Inhaltsverzeichnis Plenarprotokoll 17/251

Deutscher

Stenografischer Bericht

251. Sitzung

Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 69: – zu dem Antrag der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Flutopfern soli- a) – Zweite und dritte Beratung des von darisch helfen – Hochwasserschutz öko- den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP logisch modernisieren und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes (Drucksachen 17/13896, 17/14079, 17/14264) 32461 D zur Errichtung eines Sondervermö- gens „Aufbauhilfe“ und zur Ände- Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident  rung weiterer Gesetze (Aufbauhilfe- (Sachsen-Anhalt) ...... 32462 A gesetz) Gerold Reichenbach (SPD) ...... 32463 B (Drucksachen 17/14078, 17/14264) . . 32461 B (FDP) ...... 32464 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- Dr. Helmuth Markov, Minister  wurfs eines Gesetzes zur Errichtung (Brandenburg) ...... 32465 B eines Sondervermögens „Aufbau- Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ hilfe“ und zur Änderung weiterer DIE GRÜNEN) ...... 32466 D Gesetze (Aufbauhilfegesetz) (Drucksachen 17/14176, 17/14264). . . 32461 B Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister  BMF ...... 32468 D b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Johannes Kahrs (SPD) ...... 32470 A eines Gesetzes über die Feststellung ei- Jan Mücke, Parl. Staatssekretär  nes Nachtrags zum Bundeshaushalts- BMVBS ...... 32471 C plan für das Haushaltsjahr 2013 (Nach- tragshaushaltsgesetz 2013) Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister  (Drucksachen 17/14000, 17/14020, 17/14080, BMI ...... 32472 B 17/14081) ...... 32461 D Horst Meierhofer (FDP) ...... 32473 C (CDU/CSU) ...... 32474 C in Verbindung mit

Tagesordnungspunkt 70: Zusatztagesordnungspunkt 21: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Beschlussempfehlung und Bericht des Haus- Bunge, Matthias W. Birkwald, Diana haltsausschusses Golze, weiterer Abgeordneter und der – zu dem Antrag der Abgeordneten Fraktion DIE LINKE: Vertrauensschutz Dr. , Jan van Aken, Agnes bei Rentenleistungen für alle aus der Alpers, weiterer Abgeordneter und der DDR Geflüchteten, Abgeschobenen und Fraktion DIE LINKE: Flutopfern helfen – Ausgereisten gewähren Hochwasserfonds einrichten (Drucksache 17/13453) ...... 32476 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 b) Beschlussempfehlung und Bericht des f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. – zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Andreae, , weiterer Abge- Dr. , weiterer Abgeord- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ neter und der Fraktion DIE LINKE: DIE GRÜNEN: Altersarmut bekämp- Angleichung der Renten in Ost- fen – Mit der Garantierente deutschland auf das Westniveau bis (Drucksachen 17/13493, 17/14084) . . . . . 32477 A 2016 umsetzen Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) ...... 32477 B – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, (CDU/CSU) ...... 32479 D , , weite- Iris Gleicke (SPD) ...... 32481 A rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Glei- Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 32482 A ches Rentenrecht in Ost und West, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- Rentenüberleitung zum Abschluss NIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 32484 C bringen Dr. , Bundesministerin (Drucksachen 17/10996, 17/12507, 17/13971) 32476 C BMAS ...... 32486 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Anton Schaaf (SPD) ...... 32489 B Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- Bunge, Matthias W. Birkwald, Dr. Gregor NIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 32489 C Gysi, weiterer Abgeordneter und der Frak- Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin tion DIE LINKE: Bund-Länder-Arbeits- BMAS ...... 32490 A gruppe zur Korrektur der Überleitung von DDR-Alterssicherungen in bundes- (SPD) ...... 32490 C deutsches Recht Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) ...... 32492 B (Drucksachen 17/7034, 17/13865) ...... 32476 C Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) ...... 32494 A d) Antrag der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben), Anton Schaaf, Gabriele Hiller- Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . 32495 A Ohm, weiterer Abgeordneter und der Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . 32496 A Fraktion der SPD: Stufenplan zur An- gleichung des Rentensystems in Ost und Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) ...... 32497 C West jetzt auf den Weg bringen (FDP) ...... 32499 A (Drucksache 17/13963) ...... 32476 D (CDU/CSU) ...... 32499 D e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (CDU/CSU) ...... 32501 B – zu dem Antrag der Abgeordneten Iris Gleicke, , Silvia Zusatztagesordnungspunkt 22: Schmidt (Eisleben), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Ein- – Zweite und dritte Beratung des von den setzung einer Bund-Länder-Arbeits- Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge- gruppe zur Vorbereitung eines brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Er- „Rentenüberleitungsabschlussgeset- gänzung des Betreuungsgeldgesetzes zes“ und zur Einrichtung eines (Betreuungsgeldergänzungsgesetz)  „Härtefallfonds“ (Drucksachen 17/11315, 17/14198) . . . . . 32503 C – zu dem Antrag der Abgeordneten Iris – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Gleicke, Anette Kramme, Silvia § 96 der Geschäftsordnung Schmidt (Eisleben), weiterer Abgeord- (Drucksache 17/14208) ...... 32503 C neter und der Fraktion der SPD: Sofor- tige Ost-West-Angleichung von in Verbindung mit pauschal bewerteten Versicherungs- zeiten beim Erwerb von Entgelt- punkten für die Rentenversicherung Tagesordnungspunkt 72: vornehmen Erste Beratung des vom Bundesrat einge- (Drucksachen 17/6486, 17/6487, 17/8956) 32476 D brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhe- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 III bung des Betreuungsgeldgesetzes und Auswahl eines Standortes für ein (Drucksache 17/13112) ...... 32503 D Endlager für Wärme entwickelnde ra- dioaktive Abfälle und zur Änderung an- Dorothee Bär (CDU/CSU) ...... 32504 A derer Gesetze (Standortauswahlgesetz – (SPD) ...... 32505 B StandAG)  (Drucksachen 17/13471, 17/14181) . . . . . 32525 A Miriam Gruß (FDP) ...... 32506 D – Zweite und dritte Beratung des von der Diana Golze (DIE LINKE) ...... 32508 A Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ eines Gesetzes zur Suche und Auswahl DIE GRÜNEN) ...... 32509 A eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Markus Grübel (CDU/CSU) ...... 32510 B Abfälle und zur Änderung anderer Ulla Burchardt (SPD) ...... 32512 A Gesetze (Standortauswahlgesetz – StandAG)  (CDU/CSU) ...... 32513 B (Drucksachen 17/13833, 17/13926, 17/14181) 32525 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Namentliche Abstimmung ...... 32514 D § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/14209) ...... 32525 B Ergebnis ...... 32515 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Ekin Zusatztagesordnungspunkt 26: Deligöz, Sven-Christian Kindler, weiterer Ab- Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- DIE GRÜNEN: Rechtsanspruch auf Bil- torsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne- dung, Erziehung und Betreuung zügig re- ten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, alisieren – Qualitätsoffensive in Kitas und Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Tagespflege in Angriff nehmen Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zwei (Drucksache 17/14135) ...... 32517 B Jahre Fukushima – Ohne ehrlichen Atom- ausstieg keine erfolgreiche Energiewende in Verbindung mit (Drucksachen 17/12509, 17/14179) ...... 32525 C

in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 24: Antrag der Abgeordneten Caren Marks, Petra Crone, , weiterer Abgeordneter Zusatztagesordnungspunkt 27: und der Fraktion der SPD: U3-Rechtsan- Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- spruch sichern – Qualität verbessern und schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- auf Betreuungsgeld verzichten torsicherheit (Drucksache 17/14138) ...... 32517 B – zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ , Dr. , DIE GRÜNEN) ...... 32517 C Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und Dorothee Bär (CDU/CSU) ...... 32518 B der Fraktion der SPD: Transparenz bei Rückstellungen im Kernenergiebereich Sönke Rix (SPD) ...... 32519 D schaffen Nicole Bracht-Bendt (FDP) ...... 32520 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Diana Golze (DIE LINKE) ...... 32522 B Dorothée Menzner, Eva Bulling-Schröter, , weiterer Abgeordneter und (Hamburg)  der Fraktion DIE LINKE: Überführung (CDU/CSU) ...... 32523 A der Rückstellungen der AKW-Betreiber in einen öffentlich-rechtlichen Fonds – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Zusatztagesordnungspunkt 25: Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel – Zweite und dritte Beratung des von den Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- Rückstellungen der Atomwirtschaft in ten Entwurfs eines Gesetzes zur Suche Ökowandel-Fonds überführen – Sicher- IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

heit, Transparenz und ökologischen ringern, Erfolgsquoten erhöhen Nutzen schaffen, statt an Wettbewerbs- (Drucksachen 17/5489, 17/14085) ...... 32536 B verzerrung und Ausfallrisiko festhalten (Drucksachen 17/5901, 17/5480, 17/6119, in Verbindung mit 17/14187) ...... 32525 D , Bundesminister  BMU ...... 32526 A Zusatztagesordnungspunkt 28: Dr. Matthias Miersch (SPD) ...... 32527 A Antrag der Abgeordneten , Dr. , Dr. Hans-Peter (FDP) ...... 32528 A Bartels, weiterer Abgeordneter und der Frak- Dorothée Menzner (DIE LINKE) ...... 32529 B tion der SPD: Betriebliche Ausbildung wei- ter denken – Qualität erhöhen, Gleichwer- Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ tigkeit durch einen attraktiven Dualen DIE GRÜNEN) ...... 32530 C Bildungsweg herstellen (Drucksache 17/14134) ...... 32536 C Dr. (CDU/CSU) ...... 32531 D Ernst Hinsken (CDU/CSU) ...... (SPD) ...... 32533 A 32536 C Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) ...... 32534 A Willi Brase (SPD) ...... 32537 C Heiner Kamp (FDP) ...... 32539 A Tagesordnungspunkt 71: Agnes Alpers (DIE LINKE) ...... 32541 A a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: (BÜNDNIS 90/ Berufsbildungsbericht 2013 DIE GRÜNEN) ...... 32542 C (Drucksache 17/13650) ...... 32536 A b) Antrag der Abgeordneten Uwe Tagesordnungspunkt 73: Schummer, Dr. , (Weiden), weiterer Abgeordne- a) Beschlussempfehlung und Bericht des ter und der Fraktion der CDU/CSU sowie Ausschusses für Menschenrechte und Hu- der Abgeordneten Heiner Kamp, Dr. manitäre Hilfe: zu dem EU-Jahresbe- (Lausitz), Sylvia Canel, richt 2010 – Menschenrechte und De- weiterer Abgeordneter und der Fraktion mokratie in der Welt – Ratsdok. 11501/ der FDP: Duale Ausbildung exportieren – 2/11 REV 2 Jugendarbeitslosigkeit in der Europäi- (Drucksachen 17/7423 Nr. A.37, 17/10899) 32543 B schen Union bekämpfen, kooperative Berufsbildung weltweit steigern b) Beschlussempfehlung und Bericht des (Drucksache 17/13484) ...... 32536 A Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe: c) Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Brigitte Pothmer, Britta Haßelmann, wei- – zu der Unterrichtung: Menschen- terer Abgeordneter und der Fraktion rechte in der Welt und Politik der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bildungs- Europäischen Union in diesem Be- chancen im Lebensverlauf verbessern – reich – Entschließung des Europäi- Berufliche Ausbildung stärken schen Parlaments vom 18. April (Drucksache 17/13554) ...... 32536 A 2012 zu dem Jahresbericht zur Lage der Menschenrechte in der Welt und d) Antrag der Abgeordneten Agnes Alpers, über die Politik der EU zu diesem , Dr. , wei- Thema, einschließlich der Auswir- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE kungen für die strategische Men- LINKE: Das Recht auf Ausbildung um- schenrechtspolitik der EU (2011/ setzen – Berufliche Perspektiven für 2185(INI)) – EP P7_TA-PROV alle garantieren (2012)0126 (Drucksache 17/14119) ...... 32536 B – zu der Unterrichtung: Menschen- e) Beschlussempfehlung und Bericht des rechte und Demokratie in der Welt: Ausschusses für Bildung, Forschung und Bericht über das Handeln der EU im Technikfolgenabschätzung zu dem An- Jahr 2011 – Ratsdok. 9238/12 trag der Abgeordneten Priska Hinz (Her- born), Brigitte Pothmer, , wei- – zu der Unterrichtung: Menschen- terer Abgeordneter und der Fraktion rechte und Demokratie: Strategi- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aus- und scher Rahmen und Aktionsplan der Weiterbildung stärken, Abbrüche ver- EU – Ratsdok. 11417/12 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 V

