ISSN 0948–2407 | 67485 | 2,00 Euro DISPUT August 2012

Glück auf im Osten. Bernd Riexinger auf Sommertour in Borna (Sachsen) »Unsere Botschaft ist angekommen« – Matthias Höhn im Interview Aktiv im Bündnis: Reichtum ist teilbar! – Millionärsteuer jetzt! Stefan Ludwig über die brandenburgische LINKE Wanderer auf Zeit. Zum 50. Todestag des Komponisten Hanns Eisler

Ein freundlicher Urlaubsgruß. Aktionen für einen guten Lohn gab es in Boltenhagen und mehreren anderen Orten. © Viktor Micheilis © Viktor ZITAT 4 PARTEI 35 DEMNÄCHST Glück auf im Osten. 36 EUROPÄISCHE UNION Ich habe 1931 auf einer Berliner Stra- Bernd Riexinger auf Sommertour in Renate Harcke: Regionen fördern, ße gesehen, wie ein dicker Polizist in Borna (Sachsen) nicht bestrafen grüner Uniform und mit Kneifer in ei- 8 ANTIRASSISMUS nen Zug von kleinen Kindern hinein- 40 FEUILLETON Eine Zäsur. 20 Jahre nach dem Porschs Portal stürmte. Er ohrfeigte die Kinder mit Pogrom in Rostock-Lichtenhagen weißbehandschuhten Händen und 41 RÜSTUNG riss sie an den Ohren. Warum? Sie 9 FEUILLETON Waffenhandel. Anmerkungen zu sangen ein Eisler-Lied. 10 PARTEI einem Buch Sergej Tretjakow über Hanns Eisler »Unsere Botschaft ist 42 MUSIK (mehr auf Seite 42) angekommen« – Matthias Höhn Wanderer auf Zeit. 13 PRESSEDIENST Zum 50. Todestag des Komponis- 14 KREISVERBAND ten Hanns Eisler »Und immer lächeln!« – Heiko 45 INTERNATIONAL Moll, Aurich (Niedersachsen) Irak/Kurdistan: Machtkampf ums 16 SOZIAL Öl »Mindestlohntour« durch Ostfries- 46 BÜCHER land und auf Norderney 47 AUGUSTKOLUMNE 18 SOZIAL 48 SEITE ACHTUNDVIERZIG Aktiv im Bündnis: Reichtum ist teilbar – Millionärsteuer jetzt! © Stefan Richter © Stefan 20 LANDESVERBAND Stefan Ludwig über die branden- burgische LINKE 22 KULTUR Das Friedensfest in Graal-Müritz © Erich Wehnert 25 FRAKTION Politik aus der Nähe betrachtet. Eine Schülerpraktikantin berichtet Buntes Programm begeistert großes 26 LANDESVERBAND Publikum. Seite 22 Birke Bull (Sachsen-Anhalt): Der erste Schritt ist Neugier 28 KOMMUNAL Warum Natascha Bingenheimer in Dreieich (Hessen) Bürgermeisterin werden will ZAHL DES MONATS 29 NACHBELICHTET 30 STRATEGIE 58 Axel Troost zur Parteien-Strategie vor der Bundestagswahl Mit dem speziellen Programm »Lux like Studium« für Studienstipendien konn- 32 STRATEGIE te die Rosa-Luxemburg-Stiftung den An- Jan Marose: Nicht-autoritäre, teil der Geförderten ohne familiären aka- solidarische LINKE demischen Hintergrund binnen zwei Jah- 34 FRAKTION ren verdoppeln. Er stieg von 29 Prozent Rico Gebhardt: Neuer Stil statt Rathauschefi n begrüßt Parteichef. (2010) auf 58 Prozent im Jahr 2012. Schlagabtausch Seite 4

IMPRESSUM DISPUT ist die Mitgliederzeitschrift der Partei DIE LINKE, herausgegeben vom Parteivorstand, und erscheint einmal monatlich über Neue Zeitungsverwaltung GmbH, Weydingerstraße 14 – 16, 10178 REDAKTION Stefan Richter, Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin, Telefon: (030) 24 00 95 10, Fax: (030) 24 00 93 99, E-Mail: [email protected] GRAFIK UND LAYOUT Thomas Herbell DRUCK MediaService GmbH BärenDruck und Werbung, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin ABOSERVICE , Druckerei und Verlag GmbH, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Telefon: (030) 29 78 18 00 ISSN 0948-2407 REDAKTIONSSCHLUSS HEFT 8 13. August 2012 DER NÄCHSTE DISPUT erscheint am 20. September 2012

INHALT DISPUT August 2012 2 CHRISTIAN MENZEL

Christian ist 25 Jahre jung und gelernter Augenoptiker. Er lebt und arbeitet in der Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt). Thematisch liegen seine Schwerpunkte in den Bereichen Wirtschaft, im Kampf gegen Militarismus und Fremdenfeindlichkeit.

Was hat dich in letzter Zeit am meisten überrascht? Dass bei uns in Sachsen-Anhalt die Solarindustrie seit dem Jahr 2000 mit über 130 Millionen Euro staatlicher Förderung unterstützt und aufgebaut wurde – dann aber, 12 Jahre später, durch zu starken Konkurrenzdruck und Entschei- dungsmüdigkeit der Politik (Stichwort: Strafzölle auf Solarmodule) dieser einst so viel versprechende Industriezweig plötzlich ganz schlecht dasteht. Die Ame- rikaner machen es vor, die Chinesen lachen uns aus und verkaufen weiter ihre Solarmodule subventioniert durch ihre Regierung sogar unter den Produktions- kosten, nur um die Wettbewerber aus dem Markt zu verdrängen.

Was ist für dich links? Links bedeutet für mich, Rechtspopulismus, Rassismus, Faschismus, Foto: privat Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und anderen Formen der Menschenfeind- lichkeit aktiv entgegenzutreten. Links bedeutet für mich, sich für kranke und arme Menschen einzusetzen.

Worin siehst du deine größte Schwäche, worin deine größte Stärke? Ehrgeizig, aber ungeduldig.

Was war dein erster Berufswunsch? Astronaut/Kosmonaut.

Wie sieht Arbeit aus, die dich zufrieden macht? Wenn die zu erledigende Arbeit abwechslungsreich ist.

Wenn du Parteivorsitzender wärst ...... würde ich versuchen, DIE LINKE bei der Wählergunst voranzubringen.

Was regt dich auf? Wenn etwas unlogisch ist, wenn etwas keinen Sinn ergibt und die Nerven belastet.

Wann und wie hast du unlängst Solidarität gespürt? Als ich meinen Fahrradschlüssel verloren hatte und er dann von den Nachbarn beim Hundeausführen gefunden wurde.

Wovon träumst du? Von einem sorgenfreien Leben, in dem es nie langweilig wird.

Wofür gibst du gerne Geld aus? Für alles was Spaß macht.

Müssen Helden und Vorbilder sein? Sie müssen nicht, aber sie können. Ich habe mehrere, zum Beispiel meinen Vater und Gregor Gysi.

Wann fühlst du dich gut? Wenn ich entspannen kann.

Wo möchtest du am liebsten leben? An einem Ort mit viel Sonne und wenig Stress.

Welche Eigenschaften schätzt du an Menschen besonders? Ruhe und Besonnenheit, Ehrgeiz und Freundlichkeit.

Wie lautet dein Lebensmotto? Behandle die Menschen so, als wären sie, was sie sein sollten, und du hilfst ihnen zu werden, was sie sein können. (Johann Wolfgang von Goethe)

3 DISPUT August 2012 FRAGEZEICHEN Glück auf im Osten Ausblicke und Einsichten in Borna. Wie DIE LINKE im Alltag wirkt, was sie nervt, was sie will, was sie angeht Von Stefan Richter

PARTEI DISPUT August 2012 4 © Erich Wehnert

5 DISPUT August 2012 ugge, da had sich widder Nach dem Stadtrundgang mit Oberbür- les ins Soziale (und fast nichts in den eener verfahrn«, vermu- germeisterin Simone Luedtke (im Foto Straßenbau). tet in breitem Sächsisch ein Seite 7, unten rechts) hörte sich der Gast Solange sie Ideen habe, möchte Si- Mann an der Rathausecke, an, was Abgeordneten sowie weiteren mone Luedtke Rathauschefi n bleiben. um dann zu staunen: »Ooch Mitgliedern des Kreisverbandes an Erfah- Momentan umtreibt sie der Gedanke, G noch aus Berlin!« rungen und Standpunkten wichtig ist. die Leipziger Eishockeymannschaft zum Irrtum vorm Amt. Denn der Besucher Umzug nach Borna zu locken. Das wä- wurde erstens von Bornas Oberbürger- re doch was. Die Stadt sucht nach Per- meisterin ausdrücklich eingeladen; und spektiven, ein besserer Ruf hilft. 2013 zweitens stammt er eigentlich aus dem all ihren Wirkungen. Bornas Ruf war ent- soll erstmals eine »Zwiebel-Königin« entfernten Stuttgart, und eben dies be- sprechend. Nach ‘90 verschwanden hier gewählt werden. Glück auf! stimmt seine Reisemotivation: Bernd 30.000 Arbeitsplätze. Gleichwertiger Er- Bernd Riexinger zeigt sich beein- Riexinger will den Osten näher kennen- satz fehlt, selbst wenn vom Aussichts- druckt. Er sagt, nicht allein gegenüber lernen – umfassender als früher ge- punkt Schleenhain (Foto Seite 4) die den Medien: Hier sieht man, DIE LINKE werkschafts-dienstlich oder später tou- wohl noch langfristigen Förderfelder be- kann rechnen und verantwortungsbe- ristisch auf dem Saale-Radweg. Er will eindrucken (und manche auch: bedrü- wusst gestalten. Zugleich macht er deut- verstehen, wie DIE LINKE in den neuen cken). Andererseits beginnt nur wenige lich, dass die Kommunen auf standhaf- Bundesländern wirkt und in der Bevöl- Kilometer weiter eine riesige Seen-Land- te fi nanzielle Füße gestellt werden müs- kerung ankommt. schaft, erwachsen aus einstigen Kohle- sen. Das Öffentliche als Bestandteil der Seit 2008 ist Simone Luedtke (ge- Löchern. Eine Region im Umbruch. Die Sozialpolitik und der Demokratie. boren übrigens in München und aufge- Kumpeltradition indes überlebt: In Bor- Befragt nach seinen, sozusagen wachsen unweit vom Rhein!) im Amt. na heißt eine Kneipe »Glück auf!«, und übergreifenden, Eindrücken im Osten, An diesem 6. August trägt sie ein rotes als die Einwohner nach dem Namen für verweist Riexinger vor allem auf die ärmelloses Kleid, darüber eine Jeans- die tolle Sporthalle gefragt werden, ent- mehr als 30 Prozent Abstand bei den jacke. Praktischer Chic. Im Rathaus scheiden sie sich für: Glück auf! Löhnen zu denen im Westen und auf die spricht die 41-Jährige über ihre Arbeits- Glück allein reicht nicht. Immer wie- ungleichen Renten – mehr als 20 Jahre bedingungen als LINKE: »Wir haben die der geht’s in den Kommunen um Kohle nach der Einheit. Ein Unding! meisten Abgeordneten, aber die Mehr- anderer Art. Entweder man hat sie oder Der Kreisverband der LINKEN West- heit haben wir nicht.« Folglich müsse im man hat sie nicht – und kann, irgend- sachsen vereint 700 Mitglieder. Fast Stadtrat nach Kompromissen gesucht wie, an sie rankommen fürs Gemein- hundert von ihnen drängt es am Abend werden. Gefunden würden sie des Öfte- wohl. In Luedtkes Amtszeit hat die Stadt ins Bürgerhaus, sie wollen dem Vorsit- ren mit der SPD und zuweilen sogar mit Investitionen von mehr als 40 Millionen zenden ihre Meinung sagen und seine der FDP, Fundamentalopposition mache Euro getätigt. Einsamer Stadtrekord. Al- hören. Ein Wunsch, den vorher Kommu- allein die CDU. les mit Fördermitteln. Für nachhaltige Ef- nalpolitiker, Abgeordnete, zwei Kreis- Bornas Probleme klingen ostbe- fekte und ohne unabwägbare Risiken: vorsitzende sowie die frisch gewählte kannt: der Wegbruch der Industrie nach »Ich bin Bilanzbuchhalterin, ich bin Be- Landrätin aus Altenburg (Thüringen) ins der Wende und der Wegzug vieler Fach- triebswirtin – ich weiß, wovon ich rede.« Bürgerbüro mit dem schönen Namen leute, kaum neue Arbeitsplätze, ei- Zur Bestätigung fährt die Oberbürger- »Ständige Vertretung« zusammenge- ne enorme Arbeitslosigkeit, zahlreiche meisterin mit ihrem Besuch zum Neu- führt hat. Was sie mitteilen, klingt zwi- Pendler nach Leipzig und Chemnitz ... bau einer Grundschule, zum sanierten schen Sorge und Hoffnung. So bei Frank Vor Urzeiten wurde der Ort berühmt Gymnasium, zu jener Mehrzweck-Sport- Feldmann, Bergmann a.D. und seit 1990 durch seine Zwiebeln (»Zwiebel-Bor- halle und zum ebenso neuen Schwimm- im Stadtrat: »Nach dem Parteitag fi el mir na«), danach durch die Braunkohle mit bad. Von den Investitionen fl oss fast al- ein Stein vom Herzen. Warum? Ich hatte

PARTEI DISPUT August 2012 6 vorher auf der Regionalkonferenz gegen die Zerstrittenheit gesprochen: Wir müs- sen die Partei der Kümmerer sein – nicht im Sinne von Verkümmern.« Ihm sei es

© Erich Wehnert (4) immer um »die Sache« gegangen, nach der Wende habe er sich beschimpfen lassen müssen, war bei Wind und Wet- ter unterwegs. Kommunalpolitik sei das Kernstück: »Als Stadtrat läufst du übern Marktplatz und die Leute sagen unver- blümt ihre Meinung. Das alles hängt ei- nem irgendwie an. Und das darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Die Entwicklung vor dem Parteitag hatte mir deshalb unheimlich wehgetan. Das reizte mich zum ›Klassenkampf‹.« »Je stärker DIE LINKE«, so OB Luedt- ke, »desto mehr nutzt das den Bürgerin- nen und Bürgern.« Das gelte nicht allein für die Stärke vor Ort. »Das letzte Duo (an der Parteispitze) ist uns hier auf die Füße gefallen.« Weswegen Frank Feld- mann, in Bergmanns Tracht, die große Hoffnung äußert, dass es in dem jetzi- gen Politikstil weitergehe. In der »Ständigen Vertretung« ist die Rede von guten Erfahrungen bei Kom- munalwahlen mit »Offenen Listen«, von der »Einsamkeit« von Bürgermeistern, von den Grenzen der »reinen Lehre« im Alltag und vom Wunsch des Landes- vorsitzenden, die Positionen aus dem Osten als »selbstbewusste Argumen- te« und nicht als Opposition zu werten. – Der Vorsitzenden-Gast pfl ichtet bei: »Ich habe die Debatte ›Kommunalpoli- tik – außerparlamentarische Bewegung‹ nicht verstanden. Das ist doch kein Ge- gensatz. Im Osten ist DIE LINKE fest ver- ankert und Volkspartei.« Ihre Kommu- nalpolitik sei vorbildlich, und eine gute Kommunalpolitik sei Voraussetzung für eine gute Landespolitik.

7 DISPUT August 2012 Eine politische Zäsur Vor zwanzig Jahren: das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen. Über geistige Brandstifter und politisches Versagen – und über tägliches Widerstehen Von Ali Al Dailami

Es waren die Tage zwischen dem 22. 25. August 2012, 14.00 Uhr: Durch die Abschaffung des Grundrech- und 26. August des Jahres 1992, als ein Bundesweite Demonstration im tes auf Asyl entledigte sich die Politik Mob mit Steinen und Molotow-Cock- Gedenken an das Pogrom, zudem in gewisser Weise ihrer aus den tails die zentrale Aufnahmestelle für Rostock-Lütten-Klein, Warnowallee Erfahrungen der faschistischen Dik- Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen tatur herrührenden historischen Ver- angriff und die Unterkunft vietnamesi- antwortung. Das Pogrom von Rostock- scher Vertragsarbeiter/innen unter grö- Lichtenhagen bedeutet somit eine po- lenden Parolen und dem Applaus tau- schaftlichen Problemen abzulenken. litische Zäsur in der Politik der Nach- sender »Schaulustiger« in Brand setz- Da kamen die Bürgerkriegsfl üchtlin- kriegszeit. Rassistische Diskurse über te. Nur die Flucht über die Dächer an- ge aus dem ehemaligen Jugoslawien »Integrationsverweigerer« und »krimi- grenzender Gebäude bewahrte 150 gerade recht. Obwohl im Jahre 1992 nelle ausländische Jugendliche« und Menschen vor dem Tod. Die Polizei nur 4,8 Prozent aller Asylanträge aner- eine grassierende Islamfeindlichkeit hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon kannt wurden, schlug jetzt die Stunde sind seitdem alltäglich geworden. längst zurückgezogen, und der Feuer- der Rassisten und Populisten, die nach Seit 1990 sind 180 Menschen von wehr wurde vom rechten Mob die Zu- einer Abschaffung des Grundrechtes Nazis ermordet worden. Spätestens fahrt verwehrt. auf Asyl riefen. Das Thema Asylrecht die zu späte Aufdeckung und die gra- Das Pogrom von Rostock-Lichtenha- gelangte in den Mittelpunkt der politi- vierenden Ungereimtheiten im Zusam- gen war der traurige Höhepunkt einer schen Auseinandersetzung. menhang mit der rassistischen Mord- Gewaltserie gegenüber Asylsuchenden Eine Kampagne gegen sogenann- und Raubserie der NSU mit bislang und MigrantInnen. Bereits im Septem- te »Asylbetrüger«, »Scheinasylanten« zehn bekannten Mordopfern verdeut- ber 1991 war es in Hoyerswerda zu ta- und »Wirtschaftsflüchtlinge« setzte lichen, wie verharmlosend, ignorant, gelangen Angriffen mit Brandfl aschen ein. Politik und Medien, allen voran ja zum Teil fördernd der Staat rassis- auf ein Wohnheim für Vertragsarbei- die Springer-Presse, die »Das Boot ist tischen Gewalttaten begegnet. Der ter/innen sowie ein Flüchtlingsheim voll« titelte, dienten als Stichwortgeber Kampf gegen rechts aus dem Mun- gekommen. Wie später in Rostock- und trugen so eine Mitschuld an den de der bürgerlichen Parteien ist zu ei- Lichtenhagen, hatte auch dort die Po- folgenden rassistischen Übergriffen. ner hohlen Phrase verkommen. Davon lizei kapituliert und 300 Vertragsarbei- Denn viele der damaligen Täter fühl- zeugt die zunehmende Gleichsetzung ter/innen abtransportiert und anschlie- ten sich als Vollstrecker des »Volkswil- von Faschisten und Linken. ßend abgeschoben. lens«, der ihnen medial und politisch Zwanzig Jahre Rostock-Lichtenha- Zwischen 1989 bis 1992 gab es suggeriert wurde. gen bedeuten aber auch zwanzig Jahre mehr als 1.900 Anschläge mit 17 Toten Standen unter den im Kampf gegen rechts, und sie bedeuten und 453 teilweise schwer Verletzten. Al- vertretenen Parteien CDU und CSU mit den Anspruch, sich täglich rechter Ge- lein im Jahr des Pogroms von Rostock- ihrer Forderung nach Abschaffung des walt, rassistischen Diskursen und dem Lichtenhagen gab es acht Sprengstoff- Grundrechtes auf Asyl anfänglich noch institutionellen Rassismus in den Weg und 545 Brandanschläge. alleine da, so änderte sich die Lage zu stellen. Gerade in Zeiten der Krise nach dem Pogrom von Rostock-Lichten- ist es notwendig, darauf aufmerksam Ablenkungsmanöver und hagen schlagartig. Dem rassistischen zu machen, dass es eben nicht Migran- politisches Druckmittel Diskurs folgend, dass es ohne die Asyl- tInnen und Asylsuchende sind, die der bewerber auch keine Anschläge gege- Schaffung sozialer Sicherheit im Wege Um den Hintergrund der Ereignisse zu ben hätte, kündigte nun die größte Op- stehen, sondern dass es die Politik der verstehen, muss man die 1980er Jahre positionspartei, die SPD, an, dem Asyl- etablierten Parteien ist, die sich dem betrachten. 1986 entdeckten CDU und kompromiss zustimmen zu wollen, an- Diktat von Banken und Konzernen un- CSU das Thema Asyl für sich und ver- geblich um zukünftig solche Anschläge terordnet. Dieselben Parteien, die mit suchten durch markige Forderungen zu verhindern. Am 6. Dezember 1992 ihrer Integrationspolitik gescheitert politisch an Boden zu gewinnen. Neue wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, sind, weil sie nicht bereit sind, allen rechte Parteien wie die Republikaner FDP und SPD das Grundrecht auf Asyl in dieser Gesellschaft lebenden Men- und die DVU profi tierten vom wachsen- faktisch abgeschafft. schen die gleiche Teilhabe zu ermögli- den rassistischen Diskurs und konnten Die im Lichte des Pogroms von Ros- chen. von 1989 bis 1992 in mehrere Landes- tock durchgesetzten neuen Gesetze, Die gesellschaftliche Linke ist mehr parlamente und ins Europaparlament darunter auch das Asylbewerberleis- denn je gefragt, offensiv ihre Stand- einziehen. tungsgesetz, das heute, 19 Jahre spä- punkte zu vertreten und die Wieder- Spätestens nach dem Abfl auen der ter, vom Bundesverfassungsgericht für herstellung des Grundrechtes auf Asyl anfänglichen Euphorie über die Wie- verfassungswidrig erklärt wurde, ka- einzufordern. Dies ist nicht allein die dervereinigung und dem Einzug des men einer Verhöhnung der Opfer rech- Forderung nach der Umsetzung eines nüchternen Alltags Anfang der 1990er ter Gewalt gleich, indem die rassisti- Menschenrechtes. Es ist auch die For- Jahre suchte die Politik händeringend schen Mörder und Gewalttäter in ih- derung, der Verantwortung gerecht zu nach einem Thema, um von ihrem Ver- rem Handeln bestätigt und regelecht zu werden, die auf den Erfahrungen der fa- sagen und den eigentlichen gesell- weiteren Anschlägen animiert wurden. schistischen Diktatur beruht.

ANTIRASSISMUS DISPUT August 2012 8 anches in unserem Land haus, Kontinentalreise, Cabrio. Da war stinkt. Wenn ein Öl- dann für viele Paare die Kinderkacke scheich 200 Kampfpan- ein lästiger Klebstoff. Im Osten verhal- zer für fi nstere Pläne be- fen die Kinder schneller zu einer Woh- stellt, dann fehlt es hier nung und die Kitas zu Muttis Entfaltung M weder an Geld noch an Material oder im Berufsleben. Fachkräften, dann wird geliefert. Wenn Noch heute zeigt ein Blick auf die Kri- aber 30.000 zusätzliche Kitaplätze senkarte der Familienministerin, wo die und 5.000 Betreuer gebraucht werden, Kinder Könige wurden: Von den 16 Bun- dann fehlt es an Baugrund, an Geld, an desländern haben sieben die derzeit Zeit und ausgebildeten Leuten. Drum geplante Betreuungsquote für Kinder hat die Familienministerin schlafl ose unter drei Jahren überboten. Das sind Nächte, denn ab 1. August im Wahljahr Mecklenburg-Vorpommern, Branden- 2013 müssen statt 750.000 womöglich burg und Sachsen-Anhalt mit über 50 780.000 oder mehr Kitaplätze bereit- Prozent und Sachsen, Thüringen, Berlin stehen. Sonst droht eine Klagewelle, und mit etwa 40 Prozent. Der die nur mit den Hartz-IV-Protesten zu Rest liegt zwischen 20 und 30 Prozent. vergleichen ist. Da ist nun dicke Luft in den Jugendäm- Komisch, dass in einem Land, wo je- tern und Rathäusern wegen der nicht der drei Taschenrechner hat, kein Mi- entsorgten Kinderkacke. nister ausrechnen kann, wie viele Kin- Der »marode Osten« hatte also – der wie viele Plät- fast geräuschlos – vor Jahrzehnten be- ze brauchen! Warum wältigt, was »Großdeutschland« heute Kinderkacke haben wir bei vielen noch schmerzhafte Blähungen bereitet. menschlichen Grund- Und da 1990 den »befreiten Frauen« in rechten die Taschen Neufünfl and das Kinderkriegen schnell leer und die Hosen verging und sie als hochqualifi zierte voll? Lohndrücker im Westen auf Jobsuche Als der »Gen-For- gehen mussten, wurden viele betriebli- scher« Sarrazin sein che und kommunale Kitas geschlossen. Von Jens Jansen Buch »Deutschland Die DDR hatte 7.400 Krippen für schafft sich ab« ver- 345.000 Kleinkinder. Da wurden 75 Pro- öffentlichte, hatten Millionen Leser das zent der unter 3-Jährigen für 20 bis 25 bange Gefühl, dass der Niedergang des Mark monatlich betreut. Der Staat muss- Vaterlandes in den Aufnahmeheimen te 350 Mark pro Kind und Monat drauf- für Migranten beginnt. In Wahrheit be- zahlen. Die pädagogische, medizini- ginnt er aber in unseren Schlafzim- sche und hauswirtschaftliche Betreu- mern. Da wurden im vorigen Jahr zwar ung der Knirpse war es ihm wert. Hin- 663.000 Kinder gezeugt, aber zumeist zu kamen eine Million 3- bis 6-Jährige, von Einwanderern und dennoch 2,2 die tagsüber in den Kindergärten waren. Prozent weniger als im Vorjahr. Der bib- Das waren 93 Prozent der betreffenden lische Auftrag »Seid fruchtbar und meh- Jahrgänge, die von 85.000 qualifi zier- ret euch!« verkam in Deutschland un- ten Pädagogen und Helfern umgeben ter überwiegend christlicher Herrschaft waren. Das kostete Milliarden. Aber die- zur »Ein-Kind-Ehe«. Die Bundesstatistik se Mühe trug goldene Früchte durch die präzisiert: 1,3 Kinder je Paar ist in Mode. Einsatzbereitschaft der Eltern und die Wenn aber der Drang von außen stärker Entwicklungschancen der Kinder. Die ist als der Drang unter unseren Bettde- deutsche Vereinigung bot die Chance, cken, dann müssen die einheimischen diese Erfahrungen zu analysieren statt Ureinwohner zur Minderheit werden. zu ignorieren und zu diffamieren. Aber Was ja kein Nachteil sein muss, wie vie- das war den altdeutschen Sittenwäch- le angesehene Staaten beweisen, auch tern zu teuer. wenn sich die Nazis vor Angst in die Ho- Nun erscheinen im 10-Punkte-Plan se machen. der Familienministerin auf Anregung Nun stehen den gebärfähigen deut- von Arbeitgeberpräsident Hundt sogar schen Müttern inzwischen die 40-jäh- »Betriebskindergärten« als wünschens- rigen Großmütter zur Seite, indem sie wert. erneut für Nachwuchs sorgen. Deren Der Mann kann rechnen. Da die Ge- Mütter sind in dem engen Bewährungs- winne im letzten Jahrzehnt nur um 30 feld der fünf »K« großgeworden: Kü- Prozent anstiegen und die Reallöhne gar che, Keller, Kinder, Kirche, Klatschpres- um vier Prozent sanken, kann beiden se. Aber dann kam 1948 östlich der El- Seiten geholfen werden, wenn die Kin- be der Geist von Clara Zetkin zum Erfolg derkacke mit der CSU-Herdprämie lie- und 1968 westlich der Elbe die Rebelli- ber umgeleitet wird in den überfälligen on mit Alice Schwarzer. Danach wuchs Ausbau der Kitas. Das kleine Glück der aber im Westen ein neuer Zaun mit an- Familie verlangt das große Glück einer deren Prioritäten: Karriere, Konto, Klein- menschenfreundlichen Gesellschaft!

