Katalog Diefenbach Ue3.3.Qxd
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GALERIE KONRAD BAYER KARL WILHELM DIEFENBACH EIN KÜNSTLER DER JAHRHUNDERTWENDE GALERIE KONRAD BAYER KARL WILHELM DIEFENBACH 1851 - 1913 PER ASPERA AD ASTRA EINE AUSSTELLUNG vom 27. Juni bis 26. Juli 2003 BESICHTIGUNG MITTWOCH BIS FREITAG 12.00 -18.00 SAMSTAG 11.00 - 14.00 UHR SOWIE NACH VEREINBARUNG WWW.GALERIE-BAYER.DE GALERIE KONRAD BAYER · 80331 MÜNCHEN NEUTURMSTRASSE 2 · VIS À VIS HOTEL MANDARIN ORIENTAL FON 0 89-22 80 17 49 · [email protected] · FAX 0 89-22 80 17 50 „Doch wie so oft in meinem Leben musste ich auch jetzt die Erfahrung machen, dass in meinem Kopfe anders als in anderer Menschen Köpfe die Welt sich malt.“ Karl Wilhelm Diefenbach in seinem Testament, 24. Juli 1909 2 3 Wer war Karl Wilhelm Diefenbach? Verarmt und verschuldet unternimmt er zusammen mit seinen Kindern mit den programmatischen Lichtnamen Helios, Stella Und Lucidus eine Alpen- Maler, Pazifist, Reformer, Freidenker, Symbolist Und „Sonnenanbeter“: so überquerung an den Gardasee. Dort tauscht er bei der Herzogin von Ferrari lässt sich in Schlagworten die bizarre Künstlerpersönlichkeit Karl Wilhelm sozusagen ein Bild gegen eine Reise nach Ägypten und verlässt 1895 für zwei Diefenbachs charakterisieren. In den Jahren der hochgeschlossenen, wilhel- Jahre Europa. Der Aufenthalt in Kairo ist geprägt von glücklichen Bildver- minischen Gründerzeit kommt der jUnge Maler aUs dem hessischen käufen und der Vision eines monumentalen Sphinx-Tempels „Humanitas“, Hadamar an die Münchner Akademie. Schon bald wird er von einer schwe- der geplant als ein Heim für elternlose Kinder allerdings nicht realisiert wird. ren Typhuserkrankung heimgesucht, die ihn zu einem überzeugten Vegetari- Diefenbach kehrt nach Wien zurück und gründet dort im Stadtteil Ober-St.- er und Anhänger, ja Verfechter der natürlichen Lebensweise werden lässt. Er Veit die seinem Kunst- und Lebensideal verpflichtete Kolonie „Himmelhof“. predigt Licht- Und LUftbäder des freien Körpers, den Verzicht aUf die 1899 erhält er einen GroßaUftrag in Triest, wo der Österreichische Lloyd Ernährung durch „Tierfetzen“ als die „Ursachen allen menschlichen Übels“ mehrere Bilder für seine Ostasien-Dampfer bestellt. Eine anschließend und die Bevorzugung von Rohkost und Obst. Auch rein äußerlich enthebt er geplante Ostasienreise endet auf Capri. Seit 1900 lebt Diefenbach zusammen sich bald gänzlich den kleinbürgerlichen Konventionen Und taUscht Hose mit Jüngern aUf der von Bohemiens besUchten Und besiedelten Insel. Er Und Jackett gegen die linnene „Naturkleidung“ der Reformbewegung. Bar- stirbt 1913 als tapferer Streiter für die Gesundung von Körper und Geist, arm fuß in Sandalen, mit der härenen Gesundheitskutte und struppigem Bart und und durch seine nahezu pathologische Weltfeindschaft verbittert. Haar wird der „Kohlrabiapostel“ bald Zielscheibe gutmütigen Spotts – für Seine Gemälde gelangen anschließend in die Obhut des ansässigen Klosters. ihn Anlass sich aUs dem Schwabinger „Wahnmoching“ in die Einöde Noch heute sind dort, in der Certosa, einige seiner phantastischen Gemälde Höllriegelskreuth zurückzuziehen. Dort gründet er zuerst mit seinem treuen in vernachlässigtem