(Drucksachen 17/9797 Nr. A.9, 17/10710 Anlage 3 Nr. A.65, 17/10710 Nr. A.66, 17/12922) . 32543 C Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten c) Beschlussempfehlung und Bericht des (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE Ausschusses für Menschenrechte und Hu- GRÜNEN) zur Abstimmung über den Ent- manitäre Hilfe zu der Unterrichtung durch wurf eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von die Bundesregierung: Zehnter Bericht Bundesbehörden gegenüber der Presse (Pres- der Bundesregierung über ihre Men- seauskunftsgesetz) (250. Sitzung, Tagesord- schenrechtspolitik nungspunkt 63) ...... 32547 D (Drucksachen 17/11250, 17/11614 Nr. 1.1, 17/13848) ...... 32543 D Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung Tagesordnungspunkt 75: über den Entwurf eines Gesetzes zur Ergän- zung des Betreuungsgeldgesetzes (Betreu- Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und ungsgeldergänzungsgesetz) (Zusatztagesord- FDP: 50 Jahre Kennedy-Rede vor dem Rat- nungspunkt 22) haus Schöneberg in Berlin – Die transat- lantischen Beziehungen fortentwickeln Sylvia Canel (FDP) ...... 32547 D (Drucksache 17/14137) ...... 32544 B Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) ...... 32548 C

Tagesordnungspunkt 77: Anlage 5 a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Erklärungen nach § 31 GO des Abgeordneten FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dr. Michael Paul (CDU/CSU) zur Abstim- Syrische Flüchtlinge schützen mung über den Entwurf eines Gesetzes zur (Drucksache 17/14136) ...... 32544 C Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioak- b) Antrag der Abgeordneten , Jan tive Abfälle und zur Änderung anderer Ge- Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordne- setze (Standortauswahlgesetz – StandAG) ter und der Fraktion DIE LINKE: Syri- (Zusatztagesordnungspunkt 25) ...... 32548 D sche Flüchtlinge schützen (Drucksache 17/13933) ...... 32544 C Anlage 6 c) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan – Unterrichtung: Berufsbildungsbericht 2013 van Aken, , weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE – Antrag: Duale Ausbildung exportieren – LINKE: Keine Waffenlieferungen nach Jugendarbeitslosigkeit in der Europäi- Syrien schen Union bekämpfen, kooperative Be- (Drucksachen 17/12824, 17/13243) . . . . . 32544 C rufsbildung weltweit steigern – Antrag: Bildungschancen im Lebensver- Nächste Sitzung ...... 32545 A lauf verbessern – Berufliche Ausbildung stärken – Antrag: Das Recht auf Ausbildung umset- Berichtigung ...... 32545 A zen – Berufliche Perspektiven für alle ga- rantieren Anlage 1 – Beschlussempfehlung und Bericht: Aus- und Weiterbildung stärken, Abbrüche ver- Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 32547 A ringern, Erfolgsquoten erhöhen – Betriebliche Ausbildung weiter denken – Qualität erhöhen, Gleichwertigkeit durch Anlage 2 einen attraktiven Dualen Bildungsweg herstellen Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE (Tagesordnungspunkte 71 a bis 71 e und Zu- GRÜNEN) zur Abstimmung über die Be- satztagesordnungspunkt 28) schlussempfehlung zu dem Antrag: 10 Euro (CDU/CSU) ...... 32549 C Mindestlohn jetzt (250. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 61) ...... 32547 C Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) ...... 32550 A VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 32551 D DIE GRÜNEN) ...... 32563 B Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin  Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin  BMBF ...... 32552 C BMZ ...... 32564 A

Anlage 7 Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – Beschlussempfehlung und Bericht: Men- des Antrags: 50 Jahre Kennedy-Rede vor dem schenrechte und Demokratie in der Welt – Rathaus Schöneberg in Berlin – Die transat- Ratsdok 11501/2/11 REV 2 lantischen Beziehungen fortentwickeln (Ta- gesordnungspunkt 75) – Beschlussempfehlung und Bericht zu der Unterrichtung: Menschenrechte in der (CDU/CSU) ...... 32564 D Welt und Politik der Europäischen Union Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) ...... 32565 D in diesem Bereich – Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. April Hans-Ulrich Klose (SPD) ...... 32566 C 2012 zu dem Jahresbericht zur Lage der Dr. Rainer Stinner (FDP)...... 32567 C Menschenrechte in der Welt und über die Politik der EU zu diesem Thema, ein- (DIE LINKE) ...... 32568 B schließlich der Auswirkungen für die stra- Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ tegische Menschenrechtspolitik der EU DIE GRÜNEN) ...... 32569 A (2011/2185(INI)) – EP P7_TA-PROV (2012)0126 – Beschlussempfehlung und Bericht zu der Anlage 9 Unterrichtung: Menschenrechte und De- mokratie in der Welt: Bericht über das Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Handeln der EU im Jahr 2011 – Ratsdok. – Anträge: Syrische Flüchtlinge schützen 9238/12 – Beschlussempfehlung zu dem Bericht: – Beschlussempfehlung und Bericht zu der Keine Waffenlieferungen an Syrien Unterrichtung: Menschenrechte und De- mokratie: Strategischer Rahmen und Ak- (Tagesordnungspunkt 77) tionsplan der EU – Ratsdok. 11417/12 (Altötting) (CDU/CSU) . . . . 32569 D – Beschlussempfehlung und Bericht zu der Rüdiger Veit (SPD)...... 32570 D Unterrichtung: Zehnter Bericht der Bun- desregierung über ihre Menschenrechts- Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP)...... 32572 A politik Bijan Djir-Sarai (FDP) ...... 32572 C (Tagesordnungspunkte 73 a bis 73 c) Ulla Jelpke (DIE LINKE) ...... 32573 A (CDU/CSU) ...... 32556 B Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ (CDU/CSU) ...... 32558 A DIE GRÜNEN) ...... 32573 D Arnold Vaatz (CDU/CSU) ...... 32558 D Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär  Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) ...... 32559 D BMI ...... 32574 C Christoph Strässer (SPD)...... 32560 B (FDP) ...... 32561 C Anlage 10 (DIE LINKE) ...... 32562 C Amtliche Mitteilungen ...... 32575 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32461

(A) (C)

