Zürich Im Jahr 500 Nach Zwingli Zwinglistadt Zwischen August Und November 2019 Standen in Allen Stadtkreisen Überlebensgrosse Zwinglifiguren
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Sonderbeilage «Zwingli» vom 30. November 2019 Die anderen Zwinglis Konstanter Wandel Interpretationen zu Im Kreis 4 wird wild kreiert Pioniergeist, Klimaschutz und improvisiert, um etwas und Entschleunigung. vom alten Geist zu bewahren. 3 7 Zürich im Jahr 500 nach Zwingli Zwinglistadt Zwischen August und November 2019 standen in allen Stadtkreisen überlebensgrosse Zwinglifiguren. Wo und warum würde es dem grossen Reformator heute in Zürich den berühmten schwarzen Hut lupfen? 2 Samstag, 30. November 2019 Einleitung Editorial Zürich braucht mehr Zwinglis 500 Jahre nach seiner Ankunft in Zürich hat Ulrich Zwingli nochmals die Stadt erobert. Seine übermächtige Gestalt tauchte in den vergangenen Monaten auf zwölf zentralen Plätzen in Zürichs Quartieren auf. Der Menschenfreund kam nicht, um zu predigen. Zwingli wollte wissen, was die Menschen bewegt. Weshalb es ihnen den Hut lupft. Die Zürcherinnen und Zürcher sind noch immer pflicht- be- wusste Chrampfer. Zwinglis Arbeitsethos – «lasst uns die Tagesarbeit tun» – wirkt bis heute nach. Auch die Skepsis allem Prunk und allzu Mächti- gen gegenüber haben die Leute hier beibehalten. Doch an der Limmat breitet sich eine neue Seuche aus: Die Menschen sind von sich selbst besessen. Alles dreht sich um den eigenen Bauchnabel. Um über die grossen Fragen der Gegenwart zu streiten, fehlt die Zeit. Von Zwinglis von gesellschaftlichen Nöten beeinflusster Sozial- ethik, seiner wachen Offenheit für die Sorgen anderer, ist nicht mehr viel zu spüren. Es passt zu diesem unbeque- men Zwingli, dass er zum 500-Jahr-Jubiläum vom Sockel stieg, das Gespräch mit den Stadtbewohnern suchte und – ganz im Sinn der Reforma- tion – in den Quartieren auch etwas Unruhe stiftete. Zürich braucht mehr solche Quer- köpfe, die nicht nur an der Zwinglis Wirkungsbereich: Das Grossmünster auf der Altartafel von Hans Leu dem Älteren (um 1500). Original im Landesmuseum eigenen Selbstoptimierung arbeiten, sondern über den eigenen Tellerrand hinaus- blicken, dem Gegenüber zu- hören und kraftvoll Neues anstossen. Dass man dabei Zwingli stieg vom Sockel zuweilen den Kopf verliert, wie es dem Humanisten-Zwingli vor kurzem im Seefeld passiert ist, gehört dazu. Zwingli suchte und entdeckte seine Stadt neu nie die Perfektion. Seine Refor- mation ist ein Aufruf zum Vorwort Das Projekt Zwinglistadt gedachte des 500-Jahr-Jubiläums der Reformation, Hinterfragen und Handeln. Und wer handelt, macht Fehler. mit Blick auf Gegenwart und Zukunft. Was würde Zwingli heute den Hut lupfen? Den Zürcherinnen und Zür- chern geht es gut. Ihre Sorgen Christoph Sigrist gesellt sich mitten in der Stadt Quartier beauftragt. Unzählige sind überschaubar, wie Zwing- In Gottes Namen und den Quartieren zu denen am Schlüsselpersonen haben in den lis Rundgang durch die Quar- Ulrich Zwingli, der Zürcher Re- sollen diese Rand, die abgeschoben und Quartieren fantasievoll, kreativ, tiere zeigt. Und doch lohnt es formator, steigt nach 500 Jahren ausgegrenzt, beschämt und ge- engagiert und schöpferisch sich, mit ihnen ins Gespräch zu vom Sockel und entdeckt