor- (B) dern, zum Schlusspunkt zu kommen. ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (D) NEN]: Was?) (Heiterkeit) als ich es bisher vom Verkehrsminister gekannt hatte. Sie können natürlich weitersprechen; ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass das Konsequenzen für die Re- Ob der Ausschuss für Mobilität und Modernität, wie dezeit der Mitglieder Ihrer Bundestagsfraktion hat. Sie ihn nennen, der spannendste in dieser Legislatur- periode wird, das wird sich zeigen. Sie haben festge- Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr stellt, dass es nicht um technische Fragen gehe, sondern und digitale Infrastruktur: darum, wie der gesellschaftliche Prozess gestaltet werde; Frau Präsidentin, ich weiß; aber ich habe zwölf Jahre dass es um die Wege gehe, auf denen Menschen und Gü- darauf gewartet, einmal die Chance zu haben, hier länger ter zusammenkommen; und dass Teilhabegerechtigkeit zu reden, als mir erlaubt ist. Diese Chance will ich jetzt ein wichtiges politisches Ziel sei. – D’accord, das passt nutzen. hervorragend zu den Anforderungen, die wir an eine gute Verkehrspolitik stellen. In der Tat werden auf die- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und sen Gebieten die Weichen für die Zukunft gestellt. der SPD – Heiterkeit bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das heißt aus unserer Sicht: Wir brauchen Mobilität für alle – aber mit weniger Verkehr! Das betrifft zum Beispiel den gesellschaftlichen Prozess der Produktion Vizepräsidentin Petra Pau: und Verteilung von Waren. Mit den Lkw-Lawinen, die Gut. Ich gehe davon aus, dass Ihre Fraktion jedes Ver- heute durchs Land rollen, mit immer mehr Lärm, Dreck, ständnis dafür hat und die daraus folgenden Veränderun- Staus und kaputten Straßen muss irgendwann Schluss gen klaglos trägt. sein. Wir wissen alle, dass der zerstörerische Klimawan- del durch den motorisierten Verkehr entscheidend befeu- Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr ert wird. und digitale Infrastruktur: In Ihrem Koalitionsvertrag steht allerdings nichts, Danke schön. – Die öffentliche Hand muss mit gutem was zeigen würde, dass Sie sich dieser Probleme be- Beispiel vorangehen und in die Elektromobilität inves- wusst wären, im Gegenteil – ich zitiere –: tieren und dafür sorgen, dass die Fuhrparks Stück für Stück umgestaltet werden. Nur so kann auch ein funktio- Das Netzwerk Güterverkehr und Logistik werden nierender Gebrauchtwagenmarkt entstehen. Er ist ein wir weiter festigen … Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 847

Sabine Leidig (A) Sie gehen einfach davon aus, dass der Lkw-Verkehr in Allerdings wird das nicht genügen. Der Beherr- (C) den nächsten 15 Jahren um 70 Prozent wächst. Das ist schungsvertrag zwischen dem Bahnkonzern und den Be- Transportwahnsinn und den wollen Sie ausbauen mit Ih- reichen Netz und Bahnhöfe ist eine Fehlkonstruktion rer Nutzerfinanzierung. Das wollen wir nicht. und wird das auch bleiben. In der Konzernplanung, die ja vom Aufsichtsrat und damit von der Bundesregierung (Beifall bei der LINKEN) abgesegnet wird, ist vorgesehen, dass steigende Ge- Wir brauchen endlich so etwas wie eine regionale Struk- winne von DB Netz und DB Station & Service an die turpolitik, damit Produkte wie Milch, Zucker, Bier, Tier- Holding fließen. Das müssen Sie ändern. futter usw. nicht durch ganz Europa gekarrt werden, son- Aber das ist nicht das Einzige. Herr Minister dern regional auf den Markt kommen. Es müssen doch Dobrindt, dass Sie die Bahn modernisieren und die digi- nicht fünf verschiedene Paketdienste eine Ortschaft an- tale Welt in den Zug holen wollen, ist prima – für Abge- fahren, es wäre doch sinnvoll, eine Bündelung vorzuneh- ordnete und Geschäftsleute vor allem. Aber wissen Sie, men, bevor verteilt wird. Die Linke will, dass schädli- dass die meisten Bahnreisenden, die Mütter mit Kindern, cher Verkehr vermieden wird. die Beschäftigten, die Jungen und die Alten, im Nahver- (Beifall bei der LINKEN) kehr unterwegs sind, abseits der großen Magistralen? Da gibt es ganz andere Probleme. Der Zustand vieler Bahn- Das gilt auch im Personenverkehr. Die Leitidee muss höfe ist beklagenswert: ohne Warteraum, ohne Toilette, sein, den gesellschaftlichen Prozess so zu gestalten, dass mit Durchgängen, in denen es tropft, manche vergam- die Leute möglichst kurze Wege haben zur Arbeit, zur melt und verschlossen und viele ganz und gar nicht bar- Schule, zum Arzt, zum Einkaufen oder zum Freizeitver- rierefrei. Ich lade Sie ein, mit mir einmal durch das Kin- gnügen. Mehr Grünanlagen, Raum für Fahrräder und au- zigtal von Hanau nach Schlüchtern zu fahren. Dort tofreie Zonen in den Städten sind in jeder Hinsicht sinn- dokumentieren die Auszubildenden der Kreisverwaltung voll. Aber nichts dergleichen findet sich in Ihren seit Jahren die Missstände an den Bahnhöfen. Es passiert verkehrspolitischen Zielen. nichts. Es ist bezeichnend und bedauerlich, dass Fußgänger Wissen Sie, dass jede Bahnstation mit weniger als auch in diesem Koalitionsvertrag überhaupt nicht vor- 1 000 Zustiegen pro Tag von Herrn Gruber einfach als kommen – das war schon bei der letzten Regierung so –, stufenfrei deklariert werden darf, obwohl ein Rollstuhl- obwohl die meisten Menschen die meisten ihrer Wege zu fahrer oder eine Mutter mit Kinderwagen keine Chance Fuß zurücklegen und obwohl diese Fortbewegungsart hat, die steilen Treppen zum Bahnsteig zu überwinden? genauso wie das Fahrradfahren am umweltfreundlichs- Das ist zynisch. Wir verlangen ein Bahnhofsprogramm, ten ist. mit dem alle Stationen für alle Bürgerinnen und Bürger (B) zugänglich und kundenfreundlich gestaltet werden. (D) (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Auch zum Radverkehr steht nur ein ganz dürrer Satz im Koalitionsvertrag ohne konkrete Ansagen zur För- Und noch etwas: Es gibt ein Bahnhofsprojekt, mit derung. Dabei gibt es in diesem Bereich einen riesen- dem mindestens 6 Milliarden Euro buchstäblich vergra- großen Bedarf, auch weil viele Kommunen selbst beim ben werden sollen, das dem Schienenverkehr mehr scha- besten Willen nicht das Geld haben, um Radwege auszu- det als nützt, weil ein Engpass gebaut wird und weil das bauen und gute Abstellplätze einzurichten. Geld an tausend anderen Stellen fehlt. Stuttgart 21 ist nicht nur dauerhafter Zankapfel in und um Stuttgart, das Hier besteht übrigens ein großes Feld für Elektro- Projekt ist auch unwirtschaftlich und nicht nur finanziell mobilität, wo sie wirklich sinnvoll ist. Die Zahl von E- auf Sand gebaut. Noch immer ist ein Aus- und Umstieg Bikes und Pedelecs könnte deutlich steigen, wenn es möglich. Herr Minister, ich empfehle Ihnen sehr: Rich- eine vernünftige Infrastruktur gäbe. Elektroautos werden ten Sie sich nicht in den Schützengräben ein, die Ihr Kol- uns an dieser Stelle nicht aus den Problemen herausfüh- lege Pofalla betoniert hat, sondern beraten Sie sich mit ren. den Expertinnen und Experten aus der dortigen Bürger- bewegung. Deshalb stimmen wir auch nicht in den Chor derjeni- gen ein, die einfach mehr Geld für Infrastruktur fordern. Sie sehen es außerdem als wichtige Aufgabe an, den Denn es kommt darauf an, was man daraus macht. Wettbewerb auf der Schiene voranzubringen. Ich bitte Sie: Vielerorts wäre man froh, wenn überhaupt ein Zug (Beifall bei der LINKEN) fahren würde. Inzwischen sind ganze Regionen vom Nun zur Bahn. Ich begrüße es sehr, Herr Dobrindt, Bahnverkehr abgehängt. Die Teilhabegerechtigkeit, Herr dass Sie als Verkehrsminister endlich kontrollieren und Minister Dobrindt, die Sie für den Internetzugang for- durchsetzen wollen, dass die Steuergelder in der Tat dern, muss auch für die Mobilität gelten. auch für die Infrastruktur in diesem Bereich eingesetzt (Beifall bei der LINKEN) werden. Das Bahnnetz ist an vielen Stellen inzwischen nun wirklich in einem desolaten Zustand; darauf hat der Sie haben politische Planziele ausgesprochen. Das Bundesrechnungshof bereits zur Genüge hingewiesen. finde ich hervorragend. Solche politischen Planziele brauchen wir auch für den Ausbau des ÖPNV: mindes- Es freut uns, wenn endlich Druck auf die Bahn ausgeübt tens stündliche Bus- und Bahnverbindungen auch im wird, dass das Steuergeld auch vollständig für das Bahn- ländlichen Raum, netz verwendet und nicht als Gewinn in der Bilanz ver- bucht wird. (Beifall bei der LINKEN) 848 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Sabine Leidig (A) kurze Wege zur nächsten Haltestelle, integraler Taktfahr- Sehr geehrte Damen und Herren, Mobilität und das (C) plan und einheitliche Tarifbedingungen im ganzen Land, – Internet prägen weite Teile unseres Lebens. Morgens und abends nutzen Millionen von Pendlerinnen und Vizepräsidentin Petra Pau: Pendlern die Bahn und den ÖPNV, um von zu Hause zur Frau Kollegin Leidig, achten Sie bitte auf die Zeit. Arbeit zu kommen. Tagsüber ist bei vielen das Arbeiten ohne schnellen Internetzugang nur noch schwer mög- lich. Sabine Leidig (DIE LINKE): – Fahrpreise, die sich alle leisten können, Abbau von Deutschland hat als starke Wirtschaftsnation im Ver- Barrieren. Das ist möglich und nötig für einen guten kehrssektor und auch bei der digitalen Infrastruktur be- ÖPNV für alle, und das wären moderne Weichenstellun- reits viel erreicht, und doch reicht das noch nicht aus. gen, für die sich die Linke engagiert. Zu Recht ärgern sich die Passagiere darüber, wenn die (Beifall bei der LINKEN) Deutsche Bahn unpünktlich und der nächste Anschluss einfach weg ist. Zu Recht kritisieren die Autofahrer, dass Vizepräsidentin Petra Pau: sie im Stau stehen und sich nach dem Winter große Das Wort hat der Kollege Sören Bartol für die SPD- Schlaglöcher auftun. Zu Recht regt es die Bürgerinnen Fraktion. und Bürger auf, wenn sie das Gefühl haben, dass das Geld an der falschen Stelle in die Verkehrswege inves- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) tiert wird. Zu Recht fühlen sich Anwohner vom Lärm lauter Güterwagen belästigt und fordern, dass sie nachts Sören Bartol (SPD): endlich wieder ordentlich schlafen können. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen ( [SPD]: Sehr richtig!) und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute hier im Deutschen Bundestag in Zu Recht sind wir alle genervt, wenn wir vor dem Com- einer offenen Debatte darüber diskutieren, was die bes- puter sitzen, die Datenübertragung im Internet zur ten Konzepte im Bereich „Mobilität und digitale Infra- Schnecke wird und der Tatort am Ende an der span- struktur“ sind, um die Probleme in unserem Land anzu- nendsten Stelle auch noch stoppt. gehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Sehr geehrter Herr Minister, herzlichen Dank für Ihre der CDU/CSU) erste Rede als neuer Bundesminister für Verkehr und di- Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wählerinnen gitale Infrastruktur, in der Sie viele wichtige Themen der (B) und Wähler haben am 22. September 2013 entschieden (D) Koalitionsfraktionen aufgegriffen haben. Ich finde, und uns alle damit beauftragt, diese Probleme zu lösen. „Mobilität und Modernität“ ist ein gutes Credo, das auch SPD, CDU und CSU haben diesen Wählerauftrag auch die Aufgabe Ihres Hauses treffend beschreibt. Ich will angenommen. Die Koalitionsparteien haben in langen aber hinzufügen: Ich glaube, wir beide sind uns einig, und auch harten Verhandlungen um gemeinsame Lösun- dass Mobilität ebenfalls sehr modern sein kann. Denken gen gerungen. Sie alleine an intelligente Verkehrsleitsysteme oder neue Carsharing-Modelle. – Herr Dobrindt, wir freuen uns auf ( [BÜNDNIS 90/DIE die Zusammenarbeit mit Ihnen. GRÜNEN]: Hat lange gedauert! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) zu lange!) Ich möchte diese Debatte zunächst damit verbinden, Ich finde, mit dem Koalitionsvertrag haben wir ein Ar- die Kolleginnen und Kollegen der Opposition, die heute beitsprogramm für die nächsten vier Jahre, dessen Um- schon sehr rege sind, setzung die Mobilität und auch den Zugang zum Internet (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – verbessern wird. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) NEN]: Die Koalition schläft ja auch!) Die Pendlerinnen und Pendler können sich darauf zu einer fairen und offenen Zusammenarbeit einzuladen. verlassen, dass wir die Deutsche Bahn als Eigentümer in Ich glaube, wir sollten den Geist der überfraktionellen Zukunft besser steuern werden. Dazu werden wir ein Zusammenarbeit, den wir in der letzten Legislaturpe- neues Steuerungskonzept des Bundes für die Deutsche riode auch im Ausschuss gepflegt haben, besonders in Bahn AG erarbeiten und, Frau Leidig, auch dafür sor- Zeiten der Großen Koalition unbedingt auch weiterhin gen, dass die Gewinne, die im Bereich der Infrastruktur pflegen. erwirtschaftet werden, am Ende natürlich auch dort wie- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der reinvestiert werden. der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – – Etwas Applaus von der Opposition wäre jetzt gar nicht Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das wäre ja mal so schlecht gewesen. etwas Neues!) (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit müssen wieder CDU/CSU) zum Markenzeichen der Deutschen Bahn werden. Ich Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 849

Sören Bartol (A) finde, dazu gehört auch – auch das steht im Koalitions- Die Gesellschaft in unserem Land kann darauf bauen, (C) vertrag –, dass die Boni des Bahnvorstandes in Zukunft dass wir die digitale Spaltung zwischen Stadt und Land zum Beispiel stärker an das Erreichen dieser Ziele ge- nicht auf sich beruhen lassen werden. Wir wollen ein In- bunden sind. ternet für alle. Die Koalitionsfraktionen werden alles da- für tun, dass die Breitbandversorgung in unserem Lande (Beifall bei der SPD) besser wird. Ich glaube, wir alle haben uns dort ambitio- Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler können da- nierte Ziele gesetzt. rauf vertrauen, dass wir ihre Steuergelder und auch Zum Schluss. Aus den Vereinbarungen des Koali- Mautzahlungen in Zukunft nur noch dort investieren, wo tionsvertrages müssen jetzt konkrete Projekte werden. sie am Ende den höchsten Nutzen für das gesamte Ver- Ich finde, wir alle haben genug miteinander verhandelt, kehrsnetz haben. Die Koalitionsfraktionen haben verein- miteinander gerungen, teilweise auch miteinander gere- bart, dass in Zukunft 80 Prozent der Investitionsmittel in det. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wol- den Neu- und Ausbau von Projekten investiert werden, len jetzt Taten sehen. Deswegen freue ich mich darauf, die von überregionaler und nationaler Bedeutung sind. wenn wir uns jetzt alle gemeinsam an die Arbeit ma- Das Bauen ausschließlich nach Himmelsrichtung gehört chen. Los geht’s! damit der Vergangenheit an. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Vielen Dank. der CDU/CSU und des Abg. Stephan Kühn (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Autofahrerinnen und Autofahrer können sicher sein, Vizepräsidentin Petra Pau: dass wir mehr in bröckelnde Brücken und löchrige Stra- Das Wort hat der Kollege Stephan Kühn für die Frak- ßen investieren werden. Wir haben ganz klar gesagt: Er- tion Bündnis 90/Die Grünen. halt wird vor Ausbau gehen. (Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher soll NEN): das Geld kommen?) Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden die Nutzerinnen und Nutzer, die die Stra- Die Große Koalition – das hat die Rede des neuen Ver- ßen am meisten beanspruchen, stärker an der Finanzie- kehrsministers eindrucksvoll bestätigt – verweigert sich rung des Erhalts der Straßen beteiligen. CDU/CSU und den zentralen verkehrspolitischen Herausforderungen. (B) SPD haben miteinander fest vereinbart, dass die Lkw- Sie haben gesagt, Sie wollen Ökonomie und Ökologie (D) Maut in dieser Legislaturperiode auf alle außerörtlichen zusammenbringen. Das Thema Energiewende im Ver- Bundesfernstraßen ausgedehnt wird, und die zusätzli- kehr und Verringerung der hohen Erdölabhängigkeit des chen Einnahmen sollen eins zu eins in die Infrastruktur Verkehrssektors kommt im Koalitionsvertrag praktisch investiert werden. nicht vor. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der CDU/CSU) Ich persönlich denke, Herr Dobrinth, dass wir schnell zu Es werden keine übergeordneten Ziele für die Verringe- grundsätzlichen Entscheidungen kommen müssen, mit rung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor genannt. welchen Partnern wir die Ausdehnung der Lkw-Maut bis Die Große Koalition versteht Verkehrspolitik fast aus- zum Ende dieser Legislaturperiode wirklich umsetzen schließlich als Instrument der Wirtschaftspolitik. können. Die Begriffe „Klimaschutz“ und „Nachhaltigkeit“ Die Bevölkerung an den Hauptbahnstrecken kann da- tauchen noch nicht einmal im Prosateil des Koalitions- rauf vertrauen, dass wir alles dafür tun werden, dass ab vertrages auf. Ich habe sie auch in Ihrer Rede nicht ge- dem Jahr 2020 keine lauten Güterwagen mehr durch hört. Wer Klimaschutz im Verkehrsbereich nicht als die Deutschland fahren; denn auch dies ist eine klare Verein- zentrale Gestaltungsaufgabe begreift, wird den Heraus- barung der Koalitionsfraktionen. forderungen nicht gerecht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der CDU/CSU) und bei der LINKEN) Bereits in zwei Jahren werden wir schauen, wie viele Sich zu dem Ziel zu bekennen, bis 2020 die Zahl von laute Güterwagen bis dahin umgerüstet sind. Wir haben 1 Million batterieelektrischen Fahrzeugen zu erreichen, vereinbart, dass wir dann, wenn bis dahin nicht mindes- reicht nicht und hat die gleiche Qualität wie der Satz im tens die Hälfte der Wagen mit neuen leisen Bremsen aus- Koalitionsvertrag: Wir bekennen uns zum Bau des Berli- gerüstet ist, in dieser Legislaturperiode darüber diskutie- ner Hauptstadtflughafens. ren, aber auch entscheiden müssen, ob wir zum Beispiel in Deutschland ein Nachtfahrverbot für lärmende Güter- (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNIS- wagen verhängen. SES 90/DIE GRÜNEN – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Bau, (Beifall bei der SPD) nicht zur Fertigstellung!) 850 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Stephan Kühn (Dresden) (A) Ich komme zu Ihrem Vorschlag, Herr Dobrindt, dass Ich glaube, das funktioniert nicht. Sie wollen Minister (C) Elektroautos in den Städten die Busspuren zustellen dür- für virtuelle Realitäten werden. Den Zahn werden wir fen. Gerade die öffentlichen Verkehrsmittel sind die Pro- Ihnen ziehen. blemlöser bei der Energiewende. Sollen sie jetzt auch Wie passt es, dass Sie jetzt auf Datenautobahnen statt noch ausgebremst werden? Autobahnen setzen, damit zusammen, dass ausgerechnet (Gustav Herzog [SPD]: Sie sollen die Busspuren Ihr Heimatbundesland Bayern für den neuen Bundesver- nutzen, nicht zuparken!) kehrswegeplan Straßenprojekte mit einem Volumen von 16 Milliarden Euro – also genug Projekte für die nächs- Welchen Stellenwert der Umweltverbund in der Großen ten 150 Jahre – eingereicht hat? Koalition hat, wird schon daran erkenntlich, dass der (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Führerscheinentzug als Alternative zu Freiheitsstrafen Was?) eingeführt werden soll. Ich übersetze das einmal: Bus- und Bahnfahren, Radfahren und Zu-Fuß-Gehen wird zur Wie ernst meinen Sie es mit der Festlegung im Koali- allgemeinen Strafe erklärt. tionsvertrag zum neuen Bundesverkehrswegeplan, wo- nach 80 Prozent der Mittel für Neu- und Ausbau in den Kein Wunder also, dass im Koalitionsvertrag die so- Vordringlichen Bedarf Plus, also in das Kernnetz, fließen ziale Dimension von Mobilität, nämlich die gesellschaft- sollen? liche Teilhabe von Menschen durch bezahlbare Mobilität (Gustav Herzog [SPD]: Ganz einfach! Wir machen in Stadt und Land zu sichern, maximal ein Randthema den Plan, nicht die Bayern!) ist. Verbraucherschutz findet man im Koalitionsvertrag auch nicht. Ich habe lange etwas zu dem Thema Fahr- Nur dass wir uns richtig verstehen: Die Abkürzung gastrechte gesucht, aber nichts gefunden. BVWP steht nicht für „Bayerischer Verkehrswegeplan“, sondern für Bundesverkehrswegeplan. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit der Diskussion um eine Pkw-Maut für Ausländer Mit Blick auf den Bundesverkehrswegeplan ist das lenken Sie geschickt von den eigentlichen Problemen bei Bekenntnis zum Deutschland-Takt lobend hervorzuhe- der Infrastrukturfinanzierung ab. ben. Ebenso ist es zu begrüßen, dass Sie sich jetzt den (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zustand des Schienennetzes und damit den zweckge- NEN]: Ja! So ist es!) rechten Einsatz der Bundesmittel für den Erhalt genauer ansehen wollen. Aber das ist leider nicht ausreichend. Während das Wunschprojekt der bayerischen Regional- Wir brauchen bei der Überprüfung des bestehenden (B) (D) partei im Koalitionsvertrag verankert wurde, wird der Bahnnetzes endlich strecken- und stationsgenaue über- von der Bodewig-Kommission ausgewiesene Sanie- prüfbare Qualitätsmerkmale statt nichtaussagekräftiger rungsbedarf bei der Infrastruktur in Höhe von jährlich Durchschnittswerte. Sie können die Testfahrzeuge noch 7 Milliarden Euro zusätzlich für alle Verkehrsträger in so viele Kilometer weit durch die Lande schicken: Wenn Bund, Ländern und Gemeinden mit keiner Silbe er- wir keine Qualitätsparameter festgelegt haben, werden wähnt. wir den Zustand nicht genau ermitteln können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Selbst wenn dem Berliner Statthalter von Horst Seehofer die Quadratur des Kreises gelingt, nämlich eine Genug gelobt; denn beim Nahverkehr auf der Schiene Vignette für im Ausland zugelassene Fahrzeuge, europa- sieht es ganz anders aus. Es gibt keine klaren Aussagen rechtskonform und ohne Mehrbelastung für deutsche zur Erhöhung der Regionalisierungsmittel. Die Zukunft Fahrzeughalter, löst sie in keiner Weise den Sanierungs- der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs wird an eine stau bei Straßen, Schienen und Brücken auf. Bund-Länder-Kommission delegiert, die vielleicht ir- gendwann am Ende der Legislaturperiode Ergebnisse (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bringt. So schaffen Sie keine langfristige Planungs- sicherheit für Kommunen, kommunale Verkehrsunter- Leider schließt sich Schwarz-Rot nicht dem sinnvol- nehmen und Aufgabenträger. Eine Offensive für den öf- len Vorschlag der Bodewig-Kommission an, einen fentlichen Verkehr sieht anders aus. Fonds mit jährlich 2,7 Milliarden Euro für die nachho- lende Sanierung aufzulegen. Über die gesamte Legisla- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) turperiode von vier Jahren wäre also der Bedarf für die Interessant ist, dass die Große Koalition beim Schienen- Bundesinfrastruktur für nachholende Sanierung etwa lärm sogar mit Nachtfahrverboten droht; beim Luftverkehr 10,8 Milliarden Euro. Das wäre mehr als doppelt so viel darf es aber weiter laut bleiben. Auffällig unkonkret sind wie das, was derzeit eingestellt werden soll, nämlich hier die Forderungen. Es gibt Appelle an die Luftfahrtbran- 5 Milliarden Euro in vier Jahren. che, sie möge doch schneller leiseres Fluggerät einführen, und es sollten auch ein bisschen mehr lärmreduzierende Nach Ihrer Rede, Herr Minister, hat man den Ein- Flugverfahren eingesetzt werden. Meine Damen und Her- druck, Sie wollen uns weismachen, mit Ihren Digitalisie- ren, das sind Textbausteine, die Sie eins zu eins von der rungsplänen könnte man die Schlaglöcher in den Straßen Luftverkehrslobby abgeschrieben haben. stopfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) des Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE]) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 851

Stephan Kühn (Dresden) (A) Niemand streitet die wirtschaftliche und verkehrliche (Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE (C) Bedeutung der Luftverkehrsinfrastruktur ab, auch wir GRÜNEN]: Ich denke, Sie sanieren!) nicht. Aber das darf nicht dazu führen, dass die Gesund- heit der von Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bür- Wir werden in den nächsten vier Jahren das Schienen- ger eine untergeordnete Rolle spielt. Genau das sehen netz ausbauen und sanieren. Wir werden die Übertra- wir aber in Ihrem Koalitionsvertrag. gungsnetze ausbauen und so einen weiteren Schritt hin zu mehr Informationsgerechtigkeit gehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ein nationales Luftverkehrskonzept, das wir richtig NEN]: Aber die Schiene vergessen Sie!) und notwendig finden, muss deshalb dem Schutz der Be- völkerung vor Fluglärm eine zentrale Bedeutung bei- Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit unserem messen. neuen Verkehrsminister Alexander Dobrindt und den Parlamentarischen Staatssekretären. Deshalb sind wir (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- auch bereit, lieber Herr Minister, Ihren Wunsch, nach SES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Valerie Wilms zwölf Jahren endlich länger sprechen zu dürfen, zu erfül- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen len. Wir kürzen einfach unsere gesamte Redezeit um ein auf die Menschen zugehen!) paar Minuten. Wir erwarten, Herr Dobrindt, dass Sie sich nicht nur um Die Koalition hat ein schlüssiges und realistisches Ihre Pkw-Maut für Ausländer kümmern, sondern im Programm auch und gerade beim Bundesverkehrswege- nächsten halben Jahr endlich eine politische Agenda für plan, lieber Kollege Kühn. Unser nationales Prioritäten- ein solches nationales Luftverkehrskonzept vorlegen. konzept wird sich als schlüssig und überzeugend erwei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sen. Da Sie argumentieren, dass nun zu viele Projekte angemeldet sind: Die Bürgerinnen und Bürger insbeson- Ich komme zum Schluss und fasse zusammen. Aus dere in Baden-Württemberg warten – das sage ich ganz dem vorgelegten Koalitionsvertrag und Ihren heutigen bewusst als jemand aus dem bayerischen Grenzland – Verlautbarungen kann ich nur das Fazit ziehen: Der auf ihre Ortsumgehungen und die damit verbundenen kleinste gemeinsame Nenner der Großen Koalition reicht Entlastungen. Wenn Sie über Lärm sprechen, dann dür- nicht aus, um die verkehrspolitischen Herausforderungen fen Sie den Autolärm nicht vergessen. Um diesen zu re- der Zukunft zu bewältigen. Oder anders ausgedrückt – um duzieren, brauchen wir Ortsumfahrungen und einen mit den Worten des ehemaligen Vorsitzenden des Ver- Bundesverkehrswegeplan. kehrsausschusses zu sprechen –: Je größer die Mehrheit, (B) desto kleiner der Anspruch. – Ich befürchte, dass wir (Beifall bei der CDU/CSU) (D) vier verlorene Jahre in der Verkehrspolitik vor uns ha- ben. Wir werden in den nächsten vier Jahren 5 Milliarden Euro mehr in die Infrastruktur stecken können. Das ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ein Baustein – wenn auch kein ganz kleiner –, um der zugegebenermaßen nicht gerade üppigen Ausstattung in Vizepräsidentin Petra Pau: der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung etwas nachzuhel- fen. Der Ausbau der Nutzerfinanzierung ist ein anderer, Das Wort hat der Kollege Ulrich Lange für die CDU/ ebenso wichtiger Baustein. Dazu gehört die Lkw-Maut CSU-Fraktion. genauso wie die Pkw-Maut für Nichtdeutsche, liebe Kol- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- leginnen und Kollegen des Koalitionspartners. Wir wer- neten der SPD) den die Begeisterung, die vorhin noch etwas zurückhal- tend geäußert wurde, in stürmischen Applaus umwandeln, wenn der entsprechende Gesetzentwurf vorliegt und be- Ulrich Lange (CDU/CSU): raten wird; darin sind wir uns sicher. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- gen! Lieber Kollege Kühn, diese Große Koalition ist (Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Kühn eine Koalition [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich lach mich tot!) (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Für Löcher!) Wir werden die Kommunen und die Länder nicht al- leine lassen – darauf haben wir uns im Koalitionsvertrag für Infrastruktur und – das ist mir aufgefallen, als ich Ih- verständigt –, wenn es um die Regionalisierungs- und nen zugehört habe – gegen die Verweigerungshaltung die Entflechtungsmittel geht. Ich glaube, dass wir in ei- der Grünen, die in den letzten Jahren im Verkehrsaus- nem guten Dialog mit den Ländern hier zu vernünftigen schuss immer wieder zu spüren war. Darauf werde ich Lösungen kommen werden. beim Bundesverkehrswegeplan noch explizit zu spre- chen kommen. Das angekündigte Elektromobilitätsgesetz wird – da- (Beifall bei der CDU/CSU) von sind wir überzeugt – den notwendigen kräftigen Schub dafür geben, dass wir hier die Schritte vorankom- Wir werden in den nächsten vier Jahren Straßen men, die wir uns für diese Legislaturperiode vorgenom- bauen. men haben. 852 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Ulrich Lange (A) Der Schienenverkehr muss langfristig sicher finan- Vizepräsidentin Petra Pau: (C) ziert sein. Eine neuer Vertrag, eine neue Leistungs- und Darauf wollte ich Sie gerade aufmerksam machen. Finanzierungsvereinbarung für die Ersatzinvestitionen, Der Kollege Janecek hätte gern das Wort zu einer Frage aber auch – ich sage das so offen – bessere Planungsre- oder Bemerkung. serven bei der Bahn gehören dazu. Es gehört auch dazu, dass die Bahn notwendige Eigenmittel aufbaut und diese Ulrich Lange (CDU/CSU): Eigenmittel wieder in die Infrastruktur investiert wer- den. Ich glaube, dass die Schritte, die der Minister ange- Jetzt haben Sie schon so wenig Redezeit und verlän- kündigt hat, die richtigen sind. Wir stehen zum integrier- gern unsere auch noch. ten Konzern DB, wir stehen aber genauso dazu, dass Regulierung und Wettbewerb im Schienenverkehr unbe- Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dingt notwendig sein müssen. Es war mein Anliegen, Herr Kollege Lange, dass Sie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- mehr Zeit erhalten. neten der SPD) Ich stelle Ihnen folgende Frage. Ich bin aus Bayern Das Thema Verkehrslärm, lieber Kollege Kühn, neh- Ankündigungen gewohnt, auch von Minister Dobrindt. men wir sehr ernst. Schauen Sie in den Koalitionsver- Er spricht von Champions League, Weltmeister, Netz- trag. allianz und sagt Asien und den USA den Kampf an. Wie bringen Sie denn das mit der Tatsache zusammen, dass (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie es nicht geschafft haben, in Ihrem Koalitionsvertrag NEN]: Na, hoffentlich!) Ihre Breitbandstrategie mit einem Finanzkonzept zu ver- sehen? Wir nehmen den Lärm ernst beim Schienenverkehr, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE und bei der LINKEN) GRÜNEN]: Auch beim Flugverkehr?) – beim Flugverkehr natürlich auch –, aber auch beim Ulrich Lange (CDU/CSU): Straßenverkehr. Dabei verweise ich wieder auf die Orts- Lieber Kollege Janecek, ich glaube, dass wir die ent- umfahrungen. sprechenden Mittel und die entsprechenden Strategien in den nächsten vier Jahren auflegen können. Der Koali- Dass wir dafür sorgen müssen, dass der Luftverkehr tionsvertrag ist ein Arbeitsvertrag und kein Finanzie- in Deutschland wettbewerbsfähig bleibt, haben wir in rungskonzept. (B) den letzten Wochen und Monaten gesehen. Wir können (D) es uns also nicht leisten, unsere Flughäfen von gewissen (Widerspruch bei der LINKEN und dem Nachtflügen freizuhalten. Ich sage das ganz offen; denn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Kühn auch das ist ein Teil der Wahrheit. Mögen Sie nicht so [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: tun, als ob es bei Ihnen anders ginge. Gut, dass Sie es mal gesagt haben!) Das Maritime Bündnis ist fortzusetzen. Ich will hier Deshalb werden wir diesen Koalitionsvertrag umsetzen nur die wichtigsten Stichworte nennen: nationales Ha- können. Seien Sie beruhigt. Ich kann nur wie die Kanzle- fenkonzept und Schifffahrtsförderung. Ich bin mir si- rin vorgestern im Zusammenhang mit der Maut sagen: cher, dass wir auch in diesen Punkten ein gutes Stück vo- Warten Sie es ab. rankommen können. (Beifall bei der CDU/CSU) Die digitale Infrastruktur – dazu hat der Minister wirklich gut und ausführlich Stellung genommen – ist Wir werden hier die richtigen Anreize – auf die wichtig. Sie ist wichtig für das ganze Land, insbesondere kommt es ganz wesentlich an – setzen, um auch privates für die ländlichen Regionen; denn diese Infrastruktur Kapital zum Einsatz bringen zu können. Die vorgeschla- heißt Arbeitsplätze, diese Infrastruktur heißt Teilhabe an gene Netzallianz ist insoweit ein ganz wichtiger Bau- der neuen digitalen Welt. Hier werden wir ganz beson- stein. Die Branche hat eine Menge Innovationspotenzial. ders auf die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstand- Ich bin mir sicher: Wir können und werden es heben. ortes Deutschland hinarbeiten müssen. Wir haben einen guten und überzeugenden Fahrplan. (Abg. Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE Diese Koalition arbeitet zusammen mit unserem Minis- GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischen- ter für Mobilität und Modernität. frage) Herzlichen Dank.

Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Herr Kollege Lange. Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Herbert Behrens für die Ulrich Lange (CDU/CSU): Fraktion Die Linke. Frau Präsidentin, ich bin froh, dass die mir gekürzte Redezeit jetzt doch wieder verlängert wird. (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 853

(A) Herbert Behrens (DIE LINKE): Bandbreiten. Noch vor zwei Jahren galten 2 Megabit als (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ordentliche Grundversorgung. Das war gestern. Heute ist Jetzt haben wir auf einmal ein neues Ministerium, näm- in den Niederlanden ein Netzbetreiber dabei, ein flä- lich das für Mobilität und Modernität. Bis gestern war es chendeckendes Glasfasernetz bis zum Hausanschluss noch das Ministerium für Verkehr und digitale Infra- aufzubauen. In Zürich sind Leistungen von 300 Megabit struktur. lieferbar. Wer sich mit Korea vergleicht, Herr Dobrindt, der muss wissen, dass dort an einem Netz gearbeitet Es ist aber nicht die Frage des Labels, unter dem wir wird, über das innerhalb einer Sekunde 800 Megabyte arbeiten – um diesen Begriff einmal zu verwenden –, Daten geschickt werden können. sondern es kommt darauf an, wie viel Substanz in den Vorschlägen steckt, die Sie als Minister uns vorlegen (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Nord- oder Süd- wollen. Kritische Anmerkungen haben Sie eben schon korea? – Gegenruf des Abg. Gero Storjohann gehört. [CDU/CSU]: Sonst nehmen sie immer Nord- Ich will meinen Beitrag kurz mit einem positiven Bei- korea!) spiel beginnen, damit klar wird, wie wir uns digitale 800 Megabyte! Das muss man sich auf jeden Fall auf der Infrastruktur vorstellen. In der Integrierten Gesamt- Zunge zergehen lassen. schule in meinem Heimatort Osterholz-Scharmbeck tau- schen sich Schülerinnen und Schüler in Videokonferen- Sie sprechen von einer Aufholjagd, um Deutschland zen in englischer Sprache mit ihren Mitschülern aus an die Weltspitze des digitalen Fortschritts zu führen. Finnland aus. Sie arbeiten an gemeinsamen Projekten Eine solche Aufholjagd sieht anders aus. Sie bleiben und lösen zusammen ihre Schulaufgaben. Das alles ist weit dahinter zurück. Nur Glasfasertechnik bringt die nur durch das Internet möglich. nötigen Geschwindigkeiten. Deshalb fordert die Linke eine klare Weichenstellung für den Glasfaserausbau. Damit das kein Einzelbeispiel bleibt, brauchen wir flächendeckend eine digitale Infrastruktur auf dem neu- (Beifall bei der LINKEN) esten Stand der Technik. Die Linke will deshalb schnel- les Internet für alle, ob Jung oder Alt, ob in der Stadt Herr Dobrindt, genauso wenig, wie Sie zur Finanzie- oder auf dem Land. rung Stellung nehmen, sagen Sie konkret etwas dazu, wie den Menschen in Stadt und Land, in Ost und West (Beifall bei der LINKEN) gleicher Zugang zum schnellen oder, in Ihren Maßstä- ben, zu etwas schnellerem Internet – das ist das, was Sie Die neue Bundesregierung befasst sich mit diesem vorhaben – garantiert werden soll. Tausende Mittel- Thema jetzt in gleich fünf Ministerien; aber egal, bleiben ständler und Selbstständige warten im ländlichen Raum (B) wir erst einmal beim Ministerium – ich nenne es einfach (D) darauf, über schnelles Internet zu verfügen. Ihre ge- noch einmal so – für Verkehr und digitale Infrastruktur. schäftliche Existenz hängt davon ab. Ihnen helfen keine In der Koalitionsvereinbarung heißt es: Ankündigungen. Sie brauchen Entscheidungen. Für ein modernes Industrieland ist der flächende- ckende Breitbandausbau eine Schlüsselaufgabe. Ein zweites Thema zum Schluss: die unsinnige Pkw- Maut, auch „Ausländer-Maut“ genannt. Da blickt doch So weit, so gut. inzwischen keiner mehr durch. Jahresgebühr oder doch Aber ein Bekenntnis reicht nicht aus – in einigen Dis- Wochen- oder Monatsvignette? Ökorabatt oder Steuer- kussionsbeiträgen ist das schon angemerkt worden –, die senkung? 2014 oder doch erst 2016? Wenn es nicht so Bundesregierung muss auch Geld in die Hand nehmen. ernst wäre, dann wäre es eigentlich eine Lachnummer. Es soll ein Sonderfinanzierungsprogramm „Premiumför- Herr Dobrindt, die Pkw-Maut ist für Sie in Ihrem Amt derung Netzausbau“ geben und außerdem ein Breitband- ein klassischer Fehlstart. Packen Sie die Pläne zusam- bürgerfonds eingerichtet werden. Beides ist hilfreich, men und in die unterste Schublade, wo sie hingehören! aber es wird nicht reichen, um die notwendigen Investi- Wenn Sie nicht mehr auf den ADAC hören können, dann tionen zu finanzieren. hören Sie auf Ihren Koalitionspartner SPD. Der TÜV Rheinland hat nachgerechnet und kommt Vielen Dank. auf Kosten von 20 Milliarden Euro für einen flächende- (Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei der ckenden Breitbandausbau. Für Glasfaserversorgung wird SPD) mit 80 Milliarden Euro gerechnet. Zusätzlich muss in die Datensicherheit investiert werden, um Industriespio- nage und das Ausforschen der Privatsphäre zu verhin- Vizepräsidentin Petra Pau: dern. Der Minister muss sagen, wie er das umsetzen will, Das Wort hat die Kollegin Kirsten Lühmann für die und er muss erklären, wie er die Übertragungsrate von SPD-Fraktion. 50 Megabit pro Sekunde erreichen will. Appelle an In- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten vestoren, doch bitte schön Milliarden in den Breit- der CDU/CSU) bandausbau zu investieren, reichen nicht.

(Beifall bei der LINKEN) Kirsten Lühmann (SPD): Datenverbindungen sind schneller geworden – keine Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Frage –, doch die Datenmengen steigen schneller als die Gottfried Daimler hat einmal festgestellt: 854 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Kirsten Lühmann (A) Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen Infrastruktur und Mobilität müssen neu gedacht wer- (C) wird eine Million nicht überschreiten – allein schon den, um größtmöglichen Schutz der Menschen, des Kli- aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren. mas und einen schonenden Umgang mit Ressourcen zu erreichen. Dazu sind in den verschiedenen Bereichen (Heiterkeit) Systemvorteile zu nutzen. Die sogenannte Intermodali- Wenn es so gekommen wäre, benötigten wir heute tät, das heißt die Verknüpfung der unterschiedlichen deutlich weniger Finanzmittel für die Instandhaltung un- Transportmittel, ist unsere zentrale Aufgabe. Mehr Gü- serer deutschen Infrastruktur. Deutschland würde aber terverkehr auf die Wasserstraße und die Schiene – auch auch anders aussehen. Persönliche Freiheiten, Möglich- das ist eine Verabredung der neuen Bundesregierung, keiten und Entwicklungschancen für die Menschen in und zwar eine gute. unserem Lande wären andere, es wären schlechtere. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Gottlieb Daimler scheint mit seiner Einschätzung, Gustav Herzog [SPD]: Und eine klimafreund- dass der Mangel an verfügbaren Chauffeuren ein Pro- liche, liebe Freunde von den Grünen!) blem darstellt, schon recht zu haben, wenn man sich die Wir wissen aber auch, dass dies Grenzen hat. Die Ka- Logistikbranche in Deutschland anschaut. Darum hat pazität der Schiene reicht derzeit nicht aus, um den ge- sich die Bundesregierung in dem Koalitionsvertrag die- samten prognostizierten Zuwachs an Güterverkehren ses Themas angenommen. Was allerdings die Zahl der aufzunehmen. Der Kapazitätsausbau ist nicht nur an Kfz betrifft, war die Prognose von Gottlieb Daimler finanzielle Grenzen gestoßen, auch die deutliche Verrin- falsch. Wir hatten im letzten Jahr in Deutschland knapp gerung der Belastung der Anwohner durch Schienenlärm 59 Millionen Kraftfahrzeuge, davon allein 43,5 Millio- wird für uns eine genauso zentrale Rolle bei den Aus- nen Pkw. Weil das so ist, stehen wir vor deutlichen He- baumaßnahmen spielen. rausforderungen in der Verkehrspolitik. (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die zentralen Themen, die unsere Gesellschaft bewe- Und bei den Bestandsstrecken?) gen und die unser politisches Handeln bestimmen, sind, Kollege Kühn, die Energiewende, der Klimaschutz, die Ein wichtiges Thema, das ich schon in der letzten Le- demografische Entwicklung und die Daseinsvorsorge. gislatur gerne bearbeitet habe, ist, die Bedingungen auf den Straßen zu verändern, um den Transport von Men- (Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE schen und Gütern zu verbessern. Dazu bedarf es eines GRÜNEN]: Wo steht das denn im Koalitions- verstärkten Telematikeinsatzes und eines Ausbaus von vertrag?) Verkehrssteuerungsanlagen. Auch dazu haben wir uns verabredet; denn unser Ziel ist es, die Mobilität der Men- (B) Bei all diesen Themen kann eine richtige – oder eine fal- (D) schen und die Intermodalität als Gradmesser für Moder- sche – Verkehrspolitik viel bewirken. Es ist also unsere nität zu berücksichtigen. Aufgabe, Verkehr nicht nur beschränkt auf einzelne Ver- kehrsträger wie Straße, Schiene, Wasserstraße und Luft Abgestimmte Fahrpläne beim Schienennah- und -fern- zu denken, sondern wir müssen berücksichtigen, dass verkehr, gute Anschlussangebote beim öffentlichen weder die Menschen noch die Güter, die wir täglich Personennahverkehr, Rufbusse, Carsharing sowie Miet- transportieren, von Tür zu Tür nur mit einem Verkehrs- möglichkeiten von Fahrrädern und Pedelecs werden es mittel unterwegs sind. möglich machen, ohne Verlust von Lebensqualität ver- mehrt auf einen eigenen Pkw zu verzichten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sehen wir doch Um hier für alle eine bezahlbare, sichere und klima- schon in den Großstädten. Aber unsere Herausforderung freundliche Mobilität zu ermöglichen, müssen jetzt die ist es, dieses Angebot auch und besonders in den ländli- Weichen richtig gestellt werden. Diese Bundesregierung chen Räumen, in den strukturschwachen Regionen, wo hat dazu im Koalitionsvertrag die entscheidenden The- ältere Menschen und Menschen mit weniger finanziellen menfelder angesprochen. Mitteln genau auf diese neuen Konzepte angewiesen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) sind, durchzusetzen. Zum Beispiel zu der Frage: Was ist zu tun, damit der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Verkehrssektor einen deutlichen Beitrag zur Energie- der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: Wun- wende und zum Klimaschutz leistet? Wir lesen dazu im derbar! Genau richtig!) Koalitionsvertrag: Das ist übrigens auch eine Verpflichtung, die uns das Die von uns geförderte Mobilitätsforschung wird Grundgesetz auferlegt. Dort steht nämlich, dass wir da- zukünftig verstärkt die gesamte Breite von Mobili- für zu sorgen haben, dass in Deutschland gleichwertige tätsangeboten auch unter gesellschafts- und sozial- Lebensbedingungen bestehen. Zu dieser Verpflichtung wissenschaftlichen Aspekten in den Blick nehmen. steht diese Bundesregierung. Sie hat sehr viele Konzepte vorgelegt. Etwas weiter heißt es: Wir werden unser Augenmerk noch stärker auf um- Wir setzen zudem auf die Nutzung moderner Infor- weltfreundliche Fahrzeuge legen. Die Koalition hat sich mations- und Kommunikationstechnik für eine ver- verpflichtet, die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie wei- netzte, sichere und effiziente Mobilität. terzuentwickeln und die Forschung zu intensivieren. Zu- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 855

Kirsten Lühmann (A) sammen mit den Kommunen müssen Privilegierungen (Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE (C) von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben im Straßen- GRÜNEN]: Ich hoffe, die Überprüfung hat verkehr diskutiert werden. Wichtig dabei ist jedoch, dass auch Ergebnisse!) dies nicht zu einem Nutzungskonflikt mit dem öffentli- chen Personennahverkehr führt. Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich möchte zum Schluss ganz ausdrücklich meinem ehemaligen stell- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias vertretenden Parteivorsitzenden Helmut Schmidt wider- Lietz [CDU/CSU]) sprechen, der gesagt hat: Wer Visionen hat, soll zum Psychiater gehen. – Ich sage: Wer Visionen hat, sollte In- Ein Anreizsystem in Form von Prämien beim Kauf, frastrukturpolitik betreiben, am besten mit dieser Bun- zum Beispiel von Elektrofahrzeugen, halten wir für nicht desregierung. Ich freue mich auf die nächsten vier Jahre. erforderlich. Sinnvoller sind die schon umgesetzten zeit- weise geltenden Steuerbefreiungen für diese Fahrzeuge Danke schön. oder auch die Energiesteuerermäßigung für klimascho- nendes Autogas und Erdgas. Wir haben vereinbart, diese (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Steuerbefreiung über das Jahr 2018 hinaus fortzuführen. Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall der Abg. Barbara Lanzinger [CDU/ Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die CSU]) Kollegin Tabea Rößner das Wort. – Danke schön. (Heiterkeit) Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Unser immer besser ausgebautes Verkehrsnetz wird Herr Bundesminister Dobrindt, bis 2018 wollen Sie, so aber in Teilen auch zu einer Belastung. Was die Men- steht es im Koalitionsvertrag, Deutschland flächen- schen in unserem Lande in diesem Zusammenhang am deckend mit Breitbandgeschwindigkeiten von bis zu meisten beeinträchtigt, ist der Verkehrslärm. 50 Megabit pro Sekunde versorgen. Das ist mal eine An- (Gustav Herzog [SPD]: Ja!) sage! Sie ist aber auch nicht neu. Kanzlerin Merkel hat schon vor einigen Jahren versprochen, dass 75 Prozent Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Bürger und Bürge- aller Haushalte Highspeed-Internet bekämen – bis 2014. rinnen nicht länger bereit sind, größere Lärmbelästigun- Jetzt haben wir 2014 und sehen: Verheißungen helfen gen hinzunehmen, und dass die Bürgerinitiativen zu die- nicht weiter – das Internet sollte schon gar keine sein sen Themen immer stärker werden. und bleiben –, man muss auch etwas dafür tun. (B) (D) Dem hat diese Regierung in doppelter Hinsicht Rech- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – nung getragen, und zwar zum einen mit mehr Lärm- Herbert Behrens [DIE LINKE]: Nein, das ist schutz und zum anderen mit mehr Bürgerbeteiligung. noch Neuland!) Die Mittel für die Lärmschutzprogramme im Bereich Straße und Schiene werden erhöht, und somit wird der Eigentlich mag ich ja Menschen mit Visionen. Ich Lärmschutz für die Anwohnenden deutlich verbessert. habe auch eine, nämlich dass die Menschen rund um Dabei – das ist jetzt neu – soll die Gesamtlärmbelästi- Peißenberg einen schnellen Anschluss bekommen. Der gung an Bundesfernstraßen und Bundesschienenwegen Breitbandatlas zeigt, dass die weißen Flecken bei Ihnen, Grundlage der Bemessung sein. Grundlage dafür soll Herr Minister Dobrindt, direkt vor der Haustür anfangen. also nicht mehr wie bisher die Einzelmessung des je- Rund um den Sitz Ihres Wahlkreisbüros ist derzeit maxi- weils einzelnen Verkehrsträgers sein. mal 1 Megabit pro Sekunde möglich. Bis da eine Mail bei einem Wahlkreisabgeordneten ankommt, hat man sie (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – schneller persönlich vorbeigebracht. Gustav Herzog [SPD]: Ein sehr guter Bürger- schutz!) (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das sind ja Schnecken in Bayern! – Bei all dem sind aber die Interessen der Güterver- Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE kehrsbranche und somit auch die Interessen aller Konsu- GRÜNEN]: Das ist ja ganz armselig!) menten und Konsumentinnen, die die Waren, die dort transportiert werden, letztendlich kaufen und nutzen Das sind nicht die einzigen weißen Flecken. Auch bei wollen, nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist eine Staatssekretärin Doro Bär – schade, dass sie jetzt nicht Herausforderung für uns, und wir werden sie meistern. mehr da ist – sieht es vor Ort nicht so rosig wie auf ihrer Homepage aus. Hierbei erteilen wir Extrempositionen, wie wir sie teilweise hörten, zum Beispiel, dass Betriebszeiten von (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ Flughäfen allein an wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu DIE GRÜNEN) orientieren sind, aber auch einem generellen Nachtflug- Wenn sich die Wähler in Münnerstadt die Homepage verbot für Deutschland eine deutliche Absage. Jedoch: von Doro Bär mit den vielen schönen bunten Fotos anse- Wenn man diesen Koalitionsvertrag genau liest, Kollege hen wollen, müssen sie richtig viel Geduld haben. Kühn, sieht man, dass darin auch steht, dass wir verein- bart haben, die Grenzwerte des Fluglärmschutzgesetzes (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zu überprüfen. NEN sowie bei Abgeordneten der SPD) 856 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Tabea Rößner (A) So sieht es 2014 in vielen Regionen Deutschlands aus. läuft die Energiewende nur mit angezogener Hand- (C) Die Menschen in diesen Regionen hätten lieber heute als bremse. Wir könnten bis zu vier Kohlekraftwerke ein- morgen schnelle Internetverbindungen. sparen, hätten wir externe klimaneutrale Rechenzentren. Dafür brauchen die Unternehmen aber eben Breitband- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) verbindungen. Wir stehen vor zwei gewaltigen Herausforderungen: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erstens: Wie stopfen wir die Löcher im Breitbandnetz Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind leider wenig möglichst schnell? vielversprechend. Es gibt weder Geld noch ein Konzept Zweitens: Wie bauen wir mittel- und langfristig das und auch kein Anreizprogramm. Die ursprünglich ge- Glasfasernetz aus? Das brauchen wir nämlich wirklich, plante 1 Milliarde Euro für den Ausbau ist in den Koali- wenn wir ein Hightechland sein wollen. Denn ohne gibt tionsverhandlungen gestrichen worden. Was bleibt, sind es kein Cloud-Computing, kein Smart Grid und auch bloße Ankündigungen. Aber die alleine machen noch keine intelligente Logistik. Gewaltige Aufgaben, die Sie keinen Breitband-Frühling. da zu bewältigen haben! Bis ein Runder Tisch „Netz- Die Einberufung eines Runden Tisches und Ihr Auf- allianz“ Ergebnisse liefert, dauert es. Dabei warten wir tritt im Ausschuss hinterlassen einen engagierten Ein- jetzt ja schon seit Jahren darauf, dass sich die Lage ins- druck. Aber letztendlich kostet der Ausbau viel Geld, besondere in den ländlichen Regionen deutlich verbes- das die Regierung eben nicht bereitstellen will und von sert. dem unklar ist, woher es kommen soll. Von Gesprächs- Die Grundversorgung hätten wir schnell und ohne zu- runden wird es nicht vom Himmel fallen. Irgendeiner sätzliche Haushaltsmittel haben können, nämlich mit wird die Zeche zahlen müssen. Die Frage bleibt nur: dem Universaldienst. Wer? (Martin Dörmann [SPD]: So geht es aber wirk- Herr Dobrindt, als Sie im Dezember letzten Jahres bei lich nicht!) Ihrer Vereidigung hier vorne standen, konnte ich be- obachten: Hier ist ein Mann, der es gar nicht erwarten Danach würde jeder Haushalt einen einigermaßen kann, Minister zu werden. schnellen Internetanschluss kriegen, so wie jeder von der Post beliefert werden muss oder einen Telefonanschluss (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- bekommt – und da ist es völlig egal, ob auf der Alm, auf NEN sowie bei Abgeordneten der SPD – der Hallig oder im Westerwald. Martin Dörmann [SPD]: Zwölf Jahre!) Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen zwischen Peißenberg und (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (D) Runden Tischen die Puste nicht ausgeht. Das ist ein Konzept, das bis zur Wahl übrigens auch von der SPD gefordert wurde. Nach den Koalitionsverhand- Vielen Dank. lungen wollten Sie aber leider nichts mehr davon wissen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hier, werte Kollegen von der SPD, haben Sie sich über den Tisch ziehen lassen. Vizepräsidentin Petra Pau: (Sören Bartol [SPD]: Ja, ja! Ist klar!) Das Wort hat der Kollege Gero Storjohann für die CDU/CSU-Fraktion. Bis 2018 ist es noch lange hin. Bis dahin gibt es ja be- reits eine neue Bundesregierung. (Beifall bei der CDU/CSU) (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Gero Storjohann (CDU/CSU): NEN]: Ja, genau!) Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen Wahrscheinlich müssen Sie sich für das Nichteinlösen und Kollegen! Image macht man am Anfang. Deswegen dieser Versprechungen dann gar nicht mehr rechtferti- bin ich dem neuen Verkehrsminister sehr dankbar, dass gen. Das Ziel ist also nicht nur auf den ersten Blick mu- er hier seine Prioritäten auf den Tisch gelegt hat. Wir tig, es ist auch auf den zweiten vor allen Dingen be- hatten vorher ein Ministerium, das auch mit Wohnungs- quem. bau zu tun hatte. Wir Mitglieder des Ausschusses hatten immer den Eindruck, dass der Wohnungsbau ein An- Eines halte ich Ihnen aber zugute: Die neue Regie- hängsel war und es in erster Linie um Verkehrspolitik rung hat immerhin verstanden, wie wichtig der Breit- ging. Alexander Dobrindt hat jetzt deutlich gemacht, bandausbau ist. Das ist nicht nur eine Frage von Teil- dass digitale Infrastruktur sehr wichtig ist, dass er hier habe, wie Minister Dobrindt betont, sondern auch eine sehr viel Arbeitskraft einbringen wird und dass Ver- Zukunftsinvestition. Flächendeckendes Breitband birgt kehrspolitik und digitale Infrastruktur in diesem Ministe- für Deutschland auch enorme Wirtschaftskraft. Ein An- rium gleichwertig behandelt werden sollen. Das ist die stieg der Breitbandversorgung um 10 Prozent kann laut Botschaft. Wir als Ausschuss sollten uns dieser Aufgabe EU-Kommission zu einem jährlichen BIP-Wachstum intensiv annehmen. von 1 bis 1,5 Prozent führen. Breitbandverbindungen be- wirken Innovationen in Unternehmen, sie fördern Be- Ich möchte etwas zu der Kritik von Frau Rößner sa- schäftigung und bieten das Potenzial, bis 2020 2 Millio- gen. Ich glaube, Sie waren von 2002 bis 2005 mit in der nen zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Ohne Ausbau Regierung. Da hatten Sie die Möglichkeit, in die Zukunft Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 857

Gero Storjohann (A) zu schauen und zu erkennen, ob ein Breitbandnetz zur In meinem Wahlkreis haben wir drei Anbieter – neben (C) Daseinsvorsorge gehört. Telekom und Vodafone –, die den Breitbandausbau in- tensiv vorantreiben. In Norderstedt gibt es seit über zehn (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jahren ein schnelles Internet, mit das schnellste in Das ist schon ganz schön lange her!) Deutschland. Sie haben das nicht in das Telekommunikationsgesetz Der Kreis hat einen Zweckverband gegründet, um geschrieben. – Es ist lange her, und wir brauchen lange kleinen Kommunen mit 200 bis 400 Einwohnern Fiber- Wege, um etwas umzusetzen. Wir haben es in der letzten to-the-Home zu ermöglichen. Die ersten Dörfer sind an- Koalition auch nicht gemacht, geschlossen, weitere kommen. Wir haben einen privaten (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Investor – die Deutsche Glasfaser, ein niederländisches NEN]: Vorletzte auch nicht!) Unternehmen –, der das jetzt auch macht. Das heißt, un- ser Kreis Segeberg wird in den nächsten drei Jahren ver- auch vor dem Hintergrund, dass die finanziellen Mittel sorgt sein. In Ihrer Region machen es die Stadtwerke. In nicht da sind. Neumünster machen es die Stadtwerke. Die Dinge neh- Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus meinem Wahlkreis men also zurzeit einen guten Lauf. Wenn jetzt plötzlich nennen. 1 Milliarde Euro als Fördermittel bereitgestellt würden, würde jede Kommune überlegen: Warten wir noch ein Vizepräsidentin Petra Pau: bisschen, ob wir das Fördergeld bekommen können! Wie sind die Ausschreibungsbedingungen? – Wir haben in Kollege Storjohann, gestatten Sie eine Bemerkung den letzten drei Jahren erlebt, dass Fördermittel meistens oder Frage des Kollegen von Notz? nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen und letztlich das ganze Vorhaben gefährden. Ich bin sehr zu- Gero Storjohann (CDU/CSU): versichtlich, dass wir mit dem Konzept, das wir im Ja, gerne. Kreise Segeberg, aber auch bei Ihnen haben, einen gro- ßen Schritt vorankommen. Deswegen meine ich, dass Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE wir auf dem richtigen Weg sind. GRÜNEN): (Beifall bei der CDU/CSU) Lieber Herr Kollege, vielen Dank. – Herr Storjohann, wir kommen aus dem schönen Schleswig-Holstein. Meine Damen und Herren, grundsätzlich begrüße ich Auch da ist es mit dem Breitbandausbau ähnlich traurig – um auf das andere Thema, das Thema Verkehr, zu bestellt wie in vielen Kreisen in Bayern. Sie haben auf sprechen zu kommen –, dass wir im Bundesverkehrswe- (B) Rot-Grün verwiesen. Ich sage: Das waren noch gute Zei- geplan die Planung netzorientiert vornehmen. Wir wer- (D) ten. Es ist aber schon eine Weile her. Sie regieren nun den also Lücken in unserem Verkehrsnetz schließen. Es schon seit acht Jahren. geht auch darum, mit Mobilität unserem Land die Zu- kunft zu erhalten. Dabei handelt es sich einmal um die (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- digitale Mobilität und zum Zweiten um die Infrastruktur. NEN]: Fast neun!) Wir müssen in unserem Bundesverkehrswegeplan über Seit acht Jahren regiert die CDU/CSU, und in dem Be- das nationale Prioritätenkonzept definieren, welche Vor- reich ist nichts passiert. Jetzt kündigen Sie großartig haben bedeutsam sind. Das wird eine spannende Dis- wieder Dinge an – Breitbandausbau –, stellen dafür aber kussion, auch bei uns in den Ausschüssen. Es gibt unter- keinen Euro zur Verfügung. Was soll der Verweis auf schiedliche Interessen, die wir bündeln müssen. In diese rot-grüne Zeiten, wenn Sie heute nicht bereit sind, Geld Projekte werden zukünftig 80 Prozent der Mittel für den dafür auszugeben? Wie können Sie den Vorwurf entkräf- Neu- und Ausbau fließen. Welche Projekte werden das ten, dass dies alles Ankündigungspolitik und reiner Bu- sein? Das sind die Seehafenhinterlandanbindungen, der denzauber ist und Sie am Ende doch wieder nicht liefern Ausbau hochbelasteter Knoten, die Schließung wichti- werden, wie in den letzten acht Jahren? ger, überregional bedeutsamer Netzlücken sowie die Einbindung von Achsen, die schon in transeuropäischen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) völkerrechtlichen Verträgen festgelegt sind.

Gero Storjohann (CDU/CSU): Als Beispiel für die Notwendigkeit des Ausbaus von Seehafenhinterlandanbindungen kann ich nur den Ham- Ich bin Ihnen dankbar für diesen Hinweis, Herr von burger Hafen nennen, der eine wichtige Bedeutung für Notz. Ich sehe darin überhaupt kein Problem. Ich glaube, ganz Deutschland hat. Der Hamburger Hafen ist vom es wäre falsch, mit Geld den Infrastrukturausbau beför- Funktionieren des Nord-Ostsee-Kanals abhängig. Vom dern zu wollen. Das möchte ich Ihnen auch gerne be- Funktionieren des Nord-Ostsee-Kanals sind natürlich gründen. auch Warenströme nach Bayern und Baden-Württem- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- berg betroffen. Es geht also um ein Gesamtkonzept. Ich NEN]: Wie denn sonst? – Dr. Konstantin von bin froh, dass wir die Finanzierung der Maßnahmen bei Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne den Brunsbütteler Schleusen sichergestellt haben. Wei- Moos nix los, Herr Storjohann!) tere Maßnahmen sind erforderlich; – Lassen Sie es sich jetzt bitte erklären. Ich war gerade (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE bei meiner Erklärung. GRÜNEN]: Machen Sie das mal!) 858 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Gero Storjohann (A) ich setze mich dafür ein, dass wir das jetzt machen. Ich (Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE (C) freue mich, Herr von Notz, dass Sie uns da unterstützen. GRÜNEN]: Sie haben die Mittel gekürzt!) (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Wir wollen da was machen. Das ist touristisch hochinte- GRÜNEN]: Ja, volle Kanne!) ressant und fördert auch die Akzeptanz des Fahrrads im – Wunderbar! Alltag. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Die jährlichen Verkaufszahlen bei Fahrrädern steigen. NEN]: Nicht nur Spatenstiche, sondern auch Die Zukunft des Pedelecs ist positiv einzuschätzen. bauen! – Dr. Konstantin von Notz [BÜND- Nicht alle Fahrräder werden zukünftig Pedelecs sein; NIS 90/DIE GRÜNEN]: Virtuelle Spatensti- aber die Pedelecs fördern den Fahrradverkehr gerade in che!) den Regionen, in denen es nicht flach ist. Aber da der Wind dort, wo es flach ist, immer aus der falschen Rich- – Sie sind ja nur verärgert, dass Sie damals nicht dabei tung weht, sind Pedelecs eigentlich für ganz Deutsch- waren. Ich weiß, Sie wären gerne dabei gewesen. land interessant. (Beifall bei der CDU/CSU) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bringt unser nur in Schleswig-Holstein so!) Land voran und ist auch Grundlage für unseren Wohl- – In Schleswig-Holstein kommt der Wind immer von stand. Ich halte es für wichtig, dass wir uns im Koali- vorne. Ihr glaubt gar nicht, wie viele kleine Hügel wir tionsvertrag für ÖPP-Projekte starkmachen. Das ist eine haben, bei denen es auch anstrengend sein kann. Finanzierungsform, die es uns über die bisherige Haus- haltsfinanzierung hinaus und über größere Zeiträume (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der hinweg ermöglicht, Projekte auf den Weg zu bringen. CDU/CSU und der SPD – Michael Grosse- Dafür gibt es gute Beispiele. Brömer [CDU/CSU]: Ihr seid nicht so gut trai- niert! Das ist alles!) (Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja?) Meine Damen und Herren, ein weiteres Thema ist die Verkehrssicherheit. Darauf werden wir ebenfalls einen Ich bin hoffnungsvoll, dass wir darüber neue Projekte Schwerpunkt setzen. Wenn auch die Zahl der Verkehrs- anschieben können, zum Beispiel den Weiterbau der toten kontinuierlich zurückgegangen ist, bleibt es Auf- Küstenautobahn A 20, den Sie von den Grünen nicht gabe der Bundesregierung, hier weitere Fortschritte zu wollen. Wir sehen durchaus Möglichkeiten, hier ein gu- erzielen. Wir haben die Alkoholgrenze für Fahranfänger tes Konzept auf den Weg zu bringen. (B) auf 0 Promille gesetzt. (D) (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Träumereien!) (Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das müssen Sie für alle machen!) Was mich natürlich besonders interessiert, ist der Kli- maschutz, insbesondere die Förderung des Fahrrads als Wir haben den Führerschein mit 17 auf den Weg ge- umweltfreundliches Verkehrsmittel. bracht. Hier gibt es weiteren Gesprächsbedarf. Wir wol- len die Ausbildung der Fahranfänger verbessern, die (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Qualität der pädagogischen Ausbildung der Fahrlehrer SES 90/DIE GRÜNEN) erhöhen, das begleitete Fahren optimieren und in der Wir haben den Nationalen Radverkehrsplan auf den Weg Fahranfängerausbildung ein Mehrphasenmodell entwi- gebracht; er steht explizit im Koalitionsvertrag. Jetzt zu ckeln. behaupten, das Fahrrad sei im Koalitionsvertrag nicht (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) enthalten, finde ich nicht in Ordnung. Zum Abschluss komme ich zu einem Punkt, der nicht (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das im Koalitionsvertrag steht. Wir werden auch über die lässt sich Gero nicht sagen!) Promillegrenze bei Fahrradfahrern sprechen müssen. Im Bereich des Fahrradverkehrs werden wir viele Dinge 1,6 Promille erreichen wir ja nicht mal unter normalen auf den Weg bringen. Im Koalitionsvertrag steht explizit, Gegebenheiten. dass wir die gesetzliche Grundlage dafür schaffen wer- (Heiterkeit) den, an Bundeswasserstraßen mehr Fahrradwege zu bauen. Ich halte den Wert für zu hoch und werde mich gerne (Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE persönlich für eine Herabsetzung einsetzen. GRÜNEN]: Dann stellen Sie auch das Geld in Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit unserem den Haushalt ein!) neuen Verkehrsminister. Wir sind hochmotiviert, uns – Sie haben unter Rot-Grün einmal 10 Millionen Euro auch in den Bereichen Fahrrad, Verkehrssicherheit und zur Verfügung gestellt und es nicht geschafft, dieses Infrastrukturausbau zu engagieren. Auf, an die Arbeit! Geld auszugeben. Deswegen ist der Haushaltsansatz in- Vielen Dank. zwischen auf 3 Millionen Euro gefallen. Wir haben nur 300 000 bis 600 000 Euro ausgeben können. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 859

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: erfüllt werden: Erstens. Alle Akteure müssen zusam- (C) Das Wort hat der Kollege Martin Dörmann für die menwirken: Unternehmen, Regulierungsbehörde, Bund, SPD-Fraktion. Länder und Kommunen, aber auch die EU. Zweitens. Die Investitionsbedingungen für die Unternehmen müs- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sen weiter optimiert und Wirtschaftlichkeitslücken kon- der CDU/CSU) sequent abgebaut werden.

Martin Dörmann (SPD): Die SPD-Bundestagsfraktion hat übrigens in der ver- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gangenen Legislaturperiode in einem einzigartigen Dia- Schnelles Internet in ganz Deutschland zu verwirkli- logprojekt mit Experten ein Breitbandkonzept erarbeitet, chen, ist ein zentrales Anliegen der Koalition. Wir wol- das hierzu Lösungsvorschläge anbietet. Ich freue mich len allen Menschen und Regionen die Teilhabe an den sehr, dass viele der von uns formulierten Punkte in den kommunikativen und wirtschaftlichen Chancen unserer Koalitionsvertrag eingeflossen sind. Informationsgesellschaft ermöglichen. Eine digitale (Beifall bei der SPD) Spaltung unseres Landes dürfen wir nicht zulassen. Ge- nau die droht aber. Dazu gehören insbesondere eine investitionsfreundliche Regulierung und der Abbau von Wirtschaftlichkeitslü- In größeren Städten erleben wir eine dynamische Ent- cken. wicklung von Breitbandangeboten, angetrieben durch den Infrastrukturwettbewerb. Kabelunternehmen, die Hierbei sind zwei Punkte von entscheidender Bedeu- früher nur TV-Angebote unterbreitet haben, vermarkten tung. Zum einen müssen beim Breitbandausbau zusätzli- heute mit modernster Technik Internetgeschwindigkei- che Synergiepotenziale erschlossen werden, beispielsweise ten von 100 Megabit und mehr pro Sekunde. dadurch, dass TK-Unternehmen bereits vorhandene Netze in anderen Infrastrukturbereichen nutzen, zum (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beispiel Straßen, Schienen und Energieleitungen. Zum Und im ländlichen Raum?) anderen – das ist richtig – brauchen wir verbesserte För- Die Telekommunikationsunternehmen sind gezwungen, dermöglichkeiten. nachzuziehen, um konkurrenzfähig zu bleiben. So baut (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- die Deutsche Telekom beispielsweise ihre VDSL-Lei- NEN]: Ja!) tung mit moderner VDSL-Technik aus, um hohe Band- breiten zu realisieren. Ohne zusätzliche Mittel werden die angestrebten Aus- bauziele in der Tat kaum zu realisieren sein. Von daher (B) (Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das ist doch wäre es wünschenswert gewesen, wenn wir die 1 Mil- (D) inzwischen alte Technik!) liarde Euro, über die wir in den Koalitionsverhandlun- Ergebnis des beschriebenen Infrastrukturwettbewerbs gen diskutiert haben, schon jetzt in den Bundeshaushalt wird sein, dass bald zwei Drittel der deutschen Haus- hätten aufnehmen können. halte mit Bandbreiten von mindestens 50 Megabit pro (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sekunde versorgt sein werden. NEN]: Und? Wo sind sie?) (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir müssen anerkennen, dass nur ein begrenztes Budget NEN]: Und die anderen?) zur Verfügung stand. Das Geld wurde für andere sehr Rund ein Drittel der Haushalte profitiert von dieser wichtige Projekte eingesetzt, die jetzt in der Realisierung Entwicklung nicht oder nur sehr verzögert. In vielen sind. ländlichen Regionen lohnt sich eine Investition in den Wir sind aber mit unseren Überlegungen keineswegs Breitbandausbau für die Unternehmen derzeit nicht, am Ende. Die Koalition hat sich im Koalitionsvertrag (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: auf ein neues Sonderfinanzierungsprogramm „Premium- Ja, genau das ist das Problem!) förderung Netzausbau“ bei der KfW-Bankengruppe ver- ständigt, um bestehende Programme zu ergänzen. weil die Kosten pro Haushalt dort besonders hoch sind Außerdem wollen wir einen Breitbandbürgerfonds ein- – das TÜV-Gutachten ist bereits erwähnt worden –: Es richten, um zusätzliche Gelder für den Breitbandausbau können 800 Euro pro Anschluss sein; bei 5 Prozent die- zu organisieren. Zudem ist es durchaus wahrscheinlich, ser Haushalte sind es sogar mehrere 1 000. Diese Wirt- dass der Bund im Laufe dieser Legislaturperiode Ein- schaftlichkeitslücke ist somit das zentrale Ausbauhinder- nahmen aus Frequenzversteigerungen realisieren kann, nis, wenn es um eine flächendeckende Versorgung mit die für den Breitbandausbau nutzbar gemacht werden schnellem Internet geht. sollten. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD in (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bezug auf den flächendeckenden Breitbandausbau ein NEN]: Wie das letzte Mal!) äußerst ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bis 2018 wollen wir er- reichen, dass jedem Haushalt Internetgeschwindigkeiten Hinzu kommt, dass nach der Umstellung der terrestrischen von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung Rundfunkversorgung auf den neuen Standard DVB-T2 stehen. Ja, das ist eine echte Herkulesaufgabe, und sie zusätzliche Frequenzen zur Verfügung stehen, die wir kann nur gemeistert werden, wenn zwei Bedingungen ebenfalls für einen zügigen Ausbau von Breitbandangebo- 860 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Martin Dörmann (A) ten mit dem neuen Funkstandard LTE Advanced, der hohe beitsplätzen, müssen wir weiter die Voraussetzungen (C) Bandbreiten ermöglicht, nutzen wollen. dafür schaffen, dass gebaut werden kann, was gebaut werden muss. Den Kolleginnen und Kollegen der Grü- Sie sehen, die Koalition hat sich ehrgeizige Ziele vor- nen sage ich: Eine Verweigerungshaltung beim Straßen-, genommen. Sie will die flächendeckende Versorgung Schienen- und Wasserwegeausbau, die wir hier oft ver- mit Hochleistungsnetzen, um zusätzliche Wachstumsim- nommen haben, kann sich unser Land schon lange nicht pulse zu setzen. Dabei sind wir uns sehr wohl bewusst, mehr leisten. dass es außerordentlicher Anstrengungen bedarf, und zwar aller Beteiligten, um diese Ziele tatsächlich realisie- (Beifall bei der CDU/CSU – Tabea Rößner ren zu können. Deshalb hat Bundesminister Alexander [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind doch Dobrindt unsere volle Unterstützung bei diesen ehrgeizi- alte Grabenkämpfe! – Stephan Kühn [Dres- gen Vorhaben. Herr Minister, wir sollten alle Beteiligten den] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist motivieren, diese Ziele gemeinsam mit uns zu verfolgen; doch albern!) denn wir alle sollten das Ziel haben, Deutschland zum Internetland Nummer eins in Europa zu machen. Erforderlich ist vor allem Transparenz in Form eines Verkehrsinfrastrukturberichtes alle zwei Jahre. Erforder- Vielen Dank. lich ist darüber hinaus die unvoreingenommene Prüfung, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) wie weit im Einzelfall die Zusammenarbeit von öffentli- chen und privaten Geldgebern als zusätzliche Beschaf- fungsvariante genutzt werden kann. In der Diskussion Vizepräsidentin Petra Pau: um öffentlich-private Partnerschaften kann ich uns nur Das Wort hat der Kollege Reinhold Sendker für die raten, Fakten sprechen zu lassen, sprich: Wirtschaftlich- CDU/CSU-Fraktion. keit, Transparenz, Qualität der Bauausführung, verbun- (Beifall bei der CDU/CSU) den mit einem hochwertigen Betriebsdienst, einem schnelleren Ausbau und dergleichen mehr. Diese Ver- Reinhold Sendker (CDU/CSU): gleichsfaktoren gilt es sorgsam zu prüfen. Danach muss entschieden werden und nicht nach ideologischen Be- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! denken. In der vergangenen Legislaturperiode ist es uns trotz not- wendiger Haushaltskonsolidierungen gelungen, für die (Beifall bei der CDU/CSU) Verkehrsinfrastruktur weitere Investitionsmittel einzu- werben, nicht zuletzt durch die bekannten Investitions- Als jemand, der viele Jahre im Landes- und Kommu- beschleunigungsprogramme der beiden letzten Jahre. Ja, nalparlament mitwirken konnte, bin ich hocherfreut da- (B) wir sind vorangekommen. Diesen erfolgreichen Weg rüber, dass dieser Koalitionsvertrag einige kommunal- (D) wird die Koalition in den nächsten Jahren fortsetzen: freundliche Ansätze hat, darunter die Vereinbarungen zur Gemeindeverkehrsfinanzierung, zu den Regionali- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sierungsmitteln und zu den NE-Bahnen, also dem nicht neten der SPD) bundeseigenen Schienengüterverkehrsnetz. Dass der mit zusätzlichen 5 Milliarden Euro plus weiteren Mitteln Bund im Zusammenhang mit der Ausbauhilfegesetzge- aus der Nutzerfinanzierung, mit der Absicht, nicht ver- bung trotz Föderalismusreform bis ins Jahr 2019 weiter- brauchte Investitionsmittel überjährig und ungekürzt zur hin 1,33 Milliarden Euro per annum für die Gemeinde- Verfügung zu stellen, mit der Absicht, stabile Finanzie- verkehrsfinanzierung bereitstellt, war Beschlussfassung rungskreisläufe zu statuieren, mit mehr Bürgerbeteili- der bisherigen Regierung und – lassen Sie mich das an gung, vor allen Dingen mit Blick auf den Bundesver- dieser Stelle noch einmal betonen – fürwahr eine heraus- kehrswegeplan, und schließlich mit dem neuerlichen ragende Leistung. Bekenntnis „Erhalt vor Neubau“ angesichts gewaltiger (Beifall bei der CDU/CSU) Erhaltungs- und Sanierungsaufgaben, zum Beispiel bei den Brückenbauwerken. Das sind ganz hervorragende Da unsere Kommunen mit Recht Verlässlichkeit und Aufschläge im gemeinsamen Koalitionsvertrag von Planungssicherheit bei der Gemeindeverkehrsfinanzie- Union und SPD. Die Eckpfeiler wurden richtig gesetzt rung einfordern, ist auch die Zielsetzung erfreulich, eine für eine erfolgreiche Verkehrspolitik unserer Regierung Anschlussfinanzierung für die Entflechtungsmittel im in den nächsten Jahren. Rahmen des GVFG für die Zeit nach 2019 zu erreichen. Machen wir uns nichts vor: Viele Städte und Gemeinden (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- hätten schon jetzt ohne die Hilfe des Bundes eine zusätz- neten der SPD) liche Finanzierungsaufgabe bei schwieriger Kassenlage. Für den Aus- und Neubau bleiben allerdings – das ist Deshalb sind unsere Vorschläge, die Vorschläge der Ko- schon gesagt worden – wenig Spielräume übrig. Die alition, gut für unsere Kommunen. Noch deutlicher: Das Spielräume bleiben eng. Folglich werden wir uns ge- ist kommunalfreundliche Politik. meinsam mit unserem Minister für einen weiteren Auf- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- wuchs der Investitionsmittel einsetzen. Schließlich hat neten der SPD) unser Land eine zentrale Bedeutung für die europäischen Verkehre, ist Wachstumslokomotive im Herzen Europas. In diesem Jahr, in 2014, steht die Revision der Regio- Im Interesse der Sicherheit der Menschen und der Pros- nalisierungsmittel an. Auch beim Schienenpersonennah- perität unserer Volkswirtschaft, der Sicherung von Ar- verkehr ist es gut und richtig, die Finanzierung im Sinne Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 861