251. Sitzung

Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. : Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle- ausschusses (8. Ausschuss) ginnen und Kollegen! – Drucksache 17/14264 – Ich begrüße Sie alle herzlich zu unserer 251. Sitzung in der allmählich zu Ende gehenden Legislaturperiode. Berichterstattung: Ich begrüße all diejenigen, die schon wieder da sind Abgeordnete (Erfurt) (Heiterkeit – Dr. [DIE  LINKE]: Oder die noch da sind!) Dr. Gesine Lötzsch Priska Hinz (Herborn) – und ganz besonders diejenigen, die immer noch da sind, die die gestrige Jubiläumssitzung, die 250. Sitzung, 69 b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- in vollen Zügen genossen haben. regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes (B) über die Feststellung eines Nachtrags zum (D) Ich habe für die heutige Sitzung keine Änderungen Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr der Tagesordnung vorzuschlagen, was Sie hoffentlich 2013 (Nachtragshaushaltsgesetz 2013) mit Beruhigung zur Kenntnis nehmen. Wir sollten uns aber vielleicht, weil wir auch für den heutigen Tag noch – Drucksachen 17/14000, 17/14020 – ein vergleichsweise strammes Programm haben, darum bemühen, es heute ähnlich zu handhaben wie gestern Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Zwischenfragen und Kurzinterventionen auf das un- ausschusses (8. Ausschuss) abweisbar Dringliche reduzieren. – Drucksachen 17/14080, 17/14081 – (Zurufe von der LINKEN) Berichterstattung: – Ja, ich weiß schon, dass das gefühlt der ständigen Pra- Abgeordnete Norbert Barthle xis des Hauses entspricht. Aber ich glaube, das müssen Carsten Schneider (Erfurt) wir jetzt nicht vertiefen. Otto Fricke Dr. Gesine Lötzsch Ich rufe die Tagesordnungspunkte 69 a und 69 b so- Priska Hinz (Herborn) wie den Zusatzpunkt 21 auf: ZP 21 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- 69 a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio- richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) nen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor setzes zur Errichtung eines Sondervermögens Gysi, Jan van Aken, Agnes Alpers, weiterer „Aufbauhilfe“ und zur Änderung weiterer Ge- Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE setze (Aufbauhilfegesetz) Flutopfern helfen – Hochwasserfonds ein- – Drucksache 17/14078 – richten – Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- – zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes DIE GRÜNEN zur Errichtung eines Sondervermögens „Auf- bauhilfe“ und zur Änderung weiterer Gesetze Flutopfern solidarisch helfen – Hochwas- (Aufbauhilfegesetz) serschutz ökologisch modernisieren – Drucksache 17/14176 – – Drucksachen 17/13896, 17/14079, 17/14264 – 32462 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Berichterstattung: chen können, die uns im Bedarfsfall schnelles Handeln (C) Abgeordnete Norbert Barthle ermöglicht und politische Kraftanstrengungen wie in den Carsten Schneider (Erfurt) letzten Tagen ein Stück weit erspart. Otto Fricke Die zweite Botschaft habe ich wie auch alle anderen Dr. Gesine Lötzsch Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat geäußert. Sie Priska Hinz (Herborn) lautet schlicht: Danke, Deutschland. Danke vor allem Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, den vielen Helferinnen und Helfern. – Es liegen wohl SPD, FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen liegt ein noch keine abschließenden Zahlen über die enormen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und Leistungen von Bundeswehr, Feuerwehren, Polizei, der FDP vor. THW, Mitarbeitern der Krisenstäbe und den vielen pri- vaten Helfern vor, die sich in beeindruckender Weise Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die auch über soziale Netzwerke organisiert haben. Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Also können wir so verfahren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- Ich erteile das Wort dem Ministerpräsidenten von NISSES 90/DIE GRÜNEN) Sachsen-Anhalt, Herrn Reiner Haseloff. 200 000 Einsatztage von Bundeswehr, THW und Bun- (Beifall bei der CDU/CSU) despolizei, bis zu 75 000 Feuerwehrleute im Einsatz, Rund-um-die-Uhr-Tätigkeit in den Krisenstäben, Dauer- Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident (Sachsen- einsatz von Jugendlichen an den Brennpunkten – viele Anhalt): Menschen aus allen Bundesländern und sogar darüber Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! hinaus haben Beeindruckendes geleistet. Dafür danke Schon wieder halten uns Meldungen über steigende Pe- ich ganz ausdrücklich! gel aufgrund starker Regenfälle in Atem. Nach dem, was (Beifall im ganzen Hause) wir aktuell wissen und abschätzen können, wird es zwar Gott sei Dank nicht zu einer quasi zweiten Welle der Danken möchte ich aber auch Ihnen. Dass der Bun- Flutkatastrophe kommen. Dennoch zeigt uns dies, dass destag heute ein 8-Milliarden-Euro-Programm zur Be- wir immer wachsam sein müssen, dass wir die „Jahrhun- wältigung der Flutkatastrophe beschließen wird, ist nicht dertflut“ zwar möglicherweise so nennen dürfen, aber so selbstverständlich. Ich denke, dass wir, natürlich insbe- handeln müssen, als ob sie uns schon im nächsten Jahr sondere die von der Flut besonders betroffenen Länder, wieder ereilen könnte. Deshalb ist es nicht nur wichtig, der Bundesregierung und dem Bundestag deshalb zu (B) dass der Bundestag heute das Gesetz zum Aufbauhilfe- großem Dank verpflichtet sind. Wir haben uns aufeinan- (D) fonds verabschiedet, sodass wir im Anschluss an die So- der zubewegt und sind jetzt so aufgestellt, dass wir den forthilfe mit dem Wiederaufbau beginnen können. Min- Betroffenen der Flutkatastrophe ruhigen Gewissens sa- destens ebenso wichtig ist, dass wir die richtigen gen können: Wir lassen euch nicht allein. Konsequenzen aus den Ereignissen der letzten Wochen ziehen; denn angesichts des Klimawandels und sich häu- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) fender Extremwetterlagen ist der Satz „Nach der Flut ist Der Wiederaufbau nach der Zerstörung ist eine ge- vor der Flut“ so banal wie richtig. waltige Herausforderung und ganz sicher nicht eine An- Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, haben gelegenheit von Wochen oder Monaten, sondern von am vergangenen Dienstag hier im Bundestag mit der Jahren. Die Schäden sind gewaltig. Sachsen-Anhalt hat Diskussion darüber begonnen. Wer die Regierungserklä- allein aus dem Aufbauhilfefonds 2002 eine Dreiviertel- rung der Bundeskanzlerin und die Debatte darüber nach- milliarde Euro bekommen und für den Wiederaufbau liest, der wird an vielen Stellen Einigkeit in der vorläufi- eingesetzt. Heute rechnen wir nach vorläufigen Scha- gen Analyse und den notwendigen Schlussfolgerungen denserhebungen mit einem deutlich höheren Bedarf; feststellen. Der Bundesrat hat dazu vorgestern in ähnli- denn wir hatten ja nicht nur unter dem Hochwasser der cher Weise Stellung bezogen. Elbe zu leiden, sondern auch unter dem der Mulde und der Saale, und in die Saale floss vorher noch die Weiße Die eine Botschaft heute lautet also: Wir brauchen eine Elster. Vor allem die Schäden in der Landwirtschaft sind gründliche, aber auch zügige Diskussion über die Verbes- bedeutend höher als vermutet. Jeden Tag müssen neue serung des präventiven Hochwasserschutzes. Als Minis- Hektarflächen hinzugerechnet werden. Derzeit sind circa terpräsident eines Bundeslandes mit rund 300 Elbe-Kilo- 110 000 Hektar Nutzfläche betroffen, die in diesem Jahr metern und insgesamt 1 200 Kilometern Deichlänge will keine Erträge bringen werden. Bundes-, Landes- und ich hier die Initiative ergreifen und über das Thema auch kommunale Straßen sind in weit stärkerem Maße ge- im europäischen Kontext reden. Der Kollege Tillich hat schädigt als 2002. Ähnliches lässt sich auch für privates hier im Bundestag am Dienstag über den Nutzen der be- Wohneigentum sagen. Mehrere Zehntausend Menschen reits bestehenden intensiven Zusammenarbeit mit Tsche- mussten ihre Häuser verlassen, die teils für Tage oder chien gesprochen. Diese müssen wir verstärken. Für die gar Wochen, zum Teil immer noch komplett im Wasser weitere Diskussion möchte ich noch den Gedanken ein- standen bzw. stehen. Darüber hinaus sind Tausende von speisen, ob wir den Aufbauhilfefonds nicht, mit klaren Gewerbebetrieben betroffen. Nicht zuletzt sind auch Kriterien versehen, zu einer dauerhaften, institutionali- enorme Schäden an den Hochwasserschutzanlagen ent- sierten Einrichtung der Katastrophenbewältigung ma- standen. Die Zerstörung der ICE-Strecke Düsseldorf– Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32463