9 DISPUT August 2012 FEUILLETON u bist Bundesgeschäftsfüh- Die Auseinandersetzungen darüber, Die Vorsitzenden sind gewählt, die rer – und du bist Abgeord- ob man die Perspektive in der BRD-alt Partei politisch zu führen – und das neter im Landtag Sachsen- und im kapitalistischen System sieht tun Katja (Kipping) und Bernd (Riexin- Anhalt. Mich interessiert zu- oder ob man für eine sozialistische Al- ger); beide haben sowohl nach innen nächst, wie schwer denn das ternative, sprich: eine reformierte DDR als auch nach außen einen guten Start DArbeiten dort ist, speziell im Bildungs- kämpft, war 1989/90 eine zentrale hingelegt. Der Bundesgeschäftsführer ausschuss. Auseinandersetzung. Über die bin ich leitet das operative Geschäft. Unser Ausschussvorsitzender neigt in die politische Debatte gekommen. Meine Aufgabe besteht zu einem zu kurzen knappen Sitzungen, was da- Damals schloss ich mich einer Ju- großen Teil darin, das, was die Vorsit- zu beiträgt, dass die Koalition aus CDU gendgruppe in meiner Heimatstadt zenden und der Parteivorstand festle- und SPD noch weniger zur Bildungspo- Sangerhausen an. Der Volkskammer- gen, umsetzbar zu machen und mit den litik sagt, als sie ohnehin zu sagen hat. wahlkampf 1990 war mein erster Wahl- Gliederungen der Partei zu kommuni- Insofern ist die Arbeit im Ausschuss kampf, 1992 trat ich in die PDS ein. zieren. Aber natürlich geht es auch um nicht so aufwendig, wie es dem Thema eigene Anstöße und Initiativen. eigentlich zustehen würde. 20 Jahre darauf bist du Bundesge- Wir haben ein Jahr Zeit, der Partei so schäftsführer geworden. Wie erinnerst viel Stabilität zu geben, dass sie mit ei- Du ahnst, warum ich das frage? du dich an das Votum des Parteitages ner starken Fraktion aus der Bundes- Ob ich das neben meiner neuen in Göttingen? tagswahl hervorgeht. Daran wird man Funktion noch schaffe … Am Montag nach der Nordrhein- uns messen, auch wenn wir das nicht Westfalen-Landtagswahl hatte ich alleine bewerkstelligen können. Falsch. mich endgültig entschieden, zu kandi- Sondern? dieren und die Kandidatur öffentlich zu Was nimmst du dir also vor für die (vor- machen. Es wurde ein in vielerlei Hin- erst) zwei Jahre Amtszeit? Das Protokoll der Landtagssitzung am sicht sehr komplizierter Bundespartei- Es gibt zwei zentrale politische Auf- 7. Juni 2012 zitiert dich mit einem be- tag, erst recht, wenn man selbst Kandi- gaben und eine, die die innerparteili- merkenswerten Satz: »Vielleicht könn- datin oder Kandidat war. Der Parteitag che Verfasstheit betrifft. te man auch sagen, dass mich zehn war mit Zumutungen verbunden, die Erstens: Wir müssen die Wahlen Jahre im Bildungsausschuss hart ge- zum Teil inakzeptabel waren. Ich hatte 2013 bestehen: im Januar in Nieder- nug gemacht haben für die Arbeit, die fast stündlich das Gefühl, die Dinge än- sachsen und im Herbst die Bundes- vor mir liegt.« dern sich noch mal. Das war ein Wech- tagswahl und die Landtagswahl in Bay- Ach so …! – Der Ausschussvorsit- selbad der Gefühle. Umso erleichter- ern, danach in Hessen, und Kommunal- zende hatte gemeint, er müsse mir zur ter war ich nach der Wahl, zumal mit so wahlen gibt es auch. Wahl und zu meiner nicht ganz einfa- einem Ergebnis (80,9 Prozent Ja-Stim- Der Fixpunkt Bundestagswahl ist chen Aufgabe gratulieren. Die Debatten men – d. Red.). ein großer Brocken, zumal wir als Par- im Ausschuss sind manchmal kontro- Doch ich bin lange genug dabei, tei erst jetzt, nach Göttingen, mit den vers und ruppig, weil die Bildungspo- um zu wissen, auf was ich mich einlas- Vorbereitungen beginnen konnten. In- litik eines der wenigen Themen ist, die se. Der häufi gste Spruch, den ich ge- sofern ist die Zeit relativ knapp, selbst den Ländern in ihrer klassischen Ho- hört oder gemailt bekommen habe, wenn wir im Bundeswahlbüro und mit heit geblieben sind und die mit ideo- war: Ich bin nicht sicher, ob ich dir gra- den Ländern einen guten Start hatten. logischen Debatten verknüpft werden. tulieren soll … Das war immer mit ei- Zweitens, und das haben wir per- Und das schult schon ein bisschen im nem Schmunzeln gemeint, aber da ist manent zu leisten: die Parteientwick- politischen »Nahkampf«. ja auch was dran mit dem Wissen, wel- lung oder wie wir es nennen: das Pro- cher Aufgabe man sich gestellt hat. jekt LINKE 2020. Also die Fragen, wie Du bist ein Freund ideologischer De- wir mit den unterschiedlichen Struktur- batten? Wofür ist der Geschäftsführer einer notwendigkeiten in Ost und West um- Nein, aber sie bleiben nicht aus, zu- Partei verantwortlich? gehen: Im Osten schrumpft die Par- mal wenn man als Sozialist unterwegs Prinzipiell heißt es, dass Bundes- tei aus demografi schen Gründen, wir ist. Zur Auseinandersetzung gehören geschäftsführer für die politische At- müssen die Strukturen in den Landes- auch ideologische Debatten. tacke zuständig sind. Das ist so. Aber verbänden weiter anpassen. Im Wes- die meiste Zeit ist man damit beschäf- ten ist weiterhin Aufbau- und Stabi- Wann und wie bist du zur Politik ge- tigt, die Partei zu organisieren und zu lisierungsarbeit zu leisten, auch bei kommen? strukturieren. Das fängt bei den Mitar- hauptamtlichen und logistischen Politisch gesehen bin ich ein »Wen- beiterinnen und Mitarbeitern des Karl- Strukturen. Wir müssen darüber re- dekind«. Im Herbst ’89 war ich 14, in ei- Liebknecht-Hauses an und hört bei der den, wie wir Mitglieder stärker in den nem Alter, in dem viele beginnen, sich Vorbereitung des Bundesparteitages politischen Prozess einbinden können politisch zu interessieren und zu betä- auf. Dazu gehören die Planung von öf- und welche Angebote wir für Neumit- tigen – über das klassische Maß des- fentlichen Aktionen und von Materia- glieder haben, damit sie nicht gleich sen hinaus, was es zu DDR-Zeiten oh- lien, die wir verwenden wollen, sowie wieder verloren gehen. nehin in Schulen an politischer Betäti- – sehr aktuell – die Vorbereitung der Das alles gehört zum Projekt LINKE gung gab. Bundestagswahl und des Wahlkamp- 2020 und hat auch fi nanzielle Auswir- Für mich (wie für viele andere) war fes. Also insgesamt ein sehr breites kungen bei Beiträgen und Spenden. das eine große Chance: Über Nacht Feld, bei dem man keine Sorge haben schien alles möglich zu sein. Ich erin- muss, den Tag auszufüllen. Und welche innerparteiliche Heraus- nere mich, wie wir im Unterricht anfi n- forderung meinst du? gen, mit den Lehrern politische Debat- Worin besteht die Arbeitsteilung zwi- In den vergangenen ein, zwei Jahren ten zu führen – etwas, was heute wie- schen dem Geschäftsführer und den haben wir fast jede wichtige politische der undenkbar erscheint. Vorsitzenden der Partei? Entscheidung in einem konfrontativem

PARTEI DISPUT August 2012 10 © Erich Wehnert Unsere Botschaft ist angekommen Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn über seinen »Frühstart« in die Politik, über öffentliche Auseinandersetzungen und den Fixpunkt Bundestagswahl

Stil, zum Teil mit Kampfabstimmungen, fahrungen in der Vergangenheit so in irgendeiner Weise eine strömungs- herbeigeführt und dann versucht, sie in groß ist …? politische oder eine andere Verortung der Partei durchzusetzen. Wir müssen Ich weiß um die Skepsis aufgrund in der Partei; ich bin seit vielen Jahren einen Weg fi nden, das aufzulösen und der Erfahrungen in der Vergangenheit Mitglied des Forums Demokratischer produktiver mit Widersprüchen umzu- und kann nur dafür werben, uns als Sozialismus. Aber selbstverständlich gehen. Zum Beispiel müssen wir bei neuer Parteispitze eine Chance zu ge- konnte ich daraus keine Doktrin für den der Erarbeitung des Bundestagswahl- ben und die ausgestreckte Hand anzu- Landesverband machen. Als Vorsitzen- programms versuchen, die Partei früh- nehmen. der (oder jetzt Bundesgeschäftsführer) zeitig einzubinden und aus den Wider- Mein Eindruck ist: Unsere Botschaft ist man für alle Mitglieder gleicherma- sprüchen und unterschiedlichen Sich- ist in der Partei angekommen: Ich spü- ßen gewählt. Das muss man verinnerli- ten nichts zu machen, was es auf Linie re die Offenheit und die Motivation, chen, ansonsten begibt man sich in ei- zu bringen gilt, sondern es im produk- das auch zu tun. ne permanente Konfrontation, die nie- tiven Sinne einer »Mosaik-LINKEN« zu mandem hilft. einem großen Bild zu formen, von dem Du warst sieben Jahre Landesvorsit- Und: Ich vertraue auf die Kompetenz am Ende alle profi tieren. zender in Sachsen-Anhalt. Was lehren und die Zuverlässigkeit meiner Mitar- Das beginnt bei der Art und Weise dich die Erfahrungen aus dieser Aufga- beiterinnen und Mitarbeiter – das ha- des Umgangs miteinander. Katja und be für deine neue Verantwortung auf be ich in Sachsen-Anhalt so gehalten, Bernd haben diesen Punkt sehr be- Bundesebene? das gilt auch für die Bundesgeschäfts- wusst an den Anfang ihres 120-Tage- Dass man in Führungsfunktionen stelle. Programms gesetzt: wie wir miteinan- sehr genau abwägen muss zwischen der umgehen, wie wir zuhören, wie wir der Integration und, wenn’s nötig ist, Nenne doch bitte mal solch einen mar- voneinander lernen. Das ist eine zent- dem Führen gegen Widerstände. kanten Punkt in dem Lernprozess! rale Baustelle. Man kann (einen Landesverband) Der Landesverband Sachsen-Anhalt nicht erfolgreich führen, wenn man ver- hat eine Tradition: Er begibt sich pro- Die Botschaft werden viele wohl hören, sucht, bei jeder Entscheidung seinen nonciert in die innerparteiliche pro- allein der Glaube, ob der nach den Er- Kopf durchzusetzen. Wir alle haben grammatische Debatte. 2006, ich war

11 DISPUT August 2012 erst seit einem Jahr Landesvorsitzen- Wir müssen immer versuchen, zwei sen will ich für die Unterstützung des der, hatten wir dem Landesparteitag ei- Dinge in den Vordergrund zu stellen: Landtagswahlkampfes nutzen, es gibt nen Leitantrag als Beitrag zur program- Das eine ist das große ökonomische, einen Termin für eine Kreisvorsitzen- matischen Debatte vorgelegt, der sehr fi nanzpolitische Rad, an dem auch DIE den-Beratung in Rheinland-Pfalz … Ich pointiert war, um Diskussionen anzu- LINKE drehen muss, weil es hier um bin dabei, die Kontakte aufzubauen regen. Das hat funktioniert – allerdings sehr grundsätzliche Fragen von Eigen- und zu stabilisieren. in einer Schärfe, die ich nicht erwartet tum, Reichtumsverteilung und Demo- hatte und die auch prompt instrumen- kratie geht. Wenn sich jemand an dich wenden will, talisiert wurde. Es entwickelte sich ei- Das andere aber ist mindestens ge- kommt sie/er bis zu dir vor? ne öffentlich ausgetragene Auseinan- nauso wichtig: Ein Großteil der Bürge- Per Mail immer. Und wer ein wichti- dersetzung, unter anderem mit Oskar rinnen und Bürger erlebt seit vielen Jah- ges politisches Anliegen hat, hat auch Lafontaine als Fraktionsvorsitzendem, ren eine ganz persönliche Krise. Für sie eine Chance, zu mir ins Büro vorzudrin- und natürlich wirkte die Debatte in den ist im Moment gar nichts anders, sie gen. Landesverband zurück. Der Parteitag sind seit Jahren in prekärer Beschäf- hat mich nicht im Stich gelassen und tigung und haben seit Jahren Proble- Dann nennen wir hier zumindest die bestätigte den Debattenbeitrag mit ei- me, die zehn Euro Praxisgebühr auf- Mailadresse: matthias.hoehn@die- ner großen Mehrheit. Aber ich habe zubringen. Sie haben im Grunde eine linke.de. gemerkt, dass man sehr genau abwä- permanente Krise und Angst – und sie Ein anderes Thema: Wirst du für den gen muss, welche Rolle man als Vorsit- beziehen das gar nicht auf die Krise ei- Bundestag kandidieren? zender spielt. Da ist es manchmal not- ner Bank, die sie gar nicht kennen. Nun Ich habe mich noch nicht defi nitiv wendig, Dinge auf den Punkt zu brin- wissen wir politisch, dass das eine mit entschieden. Ich bin Landtagsabgeord- gen, den Landesverband auch mal zu dem anderen in vielen Fällen durchaus neter, gewählt bis 2016, und ich mache ziehen und zu führen – und gleichzei- zusammenhängt, aber wir müssen für Landespolitik gern. Und ein Parteivor- tig muss man ebenso aufpassen, dass beide Ebenen eine konkrete Ansprache stand profi tiert durchaus davon, wenn man den Landesverband in seiner Gän- fi nden: Die europäische Zinspolitik und in der unmittelbaren Führungsspitze ze noch mitnimmt. die Dispozinsen fürs Girokonto sind ein nicht ausschließlich Bundestagsabge- gutes Beispiel dafür. ordnete sitzen. In Interviews und jüngst auf dem Lan- desparteitag, auf dem du als Landes- Woran willst du deine Arbeit als Bun- Es soll nicht nach Verabschiedung vorsitzender verabschiedet wurdest, desgeschäftsführer gemessen wissen? klingen, aber was würdest du beruf- hast du davon gesprochen, dass die Was soll der Maßstab sein? lich machen, wenn du nicht Politiker Partei »alltagstaugliche Angebote« Natürlich schauen alle auf die Bun- wärst? brauche. Was soll das sein? Eine Kam- destagswahl. Als Wahlkampfl eiter hat Ursprünglich wollte ich mal Journa- pagne mehr? Eine Kampagne differen- man eine besondere Verantwortung. list werden und hatte darum angefan- zierter? Die politische Bilanz misst sich zwar gen, Publizistik zu studieren. Das Ziel Eine Kampagne mehr? – Im Zweifel nicht allein an Wahlergebnissen, doch Journalismus wieder aufzunehmen, eine weniger. In der Vergangenheit ha- eben auch. nachdem man aus der Berufspolitik ben wir zu viele gemacht und deswegen Ich wünsche mir, dass wir in dem, aussteigt, ist sicherlich schwierig. Ich keine richtig. Wir haben uns jetzt darauf was ich vorhin für den innerparteilichen glaube, ich würde in der Nähe der Poli- verständigt, uns zu konzentrieren. Prozess beschrieben habe, in zwei Jah- tik bleiben, vielleicht publizistisch. Als demokratisch-sozialistische Lin- ren ein Stück weiter sind: was die Mit- ke hat man ein Spannungsfeld, das an- gliederbeteiligung betrifft, was die Ar- Du pfl egst – ähnlich wie die neuen Par- dere Parteien nicht haben: Auf der ei- beit mit Mitgliedern und mit Neunmit- teivorsitzenden – einen unaufgereg- nen Seite grundsätzliche gesellschaft- gliedern betrifft. In zwei Jahren möch- ten, sachlichen Arbeitsstil. Was bringt liche Veränderungen anmahnen und te ich eine offenere, eine spannendere dich in Rage? anstreben, die weit über den Tag hi- Partei, als wir sie jetzt haben. Das wä- Wenn ich das Gefühl habe, Leute nausgehen, und auf der anderen Sei- re mir wichtig. glauben, sie könnten mich für dumm te darauf achten, dass man ein politi- verkaufen. Oder offen ausgetragene sches Angebot für die Erwartungshal- Wie gut kennst du die Partei, warst du Unehrlichkeit. Und Autoritätsgehabe. tung der Leute mit ihren sehr konkreten schon in allen Bundesländern? Problemen braucht. Beides zu machen, Privat vielleicht (da müsste ich ge- Was gibt’s zur privaten Seite des Bun- keine Seite zu vernachlässigen und die nauer nachdenken), auf »Dienstreise« desgeschäftsführers zu sagen? beiden Seiten nicht gegeneinander noch nicht. Engere Kontakte gab es aus Ich bin Wahl-Magdeburger, die Poli- auszuspielen, ist nicht einfach. meiner Zeit als Landesvorsitzender in tik hat mich dort ansässig werden las- Der eine oder andere in der Partei Sachsen-Anhalt zu den Nachbarn, zum sen. Seit acht Jahren lebe ich in einer neigt dazu, allein über grundsätzliche Beispiel Niedersachsen. Ansonsten eingetragenen Lebenspartnerschaft. Fragen zu theorisieren. Das führt je- kenne ich die Landesvorsitzenden und Wenn ich ein bisschen Zeit habe, ver- doch dazu, dass die Leute irgendwann Landessprecher/innen aus diversen suche ich, die mit meinem Partner zu nicht mehr zuhören, weil das nichts mit Beratungen und Aktionen. Jetzt ist es verbringen. Oder ich gehe für zwei ihrem Leben zu tun hat. Andere in der selbstverständlich eine wichtige Aufga- Stunden ins Sportstudio. Für ausgiebi- Partei vergessen, Politik eine grund- be für mich, die landespolitische Brille ge Hobbys bräuchte ich ausgiebig Zeit. sätzliche Richtung zu geben, damit beiseitezulegen und allen Landes- und Die habe ich im Moment nicht. man argumentieren kann, wohin man Kreisverbänden gleichermaßen zur Ver- Privat bin ich vielleicht so, wie mich eigentlich will. fügung zu stehen. der eine oder andere ohnehin wahr- Diese Woche bin ich im Geschäfts- nimmt: relativ unaufgeregt. Was bedeutet das konkret in Zeiten der führenden Vorstand in Hessen, die gu- Krise? ten Verbindungen zu den Niedersach- Interview: Stefan Richter

PARTEI DISPUT August 2012 12 PRESSEDIENST

Parteivorstand: Auf seiner Bera- wirtschaften können«, wie FairWoh- »Wer trotz aller Warnungen mindes- tung am 4. und 5. August beschloss nen-Aufsichtsratsvorsitzende Heidrun tens 300 Millionen Euro starrköpfi g in der Parteivorstand das Positionspa- Bluhm gegenüber »neues deutsch- den Sand gesetzt hat und jetzt für das pier »Demokratie statt diktierter Ban- land« unterstrich. Scheitern seines Hasardspiels trotzig kenrettung«, in dem die Positionen die EU fernab in Brüssel verantwortlich der Partei zur Euro-Krise zusammen- Hessen: Mit der Räumung des Oc- macht, kann nicht länger Ministerprä- gefasst sind. Ferner entschied der Vor- cupy-Camps setze der schwarz-grüne sident bleiben!« stand, die von der Partei der Europä- Magistrat der Stadt Frankfurt am Main ischen Linken auf den Weg gebrachte gemeinsam mit SPD-Oberbürgermeis- : Matthias Loehr ist Bürgerinitiative zur Gründung einer öf- ter Feldmann die antidemokratische neuer Abgeordneter des brandenburgi- fentlichen europäischen Bank für sozi- Politik des Verbots von Protesten fort, schen Landtages. Der 35-Jährige rückt ale und ökologische Entwicklung und erklärte der hessische Landesvorsit- für die am 25. Juli nach langer schwe- Solidarität zu unterstützen. Der Bun- zende Ulrich Wilken am 6. August: »DIE rer Krankheit verstorbene Abgeord- desgeschäftsführer wurde beauftragt, LINKE verurteilt die Räumung des Oc- nete Irene Wolf-Molorciuc nach. Als die Aktivitäten zur Sammlung der not- cupy-Camps scharf. Als Sitz der Euro- »kompetent, hilfsbereit und humor- wendigen Unterschriften in die Öffent- päischen Zentralbank ist es die Aufga- voll« würdigte die brandenburgische lichkeitsarbeit und die Wahlkampfpla- be der Stadt Frankfurt, das demokrati- LINKE die Verstorbene, die viele Jah- nung einzuordnen. Ausführlich behan- sche Recht auf Protest zu garantieren re Kreisvorsitzende in der Uckermark, delte der Vorstand die vom Göttinger und nicht, diesen zu verhindern.« Landtagsabgeordnete und Landesvor- Parteitag an den Vorstand überwiese- sitzende der Volkssolidarität gewesen nen Anträge und fasste dazu Beschlüs- Nordrhein-Westfalen: NRW war. se. Als Vertreterinnen und Vertreter braucht ein neues Sozialwohnungs- des Parteivorstandes für den Bundes- programm mit einer deutlichen Erhö- Bundesgeschäftsstelle: Gerd ausschuss wurden Biggi Ostmeyer, Ida hung des Fördervolumens – Das be- Buddin, langjähriger Leiter des Be- Schillen, Halina Wawzyniak, Ali Al Dai- tonte Landessprecher Rüdiger Sagel reiches Organisation und Dienstleis- lami und Stefan Hartmann gewählt. am 4. August nach der Antwort auf eine tungen und des Organisationsbüros (siehe auch www.die-linke.de) Kleine Anfrage der LINKEN: »Die Zahl von Bundesparteitagen, ist am 27. Ju- der Sozialwohnungen in NRW ist um li nach schwerer Krankheit verstor- Sommertour: Am 10. August über- 40 Prozent in den letzten zehn Jahren ben. Bundesgeschäftsführer Matthias gab Bernd Riexinger vor dem Landtag auf 544.000 gesunken und gleichzeitig Höhn, Betriebsrat sowie die Mitarbei- in Hannover den Staffelstab der »Som- wird der Wohnraum in den Innenstäd- ter/innen des Karl-Liebknecht-Hauses mertour« an die Vorsitzendenkollegin ten dramatisch teurer.« Notwendig sei würdigten ihn als klugen, geistig ak- Katja Kipping. Sie geht bis 21. August ein neues Landesprogramm mit einem tiven und anregenden Genossen, der auf Reise, um sich an der Basis vorzu- um mindestens 500 Millionen Euro er- sich hohe Anerkennung auch in seiner stellen und die Parteidebatte zu füh- höhtem Fördervolumen. langjährigen Tätigkeit als Vorsitzender ren. Im Rahmen dieser Staffelstab- des Gesamtbetriebsrates sowie in sei- Übergabe – mit den LINKE-Spitzenkan- : Zu Beginn der parlamen- ner ehrenamtlichen Arbeit bei ver.di didatInnen für die niedersächsische tarischen Pause zogen Landessprecher und in weiteren Organisationen erwor- Landtagswahl – machen die beiden Christoph Spehr sowie Fraktionsvor- ben hat. Parteivorsitzenden auf niedrige Löhne sitzende Kristina Vogt am 3. August in und prekäre Arbeit aufmerksam. Ge- Form eines Video-»Sommerinterviews« Karl-Liebknecht-Haus: Am »Tag spräche, Veranstaltungen und Besu- Bilanz und skizzierten die nächsten des Offenen Denkmals« beteiligt sich che in insgesamt 26 Städten standen Schwerpunktaufgaben. Angeschnitten am 8. und 9. September auch wieder und stehen auf ihrem Programm. wurden das Bildungschaos der Koaliti- das Karl-Liebknecht-Haus. Das Ge- on, der Fiskalpakt, die Schuldenbrem- bäude wird in diesem Jahr 100 Jahre FairWohnen: Die Genossenschaft se mit den Folgen für das kleinste Bun- alt. Aus diesem Anlass sieht das Pro- FairWohnen wurde aus dem Bieterkreis desland, der Bundestagswahlkampf gramm diesmal neben sieben Führun- um die 12.000 ostdeutschen Wohnun- und die immer weiter um sich greifen- gen (Sonnabend: 10 bis 17 Uhr, Sonn- gen der bundeseigenen TLG Immobi- de Armut in dem Bundesland. Zu se- tag: 11 bis 16 Uhr) auch einen »Kaffee- lien aussortiert. Übrig bleiben vor al- hen ist das Video unter: www.dielinke- klatsch mit Geschichten aus und rund lem Finanzinvestoren. Die maßgeb- bremen.de um das Haus« (Sonntag, 16 Uhr), eine lich von LINKE-PolitikerInnen mit ini- Lesung des Historikers Ronald Fried- tiierte Genossenschaft hatte bei dem Rheinland-Pfalz: Den Rücktritt mann (»Die Zentrale – Zur Geschichte Verkauf mitgeboten, um die betreffen- von Kurt Beck forderte der rheinland- des Berliner Karl-Liebknecht-Hauses«, den Wohnungen »in das Eigentum der pfälzische LINKE-Vorsitzende Wolf- Sonntag 17.30 Uhr) sowie Dokumentar- selbstorganisierten Bewohnerinnen gang Ferner anlässlich der Sonder- fi lm, Kinderecke und Musik vor. und Bewohner (zu) überführen, damit sitzung des Landtages am 2. August diese sie langfristig eigenständig be- zum Skandal um den Nürburgring: Zusammenstellung: Florian Müller

13 DISPUT August 2012 Und immer lächeln! Über Probleme in der Fläche, den Weg nach draußen und das Schönste im Wahlkampf – Heiko Moll, Vorsitzender des Kreisverbandes Aurich

Probleme: Arbeitslosigkeit, öffentli- cher Verkehr, sozialer Wohnungsbau … © Stefan Richter © Stefan Warum und was müsste mehr in der Fläche getan werden? Ich wünsche mir, dass mehr Veran- staltungen in der Fläche gemacht wer- den und dass mehr Mandatsträger – obwohl sie sich jetzt Mühe geben – in die Fläche arbeiten. Ich weiß, wie schwierig das bei dem erforderlichen Zeitaufwand ist. Bloß: Unsere Partei holt die notwendigen Stimmen, um wieder in den Landtag Niedersachsen zu kommen, nicht allein in »Leuchttür- men« wie Hannover. Die hohen Gewin- ne haben wir in der Fläche erreicht. Wir brauchen die Fläche! In unserer Parteiarbeit haben wir zum Beispiel folgendes Problem, das man wahrscheinlich nicht lösen kann: Aktive Genossen, die auch mal zu Ver- anstaltungen in die Landeshauptstadt Hannover fahren möchten, müssen erst eine Stunde mit dem Bus zur Bahn fah- ren, da wir keinen Bahnhof haben, und sie sind dann noch zwei Stunden mit dem Zug unterwegs. Das heißt, man ist drei Stunden unterwegs, um zu ei- ner solchen Veranstaltung in der Lan- deshauptstadt zu kommen. Und man muss schon 17:45 Uhr wieder zurück, weil sonst der Busanschluss nach Au- rich weg ist.