Reinhold Sendker (A) der Bedürfnisse der Menschen und im Sinne guter wollen Sie das Investitionsverhalten in der Zukunft steu- (C) Standortpolitik zu sichern. ern, sodass es gelingt, mehr Güter auf die Schiene zu be- kommen und im Fernverkehr mehr Personen? (Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hätte man das auch in den Koalitionsvertrag schreiben können!) Reinhold Sendker (CDU/CSU): Das ist eine berechtigte Frage, Herr Kollege Gastel. In der zurückliegenden Wahlperiode hatten wir, wenn Wir werden daran arbeiten. Wir haben schon in der Ver- ich daran noch erinnern darf, für das Haushaltsjahr 2013 gangenheit über dieses Thema diskutiert, also über eine erstmals Fördermittel für die NE-Bahnen eingestellt, stärkere Verlagerung der Verkehre auf die Schiene. Da also eine über die Netze der Bahn AG hinausgehende In- haben wir noch einiges zu erledigen. Ich darf Ihnen mit vestitionsförderung für die Güterverkehrsstrecken, die den Worten der Bundeskanzlerin antworten: Bitte haben von Kommunen und Privaten betrieben werden. Diese Sie Geduld. Da werden wir liefern. Wenn Sie uns das Förderung ist absolut zielführend; denn wenn sich die nicht zutrauen, dann darf ich Ihnen sagen: Die Bürgerin- Betreiber der NE-Bahnen diese nicht mehr leisten kön- nen und Bürger, jedenfalls die Wählerinnen und Wähler nen, haben wir am Ende womöglich noch mehr Schwer- trauen es uns zu. Sie haben die CDU/CSU-Bundestags- lastverkehr auf unseren Straßen. Deshalb ist die Absicht, fraktion mit 42 Prozent der Stimmen ausgestattet. Wir die Förderung der NE-Bahnen fortzusetzen, in ihrer sind auf einem guten Weg. Vertrauen Sie uns. Auswirkung kommunal- wie umweltfreundlich und da- mit absolut richtig. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Ich darf fortfahren, Frau Präsidentin. – Wir wollen neten der SPD) vor allen Dingen Zukunftsoptionen weiter voranbringen: von der Elektromobilität über noch mehr Verkehrs- Insgesamt gesehen werden wir also in dieser Legisla- sicherheit bis hin zu einer hervorragenden digitalen turperiode über mehr Geld für die Verkehrsinfrastruktur Infrastruktur. Wir werden der Gesamtverantwortung für verfügen können. Wir wollen die gegebenen Finanzie- unser Land mit einer modernen und zukunftsfähigen rungsstrukturen weiter optimieren und ÖPP als zusätzli- Verkehrspolitik gerecht. Lassen Sie uns gemeinsam che Beschaffungsvariante prüfen. Wir wollen noch mehr sachlich und ohne ideologische Verrenkungen an dieser Transparenz und Bürgerbeteiligung erreichen. Wir erbli- hervorragenden Aufgabe und Zielsetzung gemeinsam cken im Koalitionsvertrag ausgesprochen kommunal- weiterarbeiten. freundliche Ansätze. Wir wollen mehr Lärmschutz und eine bessere Verzahnung unserer Verkehrsträger herstel- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. len. (B) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (D)

Vizepräsidentin Petra Pau: Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Sendker. Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Birgit Kömpel. Reinhold Sendker (CDU/CSU): (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Petra Pau: Birgit Kömpel (SPD): Sie müssen noch nicht zum Ende kommen. Vielmehr Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und haben Sie die einmalige Chance, weiterzureden, wenn Kollegen! Liebe Gäste auf der Besuchertribüne! Bei al- Sie dem Kollegen Gastel die Möglichkeit geben, eine ler Brisanz und der großen Bedeutung der digitalen In- Bemerkung zu machen oder eine Frage zu stellen. frastruktur sollten wir nicht vergessen, dass zu Mobilität und Infrastruktur auch das Thema Verkehrssicherheit ge- Reinhold Sendker (CDU/CSU): hört. Herr Kollege Storjohann hat es vorhin ganz kurz Bitte schön. Gerne. erwähnt. Ich möchte dazu weiter ausführen. Wir hatten im Jahr 2013 die niedrigste Anzahl von Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verkehrstoten seit der Einführung der amtlichen Unfall- Vielen Dank, Herr Kollege, dass ich die Gelegenheit statistik zu verzeichnen. Diese positive Entwicklung habe, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. – Sie haben wäre ohne die wertvolle Arbeit der Verkehrssicherheits- in Ihrem Beitrag unter anderem gesagt, wir Grüne wür- verbände und der vielen Ehrenamtlichen nicht denkbar. den uns bei Investitionen verweigern. Sie haben von An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön dafür. Ideologie gesprochen. Sie haben davon gesprochen, dass mehr investiert werden muss. Jetzt möchte ich auf das (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Thema Schiene zu sprechen kommen. Hier wurde viel So erfreulich diese Zahl auch ist, so gibt sie uns den- investiert und soll weiterhin viel investiert werden. Wie noch Anlass, etwas genauer hinzuschauen. Wir dürfen erklären Sie sich, dass im Personenfernverkehr, aber nicht vergessen, dass diese Zahl auch ein wenig dem auch im Güterverkehr der Anteil der Schiene am Ver- schlechten Wetter in den Monaten April und Mai des kehrsaufkommen trotz dieser milliardenschweren Inves- letzten Jahres geschuldet ist. Sie fragen sich jetzt viel- titionen in den letzten Jahren nicht gestiegen ist? Wie leicht: Was hat das Wetter damit zu tun? Ganz einfach: 862 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Birgit Kömpel (A) Bei Regen und Kälte, wie es eben leider in den beiden über 65 und Kinder im Grundschulalter verunglücken als (C) Monaten – Entschuldigung, das ist meine erste Rede; ich Fußgänger dreimal so oft wie 35- bis 44-Jährige. bin sehr nervös – (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall) NEN]: Aber am meisten rasen die Eltern vor den Kitas, mit den dicksten Autos!) Mai und Juni des letzten Jahres der Fall war, lassen zum Beispiel die Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer Auf schwächeren Verkehrsteilnehmern, zu denen ältere ihre Maschinen in der Garage stehen. Wir können aber Menschen und Kinder gehören, aber auch auf ungeschütz- nicht auf schlechtes Wetter in diesem Frühjahr hoffen, ten Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern, Fahrradfahrern damit sich die Zahl der Verkehrstoten im Straßenverkehr und Motorradfahrern muss in der Verkehrssicherheit un- verringert. Ich denke, das will hier niemand. ser besonderes Augenmerk liegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) GRÜNEN) Hier helfen jedoch nicht immer strengere Verkehrs- Apropos Wetter: Gerade im Winter geschehen immer regeln, sondern hier muss in unserer Gesellschaft für wieder Unfälle an unseren Bahnhöfen, weil der Streu- Einsicht, Rücksicht und Verantwortungsbewusstsein ge- pflicht nicht rechtzeitig nachgekommen wurde oder worben werden. nachgekommen werden konnte. Sehr geehrter Herr Minister Dobrindt, im Zusammenhang mit dem Vorha- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie ben, die Bahn strenger zu kontrollieren, möchte ich Sie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE herzlich bitten, auch ein wachsames Auge auf die Ver- GRÜNEN) kehrssicherheit an unseren Bahnhöfen zu haben. Wichtige Grundsteine dafür werden vor allem in der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Verkehrserziehung an den Grundschulen und in den Kin- der CDU/CSU und der LINKEN) dertagesstätten gelegt. Diese Maßnahmen müssen wei- terhin unterstützt werden, um das Verständnis für und Ganz sicher ist die Technik – das ist ein Segen – heute die Akzeptanz von Verkehrsregeln bereits in jungen Jah- so weit fortgeschritten, dass besonders im Straßenver- ren zu fördern – frei nach dem Motto: Was Hänschen kehr niemand mehr so schnell an den Folgen eines Un- nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. falls sterben muss. Das gilt ganz besonders für die Insas- sen eines Pkw. Doch dieser Fortschritt birgt auch eine Kommen wir jetzt zu einem heiklen Thema, zur ver- (B) Gefahr. Viele Autofahrerinnen und Autofahrer verlassen kehrsmedizinischen Beratung für unsere lieben Senio- (D) sich auf Airbag, ABS, Bremsassistent und deutlich ver- ren. Keine Angst! Im Koalitionsvertrag steht, dass die besserte Kindersitze. Wer nach dem Motto „Es geht noch Anzahl der – ich glaube, das ist das Zauberwort – frei- ein bisschen schneller, mein Auto ist sicher“ ins Fahr- willigen Gesundheitschecks erhöht wird. Auch wenn un- zeug steigt, der oder die hat verkannt, dass die Gefahr sere Senioren über mehr Erfahrung und Fahrpraxis ver- stets vorhanden ist. fügen als die jungen Verkehrsteilnehmer, so ist die Zahl der Unfälle, die durch ältere Bürgerinnen und Bürger Die neuen Sicherheitssysteme können Autofahrerin- verursacht werden, noch immer hoch. Wir müssen die nen und Autofahrer tatsächlich dazu verleiten, schneller Hausärzte dazu auffordern, die gegebenenfalls notwen- und mit mehr Risiko zu fahren. Wer frontal mit einem digen Fortbildungen zu absolvieren; sie sollen in einer anderen Fahrzeug zusammenprallt oder gegen einen ständig älter werdenden Gesellschaft als Ansprechpart- Baum fährt, mag heute vielleicht nicht mehr so schnell ner für unsere Senioren hinsichtlich der Fahrkompetenz sterben wie noch vor einigen Jahren. Es ist aber nun agieren – ich betone: agieren, nicht reagieren; denn dann nicht so, dass er oder sie sich nach dem Aussteigen zwei- ist es meist schon zu spät. mal schüttelt und sich dann entspannt das zerstörte Fahr- zeug betrachten kann. Das mag in der Formel 1 manch- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mal so sein, aber im normalen Straßenverkehr ist dem der CDU/CSU) nicht so. Schwerverletzte Autofahrerinnen und Autofah- Ich komme zum Schluss. Wir alle kennen jemanden, rer mit bleibenden körperlichen Schäden gibt es bis der einen Freund oder eine Freundin oder einen Angehö- heute genug. Es besteht also gar kein Grund, sich zu- rigen durch einen Verkehrsunfall verloren hat; vielleicht rückzulehnen und das Thema Verkehrssicherheit auf die sind wir sogar selbst betroffen. Wir wissen, welch uner- lange Bank zu schieben. messliches Leid dann über die Angehörigen herein- Wir befinden uns nicht zu Unrecht in der Dekade der bricht. Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir Verkehrssicherheit, die von den Vereinten Nationen aus- hier im Parlament alles dafür tun, dass die Zahl der Men- gerufen worden ist. Es sind hervorragende Projekte wie schen, die um einen Angehörigen trauern müssen, weiter „Begleitetes Fahren mit 17“ oder das absolute Alkohol- sinkt. verbot für Autofahrer bis zum Alter von 21 Jahren auf Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. den Weg gebracht und umgesetzt worden. Aber auch dem zunehmenden Anteil älterer Menschen an der Ge- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie samtbevölkerung muss die Verkehrssicherheitsarbeit mit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE neuen Maßnahmen Rechnung tragen. Ältere Menschen GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 863

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: in seinem Wahlkreis möglicherweise schwerfallen – un- (C) Kollegin Kömpel, das war Ihre erste Rede hier im terstützt werden sollte. Das erfordert Mäßigung, aber Deutschen Bundestag. Ich gratuliere Ihnen dazu und auch die Sorge dafür, dass diese Mittel so eingesetzt wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses viel Er- werden, dass sie optimale Wirkung entfalten. folg für Ihre weitere Tätigkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie (Beifall) der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Das Wort hat der Kollege Arnold Vaatz für die CDU/ CSU-Fraktion. Zum Thema Finanzierung. Der Akzent „Erhalt vor Neubau“ bedeutet nicht, dass es keinen Neubau geben (Beifall bei der CDU/CSU) soll. Selbstverständlich brauchen wir auch weiterhin Neubauvorhaben, um unsere Infrastruktur weiterzuent- Arnold Vaatz (CDU/CSU): wickeln. Nur muss das natürlich maßvoll und nach trans- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und parenten Prinzipien geschehen. Das bedeutet wiederum, Herren! Als letztem Redner kommt mir die Aufgabe zu, dass wir alle gemeinsam eine große Aufgabe zu schul- ein paar zusammenfassende Bemerkungen aus Sicht un- tern haben, wenn es um den gegenseitigen Interessen- serer Fraktion zu machen. Die erste dieser Bemerkungen ausgleich bei der Aufstellung unseres Bundesverkehrs- ist folgende: Die digitale Infrastruktur zu einem zentra- wegeplanes 2015 geht. Dessen Qualität wird sich danach len Aufgabengebiet aufzuwerten, das sich im Namen des bemessen, inwieweit die Realisierbarkeit im Vorder- Ministeriums widerspiegelt und dort auch strukturelle grund stehen wird und nicht das Wünsch-dir-was. Das Folgen haben wird, halte ich für eine der wichtigsten erfordert meines Erachtens große Disziplin, Kollegialität strategischen Entscheidungen der Großen Koalition. und Transparenz. Auch in diesem Punkt werden wir un- seren Minister unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Denn diese Aufgabe gehört dort angesiedelt, wo die Ver- antwortung für Mobilität wahrzunehmen ist. Zur Mobili- Meine Damen und Herren, Verkehrspolitik darf auch tät von Menschen gehört die Mobilität von Daten und In- in Zukunft nicht allein ein innenpolitisches Thema sein. formationen, heute mehr denn je und morgen mehr als Der Eiserne Vorhang ist ein für alle Mal weg. Die heute. Der Grund ist ganz einfach: Die Mobilität von Durchdringung des Raumes, der sich auf diese Weise Daten ist eine der vielversprechendsten und wichtigsten eröffnet hat, ist im Ansatz noch längst nicht weit genug Komponenten, auf die wir vertrauen können, wenn wir entwickelt. Deshalb hat die Europäische Union auch mit (B) daran arbeiten, die Attraktivität des ländlichen Raumes dem Vorstoß zu den transeuropäischen Verkehrsnetzen (D) zu heben. Wir wissen, dass die Landwirtschaft dort – Grünbuch, Weißbuch, Netzkonzept – reagiert. Auch längst nicht mehr das prägende Element ist. Wenn wir diese Aufgabe müssen wir schultern. Das ist eine lang- diese Aufgabe geschickt angehen, wird es uns gelingen, fristige Aufgabe, die wir nicht heute und nicht morgen auf diese Weise auch im ländlichen Raum wieder Er- schaffen. Aber wir müssen dranbleiben, wenn wir ein werbsmöglichkeiten und Arbeitsplätze zu schaffen. Das solches Verkehrsnetz jemals realisieren wollen. Das ist ist eine große Chance, die wir damit wahrnehmen. Bei eine der zentralen Aufgaben bei der Weiterentwicklung aller Kritik: Dass das Konzept hierfür am Anfang der der Zusammengehörigkeit der Gesellschaften in Europa. Regierungstätigkeit noch nicht fertig sein kann, dass am Das halte ich für eine ganz wichtige Aufgabe. Demzu- ersten Tag noch keine Resultate geliefert werden kön- folge dürfen wir das nicht aus den Augen verlieren. nen, sondern dass mit diesem Aufgabengebiet ein Ar- beitsauftrag umrissen ist, das sollten vernünftige Men- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- schen begreifen und für selbstverständlich halten. neten der SPD) Unterstützen wir unseren Minister darin, dass er zu ei- Im Übrigen ist hier bis jetzt sehr wenig zum Thema nem guten Ergebnis kommt. Schifffahrt gesagt worden. Auch dazu will ich, auch (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) wenn ich es mir eigentlich nicht vorgenommen hatte, et- was sagen. Außerordentlich wichtig sind die Hafenhin- Über dieser zusätzlichen Aufgabe darf selbstverständ- terlandanbindungen, aber auch – das dürfen wir nicht lich das Brot- und Buttergeschäft der Verkehrspolitik vergessen – der Binnenschiffsverkehr. nicht in den Hintergrund geraten – und das wird es auch nicht. Wir wissen, dass die gut ausgebaute Infrastruktur (Sören Bartol [SPD]: Sehr richtig, Herr Kol- in Deutschland eine der zentralen Erfolgsgarantien für lege!) die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ist. Das Dies dürfen wir auch aus ökologischen Gründen nicht wird sie auch bleiben. Dabei muss uns allerdings klar außer Acht lassen. Wir müssen auch in diesem Bereich sein, dass wir einen weiteren Werteverzehr bei unserer den Ausbau fortführen, müssen die Aufgaben identifi- Infrastruktur nicht zulassen können. zieren, die sich wiederum nach dem Jahrhunderthoch- (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wasser ergeben haben, und müssen zügig dafür sorgen, NEN]: Jawohl, das trifft zu!) dass wir an dieser Stelle nicht ins Hintertreffen geraten. Auch das muss sein. Das bedeutet, dass der Akzent „Erhalt vor Neubau“ rich- tig ist und von allen – das wird dem Einzelnen von uns (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) 864 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Arnold Vaatz (A) Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt, wie (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Sie haben hinter (C) Sie sehen, jede Menge Aufgaben. Packen wir es an. Wir meinem Rücken den Vorsitz ausgetauscht! – wissen alle – das sage ich hier ausdrücklich –, dass wir Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD so- im Infrastrukturbereich unterfinanziert sind. Aber es wie bei Abgeordneten der LINKEN und des nützt nichts – das sage ich insbesondere an die Adresse BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der Grünen –, über Jahre durch immer neue Umweltstan- dards alle Großprojekte entweder zu verhindern oder zu – Ja, es ist nicht völlig unüblich, dass ein Wechsel im verteuern und hinterher zu schimpfen, dass wir nicht ge- Präsidium während laufender Plenarsitzungen erfolgt. nug Geld haben. Das ist nicht der richtige Weg. Dass das aber selbst stellvertretenden Fraktionsvorsit- zenden ohne Vorwarnung passiert, ist schon eine arge (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Zumutung; das räume ich ausdrücklich ein. neten der SPD – Dr. Valerie Wilms [BÜND- (Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Primitiv!) Weitere Wortmeldungen zu diesem Geschäftsbereich Meine Damen und Herren, wir müssen nach Finanzie- liegen nicht vor, sodass wir jetzt zu den Bereichen Um- rungsmöglichkeiten suchen, die tatsächlich tragfähig welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit kom- sind. Deshalb haben wir an zwei Punkten wirklich einen men. vernünftigen Umdenkungsprozess vollzogen – ich komme zum Ende, Frau Präsidentin –: Wenn die dazu vereinbarte Redezeit von 60 Minuten eingehalten wird, droht das gleiche Risiko wie eben bei (Heiterkeit im ganze Hause) den Rednern in dieser folgenden Debatte nicht. Erstens. Wir haben 5 Milliarden Euro zusätzlich für Wir beginnen mit der Bundesministerin für Umwelt, die Infrastruktur bereitgestellt, die nicht unter Finanzie- Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Frau Dr. Barbara rungsvorbehalt stehen. Das ist eine große Leistung der Hendricks, die hiermit das Wort erhält, sobald sich die Koalition. Plenarbesetzung wieder etwas neu sortiert hat. Zweitens. Wir werden weiter auf dem Weg zur Nut- zerfinanzierung anstatt der Steuerfinanzierung gehen. Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Um- Auch das ist ein wichtiger Weg. welt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Außerdem werden wir darauf achten, dass die Infra- Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- strukturhaushalte in Zukunft aufhören, der ständige gen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Steinbruch für alle Einsparungen im Bundeshaushalt zu Agenda der Bundesregierung in der Umwelt- und Bau- (B) sein. politik ist lang. Sie ist aber nicht nur lang, sondern auch (D) vielfältig und ambitioniert, und sie steht unter einer Überschrift, nämlich: Alle unsere Lebensgrundlagen Präsident Dr. : sind auf Nachhaltigkeit angewiesen. – Damit haben wir Herr Kollege. beim Strom begonnen, das müssen wir bei der Wärme sowie beim Natur- und Flächenverbrauch fortsetzen, und Arnold Vaatz (CDU/CSU): darum muss es mehr noch als bisher schon auch beim Ich denke, dass uns das gemeinsam gelingen wird. Planen und Bauen gehen. Ich bedanke mich ganz herzlich, Frau Präsidentin, Es ist richtig, Umweltschutz, Stadtentwicklung und Bauen in einem Haus zusammenzuführen, (Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dass ich zu Ende reden durfte, und wünsche Ihnen allen der CDU/CSU) ein schönes Wochenende. weil zum Beispiel 40 Prozent der deutschen Treibhaus- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) gasemission aus dem Gebäudebereich kommen, weil 80 Prozent der Energie und Ressourcen in Städten ver- braucht werden und vor allem, weil Nachhaltigkeit eine Präsident Dr. Norbert Lammert: ökologische, eine ökonomische und eine soziale Dimen- Die Liberalität dieses Parlaments unter besonderer sion hat. Berücksichtigung des jeweils amtierenden Präsidiums ist schwerlich zu überbieten. Wir alle sehen, wie groß die Widerstände gegen eine Politik der Nachhaltigkeit gerade auch auf der internatio- (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD) nalen Bühne sind. Ich kann Ihnen versichern: Diese Das nehmen wir mit besonderer Rührung zu Protokoll. Bundesregierung wird Kurs halten. Im Übrigen hoffe ich doch sehr, dass Sie nicht am (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ende sind, Herr Kollege Vaatz. Es wird nicht einfach sein, am Ende des nächsten Jah- (Heiterkeit im ganzen Hause) res auf der UN-Konferenz in Paris ein globales, rechtlich bindendes und vor allem substanzielles Klimaschutzab- Leider muss dennoch jede Rede irgendwann einmal an kommen zu erreichen. Wir werden aber – alle Ressorts ein gesetztes Ende kommen. zusammen – jeden diplomatischen Hebel in Bewegung Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 865

Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks (A) setzen, und ich werde mich natürlich auch persönlich der auf Basis dieser dann bestimmten Kriterien auf die Su- (C) UN-Klimaverhandlungen annehmen. che gehen kann. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Stichwort „Sommer“ – das ist jetzt eine ganz gewagte Überleitung –: So muss es natürlich auch in Europa sein, weil wir das Ziel, bis zum Jahr 2030 um mindestens 40 Prozent zu re- (Heiterkeit der Abg. Ute Vogt [SPD]) duzieren, brauchen, und weil wir eine Reform des Emis- Im Sommer dieses Jahres wird das neue Bundesamt sionshandels wollen, die ihren Namen verdient und auf seine Arbeit aufnehmen, und im Sommer des vergange- marktwirtschaftliche Weise die Verstromung von Kohle nen Jahres standen weite Teile unseres Landes nach ei- zurückdrängt; denn nur so wird der Emissionshandel nem verheerenden Hochwasser still. Das ist natürlich endlich zu dem Innovationstreiber werden, der er sein nicht vergessen, gerade in den betroffenen Gebieten kann. nicht, aber auch darüber hinaus nicht. Auch in Deutschland müssen wir mehr tun, indem wir Gemeinsam mit den Ländern arbeiten wir an einem nämlich die Verlässlichkeit für das Langfristprojekt Kli- nationalen Hochwasserschutzprogramm. Wir brauchen maschutz schaffen und für Investitionen und Planungssi- – das wissen wir alle – mehr Raum für die Flüsse, ge- cherheit sorgen. Ein Langfristziel ist für uns das Jahr nauso wie wir mehr Raum für die Natur überhaupt brau- 2050. Deshalb werden wir noch in diesem Jahr einen na- chen. Deswegen werden wir in dieser Legislaturperiode tionalen Klimaschutzplan mit klaren Zwischenzielen für unser Nationales Naturerbe erheblich ausweiten, und die nächsten Jahrzehnte vorlegen. zwar um mindestens 30 000 Hektar. Damit ist es aber nicht getan. Auch kurzfristig müssen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wir handeln. Ich möchte hier ankündigen, dass ich mich der CDU/CSU) um ein ressortübergreifendes Sofortprogramm für den Kommen wir zum Bauen. Nicht nur in Deutschland, Klimaschutz kümmern werde, und zwar umgehend. sondern weltweit sind es heute die Städte, die im Fokus (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Nachhaltigkeitsdiskussion stehen; denn dort, wo der CDU/CSU und der Abg. Sylvia Kotting- Menschen auf engem Raum zusammenleben, entschei- Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) det sich, ob Nachhaltigkeit wirklich gelingt. Ein Schwer- punkt dieser Legislaturperiode wird darin bestehen, die Nach allen Daten, die uns vorliegen, werden wir mit Städte zukunftsfähiger zu machen und sie in ihrer Ent- den bisher beschlossenen Maßnahmen unser nationales wicklung zu unterstützen, weil wir lebenswerte Städte Ziel bis 2020 nicht erreichen können. Mit den Maßnah- wollen, in denen auch in Zukunft Menschen aller Ein- men, die schon auf dem Weg sind, erreichen wir allen- (B) kommensgruppen, jeden Alters und jeder Herkunft, (D) falls ein Minderungsziel von 33 Prozent, aber nicht von deutscher oder anderer Herkunft, nicht nebeneinander, 40 Prozent. Bei einer schlechteren wirtschaftlichen Ent- sondern miteinander leben. wicklung würden wir ein Minderungsziel von 35 Pro- zent erreichen, aber es kann nicht unser Wunsch sein, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) das Ziel auf diese Weise zu erreichen. 6, 7 oder 8 Prozent Mietanstieg pro Jahr in manchen Also müssen wir weitere Anstrengungen unterneh- Ballungsräumen muss uns natürlich beunruhigen. Das ist eine ernste Bedrohung für ein sozial ausgewogenes Mit- men, um die Lücke, die sich auftut, bis zum Jahr 2020 zu einander. Ich danke dem Kollegen Justizminister, dass er schließen. Deswegen braucht es auch ein Sofortpro- unmittelbar dahin gehend tätig geworden ist, den gramm; denn bis 2020 ist es, wie wir wissen, nicht mehr Rechtsrahmen entsprechend anzupassen, so wie wir das lange hin. Das Ziel von 40 Prozent haben wir im Jahre in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen haben. 2007 gemeinsam definiert. Das werden wir auch ge- meinsam umsetzen wollen. So viel für heute zum Klima- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten schutz. der CDU/CSU) Es gibt natürlich vielfältige weitere Herausforderun- Um aber an die Wurzeln des Problems zu kommen, gen. Der Atomausstieg – das ist eine Selbstverständlich- werden wir den Wohnungsbau in Deutschland stärken, keit – ist für uns unumkehrbar. Nun geht es um eine pro- nicht zuletzt den sozialen Wohnungsbau, für den wir bis fessionelle Umsetzung und darum, bis zuletzt maximale zum Jahr 2019 weiterhin 518 Millionen Euro zur Verfü- Sicherheit zu gewährleisten. Es geht darum, ein geeigne- gung stellen. Ich werde darüber hinaus ein Bündnis für tes Endlager zu finden. Ich finde, das ist eine Aufgabe bezahlbares Bauen und Wohnen auf den Weg bringen: von wahrhaft nationaler Bedeutung. mit den Ländern, mit der Immobilienwirtschaft, mit Baufachleuten und mit den Sozialverbänden. Wir haben die Erkundung in Gorleben beendet und werden nun in einem transparenten Verfahren die Krite- Ich freue mich, dass wir uns in der Koalition darauf rien für eine ebenso transparente Standortentscheidung verständigt haben, die Städtebauförderung zu einem bestimmen. Dazu wird der Bundestag sehr bald die End- wirklich schlagkräftigen Gestaltungsmittel mit einem Volumen von 700 Millionen Euro jährlich zu machen. lagerkommission ins Leben rufen. Mein Ministerium Das ist ein deutlicher Aufwuchs im Verhältnis zu den wird dafür sorgen, dass das neue Bundesamt für kern- vergangenen Jahren. technische Entsorgung im Sommer seine Arbeit aufneh- men kann, damit es dann, wenn die Kriterien bis zum (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ende des Jahres 2015 gemeinschaftlich bestimmt sind, der CDU/CSU) 866 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks (A) Hierdurch können wir unter anderem das Programm Das zweite Beispiel: Das Land Nordrhein-Westfalen (C) „Soziale Stadt“ ausbauen, mit dem wir Städte und Ge- ordnet an, alle Hausanschlüsse von Abwasserleitungen meinden gezielt unterstützen, den demografischen, den auf Dichtheit zu prüfen. Das kostet zwischen 500 und sozialen und den ökonomischen Wandel zu gestalten. 3 000 Euro je Anschluss für den Gutachter. Es geht an- geblich um Trinkwasserschutz. Der ist wichtig. Aber der Wandel gestalten, Umweltschutz, wirtschaftlichen Er- Schadstoffeintrag durch undichte Hausanschlussleitun- folg und sozialen Frieden zusammenführen, Nachhaltig- gen ist ein Bruchteil dessen, was aus anderen Quellen keit ernst nehmen. Um es begrifflich zusammenzufüh- stammt. Zum Beispiel stammen 60 Prozent des Stick- ren: das gute Leben in Deutschland fördern. Darum wird stoffeintrages aus der Landwirtschaft. Wo sind da Ihre es in meinem Ressort in den kommenden Jahren gehen. Maßnahmen? Da ist nichts, gar nichts. Sie greifen immer Ich danke Ihnen. dort zu, wo Verbraucherinnen und Verbraucher bezahlen müssen. Wenn es die Industrie oder Ihre Lobbygruppen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) treffen würde, lassen Sie schön die Hände davon. Eine solche Politik werden wir bekämpfen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Damit solcher Irrsinn künftig unterbleibt, erwarte ich Nächster Redner ist der Kollege Ralph Lenkert für die – Sie haben die Chance, das zu ändern – konsequente und Fraktion Die Linke. effektive Umweltschutzmaßnahmen: für eine salzfreie (Beifall bei der LINKEN) Werra, für Mindestabstände von Hochspannungsleitungen von 800 Metern, für mehr Lärmschutz an Straßen, Schie- Ralph Lenkert (DIE LINKE): nen und Flughäfen und für einen Hochwasserschutz, der Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen Menschen und Natur berücksichtigt. Das wäre Umwelt- und Kollegen! Frau Ministerin Hendricks, die zwei So- schutz, wie ihn die Menschen erwarten. Dafür sind wir fortprogramme zum Klimaschutz und Hochwasserschutz verantwortlich. waren so ziemlich das erste Konkretere, was ich von die- Vielen Dank. ser Koalition zum Umweltschutz gehört habe. Allein die Neugestaltung der Bundeswehr nimmt im Koalitionsver- (Beifall bei der LINKEN) trag mehr Platz ein als das globale Thema Umwelt- schutz, so als gäbe es keine globalen Herausforderungen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie bis 2015 Georg Nüßlein das Wort. wird Deutschland nicht erfüllen. Die EU hat bereits ein (B) Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, unter anderem (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (D) wegen der Versalzung der Werra im thüringisch-hessi- neten der SPD) schen Grenzgebiet. Wie will die Regierung damit umge- hen? Kein Wort dazu. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Der Konzern Kali und Salz kann also weiter ungestört Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Salz in die Werra einleiten. Sollte Deutschland Strafzah- Lenkert, die neue Ministerin hat die schwierige Aufgabe lungen leisten müssen, dann zahlt die nicht der Konzern. übernommen, in wenigen Minuten den Rahmen für die Die zahlen dann die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Verzahnung von zwei Politikbereichen zu beschreiben. So macht man keine Politik für die Umwelt. Das hat sie gut und umfassend gemacht, (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Richtig schlimm wird es, wenn ökologisch sinnlose auch wenn sie auf Ihre regionalen Anliegen nicht einge- Maßnahmen als Umweltschutz verkauft werden. Ich gangen ist – das konnte Sie logischerweise nicht – und hätte mich gerne an ihnen abgearbeitet; das fällt aber die von Ihnen immer wieder vorgetragenen Vorurteile schwer. Deswegen nenne ich ein paar warnende Bei- über Lobbypolitik nicht entkräften konnte. spiele aus der Vergangenheit: (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Aber der Koali- Erstens. Energiesparlampen sind gesamtökologisch tionsvertrag ist deutlich!) schädlich. Die Energieeinsparung wurde nie über den Das wird wohl niemand von uns in den kommenden vier gesamten Lebenszyklus der Energiesparlampen betrach- Jahren schaffen. Nichtsdestotrotz will ich deutlich unter- tet. Sie ist zweifelhaft. Das Lichtspektrum macht Men- streichen, dass der Wegfall eines Teils der Energiepolitik schen krank. Die Entsorgung ist nicht geklärt. Die Lam- uns Freiraum für andere Themen gibt, und zwar neben pen landen auf dem Müll; das Quecksilber verdampft dem Bau für Umweltfragen sowie für Fragen des Natur- oder wird einfach unter Tage abgelagert. Bei einem schutzes. Insofern ist das gar nicht so problematisch. Bruch der Lampen in geschlossenen Räumen besteht die Gefahr einer Quecksilbervergiftung. Ich will unterstreichen, dass in Zukunft die Energie- politik im Umweltministerium sehr wohl noch verortet Aber der Preis einer Energiesparlampe ist deutlich hö- ist. Das Problem ist, dass wir in diesem Land über das her als der Preis einer Glühbirne. Das nennen wir Pseu- Thema Energiepolitik zu sehr unter der Überschrift doumweltschutz zur Profitmaximierung. Strom diskutieren. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 867