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) (A) Berlin im Landkreis Stendal haben viele hier im Hohen Solidarität, das Zusammenstehen, nicht das Schauen (C) Hause bereits schmerzlich verspürt. auf den eigenen Vorteil, sondern die uneigennützige Hilfe für den Nächsten, das ist es, was uns zusammen- Der Wiederaufbau wird somit auf breiter Front erfol- hält. Das sind übrigens die gleichen Werte, die meine gen müssen. Vorher gilt es noch, Detailfragen und -pro- Partei 150 Jahre geprägt haben. Wenn uns wieder einmal bleme, die sich bei der Umsetzung des Aufbauhilfefonds etwas deutlich gemacht hat, wie wichtig das Wir für un- zwangsläufig ergeben, zu klären. Dabei geht es um den ser Land ist, dann ist es diese Flutkatastrophe. Die Be- Kreis der potenziell Anspruchsberechtigten, den wir an- troffenen brauchen unsere Solidarität bei der Beseiti- gesichts der enormen Breite der Schäden weit gefasst ha- gung der Schäden und beim Wiederaufbau. Deshalb ben möchten. Es geht darum, dass die Hilfen schnell an- haben wir den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung ei- laufen und dass wir die Verfahren nicht durch zu viel nes Hilfsfonds mit eingebracht. Wir werden ihm zustim- Bürokratie überfrachten. Die Fachleute aus Bund und men. Ländern beraten über diese Fragen noch heute im Bun- desfinanzministerium. Was allerdings auf unsere Kritik stößt, ist die Art und Weise, wie die Bundesregierung den Hilfsfonds finan- Ich bin optimistisch, meine Damen und Herren Bun- zieren will. Sie finanziert ihn mit neuen Schulden, also destagsabgeordnete, dass wir zu guten Lösungen kom- auf Pump. Wenn wir 2002 genauso gehandelt hätten men, und denke deshalb, dass Sie heute dem Aufbauhil- – Sie haben damals übrigens gefordert: „Macht es doch fegesetz aus Überzeugung zustimmen können. Dafür auf Pump!“ –, dann müssten wir heute noch die Schul- danke ich Ihnen ganz ausdrücklich. den des damaligen Hilfsfonds abbezahlen, und das zu ei- nem Zeitpunkt, wo wir erneut einen brauchen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Präsident Dr. Norbert Lammert: Ihr Haushalt war verfassungswidrig, Sie Witz- bold!) Das Wort erhält nun der Kollege Gerold Reichenbach für die SPD-Fraktion. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie haben da- mals übrigens Ihre Zustimmung den Opfern an der Elbe (Beifall bei der SPD) verweigert. Das ist vielen in Erinnerung geblieben. (Beifall bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Gerold Reichenbach (SPD): Sie haben einen verfassungswidrigen Haushalt Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen vorgelegt!) und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bil- (B) der gleichen sich: Deiche, die dabei sind, zu brechen, Mit Ihrem schuldenfinanzierten Hilfsfonds bürden (D) Menschen, die um ihr Hab und Gut sowie um ihre Exis- Sie zukünftigen Generationen, die ohnehin die Kosten tenz fürchten, und am Ende Häuser, die teilweise bis in der Folgen des Klimawandels zu tragen haben, zusätzli- die ersten Stockwerke unter Wasser stehen. Dies ist nicht che Lasten auf. Das ist nicht nachhaltig. das erste Mal, dass solche Bilder unser Land erschüttern: (Patrick Döring [FDP]: Warum haben Sie dann 1997 an der Oder, 1998/99 an Rhein, Mosel und Donau, im Haushaltsausschuss zugestimmt?) 2002 an der Elbe, 2005 in Bayern und heute wieder an Elbe und Donau. Die Jahrhundertfluten sind keine mehr. Wir werden den Betroffenen trotzdem die Solidarität Sie kommen häufiger. Ob dies Ergebnis des Klimawan- nicht versagen. dels ist oder nicht, darüber streiten die Experten. Aber (Patrick Döring [FDP]: Trotzdem!) dass es so ist, ist eine Tatsache. – Können Sie vielleicht, Herr Generalsekretär, während Ich selbst war 1997 in der Ziltendorfer Niederung und wir über so ernste Themen reden, Ihr Wahlkampfgetöse 2002 in Magdeburg als Fluthelfer eingesetzt. Ich kann sein lassen, auch wenn das Ihr Geschäft ist? Diejenigen, ein Stück weit aus eigenem Erleben nachvollziehen, was die draußen noch im Wasser stehen, haben das nicht ver- die Betroffenen jetzt bewegt, wie der Verlust sie trifft dient. Nehmen Sie sich doch einmal ein Stück zurück, und wie hoffnungslos die Zukunft für manche aussieht. und gehen Sie in sich! Ich weiß aber auch, wie der gemeinsame Wille zum Wie- deraufbau, zum Anpacken und zur Hilfe entsteht. Ich (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten kann nachvollziehen, was die Helferinnen und Helfer des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der von Feuerwehren, THW, DRK, DLRG, all den anderen LINKEN) Hilfsorganisationen sowie Polizeien und Bundeswehr, Wir werden den Betroffenen die Solidarität trotzdem unterstützt von vielen freiwilligen Helfern, an den Dei- nicht versagen; denn die Betroffenen können nichts für chen, beim Retten von Hab und Gut, von Menschen und Ihr Finanzgebaren. Tieren und nun auch beim Aufräumen und Beseitigen der schlimmsten Schäden leisten. Ihnen allen gilt unser Es geht aber nicht nur um die Finanzierung des Wie- Dank. Den möchte ich ausdrücklich für meine Fraktion, deraufbaus, sondern auch darum, wie wir diesen Wieder- die Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag, ausspre- aufbau gestalten. Wir müssen den Bürgern deutlich ma- chen. Auch den Mitarbeitern vom BBK, in den Krisen- chen: Wer in der Nähe von Flüssen wohnt, hat keine stäben, in den Wasserbehörden und in anderen Ämtern, absolute Sicherheit. Auch wenn wir die Deiche zügig die oft vergessen werden, gilt unser Dank. ertüchtigen und den technischen und ökologischen 32464 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Gerold Reichenbach (A) Hochwasserschutz ausbauen, wird es immer Pegel geben Stephan Thomae (FDP): (C) können, die höher sind als die menschlichen Schutzmaß- Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen nahmen. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Wiederauf- und Kollegen! Eine gute Gesellschaft kann auf Dauer bau so gestalten, dass er auch hochwasserverträglich ist, nur gedeihen, wenn jeder ein bisschen mehr tut, als er dass Schäden minimiert werden. Da muss die Frage er- vielleicht müsste, und ein bisschen weniger verlangt, als laubt sein: Müssen im Rahmen des Wiederaufbaus auch er eigentlich könnte. Wenn sich Menschen so verhalten, Ölheizungen finanziert werden? Wir alle kennen die Bil- können im Zusammenwirken große Dinge geschehen. der von ölverschmierten Feldern, Gebäuden und Ein- richtungen. Herr Kollege Reichenbach, ich bedauere ein bisschen, dass Sie eine in meinen Augen unnötige Schärfe in die Wir müssen den Flüssen wieder mehr Raum geben. Diskussion gebracht haben; denn in diesen Notzeiten be- Wir müssen das tatsächlich tun und dürfen nicht nur da- weist sich der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. rüber reden. Von den 2 700 Quadratkilometern an zu- Deswegen will ich wiederholt Dank sagen. Das schulden sätzlicher Fläche als Hochwasserschutzmaßnahme, wie wir den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern nach der letzten Elbeflut vorgeschlagen, wurden gerade wie zum Beispiel von THW, Feuerwehr und der Bundes- einmal 700 Quadratkilometer realisiert. Wir brauchen wehr, die in diesen Tagen von überall her zu Hilfe geeilt auch ein besser integriertes Programm für den Hochwas- sind, um den Menschen in der Flut zu helfen. serschutz; das ist angesprochen worden. Hochwasserma- Weil Sie es angesprochen haben, will ich als Haushäl- nagement darf sich nicht nach Ländergrenzen richten, ter doch noch zwei Kritikpunkte anmerken, die ich ei- sondern muss den Gesetzmäßigkeiten der Flüsse ent- gentlich nicht ansprechen wollte, weil ich heute aus sprechen. Deshalb brauchen wir mehr Zusammenarbeit. einem Anlass, auf den ich zum Schluss noch kommen Wir brauchen auch einen gemeinsamen Fonds. Wie werde, milde gestimmt bin. Der erste Punkt ist: Mit zügig der Hochwasserschutz ausgebaut werden kann, Blick auf die Länder will ich darauf hinweisen, dass der darf nicht davon abhängen, wie finanzkräftig ein Bun- Bund die 8 Milliarden Euro vorfinanziert. Das ist so ver- desland ist. einbart. Die Länder werden ihren Anteil von 3,5 Milliar- den Euro über einen Zeitraum von 20 Jahren in jährli- (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie chen Tranchen zurückzahlen. Das ist auch in Ordnung bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE so. Ich hoffe aber sehr, dass die Länder dies später nicht GRÜNEN) dazu nutzen werden, dem Bundestag ihren Anteil für ein Ja im Bundesrat abzukaufen. Das wäre ein schlechtes Wir brauchen Solidarität in der Risikovorsorge; denn auf Signal. Meine Hoffnung ist, dass die Länder davon abse- Dauer wird der Steuerzahler die Folgen des Klimawan- hen werden. (B) dels und immer stärkerer Extremwetterereignisse nicht (D) tragen können. Wir sollten nicht dem schlechten Beispiel (Beifall bei Abgeordneten der FDP) der Deutschen Bahn folgen, die nach dem Hochwasser Für den zweiten Punkt, den ich eigentlich nicht an- 2002 ihre Hochwasserversicherung gekündigt hat mit sprechen wollte, haben Sie, Kollege Reichenbach, die der Begründung: Der Staat zahlt ja sowieso. Dann kön- Vorlage geliefert. Ich will einmal so einleiten: Ich freue nen wir uns die Prämie sparen. – Wenn wir wollen, dass mich, dass Sie sich heute dem Vernehmen nach im Ple- die Menschen Risikovorsorge betreiben, dann müssen num bereit erklären, der Fluthilfe und dem Nachtrags- wir sie aber auch in die Lage versetzen, dies zu tun. haushalt, mit dem die Fluthilfe finanziert wird, zuzu- Viele in den betroffenen Gebieten, auch hinter den Dei- stimmen. Aber ich fand es irritierend, dass sich Teile chen bekommen keine Hochwasserversicherung mehr. Ihrer Fraktion im Haushaltsausschuss dazu nicht bereit- Deswegen müssen wir darüber nachdenken, wie wir hier gefunden und dem Nachtragshaushalt nicht zugestimmt Solidarität erreichen, etwa über eine Elementarschaden- haben. Das ist deswegen irritierend, weil das unser Weg versicherung mit staatlichen Garantien. ist, die Fluthilfe zu finanzieren. Ich weiß, dass Sie ein Unsere Aufgabe ist es, auch dann, wenn die Flut nicht anderes Finanzierungsmodell vorgeschlagen haben, und am Deich steht, dafür zu sorgen, dass Hochwasserschutz zwar, wenn ich das richtig sehe, über Steuererhöhungen. und der Schutz der Bevölkerung gegenüber extremen (Joachim Poß [SPD]: Die Hoteliersteuer zum Naturereignissen ein Dauerthema in der Politik bleiben. Beispiel! Das wäre ja eine Idee gewesen!) Das sind wir den Menschen, die zum Teil zum wieder- holten Male die schwere Bürde einer Hochwasserkatas- Das ist nicht unser Weg. Das ist auch nicht notwendig, trophe zu tragen haben, schuldig. weil wir – im Unterschied zu 2002 – einen soliden Haus- halt vorlegen und wir angesichts dessen genug Luft ha- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ben, die Finanzierung über die Nettokreditaufnahme zu der LINKEN) leisten. Ich meine, dass wir das Wahlkampfthema Steu- ern und das Nichtwahlkampfthema Fluthilfe getrennt be- Präsident Dr. Norbert Lammert: trachten sollten. Ich finde es unnötig, diese Dinge zu ver- Stephan Thomae ist der nächste Redner für die FDP- knüpfen. Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Gleichwohl gilt mein Dank allen Fraktionen dieses der CDU/CSU) Hauses. Dass wir heute einvernehmlich die Fluthilfe im Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32465