Warum ist es der LINKEN gerade in der, wie du sagst, SPD-dominierten Region Heiko, du bist seit einigen Jahren der Seit wir die Politik mitgestalten, gelungen, gut Fuß zu fassen? Vorsitzende des LINKE-Kreisverban- hat sich schon einiges geändert. Nur Durch ihre unsoziale Hartz-IV-Politik des Aurich. Ein bisschen Heimatkunde als Beispiel: Aurich ist eine der ersten hat die SPD hier gewaltig an Ansehen in »DISPUT«: Wo liegt Aurich? Städte, die keine Kita-Gebühren mehr und Stimmen verloren. Diese Lücke ha- Im äußersten Nordwesten von Nie- erheben. ben wir als DIE LINKE ausgefüllt. Und dersachsen. Unser Kreisverband hat Der Schulmittelfonds, den wir 2007 bis heute sind viele davon überzeugt, ca. 120 Mitglieder – und das in einem im Kreistag angestoßen haben und der sobald DIE LINKE schwächer wird und Kreis, der eigentlich von Anfang an im- armen Menschen die Sorge nehmen die SPD stärker, schwenkt die sofort mer SPD-geführt war. Hier wurde ge- soll, wie sie die Schulmaterialien für wieder auf den rechten Kurs ein. Das sagt: Stell einen Pfahl auf, einen Helm ihre Kinder bezahlen können, ist durch erleben wir auch im Stadtrat. Die weni- drauf und ein Schild »SPD« dran – und Aurich landesweit ins Laufen gekom- gen SPD-Abgeordneten, die linke Posi- der wird gewählt. men. Das sind Sachen, wo man sieht, tionen beziehen, brauchen unsere Un- Umso mehr sind wir stolz darauf, dass wir als LINKE viel erreichen kön- terstützung. was wir in den fünf Jahren seit Grün- nen. Die Leute in der Region lassen sich dung der LINKEN alles erreicht haben. jedoch nicht mehr so leicht täuschen. Wir sind mit einer Fraktion im Kreistag Rundum zufrieden? Oft genug haben sie erlebt, dass die vertreten, wir sitzen im Stadtrat Aurich Was ich bemängele ist, dass die SPD ihnen erst den Kühlschrank leer und im Stadtrat Norden. Wir haben ins- »Fläche« durch den Landesvorstand macht und nach drei, vier Jahren, wenn gesamt zehn Mandatsträger und sind oder den Parteivorstand ein bisschen sie in der Opposition ist, den ranzigen niedersachsenweit einer der erfolg- vernachlässigt wird. Dabei stoßen wir Käse in den Kühlschrank legt und sagt: reichsten Kreisverbände. gerade in der Fläche auf die meisten Guck mal, wie sozial wir sind!

KREISVERBAND DISPUT August 2012 14 Wie ist eure Mitgliederentwicklung? lebt, ich habe Lagerfacharbeiter ge- Wir sind, glaube ich, in Niedersach- lernt, hatte einen Motorradunfall und Ich abonniere sen einer der wenigen Kreisverbände, umgeschult auf Bürokaufmann. An- die Zuwachs haben. derthalb Jahre war ich arbeitslos, habe Hartz IV bekommen, habe mich aber Wodurch erklärst du dir das? auch in der Zeit nie unterkriegen las- DISPUT Durch gute Basisarbeit; die ist wich- sen. Ich weiß, wovon ich rede. tig, denn allein können wir nichts ma- chen. Viel geholfen hat uns unsere Bür- Was muss ein guter Kreisvorsitzender gernähe. Dass wir wirklich nach drau- können? ßen gehen – das ist das A und O. Du Eigentlich gar nicht viel. Name, Vorname darfst nicht nur in den Parlamenten sitzen (auch wenn das nicht unwichtig ??? ist), du musst bei den Bürgerinnen und Ja. Er muss menschlich sein; das Straße, Hausnummer Bürgern sein. Darauf haben wir Wert ist wichtig. Er muss jeden akzeptieren, gelegt, anders wären die Erfolge nicht und er muss akzeptieren, dass nicht al- zustande gekommen. le gleich sind. Er braucht die Fähigkeit, PLZ, Ort sich auf andere einzustellen. Bevor ich Was waren denn für euch, für dich die beispielsweise über jemanden mecke- Höhepunkte? re, überlege ich erst mal, hat er heute Ich bestelle ab sofort Exemplar(e) Natürlich die Erfolge bei der vorigen einen schlechten Tag, gibt’s Ärger auf der Zeitschrift DISPUT im Landtagswahl: Selbst die Direktkandi- Arbeit oder zu Hause … Es gibt so viele daten erzielten um die zehn Prozent. mögliche Gründe. Deshalb: erst mal ei- Halbjahresabonnement zum Preis von Das war ein Wahnsinnserfolg. Und nen Tag abwarten. Und meistens erle- 12,00 Euro inkl. Versandkosten dann ist immer ein Erfolg, wenn neue digt sich das alles von selber. Alter In- Mitglieder dazukommen. Zwar nicht dianerspruch: Bevor du über einen her- Jahresabonnement zum Preis von mehr in der Stärke wie in der Grün- ziehst, zieh einen Tag seine Mokassins 21,60 Euro inkl. Versandkosten dungszeit, aber wir steigen peu à peu. an und dann läuft’s viel einfacher. Heute war so ein richtig schönes und nutze den vorteilhaften Bankeinzug Erlebnis: Wir haben jetzt das jüngste Was habt ihr für den Landtagswahl- Mitglied der LINKEN in Niedersachsen kampf im Winter vor? – das ist meine Tochter, sie ist 14 ge- Beim letzten Mal hatten wir, auch worden und ist sofort der LINKEN bei- im Winter, viel mit Ständen gear- Geldinstitut getreten. beitet. Wir mussten feststellen, das bringt nichts: Uns wurde am Stand Dem Vater zuliebe? sehr schnell kalt, und die Leute blie- Das will ich nicht sagen. Klar, dass ben auch nicht stehen. So bekommst Bankleitzahl sie familiär geprägt ist, Kinder kriegen du keine Stimmen. Dieses Mal wer- das ja irgendwie mit. (Wie ich in mei- den wir die Aktivitäten effi zienter ge- ner Kindheit auch: Ich komme aus ei- stalten. Wir wollen mit einem Thema Kontonummer ner eingefl eischten SPD-Familie.) Ich auftreten – jetzt, Ende Juli, zum Min- bin jedenfalls froh darüber, dass sie destlohn und im September zum Fis- oder die sozialen Ansichten ein bisschen kalpakt und den Auswirkungen. Wir mit übernommen hat. planen ganz viele Verteilaktionen in bitte um Rechnungslegung (gegen Das sind so Erlebnisse, die Kraft ge- den Innenstädten, um mit den Leuten Gebühr) an meine Adresse. ben. Und das ist wichtig. Weil: Man ver- ins Gespräch zu kommen. Auf diese liert sie auch ab und zu. Wer sagt, er Weise erreichen wir mehr Menschen hat noch nie die Kraft verloren, der lügt als durch die Stände im Wahlkampf, nach meiner Meinung. wo jede Partei so was macht und die Das Abonnement verlängert sich automatisch um den Wähler beinahe Spießruten laufen angegebenen Zeitraum zum gültigen Bezugszeitraum, falls ich nicht 15 Tage (Poststempel) vor dessen Ablauf Wann hattest du die Nase ein bisschen müssen. Das wollen die meisten nicht. schriftlich kündige. voll? Außerdem werden wir, vor allem in Ganz offen: als die Diskussion um den Städten, Klingelaktionen durch- den Parteivorsitz losging. Das war für führen, wir werden in die Wohnblocks mich so was von grausam; ich habe an- gehen und klingeln. Ich bin ja auch Di- Datum, 1. Unterschrift dere Probleme. Und die Bevölkerung rektkandidat und auf Platz 12 der Lan- hat andere Probleme. Wir wollen den desliste. Was gibt’s da Schöneres, als Ich habe zur Kenntnis genommen, dass ich die Bestellung Bürgern helfen: mit Themen, mit kon- an der Haustür zu klingeln und sich vor- innerhalb von 10 Tagen widerrufen kann. kreter Politik – und nicht mit internen zustellen? Und immer lächeln! Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Diskussionen, wer oben sitzt, welche Widerrufs. Schublade geöffnet werden darf … Das Könnt ihr Hilfe gebrauchen? will keiner wissen. Garantiert, und zwar bei der Verteil- aktion. Beim vorigen Mal hatten wir Datum, 2. Unterschrift Du machst so einen lebensfrohen Ein- Helfer aus Nordrhein-Westfalen. Wir Coupon bitte senden an: Parteivorstand DIE LINKE, druck … freuen uns, wenn es wieder klappt. Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin. Grundsätzlich, ja. Bestellungen auch möglich unter: www.die-linke.de Ich habe alle Seiten des Alltags er- Interview: Florian Müller

15 DISPUT August 2012 Es hat sich gelohnt Erfolgreiche Mindestlohntour der niedersächsischen Landtagsfraktion durch Ostfriesland und auf Norderney Von Oliver Förste

»Ihnen einen schönen Urlaub, der Kell- sik der 20er bis 70er-Jahre und dem berichten unter anderem von der pre- nerin einen guten Lohn!« – Unter die- Sänger Pablo Ardouin. kären berufl ichen und fi nanziellen La- sem Motto startete die Linksfraktion im Der Fraktionsvorsitzende Hans-Hen- ge vieler Menschen im strukturschwa- Niedersächsischen Landtag am 26. Ju- ning Adler berichtet in seiner Rede vom chen Ostfriesland sowie von drohen- li, pünktlich zum Beginn der Sommerfe- Juli-Plenum des Landtages, von den den Krankenhausschließungen. rien, eine öffentlichkeitswirksame Wer- Anträgen der Fraktion zu den Auswir- Am späten Nachmittag spricht der betour für den Mindestlohn quer durch kungen des Fiskalpaktes auf die Kom- Parteivorsitzende Bernd Riexinger zu Ostfriesland. Unterstützt von zahlrei- munen, zum Datenschutz für abhän- den Bürgerinnen und Bürgern Aurichs. chen kommunalen Mandatsträgern, gig Beschäftigte und zum Antrag der Er weist hin auf die immer weiter aufge- machte das Team in den großen Städ- Fraktion, Wirtschaftsförderung in Zu- hende Schere zwischen denen, die gro- ten und auf der Nordseeinsel Norderney kunft von sozialen Kriterien abhängig ße Vermögen anhäufen, und jenen, die auf das wichtige Thema aufmerksam. zu machen. Thema war auch die Schle- trotz Vollzeitjob fi nanziell nicht mehr cker-Pleite. Adler hatte selbst mit einer über die Runden kommen. Und er kri- Glück gehört auch zum politischen Ge- Strafanzeige gegen Anton Schlecker tisiert die Unverfrorenheit der Bundes- schäft: Ein Supersommerwetter mit noch einmal ins öffentliche Bewusst- regierung: Während sie den Banken im- strahlendem Sonnenschein empfängt sein gebracht, mit welchen kriminellen mer neue Milliardenpakete zuschiebe, die linken Politiker/innen und ihre Gäs- Machenschaften der Patriarch der Fir- verwehre sie auf der anderen Seite Mil- te am ersten Tag zum festlichen Start ma das Vermögen seinen Kindern zuge- lionen von Menschen eine anständige auf dem Marktplatz der ostfriesischen schanzt hatte. Vorher waren ja alle Ver- Arbeit mit einem ausreichenden Min- Metropole Aurich. Ursula Weisser-Roel- suche – vor allem am Widerstand des destlohn. Manche mögen nicht direkt le, arbeitsmarktpolitische Sprecherin niedersächsischen FDP-Wirtschaftsmi- auf dem Platz stehen und zuhören, sie und Parlamentarische Geschäftsfüh- nisters Bode – gescheitert, wenigstens stehen etwas am Rand oder sitzen in rerin der Fraktion, führt das Publikum über eine Beschäftigungsgesellschaft einem Straßen-Café. Der Lautsprecher durch das musikalische und politische das Los der erwerbslos gewordenen überträgt die Argumente gut hörbar. Programm des Nachmittags. Den musi- Frauen zu lindern. Am folgenden Tag treffen sich die kalischen Auftakt gibt der Shantychor Dann kommen neben den Landtags- Abgeordneten und ihr Team mit den Aurich mit maritimen Liedern, gefolgt abgeordneten Marianne König und Pa- kommunalen Mandatsträgern zur vom Salonorchester Hannover Gram- trick Humke in einer Talkrunde auch die nächsten Aktion: Mit einem gemieteten mophons mit Caféhaus- und Tanzmu- örtlichen Mandatsträger zu Wort. Sie Oldtimer-Bus fahren sie in die Städte © Oliver Förste (2) Förste © Oliver

MINDESTLOHN DISPUT August 2012 16 © Stefan Richter © Stefan

Emden, Leer, Wilhelmshaven und Witt- körben davor stößt die Aktion auf In- Löhne bekommen, kam dieser Hinweis mund, um in den Fußgängerzonen ro- teresse und Zustimmung. Einige be- allerdings weniger häufi g. te Nelken und Postkarten mit dem tonen, sie würden deshalb ja auch im- Eine erfolgreiche Woche, mit der Motto der Tour an Touristen und ande- mer gutes Trinkgeld geben. Angespro- die Landtagsfraktion in Niedersachsen re Passanten zu verteilen. Viele begrü- chen auf die Frauen, die in den Hotels über ihre Arbeit informiert hat. Am 20. ßen die Aktion, weil sie um die fatale die Betten machen und noch geringere Januar 2013 ist die Landtagswahl. Lohnentwicklung der letzten Jahre Be- scheid wissen, und befürworten des- halb einen gesetzlichen Mindestlohn. Wen wundert’s, auch bei den Kellne- rinnen und Kellnern fällt die Forderung auf fruchtbaren Boden. Passend er- reicht das Team am selben Tag die Mel- dung einer Nachrichtenagentur, wo- nach zwölf Prozent der Arbeitnehmer/ innen in Niedersachsen 2010 für einen Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro brutto gearbeitet haben, darunter die Mehrzahl Frauen. Bei Beschäftigten un- ter 25 Jahren war es sogar jede/r Drit- te, und bei Beschäftigten über 65 Jah- ren waren es 45 Prozent! Das zeigt, wie wichtig die Mindestlohn-Tour der Links- fraktion ist. Am dritten Tag der Tour besuchen die Abgeordneten samt Team und kommunalen Mandatierten die Nord- seeinsel Norderney. Wieder herrscht strahlender Sonnenschein, und ent- sprechend gefüllt sind die Strände. Zu- sammen mit der erwähnten Postkarte verteilen Abgeordnete der LINKEN hier rote Badebälle mit der Aufschrift »Gu- te Löhne – schöner Urlaub!«. Auch am Strand und in den zahlreichen Strand-

17 DISPUT August 2012 Aktiv im Bündnis Reichtum ist teilbar! – Millionärsteuer jetzt! Von Tim Herudek und Nadia Zitouni

Unter dem Motto »Reichtum ist teilbar! schlossen wurde, wäre allein Deutsch- – Millionärsteuer jetzt!« wird DIE LINKE Selbst aktiv werden! land dazu verpfl ichtet, rund 20 Milli- in den kommenden Monaten die Um- Die Vorbereitungen des bundeswei- onen Euro pro Jahr zusätzlich einzu- verteilung von Reichtum thematisieren ten Aktionstages laufen auf Hoch- sparen – das entspricht in etwa der und sich am bundesweiten Aktionstag touren. Alle Mitglieder der LINKEN, Summe, die der Bund jährlich für Hartz- des Bündnisses UmFAIRteilen am 29. Sympathisantinnen und Sympathi- IV-Leistungen ausgibt. Das ginge nur September 2012 beteiligen. santen und Interessierte sind dazu durch drastische Kürzungen auf natio- Seit Beginn der Finanz- und Wirt- aufgerufen: Kommt zu einer der ge- naler und kommunaler Ebene. Mit ver- schaftskrise 2008 hat sich die Staats- planten Veranstaltungen und Aktio- heerenden Folgen für die Bürgerinnen verschuldung in vielen europäischen nen oder organisiert selbst eine Ak- und Bürger: Es drohen massiver Abbau Ländern kontinuierlich vergrößert, al- tion: Macht eine Kundgebung, orga- von Sozialleistungen, die Streichung lein in Deutschland stieg sie bis 2011 nisiert eine kreative Aktion oder ei- von dringend notwendigen Infrastruk- auf 81,2 Prozent des Bruttoinlandspro- nen Infostand am 29. September! turprojekten und Stellenabbau im öf- duktes (BIP). Damit soll nun Schluss Weitere Informationen fi ndet ihr un- fentlichen Dienst. sein: Künftig sollen alle europäischen ter www.die-linke.de/umfairteilen Woher aber das Geld zur Haushalts- Staaten dazu verpfl ichtet werden, har- oder auf den Bündnisseiten www. konsolidierung nehmen, wenn nicht te Sparmaßnahmen durchzusetzen, umfairteilen.de. Ansprechpersonen durch striktes Sparen? Die Lösung liegt um die Haushaltsverschuldung auf un- in der Bundesgeschäftsstelle: Nadia auf der Hand: Dem Schuldenberg in ter 60 Prozent des BIP zu senken. Ge- Zitouni ([email protected], Bund und Ländern steht ein großes schieht das nicht, drohen Sanktionen. Tel.: 030 – 24009-275) und Tim He- Privatvermögen gegenüber, die Deut- Mit dem sogenannten Fiskalpakt, der rudek ([email protected] schen sind heute so reich wie nie zu- Ende Juni im Deutschen Bundestag – Tel.: 030 – 24009-481) vor. Mit einem Nettogeldvermögen von gegen die Stimmen der LINKEN – be- 3,165 Billionen Euro (Quelle: Bundes- © Erich Wehnert

SOZIAL DISPUT August 2012 18 Die Vermögen in Deutschland sind so gestiegen und verteilt: das reichste Zehntel Pro-Kopf-Nettovermögen der Bevölkerung

das 8. 1995 61.800 Euro und 9. Zehntel

das 6.

2000 75.800 Euro 2012 Quelle: Jarass, Obermair 2011/Hans-Böckler-Stiftung und 7. Zehntel 2005 92.200 Euro kein Vermögen 2007 104.500 Euro oder die unteren 5 Zehntel Schulden

bank, Stand Ende 2011) ist dies selbst des Geldes besitzen, hat mehr als die auf private Vermögen über 250.000 Eu- in der Krise noch gestiegen. Ermög- Hälfte der Bevölkerung nichts oder gar ro (bei Ehepaaren 500.000 Euro) etwa licht haben das die Steuererleichterun- Schulden. 230 Milliarden Euro Mehreinnahmen gen für Wohlhabende und Unterneh- zu erwarten wären. Betroffen von die- men, die von den Regierungspartei- Umverteilung statt Spardiktat ser zusätzlichen Abgabe wären ledig- en in den letzten Jahren auf den Weg lich die reichsten acht Prozent der Be- gebracht wurden. Allerdings ist dieser Die Zahlen zeigen deutlich die größer völkerung. Reichtum unter den Deutschen höchst gewordene Kluft zwischen Arm und Zur kurzfristigen Finanzierung der ungerecht verteilt, denn während die Reich in Deutschland. Diese Entwick- Staatsschulden seien zudem Zwangs- reichsten zehn Prozent der Bundesbür- lung ist für viele Menschen nicht mehr anleihen für Reiche dringend erforder- gerinnen und -bürger rund zwei Drittel hinnehmbar, und die Stimmen für eine lich, forderte DGB-Chef Michael Som- gerechtere Verteilung des Reichtums in mer kürzlich. »Ein Schritt in die richtige unserer Gesellschaft werden lauter. Im Richtung«, der mit der Wiedereinfüh- April dieses Jahres hat sich das Bünd- rung einer Vermögensteuer einherge- nis »UmFAIRteilen jetzt – Reichtum be- hen müsse, kommentierte Axel Troost, steuern!« aus Gewerkschaften, Sozial- fi nanzpolitischer Sprecher und stellver- verbänden und vielen weiteren Organi- tretender Parteivorsitzender der LIN- sationen gegründet, um genau dieses KEN, diesen Vorstoß. Mit diesen Mit- Thema in die Öffentlichkeit zu tragen teln könne ein dringend notwendiges, und der Forderung nach einer Vermö- durch DIE LINKE immer wieder gefor- gensabgabe Nachdruck zu verleihen. dertes Konjunkturprogramm zur Wie- DIE LINKE unterstützt dieses Bündnis derbelebung des schwächelnden Wirt- und beteiligt sich aktiv an dessen Ar- schaftswachstums im Euroraum fi nan- beit. ziert werden, statt fortwährend neue Gemeinsam mit den Bündnisorgani- Kürzungsprogramme aufzulegen. sationen will DIE LINKE auf die unglei- Die verschiedenen Facetten des chen Vermögensverhältnisse aufmerk- Themas »Reichtum besteuern« wird DIE sam machen und Alternativen für eine LINKE in den kommenden Monaten auf gerechtere Verteilung aufzeigen. DIE Veranstaltungen, in den Medien und LINKE fordert deshalb die Wiederein- bei den Bürgerinnen und Bürgern kom- führung einer Abgabe für Vermögen in munizieren. Sie wird sich als Unterstüt- Form einer Millionärsteuer. Diese wür- zerin des Bündnisses UmFAIRteilen ak- de, so Berechnungen, in Deutschland tiv in dessen Arbeit einbringen. je nach Bemessungsgrundlage weitere Auftakt für zahlreiche Aktionen, die 70 bis 100 Milliarden Euro in die Staats- bis zur Bundestagswahl 2013 geplant kassen fl ießen lassen. Im Zuge der an- sind, ist der bundesweite Aktionstag dauernden Krise werden die Rufe nach am 29. September 2012 mit größeren einer »Reichensteuer« auch jenseits Demonstrationen in Berlin, Hamburg, der LINKEN laut, Zustimmung für ei- Köln und Frankfurt/Main sowie vielen ne Vermögensabgabe zur Bewältigung kleineren, dezentralen Aktionen in wei- der Krise kommt zunehmend auch aus teren Städten. Außerdem wird die Par- den Reihen von Ökonomen und Wirt- tei auf Landes- und Kreisebene Infor- schaftsexperten. Das Deutsche Insti- mations- und Mobilisierungsveranstal- tut für Wirtschaftsforschung (DIW) ver- tungen im Vorfeld durchführen. Mehr öffentlichte Mitte Juli eine Studie, nach dazu fi ndet sich unter www.die-linke. der bei einer Abgabe von zehn Prozent de/umfairteilen.

19 DISPUT August 2012 Gestern – Heute – Morgen DIE LINKE in Brandenburg Von Stefan Ludwig, Landesvorsitzender

Es ist einfach DIE LINKE. Brandenburg rungsarbeit dürfen wir aber nicht ver- nicht mehr zu Alleestraße 3, 14469 Potsdam gessen, dass die Erwartungen an uns übersehen. »Wir Telefon: (0331) 200090 noch höher sind. Vieles geht für viele verändern« ist Telefax: (0331) 2000910 nicht schnell genug. Das ist verständ- in dicken, wei- [email protected] lich – dennoch können auch wir nicht ßen Lettern ganz www.dielinke-brandenburg.de alles auf einmal leisten. Den Kritikern © Joachim Liebe/DIE LINKE LTF BRB Liebe/DIE LINKE LTF © Joachim oben auf roten sei jedoch gesagt, dass wir uns weiter Plakaten zu le- bemühen. Im Dialog, im konstruktiven sen. Man sieht Streit, im Interesse des Landes. Schaut sie im Bundes- kutiert wird. Der Justizminister Volkmar man sich den Koalitionsvertrag an und land Branden- Schöneburg kämpft für den Abbau der das, was wir zwischenzeitlich zusätzlich burg seit nunmehr fast zehn Mona- Verfahrensdauer bei Hartz-IV-gebeutel- erreichen konnten, ist das beachtlich. ten immer da, wo sich DIE LINKE trifft. ten Sozialgerichten. Hatten wir damals – zwar unter Schmer- Und die Sprechblase unter dem Slo- Bis zum Jahr 2014 werden 2.000 zen – unterschrieben, den öffentlichen gan bleibt auch nie leer. »Gerecht, soli- neue Lehrer eingestellt, das Wahl- und Dienst auf 40.000 Stellen abzubauen darisch, nachhaltig« steht da, »Moder- Abstimmungsalter wurde erstmals in und auf die neuen Anforderungen ein- ne Wirtschaft – gute Arbeit« oder »Gu- einem Flächenland auf 16 Jahre ge- zustellen, reden wir jetzt über 43.000 te Bildung für alle«. Die Liste ließe sich senkt, in der Volksgesetzgebung gibt Stellen. Hatten wir damals über 1.250 noch lang weiterführen. Wir haben seit es zahlreiche Änderungen für mehr De- junge Lehrerinnen und Lehrer mehr ver- unserem Eintritt in die Landesregie- mokratie, die Residenzpfl icht für Asyl- handelt, sind es jetzt 2.000. Das gelang rung im Jahr 2009 viel geleistet und ei- bewerber wurde aufgehoben. Und uns durch hartes Ringen mit dem Koa- ne Menge erreicht, wir haben verändert jetzt preschen wir gemeinsam mit der litionspartner. und wir verändern, und genau das do- SPD-geführten Landesregierung von Man kann das nur erreichen, wenn kumentieren diese Plakate. Und noch Rheinland-Pfalz in einer Bundesratsin- man tatsächlich ein verantwortungs- viel mehr: Ein soziales Brandenburg ist itiative für die Abschaffung des Flug- voller und anerkannter Partner ist. Und: möglich, aber nur mit der LINKEN. hafenasylverfahrens vor, »so dass alle Wir mussten auch die Erfahrung ma- ankommenden Ausländer, die bei der chen, dass ein Regierungseintritt nicht Echte Volkspartei Grenzbehörde am Flughafen um Asyl mit dem Drücken der Reset-Taste ver- nachsuchen, einreisen und das regulä- bunden ist. Fehler der vergangenen 20 DIE LINKE ist in dem mit rund 2,4 Millio- re Asylverfahren durchlaufen dürfen«, Jahre, ohne eine LINKE-Regierungsbe- nen Einwohnern sehr dünn besiedelten wie es dort heißt. Unser Finanzminister teiligung, wirken bis heute nach. Plötz- Flächenland eine echte Volkspartei. Wir Helmuth Markov hat für das Jahr 2014 lich aber werden uns jetzt diese Fehler errangen bei der Landtagswahl 2009 27 den ersten Haushalt für das Land Bran- angelastet, und das nicht nur beim neu- Prozent der Zweitstimmen und 26 Sit- denburg vorgelegt, in dem keine Net- en Flughafen Berlin-Brandenburg oder ze im Potsdamer Landtag. Das war ver- tokreditaufnahme mehr vorgesehen bei der Flugroutenentscheidung. dient, nach einer langen, konstruktiven ist. Von wegen, LINKE können nicht mit Die Zeiten ändern sich und wir uns Oppositionszeit. Die Partei landete nur Geld umgehen. in ihnen. Wohl kaum jemand wird knapp sechs Prozent hinter der SPD, die Bei all den positiven Ergebnissen ernsthaft bestreiten, dass der lateini- mit Matthias Platzeck den Ministerprä- der bisher knapp dreijährigen Regie- sche Spruch nach wie vor seine Gültig- sidenten des Landes stellt. In Deutsch- lands aktuell einziger rot-roten Landes- regierung arbeiten vier linke Minister/ innen in wichtigen Ressorts: Finanzen, Wirtschaft und Europaangelegenheiten, Umwelt, Gesundheit und Verbraucher- schutz sowie Justiz. In der Regierungs- verantwortung verzeichnen wir in den drei Jahren mit unserer Beteiligung ste- tige Erfolge. Wir sind verantwortlich da- für, dass dieses schöne Land nachhaltig und sozial verändert wird. Brandenburg hat jetzt ein Vergabegesetz, Förderricht- linien erhielten soziale Standards, Mi- nister Ralf Christoffers kämpft für die Energiewende und für den Standort Brandenburg. Ministerin Anita Tack hat einen Nachhaltigkeitsprozess in Gang gesetzt, der ressortübergreifend dis-