Dr. Georg Nüßlein (A) Ich halte das angesichts der Potenziale und Spielräume, den Windrädern selber zu definieren. Das haben wir so (C) etwas für Umwelt- und Klimaschutz sowie gegen den vereinbart, und das wollen wir so tun. Ressourcenverbrauch zu tun, sowieso für falsch. Man darf von hier aus das Signal an diejenigen, die in Zu- Darüber hinaus geht es natürlich um ganz andere Fra- kunft das EEG ändern werden, geben, dass das EEG Teil gestellungen. Ich erlebe, dass der Strukturwandel in der eines mittlerweile eifrig beschriebenen Problems ist, Landwirtschaft natürlich ein Problem für die Landschaft aber seine Änderung auch nur Teil der Lösung sein kann. und für die Natur bei uns darstellt. Dass wir dieses Thema Hand in Hand und nicht gegen die Landwirt- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) schaft miteinander bearbeiten sollten, halte ich für ganz wichtig. Wer glaubt, dass man eine Energiewende einleiten kann, indem man nur das EEG ändert, der wird frustriert daste- (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ute hen und auch seine Wählerinnen und Wähler frustrieren; Vogt [SPD]) denn wir sind maximal in der Lage, die Kostendynamik Wenn die Landwirte im Zusammenhang mit den Aus- des Ganzen zu bremsen. Aber wir können keine Wende gleichsflächen Kritik üben, dann geht es ihnen um zwei bei den Kosten herbeiführen. Deshalb ist es unser Anlie- Themen: zum einen um die Problematik, dass bearbeit- gen, mit den Kollegen, die für die Neuerungen zuständig bares Land tatsächlich knapp und knapper wird; zum sind, über die Frage zu reden, wie sich das Marktdesign anderen sehen sie, was mit den Ausgleichsflächen so ändern lässt, dass die Erneuerbaren in die energiepoli- manchmal passiert. Oft werden einfach bürokratische tische Landschaft passen. Nun muss ich allerdings nach Regelungen getroffen, wobei am Schluss der Beitrag für gut zehn Jahren Energiepolitik aufpassen, dass ich nicht den Landschafts- und Naturschutz überschaubar ist. Wir zurückfalle und über das rede, was ich üblicherweise ge- müssen uns noch einmal Gedanken darüber machen, wie tan habe. Das räume ich ein. man es macht, dass alle verstehen, warum wir das tun und was das Ganze bringen soll. Ich will betonen, dass wir als Umweltpolitiker bei den erneuerbaren Energien – jenseits des Themas Wärme –, (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ute auch wenn es um Strom geht, ein kräftiges Wörtchen Vogt [SPD]) mitzureden haben müssen. Das, was die Europäische Es gibt ein weiteres Thema, das wir angehen wollen: Union in der Energiepolitik bis zum Jahr 2030 plant, ist die Ressourceneffizienz. Das ist ein auch für die Wirt- aus nationaler Sicht extrem problematisch; denn das schaft wichtiges Thema. Die Wertstofferfassung muss drängt uns in eine schwierige Wettbewerbssituation. Das zielorientiert an Recyclingquoten festgemacht werden. kann dazu führen, dass wir, wenn wir keine separaten Es darf nicht nur um die Frage gehen, wer das organi- national verbindlichen Ziele für den Ausbau der Erneu- (B) siert. Ich glaube, dass wir uns einig sind, dass wir weder (D) erbaren in ganz Europa vereinbaren, aufgrund unserer eine Rekommunalisierung noch eine Zwangsprivatisie- Vorreiterrolle in eine sehr schwierige Wettbewerbslage rung haben wollen. Am Schluss kommt es auf das Er- kommen. Deshalb halte ich es für eine ganz wichtige gebnis an. Es muss so laufen, dass etwas dabei heraus- Aufgabe, dass auch die Umweltpolitik auf die Vereinba- kommt, nämlich hohe Recyclingquoten. rung nationaler Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren auf europäischer Ebene drängt. Das halte ich für ganz (Beifall bei der CDU/CSU) zentral. Nun haben wir schon in der letzten Legislatur partei- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) und fraktionsübergreifend ein hohes Maß an Verantwor- tung für nachfolgende Generationen übernommen, in- Es kann uns natürlich nicht kaltlassen, dass der Anteil dem wir die von der Ministerin angesprochene Standort- der Erneuerbaren steigt, dass aber gleichzeitig die CO2- suche für ein Endlager hochradioaktiver Abfälle Emissionen zunehmen; auch darüber müssen wir reden. konsensual behandelt haben und beschlossen haben, Hier ist der Emissionshandel ein Schlüssel. Aber ich wieder bei null anzufangen. Wir wollen das Thema mit- sage ganz klar: Wenn man ein Marktinstrument implan- einander angehen. Ich glaube, das ist eine der vornehms- tiert hat und auf den Markt setzt, dann kann es nicht sein, ten Aufgaben der Großen Koalition. dass die Politik bei jeder Gelegenheit steuernd eingreift. Das bringt uns aus meiner Sicht von marktwirtschaftli- Ich will aber auch sagen: Wenn man dazu dann eine chen Lösungen weg. Deshalb ist es wichtig, dass die Kommission einsetzt, in der sich die Politik ganz be- wusst zurücknimmt, weil das in besonderer Weise eine Konjunktur in ganz Europa so anspringt, dass die CO2- Zertifikate wieder einen Wert bekommen. Wir haben Aufgabe der Zivilbevölkerung ist, dann kann es nicht an- nun steuernd eingegriffen. Aber das können wir – das gehen, dass Teile der Umweltverbände sich zurückzie- haben wir in der Koalition klar formuliert – nicht ständig hen und sagen: Wir sind dazu da, um zu protestieren und tun. Nein zu sagen. – Das ist falsch. Damit wird man seiner Verantwortung nicht gerecht. Ich habe einleitend gesagt, dass wir die Chance ha- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) ben, noch mehr für den Natur- und Landschaftsschutz zu tun, als es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Das will Deshalb an dieser Stelle ein leidenschaftlicher Appell, ich nochmals betonen. Ich möchte in diesem Zusammen- den auch schon Teile der Grünen formuliert haben, sich hang auf die Länderöffnungsklausel eingehen, in der wir bitte einzubringen und mitzumachen; denn es geht wirk- den Ländern zugestehen wollen, die Abstände zwischen lich darum, ein großes Problem gemeinschaftlich so zu 868 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Dr. Georg Nüßlein (A) lösen, dass es am Ende auch gemeinschaftlich akzeptiert zu hören bekommen haben, oder den Maßnahmen, die (C) wird. wir zum Beispiel in den letzten Jahren gerade im Bereich der Braunkohle erleben mussten. Da verdrängt die Braun- Ich wünsche mir, dass wir diese großen Aufgaben an- kohle – das kann auch nicht in Ihrem Interesse sein – die gehen. Ich glaube, Frau Ministerin, dazu haben wir die effizienten Erdgaskraftwerke. Das ist nicht gut für das Voraussetzungen alle gemeinsam geschaffen. Wir wer - Klima, das ist aber auch nicht gut für den vorbeugenden den jetzt mit großer Tatkraft und Freude ans Werk gehen. Gesundheitsschutz unserer Bevölkerung; man denke nur Vielen Dank. an Quecksilber, Feinstaub, Radioaktivität und alles das, was aus diesen Kraftwerken herauskommt. Das kann (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) nicht in unserem Sinne sein. Da ist es auch nicht damit getan, zu sagen: Wir haben jetzt einmal in den Zertifika- Präsident Dr. Norbert Lammert: tehandel eingegriffen, das reicht, und dann muss der Peter Meiwald ist der nächste Redner für die Fraktion Markt es eben regeln. – Nein, der Markt regelt es nicht. Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wichtig an dem Punkt ist – das kann ich wirklich nur Sehr geehrter Herr Präsident! Liebes Präsidium! als herzliche Bitte formulieren –: Überlassen Sie den Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Klimaschutz nicht dem Wirtschaftsminister. Das hat Ministerin, zunächst möchte auch ich Ihnen von diesem schon in der letzten Periode nicht geklappt. Ort aus zu Ihrer Ernennung herzlich gratulieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber nun zur Sache. Das Programm, das wir bisher zu Die Frage ist: Wer wird sich in Brüssel für die ambi- hören bekommen haben, ist zunächst einmal lediglich tionierten Klimaziele, von denen Sie ja gerade engagiert die Fortsetzung der bestehenden Programme, die wir gesprochen haben, einsetzen? Auf eine Kanzlerin, die schon aus der alten Regierungszeit kennen – Biodiversi- einmal eine Klimakanzlerin war, mittlerweile aber ganz tätsprogramm, Hochwasserschutz, Naturerbe –, oder es andere Interessen im Kopf hat, können wir in dieser wird der Umsetzung von EU-Recht, zum Beispiel beim Frage, glaube ich, nicht warten. Also: Haben Sie die Elektroschrott, Genüge getan. Die Frage ist: Was ist ei- Macht, haben Sie die Möglichkeiten, innerhalb der Re- gentlich neu, was sind die neuen Aspekte, was ist die gierung diese ambitionierten Ziele auch durchzusetzen? neue Dynamik in dieser Politik? Was ist mit den Wäl- dern, was ist mit Monokulturen? Wir haben das eben (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schon vom Kollegen Lenkert gehört. Es stellt sich die Die gestrige Debatte und die gestrige Entscheidung in (B) Frage nach der Wasserverseuchung durch Nitrateinträge (D) diesem Haus zum Thema Gentechnik lassen uns zumin- und Ähnliches. Was ist mit dem Flächenverbrauch? dest befürchten, dass das Gegenteil der Fall ist. Hier Wenn wir uns das anschauen, können wir sagen: wird weiterhin eine Politik gegen die Interessen der Be- Wenn wir uns den ökologischen Fußabdruck, den unsere völkerung gemacht. Bestenfalls ist es Mutlosigkeit der Gesellschaft hinterlässt, weiterhin leisten wollen und so Regierung, schlimmstenfalls sogar neu erwachte Liebe weitermachen wie bisher, dann ist das in der Tat nach- zur Genindustrie, die Ihnen eigentlich sogar der eigene haltig, aber nachhaltig schädigend. Der Fußabdruck ist Koalitionsvertrag verbietet. Die Menschen in unserem aber nicht enkeltauglich. Das ist ein Punkt, an dem wir Land und wir werden Ihnen diese verbotene Liebe zulas- noch deutlich mehr von Ihnen zu erwarten haben, als wir ten der Verbraucherinnen und Verbraucher und unserer bisher gehört haben. Ich hoffe, dass dazu etwas kommt. Umwelt nicht durchgehen lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Bereich der Atomlobbypolitik haben Sie mit dem Da müssen Sie als Umweltministerin in dieser Regie- Austauschen des Leiters der Abteilung Reaktorsicherheit rung Gewicht entwickeln, Ihre Macht auch einmal ein- einen ersten Schritt getan, der bei uns auf Wohlwollen setzen und sagen: Wir sind hier verantwortlich für Um- gestoßen ist, auch wenn das natürlich spät gekommen welt und Natur, für den Verbraucherschutz und für die ist – aber immerhin. Menschen in unserem Land. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dass Sie ein Kompetenzzentrum „Naturschutz und Erlauben Sie mir noch einen kleinen Abstecher zur Energiewende“ einrichten wollen, finden wir natürlich Abfallpolitik. Das Thema Plastiktüten ist in den letzten auch eine gute Idee. Wichtig ist, dass die Umsetzung mit Monaten in aller Munde gewesen und war Gegenstand einem vernünftigen Maß an Finanzmitteln nun auch vieler Fernsehberichte. Viele haben beklagt, dass Fische schnell erfolgt, damit es da vorangeht. oder auch Delfine daran zugrunde gehen. Darum geht es aber nicht allein. Es geht dabei auch um Ressourcenver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schwendung und um den Meeresschutz. Irland hat mit Wenn wir hören, dass Sie ein Klimaschutzsofortpro- einer Abgabe auf Plastiktüten ein Zeichen gesetzt und gramm planen, freuen wir uns als Grüne natürlich; das große Erfolge damit. Ruanda hat bereits 2006 Plastik- ist ganz klar. Das findet erst einmal unsere Zustimmung, tüten komplett verboten – mit riesigen Erfolgen im steht aber den Überlegungen entgegen, die wir gestern Land. Wann folgt Deutschland? Wann werden wir hier Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 869

Peter Meiwald (A) dazu kommen, die Plastiktüten endlich auch aus unse- (Heiterkeit – [BÜNDNIS 90/DIE (C) rem Umfeld zu verbannen? Wann werden wir hier – wir GRÜNEN]: Ganz so viel war es nicht!) müssen das ja nicht über ein Verbot machen, sondern Das gilt übrigens auch für die Kollegin Ute Vogt, können das auch über eine Abgabenlösung wie in Irland machen – im Interesse unserer Umwelt weiter voran- (Zuruf von der CDU/CSU: Kriegt die auch kommen? 50 Prozent?) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die nun als Nächste zu Wort kommt und nachweislich nicht zum ersten Mal im Deutschen Bundestag redet. Ein Aspekt, der heute noch keine so große Rolle ge- spielt hat: CETA und TTIP, die internationalen Abkom- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten men, die jetzt anstehen. Setzen Sie sich bitte dafür ein, der CDU/CSU) dass Umweltstandards, die in Deutschland und in der EU mittlerweile selbstverständlich geworden sind, nicht ge- Ute Vogt (SPD): opfert werden! Gegebenenfalls müssen Sie in der Regie- Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und rung die Reißleine ziehen und sagen: So kann es nicht Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte gehen. – Wir müssen hier dafür sorgen, dass unser Ver- mich bei Ihnen ganz herzlich bedanken. Sie sind noch braucherschutz und unser Umweltschutz nicht interna- keine 100 Tage im Amt, und schon können wir in der tionalen Abkommen geopfert werden. Klimapolitik feststellen: Deutschland ist wieder da. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Sie haben also einen gewissen Vertrauensvorschuss. Unser Einsatz ist dringend notwendig; denn das, was Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Aber wir erwar- die EU-Kommission vorlegt, sind mutlose Vorgaben. Es ten ambitionierte Politik. Wenn ich zum Beispiel im Be- gibt keine verpflichtenden Ausbauziele für die erneuer- reich der Verkehrsinfrastruktur – – baren Energien und keine verbindlichen Vorgaben für die Energieeffizienz. Diese Mutlosigkeit wird durch am- Präsident Dr. Norbert Lammert: bitionierte Vorgaben unserer Bundesregierung ersetzt. Herr Kollege, ich habe keinen Zweifel, dass Ihnen (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) noch viele Beispiele einfallen, Wir sind diejenigen, die antreiben und die dafür sorgen, (Heiterkeit) dass auch die EU ihre Vorreiterrolle wieder einnehmen kann (B) aber irgendwann im Laufe des Vormittags werden Sie zu (D) Ende kommen müssen. (Zuruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): und dass die internationalen Standards nach oben ge- Ja, ich komme zum Schluss, sehr gern. Das ist auch drückt werden. mein letzter Punkt, Herr Präsident. (Beifall bei der SPD) Nur noch zur Verkehrsinfrastruktur: Wenn wir das, was der Kollege Vaatz eben ausgeführt hat, zu Ende den- Präsident Dr. Norbert Lammert: ken und uns anschauen, welches Umweltbewusstsein da- Frau Vogt, darf Ihnen schon zu diesem frühen Zeit- hintersteht, wird uns angst und bange. Wir haben den punkt die Kollegin Bulling-Schröter eine Zwischenfrage dringenden Wunsch an Sie, dass Sie da in der Regierung stellen? einen Gegenpol bilden. Wir wünschen Ihnen für diese Arbeit viel Glück. Verlassen Sie sich auf unsere kritische Ute Vogt (SPD): Begleitung in der weiteren Arbeit. Ja, gerne. Vielen Dank. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Vielen Dank, Frau Kollegin Vogt. – Sie sprachen ge- der Abg. [DIE LINKE]) rade von ambitionierten Klimazielen. Im Koalitionsver- trag steht, dass Backloading, also die Herausnahme von Präsident Dr. Norbert Lammert: Zertifikaten, ein einmaliger Eingriff sein soll. Die Zerti- Lieber Kollege Meiwald, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer fikate sollen aber wieder auf den Markt zurückkommen ersten Rede können. Aufgrund dieser Einschränkung ist der Zertifi- katepreis nicht gestiegen. Er liegt bei 5 Euro. Wir haben (Beifall) im letzten Umweltausschuss gemeinsam darüber disku- tiert, dass dieser Betrag wesentlich höher liegen müsste und wünsche Ihnen alles Gute für die weitere parlamen- – am besten über 15 Euro –, um relevant zu sein. tarische Arbeit. Sie werden hoffentlich Verständnis dafür haben, dass ich bei Ihren künftigen Reden nicht wieder Wissenschaftler sagen, dass wir, wenn die Klimapoli- einen etwa 50-prozentigen Redezeitzuschlag gewähren tik der Bundesregierung so weiter geht, nicht bei 40 Pro- kann. zent CO2-Reduktion im Jahr 2020 landen, sondern nur 870 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Eva Bulling-Schröter (A) bei 30 bis 32 Prozent. Das sind realistische Zahlen. Ich Ich will noch auf ein weiteres Thema eingehen – der (C) frage Sie: Wie können Sie angesichts dessen hier von Kollege Nüßlein hat es schon angesprochen –, nämlich ambitionierten Klimaaktivitäten und Zielen sprechen? die Besetzung der Kommission zur Vorbereitung des Standortauswahlverfahrens nach dem Standortauswahl- gesetz. Auch bei dieser Frage geht es um Verantwortung Ute Vogt (SPD): für die kommenden Generationen und darum, dass wir Vielen Dank, liebe Kollegin. – In meiner Eingangsbe- für das geradestehen, was wir durch die Nutzung der merkung habe ich ja gesagt, dass die Ministerin noch Atomenergie angerichtet haben. Wir müssen das alles nicht einmal 100 Tage im Amt ist. Ich bitte Sie daher, zu nun in einer Art und Weise auf den Weg bringen, dass beachten, dass sowohl die Frau Umweltministerin als kommende Generationen keinen Schaden dadurch erlei- auch – das ist ein Novum – der Herr Wirtschaftsminister den. in den Debatten der letzten Tage darauf hingewiesen ha- ben, dass hiermit ein erster Schritt beim Thema Emis- Insofern ist es wichtig, dass die stimmberechtigten sionshandel vollzogen werden soll. Sie können sich na- Mitglieder der Kommission zur Vorbereitung des Stand- türlich darauf verlassen, dass die Verhandlungen zur ortauswahlverfahrens die Gesellschaft in ihrer Breite wi- Stärkung des Emissionshandels weitergehen. Aber das derspiegeln. Stimmrecht in dieser Kommission haben kann man nicht alles in den ersten Wochen der Regie- nur die acht Wissenschaftler sowie die acht Vertreterin- rungszeit schon vollenden. nen und Vertreter gesellschaftlicher Gruppen. Wir müs- sen daher verstärkt an die Umweltverbände appellieren: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Nutzen Sie Ihr Recht zur Mitentscheidung! Begnügen der CDU/CSU) Sie sich nicht mit der Rolle der Kritiker, sondern treten Sie in die Verhandlungen ein und nutzen Sie Ihr Stimm- In dieser Legislaturperiode, liebe Kolleginnen und recht! Setzen Sie es ein! – Ich finde, Umweltverbände Kollegen, sollten wir die Möglichkeiten aber auch nut- haben nicht nur das Recht, in dieser Frage mitzureden, zen, die Diskussion über einen angeblichen Widerspruch sondern es ist auch ihre Verpflichtung, die Umweltbe- zwischen Ökonomie und Ökologie zu beenden. Diese lange dort zur Geltung zu bringen. Einschätzung beruht in der Regel auf künstlich herbeige- redeten Lobbyinteressen. Wo es – wie in der Klimapoli- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie tik – darum geht, das Überleben der ganzen Erde zu si- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE chern, da darf man keinen Gegensatz zwischen Ökologie GRÜNEN) und Ökonomie konstruieren. In dieser Woche hat uns der Tierfilmer und Moderator (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dirk Steffens auf einem parlamentarischen Abend des (B) WWF Trost zugesprochen. Er erinnerte daran, wie häu- (D) Viele Unternehmen in Deutschland gehen bereits jetzt fig wir Abgeordnete an drögen Sitzungen teilnehmen, ökologische Wege, und das mit großem ökonomischen wie langsam sehr vieles vorangeht und dass wir oft mit- Erfolg. Lassen Sie uns deshalb getrost mehr Ökologie einander ringen und uns manchmal fragen: Warum tut wagen. man sich das eine oder andere eigentlich an? – In diesen Fällen sollten wir uns daran erinnern: Wir haben nicht (Beifall bei der SPD) mehr, aber auch nicht weniger zu tun, als die Welt retten zu müssen. – Das war ein großes Wort, das sehr pathe- Dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg wird es nämlich nur tisch klang. Ich fand, das war ein schöner Auftrag an geben, wenn wir eine Politik machen, die die Ressourcen uns. Wir alle wissen, dass nicht jeder Einzelne von uns schont und auch die Lebensqualität erhöht. Politik, die die Welt retten kann, dass wir aber gerade mit einer ver- für gesunde Umwelt und gute Lebensqualität sorgt, ist nünftigen Verbindung von Ökonomie und Ökologie aus sozialdemokratischer Sicht und sicherlich auch aus kleine und große Beiträge dazu leisten können, diese Sicht der Großen Koalition eben nicht nur eine Politik Welt tatsächlich ein Stück stabiler und für die nächsten für ein begrenztes Feld, sondern es ist auch eine Politik Generationen zukunftsfest zu machen. In diesem Sinne der sozialen Gerechtigkeit, die darauf abzielt, für alle freue ich mich auf eine gemeinsame, durchaus kritisch Menschen ökologisch annehmbare Bedingungen zu diskutierte, aber auf jeden Fall die Welt voranbringende schaffen. Umweltpolitik. Gerade in Gegenden, wo es starke Lärmbelastungen Danke schön. und große Luftverschmutzungen gibt, haben die Men- schen nur ein geringes Einkommen. Sie können sich (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) kein Haus am Waldrand oder einen schönen Garten mit vielen Bäumen um das Haus herum leisten. Diese Men- Präsident Dr. Norbert Lammert: schen leiden deshalb unter den Umweltbedingungen oft Das Wort erhält nun die Kollegin Heidrun Bluhm für weit mehr als andere. Deshalb ist es das erklärte Ziel un- die Fraktion Die Linke. serer Politik, auch in diesem Bereich mehr Lebensquali- (Beifall bei der LINKEN) tät zu schaffen. Wir verstehen das als einen Beitrag zur Schaffung sozialer Gerechtigkeit. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! der CDU/CSU) Werte Frau Bauministerin Hendricks, ich benutze diese Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 871

Heidrun Bluhm (A) Anrede deshalb, weil Ihr Vorgänger diese Bezeichnung Kollege Bartsch in der gestrigen Debatte zu Finanzen (C) nicht verdient hatte. Hier klingt also eine gewisse Hoff- und Haushalt sagte: Mathematische Gesetze lassen sich nung mit, dass sich in diesem Bereich in Zukunft für nicht wegbeschließen. – Auch beim Summieren sind die Deutschland Wesentliches ändern wird. Zahlen für die Regierung die gleichen wie für die Oppo- sition. Aber in 2014 muss das ja auch nicht mehr unbe- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- dingt umgesetzt werden; denn wenn wir erst im Juni den neten der SPD und des Abg. Peter Meiwald Haushalt beschließen, ist das Jahr halb um. Ehe das Geld [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) dann ausgereicht ist, hat man die Hälfte wahrscheinlich Die Bundesregierung hat uns mit dem Koalitionsver- schon wieder eingespart. trag einen wohnungspolitischen Dreiklang aus Stärkung Stichwort „sozialer Wohnungsbau“: Sie wollen diesen der Investitionskraft, Wiederbelebung des sozialen Woh- wiederbeleben, aber die Mittel von 518 Millionen Euro nungsbaus und einer ausgewogenen mietrechtlichen und pro Jahr, die zur Verfügung stehen, werden nicht aufge- sozialpolitischen Flankierung versprochen. Was Frau stockt. Wenn wir genauer hinsehen, stellen wir fest, dass Ministerin Hendricks hier heute vorgetragen hat, bestä- Herr Schäuble in der Verwaltungsvereinbarung bis 2018 tigt das. Das klingt alles schon einmal viel besser als das, nicht einmal darauf bestanden hat, dass durch die Länder was wir von Vorgängerregierungen gehört haben oder kofinanziert werden muss. Außerdem hat er auch noch was diese gar umzusetzen vermochten. Deshalb wün- die Zweckbindung für den sozialen Wohnungsbau auf- schen wir uns sehr, dass aus diesem Dreiklang eine har- gegeben. Ich weiß nicht, wie Sie mit den Ländern ver- monische Melodie mit langem Nachhall werden wird. einbaren wollen, dass das Geld dann zukünftig aus- Allerdings zeichnen sich schon heute einige Disso- schließlich für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben nanzen ab: werden soll. Da sind Sie auf das Wohlwollen der Bau- minister angewiesen; aber die haben ihre Haushalte Stichwort „Investitionskraft“: Frau Ministerin, weder längst beschlossen. Und: Selbst das würde nicht reichen, im Koalitionsvertrag noch in Ihrer Rede heute haben die um die fehlenden 4 Millionen Sozialwohnungen in Altschulden der ostdeutschen Wohnungsunternehmen Deutschland zu schaffen oder ausreichend viele Woh- eine Rolle gespielt. Wir brauchen, so denke ich, die nungen aus dem Bestand in die Zweckbindung zurück- Streichung der Altschulden ostdeutscher Wohnungsun- zuführen. Der Wegfall der Zweckbindung ist also, ternehmen. glaube ich, kontraproduktiv. Da müssen Sie nacharbei- ten. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Die SPD hat mit uns gemeinsam noch in der letzten Le- (B) (D) gislaturperiode entsprechende Anträge gestellt und auch Stichwort „Klimaschutz im Gebäudebereich“: Das eingereicht. Von alldem steht aber nun nichts im Koali- CO2-Gebäudesanierungsprogramm und die energetische tionsvertrag, und auch Sie, Frau Ministerin, haben dazu Stadtsanierung sollen fortgeführt werden. Richtig! Aber nichts gesagt. Wir werden weiterhin fordern, die Alt- auf welchem Niveau und mit welchen Mitteln? Der Ko- schulden zu streichen und damit die Investitionskraft der alitionsvertrag spricht von Zusammenfassung von Woh- Wohnungsunternehmen zum Beispiel für energetische nungsbau und energetischer Gebäudesanierung zu Sanierung oder auch den altersgerechten Umbau der einem Aktionsprogramm. Aber wie? Aus den 518 Mil- Wohnungen zu stärken. lionen Euro Kompensationsmitteln für den sozialen Wohnungsbau? Aus Mitteln der Städtebauförderung und (Beifall bei der LINKEN) wenn ja, in welcher Höhe? Aus dem EKF, der allerdings Demnächst, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die jetzt bei Herrn Gabriel verwaltet werden soll? Dazu Haushaltsdebatte. Die Regierung will die Mittel für die würde ich in Zukunft gern noch etwas mehr von Ihnen Städtebauförderung von 455 Millionen Euro auf 700 Mil- hören, Frau Ministerin. lionen Euro aufstocken; Meine Damen und Herren, die bevorstehende Haus- (Beifall des Abg. Sören Bartol [SPD]) haltsdebatte wird der erste Test für die Ernsthaftigkeit dieser Ankündigungen sein. Es wird sich zeigen, wer das hat Frau Hendricks hier eben noch einmal bestätigt, den Taktstock führt und ob der versprochene Dreiklang ebenso auf der Bauministerkonferenz in dieser Woche. als kräftiges Fortissimo daherkommt oder doch nur ein Das begrüßen wir sehr, weil auch wir diese Forderung seichtes Piano bleibt. unterstützen. Herr Pronold hat das allerdings auf meine Anfrage im Ausschuss in dieser Woche schon wieder re- Danke schön. lativiert. Er sagte nämlich: Über vier Jahre wollen wir zusätzlich 620 Millionen Euro zur Verfügung stellen. – (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Wenn ich die Differenz zwischen 455 Millionen Euro des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und 700 Millionen Euro ausrechne, komme ich auf jähr- lich 245 Millionen Euro mehr, und mal vier Jahre macht Präsident Dr. Norbert Lammert: das dann 980 Millionen Euro. 620 Millionen Euro wären Nun hat Marie-Luise Dött das Wort für die CDU/ also schon einmal 360 Millionen Euro weniger, als Sie CSU-Fraktion. brauchen würden, um Ihr Versprechen von 700 Millio- nen Euro pro Jahr einzuhalten. Ich zitiere, was mein (Beifall bei der CDU/CSU) 872 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

(A) Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Energie- und Klimapolitik kann nur der Beginn einer (C) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen umfassenden Diskussion sein. 40 Prozent Minderung der und Herren! Die Entscheidung, die Umweltpolitik und Treibhausgasemissionen bis 2030 sind ein gutes Signal die Bau- und Wohnungspolitik in einem Bundesministe- – ich sage das ganz bewusst – für den Start der Verhand- rium zusammenzuführen, hat viel Aufmerksamkeit er- lungen. Es muss zudem bei der Zieltrias – dazu habe ich zeugt. Ich sehe in dieser Zusammenführung beider Poli- schon im Ausschuss Ausführungen gemacht – von Kli- tikfelder eine spannende Herausforderung. Bereits maziel, Ausbauziel für die erneuerbaren Energien und heute gibt es ja sehr viele inhaltliche Verzahnungen. Im Steigerung der Energieeffizienz bleiben. Konfliktfall mussten sie aber bisher zwischen zwei (Beifall bei der CDU/CSU) Bundesministerien geklärt werden. Nun muss Frau Bun- desministerin selbst für die Ausgewogenheit der Ent- Das sind drei gleichberechtigte und gleichwichtige Säu- scheidung für beide Politikbereiche einstehen. Wir wer- len einer modernen, zukünftigen Standortpolitik. den sie dabei unterstützen. Meine Damen und Herren, bau- und wohnungspoli- Meine Damen und Herren, ich will hier die Gelegen- tisch steht die Koalition vor wichtigen Aufgaben. Der heit nutzen, einige Schwerpunkte unserer Arbeit zu be- demografische Wandel, die wirtschaftsstrukturellen Ver- nennen. änderungen und die ambitionierten klimapolitischen Ziele wirken sich stark auf die Stadtentwicklung sowie Wir werden auch in der neuen Legislaturperiode die den gesamten Gebäudesektor aus. Wir brauchen pas- Umwelt- und Klimapolitik dynamisch weiterentwickeln; sende Antworten auf die regionalen Unterschiede auf Frau Ministerin Hendricks hat das schon ausführlich be- dem Wohnungsmarkt. Wir müssen die erforderlichen schrieben. Stadtanpassungsprozesse in Schrumpfungsregionen effi- Wettbewerb, Produktverantwortung und anspruchs- zient gestalten. Wir wollen die Stadtentwicklung auch volle Recyclingquoten sind auch zukünftig der Maßstab auf die Herausforderungen des Klimawandels ausrich- für die Kreislaufwirtschaft. Dabei bleibt das bewährte ten. Und wir wollen, dass Wohnen trotz der erforderli- effiziente System einer fairen Beteiligung von Kommu- chen Investition in die Energieeffizienz bezahlbar bleibt. nen und privaten Entsorgern auch künftig erhalten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Der Schutz der Bürger vor Lärm wird verbessert. Der neten der SPD) Schienenlärm soll bis 2020 halbiert werden. Die Belas- Im Koalitionsvertrag haben wir Vorhaben verabredet, tungen durch Fluglärm werden wir reduzieren und vor die dazu beitragen sollen, diese Aufgaben zu bewältigen. allen Dingen die Öffentlichkeit stärker beteiligen. CDU und CSU haben die SPD von ihrem regionalisier- (B) Wir werden, wie schon genannt, das Nationale Natur- ten Konzept der Mietpreisbremse überzeugen können. (D) erbe um mindestens 30 000 Hektar erweitern. Das ist sachgerecht. Ergänzt werden muss die Mietpreis- bremse jedoch durch eine Stärkung des Wohnungsbaus. Bei Infrastrukturmaßnahmen werden die Belange des Das wäre die nachhaltige Lösung des Problems. Wenn Natur- und Hochwasserschutzes stärker berücksichtigt. man „nachhaltig“ steigern könnte, dann würde ich sa- Es bleibt beim beschlossenen Ausstieg aus der Kern- gen: Es ist die nachhaltigste Lösung des Problems. energie. Wir sorgen für die Sicherheit der Kraftwerke bis (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- zum letzten Betriebstag und setzen uns für verbindliche, neten der SPD) ambitionierte Sicherheitsziele sowie Zusammenarbeit und Transparenz in Europa ein. Das ist nicht nur eine Länder und Kommunen stehen hier in besonderer Frage, die Deutschland betrifft, sondern das muss für Verantwortung. Die beabsichtigte Anhebung der Städte- ganz Europa gelten. bauförderung auf 700 Millionen Euro wollen wir aus- drücklich. Das ist ein starkes Signal an die Städte und Wir werden die Suche nach einem geeigneten Endla- Gemeinden in Deutschland. Wir unterstützen sie bei den ger für radioaktive Abfälle auf der Grundlage des Stand- erforderlichen Investitionen in die Stadtentwicklung. Sie ortsuchgesetzes voranbringen. Ich bin froh, dass wir dies werden beim Stadtumbau, beim städtebaulichen Denk- mit diesem Gesetz geschafft haben. Ich schließe mich malschutz und bei den spezifischen Herausforderungen natürlich dem Appell der anderen Redner an die Um- der kleinen Städte und Gemeinden im ländlichen Raum weltverbände zur Mitarbeit an. Das ist ganz wichtig. Wir nicht alleingelassen. dürfen auch nicht vergessen, die Voraussetzungen für die Rückholung der Abfälle aus der Schachtanlasse Asse zu (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) schaffen. Die sinnvolle Verknüpfung mit gesellschaftspoliti- Meine Damen und Herren, die Umweltpolitik bleibt schen Herausforderungen wird in den Programmen „Ak- auch künftig ein Motor für Wachstum und Beschäfti- tive Stadt- und Ortsteilzentren“ sowie „Soziale Stadt“ gung in Deutschland. Neben all diesen Themen bleibt deutlich. Das Programm „Soziale Stadt“ werden wir als Leitprogramm der sozialen Integration weiterführen – so der Schutz des Klimas im Zentrum deutscher und euro- die Vereinbarung des Koalitionsvertrages. Dazu muss es päischer Politik. aber endlich gelingen, die jeweiligen Kompetenzen aus (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) den verschiedenen Bundesministerien sinnvoll zu bün- deln. Das von der Europäischen Kommission vorgelegte Weißbuch zur Weiterentwicklung der europäischen (Sören Bartol [SPD]: Sehr richtig!) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 873