Stephan Thomae (A) Nachtragshaushalt beschließen, ist das Signal, das die letzten Jahren gemacht. Wir haben dank der finanziellen (C) Menschen von uns erwarten. Ich will meinen Dank an Unterstützung der Europäischen Union, des Bundes und alle ausdehnen, mit denen ich in den letzten vier Jahren unserer eigenen Landesmittel 400 Millionen Euro in den im Deutschen Bundestag zusammenwirken konnte: im Hochwasserschutz gesteckt. Wir haben 200 Kilometer Plenum, im Petitionsausschuss, im Rechtsausschuss und Deiche modernisiert bzw. neu gebaut, wir haben 90 Pro- im Haushaltsausschuss; denn ich werde den Bundestag zent der gesamten Deichanlagen an der Oder instand ge- mit Ablauf dieser Wahlperiode verlassen. Ich bemühe setzt, bei der Elbe sind es 70 Prozent – und das, obwohl mich um ein Mandat im Bayerischen Landtag. Dafür wir permanent von sogenannten Jahrhunderthochwas- habe ich drei Gründe: Sie sind elf, acht und vier Jahre sern betroffen waren: 1997, 2002, 2006, 2010 mehrfach, alt. Ich hoffe, dass ich aufgrund der Nähe des Landtages 2011. Es war eine enorme Anstrengung, und trotzdem das Heranwachsen meiner Kinder etwas besser miterle- hat es nicht gereicht. Wir bauen die Deiche aus, wir ben kann. Der Bundestag hat seinen Preis. Diesen Preis bauen sie immer höher; aber wir lösen damit das Pro- zahlen leider sehr oft die Kinder. blem mitnichten. Der Rekordpegel an der Elbe im Nor- den unseres Landes Brandenburg war 50 Zentimeter hö- Es waren vier spannende Jahre. Es waren vier gute her als beim letzten Hochwasser. Zum Glück war der Jahre. Ich bleibe diesem Haus gedanklich verbunden. Ich Deich 70 Zentimeter höher gebaut. Aber das ist nicht die habe meine Arbeit mit Ernst und Freude gemacht, auch Lösung des Problems. wenn der Bundestag nicht vollkommen ist. Er ist aber ein Glücksfall in der deutschen Geschichte. Wir Parla- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- mentarier sind auch Botschafter. Wir sollten die Bot- neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE schaften in gutem Stil und in gutem Umgang nach außen GRÜNEN) tragen. Es ist ein gutes Parlament. Ich verabschiede mich von Ihnen. Das war’s! Behalten Sie mich in guter Erin- Das Land Brandenburg hat unverzüglich Soforthilfe- nerung, so wie ich Sie auch. programme aufgelegt. Es ist vielleicht ungewöhnlich, dass ein Dunkelroter das sagt; aber ich bin der Bundes- (Beifall im ganzen Hause) regierung sehr dankbar dafür, dass wir die Verwaltungs- vereinbarung sofort schließen konnten. Wir haben drei Präsident Dr. Norbert Lammert: Sofortprogramme aufgelegt. Das erste Programm richtet Vielen Dank, Herr Kollege Thomae. Letzteres können sich an die privat Betroffenen. Jeder Erwachsene be- wir ganz gewiss vereinbaren. Ich denke, unter den zahl- kommt 400 Euro sowie zusätzlich 250 Euro für jedes reichen nicht vollkommenen Einrichtungen dieser Welt minderjährige Kind, maximal 2 000 Euro pro Haushalt. gehört der Deutsche Bundestag zu den etwas besseren. Ein zweites Programm haben wir speziell für die Wirt- (B) schaftsunternehmen und ein drittes Programm für die (D) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie landwirtschaftlichen Unternehmen aufgelegt. Diese Pro- bei Abgeordneten der SPD) gramme wirken. Nun erteile ich das Wort dem stellvertretenden Minis- terpräsidenten des Landes Brandenburg, Herrn Die voraussichtlichen Schäden in den überfluteten Dr. Markov. Polderflächen werden sich auf etwa 40 bis 45 Millionen Euro belaufen; das betrifft gerade einmal die landwirt- (Beifall bei der LINKEN) schaftlichen Flächen. Wir waren in der Lage, sehr schnell zu reagieren. Wir haben eine Hotline eingerich- Dr. Helmuth Markov, Minister (Brandenburg): tet, die sehr gut angenommen worden ist. Wir haben au- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und ßerdem steuerliche Erleichterungen beschlossen, die all Herren! Auch die Brandenburgerinnen und Brandenbur- denen zugutekommen, die betroffen sind. Die Landes- ger möchten sich ganz herzlich bedanken. In einer Zeit, regierung hat die Solidarität auf allen Ebenen unter- in der der Begriff Solidarität nicht mehr gesellschaftsbe- stützt, befördert und auch dokumentiert. stimmt ist, weil sehr viel den privaten Interessen oder der Gewinnoptimierung unterworfen wird, hat sich ge- (Beifall bei der LINKEN und der SPD) zeigt, dass alle zusammenstehen können, wenn es not- Der Gesetzentwurf, der jetzt zur Debatte steht, sieht wendig ist: Technisches Hilfswerk, die Nachbarn, die 8 Milliarden Euro an Hilfe vor. Das ist viel Geld. Natür- sonst sehr häufig und viel gescholtenen Jugendlichen, lich könnte man jetzt trefflich darüber streiten: Reicht die an den Sandplätzen einfach mitgeschippt haben, die das, oder reicht das nicht? Ist die Deckelung richtig, oder Soldatinnen und Soldaten, alle, die ihren Beitrag dazu ist sie nicht richtig? – Ich glaube, wichtig ist, dass ge- geleistet haben, dass die Flut für Brandenburg glimpflich zeigt wird, dass schnell und unbürokratisch geholfen ausgegangen ist. Außerdem bedanke ich mich ganz herz- wird. Im Land Brandenburg haben wir das Geld für die lich bei Ihnen, dass Sie heute diesem Gesetzentwurf zu- Soforthilfeprogramme direkt den Landkreisen zur Verfü- stimmen werden, wovon ich ausgehe. gung gestellt; denn die Landkreise können unmittelbar (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. einwirken. Sie wissen, wo etwas passiert ist, und reichen [SPD]) das Geld sofort weiter. Die Bürger sind dankbar dafür; sie haben sich darüber gefreut. Ein altes chinesisches Sprichwort besagt: Du musst den Brunnen graben, bevor du Durst hast. – Genau das Es gibt trotzdem eine Menge zu tun; das ist schon an- hat die rot-rote Landesregierung in Brandenburg in den gesprochen worden. Was wir brauchen, ist ein Versiche- 32466 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Minister Dr. Helmuth Markov (Brandenburg) (A) rungsschutz, bei dem die Versicherungen nicht außen gesellschaftspolitisch zukünftig anders agieren. Wir (C) vor gelassen werden. brauchen mehr Flächen. Wir müssen den Flüssen ihren Lauf zurückgeben. (Beifall bei der LINKEN und der SPD) (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem Es gab bereits Gespräche dazu. Man muss sie nur fort- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) führen und zu Ende bringen. Das Verrückte ist doch: Wie soll der Bürger uns Politikern vertrauen, wenn wir versi- Dazu bräuchten wir eigentlich wieder ein gemeinsames chern, dass wir ihnen helfen, die Versicherungen aber sa- Programm von Bund und Ländern, von mir aus auch je- gen: „Wir versichern euch nicht, weil wir nicht glauben, weils hälftig finanziert. dass die ergriffenen Maßnahmen ausreichend sind, um euch vor erneuten Hochwasserschäden zu schützen“? Natürlich kann man auch wieder kräftig darüber strei- Das ist ein Unding. Ich finde, so weit darf die Freiheit ten – das verstehe ich –, wie das Geld aufgebracht wird. von Versicherungsunternehmen nicht gehen; das sage Dass ich da als Roter eine andere Überzeugung habe, ich klar und deutlich. dass ich meine, dass man, statt Schulden dafür aufzuneh- men, das auch mit Steuererhöhungen machen könnte, ja, (Beifall bei der LINKEN und der SPD) das bekenne ich freimütig. Aber das ist nicht die Grund- debatte. Das Geld muss zur Verfügung gestellt werden; Ich habe gesagt: Wir müssen den Flüssen mehr Raum das ist wichtig. geben. Das hat das Land Brandenburg gemacht. Viel- leicht kennen einige von Ihnen den Ausdruck „Böser (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Ort“. Dieser liegt in Lenzen, wo die Elbe knickt. Noch neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE beim letzten Hochwasser waren dort Tausende von Men- GRÜNEN) schen im Einsatz und haben die Deiche stabilisiert. Wir haben diesen Deich rückverlegt und dadurch zusätzliche Deswegen brauchen wir, wie ich glaube, eine gesamt- Flutungsflächen, insgesamt 420 Hektar, geschaffen. Aus deutsche, eine bundesrepublikweite Hochwasserkonfe- dem „Bösen Ort“ ist ein guter Ort geworden. Das Wasser renz, damit die Probleme, die wir haben, langfristig ge- konnte aufgrund unserer Maßnahmen abfließen. Das hat löst werden und wir uns alle gemeinsam nicht alle zwei sich bei diesem Hochwasser gezeigt. Jahre wieder darüber unterhalten müssen, wie wir So- forthilfe organisieren. Die beste Soforthilfe ist die lang- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- fristige Hilfe. neten der SPD) Recht vielen Dank. Herr Tillich hat hier in der ersten Lesung des Gesetz- entwurfes über die besonderen Maßnahmen, die in (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem (B) (D) Tschechien getroffen worden sind, gesprochen. Ich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) möchte mich in meiner Rede auch an unsere polnischen Nachbarn wenden. Das Land Brandenburg hat eine sehr Präsident Dr. Norbert Lammert: lange gemeinsame Grenze mit Polen. Die Oder und die Bärbel Höhn ist die nächste Rednerin für die Fraktion Neiße kommen ursprünglich aus Polen und Tschechien. Bündnis 90/Die Grünen. Die Republik Polen hat in der Zwischenzeit, seit dem letzten Hochwasser, enorme Polderflächen am Oberlauf Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): geschaffen. Wir haben im Naturpark Unteres Odertal zu- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu- sätzliche Retentionsflächen im Umfang von 4 400 Hek- nächst ist es sehr wichtig, dass wir alle gemeinsam, dass tar geschaffen. Die polnischen Nachbarn helfen uns also alle Fraktionen heute diesen Unterstützungsfonds be- am Oberlauf, und wir helfen unseren polnischen Nach- schließen und damit den Betroffenen unbürokratisch hel- barn am Unterlauf. So muss es sein. fen. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) SES 90/DIE GRÜNEN) Die Solidarität muss länderübergreifend sein. Dass Genauso wichtig ist es, dass wir gemeinsam im Bundes- dies geht, wenn man den politischen Willen hat, trotz der tag die Leistungen der Menschen anerkennen, die in die unterschiedlichsten Farbenlehren, zeigt die Tatsache, Katastrophengebiete gegangen sind – zum Teil von Be- dass das Land Brandenburg Abkommen mit Sachsen- rufs wegen, zum Teil haben sie aber auch ganz spontan Anhalt, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ge- Hilfe geleistet –; denn durch diese Soforthilfe konnte hö- schlossen hat. Auch das hat uns bei diesem Hochwasser herer Schaden abgewendet werden. Deshalb ein dickes genutzt. Dadurch, dass wir die Polderflächen bei Havel- Dankeschön an diejenigen, die in den Hochwassergebie- berg bzw. bei uns bei Rathenow geflutet haben, hatten ten in der Not geholfen haben. wir die Chance, den Pegel um etwa 40 Zentimeter zu senken. Das war natürlich nicht die Welt. Es war aber (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN trotzdem eine Menge. Es ist ganz wichtig, dass wir wei- sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der ter darüber nachdenken. SPD, der FDP und der LINKEN) Wir dürfen uns unsere Zukunftschancen nicht ver- Herr Haseloff hat eben gesagt: Das Wasser kommt bauen. Das heißt: Wenn wir jetzt über die Aufbauhilfe schon wieder, die Pegel steigen schon wieder. – Auf je- reden, müssen wir gleichzeitig darüber reden, wie wir den Fall sind die großen Flutmassen aber jetzt erst ein- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32467