LANDESVERBAND DISPUT August 2012 20 © DIE LINKE.Brandenburg (2)

Ihr Platz ist nicht allein in Parlamenten und Veranstaltungsräumen: LINKE zeigt, wofür sie einsteht.

keit besitzt. Unser Leitbild für Branden- aber dennoch ausbaden. Die zur Verfü- len, fi nden sich beispielsweise Projek- burg, das 2009 die Grundlage für das gung stehenden Mittel im Landeshaus- te zur Verbesserung der Kommunikati- Wahlprogramm und den erfolgreichen halt werden auch im Bundesland Bran- on nach innen und außen. Dabei steht Landtagswahlkampf war, ist zwar drei denburg geringer und der Verteilungs- im Mittelpunkt, dass den Ehrenamtli- Jahre später nicht obsolet. Aber es be- kampf darum umso heftiger. In Zeiten chen die Arbeit erleichtert werden soll. darf einer Veränderung, einer Moderni- knapper werdender Finanzressourcen Eines der Kernprojekte der Reform sierung, einer neuen politischen Dyna- werden wir LINKE der Garant dafür sein, ist der Aufbau eines leistungsstarken mik. Das haben wir rechtzeitig erkannt dass die Regierungspolitik nie das nöti- und vielfältigen Intranets. Damit wird und werden spätestens Anfang 2014 ge soziale Augenmaß verliert. Auch die die Verbesserung der internen Partei- unser Leitbild 2020 vorlegen. Dabei ar- Energiewende zieht an Brandenburg kommunikation angestrebt: Hier sollen beitet die Landespartei intensiv mit der nicht vorbei. Wir wollen sie aktiv und alle für die Arbeit wichtigen Informatio- Landtagsfraktion zusammen. vor allem sozial gerecht, was auch be- nen und Hilfsmittel, wie eine Text- und Der Dialog für ein weiterentwickeltes deutet, bezahlbar, gestalten. Bilddatenbank für Redakteure »Kleiner Leitbild wird auch von den veränderten Am 8. September werden wir in Neu Zeitungen«, Antrags- und Beschlussdo- Rahmenbedingungen bestimmt, in de- Diepensee zu einer Konferenz mit dem kumentationen, eine Plattform für die nen wir jetzt schon agieren und uns je- Titel »Wie wollen wir leben« zusam- Ausleihe von Materialien und Technik den Tag aufs Neue beweisen müssen. menkommen. Hier wollen wir diskutie- usw., integriert werden. Der Informa- Brandenburg verliert immer noch an ren, wie wir als LINKE dieses Land unter tionsfl uss sowohl zwischen Landes- Einwohnern. Auch der demografi sche den veränderten Rahmenbedingungen und Kreisebene als auch zwischen den Wandel trifft das Bundesland mit voller so gestalten können, dass Branden- Kreisverbänden soll dadurch ebenfalls Wucht, wenngleich regional höchst un- burg und all seine Regionen lebens- verbessert werden. terschiedlich. Der Speckgürtel um Ber- wert sind und bleiben. Der Gestaltungsprozess der Partei- lin wächst und verzeichnet rasante Zu- reform ging engagiert und voller Elan züge. Randregionen wie die Uckermark Schwerpunkt Parteireform voran. Die Reformprojekte wurden in im Osten, Oberspreewald-Lausitz im ehrenamtlich agierenden Arbeitsgrup- Süden oder die Prignitz im Nordwes- Ein zweiter Schwerpunkt unserer Arbeit pen angegangen. Die Mitstreiterinnen ten des Landes verlieren indes stetig ist die Parteireform. In zahlreichen Dis- und Mitstreiter kamen aus allen Kreis- Bewohner. kussionsrunden und einer Aktivenkon- verbänden unserer Partei, und auch Diese demografi sch ungleiche Ent- ferenz wurden in der Partei die insge- das zeigt, wie sehr der Basis die Par- wicklung ist eine große Herausforde- samt 18 Reformprojekte diskutiert und teientwicklung am Herzen liegt. Mittler- rung für die Gestaltung von Politik im erarbeitet und vom Parteitag im März weile ist die Ideenfi ndung in den Pro- Interesse aller Brandenburger Bürger. 2011 auf den Weg gebracht. Schon al- jekten abgeschlossen und es geht an Wir versuchen, darauf im neuen Leit- lein der Prozess der Entscheidungsfi n- die konkrete Umsetzung. Hierbei set- bild und in der praktischen Politik Ant- dung demonstriert, worauf es uns auch zen wir stärker als am Anfang des Pro- worten und mitunter auch unkonventi- und gerade dabei ankam. Für uns war zesses auf begleitende Hauptamtliche onelle Lösungen zu fi nden. Die wollen es wichtig, dass die Projekte durch die – ohne die Mitarbeiterzahl zu erhö- wir den Bürgern anbieten und mit ih- Ideen und das Engagement der ehren- hen. Ziel ist, noch vor den Wahlkämp- nen darüber gemeinsam diskutieren, amtlichen Genossinnen und Genossen fen 2013 und 2014 die Ergebnisse der ohne kleingeistige Besserwisserei. Das getragen werden. Keine Reform von Reformprojekte in die laufende Arbeit Thema Rückkehrer rückt stärker in den oben, sondern ein breiter innerpartei- zu übernehmen. Focus, denn heute kann man in Bran- licher Diskurs und der Sachverstand Die Parteireform wird, davon bin ich denburg eine gute Ausbildung absol- der Aktiven im Landesverband waren fest überzeugt, gemeinsam mit unse- vieren und Fachkräfte sind gefragt. die Grundlage für den Prozess. rem neuen Leitbild DIE LINKE Branden- Für die durch die Banken verschul- Die Projekte sind vielfältig: Neben burg weiter stärken und sie fi t machen dete Euro-Finanzkrise kann der Bran- Projekten, die die Parteiarbeit moder- für die Wahlkämpfe und die Herausfor- denburger Bürger nichts, er muss sie nisieren und professionalisieren sol- derungen in den nächsten Jahren.

21 DISPUT August 2012 Wo Politik – nur ein paar Meter von Sandstrand und Seebrücke entfernt – Musik und (andere) Unterhaltung trifft. Und Hunderte sind begeistert Von Florian Müller

DISPUT August 2012 22 as Anliegen ist aktuell, der Veranstaltungsplatz wun- derbar, das Programm groß- artig – und außerdem meint es das Wetter mit Gastge- Dbern und Gästen extra gut. Eines ih- rer schönsten Feste bundesweit feiert DIE LINKE im Ostseebad Graal-Müritz (Mecklenburg-Vorpommern). »Für Frie- den und Toleranz – gemeinsam gegen rechts« lautet sein Motto, am 4. August 2012 bereits zum neunten Mal. Politik trifft hier, nur ein paar Meter von Sandstrand und Seebrücke ent- fernt, Musik und (andere) Unterhal- tung. Infostände von Vereinen gibt’s neben dem [‘solid]-Hinweis auf die De- mo zum 20. Jahrestag des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen. Auch Handwerk und Rosa-Luxemburg-Stiftung. Dazwi- schen Buch- und Kuchenbasare, de- ren Erlöse Kindern aus sozial gebeutel- ten Familien in Graal-Müritz, der Kin- der-Krebshilfe und der Aktion »Milch Eurokrise, Griechenland, Waffenexpor- Nordamerika, die Gruppe »Bote« (To- für Kubas Kinder« zugutekommen. Da- te und darauf ein, was das alles für die go) für Afrika, das Trio Saoco für Kuba, zu sieben Stunden Programm nonstop, Zukunft hierzulande bedeutet. Lyra e. V. für Russland, »Palmera« (Ve- moderiert mit regionalem Charme und Anlass für das Friedensfest ist die nezuela) für Südamerika. Witz durch zwei Parteilose. Mahnung an den Abwurf der ersten Organisiert wird das alles (unter- Diplomaten aus Bolivien, Ekuador, Atombombe am 6. August 1945. Dass stützt von Kreis- und Landesverband) Venezuela, Nikaragua und Kuba berich- vor zwei Jahren das Motto um den Zu- durch die örtliche Basis. Sie hat 24 Mit- ten über Aufbauerfolge und Schwierig- satz »gemeinsam gegen rechts« erwei- glieder, und sie hat vor allem Peter »Pit« keiten in ihrer Heimat. Die Abgeordne- tert wurde, entspringt der Notwendig- Johannssen. Vor knapp zehn Jahren ka- ten Gesine Lötzsch, Steffen Bockhahn keit nicht allein an der Küste. men er und ein Mitstreiter auf die Idee (Landesvorsitzender im Nordosten) Die Kultur führt rund um die Welt: fürs Friedensfest. Seither hat er den und, stark »umlagert«, Gregor Gysi ge- »Didgeridoo« für Australien, Bauch- Hut – oder wie auf dem Foto auf Seite hen in mehreren Gesprächsrunden auf tanz für den Orient, Line Dance für 22 zu erkennen ist: das Basecap – auf. © Stefan Richter (6) Richter © Stefan

23 DISPUT August 2012 KULTUR »Wir haben klein angefangen, mit zwei oder drei Ständen. Heute reicht der Platz kaum noch und wir freuen uns über ei- ne richtige Bühne. Das Fest spricht sich (3) Richter © Stefan rum. Trotzdem glaubt uns wahrschein- lich keiner, dass alle Gruppen praktisch kostenlos auftreten.« Auch die Irish- Coffee-Band aus Dänemark und die 36 (!) Mädchen und Jungen vom Jugend- Schalmeien-Orchester Teterow. Hunderte Besucherinnen und Besu- cher, Einheimische wie Badeurlauber, fühlen sich informiert, unterhalten, an- geregt. Allenthalben Beifall und viel Lob. Das Fest ist ein Höhepunkt für die Ba- sisorganisation Graal-Müritz, doch auch im »Alltag« ist sie feste bei der Sache. Für DIE LINKE wirken vier Abgeordne- te in der Gemeindevertretung – bei der Kommunalwahl übrigens in einer unge- wöhnlichen Zählgemeinschaft u. a. mit CDU und FDP –, vierteljährlich infor- miert ihre »Kleine Zeitung« in einer Auf- lage von 1.500 Exemplaren und regel- mäßig fi nden Politische Frühschoppen oder Foren statt, am 24. August mit Diet- mar Bartsch im »Haus des Gastes«. Die Partei ist Mitgestalterin des Kindertages und engagiert sich im »Projekt Großel- ternpatenschaften«. »Was hier losgeht!«, scheint selbst Peter Johannssen manchmal zu stau-

Vor so großem nen: »Bei den Beratungen fragen mich Publikum macht die anderen BO-Vorsitzenden immer, jeder Auftritt Spaß. ob wir in einer ›Enklave‹ leben.« Leben sie nicht. 16 Jahre lang war »Pit« ihr BO- Sprecher, dann legte er die Verantwor- tung in jüngere Hände – und wurde ein- stimmig zum Ehrenvorsitzenden der Ba- sisgruppe gewählt. Ein Dreivierteljahr braucht die Vor- bereitung des Festes. Die für die Jubilä- umsausgabe 2013 beginnt schon bald.

DISPUT August 2012 24 Politik aus der Nähe betrachtet Was die Schülerpraktikantin Imogen Wilkins in der Bremer Linksfraktion erfuhr Von Michael Horn

»Praktika sollen jungen Menschen ei- reitet werden. Andere Prozesse aber, seits nach relevanten Themen durch- nen Einblick in den Arbeitsalltag ermög- wie beispielsweise die Arbeit im Unter- sucht, zu denen die Fraktion dann Pres- lichen. DIE LINKE bietet jungen Men- suchungsausschuss für Krankenhaus- semitteilungen verfassen könnte. Vie- schen gezielt die Möglichkeit an, un- keime, die ich miterlebt habe, waren le meiner Vorschläge wurden von den ter sozial verantwortlichen Bedingun- gleichzeitig langwieriger als gedacht. wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen gen berufl iche Kenntnisse, Fertigkeiten Weit größer, als ich erwartet hatte, ist und Mitarbeitern auch aufgegriffen«, und Erfahrungen zu erwerben – mit ei- aber der Anteil der Öffentlichkeitsar- freute sich Imogen. nem Praktikum bei der Fraktion DIE LIN- beit. In diesem Bereich wurde ich auch KE in der Bremischen Bürgerschaft. Im eingesetzt.« Die Schülerin freute sich, Konsequent zu ['solid] Mittelpunkt steht dabei immer das Ler- dass sie dort »richtige« Aufgaben über- nen.« – So kann man es auf der Web- nehmen musste und nicht zum Kaffee »Ich kann mir sehr gut vorstellen, spä- site der Linksfraktion nachlesen. Seit kochen eingesetzt wurde. »Ich habe ter im Bereich der Politik zu arbeiten. ihrem erstmaligen Einzug in die Bre- mische Bürgerschaft, den Landtag des kleinsten Bundeslandes, hat DIE LIN- KE immer wieder nicht allein Studen- tinnen und Studenten die Chance ge- Horn© Michael geben, in den »Politikbetrieb« rein zu schnuppern, sondern auch Schülerin- nen und Schülern die Möglichkeit ge- boten, Tätigkeitsfelder innerhalb einer Fraktion hautnah zu erleben.

Es geht ums Ganze

Eine dieser Praktikantinnen war in die- sem Jahr Imogen Wilkins. »Vor Beginn meines Praktikums wusste ich von der Arbeit in der Fraktion, die ich nur ein- mal am Girl’s Day miterlebt hatte, re- lativ wenig«, schrieb die 15-Jährige in ihrem Rechenschaftsbericht, den sie nach ihrem dreiwöchigen Ausfl ug in die Arbeitswelt für die Schule verfas- sen musste. »Vor Beginn meines Prak- tikums habe ich mich außerdem ge- fragt, ob auch sozial ausgerichtete Po- litikerinnen und Politiker eigentlich nur auf Macht und Profi t aus sind. Die- se Frage kann ich nach meinem Prak- tikum glücklicherweise verneinen. Bei den LINKEN hatte ich außerdem nicht das Gefühl, dass es einen Konkurrenz- kampf, wie er täglich zwischen Schü- lerInnen zu beobachten ist, gibt. Ob- nicht nur zugesehen, sondern dürfte Dieser Wunsch hat sich durch die Erfah- wohl die Mitarbeiterinnen und Mitar- auch selber Aufgaben übernehmen. So rungen in meiner Praktikumszeit bestä- beiter sowie Abgeordneten häufi g un- hat es mir beispielsweise viel Spaß ge- tigt und sogar verstärkt, da ich das Ge- ter Stress und Zeitdruck stehen, geht es macht, selber eine Pressemitteilung zu fühl hatte, dass es in den verschiede- um das Weiterbringen des Ganzen und verfassen, die dann auch noch in der nen Berufen in der Fraktion wirklich da- nicht der Einzelnen.« Zeitung auszugsweise abgedruckt wur- rum ging, seine Meinung nach außen Trotzdem war die Gymnasiastin de.« zu tragen und für seine Ideale und nicht schon ein wenig überrascht, wie der Eine weitere Arbeit bestand in der das Geld zu arbeiten«, lautete das Fa- Alltag in einer Fraktion so aussieht. täglichen Presseauswertung, berich- zit der Schülerin nach den drei Wochen. »Ich hatte erwartet, dass die Parla- tete die Jugendliche. »Täglich habe ich Eine erste Konsequenz aus ihrer Tätig- mentssitzungen einen viel größeren das von der Senatspressestelle bereit- keit bei den LINKEN hat sie bereits ge- Teil einnehmen, obwohl sie tatsächlich gestellte Medienecho durchgelesen, zogen. So arbeitet sie jetzt aktiv bei nur an wenigen Tagen im Monat statt- um einerseits zu überprüfen, ob DIE dem Bremer Jugendverband ['solid] fi nden und in der Woche davor vorbe- LINKE erwähnt wurde, und es anderer- mit.

25 DISPUT August 2012 FRAKTION Der erste Schritt ist Neugier Aus der Rede von Birke Bull auf dem Landesparteitag in Sachsen-Anhalt am 21. Juli 2012

DIE LINKE ist drohen zu den VerliererInnen der Ge- eigenes Kinderförderungsgesetz vor- wieder da. Nicht sellschaft zu werden oder es gar schon gelegt – angelehnt an die Forderungen Foto: privat Foto: mit Pauken und sind. Das wollten sie fortsetzen. des Bündnisses. Wieder sind wir dort Trompeten, da- In ihrer neuen Partei treffen sie auf aktiv, wieder setzten wir uns mit Argu- für aber mit kla- GenossInnen, die seit vielen Jahren menten und unterschiedlichen Pers- ren politischen in der Kommunalpolitik, in der Lan- pektiven auseinander. Wir bleiben bei Forderungen, despolitik unterwegs sind, dort versu- dem, was wir im Wahlkampf verspro- Vorschlägen und chen, konkrete Konzepte umzusetzen, chen haben: Frühkindliche Bildung ist vor allem mit sich mit Verwaltungsregeln und -recht ein Recht aller Kinder, und zwar unab- strategischer Ar- auseinandersetzen und dabei immer hängig davon, ob ihre Eltern arbeitslos beit. Was Katja wieder an die Grenzen des fehlenden sind oder nicht. Bildung von Anfang an Kipping, Bernd Riexinger und Matthias Geldes in den öffentlichen Kassen ge- braucht eine angemessene Verbesse- Höhn zusammen mit anderen seit Göt- raten. Die aber dennoch kleine Schrit- rung der pädagogischen Rahmenbe- tingen machen, ist genau das Richtige te in Gang gebracht haben, die Städte dingungen – und auch das ist im Üb- für die Partei in der jetzigen Situation. und Gemeinden – unser Land – wohn- rigen das Ergebnis außerparlamentari- Sie nutzen das Interesse am Neuen, licher, sozialer und ein Stück gerechter schen Drucks der letzten Monate. um DIE LINKE wieder mit politischen zu machen. Das ist nur mit uns zu machen, denn Forderungen ins Gespräch zu bringen. Jede und jeder Außenstehende wür- auch auf Bündnis 90/Die Grünen ist Es steht das Angebot an alle GenossIn- de sagen: Was für eine Fundgrube lin- hier mittlerweile kein Verlass mehr, nen, an alle, die an dieser Partei inter- ker Ideen und Strategien! Was für inter- auch sie sind von ihrer einstigen For- essiert sind: Mitarbeit und Mitsprache essante Reibungspunkte! Was wird DIE derung auf einen Ganztagsanspruch für sind erwünscht. Sowohl nach außen, LINKE zustande bringen, wenn sich die- alle Kinder abgerückt. aber vor allem auch nach innen. se vielfältigen Positionen aufeinander An unserem Gesetzentwurf wird nie- Ich wünsche den Genossinnen und einlassen würden und wenn sie trotz- mand vorbei kommen – nicht die SPD, Genossen in Berlin, gerade heute im dem in ihrer Unterschiedlichkeit Be- die mittlerweile zur Einsicht in die Not- Moment des offi ziellen Abschieds von stand hätten? Die Gefahr, dass aus uns wendigkeit gelangt ist, nicht die CDU, Matthias (als Landesvorsitzender Sach- eine ideologische Einheitsbrigade wür- die im Grunde immer noch meint, das sen-Anhalt – d. Red.), alles Gute, Kraft de, ist eher eine zu vernachlässigende könne zur Not auch die Mutti machen. und Stehvermögen für die richtigen Größe. Für uns als LINKE bleibt die Chan- Entscheidungen und das nötige Maß Aber: Wir sind uns im Klaren, dass cengerechtigkeit eine der zentralen an Glück, was man auch braucht, um wir mit unserem Potenzial nicht immer Fragen in dieser Gesellschaft. Gute Bil- Wahlen zu gewinnen. Sowohl im Janu- sorgsam und politisch gewinnbringend dung ist eine Schlüsselressource da- ar die Landtagswahl in Niedersachsen umgegangen sind. Das muss sich än- für, dass Menschen ihre Potenziale für als auch die Bundestagswahl im Herbst dern, das wird sich ändern. das eigene Leben nutzen können. Aber 2013. Macht eure Sache gut! Wir zäh- Dabei haben wir mit solchem Cross- auch dafür, dass sie sich einbringen in len auf euch! over bereits sehr lebendige Erfahrun- die Gesellschaft, ihre Mechanismen Liebe Genossinnen, liebe Genos- gen gerade hier in Sachsen-Anhalt ge- durchschauen, kritisieren und vor al- sen, DIE LINKE war nie weg. Dennoch: macht. Wer erinnert sich nicht an die lem: sie verändern. Göttingen war für uns alle eine Zäsur kalten Wintertage im Jahr 2005. Vie- Auch deshalb gehört die Bildungs- und hat viele GenossInnen in ernsthaf- le GenossInnen standen auf den Stra- und Sozialpolitik zu unseren Kernkom- te Sorge versetzt. ßen, mit Glühwein in der einen Hand petenzen. Wir haben unsere Vorstellun- Die Auseinandersetzung um unser und mit einer Unterschriftenliste in der gen für eine Schulreform eingebracht. Spitzenpersonal war mit unseren Un- anderen – gegen die damals beabsich- Etikettenpolitik unter dem Label Ge- terschieden in grundlegenden politi- tigte Verschlechterung des Kinderför- meinschaftsschule ist nicht unser Ding. schen Fragen in strategischen Fragen derungsgesetzes –, geradezu stabs- Nein: Uns geht es um die Stärkung konfrontativ verknotet. mäßig geplant durch das Bündnis für der Sekundarschule, um die Anglei- Die Motive, vor fünf Jahren eine ein kinder- und jugendfreundliches chung der Bildungsgänge – und zwar neue gemeinsame linke Partei zu grün- Sachsen-Anhalt. Wie groß war damals an die Standards des Gymnasiums –, den und sich dort zu engagieren, wa- die Enttäuschung nach dem Volksent- um dann tatsächlich Ernst zu machen ren unterschiedlich. Auf der einen Sei- scheid – ein im Übrigen in Sachsen- mit der Allgemeinbildenden Gemein- te: GenossInnen, die viele Jahre in den Anhalt bisher einmaliger Vorgang –, schaftsschule – und zwar für alle Schü- neuen sozialen Bewegungen die Erfah- als nicht genügend Wähler/innen von lerinnen und Schüler. rung gemacht haben, dass außerparla- ihrem Recht Gebrauch gemacht hat- Allein den Begriff »Gemeinschafts- mentarischer Protest und Widerstand ten, diese Verschlechterungen zu ver- schule« ins Gesetz zu schreiben, aber durchaus sehr effektive Mittel sind, die hindern. Trotzdem: Langfristig war die- auf alle verbindlichen Schritte und politische Klasse in Bewegung zu ver- ses zähe Engagement im bitterkalten Standards zu verzichten, das ist heiße setzen, um auf diese Weise die Inter- Winter erfolgreich. Luft. Die SPD sitzt in der selbst gewähl- essen derer zur Sprache zu bringen, die Heute hat DIE LINKE wiederum ein ten Falle: Beide Koalitionspartner zie-

LANDESVERBAND DISPUT August 2012 26 hen an einem Strick. Bloß halt jeweils Mit 89,2 Prozent der Stimmen wurde – mit großer Außenwirkung, mit vielen in grundverschiedene Richtungen. die 48-jährige Hallenserin Birke Bull praktikablen Vorschlägen und Konzep- Lieber eine Schulreform in homö- von den Delegierten des Landespartei- ten. Wir sind stark in den Städten und opathischen Dosen – getragen von vie- tages am 21. Juli 2012 zur Vorsitzenden Gemeinden, in den Ratsfraktionen und len AkteurInnen in der Schule, respek- der Sachsen-Anhalter LINKEN gewählt. auch im Amt. Wir haben eine Reihe von tiert von ExpertInnen und verlässlich in sehr aktiv arbeitenden Arbeitsgemein- ihrem Weg zur Allgemeinbildenden Ge- schaften und Kreisverbänden. Und so meinschaftsschule – als der Etiketten- lange ist mir um die Zukunft unseres schwindel unter dem Motto »Einiges sind gefragt, die derzeit noch keinen Landesverbandes nicht bange. Das kann, nichts muss!«. ausgewiesenen Preis haben, die noch macht Lust auf mehr – nicht nur in den Mit uns kann dort weiter gerechnet nicht bis ins letzte Quäntchen ausge- Umfragen. werden. Wir werden erste zarte Pfl änz- reift sind. Lieber Bernd (Riexinger), wir haben chen natürlich dennoch unterstützen, Unser parlamentarisches Engage- viel zu erzählen hier in den neuen Län- aber immer auch klar und deutlich zei- ment hat einen großen Wirkungsradius dern. Deine Neugier, die hier auf sehr gen: Moderne linke Bildungspolitik für im Hier und im Jetzt. Aber: Eine linke viel Sympathie trifft, soll gestillt wer- eine inklusive Schule ist erstens nur Partei wäre arm dran, wenn sie sich da- den. Und: Wir sind gespannt darauf, mit uns und zweitens nicht zum Null- rauf reduzieren ließe. Wirklich emanzi- was die Sicht der GenossInnen in den tarif zu haben. patorische Entwürfe gehen weder vom westlichen Ländern auf die Dinge ist, Apropos Tarif und Tarifpolitik. Der- Parlament aus, noch werden sie dort welche Erfahrungen euch umtreiben. zeit gibt es ca. 1,4 Millionen Arbeiter verhandelt – die entstehen eher in so- Wir wollen ins Gespräch kommen, wir und Angestellte, die als Geringverdie- zialen Bewegungen und linken Denk- wollen miteinander gewinnen. ner/innen ihr Einkommen durch Hartz werkstätten. Auch hier kann und darf Wir haben mit Katja Kipping einen IV aufstocken müssen. Dazu gehören unsere politische Fundgrube ruhig heißen Draht zu Debatten über den oft genug die Leiharbeiter/in bei VW in reichhaltiger werden. Menschen wol- Wandel der Arbeit. Das Grundeinkom- Wolfsburg, die Kassiererin bei ALDI und len als Aktive angesprochen werden men ist mehr als ein schillernder Vor- sogar teilzeitbeschäftigte Erzieherin- und nicht als Opfer der Verhältnisse. schlag für mehr Unabhängigkeit und nen in der Kita. Das geht so nicht. (…) Das Denken über den Tag hinaus ist ein ein neues Verhältnis von Arbeit und Mu- Die Erpressungsversuche der SPD hoher Anspruch, der weiter geht als die se. Diese Debatte nimmt nicht weniger verlieren rasant an Unterhaltungswert. Kritik an den Reden und Positionen des als ein Wirtschaftssystem auf den Prüf- Solange sie auf den Verfall der LIN- Führungspersonals – wenngleich auch stand, in der Arbeitslosigkeit als Reser- KEN setzt, ist ihr Erpressungspotenzial das dazu gehört und nötig ist. Wir brau- ve funktional eingeplant ist. Eine sozia- gleich null. Nicht wir brauchen die SPD, chen mehr Plattformen und Räume für listische Partei muss und wird sich die- sondern die SPD braucht uns, will sie diejenigen, die Lust drauf haben, auch sen Themen stellen: Wie schaffen wir wirklich eine andere, eine sozialere, ei- neue soziale Ideen zu entwerfen und zu für Menschen existenzsichernde gute ne gerechtere Politik durchsetzen. Das diskutieren. Arbeit, und zum anderen, wie sind Ar- wiederum ist unser Druckpotenzial – Aber eines dürfen wir dabei nicht beit und Leben künftig vereinbar? reales Druckpotenzial: reale, machba- aus dem Blick verlieren: Die Zusam- DIE LINKE ist wieder da, nicht mit re linke Alternativen für eine gerechte- mensetzung vieler Bürgerproteste Pauken und Trompeten. Dafür aber mit re Gesellschaft. zeigt: Die sozial Benachteiligten der klaren Vorstellungen, offen für Neues, DIE LINKE wird sich auch künftig als Gesellschaft bilden dort keinesfalls die offen für noch nicht Fertiges, mit einer »Schutzfaktor gegen Prekarisierung Mehrheit. Auch dort zeigt sich die Spal- solidarischen und attraktiven Diskussi- von Erwerbsarbeit« – gegen eine im- tung der Gesellschaft in Arm und Reich, onskultur. Eine pluralistische und streit- mer öfter erlebbare Armut und Pers- in Etablierte und Perspektivlose, in die- bare Mosaik-LINKE. Daraus werden wir pektivlosigkeit – stark machen. jenigen, die sprachmächtig sind, und Kraft schöpfen, das macht uns attraktiv. Unsere Forderungen nach einem so- diejenigen, die keine Kraft mehr haben Ich will in dieser spannenden Zeit zialstaatlichen Dreigestirn bleiben: oder sie nie hatten. gern die Verantwortung für diesen Lan- DIE LINKE muss die Mutigen und die desverband übernehmen. Dazu zählt • eine armutsfeste Mindestsicherung kritischen Geister ebenso wie die Ohn- für mich auch, diese Verantwortung • ein flächendeckender gesetzlicher mächtigen erreichen. Das ist ein hoher zu teilen und überhaupt Beteiligungs- Mindestlohn Anspruch innerhalb einer repräsenta- formen auszubauen. Mitglieder, Sym- • eine armutsfeste Mindestrente. tiven Demokratie. Und es ist ein An- pathisantinnen und Sympathisanten spruch, den ich vor allem in meiner Par- müssen noch mehr reale Möglichkei- Daran werden wir zu erkennen sein – tei fi nde. Und das ist gut so. Aber dem ten haben, die Partei zu gestalten. Ich auch im Kampf um den Wiedereinzug Anspruch müssen Wege folgen. Und da bin gespannt auf unser erstes Mitglie- in den Bundestag mit einer wiederum haben auch wir Nachholbedarf. dervotum. starken Fraktion. Daran kann und soll Die Zwänge der Realpolitik müs- Wir müssen eine Brücke in ande- man uns messen. (…) sen wir immer wieder reflektieren. re Milieus schlagen, wir müssen mit Um nicht missverstanden zu wer- Das Machbare darf nicht die eigentli- den Veränderungen der digitalen Ge- den: Wir leben heute in einer Demo- che Haltelinie unserer Politik werden, sellschaft offensiv umgehen. Der ers- kratie. Aber das Vertrauen in die De- sonst verwelkt DIE LINKE zum Transfor- te Schritt ist Neugier. Wir müssen um mokratie ist bedroht, das Vertrauen in mationsriemen des Parlamentarismus neue Mitglieder werben, dabei vor al- den Kapitalismus schwindet – so zeig- – und das ist zu wenig. lem mehr junge Menschen und Frau- te eine Umfrage in der vergangenen DIE LINKE ist zurück im politischen en erreichen. Der Aufruf zum Zuhören Woche. Schon längst ist es kein Tabu Fahrwasser – mutig, selbstbewusst, und zum gemeinsamen Gestalten, der mehr, dieses Gesellschaftssystem in- ideenreich und auch kämpferisch. Wir Ruf nach politischer und kultureller Öff- frage zu stellen, über den Tag hinaus haben eine lebendige, engagierte und nung der Partei und nach Mut zu neuen zu denken. Auch Konzepte und Ideen kluge Oppositionsfraktion im Landtag Wegen ist mir ernst und wichtig.