Marie-Luise Dött (A) Die Politik denkt hier seit Jahren weiter, als es die Res- men Worten – da will ich Frau Bluhm von der Linken (C) sortstrukturen freiwillig wollen, Herr Bartol. recht geben – müssen haushalterische Taten folgen. (Sören Bartol [SPD]: Ich bin begeistert!) Alle wohnungspolitischen, alle baupolitischen, alle mietrechtlichen Instrumente und auch alle Fördermittel Ein besonders großer Beitrag zur Erreichung der Kli- müssen auf zwei große Herausforderungen ausgerichtet maschutzziele wird vom Gebäudesektor erwartet. Das werden: zur Energiewende auch bei den Gebäuden bei- Umwelt- und Bauministerium muss in der geänderten zutragen und den demografischen Wandel zu meistern. Zuständigkeit nun verstärkt darauf hinarbeiten, dass die Wir finden es richtig, dass Sie die Mietpreisbremse Energiewende für Mieter und Hauseigentümer bezahlbar schnell umsetzen wollen. Angesichts der vielen Podi- bleibt. Die Energiewende verliert sonst ihre gesellschaft - umsveranstaltungen, auf denen man im Augenblick ist, liche Akzeptanz. Wir haben im Koalitionsvertrag das warne ich Sie davor, gegenüber denjenigen einzukni- geltende Wirtschaftlichkeitsprinzip im Ordnungsrecht cken, die gerade gegen die Mietpreisbremse arbeiten. und den Verzicht auf Zwangssanierungen bestätigt. Das Bleiben Sie hier in der Großen Koalition standfest, zum ist richtig und vertrauensbildend. Wohle der Mieterinnen und Mieter in Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Viele Eigentümer von Einfamilienhäusern oder kleine- sowie bei Abgeordneten der SPD) ren Mietshäusern sind in dieser Frage genauso schutzbe- dürftig wie Mieter; und darauf werden wir achten. Leider haben Sie ein Konzept von uns nicht übernom- men. (Beifall bei der CDU/CSU) (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Meine Damen und Herren, das umwelt- und baupoli- NEN]: Nicht nur eins!) tische Programm der Großen Koalition ist ambitioniert, wachstumsorientiert und sozial gerecht. Jetzt geht es Sie begehen mit der Absenkung der Modernisierungs- kraftvoll an die Umsetzung. umlage – das muss man wirklich sagen – einen Kon- struktionsfehler, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Sören Bartol [SPD]: Mist!) Präsident Dr. Norbert Lammert: indem Sie eine zeitliche Befristung einführen wollen. Ich erteile dem Kollegen Christian Kühn für die Frak- Das wird am Ende zu nichts anderem führen als zu ei- tion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. nem Konjunkturprogramm für Anwaltskanzleien. Nichts (B) gegen Anwaltskanzleien – auch Anwälte brauchen Jobs –, (D) Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE aber eines ist ganz klar: Eine Absenkung der Moderni- GRÜNEN): sierungsumlage in dieser Form ist nicht sinnvoll. Viel- leicht schwenken Sie doch noch auf unser Konzept um, Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau nämlich auf eine inhaltliche Begrenzung der Moderni- Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf sierungsumlage nur auf die Fälle, wo auf die beiden ge- der Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue nannten großen Herausforderungen reagiert wird, also mich heute, nicht nur, weil ich meine erste Rede hier im auf den demografischen Wandel in Form des Abbaus Parlament halte, sondern auch, weil es uns Grünen in der von Barrieren und auf die Energiewende in Form ener- letzten Legislaturperiode gelungen ist, zwei Konzepte zu getischer Gebäudesanierung. entwickeln und auf den Weg zu bringen, die in den Ko- alitionsvertrag Eingang gefunden haben, nämlich die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mietpreisbremse und das Bestellprinzip bei den Makler- kosten. Im Zusammenhang mit der energetischen Gebäude- sanierung haben wir sehr wohlwollend zur Kenntnis ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – nommen, dass Sie die Sanierungsquote auf 2,5 Prozent Lachen des Abg. Sören Bartol [SPD]) erhöhen wollen. Doch wenn man in den Koalitionsver- trag schaut, sieht man, dass dort steht: Sie wollen das 2010 haben es sowohl SPD als auch CDU/CSU noch ab- gelehnt. Dass es in dieser Legislaturperiode umgesetzt KfW-Gebäudesanierungsprogramm „verstetigen“ und wird, ist ein grüner Erfolg. Darauf können wir Grüne das Programm zur energetischen Stadtsanierung „fort- stolz sein. schreiben“. – Wenn man aber die Sanierungsquote stei- gern will, kann man die Programme nicht auf dem glei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – chen Niveau fortführen. Die jetzige Quote liegt bei unter Lachen bei Abgeordneten der SPD) 1 Prozent. Wenn man darüber hinauskommen will, muss man mehr Mittel einsetzen. Hier gibt es in Ihrem Koali- Frau Ministerin, Sie können von uns Grünen in dieser tionsvertrag eine riesige Leerstelle; das zeigen auch Ihre Legislaturperiode eine konstruktive Oppositionsarbeit in Aussagen. Ich finde es schade, dass Sie nicht bereit sind, der Wohnungs- und Baupolitik erwarten. Wir wollen ge- gerade in diesem Bereich Mittel einzusetzen. Ich glaube, meinsam dafür Sorge tragen, dass das Thema Bauen und das zeugt von großer Zukunftsvergessenheit der Großen Wohnen in diesem Parlament einen größeren Stellenwert Koalition bei der energetischen Gebäudesanierung. bekommt. Ihre ersten Aussagen dazu haben wir sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen. Aber Ihren war- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 874 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Christian Kühn (Tübingen) (A) Ein paar Worte an die Sozialdemokratie. Die Heiz- Ihnen, Frau Ministerin, möchte ich zunächst meine (C) kosten steigen dreimal schneller als die Löhne. Gerade herzlichen Glückwünsche zu Ihrem neuen Amt als Um- deshalb müssten Sie erkennen: Die energetische Sanie- welt- und Bauministerin übermitteln. rung ist nicht nur eine Frage des Klimaschutzes, sondern (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Marie- auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Ich hoffe, Luise Dött [CDU/CSU]) dass Sie hier nachlegen und die Regierung ein bisschen vor sich hertreiben werden. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und die gemein- same Umsetzung dessen, was wir uns als Koalition in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik vor- Ich komme zum Schluss. Die eigentliche Herausfor- genommen haben: die Reform des Wohngeldes und die derung, vor der die Große Koalition und auch Sie als Mietpreisbremse, die Stärkung der Städtebauförderung Ministerin stehen, ist das, was Sie hier beschworen ha- und die Förderung des Neu- und Umbaus von Wohnun- ben, nämlich die Verzahnung von Umwelt- und Baupoli- gen, die zugleich bezahlbar, energiesparsam und alters- tik. Ich sage ganz klar: Die klassische Antwort der So- gerecht sind. Das alles ist ein Gesamtpaket, und nur als zialdemokratie „Mehr Beton hilft mehr“ wird an dieser solches ist es auch sinnvoll. Stelle nicht helfen. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Wohn- und vor allen Dingen Heiz- und Warmwasserkosten steigen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – schneller als die Einkommen. Bei Haushalten im unteren Dr. [SPD]: Dann haben Sie Einkommensbereich fressen sie inzwischen bis zu aber die Sozialdemokratie falsch verstanden!) 40 Prozent des Budgets auf. Das Wohngeld ist seit 2009 Sie müssen klar sagen, was die Verzahnung bedeutet. nicht mehr angepasst worden. Haushalte mit kleinen Sie bedeutet nämlich mehr als das Hin- und Herschieben Einkommen oder Renten werden alleine wegen hoher von Planstellen. Sie dürfen nicht nur Fragen stellen Wohnkosten in Arbeitslosengeld II oder die Grundsiche- – wie Sie das heute getan haben –, sondern Sie müssen rung gedrängt. Das ist ein Verschiebebahnhof zwischen auch Antworten geben auf die Fragen, wie Sie den Flä- den öffentlichen Kassen, und das geht zulasten der Be- chenverbrauch in Deutschland reduzieren wollen, wie troffenen. Sie für mehr Nachhaltigkeit auf den Baustellen sorgen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) wollen, wie Sie ökologische Baustoffe fördern wollen, wie Sie die Energiewende im Gebäudebereich meistern Die Wohngeldanpassung ist überfällig. Sie zügig an- wollen. Das sind die Herausforderungen, vor denen Sie zupacken und zu beschließen, ist eine der ersten Aufga- stehen. An deren Bewältigung werden wir Sie messen. ben. Angesichts der steigenden Energiekosten ist aber (B) auch mehr als deutlich, dass der energetische Umbau (D) Wir Grüne werden Sie dabei als kritische, konstruk- weitergehen muss. Wenn ich energetischer Umbau sage, tive und kluge Opposition begleiten. Ich verspreche Ih- dann meine ich eben nicht nur die Gebäudedämmung, nen, dass wir in dieser Legislaturperiode weiterhin die sondern vor allen Dingen auch die quartiersbezogenen Ideenschmiede in der Wohnungs- und Baupolitik in Ansätze der Strom- und Wärmeversorgung, den Einsatz Deutschland sein werden. erneuerbarer Energien im Gebäudebereich und die Ener- gieberatung. Technologieoffenheit und Bezahlbarkeit Danke schön. sind die Leitlinien, die sich diese Koalition dabei gesetzt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hat. Die Mietpreisbremse brauchen wir als kurzfristig Präsident Dr. Norbert Lammert: wirksames Instrument, damit sich in Städten und Bal- lungsräumen die Preisspirale nicht weiter nach oben Auch Ihnen, lieber Herr Kühn, herzlichen Glück- dreht. So sind zum Beispiel nach dem neuen GSW-Woh- wunsch zur ersten Rede. Ich wünsche Ihnen Erfolg bei nungsmarktbericht von dieser Woche die Mieten in Ber- und Freude an Ihrer parlamentarischen Arbeit. lin bei neu abgeschlossenen Verträgen weiter deutlich (Beifall) angestiegen: allein von 2012 auf 2013 in Mitte, Fried- richshain und Kreuzberg im Mittel um 12 Prozent. Aus- Nächster Redner ist der Kollege Sören Bartol für die reißer von bis zu 40 Prozent Mietsteigerungen, die es SPD-Fraktion. durchaus auch gibt, sind dabei noch gar nicht berück- sichtigt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Diese – ich nenne das so – Exzesse wollen wir mit ei- ner Begrenzung bei Wiedervermietung in den Griff be- kommen, und ich freue mich, dass der Bundesjustizmi- Sören Bartol (SPD): nister dies in enger Abstimmung mit der Bauministerin Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und im Sinne des Koalitionsvertrages schnell umsetzen will. Kollegen! Die Bau- und Stadtentwicklungspolitik ist zu- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rück auf der politischen Bühne, mit einem neuen Res- der CDU/CSU) sortzuschnitt, einer neuen Ministerin und dem Gestal- tungsanspruch einer aktiven Stadtentwicklungs- und Wer hier Alarm schlägt und das Ende jeder Neubau- sozialen Wohnungsbaupolitik. aktivität sieht, der hat einfach nicht aufmerksam gelesen: Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 875

Sören Bartol (A) Die Mietpreisbremse gilt nicht für den Neubau, sie ist Wir sollten auch nicht vergessen, dass – das hat sich (C) regional begrenzt und zeitlich befristet, und sie ist, wie in den vergangenen Jahren bewährt – der Wohnungs- schon gesagt, Teil des bau- und wohnungspolitischen markt, die Immobilienwirtschaft zum Glück vielgestaltig Gesamtpakets dieser Koalition, eines Pakets, das eben sind. Wir haben leistungsstarke kommunale Wohnungs- nicht nur Mieterinnen und Mieter besser absichert und wirtschaftsunternehmen, wir haben die Genossenschaf- ihre Rechte stärkt, sondern das natürlich auch die Inves- ten, die eine Menge tun, um das Wohnumfeld zu verbes- titionsbedingungen der Wohnungswirtschaft ganz klar sern, und wir haben viele private Investoren und viele verbessert und damit, wie ich finde, eine gute Grundlage Einzelinvestoren, die dafür sorgen, dass der Wohnungs- für das von der Ministerin angekündigte Bündnis für markt in Deutschland – das muss man an dieser Stelle Wohnen ist. bei aller Kritik und allen Problemen, die wir haben, sa- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) gen – stabil ist und eine wesentliche soziale Errungen- schaft in Deutschland erhalten bleibt: menschenwürdige Dazu zählen die Fortführung der Bundesmittel für die und bezahlbare Wohnungen. Wir müssen dafür sorgen, soziale Wohnraumförderung der Länder, die bis Ende dass das so bleibt. Wie in den vergangenen Jahrzehnten des Jahrzehnts gesichert ist, die gezielte Förderung des die Herausforderung die Wiederherstellung der Innen- genossenschaftlichen Neubaus, die verbilligte Abgabe städte in Ostdeutschland war, so sehen wir uns jetzt He- von ehemaligen Militärliegenschaften für den Woh- rausforderungen gegenüber, die vor allen Dingen mit der nungsbau und – das ist in dieser Debatte schon oft ge- demografischen Veränderung und der Energiewende zu nannt worden – die massive Aufstockung der Städte- tun haben. bauförderung von 455 auf 700 Millionen Euro. Sozial stabile Quartiere, ein gesundes und sicheres (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wohnumfeld, Einkaufsmöglichkeiten, aber auch der Die Probleme, die sich aus der demografischen Ver- Rückbau von Leerstand – all das steigert die Lebensqua- änderung ergeben, sind vielschichtig. Auf der einen lität für die Bewohnerinnen und Bewohner, aber es sichert und erhöht am Ende auch den Wert der Immobi- Seite haben wir Wohnungsmangel in den Metropolen, lien. Zum guten Wohnen gehört eine intakte Nachbar- auf der anderen Seite gibt es große Flächen, bei denen schaft, in den Stadtquartieren der Metropolen wie auch wir mit Leerstand zu kämpfen haben. Wenn es um die in den ländlichen Gemeinden. Denn vor Ort entscheidet Beseitigung des Wohnungsmangels geht, ist die Miet- sich, ob Integration gelingt und demografischer Wandel preisbremse sicherlich eine Möglichkeit; aber sie löst gestaltet werden kann, ob Menschen in politische Le- das Problem nicht. Das Problem lösen wir nur durch die thargie verfallen oder mitmachen. Deshalb bin ich sehr Ankurbelung der Investitionstätigkeit. froh, dass die soziale Wohnungs- und aktive Stadtent- (B) wicklungspolitik mit dieser Koalition endlich wieder (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (D) dort sind, wo sie hingehören, nämlich ganz oben auf der neten der SPD) Tagesordnung. Dazu gehört aus meiner Sicht auch, dass wir – auch Vielen Dank. Ich freue mich auf die gemeinsame Ar- wenn das nicht im Koalitionsvertrag steht – weiterhin beit. über Möglichkeiten der degressiven Abschreibung in diesem Bereich sprechen sollten. Dazu gehört natürlich (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) auch unser Instrumentenkasten der Städtebauförderung. Dazu gehören Dinge wie die verbilligte Abgabe von mi- Präsident Dr. Norbert Lammert: litärischen Liegenschaften, die nicht mehr gebraucht Der Kollege Volkmar Vogel freut sich hoffentlich werden. auch. Jedenfalls werden wir das jetzt von ihm hören, wenn er für die CDU/CSU-Fraktion das Wort ergreift. All das wirkt aber nicht sofort, wenn wir es auf den Weg gebracht haben. Da sich tatsächlich viele die Miete (Beifall Abgeordneten bei der CDU/CSU) in der Innenstadt in einem normalen Wohnumfeld nicht mehr leisten können, ist es richtig, während einer Über- Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): gangszeit dafür zu sorgen, dass eine Mietpreisbremse Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen wirken kann, aber eben nur zeitweise, regional begrenzt und Kollegen! Ich freue mich tatsächlich, vor allen Din- – das ist Aufgabe der Länder – und schlussendlich mit gen darüber, lieber Kollege Bartol, dass Sie jetzt wieder der Maßgabe, dass die Länder, in denen es Regionen bei uns auf der politischen Bühne Politik aktiv mitgestal- gibt, die sich in einer solchen Situation befinden, mit ei- ten können, wenngleich ich sagen muss: Wir sind nicht nem entsprechenden Maßnahmenplan dafür sorgen, dass allein auf dieser Bühne. Wir können das auch nicht al- das möglichst zeitnah, innerhalb weniger Jahre, abgear- leine schultern. Diese Bühne gehört genauso unserer beitet wird. Bauwirtschaft, unserer Wohnungswirtschaft, der Immo- bilienwirtschaft, ganz besonders natürlich unseren Län- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dern und Kommunen. Wir müssen das gemeinsam, wie von Frau Ministerin Hendricks dargestellt, in den nächs- Eine dauerhafte Regulierung des Mietmarktes würde zu ten Monaten im gemeinsamen Gespräch auf den Weg dem führen, was ich leidvoll im Feldversuch DDR mit- bringen. machen musste, (Beifall des Abg. Sören Bartol [SPD]) (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Oh!) 876 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Volkmar Vogel (Kleinsaara) (A) nämlich dazu, dass der Wohnbereich in einer Art und wichtig, dass wir uns die Regelungen, die wir im Baube- (C) Weise vernachlässigt wird, dass er nicht mehr lebenswert reich dazu treffen müssen, gut überlegen. Wir sollten die ist. Energieeinsparverordnung, so wie sie jetzt in Kraft ist, wirken lassen. Wir haben eine EnEV 2014. Wir wissen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – dass 2021 für den Wohnungsbau der Niedrigenergie- [SPD]: Wohl wahr! Das hausstandard der EU kommt. Das heißt, wenn wir jetzt stimmt!) nicht noch maßgeblich daran herumdoktern, gibt es Pla- Trotz alledem, demografische Veränderung hat in ein- nungssicherheit für alle Beteiligten, für Investoren ge- zelnen Regionen auch Leerstand zur Folge. Diesem nauso wie für Hausbesitzer, die dann dafür sorgen kön- Leerstand werden wir nach wie vor sehr viel Aufmerk- nen, dass ihre Gebäude nach dem Standard, den wir samkeit widmen. Die Stadtumbauprogramme haben sich vorgegeben haben, saniert werden. in den vergangenen Jahren bewährt; wir müssen sie fort- Es gibt mit dem Niedrigenergiehausstandard auch schreiben. Lieber Sören Bartol, wir haben ja bereits in schon die Perspektive ab 2021. Wir werden dafür sorgen, der vorhergehenden Legislatur über den dazu vorliegen- dass das Programm entsprechend ausgestattet wird und den Zwischenbericht gesprochen. Im Jahre 2015 werden die notwendigen Mittel dafür zur Verfügung stehen. Auf wir die Evaluierung abgeschlossen haben, und ab 2016 diese Art und Weise werden wir eine der wichtigen He- brauchen wir eine neue Regelung. Ich denke, dass wir rausforderungen der nächsten vier Jahre in diesem Be- hier auf ein einheitliches Programm zurückgreifen kön- reich bewältigen. nen, das zum Beispiel Stadtanpassungsprogramm heißen könnte. In diesem Programm sollten manche Dinge bes- Als jemand, der vorher im Verkehrs- und Bauaus- ser berücksichtigt werden als in der Vergangenheit, ins- schuss war, kann ich nur sagen, dass ich mittlerweile besondere wenn es um die Aufwertung und die Umnut- keine Sorge mehr habe, was die Verbindung von Umwelt zung von Wohnraum geht. und Bau angeht. Ich finde, dass die Bereiche Umwelt und Bau sehr gut zusammenpassen und dass der Baube- (Beifall bei der CDU/CSU) reich auch im Umweltbereich einen angemessenen Stel- Unser Instrumentenkasten ist die Städtebauförderung, lenwert hat. die vor allen Dingen natürlich auch die Wohnungspolitik Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. der Länder maßgeblich mit unterstützt. Das Programm „Soziale Stadt“ – wir haben in den Ausschüssen in den (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) letzten Jahren sehr oft darüber gesprochen – ist aus unse- rer Sicht ein wichtiges Programm. Präsident Dr. Norbert Lammert: (B) (Sören Bartol [SPD]: Endlich wieder!) Letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der (D) Kollege Steffen Kanitz für die CDU/CSU-Fraktion. Es ist aus unserer Sicht sogar so wichtig, dass wir es, so wie damals von Franz Müntefering sinnvoll angedacht, (Beifall bei der CDU/CSU) ressortübergreifend mit den Bereichen Familie sowie Arbeit und Soziales weiterführen wollen. Steffen Kanitz (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten (Ute Vogt [SPD]: Gut, dass Sie den richtigen Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Koalitionspartner haben!) Die Energiewende muss ein Erfolg werden. Das hat Das würde es aufwerten, und – machen wir uns nichts nicht zuletzt die gestrige Rede des Bundesenergieminis- vor – wir würden dadurch vielleicht insgesamt finanziell ters gezeigt, und das ist ja auch gerade in der Debatte ein bisschen besser gestellt werden, was auch dazu füh- noch einmal deutlich geworden. Wir alle sind uns der ren würde, dass wir mehr Mittel für die anderen eben- Bedeutung dieses Themas bewusst. Wir alle wollen, dass falls sehr wichtigen Programme hätten. Gerade die Pro- Deutschland zum Vorreiter einer modernen Energiepoli- gramme zum Stadtumbau sind aus meiner Sicht so tik wird, die sicher, sauber und bezahlbar ist. Damit fol- wichtig, dass es dort eine Aufstockung der Mittel geben gen wir dem breiten gesellschaftlichen und politischen muss. Konsens, in Deutschland endgültig ohne die Nutzung der Kernenergie auszukommen. Ich muss sagen: Ich bin auch ein starker Verfechter der ländlichen Region. Leerstand und demografischer (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wandel berühren ja gerade unsere ländlichen Regionen An dieser Stelle wird klar: Die erfolgreiche Umset- und die vielen kleinen Städte. Ich finde, dass wir das zung der Energiewende steht und fällt nicht allein mit Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“, so wie dem Ausbau der erneuerbaren Energien, sondern sie von Minister Ramsauer angelegt, weiterführen sollten, hängt in ganz beträchtlichem Maße auch davon ab, ob um auch die kleinen Städte und die Fläche zu unterstüt- uns der Ausstieg aus der Kernenergie gelingt. Wir spre- zen. chen insofern von zwei Seiten ein und derselben Me- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- daille. neten der SPD und des Abg. Christian Kühn Erfolgreich, das heißt für mich vor allem Sicherheit, [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Transparenz und Bezahlbarkeit beim Restbetrieb der Der zweite Schwerpunkt ist die Energiewende. Dazu Kernkraftwerke, ihrem Rückbau und der Entsorgung des wurde schon viel gesagt. Ich glaube, es ist richtig und radioaktiven Materials. Unser Koalitionsvertrag greift Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 877

Steffen Kanitz (A) diesen Grundsatz auf und bekräftigt noch einmal: Die Kompromisses halte ich es für unabdingbar, dass alle (C) Sicherheit der Kernkraftwerke in Deutschland bleibt Betroffenen mit am Verhandlungstisch sitzen. oberstes Gebot. Diese Zusicherung umfasst sowohl die Betriebsdauer als auch die Stilllegung und den Rückbau (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- der Kraftwerke. Aber die Sicherheit deutscher Kern- neten der SPD) kraftwerke – auch das ist heute schon mehrmals ange- sprochen worden – reicht allein nicht aus. Wir müssen Mein Dank gilt deshalb unserer neuen Bundesum- auch unsere europäischen Nachbarn, die nach wie vor weltministerin, Frau Hendricks, die gestern noch einmal auf Kernenergie setzen, mit einbeziehen. Deutschlands deutlich an die Umweltverbände appelliert hat, die Kernkraftwerke zählen zu den sichersten der Welt. Al- „Chance des Mitwirkens nicht verstreichen zu lassen“. lein deshalb sind wir verpflichtet, uns engagiert in die (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) europäische Sicherheitsdiskussion einzubringen. Ich pflichte ihr bei. Eine Beteiligung am Suchprozess (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- von vorneherein abzulehnen, entspricht nicht dem über- neten der SPD) parteilichen Geist, in dem wir das Standortauswahlge- setz verabschiedet haben. Daher möchte auch ich um die Politik hat immer auch etwas mit Verantwortung zu tun, insbesondere gegenüber denjenigen, die noch keine Beteiligung der Umweltverbände am Suchverfahren Stimme haben. Deshalb meine ich: Die Generation, die werben. maßgeblich von günstigem Atomstrom profitiert hat, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- muss nun auch eine Lösung für die Beseitigung und neten der SPD) langfristig sichere Endlagerung der radioaktiven Abfälle finden. Wenn man sich die Intensität der Auseinander- Die Suche nach einem Endlager soll laut Gesetz er- setzung und die Dauerhaftigkeit des Konflikts zur Endla- gebnisoffen und vergleichend gestaltet werden. Daher gersuche vor Augen führt, dann darf die Einigung, die gibt es keine Vorfestlegungen, weder auf Gesteinsforma- wir im letzten Sommer gemeinsam erzielt haben und die tionen noch auf einzelne Standorte. Das Auswahlverfah- anschließend zum Standortauswahlgesetz geführt hat, ren wird durch eine ausgewogen besetzte Kommission durchaus als historischer Erfolg bewertet werden. vorbereitet. Bis Ende 2015 soll die Arbeit der Kommis- sion abgeschlossen sein und ein Bericht als Grundlage (Beifall bei der CDU/CSU) der Standortsuche vorliegen. Wir sind übereingekommen, dass wir die Hinterlas- Das ist ein ambitioniertes Ziel, für das wir alle ge- (B) senschaft der Kernkraft gemeinsam und in Deutschland meinsam Verantwortung tragen. Jetzt wird es darauf (D) bewältigen werden, damit von radioaktiven Abfällen ankommen, nahtlos an die allgemein akzeptierten und keine Gefahr für jetzige und künftige Generationen aus- ausgewogenen Vereinbarungen aus dem Sommer 2013 geht. Entscheidend für den Erfolg ist, dass das verab- anzuknüpfen. Die Vorgehensweise, auf die wir uns alle schiedete Gesetz Ausdruck eines gesamtgesellschaftli- geeinigt haben, darf nicht infrage gestellt, sondern muss chen Dialoges ist, den unser ehemaliger Umweltminister jetzt umgesetzt werden. Wir als Union werden jedenfalls Norbert Röttgen einmal als „Verantwortungs- und Si- unseren Beitrag dazu leisten. cherheitskonsens für Deutschland“ bezeichnet hat. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und An dieser Stelle danke ich ganz herzlich allen Betei- Kollegen, ich bin optimistisch, dass wir die anstehenden ligten, die eine solche Verständigung auf Basis von Herausforderungen, insbesondere die Suche nach einem Kompromissbereitschaft und Transparenz ermöglicht atomaren Endlager, gemeinsam, verantwortungsvoll und haben, insbesondere dem damaligen Umweltminister sicher lösen können, genauso wie wir gemeinsam den , aber auch den zuständigen Berichterstat- Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen haben. Ich terinnen und Berichterstattern in den Fraktionen. freue mich auf die Zusammenarbeit. Diese Gesprächskultur des Dialogs wollen wir fort- Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. setzen. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft in Form von öffentlichen Anhörungen und Bürgerforen werden (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) wir auch weiterhin sicherstellen. Denn nur so entsteht Transparenz und letztlich die dringend notwendige Ak- zeptanz für die zu treffende Standortentscheidung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Kanitz, zu Ih- (Beifall bei der CDU/CSU) rer ersten Rede und viel Erfolg bei der künftigen parla- mentarischen Arbeit. Eine umfassende Beteiligung bedeutet für mich, dass sämtliche interessierten Akteure an der Suche mitwir- (Beifall) ken. Dazu zähle ich neben den Kirchen, der Wirtschaft Damit ist auch für diesen Geschäftsbereich die vorge- und den Gewerkschaften ausdrücklich auch die Umwelt- sehene Debatte, heute jedenfalls, zu Ende. verbände. Dass es strittige Themen gibt und dass wir ei- nen steinigen Weg vor uns haben, ist, glaube ich, allen Ich rufe nun als nächsten Geschäftsbereich den Be- klar. Doch im Interesse eines tragfähigen, ausgewogenen reich Bildung und Forschung auf. Auch hierfür ist eine 878 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) 60-minütige Debatte vereinbart. Das Wort erhält zu- zahlreichen Rankings – von der EU und von vielen ande- (C) nächst die Bundesministerin Dr. Johanna Wanka. ren – steht Deutschland sehr gut da. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- Wirtschaftsminister Gabriel hat gestern das Thema wie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) Batterieforschung angesprochen. Ich will dieses Thema als Beispiel nehmen, um zu illustrieren, wie die High- Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung tech-Strategie funktionieren kann und funktioniert. Bat- und Forschung: terieforschung ist für die Energiewende von zentraler Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie kann Bedeutung. Deutschland war im letzten Jahrhundert auf es sein, dass Deutschland – dieses kleine Deutschland – diesem Gebiet weltmarktführend. Im Jahr 2008 dagegen das Land in der Welt ist, das absolut betrachtet die meis- gab es kaum noch Professoren für Elektrochemie, es gab ten Hightechprodukte exportiert, mehr als die riesigen in diesem Bereich nur ganz wenige Wissenschaftler USA und mehr als China, die ja ganz andere Produk- überhaupt, es gab keine nachfragende Industrie. Es war tionskapazitäten haben? Wie kann es sein, dass Deutsch- aber schon damals klar, dass dieser Bereich in den land, wo gerade einmal 1,2 Prozent der Weltbevölkerung nächsten Jahren systemrelevant werden würde. Deswe- leben, die viertstärkste Industrienation ist? Da muss man gen wurde im Rahmen der Hightech-Strategie wirklich mit Recht fragen: Was ist die Basis dafür? Die Basis ist viel Geld in die Hand genommen, um diesen Bereich zu Deutschlands starke Innovationskraft. Sie gründet auf pushen. Mittlerweile sind wir im Forschungsbereich der Forschung und Entwicklung und Bildung. modernen elektrochemischen Batterien wieder welt- marktführend. Wenn man sich – es gibt viele Rankings – die schönen Zahlen anschaut, wird aber auch eines klar: Der globale Das reicht aber noch nicht aus. Der Ansatz ist: Es Wettbewerb wird stärker, wird heftiger. Deswegen ist der muss transferiert werden. Wir haben einen Industriever- Koalitionsvertrag ein starkes Signal, dass gute Bildung bund, dem alle Firmen, die mit der Wertschöpfung der und leistungsstarke Forschung in unserem Land weiter- Batterieproduktion zu tun haben, angehören. Darüber hi- hin eine Zukunft haben. Dafür werden wir uns in den naus haben wir in Ulm die Schaffung einer Produktions- nächsten vier Jahren gemeinsam engagieren. anlage unterstützt, in der geforscht werden kann. Diese startet im Sommer ihren Betrieb. Das ist ein entschei- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) dender Schritt auf dem Weg, vielleicht auch in der Pro- duktion eine Weltmarktführerschaft zu erreichen. Zur Wir untermauern das im Koalitionsvertrag mit finan- Massenproduktion ist aber ein weiterer Schritt nötig. Ich ziellen Zusagen. Von den 23 Milliarden Euro, die zusätz- will mich gerne zusammen mit meinem Kollegen lich bereitgestellt werden, fließen 9 Milliarden Euro Gabriel um dieses Thema kümmern. (B) – das ist der größte Brocken, mehr als ein Drittel – in die (D) Bereiche Forschung, Hochschule, Schule, Kita. Davon (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) wollen wir 6 Milliarden Euro so anlegen, dass die Län- der entlastet werden. Die Koalition macht damit deut- Eine solche Hightech-Strategie zu verfolgen, die lich, dass Bildung, Wissenschaft und Forschung für sie Innovationskraft zu stärken, ist das eine. Darüber hinaus weiterhin Kernanliegen sind. Für mich resultieren daraus ist es genauso wichtig, dass Deutschland als starke In- für die nächsten Jahre drei Hauptaufgaben – sie sind ent- dustrienation eine große Verantwortung für die globalen scheidend –: Aufgaben, die globalen Herausforderungen in der Welt übernimmt. In der Debatte zum vorherigen Tagesord- Erstens: die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stär- nungspunkt ging es um Klimawandel. Hier wird sich ken, das heißt, die gerade beschriebene Innovationskraft Deutschland, gerade weil wir auf diesem Gebiet stark erhalten und nach Möglichkeit ausbauen. Das ist ein sind, auch mit Forschungsleistungen hervortun müssen. zentrales Ziel. Die Hightech-Strategie wollen wir – das haben wir im Zweitens: die Zukunftsarchitektur des Wissenschafts- Koalitionsvertrag beschlossen – ressortübergreifend zu systems bauen, das heißt die Leitplanken für die dynami- einer allgemeinen Forschungs- und Innovationsstrategie sche Weiterentwicklung des Systems. weiterentwickeln. Dabei muss man immer wieder beto- Drittens: Bildungsgerechtigkeit. Wir leben in einem nen: Es geht nicht nur um wirtschaftliche Innovationen; reichen Land. In diesem Land müssen jedem und jeder genauso entscheidend und wichtig sind gesellschaftliche Lebenschancen durch Bildung eröffnet werden. Innovationen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Kai (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie Die Eckpunkte zu dieser Weiterentwicklung will ich im schön! Das passt ja zum Koalitionsvertrag!) zweiten Quartal vorlegen. Zum Punkt Wettbewerbsfähigkeit. Seit acht Jahren Diese Weiterentwicklung wollen wir sehr eng mit bündeln Bundesregierung, Wissenschaft und Wirtschaft dem Programm Horizon 2020 auf europäischer Ebene in der Hightech-Strategie ihre Kräfte für Innovation. Das verzahnen. Auch die Kooperation mit Entwicklungslän- zahlt sich aus. 2012 haben wir zum ersten Mal erreicht, dern und aufstrebenden Wissenschaftsländern wollen dass 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – dabei ist die wir forcieren. Wirtschaft in starkem Maße, zu zwei Dritteln, beteiligt – für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden. In (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 879

Bundesministerin Dr. Johanna Wanka (A) Im Mittelpunkt stehen natürlich die Bereiche, die In- Zukunftschancen ermöglicht. Deswegen ist das Thema (C) novationstreiber sind; ich kann das jetzt nicht im Detail Bildungsgerechtigkeit ganz zentral. ausführen. Als Beispiel nenne ich die Digitalisierung: Wir werden den Ausbildungspakt gemeinsam mit al- Wir haben das Wissenschaftsjahr zur Digitalisierung, wo len Sozialpartnern weiterentwickeln und das Thema „all- es vor allem um die Diskussion mit der Bevölkerung und gemeine Weiterbildung“ – gerade auch für die Älteren – deren Ängste geht. Wir werden zum Beispiel im Früh- sehr stark mit in den Fokus nehmen. jahr zwei große Kompetenzzentren für Big Data eröff- nen. Beim Projekt Industrie 4.0 sind wir gut aufgestellt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Mit dieser Strategie können wir ganz weit oben mitspie- – Ich habe gerade das Wort „Wochenende“ hinter mir im len. Daraus ergeben sich riesige Chancen zur Erhaltung Präsidium gehört und dachte, das bezieht sich auf meine des Wohlstands in Deutschland. Rede. Zur Energieforschung. Die Energieforschung müssen (Heiterkeit und Beifall) wir an den Themen der Energiewende ausrichten. Wir haben im letzten Jahr die Forschungsplattform Energie- wende gebildet, die in sehr starkem Maße ein Gremium Vizepräsident : zur Abstimmung auch mit Wirtschaft und Wissenschaft Der Redner sollte sich immer nach vorne konzentrie- ist. Im Rahmen dieses Forschungsforums werden wir bis ren, Frau Ministerin, nie nach hinten. Ende dieses Jahres mit allen Beteiligten, das heißt mit (Heiterkeit) Wirtschaft, Umwelt und Wissenschaft, eine Forschungs- agenda im Bereich Energie für die nächsten Jahre auf- Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung stellen: Was sind die Themen, die zuerst bearbeitet wer- und Forschung: den müssen? Worauf wollen wir uns konzentrieren? – Ich dachte, das war eine launige Bemerkung zur Wei- Diese Agenda steht zum Ende des Jahres. terbildung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU Zum Thema Gesundheitsforschung. Gesundheitsfor- und der SPD) schung wird weiterhin einen hohen Stellenwert behalten. Zu dem Bereich Bildungsgerechtigkeit gehört natür- Dies gilt auch für die anderen Themen, die in der High- lich auch das Thema Ausbildungsförderung bzw. tech-Strategie zu finden sind. BAföG. Wir haben vor wenigen Tagen den 20. BAföG- Im Zusammenhang mit der Wettbewerbsfähigkeit Bericht im Kabinett verabschiedet. Die letzte Novelle im (B) sind auch die Fachkräfte ein wichtiges Thema. Wir ha- Jahre 2010 hat strukturelle Veränderungen gebracht, so- (D) ben in Deutschland zwei starke Säulen in Bezug auf die dass wir jetzt sagen können: Migranten erhalten sehr viel Ausbildung von Fachkräften. Die erste Säule ist der aka- häufiger als zuvor BAföG, und unsere deutschen Studen- demische Bereich. Hier haben wir in den letzten Jahren ten sind sehr viel flexibler, wenn es um Auslandsaufent- sehr viel gemacht; von Bund und Ländern sind Milliar- halte geht. Die nächste BAföG-Novelle muss aber kom- den geflossen. Die Erfolge waren groß, wie man zum men, und wir gehen zügig an diese Arbeit. Beispiel an der Zahl der Studierenden sehen kann. Es ist (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) auch beabsichtigt, das fortzuführen. Ich nenne nur die dritte Phase des Hochschulpaktes. Ich komme zum letzten Punkt. Es geht um die Zu- kunft des Wissenschaftssystems. Wir müssen die neue Die zweite Säule im Bereich Fachkräfteausbildung ist Architektur in diesem Bereich weiterbauen. Sie alle wis- das duale Ausbildungssystem. Dieses wird weltweit ge- sen: Es gibt Pakte und die Exzellenzinitiative. Wir haben lobt und bewundert. Hier besteht aber Handlungsbedarf. dort ganz viel in Bewegung gebracht; es gibt eine große Dynamik. Wir können jetzt aber nicht damit fortfahren, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) dass ständig neuer Wettbewerb entsteht, sondern daraus Das ist ein entscheidender Schwerpunkt in dieser Legis- müssen jetzt auch einmal langfristige Strukturen erwach- laturperiode. Wir wollen für den Bereich der beruflichen sen. Vor allen Dingen muss die Balance zwischen den Bildung vieles tun, zum Beispiel mit dem großen Paket außeruniversitären Einrichtungen und den Hochschulen „Chance Beruf“. Natürlich geht es – ohne auf Details wiederhergestellt werden. Deswegen geht der Bund dort einzugehen – auch darum, das eine oder andere modell- entscheidend heran; er will sich an der Grundfinanzie- haft auszuprobieren. Uns geht es in dieser Legislatur- rung der Hochschulen beteiligen. periode aber darum, Dinge, die gut und wichtig sind, flä- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Kai chendeckend umzusetzen. Das ist das strategische Ziel. Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) denn und in welcher Höhe?) Das alles kann man nur in Verhandlungen mit den Dass die präventiven Möglichkeiten für junge Leute Ländern erreichen. Der Bund ist hier nicht der alleinige im Bereich „Chance Beruf“ genutzt werden, ist einer- Spieler. Wir versuchen, gemeinsam mit den Ländern ei- seits natürlich volkswirtschaftlich wichtig – wir brau- nen nationalen Zukunftspakt zu schnüren. chen die Fachkräfte –, aber nicht nur. Denn das ist ande- rerseits auch entscheidend für das Lebensglück der Wir müssen weiter über Art. 91 b des Grundgesetzes Menschen, weil nur eine gerechte Bildung individuelle diskutieren. Ich glaube, wenn wir dort Bewegung errei- 880 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Bundesministerin Dr. Johanna Wanka (A) chen, dann werden wir das Geld sehr viel besser einset- Sie gibt nicht nur keine Antwort, sondern sie verweigert (C) zen können. auch auf der Hand liegende und zum Greifen nahe Lö- sungen. Das ist nicht nur mangelnde politische Gestal- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- tung, sondern das ist eigentlich schon unterlassene Hilfe- neten der SPD) leistung. Wir haben ehrgeizige Ziele, die für viele Häuser rele- vant sind. Bei dem einen oder anderen Ziel ist das Herz- (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der blut in den Häusern naturgemäß sicher unterschiedlich CDU/CSU) verteilt; das ist völlig klar. Diese Koalition steht aber ge- Zwei Dinge wären bitter nötig: erstens eine Steuer- meinsam für Innovationen, für nachhaltigen Wohlstand politik, die auch einmal die Reichen zur Kasse bittet, um und für individuelle Zukunftschancen für alle in diesem die öffentlichen Haushalte überhaupt in die Lage zu ver- Land. setzen, Danke. ( [CDU/CSU]: Wir haben (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) hier eine Bildungsdebatte!) die großen Aufgaben in der Bildung anzupacken, und Vizepräsident Peter Hintze: zweitens die Aufhebung des Kooperationsverbotes, da- Als nächster Rednerin erteile ich das Wort Frau Kol- mit es dem Bund nicht länger verboten ist, in der Bil- legin Nicole Gohlke, Fraktion Die Linke. dung mitzufinanzieren. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wir finanzieren die Bildung mit, Nicole Gohlke (DIE LINKE): und zwar mit Milliardenbeträgen!) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich Aber Sie in der Koalition haben sich bereits vor Beginn muss mich schon wundern: Zwei Monate Koalitionsver- der Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, auf handlungen, und dann kommt so etwas heraus! Steuergerechtigkeit zu verzichten. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das ist (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Zum Thema, substanziell!) bitte!) Wer einen Aufbruch in der Bildung erwartet hatte, wurde bitter enttäuscht. Sprich: Bevor Sie überhaupt wussten, was Sie inhaltlich wollen, wussten Sie bereits, dass Sie es nicht finanzieren (B) (Zurufe von der SPD) können. (D) – Entschuldigung, in der Rede von Frau Wanka kamen Dass Sie sich dann aber noch nicht einmal darauf ei- die Begriffe „Bildung“, „allgemeine Bildung“ und nigen konnten, das Kooperationsverbot abzuschaffen, „schulische Bildung“ noch nicht einmal vor. versteht wirklich niemand. Das ist doch inzwischen ein- Die GEW attestierte sehr zu Recht einen „fehlenden hellige Meinung. Selbst Ihre Ministerin, Frau Wanka, hat politischen Gestaltungswillen“, der studentische Dach- im Wahlkampf erklärt, es wäre Zeit, dieses Relikt abzu- verband fzs spricht von einer Fortführung der Politik der schaffen. Ich frage mich: Was hindert Sie daran? Wieso „befristeten Finanzspritzen nach Stimmungslage“, und tun Sie es nicht einfach mit Ihrer hier existierenden Vier- sogar der Deutsche Philologenverband nannte das Er- fünftelmehrheit? gebnis „konturlos“. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten (Lachen bei der SPD – René Röspel [SPD]: Das ist des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) wohl eine Organisation der Linken!) Sie kündigen ein Jahrzehnt der Hochschulen an, ha- – Daran sehen Sie einmal, wie breit die Kritik an Ihrem ben aber keine Idee, wie Sie das finanziell untersetzen Vorschlag ist. sollen. Es ist vor allem eine finanzielle Frage; denn in den meisten Hochschulen bröckelt mittlerweile etwas Man hätte es nicht für möglich gehalten, aber die mehr als nur der Putz: Da wackelt wirklich das Funda- Große Koalition setzt auf die unsoziale Politik von ment. In Sachsen werden gerade 30 Studiengänge ge- Schwarz-Gelb schlossen. An der Uni Bremen sollen 140 Stellen gestri- (Zuruf von der CDU/CSU: Oh!) chen werden. In Thüringen stehen sogar 500 Stellen zur Disposition. Wenn das der Anfang Ihres Jahrzehnts der sogar noch eins drauf; denn auf das drängendste Pro- Hochschulen ist, dann graut einem wirklich davor, wie blem, dass die Länder immer weniger Geld für Investi- es weitergeht. tionen im Bildungsbereich haben und aufgrund der Schuldenbremse vor massiven Kürzungen stehen, gibt (Beifall bei der LINKEN) diese Regierung einfach keine Antwort. Kommen wir zur Haltung der SPD. Ich denke zum (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Milliarden- Beispiel an Ihren Beitrag, Herr Rossmann, in der Frank- entlastung der Länder! – Dagmar Ziegler furter Rundschau vor zwei Wochen, als Sie das Ergebnis [SPD]: Was? 6 Milliarden Euro sind keine des Koalitionsvertrages ziemlich treffend, wie ich finde, Antwort?) einen „Flop“ genannt haben. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 881