Bärbel Höhn (A) mal vorbei, sodass jetzt stärker an den Wiederaufbau ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) dacht werden kann. Gerade dann, wenn diese Phase sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des erreicht ist, muss man Lehren aus der Flut ziehen. Wir Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP]) müssen Konsequenzen für einen besseren Hochwasser- schutz ziehen, und wir müssen Konsequenzen ziehen, Zweitens. Wir müssen mehr für den Klimaschutz tun. damit die Schäden bei dem nächsten Hochwasser gemin- Klimaschutz ist Hochwasserschutz, meine Damen und dert werden. Denn das nächste Jahrhunderthochwasser Herren! Bei den Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen kommt bestimmt, und es kommt nicht erst in 100 Jahren. müssen, handelt es sich um Anpassungsmaßnahmen, die Deshalb müssen wir jetzt handeln und ein Konzept er- auch erheblich etwas mit dem Klimawandel zu tun ha- stellen. ben. Wenn wir Hochwasserschutz und Klimaschutz nicht gemeinsam denken, werden wir das Problem auf Dauer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht lösen. sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Wir haben 1993 und 1995 Extremhochwasser am Dr. [DIE LINKE]) Rhein gehabt – damals war die Kölner Innenstadt über- flutet –, 1997 an der Oder; 2002 war das Elbe-Hochwas- Drittens. Wir brauchen ein ganzheitliches Konzept für ser. 2005 gab es Hochwasser im Alpenraum, 2011 wie- den gesamten Fluss, nicht nur für einzelne Flussab- der an der Elbe und 2013 an der Elbe und an der Donau. schnitte. Ich kann das sagen, weil ich aus einem Bundes- Mehrere andere Hochwasser habe ich hier noch gar nicht land komme, das zu den Unterliegern gehört und damit erwähnt. Wir haben also immer öfter Hochwasser. Aus auf die Solidarität der Oberlieger angewiesen ist. diesen Hochwassern muss etwas gefolgert werden. Zum ersten Thema: ökologischer Hochwasserschutz. Ich bin 1995 Umweltministerin in Nordrhein-Westfa- Wir müssen hier ganz nüchtern feststellen: An der Elbe len geworden; das war mehrere Monate nach den beiden ist zwar viel für den technischen Hochwasserschutz, genannten Hochwassern in Köln. Ich habe damals genau aber aus meiner Sicht zu wenig zur Schaffung von Rück- die Arbeit gemacht, die eigentlich unattraktiv ist. Ich bin halteräumen getan worden. Denn jeder neue Deich ver- nach den Hochwassern in die betroffenen Gebiete ge- schärft das Problem für die Unterlieger, weil er dem gangen und habe dafür gesorgt, dass dort Polder einge- Fluss Raum nimmt. Man braucht dann wiederum mehr richtet und Maßnahmen ergriffen werden, die die Leute Platz, um die Unterlieger zu schützen. Das heißt: Wenn dort gar nicht haben wollten, weil sie an die Flut gar der Fluss nicht genug Raum hat, dann nimmt er sich die nicht mehr dachten. Ich habe auch Spundwände auf- Innenstadt von Köln oder Wohnungen in Magdeburg. (B) bauen lassen, gegen den Willen der Leute dort, die sag- Dass das passiert, müssen wir in Zukunft vermeiden; (D) ten, sie wollten lieber ihren freien Blick auf den Rhein denn das ist teuer. haben. Genau diese Arbeiten aber sind absolut notwen- dig, um beim nächsten Hochwasser vor die Menschen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten und ihnen sagen zu können: Wir haben auch den sowie bei Abgeordneten der SPD) zweiten Schritt gemacht. Wir haben euch auch in der Zeit geholfen, in der die Flut nicht da war, um vorzubeu- Das bedeutet auch, dass wir zum Beispiel mehr für gen und damit dafür zu sorgen, dass Schäden beim Auen und Auenwälder tun müssen. Denn es gibt einen nächsten Mal vermieden werden. einfachen Spruch, und er heißt: In den Auen nicht mehr bauen! – Wir dürfen nicht die Auen immer mehr be- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bauen und damit höhere Schäden in der Zukunft provo- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- zieren. Also in den Auen nicht mehr bauen! Da gehören KEN) Wälder hin; der Fluss muss zurückgehalten werden. Insoweit können wir von einem Land in Europa ler- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nen – ich jedenfalls habe viel von diesem Land gelernt –, sowie bei Abgeordneten der SPD) den Niederlanden. Die Niederländer sind diejenigen, die, was Wasser und Überflutungen angeht, die größte Erfah- Zum Thema „ökologischer Hochwasserschutz“ ge- rung in ganz Europa haben, weil die Niederlande unter hört auch, meine Damen und Herren, dass wir an das dem Meeresspiegel liegen und deshalb besonders betrof- Problem der Flächenversiegelung herangehen. Jeden Tag fen sind. Die Niederländer haben mir sehr deutlich ge- werden in Deutschland mehr als 80 Hektar verbaut und sagt: Es reicht nicht, Deiche aufzubauen und zu verstär- versiegelt. Das führt dazu, dass das Wasser über die be- ken, das wird beim nächsten Hochwasser nicht reichen, tonierten Flächen herüberschießt, nicht mehr versickert sondern ihr müsst dem Fluss mehr Raum geben. und am Ende in den Flüssen landet. Das heißt: Je mehr wir versiegeln, desto mehr verschärfen wir das Problem (Zuruf des Abg. Hans-Michael Goldmann des Hochwassers. Wir müssen mehr entsiegeln; wir dür- [FDP]) fen die Versiegelungspolitik in dieser Form nicht weiter- Deshalb ist es ganz wichtig, drei Punkte umzusetzen: führen. Erstens. Wir brauchen mehr ökologischen Hochwas- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN serschutz. Mit höheren Deichen allein kriegen wir das sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- Problem nicht in den Griff. KEN) 32468 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Bärbel Höhn (A) Das bedeutet auch: Wir müssen in der Landwirtschaft mehr ökologischen Hochwasserschutz, um konsequen- (C) etwas ändern. Es kann nicht sein, dass die Böden immer ten Klimaschutz und um eine stimmige Gesamtkonzep- mehr verdichtet werden, dass immer mehr Drainagen ge- tion für den Fluss. Das sind die Aufgaben, die wir zu er- legt werden, Wasser immer mehr aus den Flächen he- ledigen haben. raus- und in die Flüsse hineinfließt. Das heißt: Wir brau- chen eine andere Landwirtschaftspolitik, damit das Danke. Wasser besser zurückgehalten wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. KEN – In den Reihen der FDP-Fraktion fällt Dr. Petra Sitte [DIE LINKE] – Zurufe von der eine Tischverkleidung zu Boden) FDP: Blödsinn!) Präsident Dr. Norbert Lammert: – Reden Sie einfach mal mit den Experten und sagen Sie Herr Kollege Lindemann, ich nehme mit Interesse zur nicht immer: „Blödsinn!“ – Wenn wir meinen, das wäre Kenntnis, dass sich das Bedürfnis nach mehr Beinfrei- nur „Blödsinn“, werden wir beim nächsten Mal mehr be- heit zum Ende der Legislaturperiode offenkundig nicht zahlen müssen. nur bei Kanzlerkandidaten entwickelt, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Heiterkeit bei der LINKEN) sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- KEN) bitte aber dennoch, das Mobiliar pfleglich zu behandeln, weil wir es in der nächsten Legislaturperiode wieder Das, was Sie hier machen, ist keine vorsorgende Politik, brauchen. sondern eine rückwärtsgerichtete, sehr kurzfristig ange- legte Politik. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Außerdem gilt – mein zweiter Punkt –: Wir müssen mehr für den Klimaschutz tun. Deshalb muss ich auch Nun hat der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagen: Ich halte es für einen Widerspruch, dass die Bun- das Wort. desregierung hier auf der einen Seite über die Flutschä- den redet – zu Recht –, aber auf der anderen Seite ges- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) tern die CO2-Grenzwerte für Autos verwässert hat. Wer keinen ehrgeizigen Klimaschutz betreibt, der tut nichts Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan- zur Vorsorge gegen das nächste Hochwasser. Dieser Zu- zen: (B) sammenhang muss endlich einmal hergestellt werden. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Flut (D) war eine schlimme Katastrophe. Aber es hat sich auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gezeigt, dass unser Land in schwierigen Zeiten zusam- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- mensteht und große Herausforderungen bewältigen KEN) kann. Es kann auch nicht sein, dass wir in Deutschland auf (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei der einen Seite über höhere Deiche reden und auf der an- Abgeordneten der SPD und der LINKEN) deren Seite immer mehr Strom in klimaschädlichen Kohlekraftwerken erzeugen und damit weniger für den Ich will an dieser Stelle noch einmal allen danken, die Klimaschutz tun. Insofern zahlen die Flutopfer am Ende in der Stunde der Herausforderung in unglaublich ein- den Preis dafür, dass man vorher nichts für den Klima- drucksvoller Weise zusammengestanden sind und nicht schutz getan hat. lange gefragt haben: der Bundeswehr, dem Technischen Hilfswerk, der Bundespolizei, den Länderpolizeien, den Ich komme noch ganz kurz zu meinem letzten Punkt, Freiwilligen Feuerwehren und den unglaublich vielen dem Gesamtkonzept. Wir brauchen ein Konzept für den ehrenamtlichen Helfern. Auch die Bevölkerung insge- gesamten Fluss, und es muss international aufgestellt samt hat viel geleistet. Wir haben eine große Naturkata- sein. Da gibt es zwei wesentliche Punkte: strophe besser bewältigt, als wir das, wenn wir uns vor- Erstens. Wir müssen dem Fluss mehr Raum geben. her Gedanken darüber gemacht hätten, zu hoffen gewagt hätten. Darauf können wir ein Stück stolz sein, dafür Zweitens. Wir müssen die Geschwindigkeit des Was- können wir dankbar sein. Die freiheitliche Gesellschaft sers verringern. Es ist doch logisch: Wenn richtig viel hat sich als leistungsfähig erwiesen. Flusswasser mit einer Riesengeschwindigkeit kommt, dann ist das viel gefährlicher, als wenn das Wasser lang- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie sam fließt. Das bedeutet, dass wir zum Beispiel die der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE Rückhalteräume, die Auenbereiche, wieder aufbauen GRÜNEN]) müssen, um die Geschwindigkeit zu verringern. Das Bund-Länder-Verhältnis hat sich als handlungsfä- Meine Damen und Herren, wir haben die Flut an Do- hig erwiesen. Es war zwischendurch wie immer ein biss- nau und Elbe erlebt, und wir wissen: Wir müssen jetzt chen herausfordernd – das ist in Ordnung –, aber es zeigt handeln. Wir müssen nicht nur unbürokratisch Hilfe leis- sich: Wenn wir gesamtstaatliche Verantwortung anstre- ten, sondern müssen auch dafür sorgen, dass zukünftig ben, dann können wir im Bundestag schnell zu Entschei- die Schäden minimiert werden. Das heißt, es geht um dungen kommen. Auch dafür möchte ich mich ausdrück- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32469