27 DISPUT August 2012 Dort, wo der Schuh drückt Warum ich in Dreieich (Hessen) für das Bürgermeister/in-Amt kandidiere Von Natascha Bingenheimer

Dreieich, 13 Ki- als Referentin in Vollzeit nach Frank- Zukunftsvision. Der jetzige Bürgermeis- lometer südlich furt verschlagen. Als Vorsitzende des ter Dieter Zimmer (SPD) hat die Stadt Foto: privat Foto: von Frankfurt, Kreisverbandes Kreis Offenbach und verwaltet, aber nicht gestaltet. Es geht ist eine Stadt als Stadtverordnete vertrete ich die fes- mir darum, Prioritäten zu setzen, und mit etwas über te Überzeugung, dass Politik an der Ba- zwar ganz gezielt über die Dauer einer 42.000 Einwoh- sis beginnt; sie beginnt dort, wo den Wahlperiode hinaus. Die öffentliche nern. Im Speck- Bürgerinnen und Bürgern der Schuh Daseinsvorsorge ist stets Garant für in- gürtel der Main- drückt. In den Stadtparlamenten sind nerstädtischen sozialen Frieden und metropole sah wir sicher keine Stimme, die mit den einen generationenübergreifenden In- es für mich auf regierenden Mehrheiten spricht, aber teressensausgleich. Wir müssen der den ersten Blick das ist auch gut so. Nur so können wir Privatisierung öffentlichen Eigentums so aus, als sei die Welt hier noch in Gegenkonzepte entwickeln, Diskussi- entgegentreten, für den Erhalt sozialer Ordnung: Dreieich hat zwei Schwimm- onen anregen und alternative Gestal- Einrichtungen kämpfen, denn der freie bäder, eine gute Bibliothek mit mehre- tungsmodelle für das Miteinander ent- Markt wird es nicht richten. Dies alles ren kleinen Dependancen und verfügt werfen. Die sogenannten bürgerlichen sind Dinge, die als öffentliche Gebil- auch ansonsten über ein gutes Ange- Parteien bieten keine Alternativen für de nicht dem Diktat der Gewinnerwirt- bot an sozialer und wirtschaftlicher In- die Bürger an, ganz deutlich sichtbar schaftung und Gewinnmaximierung ge- frastruktur. zum Beispiel an der SPD in Dreieich, horchen. Doch der Schein trügt. Die Stadt die zurzeit den Bürgermeister stellt. Für mich als Bürgermeisterkandida- hat einen Schuldenberg von über 100 Im hiesigen Stadtparlament besteht tin geht es darum, die zukünftige Politik Millionen Euro. Die Stadtoberen ga- die klare Tendenz, städtisches Tafelsil- in Dreieich sozial gerechter und nach- ben für einen sechsstelligen Betrag ein ber zu verscherbeln und öffentliche haltiger zu gestalten. Das bedeutet zu- Gutachten in Auftrag, um zu eruieren, Belange an die Privatwirtschaft ab- gleich, Visionen zu leben und nicht vor wo gespart werden kann. So wurden zugeben. So werden Grünfl ächen ge- der trügerischen Macht wirtschaftlicher im Stadtparlament über hundert von opfert und unsinnige Neubaugebie- Sachzwänge zu kapitulieren. Kienbaum&Partner vorgeschlagene te erschlossen. Dies generiert einma- Die Bürgermeisterkandidatur bietet Einsparpunkte geprüft und auch teil- lige Einnahmen über den Verkauf der die Möglichkeit, Themen in die Öffent- weise schon umgesetzt. Grundstücke und natürlich wieder- lichkeit zu transportieren und sich Ge- Seit März 2011 bin ich Mitglied der kehrende Zufl üsse zum Beispiel durch hör zu verschaffen. Der positive Pres- Dreieicher Stadtverordnetenversamm- die Grundsteuer. Bisher konnte mir seaufschlag in den überregionalen Ta- lung und bekomme hautnah mit, wie noch niemand schlüssig erklären, wer geszeitungen hat das bereits bestätigt. versucht wird, Sparpotenziale an den in unserer zunehmend älter werden- Die Kandidatur als Medien- und Presse- falschen Stellen zu erschließen. Im den Gesellschaft in den Einfamilien- kampagne nutzt digitale Möglichkeiten September 2012 fi ndet nun die Wahl häusern in 20 oder 30 Jahren wohnen der Multiplikation. Die Dreieicher LINKE zum Bürgermeister statt und ich kan- soll. Das Thema demografi scher Wan- mit um die 30 GenossInnen und Sym- didiere für das Amt als Vertreterin der del ist in seiner Tiefe bei den Politikern pathisantInnen unterstützt meine Kan- LINKEN, ein ambitioniertes Vorhaben, überhaupt noch nicht angekommen. didatur durch ihren Einsatz. Ich glau- wie mir meine Mitstreiterinnen und Wir benötigen ganz andere Wohnfor- be, dass die Öffentlichkeit DIE LINKE Mitstreiter unisono bestätigen. men, neue Wohnformen, zum Beispiel nach dem Wechsel an der Parteispit- Als Bürgerin und Stadtverordnete Mehrgenerationenhäuser, die vor allen ze verstärkt beobachtet. Wir an der Ba- kritisiere ich nicht allein die Beauftra- Dingen bezahlbaren Wohnraum bieten sis müssen das positive Signal senden, gung eines Dritten, sondern auch die und nicht einseitig die sich immer mehr dass wir inhaltlich eine Menge zu bie- inhaltliche Ausrichtung der Sparpo- verschuldende jüngere Mittelschicht ten haben. Wir können durch die Bür- tenziale. Kommunalpolitik benötigt ei- bedienen. germeisterkandidatur auch Mitglieder nen ganz anderen Ansatz. Im Zentrum Vorhandener Wohnraum muss be- gewinnen. muss die öffentliche Daseinsvorsorge zahlbar renoviert und für die Mieter be- Außerdem denke ich, dass Frauen stehen, und da ist es nicht plausibel, zahlbar vermietet werden. Ein Beispiel sich noch viel stärker in die Politik ein- Kindertagesstätten-Beiträge zu erhö- ist die Diskussion um den – und hof- bringen müssen, weil Kommunal- und hen oder die Öffnungszeiten von Bib- fentlich auch langfristig abgewendeten Bundesparkett nach wie vor eindeutig liotheken einzuschränken. Auch der öf- – Verkauf der Nassauischen Heimstät- männerdominiert sind. DIE LINKE ist fentliche Nahverkehr ist leider auf dem te. Die öffentliche Hand wollte hier sub- die einzige Partei in Deutschland mit Prüfstand. ventionierten Wohnraum abgeben, an- einer strengen Quote – junge Partei- Ich bin überzeugt davon, dass DIE statt ihn zu halten, und plante, an pri- en wie die Piraten propagieren ja sogar LINKE in den Parlamenten dringen- vate Investoren zu verkaufen. Die Zahl den Verzicht auf die Quote aus libertä- der denn je benötigt wird. 2006 in die der Sozialwohnungen in der Bundesre- ren Motiven. Das ist kontraproduktiv. Partei eingetreten (damals noch PDS), publik Deutschland nimmt beständig Ich frage immer wieder: Wie viele Frau- bin ich seit vier Jahren in Dreieich für ab. Dies ist grundlegend falsch. en sitzen denn de facto in den politi- DIE LINKE aktiv. Berufl ich hat es mich Unserer Stadt Dreieich fehlt jegliche schen Vertretungen?

KOMMUNAL DISPUT August 2012 28 © Gert Gampe

NACHBELICHTET

Von Arthur Paul Ein sympathi- »Platz für zwei Bauern, einen Kartoffel- tenauto Nr. 1, auch aus Protest gegen sches Pärchen. Zwei Franzosen aus sack und ein Weinfass« bieten sollte, die verchromten Statussymbole der Alt- dem Haus Citroen. Seite an Seite, gut um mit 100 Kilometer pro Stunde und und Neureichen. gepfl egt, sehr bescheiden, daher auch nur drei Litern Benzin über die Land- Lang ist es her. Nachdem die rebel- abwertend »Enten« genannt – zum Un- straßen zu rollen. Aber so sanft gefe- lischen 68er Studenten die Korridore terschied von den »Schwänen« mit dert, dass kein Hühnerei kaputtgeht! der Macht erklommen hatten, wurden dem Stern am Hals. Wer fährt denn ein Der Prototyp hatte 1939 keinen Blin- die Autos doppelt so groß, viermal so Auto mit dem Charme einer Blechbüch- ker, keinen Außenspiegel, nur einen schwer, achtmal so teuer. Die Produkti- se, mit Klappfenstern und Zeltdach, oh- Frontscheinwerfer, Sitze aus Segeltuch on der »Ente« wurde eingestellt. ne Servo, ABS, ZV, AHK, ESP, Airbags, und eine Handkurbel als Anlasser. Im Inzwischen haben die Drei-Liter-Au- Breitreifen, Alu-Felgen, CD-Player, Na- Krieg mussten Panzer gebaut werden. tos wieder Werbevorteile. Mit Elektro- vi und sonstige »unverzichtbare« Teile? Aber 1948 begann dann der Sieges- motor werden sie lautlose Renner und Fünf Millionen wurden verkauft! Noch zug des 2CV, obwohl die Holländer ihn passen in jede Parklücke. Da amorti- heute rollen allein bei uns etwa 12.000 das »hässliche Entlein« getauft hatten. siert sich der Wagen schon durch die »Enten«. Die Legende lebt! Das »De-luxe-Modell« kostete 1963 et- eingesparten Ordnungsgelder und Diese Legende besagt, dass Direk- wa 3.600 DM. Und egal, ob die Karre Steuervorteile. Der Tag wird kommen, tor Boulanger 1934 den Auftrag zur Ent- schwarz-gelb oder weinrot oder nebel- an dem wir uns vor einem Nachfolger wicklung eines Kleinwagens gab, der grau lackiert war – es war das Studen- des »hässlichen Entleins« verbeugen!

29 DISPUT August 2012 Blickpunkt Europa Zur Parteien-Strategie vor der Bundestagswahl Von Axel Troost

Kanzlerin Merkel will mit ihrer euro- Gleichwohl: Es ist nicht auszuschlie- mehr mitzutragen, und der FDP-Vorsit- papolitischen Option die Bundestags- ßen, dass der Bundestagswahlkampf zende und Wirtschaftsminister Rösler wahl 2013 gewinnen. Sie will im Bun- durch die Frage der Eurozonenkrise, hält einen Austritt Griechenlands aus destagswahlkampf den weiteren Kurs deren Überwindung und gesellschafts- der Euro-Zone für machbar: Ein solcher der Europäischen Union zum Wahl- politische Grundfragen geprägt sein Schritt habe »längst seinen Schrecken kampfthema machen. Die Frage der wird. Die Frage, wie es mit Europa wei- verloren«. Damit verkennt er vollkom- weiteren Solidarität für andere Staaten tergehen kann, mischt sich bei einem men die Folgen einer Kettenreaktion, sei für jedes Land ganz wichtig. »Oh- Großteil der Bevölkerung mit dem ver- die jetzt schon Spanien nach Griechen- ne Europa können wir unsere Werte, breiteten Unbehagen an dem kapita- land ebenfalls an den Rand des ökono- unsere Vorstellungen, unsere Ideale listischen System. Selbst der Ökonom mischen Zusammenbruchs bringt und überhaupt nicht mehr gemeinsam ver- Hüther, Direktor des gewiss nicht ge- die Krise des gesamten Euro-Systems treten«, sagte sie. Europa müsse ver- sellschaftskritisch ausgerichteten Insti- weiter verschärft. bindlicher werden, der europäische tuts der deutschen Wirtschaft, konsta- Auf dieses doppelte Unbehagen ha- Fiskalpakt für mehr Haushaltsdiszip- tiert zu Recht: »Der Kapitalismus ist in ben die Sozialdemokratie und Grünen lin sei ein Schritt auf diesem Weg. Da- Verruf geraten, mit ihm die Wirtschafts- keine wirkliche Antwort. Angesichts rum werde im nächsten Jahr darüber ordnung der Sozialen Marktwirtschaft. konstant guter Umfragewerte für die abgestimmt, wo Europa steht und wel- Krisen, Funktionsstörungen und nicht Kanzlerin setzt die Sozialdemokratie che Vorstellungen die Wähler von Euro- auf eine schärfere Abgrenzung im an- pa hätten. Die CSU drängt auf eine kon- stehenden Bundestagswahlkampf. Die frontative Auseinandersetzung: Bei der SPD will eine scharfe Kontrolle der Fi- Bundestagswahl gehe es um Grund- Sonderausgabe »KLAR« nanzbranche und die soziale Gerech- fragen des gesellschaftlichen Zusam- tigkeit zum Wahlkampf-Thema 2013 menlebens. »Die kann man in einem Was verbirgt sich hinter Fiskalpakt machen. SPD-Chef Sigmar Gabriel Kuschelwahlkampf nicht darstellen.« und zweitem Euro-Rettungsschirm greift neuerdings die Banken scharf Die Strategie, den Gegner einzulullen, (ESM)? Warum klagt DIE LINKE ge- an: Er wirft den Banken unter anderem sei 2009 aus der Großen Koalition her- gen beide Verträge vor dem Bun- Beihilfe zur Steuerhinterziehung und aus »richtig und erfolgreich« gewesen. desverfassungsgericht? Woher Erpressung vor. Die Bundestagswahl Aber jetzt erfordere die Situation eine kommen die Milliarden und wer 2013 müsse zu einer Entscheidung harte Auseinandersetzung mit der Op- haftet für sie? Welche Alternativen über die Bändigung des Banken- und position. retten den Euro und die Gemein- Finanzsektors werden. Und der frühe- Objektiv gesehen sieht die Bilanz schaft wirklich? »Klar« stellt Fragen re Bundesfi nanzminister Steinbrück er- der letzten 25 Gipfeltreffen der euro- und sucht nach Antworten. gänzt den sozialdemokratischen Aus- päischen Staats- und Regierungschefs Die Sonderausgabe der »KLAR« zum blick: »Wir werden die Menschen an- nicht positiv aus. Auch die OECD, der Thema »Fiskalpakt« kann sprechen, die mehr Gemeinwohlori- Internationale Währungsfonds und an- bestellt werden über das Versand- entierung und mehr Fairness in der dere können an der Europapolitik we- portal der Bundestagsfraktion: Gesellschaft wollen.« nig Überzeugendes entdecken: Die http://versand.linksfraktion.net. Die SPD-Spitze freundet sich wahl- sich immer weiter verschärfende Kri- politisch mit der Kapitalismuskritik an: se sei ein Zeichen dafür, »dass die Ur- Die Geldhäuser würden den Staat er- sachen dafür weiter nicht angegangen pressen, die Politik diktieren, unan- werden«. »Die Europäische Währungs- eingelöste Leistungsversprechen sind ständige Gehälter zahlen und riskant union verfügt noch immer nicht über für viele hinreichende Gründe, sich mit dem Geld ihrer Sparer spekulieren. die grundsätzlichen Werkzeuge, die die von ihr abzuwenden und nach Neuem Außerdem leisteten manche Institute negativen Wechselwirkungen zwischen zu suchen. Kritik und Zweifel beschrän- Beihilfe zur Steuerkriminalität. Staatshaushalten, Banken und der Re- ken sich diesmal nicht auf die üblichen Als Gegenmaßnahmen fordert SPD- alwirtschaft aufbrechen könnten.« Verdächtigungen, sondern haben weite Chef Gabriel unter anderem ein eu- Fünf Jahre sind seit dem Ausbruch der Kreise des Bürgertums erfasst.« ropäisches Recht für Bankeninsol- Finanzkrise 2007 vergangen und die Der Legitimationsverlust des Kapi- venzen, das dafür sorge, dass Ban- Globalökonomie und das internatio- talismus geht von der seit Jahren un- ken auch pleite gehen könnten, ohne nale Finanzsystem haben – trotz etli- gelösten Wirtschafts- und Finanzkrise dass ganze Volkswirtschaften in Mitlei- cher Regulierungen der Finanzmarktar- aus. Aber auch die politische Klasse denschaft gezogen würden. Zugleich chitektur – noch immer nicht aus dem verliert mehr und mehr an Glaubwür- verlangt Gabriel die Aufspaltung von Teufelskreis herausgefunden. Im Ge- digkeit. Nach zwei sogenannten Ret- Großbanken. Der normale Bankenbe- genteil: Die Ungleichgewichte sind im tungspaketen für Griechenland – von trieb müsse bilanziell oder rechtlich Sommer 2012 größer als je zuvor, da der LINKEN wegen der grundlegend vom Investmentbanking getrennt wer- die miteinander verknüpften Schwach- falschen Ausrichtung kritisiert – er- den: »Der Bankensektor muss sich wie- stellen sich weiter gegenseitig verstär- wägt jetzt die Bundesregierung, weite- der gesundschrumpfen«, »Statt großer ken. re Finanzhilfen für Griechenland nicht und nicht mehr kontrollierbarer Ban-

DEBATTE DISPUT August 2012 30 ken brauchen wir wieder kleinere Ban- wegen sollen. Mit ihrer Zustimmung Schuldenbremsen für Europa be- ken mit einem tragfähigen Geschäfts- zu Fiskalpakt und ESM (Europäischer deuten weiteren Demokratie- und So- modell.« Mit Blick auf die Steuerfl ucht Stabilitätsmechanismus) unterstützen zialabbau, sie verhindern notwendige in die Schweiz fordert der SPD-Chef ei- beide aber die Hauptlinie Merkels, und Investitionen und heizen den Druck auf ne Strafverfolgungspfl icht für den deut- damit bleibt weiterhin die Frage nach Löhne und Sozialleistungen an. Sollten schen Generalbundesanwalt gegen der Ernsthaftigkeit der jüngsten Stel- die Klagen gegen den Fiskalpakt und ausländische Kreditinstitute und de- lungnahmen. den ESM Erfolg haben, bietet sich ei- ren Mitarbeiter. Auch DIE LINKE muss ihre Strategie ne Chance, den betroffenen Staaten Offensichtlich nimmt also die Aus- für das nächste Jahr präzisieren. Die mit echten Konjunktur- und Beschäf- einandersetzung um zentrale Themen Ablehnung von Fiskalpakt und ESM tigung schaffenden Zukunftsprogram- des Bundestagswahlkampfes 2013 und die immer wieder im Zentrum ste- men wirtschaftlich auf die Beine zu hel- Fahrt auf. SPD und Grüne, beide ange- hende Bankenkritik kann in eine Ge- fen und damit die Voraussetzungen zu treten, die schwarzgelbe Regierungs- samtkonzeption eingebunden werden. schaffen, dass sie die Hilfen auch zu- koalition abzulösen, wollen die gesell- Die öffentliche Hand muss bei einer Re- rückzahlen können. Einer aktuelle Um- schaftlichen Grundsatzfragen aufneh- kapitalisierung von Banken mit staat- frage von TNS Emnid zufolge lehnen men und beklagen, dass in der Euro- lichem Geld echte Entscheidungsbe- zwei Drittel der Befragten den Fiskal- papolitik von Bundeskanzlerin Angela fugnisse bekommen und diese wirk- pakt und den ESM ab. Merkel kein langfristiges Konzept er- lich auch wahrnehmen, damit der Weg DIE LINKE kann deutlich machen, kennbar sei. Der Grünen-Politiker zu einem strikt öffentlich-demokratisch dass ihre Vorstellungen darauf abzie- Kretschmann betont: Man könne am kontrollierten und deutlich verkleiner- len, ein solidarisches und soziales Eu- europäischen Projekt nicht so »visions- ten Finanzsystem eingeschlagen wer- ropa zu schaffen, und sich klar von eu- los« arbeiten wie die Kanzlerin. »Wir den kann. Ebenso brauchen wir ein ef- ropafeindlichen Positionen unterschei- brauchen etwas, das uns befl ügelt.« fektives EU-weites Einlagensicherungs- den. Man könne in der Politik »nicht nur auf system sowie den Aufbau eines von der Sicht fahren«. Man müsse auch sagen, Finanzwirtschaft selber finanzierten Axel Troost ist stellvertretender Parteivor- wohin sich Europa und das Land be- Bankenrettungsfonds. sitzender.

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31 DISPUT August 2012 Nicht-autoritäre, solidarische LINKE Die Partei vor dem Neustart Von Jan Marose

Im Folgenden1 möchte ich in dieser kur- Menschen spürbar verbessert werden Parlamente, aus denen wir gleichzeitig zen Analyse wesentliche Problemlagen können. Ohne Macht wird Emanzipati- raus gewählt wurden. Die Piraten stel- der Partei DIE LINKE diskutieren und on nicht zu haben sein. len für DIE LINKE ein veritables Problem Schlussfolgerungen für eine veränder- dar – nicht aufgrund ihrer Inhalte, son- te strategische Ausrichtung ziehen. In- Problemlagen dern aufgrund ihrer Strukturen. sofern stellt sie einen Beitrag zur not- wendigen innerparteilichen Strategie- Seit geraumer Zeit können wir in Umfra- Soziale Gerechtigkeit – debatte der kommenden Wochen und gen das Ergebnis der Bundestagswahl ein Thema von gestern? Monate dar. Strategie wird dabei nicht aus dem Jahr 2009 von knapp 12 Pro- nur als kurzfristige bestmögliche Mo- zent nicht mehr bestätigen. Die Land- Die Gesetze der Agenda 2010 und das bilisierung der gesamten Partei für die tagswahlen verliefen, insbesondere Hartz-IV-System sind nach wie vor in Bundestagswahl im kommenden Jahr zuletzt im Mai 2012, für unsere Partei Kraft. Ihre Auswirkungen sind aber of- begriffen, sondern auch als eine län- enttäuschend. Der Wiedereinzug in die fenbar immer weniger ein Grund, DIE gerfristige Vorgehensweise für einen Landtage wurde deutlich verpasst. Wir LINKE zu wählen. Woran liegt das? Hal- Neuanfang als veränderte, nämlich so- haben spürbar in den Ländern und auf ten die Menschen den Sozialabbau un- lidarischere, pluralere und demokrati- Bundesebene an Rückhalt und Attrakti- ter Rot-Grün nun in der Rückschau für schere LINKE. vität verloren. Offenbar sind wir in den ökonomisch sinnvoll und sozial vertret- Ohne Zweifel ist die Bundestags- Augen vieler Menschen nicht mehr die bar? Nein, das ist mit Sicherheit nicht wahl 2013 in Anbetracht aktueller Um- Partei, der – neben dem Ausdruck po- der Fall. Wir wissen von den einschlä- fragen von existenzieller Bedeutung für litischen Protests – zugetraut wird, tat- gigen Umfragen, dass sich eine Mehr- unsere Partei. Darüber darf aber nicht sächliche positive Veränderungen der heit der Bevölkerung für einen gesetz- vergessen werden, dass wir uns schon Lebensbedingungen herbeizuführen. lichen Mindestlohn, gegen die Praxis- jetzt aufgrund des innerparteilichen Infolge der Bundestagswahl im Jahr gebühr und für eine Rente ab 65 Jahren Zustandes in einer kritischen Lage be- 2009 wurde die Große Koalition von ei- ausspricht. Das sind alles Forderun- fi nden. Auswege aus dieser Situation ner Koalition aus CDU/CSU und FDP ab- gen, die sich gegen die Grundausrich- können aber nur gefunden werden, gelöst. Die SPD musste in die Opposi- tung der Agenda 2010 wenden. Zudem wenn nicht grundsätzliche Probleme tion, wo die Grünen bereits waren. Ob- zeigen jüngste Erhebungen3, dass die und Konfl ikte aufgrund der Notwendig- wohl wir trotzdem die einzige tatsächli- Schwerpunktthemen der Partei in den keit eines erfolgreichen Bundestags- che Oppositionspartei im Bundestag in vergangenen Wahlkämpfen, insbeson- wahlkampfes verkannt und ignoriert Bezug auf die wesentlichen politischen dere in NRW, von den Menschen be- werden. Neben der offensiven Kampa- Fragen (Frieden, Hartz IV und Finanzkri- grüßt wurden. Nein, die Kritik am Neo- gne benötigen wir einen Blick ins Inne- se) blieben, war die parlamentarische liberalismus ist in der Bevölkerung wei- re der Partei. Ausgangssituation nach 2009 für DIE terhin vorhanden. Sozialer Zusammen- Der langfristige und nachhaltige Auf- LINKE deutlich schwieriger als nach halt, gerechte Verteilung der Kosten bau einer pluralen LINKEN mit einem der Wahl 2005. Eine grundlegende Re- der Finanzkrise, sichere und gute Ar- solidarischen Parteileben ist ebenso vision der Politik der Agenda 2010 gab beit und Frieden sind nach wie vor The- wichtig und existenziell wie die Wahl- es in der SPD nicht. Hier ein bisschen men, die sich auf breite Zustimmung in kämpfe im nächsten Jahr. Reichensteuer, da ein bisschen Min- der Bevölkerung berufen können. Die Vor diesem Hintergrund werde ich destlohn und eine zu Beginn desast- Themensetzung ist sicherlich nicht das argumentieren, dass wir nur als anti- rös agierende schwarz-gelbe Bundes- vorrangige Problem der Partei. Woran autoritäre LINKE Attraktivität und Rück- regierung erweckten bei vielen Men- liegt es dann? halt zurückgewinnen, wenn wir (1) nach schen den Eindruck, SPD und Grüne innen die Grundvoraussetzung einer entwickelten sich wieder zu einer wähl- »Ihr könnt ja auch nichts modernen linken Partei erfüllen, näm- baren Alternative zur Merkel-Union für ändern!« lich eine plurale und solidarische Mit- 2013. Im Frühjahr des vergangenen Jah- gliederpartei zu sein, wenn wir uns (2) res führte zudem die Katastrophe im In Bezug auf das globale Thema sozi- für ein neues thematisches Feld offen Atomkraftwerk von Fukushima zu ei- ale Gerechtigkeit müssen wir offen- zeigen und den Diskurs um Arbeitszeit- ner gesamtgesellschaftlichen Sensibi- kundig von einer anderen Problematik verkürzungen und das bedingungslose lisierung2 der Themen Ausstieg aus der ausgehen. Nach der Euphorie der Grün- Grundeinkommen nicht anderen über- Kernenergie und Einstieg in die Ener- dungsjahre (mit steigenden Mitglieder- lassen und uns (3) als eine emanzipa- giewende. Dies kam ohne Zweifel, ins- zahlen und vielen Wahlerfolgen) wird torische Protestpartei betrachten, die besondere bei der Landtagswahl in Ba- unserer Partei in der Bevölkerung im- einerseits die gesellschaftliche Empö- den-Württemberg im März, den Grünen mer seltener zugetraut, die realen Ar- rung vertritt und artikuliert und ande- zugute. Nach der Berlin-Wahl im Sep- beits- und Lebensbedingungen signifi - rerseits in ihrer strategischen Orientie- tember 2011 konzentrierte sich der me- kant verbessern zu können. Die Aussa- rung Koalitionsoptionen mit anderen diale und demoskopische Hype auf die ge »Ihr könnt ja auch nichts ändern!« Parteien ausdrücklich einschließt, so- Piraten-Partei. Sie ist seitdem in weite- war zuletzt in den Wahlkämpfen aller- fern damit die Lebensbedingungen der re Landtage eingezogen, zuletzt in zwei orten zu hören. Vor allem haben wir bei

