Eine Wohnung Im Schutz Des Kreuzes
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23./24. Mai 2020 / Nr. 21 www.katholische-sonntagszeitung.de Einzelverkaufspreis 2,60 Euro, 6070 Erfrischung am Laudato Si: Schritte zur Mit der ganzen Familie Mechtildisbrunnen Heilung der Schöpfung zu besserem Klima Der Mechtildisweg in Dießen Vor fünf Jahren unterzeichnete Papst Den Ausstoß von CO2 einzusparen, ist am Ammersee erinnert an die Franziskus (Foto: KNA) die Umweltenzy- nicht nur Sache der Politik, sondern selige Äbtissin. An der nach klika „Laudato Si“. In einer Kampagne auch Aufgabe jedes Einzelnen. Durch ihr benannten Quelle kön- appelliert der Heilige Vater erneut den Verzehr saisonaler Früchte und nen sich Wanderer erfrischen an die Menschen, auf die ökologi- Radfahren können Eltern und Kin- (Foto: Bentele). Seite 22 sche Krise zu reagieren. Seite 6 der viel erreichen. Seite 32/33 Vor allem … Eine Wohnung im Liebe Leserin, lieber Leser Schutz des Kreuzes as kümmert die Deut- Wschen die Ukraine, was der dortige Krieg mit Russland? eht euch die Vögel des Himmels an“, heißt es in Mt 6,26. „Sie säen nicht, sie ernten Die genannten Länder im Osten Snicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie.“ Europas, ebenso zum Beispiel Und – so möchte man hinzufügen – er bietet eine Wohnstatt im Schutz des Kreuzes. Foto- Rumänien oder Bulgarien, sind grafi ert hat das Nest Bruder Wunibald Wöhrle OSB im Klosterdorf von St. Ottilien. Wenn längst nicht mehr weit weg, son- die Kleinen im Nest bald fl ügge werden und auf der Wiese jämmerlich nach der Mama dern nah herangerückt. Bewirkt hat dies vor allem der Fall des schreien, sollte man sie übrigens in Ruhe lassen, wie nachzulesen ist auf Seite 29 Eisernen Vorhangs. Er war 1993 auch der Anlass zur Gründung von Renovabis, der Solidaritäts- aktion der deutschen Katholiken mit Mittel- und Osteuropa. Menschen aus dem Osten haben unbeliebte Wirtschaftssektoren fast komplett übernommen: Pri- vate Altenpfl egerinnen, Ernte- helfer und Fleischer sind unver- zichtbar. Die Corona-Fälle, die jetzt im Zusammenhang mit Schlachthöfen in ganz Deutsch- land aufgetreten sind, haben tiefere und grundsätzliche Ursa- chen: „Wir messen mit zweierlei Maß, wenn es um gerechten Lohn oder akzeptable Arbeits- und Le- bensbedingungen geht“, beklagt Renovabis-Hauptgeschäftsführer Christian Hartl. Wer Renovabis hilft zu helfen, der sorgt für mehr Gerechtigkeit. Und er verbessert letztlich die eigene Lebenssituation. Denn auf Umwegen wie jetzt in der Pandemie oder bei der Pfl ege schlagen Gleichgültigkeit und Profi tgier sonst zurück. Ihr Johannes Müller, Chefredakteur 2 THEMA DER WOCHE 23./24. Mai 2020 / Nr. 21 EINDRÜCKE AUS DER UKRAINE Unsichtbare Wunden Krieg und Frieden beschränken sich nicht auf die Gebiete an der Front – Im nun auch von Corona heimgesuchten Land fehlt eine Zivilgesellschaft Die Ukraine ist eines von 29 Reno- vabis-Partnerländern im ehemali- gen kommunistischen Machtbe- reich. Das Land leidet auch heute an den Folgen gewaltbelasteter Vergangenheit und wirtschaftli- cher Fehlentwicklungen. Sie wir- ken sich negativ auf das friedliche politische, gesellschaftliche und kirchliche Miteinander aus, wo- bei der Krieg im Osten des