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble (A) lich bedanken. Es ist keine Kleinigkeit, in einer Woche Sie haben doch gestern dagegen gestimmt, weil Sie (C) ein Gesetz in erster, zweiter und dritter Lesung zu be- der Meinung waren, dass die Aufnahme neuer Schulden schließen. nicht zu verantworten ist. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, der (Thomas Oppermann [SPD]: Sie sollen Sub- Nachtragshaushalt gehört dazu. Deswegen ist es gut, ventionen abbauen!) wenn Sie ihm heute zustimmen, auch wenn Sie gestern Und Herr Kollege Steinbrück hat gestern gesagt, wir hät- im Haushaltsausschuss in dieser Frage noch etwas ver- ten in den vier Jahren dieser Legislaturperiode die Schul- wirrt gewesen sind. den des Bundes um insgesamt 100 Milliarden Euro erhöht. Das trifft zu; so hoch ist die addierte Neuver- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schuldung. Frau Kollegin Höhn, Sie haben Ihre Rede ein biss- (Thomas Oppermann [SPD]: Bei den höchsten chen genutzt, um uns die grüne Grundsatzprogrammatik Steuereinnahmen in der Geschichte des Lan- im Allgemeinen darzustellen. des!) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- – Herr Kollege Oppermann, es hilft nichts, es wird nicht NEN]: Worüber reden Sie denn?) besser, durch jeden Zwischenruf wird es nicht besser. Ich sage es Ihnen. Das war sehr eindrucksvoll, aber ich will Ihnen doch sa- gen: Auch die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft ge- (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP – hört dazu. Sonst wären wir nämlich nicht in der Lage, so Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE schnell so umfassende Hilfe auf die Beine zu stellen. LINKE]) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der Finanzplan des Bundes für die Jahre 2009 bis 2013 vom 7. August 2009 – Finanzminister Peer Als Finanzminister sage ich Ihnen: Wenn es eine Si- Steinbrück, Innenminister Wolfgang Schäuble tuation rechtfertigt, dass man kurzfristig die Verschul- (Joachim Poß [SPD]: Bundeskanzlerin Frau dung erhöhen muss, dann eine solche Notsituation. Hier Merkel!) greifen die automatischen Stabilisatoren, über die wir uns im Grundsatz alle einig sind. Deshalb habe ich wirk- – ich kritisiere es doch gar nicht; ich sage es Ihnen nur –, lich nicht verstanden, warum Ihre erste Reaktion auf die der sah 86,1 Milliarden Euro Neuverschuldung für den Katastrophe gewesen ist: Jetzt müssen wir die Steuern Haushalt 2010, 71,7 Milliarden Euro für 2011, 58,7 Mil- erhöhen. – Nichts wäre unklüger. Wir brauchen nämlich liarden Euro für 2012 und 45,9 Milliarden Euro für 2013 (B) nicht nur hohe Steuersätze, die Sie befriedigen, sondern vor. Das macht zusammen 262,4 Milliarden Euro. Das (D) wir brauchen vor allem Steuereinnahmen. Die bekom- ist die Bundestagsdrucksache 16/13601. An diesen Da- men wir nur, wenn wir eine leistungsfähige Wirtschaft ten können Sie übrigens erkennen, wie erfolgreich wir in haben. Die dürfen wir nicht kaputtmachen. dieser Legislaturperiode gewesen sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Daraus folgt: Wir haben rechtzeitig gehandelt, um in Mit diesem Nachtragshaushalt können wir die ent- der Stunde der Not handlungsfähig zu sein. standenen Kosten finanzieren. Das fällt dem Finanz- minister nicht leicht, aber es ist die richtige Entschei- (Joachim Poß [SPD]: Gestern ist es wohl nicht dung. Wir bleiben trotzdem in großem Abstand zur so gut gelaufen!) Schuldenbremse, was wir uns am Anfang der Legislatur- In dieser Stunde der Not hat sich unser Land bewährt: periode gar nicht vorstellen konnten. Aufgrund einer vorsorgenden Politik, einer leistungsfä- Eines muss ich nun doch einmal sagen: Der Kollege higen Wirtschaft und zunehmend solider werdenden Steinbrück ist mein Vorgänger gewesen, und als mein Staatsfinanzen sind wir handlungsfähig gewesen. Darum Vorgänger war er wesentlich besser als als Kanzlerkan- und dank der gesamtgesellschaftlichen Solidarität konn- didat; aber das ist eine andere Geschichte. ten wir den von der Katastrophe Betroffenen schnell und unbürokratisch helfen. Dafür haben wir alle zusammen- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gewirkt. NEN]: Ist das jetzt das CDU-Wahlprogramm, Herzlichen Dank. das Sie gerade vortragen?) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – – Nein, Frau Kollegin Künast, ich zeige Ihnen, was ich Joachim Poß [SPD]: Das war eine seltsame meine. Einlage!) (Joachim Poß [SPD]: Sie missbrauchen das Stichwort Fluthilfe! – Gegenruf des Abg. Präsident Dr. Norbert Lammert: Patrick Döring [FDP]: Aber Sie nicht?) Ich erteile das Wort dem Kollegen Johannes Kahrs für die SPD-Fraktion. – Ja, ja, das weiß ich schon. (Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer (Joachim Poß [SPD]: Das ist sehr billige [CDU/CSU]: Nicht wieder eine Büttenrede Polemik!) wie gestern Abend!) 32470 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Johannes Kahrs (SPD): macht. Das sollte die Grundlage sein. Zusammen mit (C) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und den Kollegen aus den Ländern, die ihre Kommentare Kollegen! Herr Schäuble, ich glaube, wir sollten an die- dazu abgegeben haben, sollte man auf nationaler Ebene ser Stelle auch noch einmal kurz auf das Thema zurück- etwas Entsprechendes aufbauen. Das wird viele Jahre kommen. dauern, und es wird viele Widerstände vor Ort geben. Aber anders geht es nicht. Ansonsten werden wir hier (Dr. [CDU/CSU]: Nachtrags- häufiger über diese Fragen diskutieren müssen. haushalt! Ganz genau!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Als Landesvorsitzender der THW-Helfervereinigung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hans- Hamburg danke ich auch von dieser Stelle allen Helfern, Michael Goldmann [FDP]: Das ist doch nichts insbesondere den Helfern von der Bundeswehr, den Frei- Neues! Das machen wir doch, Herr Kahrs!) willigen Feuerwehren, den Polizeien und dem THW. Wenn man sich die Organisation des THW anschaut, – Das merkt man aber nicht so häufig. stellt man fest, dass es einen kleinen hauptamtlichen (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Natürlich Kern gibt und in der Masse aus Freiwilligen besteht. Das merkt man das!) heißt, wenn Tausende kommen, dann sind das Freiwil- lige, die ihren Arbeitsplatz verlassen, um zu helfen. In diesem Zusammenhang muss ich auch auf die Rede von Herrn Schäuble eingehen, die bemerkenswert Am 3. Juni 2013 gab das THW eine Pressemeldung wenig mit der Flut, aber sehr viel mehr mit der Rede von heraus: „Flutkatastrophe: Keine Entspannung in Sicht“. Herrn Steinbrück gestern zu tun hatte. Vielleicht haben Da ist von 2 000 THW-Einsatzkräften die Rede. Diese Sie ja selber gemerkt, dass das gestern kein guter Tag für 2 000 Leute wurden nach und nach ausgewechselt und Sie und Ihre Bundeskanzlerin war. durch andere Freiwillige ersetzt. Am 4. Juni hat das THW dann gemeldet: „Flutkatastrophe: Im Osten ver- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen schärft sich die Lage“. Da war wieder von 2 000 THW- bei der CDU/CSU) Kräften sowie weiteren 450 Einsatzkräften plus 270 Hel- Vielleicht haben Sie ja auch gemerkt, dass es gestern ferinnen und Helfern die Rede. Am 6. Juni waren es nicht gelaufen ist, und wollten heute noch einmal nach- dann 3 500 THW-Kräfte. In der THW-Pressemeldung bessern, um das, was Sie da Schlechtes geleistet haben, stand: „Flutkatastrophe: Kein Ende in Sicht“. Am 7. Juni hier noch einmal zu erklären. schrieb das THW: „Flutkatastrophe: Arbeiten dauern an“. Man kann das weiter durchdeklinieren. Am 9. Juni ( [CDU/CSU]: Haben Sie heute meldete das THW: „Weitere 2.000 THW-Kräfte einge- schon das Politbarometer gesehen? – Michael (B) troffen“. So geht es in den folgenden Tagen weiter. Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Politbarometer!) (D) Das große ehrenamtliche Engagement zeigt sich also Aber vielleicht kann man Ihnen das auch einmal na- eben auch in diesen Organisationsformen, die es so in hebringen. kaum einem anderen Land gibt. Der Einsatz dieser Men- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie müssen mir schen, die Sandsäcke gestapelt haben, hat es am Ende nichts nahebringen!) gebracht. Diesen Einsatz muss man unterstützen. Wir alle wollen helfen. Wenn man sich den Gesetzent- (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) wurf anschaut, sieht man, dass der Gesetzentwurf mit Das ist das, was der Bundestag, die Abgeordneten des dem Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung eines Bundestages und die Bundesregierung unterstützen müs- Sondervermögens ‚Aufbauhilfe‘ und zur Änderung wei- sen. terer Gesetze“ ein Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen ist. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Tun wir doch!) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Linke vergessen!) Ich meine, das haben wir überparteilich vernünftig hin- bekommen. Das muss man an dieser Stelle betonen. Da sind wir alle beieinander. Gestern im Haushaltsaus- schuss haben wir nicht über die 8 Milliarden Euro abge- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten stimmt, sondern über einen Gesetzentwurf, der heute der LINKEN) auch vorliegt, mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes Ganz besonders möchte ich mich bei der Kollegin über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaus- Höhn bedanken, die in ihrer Rede aufgezeigt hat, was haltsplan für das Haushaltsjahr 2013“. Dieser Entwurf man strukturell tun muss, damit es nicht wieder zu einer umfasst übrigens auch das Betreuungsgeld und viele an- Katastrophe kommt. Als Hamburger kann ich sagen: dere Dinge. Wir werden dem hier im Bundestag zustim- Wer nicht will deichen, muss weichen. Das ist ein alter men; das ist nicht strittig. Wir haben im Haushaltsaus- Spruch. Das reicht heute aber nicht mehr. schuss aber nicht zugestimmt, um Ihnen einfach einmal zu sagen, Herr Schäuble, dass das, was Sie hier ablie- (Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer fern, unsolide, in der Sache falsch und nicht gegenfinan- [CDU/CSU]) ziert ist. Deswegen muss man das weiterdenken und entspre- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten chend durchdeklinieren. Das hat sie in ihrer Rede ge- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32471