ZUstand zU sehen. Diese sind zUmeist monUmentale Jünger „Fidus“, dem bekannten Jugendstilzeichner Hugo Höppener, später Allegorien seiner damals umstrittenen Reformideen und Plädoyers für eine mit weiteren ätherischen Jüngern die Mal- und Lebensschule „Humanitas“ bessere Welt, gedacht als segenspendende OffenbarUngen an die Mensch- Und löst 1888 als Anhänger der FreikörperkUltUr dUrch das vor allem für heit. Was er predigte und lebte, malte er auch: „Du sollst nicht töten“, „Früch- seine Kinder bevorzugte „Adamskostüm“ den ersten Nudistenprozess in der te, nicht Leichname“ oder Szenen nackter, kindlicher Fröhlichkeit in seinem Geschichte aUs. 1891 organisiert Diefenbach von seiner nächsten Station, Frühwerk „Per aspera ad astra“, einem 68 m langen Fries mit dem Untertitel Dorfen bei WolfratshaUsen aUs, die vielbesprochene AUsstellUng in der „Seines Lebens TraUm Und Bild“. Visionäre Szenen zeigen ihn in Anwesenheit Münchner LöwengrUbe Und folgt von dort einer EinladUng des Österreichi- des christlichen Erlösers oder sogar als Erlöser selbst. Sein gegürtetes „Chris- schen KUnstvereins nach Wien. In den ersten sechs Wochen besUchen 36.000 tUsgewand“ war demnach nicht nUr reformerisches KleidUngsstück, sondern BesUcher seine AUsstellUng. Er wird von GUnstbeweisen des ansässigen Hoch- aUch äUßeres Zeichen seines inneren HabitUs. Er hielt sich zeitlebens für einen adels verwöhnt, doch gleichzeitig von der LeitUng des KUnstvereins verprellt. zweiten Heilsbringer im Sinne der VermittlUng einer neUen LebenskUltUr. 4 5 In Ägypten erweiterte sich sein MotivspektrUm Um Sphinghen Und Pyramiden Und kUlminierte aUf Capri in großformatigen symbolistischen Landschaften. Technisch fast modelliert, in düsteren Farben Und dUrch mystische LichtqUel- len erhellt, spiegeln sie aUf phantastische Weise die Eindrücke der Insel Und darüber hinaUs die geheimnisvollen Landschaften seiner Seele wider. Heute sind Diefenbachs reformerische Utopien Allgemeingut des modernen Menschen geworden Und haben ihn Und seine KUnst rehabilitiert. Seine Gemälde haben Sammler in ganz Europa gefunden. Mit diesem neu aufkeimenden Interesse steht Diefenbach in einer Reihe mit zahlreichen Künstlern Und StrömUngen des 19. JahrhUnderts. Lange, aUch durch die Forschung vernachlässigt, wurde die Kunst dieser Epoche sehr ein- seitig Und aUsschließlich als EntwicklUng zUm ImpressionismUs gedeUtet. NUr langsam konnte sich eine andere BewertUng der sehr vielfältigen Strömungen um 1900 durchsetzen. Die Kunstgeschichte verlagerte ihr rein ästhetisches Interesse aUf ikonographische BetrachtUngen Und gab zUneh- mend dem Bildinhalt mehr Bedeutung als der Darstellungsweise. Die Bilder der JahrhUndertwende wUrden als Mittler historischer Und soziologischer Botschaften mehr gelesen als gesehen, zumal die Epoche reicher und vielge- staltiger war als jede andere zuvor. Karl Wilhelm Diefenbach mit seinen Bezieht man diese allgemeine Erkenntnis auf die Kunst Diefenbachs, wird Kindern Lucidus, Helios und Stella sowie er mehr als andere zum exemplarischen Kind seiner Zeit. Auch seine Kunst deren Lehrerin Magdalena Bachmann ist eine Kunst der Ideen, seine Bilder sollen immer Botschaften vermitteln, und dem Jünger Paul von Spaun bei ihrer Und