DEBATTE DISPUT August 2012 32 Arbeitssuchenden, prekär Beschäftig- batten) unter weitestgehender Beteili- Sache, nämlich um eine Strategie, wie ten und Rentnerinnen und Rentnern gung der Mitgliederschaft organisieren auf die Herausforderungen und Pro- überdurchschnittlich verloren.4 Offen- müssen, in der es nicht zuvorderst um blemlagen der Partei zu reagieren ist, kundig haben sie bei der vergangenen die Personen, sondern um deren poli- unterblieb. Wahl Hoffnungen in uns gesetzt, die tisch-strategische Konzepte geht. Den Die in der Tat unterschiedlichen Vor- wir nicht erfüllen konnten. Die Frage unweigerlich daraus resultierenden stellungen in der Partei über wesentli- der Kompetenz und Fähigkeit, die Pro- Streit dürfen wir dabei aber selbst nicht che strategische Fragen, wie beispiels- bleme der Menschen auch lösen bzw. als Zerstrittenheit erfahren. weise das Verhältnis zur SPD und die die Lebenslage deutlich verbessern zu Die landläufige Behauptung, die Position zu einer möglichen Regie- können, ist für uns von entscheidender Wählerin oder der Wähler mag kei- rungsbeteiligung, müssen in einer so- Bedeutung. Einerseits konnten wir zwar nen Streit in einer Partei, ist äußerst lidarischen Diskussionskultur erör- zeigen, dass »links wirkt«, insofern die fraglich. (Fraglos ist dagegen, dass tert werden. Hierzu benötigen wir aber aktuelle politische Debatte originär lin- die Wählerin bzw. der Wähler wissen auch eine Debatte über die Methoden. ke Themen (wie Mindestlohn, Reichen- möchte, von welcher Person die Partei Strategie ist nicht nur auf die »richti- steuer, Finanztransaktionssteuer, Ab- ihrer Wahl in den nächsten Jahren ver- ge« Beantwortung der Frage der Regie- zug der Bundeswehr aus Afghanistan) treten wird.) Allenfalls können wir ge- rungsbeteiligung bzw. der Führung ei- umfasst. Andererseits hat sich aber nerell sagen, dass zerstrittene Partei- nes Bundestagswahlkampfs zu redu- doch real nichts geändert. Das heißt: en an Zustimmung verlieren. Es geht zieren. Es geht darum: Können wir als Eine zentrale strategische Problemstel- aber hier um Streit und nicht um Zer- linke Partei überhaupt Erfolg haben – lung ist daher die Frage, wie DIE LINKE strittenheit. Wir benötigen ein Ver- ohne solidarisch, demokratisch und für die Wählerinnen und Wähler als po- ständnis dieser Unterscheidung. Streit anti-autoritär zu sein? litische Option, die aus einer bestimm- und Widersprüche können als Gewinn Eine Erfolgsstrategie müsste dem- ten Machtkonstellation heraus auch erlebt werden, Zerstrittenheit bedeu- zufolge zuallererst die Methodenfrage Dinge verändern kann, wieder erkenn- tet Blockade. Die entscheidende Fra- klären. bar wird. Allein das Versprechen, nach ge ist, worüber denn eigentlich gestrit- der Wahl eine gute und die einzig wah- ten wird. Geht es um Personen oder Jan Marose ist Mitarbeiter der Bundes- re Opposition zu sein, wirkt über einen um die Sache? Wir brauchen zukünftig geschäftsstelle, Bereich Strategie und längeren Zeitraum augenscheinlich wieder den konstruktiven und solidari- Grundsatzfragen. nicht vielversprechend. schen Streit um die Sache. Derzeit erle- ben wir doch eine rasant zunehmende 1 Der Text ist die Kurzfassung eines Es- Methode und Politikstil Sympathie in der Bevölkerung für eine says zu strategischen Fragen der Partei Partei, die den Streit nicht nur aushält, DIE LINKE. Dies ist der erste Teil. Der Eine weitere Erkenntnis der Wahlstatis- sondern lebt, ja zum Teil institutiona- zweite – mit den Schlussfolgerungen – tik ist, dass wir bei den Wahlberechtig- lisiert. Damit signalisiert sie nach au- erscheint im September-»DISPUT«. ten unter 45 Jahren und bei den Nicht- ßen Offenheit, Modernität und die Bot- 2 Stichwort: Mövenpick-Partei FDP wählerinnen und -wählern stark rück- schaft, mitmachen zu können.6 In die- 3 Vgl.: Kriese/Hoff/Kahrs (Mai 2012): läufige Zustimmung erfahren5. Das sem Zusammenhang müssen wir bei- DIE LINKE erneut rausgewählt. Wahl- deutet auf ein weiteres Problem hin: spielsweise lernen, dass der Begriff der nachtbericht-Spezial: DIE LINKE nach Auf der einen Seite fehlt uns die Kom- »Kampfkandidatur« überholt ist (vor al- der NRW-Wahl, S.8 petenz, »etwas verändern zu können«. lem, wenn es noch nicht einmal zu die- 4 Vgl.: ebd., S. 4–5 Auf der anderen Seite fehlt uns die At- ser kommen darf). 5 Insbesondere unsere schwindende traktivität, junge Wählergruppen bzw. Ob die unter anderem mit der Eigen- Anziehungskraft auf Nichtwähler hal- Nichtwählerinnen und -wähler anzu- tor-Theorie abgewürgte Personaldebat- te ich für äußerst problematisch. Vgl.: sprechen. Woran kann das liegen? Ge- te den Wahlausgang in Schleswig-Hol- ebd., S.6, 7 wiss, zum einen scheint das Neue und stein und Nordrhein-Westfalen negativ 6 Obgleich der Gegenstand des Streits Aufregende nach den Anfangsjahren beeinfl usste, lässt sich nicht gesichert (spezifi sche politische Inhalte) oft ne- verfl ogen zu sein, zum anderen haben sagen. Dass dieses Vorgehen aber bulös bleibt. wir aber akuten Nachholbedarf im Auf- nicht zum Erfolg geführt hat, kann nicht bau von Methoden und Strukturen, die ernsthaft bestritten werden. Eigentor- einer pluralen linken Partei angemes- Theorien und Einteilungen der Partei sen sind. in destruktive und nicht-destruktive Seit dem Programmparteitag im Ok- Kräfte sind das Destruktivste schlecht- ANZEIGE tober vergangenen Jahres wurde in der hin – sie spalten. Dies darf sich unter Partei eine Personaldebatte geführt, der neuen Parteiführung nicht wieder- die leider nie eine war. Aus Gründen, holen. Es widerspricht der Idee einer die im Nachhinein die Bundesschieds- pluralen, demokratischen und eman- kommission der Partei verwarf, wur- zipatorischen Linken. Es widerspricht de eine Mitgliederbefragung über die letztlich dem Ziel, Attraktivität auf vor künftige Parteiführung verhindert. Oh- allem junge kritische, von der Politik ne die innerparteilichen Vorgänge zwi- enttäuschte und auch depolitisierte schen Erfurt und Göttingen im Einzel- Menschen auszustrahlen. nen zu rekonstruieren, können wir sa- Weydingerstraße 14–16 gen, dass wir aus dieser Zeit Lehren Strategiedebatte für einen Neuanfang als moderne linke 10178 Berlin Mitgliederpartei ziehen müssen. Eine Folge der parteiinternen Vorgän- Telefon (030) 24 72 46 83 Das bedeutet, dass wir künftig Per- ge der vergangenen Monate war, dass sonaldebatten (und nicht Personende- eine längst überfällige Debatte um die

33 DISPUT August 2012 Neuer Stil statt Schlagabtausch Die sächsische LINKE will soziale und technologische Innovation Von Rico Gebhardt

Im Fußball ha- sens. Nicht um die Regionen »an sich« Veranstaltungen. Sie sind zweifellos ben wir in die- geht es, sondern um die Menschen unverzichtbar. Erforderlich ist jedoch sem Jahr schon »für sich«, die mit ihren Wünschen, die Erarbeitung eines »Navigations- lernen dürfen, Hoffnungen, Vorstellungen, Fähigkei- systems politischer Gesprächsorte«, © Linksfraktion Sachsen © Linksfraktion wie durch ver- ten, Talenten, ihren Möglichkeiten der das uns in die Lage versetzt, mit den- änderte Mann- Selbstverwirklichung im Mittelpunkt jenigen zu diskutieren bzw. diejenigen schaftsaufstel- der Zukunft Sachsens stehen müssen. zur Debatte einzuladen und zur Betei- lungen taktische Sie sind die größte und wichtigste Res- ligung zu ermutigen, die bislang nicht Spielabläufe ver- source für die Entwicklung des Landes beteiligt wurden. Dabei handelt es sich ändert und op- und dessen sozialökologische Umge- nicht allein um die Schwachen in der timiert bzw. an- staltung. Gesellschaft. Das Gefühl der Machtlo- gepasst werden können. Nun sind wir Der von mir initiierte »Dialog für sigkeit ist weit verbreitet und hat längst nicht in der Situation, Auswechslungen Sachsen« ist im Unterschied zu den vir- auch die »bürgerlichen Mittelschich- vorzunehmen, sondern es geht um ei- tuellen Kontaktversuchen der Staatsre- ten« erfasst. ne neue, dem Ziel angepasste Mann- gierung bewusst auf Austausch ange- schaftsaufstellung. Ich möchte errei- legt. Wir wollen unsere politischen Vor- Sächsische Sozialstaatsinitiative chen, dass wir uns den vor uns stehen- schläge durch deren öffentliche Dis- den Herausforderungen stellen, die in kussion nicht nur verbreiten, sondern (…) Sachsen sollte daher baldmöglichst der sächsischen Landtagsfraktion vor- verändern und verbessern. Keine Idee über eine Bundesratsinitiative für ei- handenen Potenziale besser nutzen nimmt Gestalt an, wenn nicht Bürge- ne grundlegende Neugestaltung unse- und sie vor allem produktiver und mit rinnen und Bürger sie sich zueigen ma- res Sozialsystems aktiv werden. Dabei größerer öffentlicher Wirkung präsen- chen. Davon sollten wir uns leiten las- sind die vielfältigen Impulse aus unter- tieren. Dazu wird es neben personellen sen. schiedlichen Vorschlägen wie »Bürger- Veränderungen auch strukturelle Verän- Die Fraktion verfügt über ausrei- geld« (unter anderen von Kurt Bieden- derungen geben. chend Expertinnen und Experten, die kopf), »Bedingungsloses Grundeinkom- Im Mittelpunkt unserer Arbeit als Positionen, Anträge, Gesetzentwür- men« (unter anderen von Katja Kipping), Fraktion bis zu den Landtagswahlen fe entwickelt und mit Fachverbänden Mindestlohn und Mindestrente, sowie 2014 stehen zwei sächsische Spezia- und in Themenforen debattiert haben allgemeine Bürgerversicherung unter litäten: Soziale und technologische In- – stark ressortbezogen, nicht selten als Berücksichtigung sämtlicher Einkom- novation. alleingestellte Aktivität. Bei Haushalts- mensarten ohne ideologische Scheu- Wir wollen sie mit einer neuen Art beratungen, Antworten auf Regierungs- klappen auf ihre konkrete Wirksamkeit der politischen Kommunikation voran- erklärungen und in unseren Wahlpro- hin zu analysieren. bringen, die wir durch das Projekt »Di- grammen wurde dann darauf geach- Meine Fraktion wiederum sollte, an- alog für Sachsen« gemeinsam mit der tet, dass alle Themenfelder möglichst knüpfend an die vom sächsischen Lan- Landespartei vor allem digital (http:// gleichberechtigt bedacht sind. desverband der LINKEN vorangetriebe- www.dialog-fuer-sachsen.de/) und in Künftig muss es demgegenüber uns ne kontroverse Diskussion zu Grund- regionalen Sozial- und Technologiefo- vor allem gelingen, erstens Akteurskon- einkommen bzw. Grundsicherung, ren entwickeln. stellationen politischen Handelns (wie Eckpunkte für eine solche sächsische Die Zeit ermüdender Frontalangriffe vom Abstieg bedrohte Mittelschich- Sozialstaatsinitiative bis zum Frühjahr auf eine vermeintliche »Festung« CDU ten und an den Rand gedrängte ge- 2013 in den Landtag einbringen. Darin ist vorbei – stattdessen werden wir sellschaftliche Gruppen), zweitens Or- einfl ießend sollten die Ergebnisse re- die Kreise der selbsternannten neu- te notwendiger Intervention (wie städ- gionaler Sozialforen, die wir veranstal- en Staatspartei durch den Aufbau von tische Wohngebiete, die sozialökono- ten werden. Netzwerken vieler Mitdenker/innen mischen Umstrukturierungsprozessen Die Landtagswahl 2014 wird auch nachhaltig stören. Wir überwinden die ausgesetzt sind, oder von Abwande- zur Abstimmung darüber, ob Sachsen Engstirnigkeit der derzeit herrschen- rung betroffene ländliche Räume) und künftig weiter aufseiten von Niedrig- den Regierungsbürokratie durch eman- drittens komplexe Herausforderungen lohn, prekärer Beschäftigung und Al- zipierte »Schwarmintelligenz«, für die (wie die Energiewende oder demografi - tersarmut steht oder Partei ergreift für der Mensch im Mittelpunkt steht. sche Veränderungen) »ressortübergrei- eine solidarische Gesellschaft, die die- DIE LINKE, heißt es im »Alternativen fend« zu erkennen und politisch pro- sen Namen verdient. Landesentwicklungskonzept« (Aleksa) duktiv zu machen. Sachsen ist das Mutterland des In- 2004, verfolgt für das Land Sachsen Wir müssen lernen, in den Bedürf- dustriezeitalters und hat heute nicht einen anderen strategischen Ansatz nissen von Menschen zu »lesen« und nur durch »Silicon « aktiven An- als die bisherigen Staatsregierungen: unsere politischen Ideen so zur Diskus- teil am Aufbruch in die digitale Epoche. Der LINKEN geht es um die systemati- sion zu stellen, dass sie in einem di- Gleichzeitig gewinnt der sächsische sche Entwicklung vor allem der inne- rekten Bezug zu diesen Bedürfnissen Bergbau insbesondere auf dem Gebiet ren wirtschaftlichen, sozialen und kul- stehen. der seltenen Erden, die für maßgeb- turellen Potenziale und Vorzüge Sach- Dies erfordert mehr als die üblichen liche Träger der virtuellen Revolution

FRAKTION DISPUT August 2012 34 (Smartphones, Tabletcomputer, Note- DEMNÄCHST books und Flachbildschirme etc.) uner- lässlich sind, neue globale Bedeutung. Deshalb braucht der Freistaat eine langfristige Innovations-und Techno- logie-Strategie, die FDP-Wirtschaftsmi- nister Morlok zu erarbeiten bisher un- terlassen hat. Dazu gehört neben Berg- bau und Energiegewinnung auch die Biotechnologie. Die Fraktion wird regio- Jubiläen und Jahrestage 12. September 1987 nale Foren zu diesem Thema durchfüh- Beginn der Barschel-Affäre 19. August ren. Die Ergebnisse der Diskussionen 12. September 2002 Welttag der humanitären Hilfe fl ießen in einen Komplex-Landtagsan- Bundestagsabgeordnete müssen trag »Innovations- und Technologie- 22. August 1992 ab sofort offenlegen, ob sie neben strategie für Sachsen« ein, den wir bis Pogrom gegen Asylbewerber-Wohn- Diäten noch Einkünfte haben. zum Sommer 2013 einbringen werden. heime in Rostock-Lichten- 13. September 1972 Dies werden zugleich die Eckpunk- hagen (bis 26. August 1992) te einer intelligenten Wirtschaftspoli- Bundesregierung beschließt Aufstel- 25. August 1912 tik für eine sächsische Staatsregierung lung einer Anti-Terroreinheit (GSG 9). Erich Honecker geboren ohne CDU-Beteiligung ab Herbst 2014 15. September sein. 26. August 1972 Internationaler Tag der Demokratie Soziale und wirtschaftliche Innovati- Olympische Spiele in München 16. September 1982 on sind nicht in erster Linie eine Frage (bis 11. September) Christliche Milizen beginnen in des Hin- und Herschiebens von Finanz- 27. August 1987 Flüchtlingslagern in Beirut Massaker mitteln durch die Politik. In einer Zeit, SED und SPD veröffentlichen das an palästinensischen Zivilisten. in der in Sekundenschnelle Milliarden Grundsatzpapier »Der Streit der 20. September »verbrannt« werden, liegt der Hebel zur Ideologien und die gemeinsame Kindertag (Deutschland) Verbesserung der Welt nicht mehr in Sicherheit«. einem Ressourcen-Roulette, wo jeder versucht, beim Kampf um einen grö- 30. August 1887 Termine ßeren Anteil am Staatshaushalt mög- Adam Kuckhoff (Schriftsteller, Wi- lichst geschickt mit zu pokern. Wir LIN- derstandskämpfer »Rote Kapelle«) bis 21. August KE wollen zuvörderst eine andere po- geboren Sommertour/Katja Kipping litische Kultur, was im Unterschied zur 1. September 25. August klassischen Sozialdemokratie weniger Anti-Kriegstag/Weltfriedenstag Beratung Bundesausschuss, Berlin mit schlichter Umverteilung als mit an- 2. September derer Kommunikation zu tun hat. 3. September Europäischer Tag der Jüdischen Auf Sachsen übersetzt heißt das: Sitzung Geschäftsführender Partei- Kultur Wo die Konkurrenz der einzelnen Re- vorstand gionen durch Kooperation ersetzt wird, 5. September 1972 7. und 8. September wo aus dem Gegeneinander einzel- Terroristischer Überfall mit 17 Toten Beratung der Parlamentarischen ner Interessengruppen eine gemein- auf israelische Mannschaft bei den Geschäftsführer und Fraktionsvor- same Suche nach einer »Win-win-Si- Olympischen Spielen von München sitzenden, Potsdam tuation« für die gesamte Gesellschaft 6. September 1962 8. und 9. September in Sachsen erwächst, da sind bislang Hanns Eisler verstorben Klausur des Parteivorstandes, Berlin unbekannte Synergieeffekte möglich. Das schafft man aber nicht mit einem 8. September 10. bis 13. September von oben dekretierten Landesentwick- Weltbildungstag/ Sitzungswoche im Europaparlament lungsplan, der im Nachhinein immer Weltalphabetisierungstag 10. bis 14. September dort noch ein bisschen nachgebessert 7. September 1987 Sitzungswoche im Bundestag wird, wo sich der heftigste und lautes- Erich Honecker zu Staatsbesuch te Widerstand zeigt. Diesem verfehlten 12. September in der BRD (u. a. Treffen mit Kohl, Massentelefonkonferenz Mecklen- CDU/FDP-Politikmodell setzten wir ei- Schröder, Lafontaine) nen Dialog »von unten« entgegen. burg-Vorpommern und Wir glauben: Am besten ist mit den 8. und 9. September 12. September Menschen selbst Staat zu machen, Tag des offenen Denkmals (unter Bundesverfassungsgericht entschei- nicht für sie, sondern mit ihnen – für anderem im Karl-Liebknecht-Haus det über Klagen gegen Fiskalpakt. ein Sachsen, in dem sich alle Generati- in Berlin) 15. September onen zu Hause fühlen und gemeinsam 10. September 1952 Landesparteitag Mecklenburg-Vor- Dinge erfi nden, die die Welt voranbrin- Wiedergutmachungsabkommen pommern, Ludwigslust gen. Denn das ist sächsisch. BRD – Israel 15. September Diesen (redaktionell gekürzten) Beitrag 11. September 1973 Kleiner Landesparteitag Sachsen hielt Rico Gebhardt nach seiner Wahl Putsch in Chile gegen die demokra- tisch gewählte Allende-Regierung 15. und 16. September zum neuen Fraktionsvorsitzenden der Bundesfrauenkonferenz, Dortmund LINKEN im Sächsischen Landtag am 17. 11. September 2001 Juli vor der Landespressekonferenz. Terroranschläge in den USA Zusammenstellung: Daniel Bartsch

35 DISPUT August 2012 Regionen fördern, nicht bestrafen Warum DIE LINKE die EU-Regionalpolitik zu ihrem Thema machen muss Von Renate Harcke

Seit Jahrzehnten unterstützen die EU- Freiraum haben, entsprechend ih- richtigung sozialer und ökologischer Strukturfonds und der Europäische ren Bedingungen Schwerpunkte für Kriterien in der Strukturpolitik ausge- Landwirtschaftsfonds den Prozess der den Einsatz von EU-Fonds zu setzen. sprochen. Angleichung der Lebensverhältnisse in Überbordende Regeln oder einengen- Dieser Ansatz muss auch maßgeb- der Europäischen Union. Ziel war und de Quoten, wie die EU-Kommission sie lich sein, wenn wir als LINKE uns in den ist es, Entwicklungsunterschiede zwi- vorschlägt, sind entbehrlich. Der große nächsten Monaten auf Bundesebene schen den Regionen zu verringern. Die Vorzug der Strukturfonds, passfähige und in den Ländern in die Diskussion Erneuerung der Infrastruktur im Osten Lösungen vor Ort zu entwickeln, muss über die Vorbereitung der neuen För- Deutschlands, ein Großteil der Maß- erhalten bleiben. derperiode einbringen. Die neue För- nahmen zur Bekämpfung der Massen- 4. Um ihre Aufgaben zu erfüllen, derperiode ist nicht nur Sache einer Mi- arbeitslosigkeit und auch die Entwick- braucht die EU einen angemessenen nisterialbürokratie: Sie ist ein zutiefst lung der dünnbesiedelten ländlichen Finanzrahmen. Die von der Kommis- politischer Gestaltungsprozess, dem Räume in ganz Deutschland sind ohne sion für 2014–2020 vorgeschlagenen sich DIE LINKE nicht verweigern darf. diese Mittel nicht denkbar. 1,025 Billionen Euro sind aus linker Unsere Partei ist vielmehr in den Par- Um diesen Ansatz für die Zukunft Sicht das Minimum. Wenn sich hinge- lamenten und in der Regierungsverant- zu sichern, bringen sich die europä- gen die Bundesregierung mit ihrer For- wortung, vor allem aber im außerparla- ischen Regionen, darunter Branden- derung nach zehnprozentiger Kürzung mentarischen Raum gefordert, eigene burg, in die europaweite Diskussion durchsetzt und keine substanziellen Ideen einzubringen. über die Rahmenbedingungen für die Kürzungen in anderen Bereichen vor- Im Wissen darum haben sich die EU-Förderperiode 2014–2020 ein. Mit genommen werden, bedeutet das: Die Europapolitischen Sprecherinnen und dem Eintritt in die Landesregierung ha- Übergangsförderung für den Südwes- Sprecher aus den Landtagsfraktionen ben sich die Wirkungsmöglichkeiten ten Brandenburgs ist infrage gestellt. und Europapolitiker aus Europaparla- der Brandenburger LINKEN dabei er- 5. Neben der Förderung von Aus- ment und Bundestag frühzeitig dieser weitert. Unsere Ministerin und unsere und Fortbildung geht es nicht nur um Aufgabe gewidmet. Nicht zum ersten Minister und die Mitglieder der Land- die Förderung von Arbeitsplätzen Mal! Im Ergebnis sind »Positionen der tagsfraktion führen seit Längerem bei schlechthin. Wir wollen »Gute Arbeit«, Partei DIE LINKE zur Zukunft der Euro- Arbeitsbesuchen in Brüssel Gespräche Arbeit, von der Menschen angemessen päischen Kohäsionspolitik«3 entstan- mit EU-Verantwortungsträgern. Denn leben können, ohne Sozialleistungen den, die der Parteivorstand in seiner die Entscheidungen, die in den nächs- beantragen zu müssen. Für DIE LINKE Sitzung am 16. Oktober 2011 disku- ten Monaten in Brüssel fallen, bestim- ist dies ein Thema genauso wie die Un- tiert und zur Kenntnis genommen hat. men wesentlich, was DIE LINKE an Pro- terstützung eines öffentlich geförder- Eine vertiefte Diskussion fand am 19. jekten künftig bundes-, landes- und ten Beschäftigungssektors durch EU- November auf einer Konferenz in Erfurt kommunalpolitisch umsetzen kann. In Mittel. statt. In Weiterentwicklung dieser Posi- dem Antrag der Koalitionsfraktionen 6. Auch wenn wir starre Quoten für tionen agieren die Mitglieder unserer »Fonds der EU – auch in der Förderperi- bestimmte Ziele oder Fonds aus grund- Delegation im Europäischen Parlament ode 2014–2020 Grundlage einer nach- sätzlichen Erwägungen ablehnen, fi n- und die Landtagsfraktionen seitdem. haltigen Entwicklung Brandenburgs«1, den wir die von der Kommission erho- der auf unsere Initiative hin entstanden bene Forderung, 20 Prozent der Mit- Gemeinsame Aktion der Links- ist, haben wir im März 2012 Branden- tel aus dem Europäischen Sozialfonds fraktion im Europaparlament burgs Position zu einigen wesentlichen für soziale Eingliederung und Armuts- Fragen formuliert. bekämpfung einzusetzen, wichtig und Die längerfristige, fraktionsübergrei- 1. Der Einsatz von EU-Fördermitteln richtig. Vor allem die Bekämpfung von fende und solide Vorarbeit der deut- muss auch künftig von der Solidarität Kinderarmut muss Schwerpunkt der schen LINKEN mündete Anfang Juli der Stärkeren mit den Schwächeren ge- Programme ab 2014 sein. auch in eine gemeinsame Aktion der tragen sein: So wie Brandenburg seit 7. Die Vorbereitung der neuen För- Linksfraktion im Europaparlament. 1990 erheblichen Nutzen von der EU- derperiode muss in enger Partner- Erstmals seit Jahren! Darüber können Regionalpolitik hatte, haben jetzt der schaft mit den Gewerkschaften, den wir uns ruhig einmal freuen, darauf Nordwesten Bulgariens oder Ostpolen in diesem Bereich engagierten Nicht- können wir stolz sein! Ohne die deut- den Anspruch auf Höchstförderung. regierungsorganisationen und Verbän- sche LINKE würde es diese europawei- 2. Regionen, die trotz erfolgreicher den und mit den Parlamenten erfolgen. te Aktion nicht geben! Entwicklung noch einen erheblichen Die Brandenburger LINKE setzt mit Die Unterschriftensammlung der Rückstand zum europäischen Durch- diesem Herangehen eine Forderung GUE/NGL-Fraktion steht unter dem schnitt haben, sollen auch in Zukunft im Grundsatzprogramm unserer Partei Motto »Regionen fördern, nicht be- eine angemessene Unterstützung der um.2 Im Erfurter Programm haben wir strafen«. Auf der Internetseite der Par- EU bekommen, etwa in der Wirtschafts- unseren (linken!) von Solidarität und tei findet man Informationen dazu, förderung oder Arbeitsmarktpolitik. Zu Unterstützung für ärmere Regionen ge- wie sich Mitglieder unserer Partei und ihnen gehört Brandenburg. prägten Ansatz der Strukturpolitik for- Nichtmitglieder an dieser Aktion betei- 3. Alle Regionen sollen weiter den muliert, hier haben wir uns für die Be- ligen können4. Noch bis zum 28. Sep-

