September 2018
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Ins All geflogen, auf dem Boden geblieben Am 26. August jährte sich das 40. Jubiläum von Dr. Sigmund Jähns erfolgreichem Flug zur Weltraumstation Saljut 6. Wäh- rend er in der DDR als erster Deutscher im All gefeiert und mit Orden überhäuft wurde, verspotteten ihn die Westme- dien gehässig als „Mitesser auf der Russenrakete“. Solche Gemeinheiten im Kalten Krieg dürften den heute 81jährigen kalt lassen. Seine wissen- schaftliche Arbeit am Zentra- linstitut für Physik der Erde Links! steht für sich. Nach 1990 hat im Digitalabo. Jede er sich darüber hinaus bei der Ausbildung von Raumfahrern Ausgabe schon drei Tage und als Berater der Europä- früher im Mailpostfach! ischen und der Russischen Weltraumbehörde bleibende Mit Sonder- Jetzt kostenlos bestellen: Verdienste erworben. www.links-sachsen.de/abonnieren, beilage [email protected] Wenn man Interviews von Sigmund Jähn liest, fällt auf, „Griechenland- oder 0351/84 38 9773. Info“ wie sehr er bis heute für eine ethisch reflektierte Tradition der Raumforschung steht. Kaum ein Gespräch, in dem er den Titel „erster Deutscher im Weltraum“ nicht auf den gemeinsamen Erfolg der kol- lektiven Arbeit der russischen, Erschließung des Alls für polnischen, ungarischen und Multimillionäre mit immensen tschechischen Kollegen ver- finanziellen und ökologischen weist. Erst jüngst sprach Jähn Kosten voran. Eigentlicher davon, dass die Raumfahrt ei- Treiber der Entwicklung von nen verstehen lasse, „dass die Raumfahrttechnik bleibt leider Dummheiten oder Verbrechen, wie im Kalten Krieg das Militär. Politik und Kultur für Sachsen, Europa und die Welt die wir mit dieser kleinen Erde Das gilt für die USA, in der betreiben, nicht endlos unbe- Donald Trump jüngst für die September 2018 straft bleiben.“ Sein Freund Ulf Aufstellung einer „Weltraumar- Merbold, der fünf Jahre nach mee“ als eigenständiger ihm für die Bundesrepublik ins sechster Arm des US-Militärs All flog, ergänzt, dass, wer „in plädierte. Es gilt aber auch 90 Minuten den Erdball um- für die Raumfahrtprojekte von rundet [...] von dort oben keine China, Indien, Russland und Grenzen mehr sieht.“ mit einigen Einschränkungen auch für die EU, wo militä- Das sind Gegenbilder zu den rische Überlegungen in der skrupellosen deutschen Raum- Regel weniger offen kommuni- fahrtpionieren wie Wernher ziert werden. von Braun, nach dem noch heute manche Straße in der Wer Sigmund Jähn, dem der Bundesrepublik benannt ist. Rummel um seine Person und Während seine Raketentechnik die ihm zugedachten Phrasen bei deren Produktion tausende immer erkennbar unangenehm ZwangsarbeiterInnen zu Tode waren, ehren will, der sollte geschunden wurden, und die an einer ernsthaften Demi- noch im letzten Kriegsjahr litarisierung der Raumfahrt Städte in Belgien, Frankreich arbeiten. Dies beinhaltet die und England verwüstete sowie Weiterentwicklung des UN- zahllose Zivilisten tötete, Weltraumvertrags und des sind Jähn und Merbold durch PAROS-Abkommen zur Verhin- den Blick aus dem All für das derung des Wettrüstens im All. gemeinsame Schicksal der Ihr Ziel ist die ausschließlich Menschheit noch sensibler ge- friedliche Nutzung des Alls worden. An ihre humanistische zugunsten der gesamten Botschaft lohnt heute mehr Menschheit. denn je zu erinnern. • Katja Kipping Für wissenschaftliche Zwecke wird die bemannte Raum- Dieser Beitrag erschien zuerst fahrt vermutlich zunehmend in „Raumfahrt Concret“, Heft obsolet. Stattdessen treiben 102, Juli 2018. Foto: Standar- Milliardäre wie Elon Musk die dizer / Wikimedia Commons / kommerzialisierte touristische CC BY-SA 3.0 Links! 