Nicole Gohlke (A) (René Röspel [SPD]: Einen Teil davon!) (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Weil es wich- (C) tig ist!) Da hat man dann doch den Eindruck, die SPD hat Mühe, sich selbst von der propagierten sozialdemokratischen und die wichtigste Säule der individuellen Bildungs- Handschrift im Koalitionsvertrag zu überzeugen. Das ist finanzierung wie das BAföG nicht einmal erwähnt wird. auch kein Wunder; denn der Abschnitt zu Bildung und Das lässt schon tief blicken. Wissenschaft gibt das nicht her. Kein Wort mehr zu den großen SPD-Wahlkampfversprechen: kein Wort mehr (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten zum Ganztagsschulprogramm oder zum Ausbau der des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Schulsozialarbeit. Die SPD hat sich auch für die Grund- und Ausfinan- Die SPD hat für eine BAföG-Reform und für ein zierung der Hochschulen starkgemacht. Jetzt lesen wir Ende des Deutschlandstipendiums Wahlkampf gemacht. im Koalitionsvertrag ausschließlich von befristeten Pro- Jetzt bekennen Sie sich zur Fortführung dieses Stipen- grammen und Wettbewerben, wie der x-ten Auflage des dienprogramms. Das Thema BAföG taucht gar nicht Hochschulpaktes oder der Exzellenzinitiative, was aber mehr auf. Statt der überfälligen BAföG-Erhöhung schönt doch – das muss man sagen – an den Bedarfen der aller- die Regierung lieber den BAföG-Bericht, wie vor zwei meisten Hochschulen völlig vorbeigeht. Tagen geschehen. Sie wissen doch auch: Genau diese Politik von Pakten (Zuruf von der CDU/CSU: Wo sind denn Ihre und befristeten Programmen ist doch der Grund, warum Argumente?) 90 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Hochschulen befristet und prekär be- schäftigt sind. Immerhin da sieht die Koalition Hand- Vizepräsident Peter Hintze: lungsbedarf und will das Wissenschaftszeitvertragsge- Frau Kollegin, ich darf ganz kurz eine Atempause bei setz novellieren. Gleichzeitig sagen Sie, dass Sie vor Ihnen nutzen: Der Kollege Rossmann von der SPD- allem die Hochschul- und Wissenschaftseinrichtungen in Fraktion möchte Ihnen eine Frage stellen. Lassen Sie sie der Pflicht sehen, dieser Entwicklung gegenzusteuern. zu? Es wäre nicht das erste Thema, bei dem sich die Regie- rung aus der Verantwortung ziehen will. Nicole Gohlke (DIE LINKE): Die Linke fordert, die Tarifsperre im Wissenschafts- Ja, gerne. zeitvertragsgesetz abzuschaffen und eine Mindestver- tragslaufzeit von zwölf Monaten für wissenschaftliche (B) Vizepräsident Peter Hintze: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter festzulegen. (D) Bitte schön, Kollege Rossmann. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Es muss für diejenigen, die Kinder betreuen oder Ange- Frau Kollegin, Sie haben sich auf das bezogen, was hörige pflegen, der Anspruch auf Verlängerung der Be- ich in der Frankfurter Rundschau geschrieben habe. fristungshöchstdauer verbindlich festgeschrieben wer- Meine Frage ist: Stimmen Sie darin überein, dass ich den. Das ist natürlich eine Aufgabe des Gesetzgebers. nicht den Koalitionsvertrag und die Vereinbarungen zu Hören Sie auf, sich davor wegzuducken! Bildung und Forschung insgesamt als „Flop“ bezeichnet (Beifall bei der LINKEN) habe, sondern geschrieben habe, dass wir das BAföG aus dem „schwarzen Loch“ herausholen wollen? Haben Sie Das große Problem der Großen Koalition ist doch auch gehört, dass unsere Bundesbildungsministerin Folgendes: Sie denken Bildung und Wissenschaft vom diese Neugestaltung des BAföG in ihrer Erläuterung Wettbewerb her, als Standort- und Wirtschaftsfaktor; ich zum Koalitionsvertrag angekündigt hat? denke, die Rede von Frau Wanka gerade war ein guter (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Beleg dafür. (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ Nicole Gohlke (DIE LINKE): CSU und der SPD) Das habe ich gehört. – Die Bedürfnisse der Studierenden und der Beschäftigten, (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Gut!) der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Schülerinnen und Schüler sind für Sie doch bestenfalls nachrangig. Ich finde es trotzdem bemerkenswert, dass Ihre Rolle in der Regierung momentan darin besteht, dass Sie Ihre ( [Peine] [SPD]: Na, na, na!) Meinung in den Medien publizieren und dadurch den Koalitionspartner dazu auffordern, auf bestimmten Ge- Ich sage Ihnen: So kann man an Bildung und ihren in- bieten etwas zu tun, weil dazu nichts im Koalitionsver- dividuellen und gesellschaftlichen Anspruch nicht he- trag steht. Da ist natürlich das BAföG an allererster rangehen, und das wird Ihnen noch auf die Füße fallen. Stelle zu nennen. Ich finde es schon erstaunlich, wie eine Vielen Dank. absolut mickrige Studienfinanzierung wie das Stipen- dienprogramm Eingang in einen Koalitionsvertrag findet (Beifall bei der LINKEN) 882 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

(A) Vizepräsident Peter Hintze: gerechtigkeit nicht mehr möglich war. Aber das ist ein- (C) Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen fach so. René Röspel von der SPD-Fraktion. Ganz unzufrieden – auch das gehört dazu – waren die (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Mitglieder gerade in meiner Heimatregion, dem Ruhrge- biet, aber auch in vielen anderen Städten darüber, dass René Röspel (SPD): wir die Union nicht davon überzeugen konnten, dass die Schulsozialarbeit weiter eine Leistung des Bundes Oh, schnell noch einen Schluck Wasser zu trinken, bleibt. Denn das ist unerhört wichtig für die Schulen. wird schon auf meine Redezeit angerechnet. Schade, Aber wir werden einfach weiter darüber reden. hätte ich das gewusst! (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Özcan (Heiterkeit) Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und reicht aber nicht!) Herren! Ich glaube, dass sich nur wenige andere Abge- – Wir werden versuchen, das zu ändern. Dafür haben wir ordnete so intensiv mit dem Koalitionsvertrag befasst noch vier Jahre. Aber der Koalitionsvertrag gibt es erst und auch dafür geworben haben wie die Abgeordneten einmal nicht her. Das ist definitiv so. der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Es geht um Moos! Sie müssen Geld Denn es war eine wirklich gute, aber auch mutige Idee reinstecken!) des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, den Mitgliedern der SPD die Entscheidung über den Koalitionsvertrag in Ich will mich in der restlichen Redezeit auf den Be- die Hand zu geben. Das hat dazu geführt, dass wir in reich Forschung konzentrieren – der Kollege Kaczmarek ganz vielen Veranstaltungen nicht nur mit Mitgliedern wird gleich noch detaillierter auf die Bildung eingehen – und sagen, warum der Forschungsteil in allen Diskussio- der SPD, sondern auch mit Nichtmitgliedern den Koali- nen, die wir geführt haben, sehr gut weggekommen ist. tionsvertrag diskutiert haben. Ich habe das als ungeheuer Das will ich an einigen Punkten deutlich machen. mobilisierend und motivierend erlebt. Es waren offene Diskussionen. Wir sind und waren uns in diesem Land sicherlich alle einig – Frau Wanka hat das vorhin auch betont –, dass Nicht nur das Erlebnis der Mobilisierung ist positiv. Wir haben, glaube ich, auch eine sehr gute Wahrneh- die Stärke, der Wohlstand und der wirtschaftliche Erfolg mung bekommen, liebe Kollegin Gohlke, was für die dieses Landes sich daran bemessen lassen müssen, dass die Menschen in diesem Land gute Arbeit verrichten. (B) Menschen an diesem Koalitionsvertrag wichtig ist. Da- (D) bei hatte ich eine andere Wahrnehmung als Sie. Daher Dass vieles nicht in Ordnung ist und dass der Arbeits- teile ich das, was Sie gerade vertreten haben, nicht; das markt wieder in Ordnung gebracht werden muss, ist das will ich Ihnen deutlich sagen. eine. Das wird Arbeitsministerin in den nächsten Jahren auch richten. Klar ist, dass es ohne bestimmte Abschnitte in diesem Koalitionsvertrag die Zustimmung der SPD nicht gege- Aber das andere ist, in die Zukunft zu blicken und zu ben hätte. Der Mindestlohn oder das, was Andrea Nahles überlegen, wie wir es sicherstellen können, dass in jetzt mit der Rente ab 63 auf den Weg bringt, waren defi- Deutschland weiterhin gute Produkte unter vernünftigen nitiv ganz wichtig. Ohne diese Punkte hätte es keine Zu- Arbeitsbedingungen und möglicherweise innovativen stimmung gegeben. Arbeitsmodellen hergestellt werden, die es zum Beispiel auch ermöglichen, Familie und Beruf zu vereinbaren. In Die Mitglieder und auch viele andere Menschen wa- diesem Zusammenhang ein Wort zu einer anderen De- ren sehr begeistert, dass wir das fortsetzen, was 1998 in batte: Ich fand den Vorschlag von Manuela Schwesig zu diesem Haus von einer rot-grünen Koalition begonnen dem, was da überhaupt möglich ist, höchst interessant. worden ist, nämlich endlich wieder einen Schwerpunkt Dem sollten wir uns noch einmal widmen. auf Bildung und Forschung in diesem Land zu setzen und auch mehr Geld in die Hand zu nehmen. Es ist gut, Ein wichtiger Punkt, den wir in den letzten Jahren im- dass alle Regierungen danach, die Große Koalition, aber mer wieder gefordert und jetzt in den Koalitionsvertrag auch Schwarz-Gelb, diesen Weg fortgesetzt haben. Da- hineingebracht haben, ist, dass wir den Bereich der Ar- rüber sind alle froh. beitsforschung, Dienstleistungsforschung und Produk- tionsforschung wieder stärken und in Verbindung und (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) enger Abstimmung mit den Sozialpartnern unseren Bei- trag zu einer Humanisierung der Arbeitswelt leisten. Dieser Konsens in Deutschland unterscheidet uns mitt- Auch dieser Bereich wird in Zukunft sicherlich den lerweile von anderen Ländern und hat uns auch nach Wohlstand in Deutschland sichern. vorne gebracht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Gar nicht glücklich waren unsere Mitglieder darüber, der CDU/CSU) dass es nicht noch mehr Geld gegeben hat. Denn mit 9 Milliarden Euro ist weniger Geld als in der letzten Le- Ein weiterer wichtiger Punkt ist für mich die Genera- gislaturperiode vorgesehen. Aber das lag auch daran, tionengerechtigkeit, nämlich die Frage, wie wir diesen dass leider mit dem Koalitionspartner in Sachen Steuer- Planeten an unsere Kinder und Kindeskinder übergeben. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 883

René Röspel (A) Dabei spielt die Energie- und Klimaforschung eine zen- Vizepräsident Peter Hintze: (C) trale Rolle. Ich hätte mir gewünscht, dass schon vor vier Das Präsidium hat ausnahmsweise dem Kollegen Jahren der Satz im Koalitionsvertrag gestanden hätte, Röspel die Wassertrinkzeit am Anfang seiner Rede wie- den wir nun hineingeschrieben haben, nämlich dass wir der an das Ende drangehängt, sodass er zu seinem Recht die Energieforschung konsequent an der Energiewende gekommen ist. ausrichten werden. Ich freue mich, Frau Wanka, dass Sie das schon in allen Medien so deutlich vertreten; das ist (Heiterkeit) dringend erforderlich. Ich hätte mir nur gewünscht, dass Als Nächstem gebe ich das Wort dem Kollegen Kai das schon früher der Fall gewesen wäre. Gehring, Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte. (Beifall bei der SPD) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein weiterer Bereich, der uns am Herzen liegt, ist das, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der was wir als Forschung für die Gesundheit des Menschen Koalitionsvertrag von Union und SPD trägt die Über- bezeichnen. Wir wollen nicht nur schwerpunktmäßig die schrift „Deutschlands Zukunft gestalten“. Entwicklung von Medikamenten, Arzneimitteln und Technologien in den Vordergrund stellen. Gesundheits- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – forschung ist mehr. Da geht es um Prävention und die Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesunderhaltung des Menschen. Es geht nicht nur da- Abwarten! Er ist noch nicht mit dem Satz zu rum, Menschen gesund zu machen, wenn sie krank sind, Ende!) sondern auch darum, die Arbeits- und Lebensbedingun- gen so zu gestalten, dass Menschen erst gar nicht krank Das klingt ähnlich gut wie viele andere Überschriften, werden. Das umfasst auch eine Altersforschung, die sich auch im Bildungs- und Forschungskapitel. – Sie sind mit den Bedingungen befasst, unter denen Pflegende ar- leicht zufriedenzustellen, meine Damen und Herren von beiten und Pflegebedürftige leben müssen. Das ist ein der Koalition. breiterer Begriff von Gesundheitsforschung als in den Schaut man aber hinter die Zukunftsprosa von besse- letzten Jahren. Ich bin froh, dass wir das so im Koali- rer Grundfinanzierung der Hochschulen, Innovations- tionsvertrag niedergeschrieben haben. strategie und Bioökonomie, dann fällt auf: Gerade Ihrem Bildungs- und Forschungskapitel fehlen ambitionierte (Beifall bei Abgeordneten der SPD) und ausfinanzierte Konzepte. Es fehlen vor allem Auch beim letzten Punkt bin ich mit Herzblut dabei, Schritte zur konkreten Umsetzung. (B) und zwar nicht nur weil gestern Abend die Kollegin (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – (D) Hübinger und die Exkollegin Roth den Preis für das En- Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gagement gegen vernachlässigte Krankheiten in der Ka- Jetzt dürft ihr mitklatschen, liebe Kollegen von tegorie „Politischer Wille“ – ich gratuliere dazu – erhal- der Union!) ten haben. Als eines der reichsten Länder der Welt, das über eine hervorragende Forschung verfügt, haben wir Sehr konkret wird es dagegen bei den beiden Schwer- auch Verantwortung gegenüber jenen Ländern, die nicht punkten dieser Regierung. Mit Ihren Eckpunkten zur in der Lage sind, sich hier stabil aufzustellen. 3 Milliar- Energiewende bremsen Sie die Ausbaudynamik der er- den Menschen, die an sogenannten vernachlässigten, ar- neuerbaren Energien aus. Damit verzögern Sie Innova- mutsassoziierten Krankheiten leiden, ohne dass es nötig tionen und neue Technologien für eine emissionsarme wäre, weil es längst entsprechende Medikamente gibt, und ressourcensparende Wirtschaftsweise, die dem Kli- warten darauf, dass wir ihnen helfen. Deswegen bin ich maschutz dient. Da droht viel Rückschritt und wenig froh, dass wir in den Koalitionsvertrag hineingeschrie- Fortschritt. ben haben, dass wir die Forschung betreffend die ver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nachlässigten Krankheiten stärken wollen, um in Ent- wicklungs- und Schwellenländern unseren Beitrag zu Der zweite Schwerpunkt, Ihr Rentenpaket. Pro Jahr leisten. gehen zusätzlich 10 Milliarden Euro an einzelne, wenige Rentnergruppen. Mein Dank geht an den Kollegen , der bei den Koalitionsverhandlungen auf der anderen Seite (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Forschung saß. Wir haben offene Türen eingerannt. Wir haben hier und Bildung ist jetzt dran! – Weiterer Zuruf eine Verpflichtung. des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Mit unserem Forschungsprogramm können wir nicht Trotz dieser großen Summe lösen Sie das große Problem nur Deutschland, sondern die ganze Welt vielleicht ein der Altersarmut nicht. Herr Rossmann, im Vergleich dazu bisschen besser machen. Ich lade Sie alle dazu ein, daran sind die pro Jahr vorgesehenen zusätzlichen 2,25 Milliar- konstruktiv mitzuarbeiten. den Euro für die gesamte Bildungskette – für Kitas, Schulen, Fachhochschulen, Universitäten, Weiterbildung Vielen Dank und ein schönes Wochenende, Herr Prä- und Forschung – geradezu mickrig. sident. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) 884 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Kai Gehring (A) Das zeigt doch, dass Sie in die junge Generation kaum denn der Ganztagsschulausbau ist wichtig, um allen (C) investieren. Das ist zukunftsvergessen. Chancen zu eröffnen. Den Ausbau zu drosseln, ist fahr- lässig. Schauen wir uns Ihren Koalitionsvertrag genauer an. Darin fehlen Initiativen gegen Kinderarmut und Bil- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dungsarmut. Chancen dürfen aber nicht vom Konto oder von der Postleitzahl des Elternhauses abhängen. Wir Ich habe mir eben die Äußerungen von Frau Wanka wollen endlich Klarheit, wie Sie die Qualität der Kitas zum BAföG mit großem Interesse angehört. Ich hoffe, verbessern und die entsprechende Finanzierung sicher- dass ihren Ankündigungen im Plenum und auch in den stellen wollen. vielen Interviews wirklich Taten folgen; Wir halten es weiterhin für falsch, dass Sie an der Bil- (Beifall der Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann dungsfernhalteprämie Betreuungsgeld festhalten. [SPD]) (Widerspruch bei der CDU/CSU) denn im Koalitionsvertrag fehlt jede Aussage zum BAföG, und das ist schlicht peinlich. Der BAföG-Be- Wir halten das nicht für richtig. richt, der diese Woche im Kabinett behandelt wurde, hat (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehr deutlich gemacht, wie dringend notwendig der sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Handlungsbedarf ist. Der Reformdruck steigt. Deshalb sage ich: Das BAföG muss noch in diesem Jahr erhöht Dem bundesfinanzierten Programm Schulsozial- werden. Das ist extrem wichtig für eine neue soziale arbeit haben Sie keine Zukunftsperspektive geschaffen. Öffnung unserer Hochschulen und für die Studierenden Das geht zulasten vieler Schülerinnen und Schüler. Das in unserem Land. alles ist bildungspolitisch kontraproduktiv und für die Mehrheit der Familien in unserem Land enttäuschend. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE]) In Ihrem Vertrag fehlt ein Vorschlag für ein Ende des Frau Wanka, Sie haben vorhin viel über Innovationen Kooperationsverbotes. Ich hatte wirklich gehofft, dass gesprochen. Aber was in Ihrem Koalitionsvertrag auch eine Große Koalition, die uns diese Bildungs- und Wis- fehlt, ist die steuerliche Forschungsförderung für KMU. senschaftsblockade im Grundgesetz vor acht Jahren ein- Das heißt, die Große Koalition behält bei, dass staatliche gebrockt hat, die Kraft aufbringt, sie auch wieder einzu- Forschungs- und Innovationsförderprogramme an klei- reißen. nen und mittleren Unternehmen weitestgehend vorbeige- hen. Das bremst Innovationen. Das halten wir für falsch. (B) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Wir halten die steuerliche Forschungsförderung weiter (D) SES 90/DIE GRÜNEN) für richtig. Wenn sich das nicht ändert, fällt ein dringend notwendi- (René Röspel [SPD]: Dazu sagen die Mittel- ges neues Ganztagsschulprogramm wohl aus. ständler etwas ganz anderes!) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Reden Sie mal In Ihrem Vertrag fehlt die Klarheit, wie Sie die Ener- mit Herrn Kretschmann über dieses Thema!) gieforschung ganz konkret auf die Energiewende aus- – Wir reden mit Herrn Kretschmann, Sie reden mit Ihren richten wollen. Wir sehen durchaus richtige Ansätze, Ministerpräsidenten. wie die Stärkung der Klimaforschung oder auch der Meeres- und Polarforschung – das ist gut –, wir wollen Dass sich aber eine 80-Prozent-Mehrheit des Deut- aber kein öffentliches Geld für Hochrisikotechnologien schen Bundestages hinter Herrn Kretschmann versteckt, wie die atomare Fusionsforschung oder CCS. Das wären (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es gibt auch Fehlinvestitionen. einen Bundesrat!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie ist auch putzig. des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zu den Lücken in Ihrem Koalitionsvertrag kommen sowie bei Abgeordneten der LINKEN) noch sehr viele offene Fragen, bei denen Sie sich als Greifen Sie doch endlich unseren Vorschlag auf, einen Union und SPD offensichtlich nicht einigen konnten. Reformkonvent einzurichten, in dem sich Bund und Deshalb frage ich Sie: Wie wollen Sie denn das Dickicht Länder zusammensetzen. Wir sollten eine gemeinsame an Warteschleifen des Übergangssektors lichten, um al- Lösung finden; ich halte sie für möglich. Weil Sie, Herr len Jugendlichen wirklich gute Ausbildungschancen zu Heil, das Kooperationsverbot nicht abschaffen, geben? (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ist Herr ( [SPD]: Wird kommen!) Kretschmann schon in der CSU?) Wie geht es denn konkret weiter mit dem Hochschulpakt können Sie nämlich Ihr Versprechen eines Masterplans zur Schaffung der Studienplätze auch nach 2020? Wo ist in Höhe von 8 Milliarden Euro für Ganztagsschulen, ein denn die Antwort der Regierung auf die richtige Forde- SPD-Versprechen, das Sie im Parlament und im Wahl- rung nach Erhöhung der Programmpauschale? Keine kampf gegeben haben, wohl nicht einlösen. Das ist fatal; Aussage dazu im Vertrag. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 885

Kai Gehring (A) Wie genau wollen Sie denn Hochschulen das Geld für Wir hoffen daher, dass Sie sich aus dem engen Kor- (C) die Grundfinanzierung überhaupt zur Verfügung stellen, sett Ihres Koalitionsvertrags befreien, eine Finanzarchi- wenn sich im Grundgesetz nichts ändert? Wie gehen Sie tektur für Bildung und Wissenschaft auf den Tisch legen eigentlich das konkrete Problem der sehr unsicheren Per- und das mit den Ländern verabreden. Falls Ihnen das spektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses und der doch glücken sollte, dann kriegen Sie sogar einmal von prekären Arbeitsverhältnissen an den Hochschulen an? uns Applaus. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Ist ausführ- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- lich im Koalitionsvertrag dargestellt!) wie des Abg. [Spandau] [SPD] – – Ja, dann lassen Sie uns doch schnell eine Novelle zum René Röspel [SPD]: Darauf freuen wir uns Wissenschaftszeitvertragsgesetz erarbeiten, wie es Rot- schon!) Grün im Bundesrat vorgeschlagen hat. Das können wir hier zusammen machen. Vizepräsident Peter Hintze: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Als Nächster erteile ich das Wort der Kollegin Patricia Lips, CDU/CSU-Fraktion. Was auch nicht im Koalitionsvertrag steht, ist, wie Sie den Pakt für Forschung und Innovation fortsetzen wol- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- len: Welche Steigerungsraten sollen es denn sein? Wie neten der SPD) soll das denn mit den Ländern gemeinsam gehen? Wie führen Sie die Exzellenzinitiative weiter? Ich fände auch Patricia Lips (CDU/CSU): sehr spannend, zu erfahren, ob Sie die dritte Säule – wer Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine wird Deutschlands Eliteuni? – endlich auslaufen lassen, sehr geehrten Damen und Herren! Investitionen in Bil- so wie wir es für richtig halten. dung und Forschung sind zumeist nicht tagesaktuell zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) messen; es sind vor allem Investitionen in die Zukunft unseres Landes und seiner Menschen. Die im Vergleich Es ist sehr wichtig, dass Sie all diese Fragen schnell niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland, um die beantworten, weil das extrem wichtig für die Planungssi- uns viele beneiden, ist an sich schon – das richtet sich cherheit und Verlässlichkeit in der Ausbildungs- und ein bisschen an meine Vorredner – der beste Beweis für Wissenschaftspolitik ist. Die Fragen waren auch schon die Qualität unseres Bildungssystems. lange vor den Koalitionsgesprächen bekannt. Ihr Vertrag benennt sehr viele Baustellen; er beinhaltet aber keinen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Bauplan für eine Wissensrepublik oder ein Bildungsauf- neten der SPD) (B) steigerland. Hier sieht man einmal mehr, dass Große Ko- (D) Darüber hinaus – die Ministerin hat es bereits erwähnt – alitionen offenbar keine großen Lösungen liefern. gehen Milliarden an die Länder, an die anderen politi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schen Ebenen, um sie zu entlasten, damit sie eigene In- vestitionen tätigen können. Ich nenne noch einen ganz wichtigen Punkt: Bei der Finanzierung des Bildungs- und Wissenschaftssystems In den vergangenen Jahren haben so viele junge Men- muss sich Deutschland endlich zu einem Vorreiter entwi- schen ein Studium aufgenommen wie nie zuvor. Allein ckeln; denn sonst riskieren wir tatsächlich Teilhabe, und innerhalb von zehn Jahren gab es fast 15 Prozent mehr wir riskieren Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Berechtigungen für ein Hochschulstudium. Das ist ein Jährlich wären fast 20 Milliarden Euro zusätzlich nötig, Erfolg, den wir nicht schmälern wollen. Das deutsche um endlich 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Wissenschaftssystem leistet in unserem Land einen ent- die Bildung und das 3,5-Prozent-Ziel für die Forschung scheidenden Beitrag, auch für die Zukunftsfähigkeit. – die Republik redet über ein 3,5-Prozent-Ziel – zu errei- Nicht zuletzt deshalb müssen die guten Initiativen – sie chen und entsprechend zu investieren. wurden in verschiedenen Beiträgen bereits genannt: Ex- (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wir haben das zellenzinitiative, Hochschulpakt und anderes mehr – 3-Prozent-Ziel erreicht!) fortgesetzt und, wo nötig, weiterentwickelt werden. Wir brauchen ehrgeizige Ziele, weil wir sonst bei Bil- Aber, Kolleginnen und Kollegen, darüber dürfen wir dung, Forschung und Innovation zurückfallen. einen anderen Bereich nicht vergessen, der schon im Mittelpunkt unserer Diskussion im Ausschuss stand: die Deshalb möchte ich an Sie alle dringend appellieren: berufliche Bildung in ihrer ganzen Breite und mit ihren In dieser Wahlperiode starten die Debatten über die Neu- Chancen. ordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Ohne ein Gesamtkonzept für eine zukunftsfä- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) hige Finanzarchitektur bei Bildung, Wissenschaft und Gerade nach der Krise fragen uns nicht wenige Länder Forschung rutschen diese Bereiche in die generellen genau an dieser Stelle: Wie macht ihr das? Wie funktio- Neuordnungsdebatten hinein, und dann laufen Sie alle niert das? Verbände, Handwerkskammern, das Ministe- Gefahr, dass letztlich wieder keine bildungs- und wis- senschaftsadäquaten Lösungen dabei herauskommen. rium – viele sind bereits unterwegs, um Hilfestellung zu Das hat man bei der Föderalismusreform gesehen. leisten oder auch betroffene Jugendliche in unserem Land entsprechend vorzubereiten. Genau wie wir haben (Zurufe von der SPD) diese Länder erkannt, dass nicht allein die akademische 886 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Patricia Lips (A) Ausbildung ein Gradmesser für den Erfolg eines Landes Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) ist, Danke, Frau Lips, dass Sie meine Frage zugelassen haben. – Ich habe genau zugehört. Sie haben das Stich- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: wort demografische Entwicklung genannt. Die Frau Aber auch!) Ministerin hat in ihrer Rede das Thema Bildungsgerech- sondern ebenso – das ist ein Zweiklang – die berufliche tigkeit als letzte von drei Überschriften genannt, aber im Bildung. weiteren Verlauf ihrer Rede kaum etwas dazu gesagt. Wir wissen, dass sich auch in unserem Land die Schere (Beifall bei der CDU/CSU) bei der Bildung sehr deutlich öffnet. Nach wie vor ist der Einfluss des sozialen Hintergrunds ein wichtiger Faktor Ein Land, das in Wissenschaft und Forschung hohe Ach- beim Bildungserfolg, wie PISA-Studien immer wieder tung genießt, wie das bei uns der Fall ist, das im Gegen- belegt haben. satz zu vielen anderen Ländern noch einen erfreulich ho- hen Anteil an Industrialisierung aufweist und vor allem Da ich in dem Koalitionsvertrag wenig zu diesem einen gesunden, stabilen und innovationsfreudigen Mit- Thema finde, möchte ich Sie als Vorsitzende des Bil- telstand hat, braucht beides: junge Menschen, die sich dungsausschusses fragen, ob Sie einige konkrete Maß- für ein Hochschulstudium qualifizieren und den akade- nahmen nennen können, mit denen Sie die beiden The- mischen Weg beschreiten, aber ebenso solche, die sich men demografische Entwicklung und Ungerechtigkeit in für eine Ausbildung in einem Handwerksbetrieb begeis- unserem Bildungssystem angehen wollen. Welche Mittel tern können. wollen Sie dafür in die Hand nehmen, ohne dabei das Kooperationsverbot zu missachten, sodass der Kollege (Beifall bei der CDU/CSU) von der SPD nicht wieder auf Herrn Kretschmann ver- weisen muss? Beides trägt zur Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes bei. Am Ende sollte es kein Ranking und keine Wertung des gewählten Weges geben. Eine Berufsausbildung ist Patricia Lips (CDU/CSU): immer die Basis für ein selbstbestimmtes Leben. Dies Sehr geehrter Herr Mutlu, nicht allein der Bildungs- betrifft gleichermaßen die Weiterbildung in einer Welt, ausschuss ist dafür verantwortlich, sich mit der demo- in welcher der technische Fortschritt immer rasanter Ein- grafischen Entwicklung zu beschäftigen. Viele Institu- zug hält. tionen und andere Ausschüsse machen sich ebenfalls darüber Gedanken, vielleicht auch der eine oder andere, Wir erleben zurzeit eine Verschiebung zugunsten ei- der hier sitzt. Wie dem auch sei: Das Thema demografi- nes akademischen Weges, unabhängig davon, ob dieser (B) sche Entwicklung müssen wir ressortübergreifend ange- (D) Weg von Anfang an oder im Anschluss an eine Ausbil- hen. dung eingeschlagen wird. Man muss dies im Zusammen- hang mit der demografischen Entwicklung in unserem Es ist unser Ziel – wenn Sie den Koalitionsvertrag le- Land sehen. Aus Gesprächen kennt jeder von uns die Er- sen, dann können Sie das erkennen –, niemanden zu- fahrungen, die IHKn und Handwerkskammern machen. rückzulassen und jeden jungen Menschen nach seinen Den Betrieben fällt es immer schwerer, Nachwuchs zu Möglichkeiten zu fördern. Etwas anderes können wir finden. uns gar nicht mehr erlauben. Wir müssen es schaffen, auch junge Menschen mit Migrationshintergrund in spe- Wir stellen fest: Die Zahl der Bewerber, die keinen ziell entwickelte Maßnahmen einzubinden. Wir müssen Ausbildungsplatz erhalten haben, ist gestiegen, aber es aber gleichermaßen schaffen, leistungsstarke junge auch die Anzahl der unbesetzten Ausbildungsstellen. Sie Menschen vom Wert der beruflichen Ausbildung zu haben vor allem in kleineren und mittelständischen Be- überzeugen, sodass sie nicht automatisch den Gang zu trieben einen Höchststand erreicht. Ganz offensichtlich einer Hochschule antreten. kommen Wunsch und Angebot nicht mehr so recht zu- sammen. Wir müssen uns deshalb die Frage stellen: Be- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nötigen junge Menschen mehr als in früheren Jahren neten der SPD) eine stärkere Orientierungshilfe bei ihrer Berufswahl? Ich bin der festen Überzeugung – darauf wäre ich spä- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ter noch eingegangen; Sie haben mir durch Ihre Frage die Möglichkeit eröffnet, schon an dieser Stelle darüber zu sprechen –, dass es uns über den Bereich der berufli- Vizepräsident Peter Hintze: chen Bildung hinaus gelingen muss, stärker an die jun- Frau Kollegin, es gibt einen Fragewunsch des Kolle- gen Menschen heranzukommen. Da liegen wir gar nicht gen Mutlu. Möchten Sie die Zwischenfrage zulassen? weit auseinander. Ich gebe Ihnen in diesem Punkt völlig recht. Patricia Lips (CDU/CSU): Aber wir müssen sehen, dass wir nur Stück für Stück Ich lasse sie zu. vorankommen können. Wir können es uns, wie gesagt, nicht erlauben, jemanden zurückzulassen. Es gibt viele junge Menschen, deren Begabung noch nicht erkannt Vizepräsident Peter Hintze: wurde. Diese müssen wir erreichen. Ich sage ausdrück- Bitte schön, Herr Kollege. lich, dass der Bund das nicht alleine schultern kann. Alle Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 887

Patricia Lips (A) politischen Ebenen stehen hier in der Verantwortung. Damals setzte man auf FCKW, weil es nicht brennt. (C) Was der Bund an finanzieller Entlastung beitragen kann, Dann begann sich die Ozonschicht aufzulösen. Man fing das wird er gerne leisten. an zu suchen und entdeckte FCKW als Ursache. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vizepräsident Peter Hintze: Dann warten wir ab!) Herr Kollege, Ihr Redebeitrag hat schon einen Nach- fragewunsch ausgelöst. Wollen Sie eine Nachfrage des Wir sind uns alle darüber einig, dass wir unser Er- Kollegen Feist zulassen? folgsmodell „berufliche Bildung“ – es ist doch ein Er- folgsmodell – aufrechterhalten und stärken wollen. Ich (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ging aber sagte es bereits: Wir können diese jungen Menschen fix!) nicht zurücklassen. Demografie und Fachkräftemangel kommen hinzu. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Ja. Die Probleme beginnen nicht erst, wenn ein junger Mensch unmittelbar im Übergang von der Schule zur Ausbildung ist, und sie hören an dieser Stelle auch nicht Vizepräsident Peter Hintze: auf. Daher haben wir es – ich sage es noch einmal – Bitte, Herr Feist. nicht mit einer Aufgabe allein des Bundes zu tun, son- dern es geht nur voran im Dialog mit allen politischen Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Ebenen, den Betrieben, den Sozialpartnern, kurz: einer Sehr geehrter Kollege, Sie haben gesagt, Forschung Allianz für Aus- und Weiterbildung, Stichwort „Bil- und Innovation sei uns wichtig, Export natürlich auch dungsketten“. – das ist klar –; aber für Technikfolgenabschätzung gä- Wir brauchen ausbildungsbegleitende Hilfen. Wir brau- ben wir nichts aus. chen eine Stärkung der Qualifizierung. Wir brauchen eine Erhöhung der Durchlässigkeit im Bildungssystem. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Das sind alles Punkte, über die wir reden müssen, die Sie Nicht so viel. übrigens auch im Koalitionsvertrag finden können. Ich bin mir sicher: Diese Aufgabe wird in der kommenden Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Zeit einen breiten Raum einnehmen und einen Schwer- punkt bilden. Denn nur wenn wir sie bewältigen, bleibt Was ist Ihrer Meinung nach der Betrag, den wir jähr- (B) unser Land auf Dauer stark. Lassen Sie uns gemeinsam lich für Technikfolgenabschätzung ausgeben? (D) daran arbeiten. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Danke schön. Ich sagte nicht, Sie gäben nichts aus. Ich sagte – wenn (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Sie genau zugehört hätten, wüssten Sie es –: Davon hört man bei Ihnen nichts.