EUROPA DISPUT August 2012 36 © Erich Wehnert

Die Uckermark (Brandenburg) ist strukturschwach und eines der am schwächsten besiedelten Gebiete.

tember 2012 werden Unterstützerin- nicht nachhaltig. Ziele wie Klimaschutz Sturm laufen, erwarten wir an der an- nen und Unterstützer gesucht, die ge- oder Förderung erneuerbarer Energien deren Stelle genau solche Vorgaben. genüber Kanzlerin Merkel, die für die kämen viel zu kurz. Und schließlich ma- Europäische Gremien sollen das rich- Bundesrepublik verhandelt, und ande- che »Brüssel« nicht die »richtigen« Vor- ten, was wir in der Bundesrepublik – ren Staats- und Regierungschefs sowie gaben. aufgrund unserer Stärke – nicht durch- den europäischen Gremien bekunden: Unbestritten: Die Programmvorga- setzen können. Ich glaube, andersher- Europäischen Regionen (in Deutsch- ben der EU und die darauf basieren- um wird ein Schuh daraus: Wir sollten land sind das die Bundesländer) sollen den Programme der Regionen sind den großen Vorzug der EU-Regional- auch in Zukunft weitgehend frei ent- keine Eins-zu-Eins-Umsetzung unse- politik – dezentrale Erarbeitung der scheiden können, welche Schwerpunk- res Parteiprogramms. Auch in Bran- Schwerpunkte für die Vergabe und die te sie bei der Verwendung der Struktur- denburg nicht. Das kann nicht anders dezentrale Vergabe – hegen und pfl e- fonds setzen. sein, denn schließlich haben nicht nur gen. Denn er gibt uns als DIE LINKE die Europäische Regionen dürfen nicht linke Wählerinnen und Wähler einen Möglichkeit, mit europäischen Mitteln mit dem Entzug von EU-Förderung be- Anspruch darauf, dass ihre Vorstellun- wichtige Veränderungen im Interesse straft werden, wenn ihre nationalen gen berücksichtigt werden. Das sollte der Mehrheit der Bevölkerung zu errei- Regierungen gegen EU-Recht, etwa bei uns aber nicht veranlassen, uns zurück- chen. Selbst aus der Opposition heraus der Verschuldung, verstoßen. zulehnen. Aus meiner Sicht kommt es – auch das belegen die Brandenburger Für DIE LINKE sind diese Forderun- doch vor allem darauf an, wie viel lin- Erfahrungen. gen wichtig. Sie bieten uns die Mög- ke Politikansätze wir durchsetzen: zum lichkeit, mit Bürgerinnen und Bürgern, Beispiel im Herbst bei der Beschluss- Renate Harcke ist Mitglied des Parteivor- mit Gewerkschaften, Industrie- und fassung des Europaparlaments zu den standes. Handelskammern, Handwerkskam- Rahmenbedingungen für die Förder- mern, landwirtschaftlichen und ande- periode oder 2013 in den nationalen 1 www.parldok.brandenburg.de/ ren Genossenschaften, Umwelt- oder und regionalen Programmdokumen- starweb/LTBB/start.html auch Unternehmerverbänden und vie- ten für den Einsatz der Strukturfonds. 2 www.die-linke.de/partei/ len anderen ins Gespräch zu kommen Bezogen auf die Programme sind die dokumente/programmderparteidie – darüber, welche Auswirkungen euro- Landtagsfraktionen und die Bundes- linke/iv1wiewollenwirlebengutearbeit päische Politik auf den Alltag der Men- tagsfraktion gefordert. Während etli- sozialesicherheitundgerechtigkeit/ schen hier bei uns hat und wie wir ge- che Landtagsfraktionen seit vielen Jah- foerderungstrukturschwacher meinsam diese europäische Politik be- ren Europäische Regionalpolitik zu »ih- regionenverantwortunginostdeutsch einfl ussen können. rem« Thema gemacht haben, hat die land/ Bundestagsfraktion noch erheblichen 3 www.die-linke.de/partei/ Wie viel setzen wir durch? Nachholbedarf. organe/parteivorstand/parteivorstand Ein letzter Gedanke sei erlaubt: 20102012/beschluesse/positionen Ich höre zuweilen in der Partei, EU-För- Manchmal ist es etwas »kompliziert« derparteidielinkezurzukunftdereuro- derpolitik sei als Thema für DIE LINKE mit unserer Europapolitik. Während paeischenkohaesionspolitik/ nicht geeignet. Schließlich würde da ja wir an der einen Stelle gegen die bü- 4 www.die-linke.de/politik/aktionen/ auch viel Geld »einfach verpulvert«, oft rokratischen Vorgaben aus »Brüssel« regionenfoerdernnichtbestrafen/

37 DISPUT August 2012 © Paolo Karletto © Paolo

ie LINKE ist eine inter- nationalistische Frie- denspartei, die für Ge- waltfreiheit eintritt, ob im Inneren von Gesell- D schaften oder zwischen Staaten. Daraus leiten wir unser Engage- ment gegen Krieg, Völkerrechts- bruch, Menschenrechtsverletzun- gen und militärische Denklogiken im Umgang mit Konfl ikten ab. Ne- ben der Kritik an Gewaltakteuren und an gewaltfördernden Macht- strukturen geht es uns um die Aufklärung über tiefere Zusam- menhänge von Konfl iktursachen. Gemeinsam mit Friedensbewe- gungen und allen friedensorien- tierten Partnern ringen wir um We- ge zu struktureller Gewaltpräven- tion und für einen zivilen Konfl ikt- austrag. Unser Leitbild ist die Idee des gerechten Friedens, der mehr bedeutet als die bloße Abwesen- heit von Gewalt, weil er soziale wie ökonomisch und ökologisch nach- haltige Bedingungen als Voraus- setzung für dauerhafte friedliche Entwicklungen erachtet. DIE LINKE gründet ihre interna- tionalistische Politik auf vier Prin- zipien: Frieden durch kollektive und gegenseitige Sicherheit, Ab- rüstung und strukturelle Nichtan- griffsfähigkeit. Solidarische Poli- tik der Überwindung von Armut, Unterentwicklung und Umweltzer- störung. Einsatz für eine demokra- tische, soziale, ökologische und friedliche Europäische Union. Re- form und Stärkung der UNO.

(aus dem Programm der Partei DIE LINKE)

Das Foto entstand am 22. Juli 2012 im Flüchtlingslager Kilis, 50 Meter von der türkisch-syrischen Grenze entfernt.

NAHER OSTEN DISPUT August 2012 38 39 DISPUT August 2012 PORSCHS PORTAL

ie Fußballeuropameister- ge, auch im erwähnten schönen Mai. Das Match konnte beginnen und Öster- schaft haben wir vor Kurzem Doch gab es eine Besonderheit! Feld- reich bekam die erwartete Packung – überstanden. Die Olympia- hockey spielten in Österreich damals 4:0 war der Endstand zugunsten der de ist, wenn diese Zeilen bei eine Hand voll Leute; begeistert, aber DDR. Sie hatte an diesem Tag eigentlich den geneigten Leserinnen kaum beachtet. Also war auch das auf allen Linien gewonnen – das Spiel Dund Lesern ankommen, schon wieder Länderspiel nur von Eingeweihten be- und alle Normalität der Symbolik beim Geschichte. sucht. Sie waren voller Spannung auf Sport. Im Grunde hatten wir Geschichte Internationale Meisterschaften und das Sportereignis. Die Sache mit der geschrieben im Kalten Krieg der sechzi- zumal Olympiaden sind die Zeiten von Fahne und der Hymne interessierte sie ger Jahre. Aber wir hatten die Rechnung Nationalfl aggen und Nationalhymen. weniger. Man war nicht auf Streit aus, ohne den ostdeutschen Wirt gemacht Sie markieren die Lager, Freund und sondern auf Sport, welches Wort be- bzw. seine Kellner in Österreich. Gegner. Man singt die Hymne, mög- Die Fahnenmasten, auf denen die lichst als Renommiergebärde vor dem Flaggen aufgezogen wehen sollten und Kampf, und man zeigt eben Flagge. schließlich ja auch wehten, standen Oder man singt und zeigt Flagge, weil Fest gemauert in fest gemauert in der Erden etwas ent- man den Sieg, den eine Person oder fernt vom Spielfeld. Man kann schon Mannschaft (kann auch eine Frauschaft der Erden sagen, etwas am Rand der gesamten sein) errungen hat, als Sieg der ganzen Anlage, von außen und von den Zu- Nation gefeiert wissen will. Wehe dem Von der Normalität der schauerplätzen kaum – naja, eigent- oder der, der oder die nicht singt. We- Flaggen und Hymnen im lich gar nicht – zu sehen. Wir hatten he, wenn man den Sieg durch allzu aber keine anderen Masten, und kei- auffällige Missachtung von Hymne und Sport nen Länderspielgegner hatte dies bis- Flagge nicht an die Nation weitergibt. her gestört. Sie waren das Ritual ge- Das kann ganz böse enden, wie zum wohnt und nahmen es deshalb einfach Beispiel in Mexico 1968 für die dunkel- gar nicht mehr wahr. Der DDR-Vertreter häutigen US-Amerikaner Tommie Smith registrierte im Gegensatz dazu jedoch und John Carlos, die die Siegerehrung jedes Detail und kam zu dem Schluss, nutzten, um auf die Situation der Afro- dass die so entlegen aufgezogene Flag- amerikaner in den USA aufmerksam zu ge eine Missachtung der Souveräni- machen und »black power« zu demons- kanntlich über das Englische vom latei- tät seines Landes sei, und wurde ent- trieren. nischen »disportare« zu uns kam und sprechend mit harscher Kritik vorstel- Ich habe so manche eigene Erlebnis- etwas mit Zerstreuung und Kurzweil zu lig. Das Normale ist eben das, was so se in Schule, Sport und Politik mit Hym- tun hat. schwer zu machen ist. Wahrscheinlich nen und auch Fahnen. Eines scheint mir Ich war als Student zum Nebenver- konnte der Arme sich selbst nicht vor- berichtenswert: Es war an einem son- dienst im Sekretariat des Hockeyver- stellen, dass man sein Land normal be- nigen Samstagnachmittag im Mai des bandes angestellt und sollte die Sache handelt. Jahres 1967 im Wiener Hockeystadion, mit Flaggen und Hymnen regeln. Natür- Kann sein, solches war überhaupt als die Nationalmannschaften Öster- lich hatten wir die österreichische Flag- der tiefe Grund des Verschwindens reichs und der DDR im Feldhockey ihre ge und die Bundeshymne als Tuch und der DDR aus der Geschichte. Als der Kräfte messen sollten. Bei solchen An- auf Schallplatte parat, die Gegenstücke Vorsitzende des Staatsrates die ein- lässen war es normal, die Flaggen der aus der DDR jedoch nicht. Da half frei- fache Normalität weltweiter diploma- beiden Länder zu hissen; einfach nor- giebig und pfl ichtgemäß die Handels- tischer Anerkennung für etwas ganz mal – außer mit der DDR-Flagge. Hiss- vertretung der DDR in Wien aus. Jene Besonderes hielt, begann er sich dar- te man diese Flagge damals, so zeig- Institution war der Ersatz für die feh- in zu sonnen. Er ließ sich von Hof zu te man auch Flagge – die Flagge der lende Botschaft. Ihr Chef überreichte Hof, von Präsidialkanzlei zu Präsidi- Meinung, dass es diese DDR gibt, dass mir die entsprechenden Utensilien – alkanzlei herumreichen und wurde ja man dieses erkannt und anerkannt hat. Fahne und Schallplatte –, mit denen auch herumgereicht. Selbst die einst in Mit dem »anerkannt« war das aber so ich dem Ritual Genüge tun sollte. Und der Sache so autistische Bundesrepu- ein Problem. Es gab nämlich noch eine warum auch nicht? Der Vorstand hatte blik wollte da nicht zurückstehen und Bundesrepublik Deutschland. Sie woll- nichts Gegenteiliges beschlossen, son- lud ihn in ihr Bonn ein. Solcherart ho- te das einzige Deutschland dieser Zeit dern war an einem reibungslosen Ab- fi ert übersah der Staatsratsvorsitzen- sein. Also sollte das Hissen der Flagge lauf interessiert. Ich hatte sogar den de, dass dem Volk das normale Leben der DDR verboten sein und auch das Eindruck, manche wussten gar nicht, in der DDR zunehmend schwieriger und Spielen ihrer Hymne. dass es Ärger mit österreichischen Be- schließlich einfach unnormal und uner- Freunde und Verbündete hielten hörden geben könnte, wenn man den träglich geworden war. Das Ende ist be- sich daran. Sportereignisse litten dar- Ärger mit der DDR einfach vermied. kannt. unter, weil sie den Brauch einfach nicht Wie auch immer: Ich schritt zur Tat. Die umsetzen durften. So war eben die La- Flagge war gezeigt, die Hymne gespielt. Peter Porsch

FEUILLETON DISPUT August 2012 40 Waffenhandel Globale Komplizenschaft. Anmerkungen zu einem sehr aktuellen Buch Von Wolfgang Triebel

»Das globale Geschäft mit dem Tod« »Bundesnachrichtendienst«. Internati- gen sie dafür, dass das aufhört … wenn lautet der Untertitel zum Buch »Waf- onale Waffengeschäfte machten diese … nicht, … dann würde man … sowohl fenhandel« des weißen Südafrikaners Altnazis zu Millionären. »Kampfjets aus die nachrichtendienstliche Zusammen- Andrew Feinstein. 847 Seiten umfasst Überbeständen (der Bundeswehr – W. arbeit abbrechen als auch die diplo- seine einzigartige Dokumentation, T.) wurden zum Stückpreis von 46.400 matischen Beziehungen« (S. 218). To- 2012 im Verlag Hoffmann und Campe Dollar gekauft und für je 141.000 Dol- ny Blair war folgsam, Helen Garlik wur- erschienen (29,99 Euro). lar verkauft … Reingewinn 6,926 Mill. de entlassen. Die Darstellung von kaum nachvoll- Dollar« (S. 62). Wen wundert es, dass Beschriebene Manipulationen von ziehbaren Schurkereien gegen Völker Deutschland heute führend im interna- Waffenmanagern der USA, der deut- unserer Welt ruft Wut und Empörung tionalen Waffenhandel ist. schen Firma Merex, aus Südafrika und hervor. Über 30 der übelsten Waffen- Im Kapitel »Die Saudi-Connection« Großbritannien sind ebenso verbreche- schieber sind auf den Seiten 10 bis 13 beschreibt Feinstein Machenschaften risch wie die von Prinz Bandar. Eng- abgebildet. In sechs Kapiteln wird an der »Prinzengarde« des saudischen Kö- lands Premier Tony Blair zum Beispiel 21 Beispielen gezeigt, wie globale Waf- nigshauses und das »größte Rüstungs- »überredete den Präsidenten Tansa- fenhändler in Komplizenschaft mit Re- geschäft aller Zeiten« (S. 77), den Al- nias, eines der ärmsten Länder der gierungen eigenständige politisch- Yamamah-Vertrag 1985 mit Großbritan- Welt, ein Radarsystem für Militärfl ug- wirtschaftliche Entwicklungen spezi- nien. Es brachte dem angeschlagenen zeuge für über 40 Millionen Dollar zu ell in ökonomisch unterentwickelten Privatkonzern British-Aerospace (BAE) kaufen.« Tansania besaß nur acht Flug- Ländern gezielt unterlaufen und ver- ca. 43 Milliarden Pfund ein. Marga- zeuge, ca. 10 Millionen Dollar Schmier- hindern, siehe Afghanistan, Irak, Li- ret Thatcher war extra aus dem Urlaub gelder sollen hierbei gefl ossen sein (S. byen usw., jetzt Syrien. Waffenhänd- nach Riad gereist, um mit Prinz Ban- 278). In »Im Osten nichts Neues« wird ler bestechen und betrügen Regie- dar, dem abgefeimtesten Waffenschie- beschrieben, wie nach 1990 unter an- rungen, damit sie zu modernen Waf- ber des saudischen Königshauses, deren Tony Blair versuchte, der tsche- fen kommen, die sie gewinnbringend den Deal perfekt zu machen. Die Sau- chischen Regierung britische Flugzeu- an private Söldnerarmeen verkaufen. dis füllten ihre Arsenale mit Kampffl ug- ge aufzuschwatzen, nach dem Beitritt Das bringt Rüstungsfi rmen Extraprofi te zeugen, Hubschraubern, Kriegsschiffen zur NATO musste die Armee umgerüs- und heizt zwischen ihnen die Konkur- und anderem mehr. Dass »… Öl als Zah- tet werden. Der NATO-Beitritt der Ost- renz an. Der Handel mit Waffen fi ndet lungsmittel verwendet wurde, machte Staaten forcierte die Konkurrenz eu- »heute in einer Parallelwelt statt, in der es allen Beteiligten leicht, die Beste- ropäischer und US-Rüstungsmanager. Geld, Korruption, Betrug und Tod regie- chungen zu vertuschen« (S. 82). Prinz Seit Roosevelt gab es »zwischen der ren« (S. 21). Deutschland mischt in die- Bandar spielte England, Frankreich, US-Regierung und der amerikanischen sem Sumpf an vorderster Stelle mit – die USA und auch Israel gegeneinan- Privatwirtschaft eine äußerst enge Ver- und das nicht erst in jüngster Zeit. der aus. Der USA-Senat hatte den Sau- bundenheit … Dadurch konnte der Der Abschnitt »Alte Kameraden« be- dis F-15-Kampfjets verweigert, Bandar Rüstungsapparat ein Eigenleben ent- legt, dass Hitlers Spionagegeneral Geh- suchte Senatoren umzustimmen. Sena- wickeln« (S. 339). Auf über 250 Seiten len und der USA-Geheimdienstoffi zier tor Russel B. Long sagte Bandar, mei- werden Dutzende Beispiele für »illega- Boker schon vor dem 8. Mai 1945 bera- ne Stimme »… kostet sie zehn Millio- le Korruption« der Waffensupermacht ten hatten, im Nachkriegsdeutschland nen Dollar … das Geld sei … für seine USA dargestellt. »einen Geheimdienst nach amerika- Wahlkampagne« (S. 92). Die Wahlhilfe Feinstein ist nach zehn Jahren Arbeit nischem Muster aufzubauen mit aus- zu Carters Wiederwahl 1979 »… koste- pessimistisch, »dass das weltweite Ver- schließlich deutschen Mitarbeitern« (S. te das Königshaus 30 bis 40 Millionen langen nach Waffen in absehbarer Zeit 56). Gehlen wählte hochrangige Nazis Dollar pro Tag« (S. 93). USA und Sau- abklingen würde.« Dennoch sind »der aus wie Major Gerhard Mertins (war bei dis unterstützten vielfach gemeinsam Rüstungsbranche, die ihre Gewinne in VW untergeschlüpft), den berüchtigten Staatsstreiche in Südamerika (Nicara- Millionen Dollar zählt und ihre Verlus- Mussolinibefreier General Otto Skor- gua), in Afrika (Angola) usw. te in Menschenleben, längst überfälli- zeny (handelte für Franco-spanische Prinz Bandars Waffen- und Geld- ge Regeln zur Kontrolle des Waffenhan- Rüstungsbetriebe) und den Fallschirm- geschäfte füllen über 100 Seiten. In dels aufzuzwingen« (S. 711). Während jäger Herbert Quandt (hatte als Sohn fünfzehn Jahren hat er aus Rüstungs- die UNO-Konferenz zur Einschränkung aus erster Ehe der Frau von Goebbels geschäften ein Vermögen von über ei- des globalen Waffenhandels im Juli direkte Verbindungen zu Mercedes- ner Milliarde britische Pfund angehäuft 2012 scheiterte, stimmt es hoffnungs- Benz). Die drei und andere fanden im (S. 130). 2004 leitete die streitbare bri- voll, dass fast zur gleichen Zeit Eigentü- Waffengeschäft zueinander. Mertins tische Juristin Helen Garlik Untersu- mer und Arbeiter eines Betriebes in Ita- gründete mit Hilfe von Gehlen 1963 in chungen zur Korruption und ermittel- lien Rüstungsaufträge aus moralischen Bonn die Firma Merex. Er war » …Mit- te auch zum Al-Yamamah-Vertrag. Als Gründen abgelehnt haben. Feinstein telsmann für deutsche Waffenverkäufe Bandar ins Zwielicht geriet, wurde er hat seinem Buch einen Satz von Henry in die Dritte Welt« (S. 61). Man beachte bei Tony Blair vorstellig. Feinstein zi- Ford vorangestellt: »Sagt mir, wer vom das Jahr 1963, die »Organisation Geh- tiert aus The Sunday Times vom 10. Ju- Krieg profi tiert, und ich sage euch, wie len« war seit 1955 regierungsamtlicher ni 2007 über Bandars Auftreten: »Sor- man den Krieg beendet.«

41 DISPUT August 2012 RÜSTUNG Wanderer auf Zeit Hanns Eisler durchquert die Welt. Zum 50. Todestag des Komponisten am 6. September Von Stefan Amzoll

Er muss oft Grenzen passieren, sich 4. bis 11. September 2012 Uneingeschränkt Ja zur Pässe, Visa besorgen, die Sprachen Hanns-Eisler-Tage in Berlin Revolution wechseln. Zwänge regieren, persönli- www.hanns-eisler.de che, gesellschaftliche, geschichtliche. Die Oktoberrevolution hat Hanns Eis- Hemmen sie die Produktivität? Stets ler uneingeschränkt bejaht. Bis zum Acht geben, sich umschauen, zugleich Epochenbruch seit Zerschlagung der nach vorn blicken. Ein halbes Leben Gründen immer, nicht in die UdSSR, Trotzki‘schen Opposition, spätestens verbringt Hanns Eisler damit. Wo bin stattdessen in die USA. Dort gleich- seit Majakowskis Selbstmord ist das ich? Wohin geht die Reise? Schon das falls Zwänge – unter anderen Vorzei- Verhältnis ungespalten. Kleinkind, geboren 1898 in Leipzig, er- chen. Einreiseprobleme. Zwischensta- In den frühen dreißiger Jahren reist lebt dies, als Zwang. Die jüdische Fami- tion Mexiko City. Der sozial engagierte der Komponist mehrmals in die UdSSR lie Eisler übersiedelt alsbald nach Wien. Komponist Silvestre Revueltas, Mexika- und produziert Filmmusiken (zum Bei- Der Jugendliche studiert dort Komposi- ner, ermöglicht dem Deutschen, beruf- spiel »Die Jugend hat das Wort«). Er tion bei dem berühmten Arnold Schön- lich Fuß zu fassen. In den USA fortge- begrüßt die Stalin‘sche Verfassung, berg. Der ist sowenig sesshaft wie der setzte Existenzsorgen. Arbeiten für Hol- schreibt Grußadressen, übersieht in- Schüler. Beide ziehen während der lywood schaffen Erleichterung. Nach des nicht den für ihn unsäglichen so- Weimarer Zeit, als hätten sie sich abge- dem Krieg, Churchill läutet in seiner Ful- wjetischen Volkskitsch und romanti- stimmt, nach Berlin und gehen politisch ton-Rede den Kalten Krieg ein: McCar- schen Symphonismus sozialistisch-re- getrennte Wege. Schönberg komponiert thy-Kommunistenfresser machen Jagd alistischer Provenienz. Eisler muss von Zwölftonwerke, sein renitenter Schüler auf Hanns Eisler, seinen Bruder Ger- den geheim gehaltenen Toden (oder nonkonformistische Lieder, später, un- hart, Brecht, Chaplin und viele andere. gar den Ermordungen?) seiner Freunde terdes der revolutionären Linken zuge- Zurück in Europa, wählt der Komponist Tretjakow und Kolzow, auch denen Ba- hörig, Kampfmusik und eingreifende zunächst Wien als denkbaren Wohn- bels und Meyerholds gewusst haben. Filmmusiken. 1933. Nacht der langen ort. Wien verprellt ihn. Die Stadt er- Über die Moskauer Prozesse gibt es kei- Messer. SA-Mordkommandos machen möglicht dem Kommunisten und Kom- ne direkten Äußerungen, wohl aber zu Jagd auf Kommunisten, Juden, radikale ponisten keine berufl iche Perspektive. den Verzerrungen der Musikpolitik des Demokraten, Sozialdemokraten. Eisler Was bleibt? Brecht ist unterdes Leiter Unionskomponistenverbandes. In der exiliert nach Paris, organisiert dort un- des Schiffbauerdamm-Theaters in Ost- Bewertung des Stalinismus der Nach- ter Musikern antifaschistischen Wider- berlin geworden. Wo der Dichter ist, will kriegszeit bezog Eisler ähnliche Positi- stand. Wie Brecht geht er, aus welchen auch er sein. onen wie Brecht. Sein Faustus-Libretto,

© Gert Gampe (4), Repro (2)

»Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt, lass uns dir zum Guten dienen, Deutschland einig Vater- land«: Dieses Becher’sche Pathos! Aber ich glaube, dass der Eisler da eine ganz gute musikalische Entsprechung gefunden hat. Zumindest musikalisch wird dieses Pathos nicht noch verstärkt. Da bin ich nicht unbedingt veranlasst, aus dem Sessel zu springen und stramm zu stehen.« Dr. Jürgen Schebera, Musikhistoriker

KUNST DISPUT August 2012 42 das Girnus und Abusch in der Luft zer- lich, schlampig, verantwortungslos, rissen, fi el unter Shdanow‘schen For- korrupt und so weiter... Das sind nicht malismusverdacht. Die Enthüllungen nur Formfragen, das sind natürlich In- des XX. Parteitages müssen ihn arg be- haltsfragen. Und das von der Sowjet- schäftigt haben. Eisler thematisierte union! ... Das ist das Interessante: da als einziger kommunistischer Musiker sind echte Widersprüche vorhanden, den XX. Parteitag, und zwar in seinem aber echte, unauslöschliche, nicht ver- letzten Werk, den »Ernsten Gesängen«. einbare.« Kritiker nannten sie nicht zu un- recht Anti-Symphonie, jene Arbeit von »Man ist nicht ungestraft zehn Minuten Spieldauer, mit der Eis- in Hollywood« ler Mitte der dreißiger Jahre Furore machen sollte. Es handelt sich um die Anders ihre Exilerfahrungen in den ka- »Kleine Sinfonie« op. 29 – ein Werk, pitalistischen USA. Weg gezwungen das er zwischen 1931 und 1934 kom- aus Deutschland, fallen sie dort ins ponierte. Es ist ein technisch gewitz- Loch der Namenlosigkeit, der Unbe- tes, blutvolles, verschlagenes, sinn- kanntheit. Was eins ist mit Degradati- liches Stück, voller Schönheiten und on im Künstlerischen wie Menschlichen Rauhbeinigkeiten. Die Form besteht zum Appendix, zu einer Marginalie. aus Montagestücken, Bluesanklän- Aufgestiegene, die nun gefallen sind? ge mit gestopften Trompeten werden Stefan Amzoll ist Autor von Hörspielen, Nein, das sind falsche, weil Karriere- vernehmlich, supergeschwind der Features, Essays und Büchern. Kategorien, auf die es den beiden nie Marsch zu Beginn. Protest und Klage ankam. Verdammt hart, schmerzhaft führen einzelne Sätze mit. ist in ihrem Fall zweierlei: erstens ihr Das allseits bewunderte Stück setz- allergrößten Differenzen hatte, ist für Abschied aus der heiteren Ernsthaftig- te sich auch in kulturellen Zentren der mich ungeheuer günstig. Ich werde keit eines revolutionären Lebens, den Sowjetunion rasch durch. Es gibt ei- jetzt nicht nur als revolutionärer Kom- sie nehmen müssen, und zweitens – ne gar despektierliche Geschichte da- ponist, sondern als großer ausländi- der wohl größte Verlust –, die Scha- rüber, die der Komponist per Brief sei- scher Spezialist gewertet. Übrigens ren eines proletarischen, linksbürger- nem Freunde Brecht gesteckt hat: »Be- zeigt das auch, was für eine falsche lichen Publikums, das die eigenen Sa- sonders hübsch ist, dass der größte Taktik ich hier hatte, man muss diesen chen versteht, auf unbestimmte Zeit zu Musikbonze der UdSSR, Mjaskowski, alten Bonzen mit technischen Leistun- verlieren. von dem hier alles abhängt, enthusi- gen den Mund stopfen.« Gleichzeitig plagt beide Künstler die asmiert ist und überall herumerzählt, Brecht drückte zwanzig Jahre später, Depression, die allerdings zu keiner Er- dass es das großartigste Stück ist, das Mitte der fünfziger Jahre, seine Haltung mattung, zu keinem Zusammenbruch er je gehört hat. Diese Mundreklame zur Allianz von Kunstbonzen und Sow- führt. Denn der eingefl eischte rebelli- durch den offi ziellen Vertreter der So- jetkunst noch drastischer aus: »Vieles sche Geist weiß selbst daraus noch Ge- wjetmusik, den ich immer als Reakti- davon ist inhuman, barbarisch, ober- winn zu schlagen. Eisler: »Man ist nicht onär bekämpfte und mit dem ich die fl ächlich, bourgeois, also kleinbürger- ungestraft in Hollywood. Man muss das

Zu den Gründungsmitgliedern der Musikhochschule in Berlin-Ost zählte Hanns Eisler. Seit 1964 trägt sie seinen Namen.