Landes vieles noch verschlimmert. In einer Ecke rattern die Nähma- schinen, in der anderen zischt der Dampf der Bügeleisen, als Natalia Mezentseva die Tür zur Schneiderei öffnet. Acht Arbeitsplätze für Nä- herinnen liegen hier. Die 52-Jährige durchquert den Raum und öffnet auf der anderen Seite eine weitere Tür. Hier liegt ein Duft nach Suppe und Kartoffeln in der Luft. Natalia Me- zentseva kommt an den Tisch, um den sich ein halbes Dutzend Män- ner gesetzt hat. Sie sagt „pryjemno- ho ape tytu“. Das ist Ukrainisch für „Guten Appetit“. Und sie wiederholt es auf Russisch, „prijatnogo appeti- ta“. Sie wechselt ein paar Worte mit den Männern, dann steigt sie in ihr Auto. Auf einer zweispurigen Straße fährt sie mitten durch Nikopol. Natalia Mezentseva gehört zu den Initiatorinnen der Sozial Myroslaw Frankovych Marynowytsch ist ein führender Kopf Niedergang einer Stadt organisation „neues Leben“. Die Gründe dafür liegen auch in im Widerstand gegen sowjetische und russische Vorherrschaft. ihrem eigenen Leben. Fotos: Nowak/Renovabis Die Stadt liegt im Süden der Uk- raine, am Kachowkaer Stausee, der vom Dnepr gespeist wird. Zu Sow- engagierte sich in Sozialprojekten, Hier wohnen bis zu acht Mütter mit zentseva. „Ein Frauenhaus“, würde jetzeiten lebten hier bis zu 200 000 um anderen Abhängigen aus ihrer ihren Kindern. „Gekauft haben wir man in Deutschland sagen. Menschen. Die Stadt florierte durch Krankheit zu helfen. Vor knapp das Haus 2012. Seitdem bietet es für Bewohnt wird es zurzeit von fünf ihr Manganvorkommen. Heute zehn Jahren gründete sie mit Freun- Frauen in Krisensituationen einen Müttern, darunter Tatyana Yorzh. zählt sie offiziellen Statistiken zufol- den und Kollegen „nove zhyttja“ – Schutzraum“, erzählt Natalia Me- Sie ist seit 2015 hier. „Ich war da- ge 120 000 Einwohner. Natalia Me- „neues Leben“: eine kleine Sozialor- zentseva sagt, es seien wohl weniger ganisation in einer alten Baracke auf als 90 000. Das Auto rumpelt über dem Bahnhofsgelände. Hier gibt es Ukraine-Hilfe Schlaglöcher. Es geht in den Nor- die Schneiderei, in der sich arbeits- den, den Stadtteil Severny. lose Frauen zur Näherin um- oder Unterwegs erzählt die 52-Jähri- weiterbilden lassen können. In die In der Ukraine mit der Hauptstadt Angaben zufolge gibt es rund 1,5 Mil- ge ihre Geschichte. Sie war fast 20 Suppenküche kommen täglich vor Kiew leben auf einer Fläche von lionen Binnenflüchtlinge. Jahre lang alkohol- und drogenab- allem obdachlose Männer. In einem über 600 000 Quadratkilometern Das vor 25 Jahren gegründete katho- hängig. „Ich war fast vollständig Spiel- und Klassenzimmer bieten mehr als 40 Millionen Menschen, die lische Osteuropahilfswerk Renovabis zerstört“, sagt sie. Ihr Mann starb an Ehrenamtliche Kurse für Kinder aus mehrheitlich der orthodoxen Kirche unterstützte zunächst die Wiederer- Tuberkulose, der kleine Sohn wurde sozial schwachen Familien an. angehören. Etwa zehn Prozent der richtung pastoraler Strukturen der ihr vom ukrainischen Jugendamt In einem Wohngebiet am Ran- Bewohner sind griechisch-katholisch katholischen Kirche beider Riten. weggenommen. Sie selbst landete de von Nikopol kommt das Auto oder römisch-katholisch. Seit über Renovabis engagiert sich außerdem im