Vizepräsident Peter Hintze: Ich verweise auf die EU-Kommission, der auch Mit- Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen glieder Ihrer Partei angehören: Das EU-Forschungsrah- Ralph Lenkert, Fraktion Die Linke. menprogramm stellt 70 Milliarden Euro für Innovation und Forschung und 460 Millionen Euro für – – (Beifall bei der LINKEN) (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: 2 Millionen Euro im Jahr stehen im Haushalt!) Ralph Lenkert (DIE LINKE): – „2 Millionen Euro“ – Wahnsinn! Wissen Sie, wie viel Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Sie für Kernenergieforschung ausgegeben haben? Kollegen! Forschung muss marktnah sein. Forschung 168 Milliarden Euro, allerdings ohne die Folgen zu be- muss der Exportindustrie nutzen. – Das ist der Bundes- rücksichtigen. regierung, das war auch heute zu hören, extrem wichtig. Aber von der Erforschung von Risiken – von Technolo- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- giefolgen sowie den Risiken unseres Wirtschaftens – neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) hört man nichts. Ich fahre fort. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das Dann begann sich die Ozonschicht aufzulösen, und Sie stimmt!) haben FCKW als Ursache identifiziert. Ihre industrie- Was passiert, wenn man Risikoforschung unterlässt, nahen Forscher entwickelten dann R134a als Kältemittel – möchte ich Ihnen an einem kleinen Beispiel einmal nä- Problem gelöst. Das dachte man, bis im Zusammenhang her erläutern. Seit den 80er-Jahren wurden Pkw-Klima- mit der Klimaerwärmung Ihre Wissenschaftlerinnen und anlagen verbreitet eingesetzt. Wissenschaftler endlich erkannten: Dieses Mittel wirkt klimaerwärmend; es muss weg. Die EU-Kommission (Dagmar Ziegler [SPD]: Nicht in der DDR!) sorgte für ein Verbot ab 2017. 888 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Ralph Lenkert (A) Jetzt stellt die industrienahe Forschung ein neues (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Kai (C) Wundermittel bereit: R1234yf. Nebenwirkung: hohe Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Brennbarkeit. 1980 wäre so etwas noch verboten gewe- 10 Milliarden für Rente pro Jahr! Damit ist sen. Ein Zerfallsprodukt dieses Mittels ist Trifluoressig- klar, welche Schwerpunkte Sie setzen!) säure. Sie schädigt Wasserorganismen und baut sich Es ist aber genauso richtig, dass Bildung für die Men- nicht ab. Völlig ausgeblendet wurde: Beim Verbrennen schen natürlich noch mehr bedeutet. Bildung kann Men- dieses Mittels entsteht Fluorwasserstoff und daraus schen aus ihrer Unmündigkeit befreien. Sie kann sie zu Flusssäure. Spätestens jetzt sollten Sie begreifen, dass kritikfähigen Menschen machen, die ihr Leben selbst in die Risikoforschung unverzichtbar ist und die Mittel da- die Hand nehmen. Deswegen ist es unsere Aufgabe, für für maximal aufgestockt werden müssen. die beste Bildung für alle zu sorgen, und zwar unabhän- (René Röspel [SPD]: Aber es ist doch Aufgabe gig davon, welches Geschlecht sie haben, wo sie her- der Industrie, dafür zu sorgen! Das muss doch kommen oder was die Eltern besitzen oder waren. nicht schon wieder der Staat tun, oder?) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Gefahren durch Weichmacher, Nebenwirkungen von der CDU/CSU) Nanopartikeln – die Risiken dieser Kältemittel wurden Wir finden uns mit der bestehenden Ungerechtigkeit stets erst nach dem Auftreten von Schäden erkannt. Bisher nicht ab. Deswegen, Frau Wanka, können Sie sicher hat auch diese Regierung nicht gelernt, dass man For- sein, dass wir Ihre Verbündeten sind, wenn es darum schung zu Umweltfragen, zu ethischen Gesichtspunkten geht, Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. und zum Schutze der Menschen massiv verstärken muss. Die Linke fordert hier deutlich mehr Mittel. Ich will im weiteren Verlauf zu drei zentralen Heraus- forderungen Anmerkungen machen: (Beifall bei der LINKEN) Die erste Anmerkung – Frau Kollegin Lips hat das Es ist ein Armutszeugnis, dass erst die Deutsche Um- schon angesprochen – betrifft das duale System der Be- welthilfe mit Versuchen an Pkw nachwies, dass rufsausbildung. Ich glaube, es braucht mehr als schöne R1234yf, in Pkw eingefüllt, zur tödlichen Konzentration Worte. Wir müssen es noch attraktiver gestalten und von Flusssäure führen kann. Kein Institut, keine Univer- Brücken für alle bauen. sität, keine Bundesbehörde untersuchte dies – trotz deut- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – licher Hinweise. Frau Ministerin Wanka, meist müssen Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das machen Menschen und Umwelt die Folgen von unterlassenen Ri- wir!) sikountersuchungen tragen. Deshalb müssten Sie han- deln. Es ist unbestritten – das darf ja in keiner Rede fehlen –, (B) dass das duale System eines der Prunkstücke des deut- (D) Übrigens: Die Automobilindustrie muss mehrere Mil- schen Bildungswesens und natürlich auch das Rückgrat liarden Euro einsetzen, um das von R1234yf verursachte der industriellen Wirtschaft und des Handwerks ist. Dilemma zu beseitigen. Allerdings hält sich mein Mit- leid da in Grenzen. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn gegen die Warteschlei- Wenn Sie zukünftig Schaden von Menschen, Umwelt fen?) und auch von Ihrer geliebten Industrie abhalten wollen, dann erhöhen Sie die Mittel für die Risikoforschung! Die Wir müssen aber auch feststellen – ich finde, dass auch Linke wird dies unterstützen. die offene Diskussion über den Berufsbildungsbericht, die wir im Ausschuss geführt haben, das deutlich ge- (Beifall bei der LINKEN – Dr. Thomas Feist macht hat –, dass sich die Situation aus Sicht vieler aus- [CDU/CSU]: Sie vergiften das Vertrauen! – bildungswilliger junger Menschen verschlechtert hat. [CDU/CSU]: Unglaublich!) Viele, die ausgebildet werden wollen, finden keinen Ausbildungsplatz, und die Zahl der ausbildenden Be- Vizepräsident Peter Hintze: triebe hat sich erneut verringert. Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen (René Röspel [SPD]: Ja!) Oliver Kaczmarek, SPD-Fraktion. Wir müssen alles unternehmen, um die Leistungsfä- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) higkeit des dualen Systems zu erhalten. Dazu müssen wir aus meiner Sicht in den nächsten vier Jahren dafür Oliver Kaczmarek (SPD): sorgen, dass kein Jugendlicher, der noch eine Brücke in Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter dem die Ausbildung braucht, Zeit verliert. Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit oder vor dem (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann Hintergrund, dass wir in Deutschland insgesamt weniger [SPD]) Menschen werden, dass wir aber zunehmend älter wer- den und trotzdem den gleichen Wohlstand erwirtschaften Es ist natürlich richtig, in den Maßnahmendschungel müssen, ist es richtig, dass man jetzt in Bildung und For- einzugreifen und eine bessere Instrumentenreform schung investieren muss. Ich sage auch: 9 Milliarden durchzuführen, als es in der vergangenen Wahlperiode der Fall war. Euro zusätzlich in den nächsten vier Jahren, das ist eine stolze Summe. Das kann man hier im Plenum auch ruhig (Beifall der Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann mehrmals sagen. [SPD] und René Röspel [SPD]) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 889

Oliver Kaczmarek (A) Wir müssen auch dafür sorgen, dass keine Maßnahme, die aktuellen Entwicklungen an den Hochschulen anpas- (C) kein Übergang ohne Anschluss bleibt. Das Ziel ist die sen muss. Deshalb ist es folgerichtig – das haben wir im Berufsausbildung für alle jungen Menschen, die das Koalitionsvertrag vereinbart –, die Verhandlungen über wollen. die dritte Phase des Hochschulpaktes zügig aufzuneh- men und bundesseitig die Grundfinanzierung der Hoch- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) schulen zu verbessern. Die SPD ist überzeugt, dass das duale System in der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Lage ist, sich großen Herausforderungen zu stellen. Wir der CDU/CSU) finden es richtig, dass wir uns in der Koalition darauf verständigt haben, den Ausbildungspakt zusammen mit Es ist uns allen klar, dass der Bund dabei gemeinsam den Sozialpartnern zu einer Allianz für Aus- und Weiter- mit den Ländern Verantwortung dafür übernehmen bildung weiterzuentwickeln. Ich denke, in dieser ge- muss, dass die Basis der Bildungsfinanzierung verbrei- meinsamen Kraftanstrengung muss es uns gelingen, tert wird. Wir müssen deshalb die Voraussetzungen dafür dafür zu sorgen, dass jeder Jugendliche, der einen Aus- schaffen, dass Bund und Länder in der Bildung tatsäch- bildungsplatz sucht, auch tatsächlich einen findet. Wir lich sinnvoll miteinander kooperieren können. Dazu ge- wollen eine Ausbildungsgarantie verwirklichen, auf die hört auch die Forderung, das Grundgesetz entsprechend sich junge Menschen verlassen können. Jeder, der einen zu ändern. Wir als SPD wollen das weiterhin nicht nur Ausbildungsplatz sucht, soll auch einen bekommen. Das auf Teilbereiche bezogen sehen, sondern auf die Ge- ist ein wichtiges bildungspolitisches Ziel. samtverantwortung für das Bildungswesen beziehen. Wir werden jedoch gemeinsam darüber reden, wie wir (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten das umsetzen können. der CDU/CSU) Ich sage noch eines: Ich würde mich freuen, wenn Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zweite Anmer- sich die Große Koalition in dieser Frage auch angesichts kung. Es ist natürlich an der Zeit, das BAföG zu moder- der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat als Koalition nisieren und zu verbessern. Es ist unstrittig: Auch über der Einladung begreift, die alle relevanten politischen 40 Jahre nach seiner Einführung ist das BAföG ein un- Akteure in Bundestag und Bundesrat zum Mitgestalten verzichtbares Element der Studienförderung, das vielen einlädt. „Gemeinsam etwas nach vorne bringen“ – beim jungen Menschen dabei hilft, unabhängig vom Geldbeu- BAföG, bei der Hochschulfinanzierung –, das wäre eine tel der Eltern ein Studium überhaupt erst aufzunehmen. schöne Überschrift für die nächsten vier Jahre. Wir Deshalb sind wir gemeinsam, denke ich, der Meinung freuen uns darauf. – das wird auch im BAföG-Bericht nachzulesen sein –, (B) dass die über 3 Milliarden Euro, die Bund und Länder Vielen Dank. (D) jedes Jahr für das BAföG ausgeben, wirklich sehr gut angelegtes Geld sind. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Peter Hintze: Ich erteile dem Kollegen Gehring das Wort zu einer Aber es ist eben auch nicht von der Hand zu weisen, Kurzintervention. dass es hier Reformbedarf gibt, weil sich die hochschul- rechtlichen und die gesellschaftlichen Rahmenbedingun- gen verändern. Deshalb müssen wir gemeinsam mit den Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ländern – es liegt auf der Hand, dass es nicht anders Ich hätte gerne eine kurze, knackige Frage gestellt. geht – einen Modernisierungsschub beim BAföG erzeu- Aber da mein Handzeichen nicht wahrgenommen wurde, gen, der die Situation der Studierenden spürbar und sub- bleibt nur die Möglichkeit einer Kurzintervention. stanziell verbessert, und zwar noch in dieser Wahlpe- Herr Kaczmarek, Sie hatten im Mai letzten Jahres mit riode. Das ist unser gemeinsames politisches Ziel. viel Tamtam einen Antrag zu einem Ganztagsschulpro- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gramm in den Deutschen Bundestag eingebracht. Er be- der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ inhaltete einen „Masterplan Gute Ganztagsschule“. In DIE GRÜNEN]: Wann kommt denn Ihr Ge- einem ersten Schritt wollten Sie in den ersten vier Jahren setzentwurf?) 8 Milliarden Euro in den Ausbau von Ganztagsschulen investieren. Sie haben dazu jetzt nichts gesagt. Ich Dritte Anmerkung: Bund, Länder und Kommunen möchte gerne von der SPD-Bundestagsfraktion wissen, müssen sich ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung für was daraus geworden ist, inwieweit Sie sich für Ganz- die Bildungspolitik gemeinsam stellen. Wir freuen uns, tagsschulen weiter einsetzen wollen. Sie haben das Ko- dass so viele junge Menschen wie noch nie in Deutsch- operationsverbot angesprochen. land ein Hochschulstudium aufgenommen haben. Damit sind große finanzielle Herausforderungen verbunden, (Zuruf des Abg. Dr. [CDU/ die Bund und Länder gemeinsam im Hochschulpakt an- CSU]) gegangen sind. – Darf ich meine Kurzintervention zu Ende führen? Die SPD hat in den vergangenen Jahren immer wieder Danke. Sie können sich gerne melden und beteiligen. angemahnt, dass der Bund seine Ausgaben zeitnah an Wir sind ein Beteiligungsparlament. 890 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

(A) Vizepräsident Peter Hintze: Nie zuvor wurde in unserem Land so viel in Bildung und (C) Ich bitte, geschäftsleitende Bemerkungen dem Präsi- Forschung investiert wie unter , und das dium zu überlassen, Herr Kollege. trotz des notwendigen Konsolidierungskurses beim Bun- deshaushalt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) In diesem Jahr sollen dem Bundesministerium für Bil- Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dung und Forschung rund 14 Milliarden Euro zur Verfü- Danke, Herr Präsident. – Sie haben gerade zum Ko- gung stehen. Bei Regierungsübernahme 2005 lag die operationsverbot Stellung bezogen. Wenn es nicht fallen Zahl noch bei rund 7,5 Milliarden Euro. sollte: Welche Umgehungstatbestände plant die SPD, um (René Röspel [SPD]: Was?) ihr Vorhaben umzusetzen? Alleine dadurch wird deutlich: Wir investieren massiv in Vizepräsident Peter Hintze: die Zukunft unseres Landes, und dieses Geld ist gut an- Kollege Kaczmarek möchte antworten. gelegt. (Beifall bei der CDU/CSU) Oliver Kaczmarek (SPD): Gerade für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland Vielen Dank, Herr Kollege Gehring, für die Gelegen- ist es wichtig, unsere Spitzenstellung auf dem Gebiet der heit, noch einmal darauf eingehen zu können. – Natür- Lehre und Forschung nicht nur zu halten, sondern auszu- lich hält die SPD-Fraktion gemeinsame Anstrengungen bauen. Wir wollen eine attraktive, wettbewerbsfähige von Bund und Ländern mit dem Ziel einer Initiative zum und international vernetzte Hochschullandschaft mit Ganztagsschulausbau für wünschenswert. besten Rahmenbedingungen für die Studierenden und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten den wissenschaftlichen Nachwuchs. der CDU/CSU) In den letzten Jahren wurden nicht nur die Finanzmit- Ich will das noch einmal betonen. Aber Sie kennen auch tel für den Bildungs- und Forschungsbereich spürbar er- das Ergebnis der Bundestagswahl. höht, sondern auch konkrete Maßnahmen ergriffen, von denen die Hochschulen erheblich profitieren. Lassen Sie (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: mich den Hochschulpakt 2020 herausgreifen, durch den Aber Sie regieren doch mit!) zusätzliche Studienplätze geschaffen werden konnten. Über 500 000 junge Menschen haben im letzten Jahr ein (B) Zu diesem Thema konnten wir in der Koalition keine Ei- Studium aufgenommen. Das ist absoluter Rekord. Die- (D) nigkeit erzielen. Wir beide kommen aus Nordrhein- sen beachtlichen Erfolg verdanken wir dem Hochschul- Westfalen. Wir wissen, dass in Koalitionsverhandlun- pakt und dem Zusammenspiel von Bund und Ländern, gen, egal in welcher Farbkombination, immer Kompro- und diese Zusammenarbeit müssen und wollen wir fort- misse gemacht werden müssen. Leider müssen wir an setzen, weil dieser Weg richtig und wichtig ist, meine dieser Stelle akzeptieren, dass wir in diesen vier Jahren sehr geehrten Damen und Herren. hier nicht weiterkommen. Aber wer weiß, was danach ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) (Beifall bei der SPD) Unsere Hochschulen genießen international einen Vizepräsident Peter Hintze: hervorragenden Ruf. Der schönste Beleg dafür ist die Zahl der ausländischen Studierenden, die zu uns kom- Als Nächstem erteile ich das Wort zu seiner ersten men, um hier bei uns in Deutschland zu studieren. Sie Rede im Deutschen Bundestag dem Kollegen Dr. Wolfgang kommen gerne nach Deutschland, denn sie wissen um Stefinger, CDU/CSU-Fraktion. die Qualität der Ausbildung und darum, welche berufli- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) chen Chancen sich für sie im Anschluss ergeben. Lassen Sie mich aber auch ein Augenmerk auf dieje- Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU): nigen richten, die ihr Studium nicht weiterführen. Ihnen Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und wollen wir eine neue berufliche Perspektive eröffnen. Kollegen! Ich freue mich, dass ich meine erste Rede hier Wir müssen aber auch klar kommunizieren, dass der im Deutschen Bundestag zu einem Thema halten darf, Handwerker für unsere Gesellschaft genauso wichtig ist das für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes von ent- wie der Ingenieur. scheidender Bedeutung ist. Bildung und Forschung sind (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Kai Grundlage für Wohlstand, Fortschritt und Wirtschafts- Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer wachstum. Bildung und Forschung haben in der unions- bestreitet das denn noch?) geführten Bundesregierung einen hohen Stellenwert. Seit 2005 sind die Investitionen in diesem Bereich stetig Der Fleißige und Lernwillige bekommt vielfältige Chan- gewachsen. cen und Unterstützung, um weiter voranzukommen. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Auch seit Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen eine ver- 1998!) lässliche Ausbildungsförderung sicherstellen, damit ge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 891

Dr. Wolfgang Stefinger (A) rade Studierende gefördert werden können, die aus ei- kommen haben, sind nicht alle Blütenträume gereift. (C) nem finanziell schwächeren Umfeld kommen. Daneben Jedoch sollten Sie sich einmal anschauen, was im Koali- bieten unsere Begabtenförderungswerke zusätzliche Fi- tionsvertrag verankert ist. Vielleicht sind einige Punkte nanzierungs- und Bildungschancen für unseren hochqua- dabei, die auch Ihnen gefallen werden. Diese könnten lifizierten Nachwuchs. Seit 2005 hat sich die Zahl der Sie dann in Ihrer Rede ruhig einmal erwähnen. Ich finde, Stipendien mehr als verdreifacht. Auch das Deutschland- ein bisschen Balance wäre nicht schlecht. stipendium ist ein Erfolg und wird fortgeführt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der CDU/CSU) der CDU/CSU) Damit zeigen wir jungen Menschen, dass sich Leistung Herr Lenkert, ich bin Chemikerin, aber ich muss ehr- lohnt. lich sagen: Ich konnte Ihnen nicht bei allem folgen. Viel- leicht sollten wir in einem Zwiegespräch noch einmal Bei all diesen Erfolgen sind wir uns natürlich be- darüber reden. In der heutigen Debatte möchte ich je- wusst, dass es weiterhin viel zu tun gibt. Einer Reihe von doch keine weiteren Ausführungen dazu machen. Herausforderungen wollen und werden wir uns gemein- sam mit den Akteuren im Wissenschaftsbereich stellen. (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ich helfe Ihnen gerne!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, für die unionsgeführte Bundesregierung ist klar: Gute Bildung – Gut. ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Berufsleben. Eine aktive Innovations- und Forschungspolitik ist Basis Ich möchte meinen Blick auf die Forschung in Ost- für Wachstum und Wohlstand. Die Weichen sind richtig deutschland richten, und das nicht, weil das bisher keiner gestellt. Der Bildungszug fährt; er fährt in die richtige gemacht hat. Das hat zwei andere Gründe. Der erste ist Richtung und mit Volldampf in die Bildungsrepublik ein ganz persönlicher Grund. Ich komme aus Freiberg, Deutschland. einer Stadt in Mittelsachsen mit Bergbautradition und ei- ner technischen Universität. Es ist ein interessanter Ort Vielen Dank. mit viel innovativer Kompetenz. Als langjährige Mitar- beiterin an dieser Universität hatte ich viele Gelegenhei- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ten, verschiedenste Förderprogramme kennenzulernen neten der SPD – René Röspel [SPD]: Wir sind und mich mit ihren Stärken und Schwächen auseinander- schon elektrifiziert!) zusetzen. Vizepräsident Peter Hintze: Der zweite Grund ist eher allgemeiner Art. Ost- deutschland verfügt mittlerweile über ein wirklich gutes (B) Das Präsidium gratuliert Herrn Dr. Stefinger zu seiner (D) ersten Rede und dankt für die Einhaltung der Redezeit. Netz von Bildungs- und Forschungseinrichtungen mit Es ist nämlich eine Frage der Solidarität: Wenn sich je- hoher Innovationskraft. Es hat mich sehr gefreut, dass der an die Redezeit hält, kommen auch alle zu ihrem Frau Ministerin Wanka das Thema Innovation in ihrem Recht. Programm und auch heute in ihrer Rede an erste Stelle gestellt hat. (Beifall) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ebenfalls zu ihrer ersten Rede gebe ich jetzt Frau Dr. Simone Raatz von der SPD-Fraktion das Wort. Dieses dichte Netz ist eine gute Grundlage für die Stär- kung einer wissensbasierten regionalen Wirtschaft, ge- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rade auch in Ostdeutschland. der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen: Diese Entwicklung ist nicht vom Himmel gefallen. In Dr. Simone Raatz (SPD): der letzten Großen Koalition haben wir gemeinsam viel Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und dafür getan. Die SPD hat diese Entwicklung maßgeblich Kollegen! Ich kann mich der Ministerin und meinen Vor- durch Programme wie „Unternehmen Region“ mit ini- rednern von der Koalition in einem Punkt sofort an- tiiert. Mein besonderer Dank gilt hierbei Edelgard schließen – ich wiederhole gerne, was schon gesagt Bulmahn – ich bewundere es immer wieder, wie sie sich wurde –: Mit dem Koalitionsvertrag setzen wir ein star- damals durchgesetzt hat –, die dieses Programm auf den kes Signal für die Zukunftsfelder Bildung und For- Weg gebracht hat. schung. Wir wollen hier 9 Milliarden Euro zusätzlich be- reitstellen. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) „Unternehmen Region“ ist ein Innovationsprogramm, das mittlerweile mit acht Einzelinitiativen den Ausbau Wir werden gemeinsam im Ausschuss beraten, wie wir technologischer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher diese Mittel zielgerichtet einsetzen können. Frau Lips, Kompetenzen in den neuen Bundesländern fördert. Auf- ich gebe Ihnen recht: Das ist in jedem Fall eine gute In- grund der Erfahrungen aus meinem Wahlkreis kann ich vestition in die Zukunft. bestätigen, dass diese Förderinitiative des Bundesminis- Frau Gohlke, ich habe Ihrem Redebeitrag intensiv ge- teriums für Bildung und Forschung in strukturschwäche- lauscht und kann nicht ganz verstehen, warum Sie im- ren Regionen ganz wichtige Wachstumsimpulse gesetzt mer in einem Totalverriss enden müssen. Wie Sie mitbe- hat und – so hoffe ich – weiterhin setzen wird. Darüber 892 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Dr. Simone Raatz (A) hinaus leistet diese Initiative einen ganz wesentlichen die Entwicklung nachhaltig zu gestalten. Ich bin mir (C) Beitrag zur Nachwuchsförderung und zur Internationali- nach den Worten von Frau Ministerin Wanka sicher, dass sierung. Bisher war sie ein sehr großer Erfolg. wir diese Programme weiterführen werden und dem Ausbau von Programmen wie „Unternehmen Region“ (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten von unserer Seite zukünftig nichts im Wege stehen wird. der CDU/CSU) Vielen Dank. So wird an der Freiberger Universität ein Zentrum für Innovationskompetenz mit dem Namen „Virtuhcon“ (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) – Virtuelle Hochtemperaturkonversionsprozesse – mit etwa 17 Millionen Euro gefördert. Ziel ist es, die Region Vizepräsident Peter Hintze: nachhaltig zu stärken. Beschäftigt sind hier 25 Nach- Frau Kollegin Dr. Raatz, Glückwunsch zu Ihrer ersten wuchswissenschaftler, prima junge Leute aus immerhin Rede im Deutschen Bundestag. neun Nationen – das ist bemerkenswert –, die eng mit der regionalen Wirtschaft kooperieren und nicht nur vor (Beifall) Ort wichtige Impulse setzen. Es ist deshalb absolut rich- Letzter Redner in der Aussprache ist mit seiner ersten tig und wichtig, dass solche Programme in der Großen Rede im Deutschen Bundestag Stephan Albani, CDU/ Koalition weitergeführt werden. CSU-Fraktion. – Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Albani. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der CDU/CSU) der CDU/CSU)

Es freut mich außerordentlich, dass im Bundeshaus- Stephan Albani (CDU/CSU): halt für 2014 erneut 146 Millionen Euro speziell für die Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Innovationsförderung in den neuen Ländern vorgesehen Kollegen! Bevor ich zum eigentlichen Thema meiner sind. Ausführungen komme, möchte ich ganz kurz auf die Trotz der unbestritten positiven Entwicklung müssen herbe Wirtschafts- und Industrieschelte eingehen, die wir an manchen Stellen zukünftig nachjustieren. So gibt wir hier vor 20 Minuten hören mussten. es nach wie vor Schwierigkeiten bei der Übertragbarkeit Für mich, der ich seit 20 Jahren an der Schnittstelle von Forschungsergebnissen auf die Wirtschaft. Die Lü- zwischen Wissenschaft und Wirtschaft arbeite, sind Wis- cke zwischen wissenschaftlicher Grundlagenforschung senschaft und Wirtschaft keine Gegenpole. Wissenschaft auf der einen Seite und kommerzieller Verwertung auf und Wirtschaft, Hochschule und Industrie sind keine Ge- der anderen Seite ist ein chronisches Defizit des deut- genpole, sondern im Prinzip zwei Elemente einer Pro- (B) schen Forschungs- und Innovationssystems. Diese Situa- zesskette. Sie muss funktionieren – fraglos –, aber die (D) tion zu verbessern, wird eine unserer Aufgaben in dieser Elemente sind nicht zu trennen, erst recht nicht in gut Legislaturperiode sein. und schlecht; das wäre zu einfach. Womit ich beim zweiten Punkt bin: Es gibt nach wie (Beifall bei der CDU/CSU – Ralph Lenkert vor deutliche Strukturunterschiede zwischen Ost und [DIE LINKE]: Haben Sie ein Glück, dass das West. Während in den alten Ländern ein Großteil der die erste Rede ist!) Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen aus der Wirtschaft direkt kommt, werden diese Aufwendungen – Das ist okay. in den neuen Ländern meistens staatlich finanziert. So Als Redner bin ich nun zwar der Letzte in der Debatte investieren beispielsweise die Unternehmen in Baden- zur Regierungserklärung. Thematisch stehen Forschung Württemberg 3,6 Prozent des landesweiten BIP in For- und Innovation aber am Anfang jedes erfolgreichen Pro- schung und Entwicklung. Schauen wir einmal nach jektes der Menschen. Ohne Innovationsfreude wären wir Brandenburg oder Sachsen-Anhalt: Dort sind es gerade heute nicht hier, in diesem sehr innovativen Haus mit einmal 0,3 Prozent, also nicht einmal ein Zehntel. Ich Erdwärmeheizung und Solaranlagen auf dem Dach. denke, da müssen wir etwas tun. Programme wie Indus- trie 4.0 sind richtige Ansätze, um die Zusammenarbeit (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Und krea- und den Austausch zwischen Wirtschaft und For- tiven Abgeordneten!) schungseinrichtungen insgesamt zu fördern und die In- – Bitte? dustrie zu weiteren Investitionen zu bewegen. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Und krea- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tiven Abgeordneten!) der CDU/CSU) – Und kreativen Abgeordneten. Natürlich, um Gottes Vizepräsident Peter Hintze: willen, nicht zu vergessen. Frau Kollegin. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Und mit einer hervorragenden Audiotechnik. Diese Be- Dr. Simone Raatz (SPD): merkung sei mir erlaubt, da ich aus diesem Bereich Ich komme zum Schluss. komme. Dank der Technik können Sie mich bestens hö- Sie sehen, wir haben bereits viel Gutes auf den Weg ren und im Wahlkreis sogar sehen. Das ist ein schönes gebracht. Ich hoffe, dass wir dies verstetigen können, um Beispiel dafür, dass Innovationen manchmal zwei An- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 893

Stephan Albani (A) läufe brauchen – manche werden sich noch erinnern –, auch in der nachhaltigen Wirtschaftsweise. Auch eine (C) bevor sie richtig funktionieren. weise Energiepolitik kann dank neuer Resultate im Be- reich von Speichermedien und der effizienten Nutzung Gerade diese unsere deutschen Forschungsergebnisse der regenerativen Energien möglich werden. Wir wollen und unsere Innovationskraft waren und sind unsere diese Zukunftsaufgabe im Verbund von Wissenschaft, Stärke. Ein Fünftel der Wirtschaftsleistung unseres Lan- Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gestalten. des wird durch den Export eben jener Technologiegüter erbracht. Wir haben immer mit Köpfchen kompensiert, Deutschland ist aber auch Schrittmacher in ganz an- was uns an Rohstoffen fehlte. So haben wir es zu Wohl- deren Bereichen, zum Beispiel in der medizinischen For- stand gebracht und in der Welt viel Anerkennung be- schung. In diesem Bereich der Gesundheitsforschung, kommen. wo Forschung im Dienste der Menschen steht – das ist generell so –, werden von uns zukünftig weitere Projekte Wenn es nun um die nachhaltige Sicherung des Wirt- in den Fokus genommen werden. Es geht dabei zum Bei- schaftsstandorts Deutschland geht – sie wurde in Mese- spiel darum, Krankheiten mit individualisierter Medizin berg wieder zur Leitlinie erklärt –, dann müssen wir besser therapieren zu können und so nicht nur For- diese Innovationsfähigkeit unseres Landes nicht nur er- schungsergebnisse zu erreichen, sondern unser aller Zu- halten, sondern auch verstärken und ausbauen. Und wir kunft und persönliche Lebensqualität zu verbessern. müssen neue Wege suchen; denn wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein – Philip Rosenthal. Im Alter ein selbstbestimmtes Leben führen zu kön- nen, wird auch weiterhin Inhalt und Fokus von For- Die Tatsache, dass das Bundesministerium für Bil- schung sein. Hier zeigt sich, dass zum Beispiel ein wei- dung und Forschung seit 2005 mit großer Kontinuität ge- terer Schwerpunkt kommunale Beratungsstellen unter führt wurde, ist – das möchte ich als jemand, der aus der dem Motto „Besser leben im Alter durch Technik“ sein Forschung kommt, einmal sagen – ein Glücksfall; denn werden. Dies zeigt, dass Forschung auf der einen Seite Kontinuität in der Bildungs- und Forschungspolitik war und die Vermittlung der Ergebnisse auf der anderen Seite entscheidend für die Erfolge der letzten Jahre. elementare Aufgaben der Forschungs- und Innovations- politik sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. René Röspel [SPD]) Wir haben in diesem Zeitraum die Anzahl angemelde- ter Patente um 16 Prozent steigern können und liegen da- Zu den Forschungsaufgaben gehört auch, die europäi- mit konstant vor den USA und Japan. schen und internationalen Forschungskooperationen aus- zubauen und zu vertiefen. Im Austausch mit anderen und (B) (Beifall bei der CDU/CSU) vom Wissen anderer können wir nur profitieren. Ja, das (D) Die Festschreibung des Anteils von 3 Prozent des Brut- alles kostet Geld. Gestern hat Herr Riesenhuber dies toinlandsprodukts für Bildung und Forschung auch für charmant mit „gell“ quittiert. Es braucht auch Zeit. Diese die nächsten Jahre garantiert die Absicherung dieser For- Zeit müssen wir geben. Wir investieren in kluge Köpfe, schungsergebnisse und vieler weiterer Förderprojekte. dürfen aber die Herzen nicht vergessen. Wir müssen un- Wer sich davon überzeugen will, kann dies einfach tun, seren Wissenschaftlern zur Seite stehen, wenn sie der indem er die Internetseite www.foerderkatalog.de auf- Mut verlässt, das eine oder andere Forschungsergebnis ruft. 110 000 Projekte von Kreativität und Erfolg sind in tragfähige Produkte zu überführen. dort zu sehen. Wir sind auf einem richtigen Weg, wenn wir konse- quent und kontinuierlich in Forschung und Innovationen (Beifall bei der CDU/CSU) investieren, wenn wir jungen Wissenschaftlerinnen und Wir müssen heute säen, wenn wir morgen wirtschaft- Wissenschaftlern den Mut zur Innovation, den Mut zur lichen Erfolg ernten wollen. Das gilt insbesondere für Umsetzung ihrer Erkenntnisse in Produkte geben, wenn den Bereich Forschung und Innovationen. Das begrün- wir die Hightech-Strategie zu einer umfassenden und det die klare Priorisierung der gesamten Bildungs- und ressortübergreifenden Innovationsstrategie weiterentwi- Forschungspolitik. Die Bundesregierung unter Angela ckeln und mit dem Hochschulpakt den Hochschulen ver- Merkel steht dafür, und klare Zahlen belegen das. So ist lässliche Perspektiven und Planungssicherheit für die das Haushaltsvolumen des BMBF von 2005 bis zum jet- nächsten Jahre verschaffen. Denn so können wir mit zigen Zeitpunkt um 82 Prozent gestiegen. Freude am Neuen in den Augen, mit Mut zur Umsetzung in den Herzen und aus der Kreativität unserer Köpfe die (Beifall bei der CDU/CSU) Zukunft gestalten. Damit kann die Hightech-Strategie als strategische Inno- Herzlichen Dank. vationspolitik gestaltet werden. Sie geht von Deutsch- lands traditionellen Kernkompetenzen aus, aber sie wird (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nun auch als umfassende und ressortübergreifende Inno- neten der SPD) vationsstrategie in Deutschland weiterentwickelt. Vizepräsident Peter Hintze: Zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen, Herzlichen Glückwunsch an Kollegen Albani zu sei- die wir mit dieser Innovationsstrategie bewältigen wol- ner ersten Rede. len, gehören vor allen Dingen Veränderungen aufgrund des demografischen Wandels, in der Digitalisierung und (Beifall) 894 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Vizepräsident Peter Hintze (A) Weitere Wortmeldungen zu dem Themenbereich lie- Die Bundesregierung und Außenminister Steinmeier (C) gen nicht vor. haben mit der notwendigen Klarheit und, ich sage auch, mit der gebotenen Sensibilität reagiert, Telefonate und Wir sind damit am Schluss der Aussprache zu der Re- Gespräche mit Staatspräsident Janukowitsch und den gierungserklärung der Bundeskanzlerin angelangt. Ich Oppositionsvertretern geführt. Ich denke, dass es gut schließe die Aussprache. war, den Einfluss Deutschlands wahrzunehmen. Die Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: heute beginnende Sicherheitskonferenz in München wird eine weitere Gelegenheit sein, Versuche zu unter- Vereinbarte Debatte nehmen, die Konflikte zu lösen. Ich glaube, dass diese zur aktuellen Situation in der Ukraine Perspektive der Ukraine so ausgerichtet sein muss, dass Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte eine Zukunft die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu haben. Ich sage auch ganz deutlich: Rechtsextremisti- keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. sche und nationalistisch orientierte Kräfte, die gegen diese Werte kämpfen, werden dabei nicht hilfreich sein. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Franz Thönnes von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Erste Schritte sind gemacht, repressive Gesetze zu- rückgenommen worden, insbesondere was die Demon- Franz Thönnes (SPD): strations- und Versammlungsfreiheit angeht. Die Regie- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rung ist zurückgetreten. Das sind gute Zeichen, wenn sie nicht Taktik sein sollen, wenn es nicht darum geht, Zeit So wie kein Mieter das Recht hat, in seiner Woh- zu schinden. Das, was versprochen und zugesagt worden nung Feuer anzuzünden, mit der Berufung auf die ist, muss jetzt auch belastbar eingehalten und darf nicht Heiligkeit des Heims, so wenig dürfen Staaten ohne mit neuen Bedingungen verknüpft werden. Ich denke, es Gefährdung des Friedens Innenpolitik auf eigene gilt ganz klar: Die Verhafteten sind freizulassen. Das Faust machen, soweit diese den Frieden in Frage Schicksal der Verschleppten, deren Situation bis heute stellt. Wir wohnen nicht mehr in einzelnen Festun- nicht geklärt ist, ist aufzuklären. 2 000 Verletzte, 500 gen des Mittelalters, wir wohnen in einem Haus. aufseiten der Polizei, 6 Tote, 30 Vermisste sind genug. Und dieses Haus heißt Europa. Jetzt muss Schluss sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem (B) der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- (D) GRÜNEN) geordneten der LINKEN – Marieluise Beck So hat es der große deutsche Schriftsteller Kurt [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Tucholsky 1926 formuliert. Heute sind wir an dem viele!) Punkt, dass wir uns 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erneut mit einer sehr brisanten Situation aus- – Ja, richtig. Es sind zu viele. einandersetzen müssen, über die wir hier im Plenum Bei dem jetzigen Prozess brauchen wir keine Fackel- schon einmal in dieser Woche diskutiert haben, über die träger nach dem Motto „Augen zu und durch“, weil nur wir im Ausschuss diskutiert haben und über die wir der kleinste Funke dazu führen kann, dass etwas ent- heute auch in dieser gemeinsamen Debatte diskutieren. steht, was wir alle nicht wollen. Deswegen ist Zurück- Es geht erneut darum, den Prozess der Einigung Europas haltung angesagt. Es gilt, auch ein bisschen Vorsicht bei zu behandeln und kritisch zu betrachten und dabei eine den Vermittlern walten zu lassen, die jetzt schon gute, friedliche Perspektive zu finden. Schlange stehen. Die Betroffenen selbst müssen ent- Seit dem 21. November demonstrieren Menschen in scheiden, wer vermittelt. Aber wenn sie Hilfe brauchen, der Ukraine für Menschenrechte, Freiheit und Demokra- dann sollen sie es sagen. Wir haben ihnen an dieser tie, gegen Korruption und soziale Ungerechtigkeit und Stelle dabei Rat zu geben. für eine gute Zukunft ihres Landes. Die Demonstratio- Ich glaube, dass es auch darum geht, Russland zu sa- nen waren am Anfang gewaltfrei. Wir wissen aber: Je gen, dass das, was mit wirtschaftlichem Druck versucht länger so etwas dauert, umso gereizter werden die Ge- worden ist, genauso wenig tolerierbar ist wie die Kreati- müter und umso eher verbreitet sich auch Gewalt. vität, mit der Russland hinsichtlich der Zollformalitäten Ich glaube, uns eint hier die gemeinsame Auffassung, und der Gesundheitsvorschriften für den Warenimport dass eine friedliche Lösung gefunden werden muss, dass nach Russland agiert. eine gewaltfreie Lösung gefunden werden muss und dass Es ist notwendig, hier zu realisieren: Die Welt in der die Ukraine eine gute, demokratische, den Menschen- Ukraine ist nicht schwarz-weiß. Es ist eine schillernde rechten gerecht werdende Perspektive in Europa haben Welt. Die Opposition ist geeint hinsichtlich ihrer Forde- muss. rung nach Neuwahlen, nach Abdankung des Präsidenten (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem und nach Freilassung der Verhafteten, aber nicht hin- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. sichtlich der Perspektive einer guten Zukunft in der [DIE LINKE]) Ukraine. So ähnlich sieht es bei den Oligarchen aus, die Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 895