09/2018 Links! im Gespräch Seite 2 Sie wären ein Thema für sich: die seit den … Gegen Ende der Zeit, also 1937 1989 vernichteten und umgewandelten kommt eine ganz große Gruppe aus Gedenkstätten in Sachsen. Wer heute Gedenkstätte Nordrhein-Westfalen, von sogenannten die Dresdner Neustadt besucht und auf kriminellen Häftlingen, das ist eine wei- der Alaunstraße an der „Scheune“ vor- tere Gruppe, die bisher völlig unterschla- beiläuft, wird bei diesem Kulturtempel gen wurde. Die Kommunisten bildeten kaum wissen, dass es sich erstens um KZ Sachsenburg – die größte Gruppe der politischen Ge- den ehemaligen FDJ-Jugendklub Mar- fangenen neben Sozialdemokraten und tin Andersen Nexö handelt und dass Gewerkschaftern. Einer der später nam- es zweitens auf dem Weißen Hirsch haftesten war der Kommunist und Autor bis zur „Wende“ eine Martin Andersen dritter Anlauf von „Nackt unter Wölfen“, Bruno Apitz. Nexö-Gedenkstätte gab. Der dänische Schriftsteller lebte in Dresden – woran Wie viele „frühe Lager“ gab es in man seit 1990 nicht mehr erinnert. Ein Sachsen? anderer Schriftsteller, Bruno Apitz, des- Ralf Richter sprach mit Anna Schüller, die seit Nach meinem bisherigen Stand gab es sen Meisterwerk „Nackt unter Wölfen“ 25 – aber die Gruppe um den Zschopau- unlängst neu verfilmt wurde, gibt es langem für ein würdevolles Gedenken kämpft er Heimatforscher Hans Brenner hat 110 dank dieser Medienproduktion wieder Haftstätten in Sachsen recherchiert. Die beim Aufbau-Verlag. Sogar als E-Book. Forschung geht da weiter. Es sind ja oft Was die wenigstens wissen: Bevor Bru- Turnhallen gewesen, Schlösser, Arbei- no Apitz ins KZ Buchenwald kam, war tersportheime wurden beschlagnahmt, er im KZ Sachsenburg inhaftiert. Dieses um Menschen inhaftieren zu können. In KZ hat wenig mit einem klassischen KZ Sachsenburg aber war es eine leerste- zu tun – es befand sich auf einem un- hende Fabrik. genutzten Textilfabrikgelände bei Fran- kenberg im Zschopautal, etwa zehn Ki- Hatte Sachsen einen besonders lometer von Chemnitz entfernt. Auch hohen Anteil an frühen KZ im dort hatte es schon eine Gedenkstätte Deutschen Reich? gegeben. Aber die ursprüngliche Aus- Ja, denn ein Viertel sämtlicher Lager ent- stellung ist weg. Es wird nicht mehr da- stand in Sachsen. Die Insassen waren ran erinnert. Dafür gibt es eine neu ge- nicht nur Deutsche. Zum Beispiel gab es staltete aus dem Jahr 1998 zu sehen. in Sachsenburg tschechische Häftlinge Heute bemühen sich junge Leute um und auch mindestens einen Italiener. den Erhalt der Anlage und um die Ein- richtung einer neuen Gedenkstätte. Be- Sie haben eine Gedenkstätten- sonders aktiv ist Anna Schüller, eine konzeption erarbeitet. Wie soll es junge Gymnasiallehrerin für Kunst und nun weiter gehen? Geschichte aus Chemnitz. Der Stadtrat hat es nun