Gefängnis. Die Drogen mach- zu stehen. Natalia zeigt ein weiteres sechs Jahren herrscht im Osten des in Problemfeldern wie der Drogen- ten sie krank, ihr linker Arm musste Projekt von „neues Leben“: ein ein- Landes Krieg, der 13 000 Menschen abhängigkeit, der Behandlung von amputiert werden. facher, mit grünen Latten versehe- das Leben kostete und etwa 25 000 Aids-Kranken und in der Bekämpfung Aus dem Glauben heraus krieg- ner Bungalow. In den drei Räumen zu Kriegsinvaliden machte. Offiziellen des Frauenhandels. te sie die Kurve, wie sie sagt. Sie reihen sich die Betten aneinander. 23./24. Mai 2020 / Nr. 21 THEMA DER WOCHE 3 Schwester Symeona kümmert sich um verwundete Soldaten. „Es gibt da oft keine Wie kann Frieden gelingen? Die Caritas der Ukraine bietet auch Kurse unter psycho- Tabletten, die helfen“, bedauert sie. Aber es gibt andere Hilfe. logischer Leitung an, um den Versöhnungs-Prozess vorzubereiten. mals im achten Monat schwanger, Marynowytsch sieht die Rolle meter von der Pufferzone entfernt. das ein Schritt in Richtung Frie- mein Freund kam ins Gefängnis der Kirchen in der „Solidarität mit In der Nähe vom Zentralplatz, wo den“, sagt Ivaniuk mit Blick auf die und unser Haus ist niedergebrannt. den Menschen, die das alles auf eine noch bis zu den Maidan-Protesten Kämpfe, die trotz internationaler Natascha hat mich dann aufgenom- andere Dimension stellt“. Und fügt 2014 prominent eine Leninstatue Friedensbemühungen immer wieder men“, sagt die heute 35-Jährige hinzu: „Es ist die Dimension des stand, befindet sich die lokale Cari- aufflammen. unter Tränen. „Ich muss noch er- Evangeliums.“ Er lobt die Maßnah- tas. Ihr Direktor ist Vasili Ivaniuk. Fast täglich fahren Mitarbeiter wähnen, dass ich alkoholabhängig men, die insbesondere die katholi- Der 52-jährige griechisch-katholi- der Caritas raus in die Pufferzone, war.“ Hier im Frauenhaus von „neu- sche Kirche gleich nach dem Beginn sche Priester unterstreicht die Be- obwohl Schüsse fallen. Lebensmit- es Leben“ hat sie ihren Sohn Pasha des Konflikts 2014 einleitete, zum deutung der Caritas: „Barmherzig- tel, Medikamente und Brennholz zur Welt gebracht, hier fand sie den Beispiel die Lieferung von Hilfsgü- keit. Danach arbeiten wir.“ werden verteilt. Mittlerweile sind Weg aus der Abhängigkeit, begann tern an kriegsgeplagte Familien oder Die Industriestadt Kramatorsk auch „Peace building“-Teams darun- sie, ihr Leben wieder in die Hand die Aufnahme von Flüchtlingen. mit ihren 160 000 Einwohnern war ter: Sie bestehen aus Ärzten, Psycho- zu nehmen, sagt die junge Mutter. „Wir können über den Krieg und selbst Schauplatz von Gefechten und logen und Sozialarbeitern und sollen „Man glaubte an mich.“ theoretische Friedenspläne disku- zwischenzeitlich, im Frühjahr 2014, den Frieden aufbauen. tieren“, sagt Marynowytsch. „Aber in der Gewalt von prorussischen „Dialog in Aktion“ wenn die Menschen unter Beschuss Separatisten. Mittlerweile wurde Psychologische Hilfe sind und schnelle Hilfe benötigen, Kramatorsk zum Verwaltungszen- Chancen ermöglichen – darin dann ist das am wichtigsten.“ trum für den ukrainisch kontrollier- Auf Frieden hofft auch Schwester sieht Natalia Mezentseva die Auf- Ein Großteil der humanitären ten Teil des