seine Gespräche auch zeichnet sind. God first in the Menschen miteinander vernetzt kommen. Denn nur wer die Stadt neu. Die Zwinglistadt hat in den nächsten city! Das ruft Widerstand hervor, und zum Reden gebracht. Jour- Klagen über steigende Miet- ihn mit offenen Armen empfan- das führt zu Diskussionen. nalistinnen und Journalisten preise, fehlende Freiräume, gen. Der Reformator stellte Jahren nicht Was Zwingli damals tat, mit haben mit ihrem eigenen Blick Stress oder Lärm kennt, kann erstaunt fest, dass sich Zürich jedem und allen über alles und in die Quartiere die Wellen der zu Lösungen beitragen. Der radikal verändert hat und eine abbrechen. jedes zu reden und Kompromis- Ereignisse vor 500 Jahren in Dialog fördert den Zusammen- Weltstadt geworden ist. Zwingli se zu suchen, geschah in den pluraler Gesellschaft sichtbar halt. Und erst dieser Austausch suchte das Gespräch mit den vergangenen Monaten in vielen nacherzählt. Dafür sei allen von und Kitt macht die Stadtkreise Menschen seiner Stadt. Er sprach Veranstaltungen und in den Herzen gedankt. unverwechselbar. Zwinglis mit ihnen, er traf sich mit ihnen, «Zwingligsprööch» in Quartier- Dass in einer Woche die Rückkehr hat Zürich gutgetan. er liess sich auf sie ein. Die Ge- beizen, Hörsälen, Aulas, Kirchen, Zwinglifiguren durch die städti- spräche mit den Bewohnerinnen auf Plätzen und in Hotels. In sche Gant zugunsten des Spen- und Bewohnern färbten auf ihn Gottes Namen sollen diese Ge- denparlaments Zürich verstei- ab. In jedem Quartier wurde ein spräche auch in den nächsten gert werden, hätte sicher auch anderer Zwingli sichtbar. Sozial- Jahren nicht abbrechen. Men- Zwingli erfreut. Mehr noch, er Zwingli, Sucht-Zwingli, Wirt- schen mit unterschiedlichen hätte wohl den Hut bei der Gant Judith Wittwer schafts-Zwingli und viele mehr. Religionen, Weltanschauungen, aus Respekt gezogen. Denn er hat Chefredaktorin Die Leute redeten sich ins Feuer, sozialen Status und Lebensstilen weitergeführt und zugespitzt, was an Herz und Nieren geht, sie mögen auch 2020 über Gesund- was bis heute und auch morgen diskutierten hart über Probleme heit und Wohlergehen, Existenz- in der Zwinglistadt gilt: Geld ist im Quartier: Em Zwingli lupfts sicherung und Arbeit, Integra- diakonisch zu waschen. Das de Huet. tion und Migration debattieren. heisst: Das soziale Kapital des Das Projekt Zwinglistadt ge- Die Kirchen aller Konfessio- Geldes ist freizulegen zur Be- Eine Sonderbeilage der Stadtausgabe staltet das Gedenken an die nen von Kanton und Stadt haben kämpfung der Not und Armut. des Tages-Anzeigers vom 30. November 2019 Reformation vor 500 Jahren mit das Projekt getragen, Firmen und Herausgeberin: Tamedia AG, Werdstrasse 21, besonderem Blick: Was damals Stiftungen haben es ideell und 8004 Zürich in den Kirchen erneuert wurde, finanziell mitgetragen. Smartcut Christoph Sigrist Verleger: Pietro Supino veränderte Stadt, Kanton und die Consulting mit Verena Meyer Der Pfarrer am Verlagsleitung: Marcel Tappeiner damalige Eidgenossenschaft so und Marcus Gretener haben das Gross münster Redaktionsleitung: Hélène Arnet, sehr, dass wir es heute noch Projekt operativ verantwortet ist auch Botschafter Verena Meyer «500 Jahre Reforma- Layout: Andrea Müller spüren. Reformation der Kirche