beschlossen, nachdem die Gremien der Stiftung Säch- Sie beschäftigen sich bereits seit sische Gedenkstätten das Konzept emp- 2009 mit dem KZ Sachsenburg. fohlen haben. Jetzt werden Bundesmit- Wie kam es dazu? tel beantragt und aus dem sächsischen Wir haben uns als Freundeskreis mit Tat- gibt keine Toilette, kein Wasser, keinen als die erste Gedenkstätte im Fabrikge- Haushalt sollen ebenfalls Mittel zur Ver- orten des Nationalsozialismus in Chem- Strom. Außerdem ist es natürlich darü- bäude entstand. Sie bestand bis 1990, fügung gestellt werden. Das ist sehr nitz beschäftigt. Dabei sind wir über den ber hinaus wichtig, für die Umsetzung als die Fabrik geschlossen wurde. Sie wichtig – denn nur wenn Landesmittel Kontakt mit dem VVN BdA (Vereinigung pädagogischer Angebote auch Tafeln war ja ein Teil davon. Teile der Ausstel- zur Verfügung gestellt werden, können der Verfolgten des Naziregimes – Bund oder Bilder zeigen zu können. So sind lung sind allerdings „verschwunden“. auch Bundesmittel genehmigt werden. der Antifaschistinnen und Antifaschis- wir allmählich zu der Überzeugung ge- Sobald die Bundesmittel da sind, könn- ten – Anm. d. Red.) auf den Ort Sach- langt, dass wir eine Gedenkstätte brau- Später gab dann noch eine Aus- ten die Sanierung der Gebäude und der senburg aufmerksam geworden. Das chen, und jetzt wollen wir uns auch da- stellung hoch oben im Schloss Aufbau einer Ausstellung beginnen. hat uns dann so interessiert, dass wir für einsetzen, dass hier eine entsteht. Sachsenburg über dem Zschopau- uns näher mit der Geschichte des KZ be- tal und der Fabrik, in der das KZ Was heißt das konkret? schäftigt haben. Wie knüpfen Sie an die Erinne- sich befand. Was wissen Sie zu Das Konzept eröffnet verschiedene Va- rungskultur der DDR an? dieser? rianten und der Stadtrat hat sich für die Sie hatten Kontakt mit hier Inhaf- Wir haben in den Archiven die Gästebü- Anfang der 90er gab es in der Presse Variante entschieden, die Ausstellung in tierten? cher gefunden, die es für die zugehörige lebhafte Auseinandersetzungen zur Fra- die Zellengebäude und das benachbarte Karl Stenzel kam Jahrzehnte nach sei- Gedenkstätte im Betrieb gab, und haben ge, ob es sich in Sachsenburg überhaupt Gebäude hinein zu bringen und die Kom- ner Inhaftierung nach Sachsenburg. Das uns darüber der Form des damaligen Ge- um ein KZ handelte oder ob es „nur“ ein mandantenvilla (Foto) und das Fabrikge- war für uns der Anlass, mit ihm und über denkens angenähert. Allerdings ist das Arbeitslager gewesen sei. Im Ergebnis bäude erst einmal außen vor zu lassen. ihn ein Filmprojekt zu machen. Seitdem noch ein sehr offener Prozess, da bin ich des Disputes gründete sich 1992 ein In- Im Rahmen des Forschungsprojektes lässt mich das Thema nicht mehr los. noch nicht so tief vorgedrungen. Aber teressenverband, der dann diese neue habe ich einen Beschluss des Stadtra- Wir haben 2011 und 2012 Workshop-Wo- in der Begegnung mit den Sachsenbur- Ausstellung initiierte, die 1997 eröffnet tes von 2015 entdeckt, die Kommandan- chen gemacht, Führungen, Projekttage gern haben wir schon einiges erfahren, wurde. Zuvor trat die Interessengemein- tenvilla abzureißen, obwohl sie unter und kleinere Veranstaltungen. Dabei ha- denn