Franz Thönnes (A) ebenfalls unterschiedliche Interessen haben. So ähnlich Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): (C) sieht es auch in der Gesellschaft aus. Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kollegin- nen und Kollegen! Ich finde es völlig in Ordnung, dass Deswegen glaube ich, dass auch die Europäische wir diese vereinbarte Debatte hier im Bundestag führen; Union sich fragen muss: Haben wir alles richtig gemacht sie ist notwendig und sie ist richtig. in der Phase der Assoziierungsverhandlungen? Ist nicht leichtfertig übersehen worden, welche ökonomischen Ich denke, dass wir uns darauf verständigen sollten und mentalen Verbindungen zu Russland bestehen, wenn – vielleicht lässt sich das nicht mit allen erreichen, aber man weiß, dass die Geburtsstunde Russlands im Kiew doch mit einer Mehrheit –, in welchem Gestus wir diese des 8. Jahrhunderts liegt? Debatte führen wollen. Ich möchte nicht, dass in der schwierigen Situation, in der sich die Ukraine befindet (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: – mein Kollege Thönnes hat es gesagt –, vom Deutschen Darüber gibt es einen Historikerstreit!) Bundestag aus gezündelt wird, Das alles zu berücksichtigen wäre wichtig gewesen. Ge- (Dr. [BÜNDNIS 90/DIE nauso hätte man sich die Fragen stellen müssen: Welche GRÜNEN]: Quatsch! Es zündelt doch nie- finanziellen Herausforderungen kommen auf uns zu und mand!) wie können wir sie gemeinsam schultern? Das bringt mich, wenn ich den Blick nach vorne richte, zu der dass von hier Funken ausgehen, die die Situation mit Frage: Sind nicht Europa und Russland gemeinsam ge- zum Explodieren bringen können. Sich zurückhalten und fordert, eine gute Perspektive für die Ukraine in guter ausgleichen, das ist das Gebot der Stunde; dieses Signal Kooperation zu erarbeiten und zu gestalten, wenn es muss vom Bundestag in dieser Stunde ausgehen. jetzt zu einer friedlichen und gewaltfreien Lösung ge- (Beifall bei der LINKEN – Marieluise Beck kommen ist? Wir müssen wegkommen von der Schaukel [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: des Entweder-oder, mit der Janukowitsch in den letzten Das ist die Botschaft nach Moskau! – Jahren gespielt hat. Es geht darum, sich Gedanken da- Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE rüber zu machen, ob an dieser Stelle nicht mehr Koope- GRÜNEN]: Klare Worte wären schön!) ration entstehen kann. Europa und Russland sollten mit der Ukraine im wirtschaftlichen Bereich eigentlich große Ich halte überhaupt nichts von der Androhung oder Ver- gemeinsame Interessen haben. Es geht darum, der hängung von Sanktionen. Das wird nichts lösen, sondern Ukraine dabei zu helfen, eine gute wirtschaftliche Per- die Situation noch zuspitzen. spektive zu finden: im Energiesektor, bei der Produktion Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, was von Stahl und Eisen, aber auch bei der Kooperation im eigentlich die Ursachen dafür sind, dass in der Ukraine (B) menschenrechtlichen und im zivilgesellschaftlichen Be- (D) reich. Es geht darum, dies gemeinsam zu organisieren Hunderttausende auf die Straße gegangen sind. Zu den und die großen ökonomischen Chancen zu realisieren. Ursachen – das muss man doch begreifen! – gehört die Es geht darum, zu schauen, wie man, wenn auf der einen verzweifelte soziale Lage vieler Menschen in der Seite eine Europäische Union steht, die sich wieder sta- Ukraine, die sich nicht mehr ernähren können, die erfrie- bilisieren muss, und auf der anderen Seite eine eurasi- ren und verhungern in diesem Land. sche Union im Entstehen ist, gemeinsam Verträge ma- ( [CDU/CSU]: 80 Jahre Sozialis- chen kann. mus!) (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ Zu den Ursachen gehört auch, dass viele ihre Zukunft DIE GRÜNEN]: Nur sollte der Prozess frei- nicht mehr im eigenen Land gesehen haben, sondern da- willig sein!) rauf gehofft haben, dass sich ihnen in Europa Perspekti- ven eröffnen. Vielleicht sind sie auch betrogen worden, Wir reden heute über ein Transatlantisches Freihan- delsabkommen. Wir reden an anderer Stelle darüber, (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ eine Freihandelszone zu schaffen, die von San Francisco DIE GRÜNEN]: Vor allem von Janukowitsch bis Wladiwostok reicht. Ich denke, was vor der eigenen sind sie betrogen worden!) Haustür liegt, sollte Vorrang haben. Das ist die gemein- was die Realität in Europa angeht, was die ehrliche Be- same Aufgabe, die sich uns allen heute stellt: zu helfen reitschaft angeht, der Ukraine einen vernünftigen Zu- in unserem gemeinsamen Haus Europa, und zwar ge- gang zu Europa zu öffnen. waltfrei, lösungsorientiert und kompromissbereit.

Herzlichen Dank. Vizepräsident Peter Hintze: (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie Herr Kollege Gehrcke, der Kollege Sarrazin von den bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Grünen würde gerne eine Frage stellen. GRÜNEN) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ja, klar. Vizepräsident Peter Hintze: Als Nächstem erteile ich das Wort unserem Kollegen Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Gehrcke, uns eint, um es einmal so zu (Beifall bei der LINKEN) sagen, ein Interesse an der Geschichte der Region. Ich 896 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Manuel Sarrazin (A) habe Freunde in der Ukraine, bin regelmäßig auch privat Ich möchte hier in aller Deutlichkeit sagen: Ich be- (C) dort und habe die ukrainisch-polnische Grenze schon mit nutze nicht für alle Demonstranten den Begriff „Frei- allen möglichen Verkehrsmitteln überschritten. Ich habe heitskämpfer“. Ein Teil der Demonstranten ist rechtsra- auch Visaeinladungen für Freunde ausgeteilt und Ähnli- dikales, nationalistisches Pack, mit dem ich mich nicht ches. verbünde, sondern gegen das ich dagegenhalte. Daraus speist sich meine Frage: Glauben Sie nicht (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: auch, dass eine Ursache für die jetzige Lage der tiefe „Pack“ sagt man nicht, Herr Gehrcke!) Wunsch vieler Menschen in der Ukraine ist, zum euro- päischen Wertesystem zu gehören, an Europa teilhaben Das muss auch einmal zur Kenntnis genommen werden. zu können und auch Zugang zu Europa zu erhalten, und (Beifall bei der LINKEN) dass diese Menschen Angst hatten, dass sie in einer his- torischen Situation sein könnten, in der sie die Chance, Dass die jüdischen Gemeinden in Kiew einen empören- diese Ziele in Zukunft zu erreichen, ein für alle Mal ver- den und ängstlichen Brief geschrieben haben, dass sie lieren könnten, wenn sie ihren Präsidenten jetzt nicht sich am Holocaust-Gedenktag nicht mehr getraut haben, stoppen? Glauben Sie nicht auch, dass das ebenfalls eine Veranstaltungen durchzuführen, weil sie unter Druck Ursache ist, die vielleicht sogar tiefer reicht als die eben- und Angst standen, das muss uns doch erschrecken. falls wichtige soziale Lage im Land? (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Uns müssen die Nazifeiern, die auch stattfinden, erschre- sowie bei Abgeordneten der SPD) cken. Wir müssen uns klar davon distanzieren und sa- gen, der Begriff „Demonstrant“ alleine sagt noch nicht Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): aus, für was demonstriert wird. Wir wollen mit allen zu- Sie haben mir doch zugehört: Ich habe die prekäre so- sammenarbeiten, die gewaltfrei eine andere, eine bessere ziale Lage genannt und die Verzweiflung, die daraus er- Ukraine wollen, die ein anderes Europa wollen. Ich will wächst. Daraus resultiert der Wunsch gerade vieler jun- aber nicht mit Rechtsradikalen zusammenarbeiten. Das ger Menschen, Zugang zu Europa zu erhalten, um das, ist den Preis nicht wert. Das möchte ich hier ganz deut- was sie im eigenen Land nicht realisieren konnten, in an- lich machen. deren Teilen Europas zu realisieren. (Beifall bei der LINKEN) Wenn wir etwas tun wollen – das sage ich hier ganz ernsthaft; das ist in etwa eine Nagelprobe –, dann lassen Vizepräsident Peter Hintze: Sie uns sofort für die Visafreiheit für Menschen aus der Herr Kollege Gehrcke, es gibt den Wunsch zu einer (B) Ukraine eintreten. Zwischenfrage von der Kollegin Beck. (D) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Gerne. Wir dürfen nicht drumherum reden und dürfen diese Menschen nicht wieder vertrösten. Ähnlich wie Sie, Herr Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE Sarrazin, habe ich viele Freunde in der Ukraine. Ich war GRÜNEN): in verschiedenen Teilen der Ukraine unterwegs und habe Herr Kollege Gehrcke, sind Sie bereit, zur Kenntnis sehr unterschiedliche Bilder vor Augen. Der Wunsch, zu nehmen, dass es in westlichen Medien massive Pro- ungehindert in andere, auch westeuropäische Länder rei- pagandaaktivitäten des FSB gibt, durch die zum einen sen zu können, ist überall manifest. Warum fangen wir das Argument, der Maidan sei schon rechtsradikal unter- nicht damit an, ihnen das zu ermöglichen? wandert, immer stärker verbreitet wird, und durch die (Beifall bei der LINKEN) andererseits die Einsatzkräfte von Berkut mit der Infor- mation, dass der Maidan jüdisch unterwandert sei, der- Wäre es nicht eine große Geste des Deutschen Bundesta- zeit heiß gemacht werden? ges, die Beschränkungen zurückzunehmen, sodass die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine visafrei nach Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Deutschland kommen könnten? Das verstehe ich unter Hören Sie mir bitte noch einen Moment zu. Mein Ar- einer Politik des Nichtzündelns: auf die Menschen ein- gument war, dass ich nicht möchte, dass wir alle, die mit gehen und über Werte diskutieren. einem Schild auftreten, Freiheitskämpfer nennen. Ich Bevor ich auf die Werte zu sprechen komme, komme nenne Rechtsradikale, Rechtsextreme, Nazis und Fa- ich auf die unterschiedlichen Motive der Demonstranten schisten nicht Freiheitskämpfer, sondern Gegner der zurück. Die Menschen müssen das Recht haben, zu de- Freiheit. Das muss doch gesagt werden. monstrieren. Sie haben ein Recht auf Gewaltfreiheit und (Beifall bei der LINKEN) darauf, nicht eingesperrt zu werden. Ich will mir nicht den Spaß erlauben, darüber zu debattieren, was in Man kann sich ein eigenes Bild machen von dem, was Deutschland passieren würde, wenn hier Ministerien be- dort passiert, wie dort agiert wird. Das ist doch Realität. setzt würden – ich träume manchmal davon, dass es pas- Wenn die jüdischen Gemeinden ihre Angst ausdrücken, siert – und wie man hier reagieren würde. Es muss mit müssen wir doch ihre Angst aufnehmen. Wir müssen gleichem Maß gemessen werden. zwischen den Demonstranten differenzieren. Wir müs- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 897

Wolfgang Gehrcke (A) sen ganz klar sagen, mit wem wir zusammenarbeiten – bei Ihnen ist es vielleicht Rapallo, bei uns nicht, Frau (C) wollen und mit wem nicht. Das ist mein Anliegen. Das Beck – aktuell wieder interessant geworden. Das bedeu- sollte der Bundestag berücksichtigen, wenn er klug ist. tet aber, dass die Neuordnung dieses Teiles Europas nicht ohne die Beteiligung Russlands gelingen kann. Das (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ muss uns klar sein, DIE GRÜNEN]: Das ist ein Missbrauch der jüdischen Sache, der hier passiert!) (Beifall bei der SPD und der LINKEN – Eine letzte Bemerkung. Wir müssen auch einen ande- Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ren Umgang mit Russland finden. Ich möchte eine neue NEN]: August 1939, Herr Wellmann!) Ostpolitik der Bundesregierung, in der nicht mit Russ- und wir müssen sehr aufpassen, dass wir uns nicht wie land über die Ukraine verhandelt wird, sondern in der die sprichwörtlichen Schlafwandler bewegen. die Kooperation gesucht wird und gemeinsame Interes- sen vertreten werden. Wir werden nie gute, stabile euro- Die EU ist nicht identisch mit Europa. Die Mitte Eu- päische Lösungen erreichen, wenn sie immer gegen ropas hat sich seit der Wende nach Osten verschoben. Russland gerichtet sind und wir die Ukrainer als Boll- Das sollten wir uns auch immer wieder vor Augen hal- werk gegen Russland einsetzen. Nur mit Russland zu- ten, wenn wir über die Ukraine reden. sammen wird eine Verbesserung der Situation möglich werden. – Das ist mein Anliegen. Das mag aus der Perspektive eines Portugiesen viel- leicht anders aussehen, aber es bleibt ein schwerer politi- Herzlichen Dank für die Fragen, für die Kritik und da- scher Fehler, dass Barroso in Vilnius erklärt hat, die Rus- für, dass Sie mir zugehört haben. sen hätten bei dieser Neuordnung Osteuropas nicht (Beifall bei der LINKEN) mitzureden. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Vizepräsident Peter Hintze: Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ Als nächstem Redner erteile ich Karl-Georg DIE GRÜNEN]: Die Linkspartei klatscht, Wellmann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. Herr Wellmann!) (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn wir die Probleme in der Ukraine im Konflikt mit Russland lösen würden – wir gegen Russland oder Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Russland gegen uns –, dann würde es politisch und fi- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was nanziell sehr teuer; das kann man an den russischen sich in der Ukraine im Moment zeigt, ist ermutigend und (B) Überweisungen erkennen, die jetzt getätigt werden. Au- (D) beängstigend zugleich. Es ist beängstigend, weil es ein ßerdem würden wir ein gespaltenes Land und Unfrieden großes Ausmaß an Gewalt und staatlicher Willkür, die hinterlassen. Das kann man täglich auch empirisch auf wir im 21. Jahrhundert nicht mehr sehen wollen, gibt, den Straßen der Ukraine feststellen. und das Ermutigende daran ist das Ausmaß an Europa- begeisterung und auch die Begeisterung für europäische Was tun? In der Ukraine demonstriert in der Tat vor Werte, die gerade von der jungen Generation dort auf allem die Jugend auf den Straßen. Sie will eine europäi- dem Maidan und anderen Plätzen gezeigt wird. sche Perspektive und kämpft für europäische Werte. Diese müssen wir den Menschen geben können, wenn Neben der Beschreibung der Situation müssen wir wir sie nicht schwer enttäuschen wollen. Es droht die uns doch die Frage stellen, was wir tun können. Was sind große Gefahr, dass wir diese junge Generation enttäu- unsere Maßstäbe und die Leitplanken unseres jetzigen schen, und deshalb ist es in der Tat wichtig, ganz schnell Vorgehens? über eine Liberalisierung des Visaregimes nachzuden- Erstens. Die Ukraine ist kulturell und historisch ein ken. europäisches Land, und deshalb muss die Ukraine auch (Beifall im ganzen Hause) eine europäische Perspektive haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Zweitens. Es fällt ins Auge, dass die Ablösung eines neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Präsidenten alleine noch kein Konzept für die Zukunft GRÜNEN) ist und dass stabile Mehrheiten im Parlament für etwas ganz Neues in der Ukraine im Moment auch nicht richtig Die Heranführung der Ukraine an europäische Struktu- erkennbar sind. Wir brauchen deshalb für die Ukraine ren heißt aber nichts anderes als eine politische Neuord- ein umfassendes Reformkonzept, und zwar in einer drei- nung des europäischen Ostens. Hier sollten wir uns noch seitigen Absprache, die nicht ohne Beteiligung Russ- einmal die Jubiläen dieses Jahres vor Augen halten. lands stattfinden kann. Es muss um Investitionen gehen, (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- das heißt, auch um Jobs und Perspektiven für die Men- NEN]: Hitler-Stalin-Pakt!) schen in der Ukraine, um die Modernisierung der Indus- trie, um Strukturreformen, um mehr Rechtssicherheit Die Zeit von 1914 bis 1918 ist als Feld politischen Lernens (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dabei soll Moskau helfen?) (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Rapallo!) und um weniger Korruption. 898 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Karl-Georg Wellmann (A) Wir haben mit Russland viel zu besprechen, so viel, Sie kämpfen auch für Europa, wie sie sagen, obwohl sie (C) dass es in der Tat, wie Außenminister Steinmeier vor ei- eigentlich zu Europa gehören, Herr Kollege Wellmann. nigen Tagen gesagt hat, einem europäischen Offenba- Aber für diese Menschen ist Europa ein Synonym: ein rungseid gleichkommt, dass sich der EU-Russland-Gip- Synonym für die Befreiung von Willkür, ein Synonym fel in Brüssel vor drei Tagen schon nach wenigen für die Befreiung von der Kleptokratie, die in der Stunden erschöpft hat. Hier kann ich Herrn Steinmeier Ukraine in atemberaubender Weise um sich greifen nur vollständig recht geben. konnte, ein Synonym für die Abschaffung von Wahlbe- trug und ein Synonym dafür, dass die Staatsgewalt nicht (Beifall bei der SPD) einfach blindwütig zuschlagen darf. – Danke. Es gibt die Hoffnung, dass Europa, wie gesagt wird, ( [SPD]: Machen wir gerne!) der nächsten Generation eine Zukunft gibt. Ich weiß, dass Menschen, die von der Entwicklung der Orangenen Das Wichtigste ist: Wir brauchen einen soliden und Revolution enttäuscht gewesen sind und gesagt haben: vor allem gewaltfreien Prozess in der Ukraine. – Ich „Wir gehen nicht noch einmal auf die Straße“, auf die kann es nicht anders sagen: Hier fallen mir die Transpa- Straße gegangen sind, als sie gesehen haben: Unsere rente in der zu Ende gehenden DDR ein. Sie können sich Kinder werden geschlagen. Da kamen die Massen auf noch an den Aufdruck erinnern: „Keine Gewalt!“ die Straße. Unter sie haben sich rechtsradikale Elemente (Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE gemischt, aber sie sind nicht die Mehrheit. LINKE]) ( [DIE LINKE]: Das hat auch – Ich weiß, das versetzt Ihnen einen Stich ins Herz, Herr keiner behauptet!) Gehrcke, aber ich sage es trotzdem: Sie könnten aber die Mehrheit werden, wenn wir in (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ich erleide Europa diese Menschen, die vielleicht mehr an Europa es!) und dessen Werte glauben als wir, bitter enttäuschen und sie sich alleingelassen fühlen. Das stärkt die radikalen Keine Gewalt, weder vom Staat noch von den Demon- Kräfte; denn die werden sagen: Seht ihr, ihr habt von stranten. Europa nichts zu erwarten. Wir müssen mit unseren Knüppeln die Sache selber in die Hand nehmen. – Das (Beifall bei der LINKEN) wäre eine Art von Selffulfilling Prophecy. Die Unterstützung dieses politischen Reformprozes- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ses ist die wichtigste Aufgabe für uns alle und für die (B) Bundesregierung. Dieser Bewegung – ich habe es eben wieder vorsich- (D) tig gehört, mehr im Kammerton; gestern Morgen im Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ausschuss war das deutlicher zu vernehmen – wird vor- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der geworfen, sie habe kein gemeinsames Programm. Sie hat LINKEN) gemeinsame Ziele: Sie wollen nach Europa. Sie wollen Befreiung von der Kleptokratie, zum Beispiel die des Vizepräsident Peter Hintze: Präsidentensohns, dessen Vermögen sich innerhalb von drei Jahren von 7 auf 510 Millionen Dollar erhöht hat Als Nächster erteile ich der Kollegin Marieluise und der das Geld in den Westen schaffen konnte. Sie Beck, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. wollen Rechtsstaat statt Korruption. Sie wollen Amnes- tie. Und sie haben ein politisches Ziel: die Rückkehr zur Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE Verfassung von 2004, die Janukowitsch abgeschafft hat. GRÜNEN): Erst die Einführung der Demokratie würde die Möglich- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In keit bieten, freie Entscheidungen zu treffen und freie der vergangenen Woche ist in Lemberg ein junger Mann Wahlen in der Ukraine durchzuführen. Diese Menschen unter der Anteilnahme von 10 000 Bürgerinnen und Bür- vertrauen auf uns. Das sollten wir ernst nehmen. gern zu Grabe getragen worden. Er ist im Wald von Si- cherheitskräften des Präsidenten Janukowitsch zusam- Wer sechs Jahre einen Vertrag verhandelt, hat eine mengeschlagen worden und dann erfroren. Wer hier Verantwortung übernommen. Dies gilt nicht nur für Prä- unterstellen möchte, diese Bewegung in der Ukraine sei sident Janukowitsch, der seiner Bevölkerung jahrelang mehrheitlich rechtsradikal und antisemitisch, erklärt hat: Ich handle einen Vertrag aus und werde ihn unterzeichnen. – Vielmehr sind auch wir in der Verant- (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das hat doch wortung. niemand gemacht!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der fällt diesen Menschen in den Rücken, die in der Tat zum ersten Mal unter den Flaggen der Ukraine und der Wer jetzt sagt: „Das könnte für uns zu teuer werden“, EU gemeinsam für Freiheit kämpfen. wird den europäischen Werten in ungeheuerlicher Weise nicht gerecht. Wir müssen da, wo wir Hoffnungen ge- (Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das hat nie- weckt und Verantwortung übernommen haben, bereit mand gemacht! – Wolfgang Gehrcke [DIE sein, dafür einzustehen. Dazu gehört auch, keine heimli- LINKE]: Das ist verlogen!) chen Zugeständnisse an den Kreml zu machen und etwa Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 899

Marieluise Beck (Bremen) (A) zu sagen, dass die Ukraine eben doch russische Einfluss- der Menschen nach Demokratie, nach Recht und Freiheit (C) zone sei und dass man dieses Assoziierungsabkommen eine reale Perspektive geben. vielleicht von vornherein nicht hätte verhandeln dürfen. Statt auf den Protest der Menschen ernsthaft ein- Dazu gehört auch: keine heimliche Akzeptanz eines zugehen, beschloss man in Kiew, die Meinungs- und sehr kalt kalkulierten geostrategischen Machtdenkens Versammlungsfreiheit einzuschränken. Am 16. Januar von Putin, der dabei ist, die Reste des Imperiums wieder verabschiedete das Parlament ohne jegliche Debatte ent- einzusammeln. Dazu gehört auch, ihm nicht zuzugeste- sprechende Gesetze. Seither eskaliert die Krise. hen: Das, was Snyder die „Bloodlands“ nennt, der Puffer zwischen Polen und Russland, wird wieder als russi- Obwohl die Gesetze nun zurückgenommen wurden, sches Glacis anerkannt; wir pfeifen auf die Souveränität müssen wir feststellen, dass sowohl der Regierung von dieser Länder. – Diese Zungenschläge müssen wir uns Janukowitsch als auch der Oppositionsbewegung um verbitten. Vitali Klitschko die Kontrolle entglitten ist. Gewalt- exzesse breiten sich über das ganze Land aus. Wir be- Was können wir Parlamentarier und Parlamentarierin- kommen Berichte über die ersten Toten und zahllose nen tun? Es gibt 28 EU-Länder. Wenn sich aus jedem Verletzte. Als Christen, Europäer und Nachbarn der Parlament nur zwei Parlamentarierinnen und Parlamen- Ukraine dürfen und wollen wir dieser Gewalt nicht ta- tarier in den nächsten Wochen aufmachen und ständig in tenlos zusehen. Vorrangiges Ziel muss die Vermeidung Kiew, Charkow, Lemberg vor Ort sind – das ist das, was weiteren Blutvergießens sein. Der Konflikt muss fried- wir tun können –, dann wären immer mehr als 50 Parla- lich gelöst werden. mentarier in der Ukraine. Dafür muss Europa aber erstens geschlossen auftre- Ich meine, wir sollten uns dazu durchringen, das mit ten. Nur gemeinsam können wir genug Druck aufbauen, unseren Kolleginnen und Kollegen aus den Parlamenten um Janukowitsch vom Einsatz brutaler Gewalt gegen die in der EU zu tun. Wir sollten wenigstens das tun: in die Demonstranten abzuhalten und zurück an den Verhand- Ukraine gehen, vor Ort sein, den Menschen zeigen, dass lungstisch zu drängen. Die EU hat mit dem tschechi- wir zu unseren Versprechen und zu unseren Werten ste- schen Erweiterungskommissar Stefan Füle einen hoch- hen und dass wir sie schützen wollen, soweit wir nur ir- rangigen Vertreter vor Ort, der vermitteln, beobachten gend können. und berichten kann. Das ist zu begrüßen, reicht aber Schönen Dank. nicht aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zweitens müssen wir auch die Opposition zur Fried- sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und fertigkeit drängen. Klitschko und seinen Mitstreitern (B) der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke entgleitet die Kontrolle über die Oppositionsbewegung. (D) [DIE LINKE]) An jedem Tag, an dem sie keine Ergebnisse liefern, schwindet ihr Rückhalt bei den Demonstranten. Das öff- net Räume für Extremisten und gewaltbereite Hooligans. Vizepräsident Peter Hintze: Wir müssen daher gezielt die friedlichen und demokrati- Als letzter Rednerin in unserer Debatte gebe ich zu schen Kräfte innerhalb der Oppositionsbewegung stär- ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag der Kollegin ken. Die Konrad-Adenauer-Stiftung leistet hier wert- Andrea Lindholz, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. volle Arbeit. Die CSU hat heute Vitali Klitschko als (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ihren Hauptredner auf der Münchner Sicherheitskonfe- neten der SPD) renz zu Gast. Drittens dürfen wir uns nicht nur auf Janukowitsch Andrea Lindholz (CDU/CSU): konzentrieren. Auch den Funktionsträgern im Umfeld Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen des Präsidenten muss klar sein, dass weiteres Blutvergie- und Herren! Das ist heute meine erste Rede im Deut- ßen ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen wird. Eu- schen Bundestag. Ich möchte mich an dieser Stelle für ropa verfügt mit gezielten Visasperren und finanziellen das Vertrauen der Menschen aus meiner Heimatregion Sanktionen über ein erhebliches Druckpotenzial gegen- bedanken. über den wichtigen Entscheidungsträgern in der Ukraine. Ohne gegenseitiges Vertrauen kann eine Gesellschaft nicht funktionieren. Das zeigt sich in der Ukraine ganz Viertens müssen wir dauerhaft aufmerksam bleiben. deutlich. Die Jahre der Willkür und der Korruption resul- Indem wir die Geschehnisse in der Ukraine verfolgen, tierten dort in einem massiven politischen Vertrauens- erhöhen wir den Druck auf die Regierung und errichten verlust. Ende 2013 wurde allen klar, dass Janukowitsch Hürden gegen den Einsatz von Gewalt. Leider ist die in- kein ernsthaftes Interesse an einem Assoziierungsab- ternationale öffentliche Aufmerksamkeit bei solchen kommen mit der EU hat. Seither gibt es massive Proteste Krisen meistens nicht von Dauer. Wir dürfen nicht zulas- der proeuropäischen Bevölkerung. sen, dass Janukowitsch jetzt auf Zeit spielt und zum Schein Zugeständnisse macht, nur um zum alten Kurs Trotzdem hat der Rat der EU-Außenminister am zurückzukehren, sobald die Weltöffentlichkeit wieder 20. Januar 2014 bekräftigt, dass die Tür für Verhandlun- wegsieht. gen mit der Ukraine geöffnet bleiben soll. Die CSU be- grüßt das ausdrücklich. Denn wir wollen dem Streben (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) 900 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

Andrea Lindholz (A) Fünftens sollte sich die EU zusammen mit den USA rücken. Auch wenn unser Einfluss insgesamt sicherlich (C) auf eine Position gegenüber Russland einigen. Gemein- begrenzt bleibt, müssen wir alles versuchen, um weiteres sam müssen wir deutlich machen, dass auch der Kreml Blutvergießen zu verhindern und eine friedliche Lösung gefordert ist, an der Deeskalation der Krise mitzuwirken. des Konflikts zu ermöglichen. Gerade mit Blick auf die Olympischen Winterspiele in Sotschi wird man in Moskau internationale Verstimmun- Vielen Dank, dass Sie mir bei meiner ersten Rede zu- gen vielleicht vermeiden wollen. Dieser Umstand sollte gehört haben. genutzt werden. (Beifall im ganzen Hause) Die Bundeskanzlerin hat am Mittwoch ihre Bewunde- rung für die mutigen Demonstranten in der Ukraine ge- Vizepräsident Peter Hintze: äußert. In der CSU wird diese Bewunderung aufrichtig Das Präsidium gratuliert Frau Kollegin Lindholz zu geteilt. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, ihrer ersten Rede. Pavlo Klimkin, hat heute das Engagement der EU und der Bundesregierung zur Beilegung der Krise in seinem Wir sind am Ende der Aussprache und damit auch am Land gelobt. Schluss der heutigen Tagesordnung. Unzählige Menschen harren seit Wochen und Mona- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- ten bei eisigen Temperaturen von teilweise minus destags auf Mittwoch, den 12. Februar 2014, um 13 Uhr, 30 Grad auf den Straßen und Plätzen in Kiew aus. Sie ein. riskieren ihre Gesundheit, ihre Freiheit und sogar ihr Le- Die Sitzung ist geschlossen. ben, um näher an Europa und seine demokratischen, rechtsstaatlichen und freiheitlichen Grundwerte heranzu- (Schluss: 14.11 Uhr)

(B) Berichtigung (D) 10. Sitzung, Seite 657 B, zweiter Absatz, zweiter Satz ist wie folgt zu lesen: „Jetzt will ich nicht, dass wir uns anmaßen, eine Leadership-Funktion zu übernehmen, aber vielleicht könnte es eine „Smart Leadership“-Funktion sein: nicht oberlehrerhaft, nicht selbstgefällig, nicht populistisch, sondern ergebnisorientiert und nachhaltig. Anlagen

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014 901

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

 entschuldigt bis  entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Alpers, Agnes DIE LINKE 31.01.2014 Rüthrich, Susann SPD 31.01.2014

Bätzing-Lichtenthäler, SPD 31.01.2014 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ 31.01.2014 Sabine DIE GRÜNEN

Binninger, Clemens CDU/CSU 31.01.2014 Schieder (Schwandorf), SPD 31.01.2014 Marianne Birkwald, Matthias W. DIE LINKE 31.01.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 31.01.2014 Buchholz, Christine DIE LINKE 31.01.2014 Schmidt (Fürth), CDU/CSU 31.01.2014 Ehrmann, Siegmund SPD 31.01.2014 Christian

Freitag, Dagmar SPD 31.01.2014 Schmidt (Wetzlar), SPD 31.01.2014 Dagmar Gerdes, Michael SPD 31.01.2014 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ 31.01.2014 Giousouf, Cemile CDU/CSU 31.01.2014 DIE GRÜNEN

Grindel, Reinhard CDU/CSU 31.01.2014 Dr. Uhl, Hans-Peter CDU/CSU 31.01.2014

(B) Dr. Hahn, André DIE LINKE 31.01.2014 Willsch, Klaus-Peter CDU/CSU 31.01.2014 (D)

Hardt, Jürgen CDU/CSU 31.01.2014 Zimmermann DIE LINKE 31.01.2014 (Zwickau), Sabine Heller, Uda CDU/CSU 31.01.2014

Kauder, Volker CDU/CSU 31.01.2014 Anlage 2 Krellmann, Jutta DIE LINKE 31.01.2014 Amtliche Mitteilungen Kühn-Mengel, Helga SPD 31.01.2014 Der Haushaltsausschuss hat mitgeteilt, dass er gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Dr. Lamers, Karl A. CDU/CSU 31.01.2014 Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen ab- sieht: Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ 31.01.2014 DIE GRÜNEN – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2013 Mast, Katja SPD 31.01.2014 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Dr. Müller, Gerd CDU/CSU 31.01.2014 Ausgabe bei Kapitel 11 12 Titel 681 12 – Arbeitslosen- geld II bis zur Höhe von 700 Mio. Euro Dr. Murmann, Philipp CDU/CSU 31.01.2014 Drucksachen 18/131(neu), 18/305 Nr. 5

Dr. Neu, Alexander S. DIE LINKE 31.01.2014 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2013 Nietan, Dietmar SPD 31.01.2014 Mitteilung gemäß § 4 Absatz 2 Satz 6 des Haushaltsge- setzes 2013 i. V. m. § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- Petzold (Havelland), DIE LINKE 31.01.2014 ordnung über die Einwilligung in eine außerplanmä- Harald ßige Verpflichtungsermächtigung bei Kapitel 15 11 Titel 712 01 – Große Baumaßnahme des Robert Koch-Insti- Pofalla, Ronald CDU/CSU 31.01.2014 tuts Drucksachen 18/132, 18/305 Nr. 6 902 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Freitag, den 31. Januar 2014

(A) – Unterrichtung durch die Bundesregierung – Unterrichtung durch die Bundesregierung (C) Haushaltsführung 2013 Haushaltsführung 2013 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 12 25 Titel 893 01 – Prämien nach Ausgabe bei Kapitel 17 02 Titel 686 01 Erläuterungs- dem Wohnungsbau-Prämiengesetz – bis zur Höhe von nummer 2 – Zuweisungen an den Fonds für Opfer der 30 Mio. Euro Heimerziehung Ost Drucksachen 18/264, 18/305 Nr. 11 Drucksachen 18/133, 18/305 Nr. 7 – Unterrichtung durch die Bundesregierung – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2013 Haushaltsführung 2013 Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- ordnung über die Einwilligung in eine überplanmä- Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapi- ßige Ausgabe bei Kapitel 07 04 Titel 632 01 „Verwal- tel 17 10 Titel 681 02 – Elterngeld – bis zu einer Höhe tungskostenerstattung an Länder“ bis zur Höhe von von 280 Mio. Euro 5,556 Mio. Euro Drucksachen 18/148, 18/305 Nr. 9 Drucksachen 18/265, 18/305 Nr. 12

(B) (D)

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