und die Künstlercrew der Aroma Druck: DZZ Druckzentrum Zürich AG ist bis heute in Zürich Trans- AG um Bööggbauer Lukas Meier tion» der evangelisch- (gedruckt auf Recycling-Papier) formation der Stadt. Gott befreit mit der Gestaltung der Figuren reformierten Kirche Auflage: 51 500 Exemplare sich aus dem Kirchenraum und aufgrund der Impulse aus dem des Kantons Zürich. Samstag, 30. November 2019 3 Zürich Die neuen Sorgen des Reformators Spezialfiguren Wozu würde Zwingli angesichts der Herausforderungen unserer Zeit raten? Sein Aufruf «Tut um Gottes willen etwas Tapferes» passt auch heute noch. Der Pionier-Zwingli Der Pionier-Zwingli thematisiert den Schweizer Pioniergeist im Zuge der Globalisierung. Wissen und Innovation werden dargestellt anhand der Luftfahrt, die das Tor zur Welt bildet. Der Entschleunigungs-Zwingli Die Uhr des Entschleunigungs-Zwingli zeigt keine Uhrzeit an und soll uns damit bewusst machen, dass wir viel zu gestresst durchs Leben gehen und wir uns mehr Zeit füreinander nehmen sollten. Er wird dem Kloster Kappel übergeben und findet dort sein neues Zuhause. Der Klima-Zwingli Der Klima-Zwingli behandelt mit seiner Weltkugel aus Müll ein Thema, das vielen den Hut lupft. Er erinnert uns mit seiner silbernen Erscheinung daran, in den Spiegel zu schauen und bei uns selbst mit dem Klimaschutz zu beginnen. Er kam am 1. August zur Festtags- rede von Pfarrer Christoph Sigrist zum Einsatz und durfte die Street Parade 2019 anführen. Unterstützung bei der Gestaltung bekam Aroma vom Jugendtreff Grossmünster. Fotos: PD 4 Samstag, 30. November 2019 Kreis 1 Idylle mit Schattenseiten Stadtrundgang Es ist zweifellos ein Privileg, in der Zürcher Altstadt zu leben. Das sehen auch jene so, die dort eine Wohnung haben. Doch Lärm und Abfall machen den Bewohnern zu schaffen. Kreis Quartiere: City, Lindenhof, Rathaus, Hochschulen Zürich HB Zwingli bei der Wasserkirche m Limmatquai Em Zwingli lupfts de Huet Kreis restliche Stadt Wohnbevölkerung 5648 (1,4%) Total 415 682 Was der Bischof-Zwingli sieht: Heerscharen ziehen durch die Altstadt. Manchmal geht vergessen, dass hier auch Menschen wohnen. Foto: Urs Jaudas Beschäftigte 70 580 Helene Arnet deplatz der Säumarkt. Hier hat obwohl sie sich als «eindeutig der Lärm Thema Nummer eins, sagt Meienberg. «Dank der (14,9%) Zürich zuweilen Charme. Ober- nicht lärmempfindlich» bezeich- mit Abstand. Letztes Jahr erhielt Stadt», sagt auch einige Tage Es ist Sonntagmorgen auf einem halb der Trittligasse etwa, wo net. «Früher war gegen Mitter- die Stadtpolizei 559 Lärmklagen später Schmuki, als wir uns in der schönsten Plätze Zürichs. Er sich kaum je ein Tourist hin ver- nacht Schluss mit dem Gejohle, aus dem Kreis 1, neunzig allein ihrer Wohnung beim Lindenhof Total liegt zwischen Napfgasse und irrt. Rund um St. Peter, auch am heute geht es bis in den frühen im Monat August. Dazu kamen treffen. Rund ein Drittel der 472 396 Spiegelgasse, mitten im Nieder- kleinen Pelikanplatz. Und eben, Morgen.» Und wenn sie aus dreissig Einträge wegen Litte- Häuser in der Altstadt gehören dorf, und ist doch ganz ruhig. Ein dort, oberhalb des Neumarktes, ihrem Fenster im zweiten Stock rings. Es seien vermehrt Pat- der Stadt oder öffentlichen Ein- Brunnen plätschert, und ein im Schatten eines