eben diese Botschaften, teils dogmatische BelehrUngen, verkündete Alpenüberquerung 1895. Diefenbach mehr als andere – künstlerisch ebenso wie wortgewaltig. Bereits der voraUsgegangene biographische Abriss zeigt wie sehr er die langsam aUfkeimenden Tendenzen des aUsgehenden 19. JahrhUnderts aUfnahm und lebte – vor allem die frühen Strömungen der Lebensreform: 6 7 Mit seinem Gemälde „Du sollst nicht töten“ (1895) schuf er eine Ikone des öffnete er sich gegenüber den aufkeimenden Tendenzen der Theosophie und frühen Tierschutzes. Seit Darwins Theorie der Abstammung des Menschen orientalischen Religionsformen. Er verarbeitete deren Symbole in seinen vom Affen herrschte eine engere VerbindUng zUm Tier, Unterstützt dUrch Gemälden, verließ aber nie endgültig den vertrauten christlichen Kontext, die idealisierende Distanz nach der EntfremdUng dUrch die indUstrielle der ihm nicht zUletzt eine künstlerische Identifikation mit dem Heiland Revolution. Hinzu kam die Ernährungsreform, die immer mehr Vegetarier ermöglichte. Ganz im Zuge der Zeit gründet auch er Bündnisse und Kom- hervorbrachte. Man machte sich erstmals Gedanken über die Qualität von munen, um sein Gedankengut an Anhänger und „Jünger“ zu vermitteln, sie Lebensmitteln Und demgegenüber die Schädlichkeit von FleischgenUss, sogar seiner Anleitung patriarchalisch zu unterwerfen. RaUch Und Tabak. AUch die „äffische ModekleidUng“ wie Diefenbach sie All diese Ansätze lassen Diefenbach – wenn aUch mit seinen radikalen nannte und in karikaturhaften Bildern darstellte, die Uniformierung und der Auswüchsen und schrulligen Skurrilitäten – zu einer Inkarnation des revolu- Zwang des Korsetts wUrde gelöst. Der „Kohlrabiapostel“ war nicht der tionären AUfbrUchs Um 1900 werden. 100 Jahre später erscheint er mit einzige, der für Frau, Kinder und sich selbst lose fallende Kittel entwarf, um seiner Kunst, trotz allen radikalen Widerspruchs zum Zeitgeist des Wilhelmi- die Freiheit des nackten Körpers zUmindest Unter den sackähnlichen nismus, als Vordenker und kämpferischer Avantgardist. Reformkleidern wieder herzustellen. Die Rückkehr zur Natur war eines der wichtigsten Motive in der Kunst um 1900. Diese wurde am deutlichsten in Darstellungen der Nacktheit, die neue, freizügige Qualitäten annahm. Auch Diefenbachs Oranten und Epheben präsentieren sich ohne Scham, nackt mit ausgebreiteten Armen. Gewaltfreiheit war ebenso ein Thema. Diefenbach nahm 1891 zusammen mit Berta von Suttner am Friedenskongress in Wien teil. „Frieden“ war auch der Titel eines seiner Bilder, auf dem ein Kind paradiesisch-friedlich am Körper eines Löwen kauert. Mit dem EntwUrf eines WohnhaUses mit Licht-LUft-Hallen folgt er der Reform von ArchitektUr Und Wohnen Und aUch gesellschaftliche Normen wie Ehe und Religion werden überdacht: Ungebundenes Zusammenleben, Freiheit bei der Partnerwahl – bei Diefenbach konnte das aUch mehrere FraUen zUgleich bedeUten – stand in einer Reihe mit seinem wechselnden Kontakt zU Damen, die ihm in jeder erdenklichen Weise behilflich waren. Als Opponent gegen die Amtskirche Und die Sittenwächter seiner Zeit 8 9 DER VISIONÄR das hell erleuchtete, kolossale KrUzifix mit dem gekreUzigten Heilsbringer. Zwischen Nachdem Diefenbach von der Kleidung