43 DISPUT August 2012 einfach mit beschreiben.« Das tut er Eislers US-Exilerfahrungen spre- und Herrschaft, des deutschen Besit- sehr genau und klar in seinem »Holly- chen allen seinen bisherigen Erfahrun- zes vom Kaiserreich bis zum Hitlerreich wooder Liederbuch« (1942/43). Elegien gen als Komponist und Bürger Hohn. Er – ästhetische Protokolle über ein Ver- von Brecht, die Eisler vertonte, geben muss sich mit Brotarbeiten in der Film- sagen, das, mit nichts vergleichbar, je- dem Zyklus das gedankliche Rückgrat. industrie verdingen. Auf der Grenze dem deutschen Bürger noch hundert Es sind Prosaverse, welche die Exil-Si- zu diesem monumentalen Räderwerk, Jahre die Sprache verschlagen müss- tuation spiegeln. Daneben stehen Ge- das Illusionen produziert, ist der Kom- te. Eisler, voller Erwartung auf ein ge- dichte Brechts aus früheren Jahren, ponist Schräubchen, so beliebig ein- genteiliges deutsches Zukunftsmodell, auch solche aus der Zeit vor 1933. Den setzbar wie wegwerfbar. Eine Form des musste sich nach seiner Rückkehr aus Reigen der insgesamt 49 Lieder für Ge- Erwerbs, die durch subversive Experi- dem Exil entscheiden: entweder west- sang und Klavierbegleitung komplettie- mente, fi nanziert durch die Rockefeller liche Demokratie oder östlich-klein- ren klassische Dichtungen von Goethe, Foundation, und theoretische Refl exion bürgerlich-proletarische Diktatur. Er Hölderlin, Möricke, Pascal, Rimbaud auf die Hollywood-Filmmusikpraxis zu- wählte den Anti-Nazismus und ein ge- und Anakreontik. sammen mit Theodor W. Adorno nicht rechteres Dasein der Unterklassen, er Dass in Kalifornien Eisler und Brecht verschwindet. entschied sich für die Musik als »Fort- einander wieder näher rücken, macht Brechts Erfahrungen liegen keinen setzung des Lebens«, wohl begreifend, zugleich ein enges gemeinsames Ar- Deut anders. Was die beiden in den dass es ohne Härten und Ungerechtig- beiten wieder möglich, ein Produzieren USA erleben, ist eine noch raffi niertere keiten nicht abgehen würde. Der Kalte unter identischen Bedingungen, näm- Herrschaft des Marktes, eine noch grö- Krieg war für den scharfsinnigen welt- lich in der Kälte und Einsamkeit einer ßere Bereitschaft zur Anpassung, eine gewandten Mann unweigerliches Zer- Landschaft, von der Eisler rückblickend noch ausgeprägtere Geltung von Kate- würfnis und Menschheitsunglück in ei- sagt, sie sei der klassische Ort, wo man gorien des Erfolgs, der Stellung, des nem. Elegien schreiben muss. Geldes, als davor in Europa schon er- Kurz vor seinem Tode, 1962, vollen- Musikalisch wichtig ist: Mit den lebt. Mehr als vordem fühlen sie sich det Eisler die »Ernsten Gesänge«, die rasch hingeworfenen, plötzlichen, als Verlorene, als Teil einer Gesellschaft den Charakter eines Vermächtnisses spontanen Kompositionen knüpft Eis- vereinzelter Ohnmächtiger, ja sie müs- tragen. Sie weisen auf Vergangenheit, ler wieder mehr an Schönberg, Schu- sen sich so fühlen. die noch zu bewältigen ist, und auf Zu- bert, Schumann, Brahms an, und zwar kunft. Eisler scheut sich nicht, einem innovativ. Frei gehandhabte Dodekafo- Für die Musik als »Fortsetzung Lied den ganz unpoetischen Titel »XX. nie (Zwölftonmusik) vertreibt aus be- des Lebens« Parteitag« zu geben, dessen letzte Zei- kannten Liedmodellen die schwere, le das Begehren ausdrückt, ein Leben muffi ge Luft, der Rekurs auf ältere to- Wie Brecht hat Hanns Eisler, wo im- zu führen, ohne Angst zu haben. nale Verfahren lockert die Sprödigkeit mer er sich aufhielt, den Verhältnissen Aus seinen letzten Tagebuchauf- und Abstraktheit moderner Kompositi- unterschiedlich erwidern müssen. Ein zeichnungen erfahren wir: »Wenn ich onstechniken. Was zusammenkommt, Großteil seines unvergleichlichen Wer- 1990 vergessen sein werde, wird es ei- sind kleine, bescheidene, meisterlich kes wendet sich den Impulsen des gro- ne gute Zeit sein, voll des Überfl usses, geformte Gebilde, deren Geltung weit ßen Weltentwurfs seiner Zeit zu und gei- des Spaßes und der Denkkraft.« Einem über den Entstehungsanlass hinaus- ßelt demgegenüber die ganze Schmach genialeren Irrtum als diesen kann man reicht. der Oberklassen deutscher Herkunft heute kaum unterliegen.

Hanns Eisler starb am 6. September 1962. Er wurde auf dem Dorotheenstädti- schen Friedhof in Berlin-Mitte, in der Nähe von Bertolt Brecht, beigesetzt.

© Gert Gampe (2)

KUNST DISPUT August 2012 44 Machtkampf ums Öl Zum Konfl ikt zwischen der kurdischen Regierung und der Zentralregierung im Irak Von Jihan Hikmat-Akrawi

Der fortwährende Machtkampf um lem der Ölreichtum des Irak im Mittel- Risikos an die Konzerne aus, ermögli- die Herrschaft über die Ölvorkommen punkt des Interesses. Die Ölvorkom- chen ihnen jedoch auch weitaus höhe- im Irak sorgt derzeit wieder für eine men des Landes werden als viertgröß- re Profi te. Damit konnte die kurdische höchst angespannte außenpolitische te der Welt eingeschätzt. Ein Zugang zu Regierung Verträge mit großen Konzer- Lage und eine innenpolitische Krise. diesen Vorkommen ist von großem In- nen abschließen, die mit den bisheri- Die Regierung der Autonomen Region teresse für die Rohstoffversorgung ei- gen Vertragsbedingungen der Zentral- Kurdistan (Kurdistan Regional Govern- niger Staaten und die Profi tinteressen regierung unzufrieden waren. ment – KRG) und die irakische Zentral- von Konzernen. Dieser Aspekt war si- Ein weiterer Grund für den Konfl ikt regierung streiten über das Recht der cherlich nicht unwesentlich bei der Ent- ist die rechtliche Unklarheit. Gesprä- KRG, eigene Verträge mit internationa- scheidung für den militärischen Ein- che über gemeinsame Öl- und Gasge- len Ölkonzernen abzuschließen. Seit marsch der USA 2003. Der Anteil der setze zwischen der KRG und der Zen- die kurdische Regierung im November Vorkommen auf dem Gebiet der Regi- tralregierung sind bisher immer ge- 2011 einen umfangreichen Vertrag mit on Kurdistan beträgt etwa 20 Prozent. scheitert, und die Verhandlungen da- dem amerikanischen Ölkonzern Exxon- Außerdem beansprucht die kurdische rüber sind seit 2007 ausgesetzt. Dies Mobil vereinbart hat, verschlechterten Regierung die umstrittene Region um führte zu einseitigen Gesetzgebungen. sich die Beziehungen zwischen beiden Kirkuk, die erdölreichste Region des So erklärte die kurdische Regierung, Regierungen dramatisch. Diese Situati- Landes. Sie ist mehrheitlich von Kur- dass die Verträge in Einklang mit ihren on spitzte sich durch das Abschließen den besiedelt und wird de facto von 2007 verabschiedeten Öl- und Gasge- weiterer Verträge mit Chevron und Total Kurden kontrolliert, untersteht jedoch setzen seien. im letzten Monat abermals zu. rechtlich der Zentralregierung. Die ira- Die Zentralregierung verweist im Ge- Auf den ersten Blick scheint dies kische Zentralregierung blockiert bis genzug darauf, dass die Verträge ver- eine Episode mehr in dem von Krisen heute die Durchführung eines Zensus, fassungswidrig sind. Die Produktions- und Konfl ikten geplagten ethnischen der unter anderem dazu dienen soll, teilungsverträge widersprächen dem und religiösen Flickenteppich zu sein, ein Referendum über die rechtliche Zu- Grundsatz der irakischen Verfassung, als den die Weltöffentlichkeit den Na- gehörigkeit der umstrittenen Gebiete das die Öl- und Gasressourcen des Lan- hen Osten häufi g sieht. Bei näherer entscheiden zu lassen. des als Eigentum des irakischen Volkes Betrachtung erkennt man jedoch, dass bestimmt hat. die Ursachen für diesen Konfl ikt, wie so Streit um Verträge Zudem treten in diesem Konfl ikt die oft, weitaus komplexer sind. Sie lassen territorialen Streitigkeiten zwischen sich nicht allein auf die ethnische und Die Kontrolle über die Ölförderung ist den beiden Regierungen um die Regi- religiöse Vielfalt in der Region und die sowohl für die kurdische Regierung on Kirkuk wieder zum Vorschein. Zwei Unfähigkeit der verschiedenen Grup- als auch für die Zentralregierung von der sechs Explorationsgebiete, die Ex- pen, diese zu überwinden, zurückfüh- höchster machtpolitischer Priorität. xonMobil zugesprochen wurden, be- ren. Die Wirtschaft des Irak ist auf Ressour- fi nden sich auf weiterhin umstrittenem Zum einen ist die geopolitische La- cen basiert und kaum diversifi ziert. Die Gebiet. ge Kurdistans für mehrere internatio- Anteile des Ölsektors machen 60 Pro- Dieser Konfl ikt wird überwiegend nale Akteure von großer Relevanz. Die zent des Bruttoinlandsproduktes und als ethnischer Konfl ikt zwischen Kur- Region Kurdistan befi ndet sich im Nor- 90 Prozent der Regierungseinnahmen den und Arabern dargestellt. Diese Un- den des Irak: in der Grenzregion zwi- aus. Die hohe Abhängigkeit der Regie- terscheidung taucht sicherlich auch in schen der Türkei, dem Iran und Syrien. rungen von diesem Sektor erklärt die der Rhetorik der beiden Parteien auf. Für die Türkei ist die Region einerseits Brisanz des aktuellen Streits um die Die Erklärung des Konfl iktes jedoch al- ein wichtiger wirtschaftlicher Absatz- Vergabe von Förderverträgen an inter- lein auf ethnische Differenzen zurück- markt und Rohstoffl ieferant. Anderer- nationale Konzerne. zuführen, greift zu kurz. In diesem Kon- seits stellt die mehrheitlich von sunni- Die kurdische Regierung unterstellt fl ikt stehen sich zwei Regierungen mit tischen Kurden besiedelte Region ein der Zentralregierung unzureichende teilweise konkurrierenden Interessen Gegengewicht zum schiitischen Nach- Auszahlungen der Anteile aus den Er- gegenüber: die Zentralregierung des barn Iran und zu der zunehmend von lösen und die mangelnde Effizienz Irak und die Regierung des De-facto- ihm beeinfl ussten schiitisch dominier- der Vermarktung der Erdölförderung. Staates Kurdistan. Dabei überlagen ten Zentralregierung in Bagdad dar. Zu- Als Reaktion darauf stellte sie ab April sich macht-, geo- und wirtschaftspoli- dem ist ein auf engen wirtschaftlichen zeitweilig die Einspeisung in die zent- tische, juristische und territoriale Kon- Beziehungen beruhendes gutes Ver- rale Pipeline ein und begann bereits im fl ikte. Und das vor dem historischen hältnis zur kurdischen Regierung für vorigen Jahr, eigene Verträge mit inter- Hintergrund eines andauernden Wett- die Türkei nützlich bei der Bekämpfung nationalen Konzernen auszuhandeln. kampfes um Macht, Einfl uss und Ölre- der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans), die Die Zentralregierung betrachtet die- sourcen, für den ethnische und religiö- sich auf das Gebiet der KRG zurückge- se abgeschlossenen Verträge als ver- se Differenzen seit der Entstehung des zogen hat. fassungswidrig, da es sich bei ihnen modernen Irak unter britischer Besat- Für andere Staaten sowie interna- um Produktionsteilungsverträge han- zung 1920 konstruiert und instrumen- tionale Konzerne steht jedoch vor al- delt. Diese lagern zwar einen Teil des talisiert worden sind.

45 DISPUT August 2012 INTERNATIONAL BÜCHER

ner, den der Sohn verleugnet hatte. Inzwischen ist zumindest seine von Das Schweigen Sie begibt sich an dessen Geburtsort – ihm nie und nirgends erwähnte Mit- der Väter Auschwitz –, zeichnet den mühseligen gliedschaft in einem NS-Polizeibatail- Weg des jungen Juden aus ärmlichs- lon und die Beteiligung an Kriegsein- ten Verhältnissen nach, der nach Wis- sätzen bekannt geworden. Die His- Eine Spurensuche nach Verschwiege- sen giert, jede Gelegenheit nutzt, sei- torikerin Annette Leo hat besonders nem. Gelesen von Ingrid Feix ner Herkunft zu entfl iehen, sie zu ver- diese weißen Flecken im nunmehr öf- schweigen, um dazuzugehören. »Ein fentlichen Leben Strittmatters unter- arbara Bronnen, 1938 gebo- Leben wie aus einem deutschen Bil- sucht. Sie gehört nicht zu den »lang- ren, hat sich schon vor die- dungsroman«, schreibt die Autorin. jährigen« Strittmatter-Forschern, doch sem Buch mit der zwiespäl- Vater und Sohn, in den Lebensge- sie hat auf eigene Art und Weise und tigen Geschichte ihres Va- schichten gibt es Parallelen. Diese Fa- mit großer Sachlichkeit die Fakten zu- ters, des Schriftstellers Ar- miliengeschichte ist unglaublich und sammengetragen. Gut die Hälfte des Bnolt Bronnen, auseinandergesetzt. Der spiegelt eindrucksvoll wider, wie ein Buches nimmt die Auseinanderset- 1895 geborene Arnold Bronner, wie gesellschaftliches Klima, in dem Juden- zung mit den schuldhaften Verstrickun- er anfangs noch hieß, war 1919 nach hass und Rassenwahn gediehen, zu gen eines jungen Mannes ein, der sich schwerer Verwundung und Kriegsgefan- perfi den Lebenslügen, zum Verschwei- freiwillig und aus Überzeugung für ei- genschaft in seine Heimatstadt Wien gen und Verleugnen führen konnte. ne Eliteeinheit des Nazis bewarb, der heimgekehrt. Ein Jahr später ging er als durchaus auch Skrupel bekam und sich Angestellter nach Berlin und feierte ers- nach dem braunen Spuk ganz und gar te Erfolge als Bühnenautor. Bald war er anz persönlich sind natür- für den Aufbau des Sozialismus enga- mit Bertolt Brecht befreundet, dann ar- lich die Notizen, die Erwin gierte, auch daran zu zweifeln begann beitete er für den Rundfunk und mach- Strittmatter (1912–1994) in … Die eigene Vergangenheit, selbst der te Karriere im Propagandaapparat der den nun veröffentlichten Ta- Schuss auf einen Menschen wurden Nazis, verkehrte gar mit Goebbels und gebüchern festgehalten hat. verdrängt, bis es zu spät für ihn war. heiratete dessen Geliebte … Wegen sei- G Da gibt es jede Menge Naturbeobach- 2007 aufgetauchte Briefe machten ner jüdischen Herkunft wurde er 1937 tungen, Alltagskram, Frust und Freude, den Spekulationen ein Ende. Die Auto- denunziert und aus der Reichsschrift- Familie und Freunde, Schreib- und Le- rin hat keinen Dichter vom Sockel ge- tumskammer ausgeschlossen, da- seeindrücke. Deutlich wird, hier lebt stoßen, nur die irrige Vorstellung, der gegen legte er 1941 mit einem Vater- einer ganz bewusst ein Schriftsteller- Erfi nder der heiligen Schrift müsse ein schaftsprozess Widerspruch ein – sein leben, will bedeutend und anerkannt Heiliger sein. Die Biografi e, die im Übri- gesetzlicher Vater Ferdinand Bronner sein. Alles ordnet sich da unter. Es lässt gen recht wenig über Erwin Strittmatter sei nicht sein leiblicher Vater, er sei sich nachvollziehen, wie sehr er mit als Schriftsteller aussagt, ist durchaus arisch. Schließlich »rehabilitiert«, be- den Geschichten lebte, die er schrieb eine Ergänzung der Tagebücher und er- kam er mit seiner Schreiberei dennoch und mit denen er schließlich zu Recht schien wie sie zu Strittmatters 100. Ge- Schwierigkeiten. Er schloss sich einer viele Leser erreichte (»Ole Bienkopp«, burtstag am 14. August. kommunistischen Widerstandgruppe »Der Wundertäter«, »Der Laden«) in der an, stand wegen »Hochverrats« in Wien DDR und im Ausland, in der Bundesre- vor Gericht. Nach dem Krieg ein kurzes publik Deutschland allerdings blieb er

Intermezzo in der Politik, dann wieder ein kaum beachteter Autor. Doch das Erwin Strittmatter (3) Repro schriftstellerische Tätigkeit. Seine letz- ist längst nicht alles, Strittmatter war Nachrichten aus ten Lebensjahre von 1955 bis 1959 ver- immer auch ein politischer Mensch, meinem Leben brachte er in Ost-Berlin. nahm aktiv am Kultur- und Kunstbe- Aus Tagebüchern Die Tochter Barbara Bronnen be- trieb der DDR teil, war als Genosse und 1954–1973 gibt sich in diesem Buch auf die Suche Funktionär des Schriftstellerverbandes Aufbau Verlag nach ihrem Großvater, jenem in der Fa- an Entscheidungsprozessen beteiligt. 608 Seiten milie verschwiegenen Ferdinand Bron- Im Tagebuch so scheint es, reagierte 24,99 Euro er sich und seine Unzufriedenheit ab, hier äußert er sich distanziert und kri- tisch zu Verbandssitzungen, rügt sich Annette Leo Barbara Bronnen selbst für seine »Parteidisziplin«, aber Erwin Strittmatter Meine Väter. auch für seine Unbesonnenheit und Die Biographie Insel Verlag. seinen Jähzorn und bringt seine Ge- Aufbau Verlag 336 Seiten ringschätzung für die Führung wie für 448 Seiten 22,95 Euro Kollegen zum Ausdruck. Sein Miss- 24,99 Euro mut nimmt im Laufe der Zeit zu. Dass er in seinen Tagebüchern manches ver- schwieg, hat er später selbst gesagt.

DISPUT August 2012 46 in Grund zum Feiern!? Feiert Natürlich: Der produktive Streit ge- sie wirklich, wird sie gefeiert hört zu unserer Parteikultur wie das oder leckt sie ihre Wunden? Salz zur Suppe. Aber eine Partei, de- Die Presse schreibt uns wie- ren wichtigste Vokabel die Solidarität der mal ab: DIE LINKE werde ist, braucht eine gehörige Portion von E nicht mehr gebraucht ... Da ist wohl der Grundsolidarität untereinander! Da Wunsch der Vater des Gedankens. Den- fehlt’s noch allerorten. Politische De- noch sind mitunter vielleicht Selbst- batten, die in persönlicher Diskredi- zweifel ganz sinnvoll. tierung münden, überzeugen draußen Vor fünf Jahren haben wir aus WASG niemanden. Wir sind kein Freizeitclub, und Linkspartei.PDS die neue Partei ge- in dem man sich die Spielkameraden gründet. Die Vereinigung war die rich- nach Sympathie aussucht; wir sind ein tige Entscheidung. Ein großer Durch- Zusammenschluss von Menschen, die bruch der Linken in Deutschland und ein politisches Ziel eint: Wir wollen ei- Europa – die »Triumphe der Höhen« ne gerechte Gesellschaft ohne Angst, haben es zu einem Erfolgsmodell ge- in der alle am Leben menschenwürdig macht. Wir haben die politische Achse teilhaben können. Der gemeinsame nach links verschoben. Wir haben den Weg dahin kann sich nicht ausschließ- Mindestlohn zum Thema gemacht, ge- lich nach Sympathie richten und an An- gen die Agenda-Politik einzig konse- tipathien scheitern. quent Position bezogen, wir sind Frie- Die nächsten Wahlen sind nicht denspartei ohne fern. Wenig Zeit für den neuen Partei-

Wenn und Aber. Wir vorstand. Ohne entsprechende Auf- privat Foto: Geburtstag Nr. 5 haben den Kapitalis- bruchsstimmung kann’s auch der neue mus wieder diskuta- Vorstand nicht herumreißen. Aber ein bel gemacht ... paar Vorschläge gäb’s schon, die – par- Wir wissen, dass teiöffentlich – in diesem Herbst disku- es DIE LINKE geben tiert eine Orientierung für die nächs- muss. Nicht nur »… ten Wahlen geben könnten. Da ist das weil die Sozis in der Überthema der Wirtschafts- und Fi- Von Anny Heike Opposition wieder nanzkrise, das die Menschen umtreibt. die Positionen po- Wir haben zu den Neoliberalen konkre- saunen, die sie dann an der Regierung te Gegen-Positionen. Aber wo bleibt schnell wieder über Bord werfen.« (Tho- ein positives europapolitisches Leit- mas Händel) Aber wissen das die Men- bild in, meinetwegen, zehn Punkten – schen auch? Reicht das, um die Millio- für die Menschen auf der Straße ohne nen der Unzufriedenen zu überzeugen? fi nanzwirtschaftliche Kenntnisse und Derzeit zieht die Karawane wei- ohne Ökonomiestudium? Was wir klar ter. Zurück zur SPD, zu den Piraten, zu haben, müssen wir auch klar ausdrü- den Nichtwählern und damit ins unpo- cken. Und wir brauchen eine »konkrete litische Räsonieren, das immer schon Utopie« (Ernst Bloch), wie wir uns die- hochpolitisch war. Wir sind tief »in den ses Europa der Menschen vorstellen. Mühen der Ebenen«. Fatal wäre es, in den künftigen Da hilft kein Lamentieren über die Wahlkämpfen an europafeindliche Po- böse »bürgerliche Presse«, die uns pulismen zu appellieren. nicht lieb hat. Warum sollten Medien- Wir reklamieren unsere Kernkom- konzerne und Großverleger uns denn petenz Arbeit und soziale Gerechtig- lieb haben? Unsere Erfolge gehen für keit. Und was machen wir daraus? Wo die Öffentlichkeit im Personalgerangel bleibt eine packende Konzeption »Wie unter. Da hilft die gewachsene Einsicht, wir zukünftig in Europa arbeiten und le- die monatelange Selbstbeschäftigung ben wollen«? Dazu gehört: »Arbeit, von habe ihren kräftigen Anteil an unseren der man eigenständig leben kann«, die derzeitigen Umfragewerten, schon viel Umverteilung der Arbeit mit Arbeits- weiter. Das Problem dabei ist nicht al- zeitverkürzung ebenso wie Ideen, wie lein, dass eine Partei, »die sich selbst wir neue Arbeit schaffen wollen – mit nicht leiden kann, auch von den Men- einem (europäischen) Konzept zur In- schen nicht gemocht wird«, wie es in dustriepolitik. einem Antrag an den vorigen Parteitag Und wir wollten die Menschen in heißt. Es kostet Glaubwürdigkeit – und die Politik zurückholen. Das ist bisher zwar auf Dauer. gründlich misslungen. Prekäre Bevöl- Aber nur in Anspruch nehmen zu kerungsschichten und Arbeiter gehen wollen, DIE LINKE zu sein, reicht nicht. heute zu wesentlich geringeren Teilen Linke Politik erfordert, an den realen wählen als noch vor 20 Jahren. Auf sie Bedürfnissen der Menschen anzuknüp- – unsere bislang größte Wählerbasis fen und sich in den gesellschaftlichen – muss sich unsere Wahlkampfstrate- Auseinandersetzungen als führende gie besonders konzentrieren. Dann Kraft zu entwickeln. klappt’s auch mit der LINKEN.

47 DISPUT August 2012 AUGUSTKOLUMNE Auslese

Terry Eagleton

Warum Marx recht hat

© Ullstein, Berlin 2012 296 Seiten 18,00 Euro ISBN 978–3–550– 08856–8

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