Johannes Kahrs (A) Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Planlo- Da haben die Länder unter Führung von den (C) ses Verhalten! Sie haben sich verstimmt!) Bundesfinanzminister ziemlich über den Tisch gezogen. Als Hamburger kann ich das erst einmal nicht schlecht Mein Kollege hat hier an dieser Stelle schon einmal finden. Als Bundespolitiker muss ich sagen: Das wäre in gesagt: Das, was wir hier machen, machen wir auf keiner anderen Konstellation so möglich gewesen. Pump. Bundeskanzler Schröder hat es damals unter Rot- Grün sauber gegenfinanziert. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wenn wir uns das anschauen, dann stellen wir fest, der FDP) dass Ihr Versuch, Herr Schäuble, die peinliche Leistung Das ist etwas, was man als Haushälter ab und zu einfach von gestern glattzuwaschen, nicht funktioniert hat. Wir einmal zur Kenntnis nehmen muss. reden hier über Aufbauhilfe. Wir reden hier darüber, was man tun muss, um solche Fluten künftig zu vermeiden. (Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer Wir wären auch dafür, eine vernünftige strukturelle Lö- [CDU/CSU]: Da waren wir noch der kranke sung zu finden. Diese sollte aber solide finanziert sein, Mann Europas!) nicht über Schulden, nicht auf Pump, wie Sie es in der Regel am besten können. Sie können das nicht. Gegenfinanzierung scheint nicht Ihr Ding zu sein. Sie, Herr Schäuble, machen das, was Vielen Dank. Sie am besten können: Sie arbeiten auf Pump. (Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Warum stimmt CSU: Schulden sind immer auf Pump!) ihr dann eigentlich zu?) Das ist das Kennzeichen Ihrer Politik, das Kennzeichen Präsident Dr. Norbert Lammert: Ihrer Haushaltspolitik. Wir haben uns im Haushaltsaus- Der Parlamentarische Staatssekretär Jan Mücke hat schuss so verhalten, um einfach einmal darauf hinzuwei- nun als Nächster das Wort. sen. Im Nachtragshaushalt wird nämlich der gesamte (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Schuldenberg aufgeführt: 17,1 Milliarden Euro plus die der CDU/CSU) 8 Milliarden Euro, das sind 25,1 Milliarden Euro. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Deswegen haben wir Ihnen im Haushaltsausschuss gesagt, dass das so nicht Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminis- geht. ter für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Schauen wir uns den entsprechenden Entwurf einmal (B) Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege (D) genauer an. Kahrs, Sie sind ja schon lange im Haushaltsausschuss. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Einmal so, ein- Als langjähriger Haushälter müsste Ihnen bekannt sein, mal so! Sie waren gar nicht einheitlich! – Wei- dass es ohne einen Nachtragshaushalt keinen Fluthilfe- tere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP) fonds geben kann. Wer also gegen einen Nachtragshaus- halt stimmt, stimmt gegen die Errichtung eines Fluthilfe- – Wer viel brüllt, hat nicht immer recht, also halten Sie fonds. Die SPD hat gestern die Flutopfer im Regen sich entsprechend zurück. stehen lassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Thomas Oppermann [SPD]: Wir stimmen aber Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hätten Sie für den Nachtragshaushalt! Machen Sie aus ei- sich gestern bei Ihrer Rede einmal merken sol- ner Mücke keinen Elefanten!) len! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP) Nächster Punkt: Im Zuge von Deichrückverlegungen hat der Freistaat Sachsen in den letzten Jahren mehr als – Das muss ja gestern gesessen haben, Herr Kauder. 100 Hektar zusätzlichen Raum für die Flüsse geschaffen. (Zuruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: – Ja, natürlich. Aber da haben wir über die Fehlleistun- Aber 5 000 Hektar wären möglich gewesen! gen Ihrer Bundeskanzlerin gesprochen, über die Art und Das ist doch nichts!) Weise, wie sie Politik macht. Das scheint ja auch getrof- Alles, was hier angemahnt wurde, ist in den letzten Jah- fen zu haben. Es scheint ja zu sitzen. Ich sehe, wir ver- ren angegangen worden. Nach 2002 hat der Freistaat stehen uns. Sachsen, mein Heimatland, 120 Kilometer Deiche sa- Wenn Sie sich den Entwurf eines Gesetzes zur Errich- niert und 23 Kilometer neu gebaut. Aber für 297 Kilo- tung eines Sondervermögens anschauen, dann finden Sie meter, meine Damen und Herren, laufen noch die Pla- ganz hinten Art. 4 „Änderung des Entflechtungsgeset- nungs- und Genehmigungsverfahren. Damit sind wir am zes“. Dort steht: „Das Entflechtungsgesetz vom 5. Sep- Punkt. Wir haben kein Erkenntnisdefizit und auch kein tember 2006 … wird wie folgt geändert“. Die entspre- Regelungsdefizit, was das Thema Hochwasservorsorge chenden Zahlungen des Bundes werden demnach bis und Hochwasserschutzmaßnahmen angeht. Wir haben 2019 fortgeführt. Das muss einen hier nicht wirklich ein gutes Raumordnungsgesetz, das die Grundsätze der groß interessieren. Für die Haushälter unter uns sage ich: Raumordnung festlegt. Es legt auch fest, wie beim 32472 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Parl. Staatssekretär Jan Mücke (A) Hochwasserschutz zu verfahren ist, und stellt klar, dass Wasser, das bis zum ersten Stock stand, zurückgegangen (C) den Flüssen mehr Raum gegeben werden muss. Wir ha- war, die Einrichtungsgegenstände – das, was vorher ben ein gutes Wasserhaushaltsgesetz, das genau dies re- Schlafzimmer, Wohnzimmer, Kinderzimmer war – auf gelt. Defizite haben wir aber bei der Umsetzung der Pla- die Straße getragen werden mussten, weil sie Müll wa- nungsverfahren, beim Erlangen von Baurecht; überall ren, und in Container kamen. Wenn die Menschen zu- dort haben wir Schwierigkeiten. rückkamen, haben sie ganz unterschiedlich reagiert: die einen ganz still, die anderen weinend, die anderen ver- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten zweifelt. Überall herrschte Fassungslosigkeit. der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wenn es um Menschenle- Da war es sehr wichtig, dass Bürgermeister, Landräte, ben geht, wenn es um Hab und Gut geht, dann müssen Abgeordnete, Minister den Menschen sagen konnten: Ihr die Interessen von Käfern und Fledermäusen zumindest seid nicht allein; euch wird geholfen. – Das war eine nach elf Jahren Planungszeit irgendwann einmal zurück- wichtige Botschaft. Dass sie abgegeben werden konnte, stehen. verdanken wir den vielen, vielen Tausend Helfern der Freiwilligen Feuerwehren, des THW, der Katastrophen- (Zurufe von der LINKEN) schutzorganisationen, die nicht nur in diesem Einsatz tä- Dann muss es darum gehen, dass wir Hochwasserschutz- tig sind, sondern sich auch über viele Jahre ständig auf maßnamen schnell umsetzen. solche Einsatzfälle vorbereiten, die viel von ihrer Frei- zeit, von ihrer Kraft, von ihrer Energie hingeben, um (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) sich ausbilden zu lassen. Ihnen gehört unser Dank für Deshalb schlagen wir vor, die bewährten Planungsbe- ihre Leidenschaft und für ihren Idealismus. schleunigungsgesetze aus den 90er-Jahren und aus dem (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei letzten Jahrzehnt auch für Hochwasserschutzmaßnah- Abgeordneten der SPD und der LINKEN) men zu öffnen. Denn das, was für die Durchführung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen richtig gewesen ist Wie gut das klappt, konnten wir, Andi Scheuer und – Planungsbeschleunigung, schnelles Baurecht, keine ich, übrigens in Passau erleben, wo Bundespolizei, langen Einspruchsfristen, keine Klagen –, das ist, glaube THW, Freiwillige Feuerwehr, Bundeswehr nebeneinan- ich, das, was wir jetzt auch für den Hochwasserschutz der ihre Boote und Einsatzzüge hatten und wo Hand in anwendbar machen müssen. Wir müssen schnell han- Hand gearbeitet wurde. Mit Wasserwerfern hat die Bun- deln. Geredet worden ist lange genug. despolizei die Bevölkerung mit Trinkwasser versorgt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Und mit (B) der CDU/CSU) Hubschraubern!) (D) Letzter Punkt. Meine Damen und Herren, bitte kom- Das war eine wirklich große, auch organisatorische Leis- men Sie nach Sachsen-Anhalt, nach Sachsen, nach Nie- tung. Aus Bundessicht kann man sagen: Die Investitio- dersachsen, in alle Bundesländer, die vom Hochwasser nen in unser THW haben sich gelohnt und lohnen sich. betroffen sind! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bun- desministerin: Bayern!) Ich möchte an dieser Stelle ganz klar sagen, dass die Einsatzkosten, die in diesem Zusammenhang angefallen – Bayern, selbstverständlich. – Bitte machen Sie Urlaub sind, der Bund selbst trägt. Weil es da irgendwelche ko- in Deutschland! Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass der mischen Gerüchte gibt, wiederhole ich: Der Bund trägt Flutwelle nicht die Pleitewelle folgt. Bitte machen Sie die Einsatzkosten des THW im Zuge der Fluthilfe selbst; Urlaub in Deutschland! Es ist schön hier. das möchte ich nur zur Klarstellung sagen, entgegen all (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) den Gerüchten, die es da geben mag. Ich möchte mich auch bei den Arbeitgebern bedan- Präsident Dr. Norbert Lammert: ken, die die Helfer des THW und der Feuerwehr freige- Nächster Redner ist der Bundesminister des Innern, stellt haben. Das haben sie nicht nur in Anbetracht der Hans-Peter Friedrich. jetzigen Flut, in der akuten Situation getan, sondern sie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- stellen sie vielfach auch zu Ausbildungszwecken und für neten der FDP) Einsätze, die in der Zwischenzeit stattfinden, frei. Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade die Mittel- ständler und die Handwerksbetriebe vermissen diese Dr. Hans-Peter Friedrich, Bundesminister des In- Leute schmerzlich. Auf der anderen Seite muss man ih- nern: nen natürlich sagen: Ihr habt mit diesen Idealisten, mit Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und diesen gut ausgebildeten Leuten auch wertvolle Mitar- Herren! Die Wassermassen bei der Flut 2013 waren grö- beiter in euren Betrieben. ßer als die bei der Flut 2002. Aber wir waren diesmal besser aufgestellt, wir waren besser ausgestattet, und die Ich bedanke mich bei den Arbeitgebern ganz herzlich Organisation hat besser geklappt. Dennoch: Es war für ihre Kooperationsbereitschaft. Ich selber habe als schon ein herzzerreißendes Bild, wenn man mit den Be- Dienstherr des THW zusammen mit den Arbeitgebern wohnern dort stand und gesehen hat, wie, nachdem das schon Veranstaltungen organisiert, um einerseits diesen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32473

Bundesminister Dr. Hans-Peter Friedrich (A) Dank auszudrücken und andererseits die Bereitschaft der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) Arbeitgeber zu wecken. der CDU/CSU) Die Profis von THW, Bundespolizei und Bundeswehr haben – ob das in Rosenheim war, ob das in Deggendorf Horst Meierhofer (FDP): war, ob das in Pirna war – weit über das hinaus gearbei- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Na- tet, was sie leisten müssen. Die Bundespolizei war über türlich schließe ich mich dem Dank des Innenministers die Dienstzeiten hinaus Tag und Nacht im Einsatz. Auch an. Die Erfahrung, die ich gemacht habe, war: Wenn es das ist ein wunderbares Beispiel für den Einsatzwillen in überhaupt Engpässe gab, dann bei den Gerätschaften. unserem Land. Wie viele Menschen bereit waren, mitzuhelfen, war Wir werden – das wird gerade auf den Weg gebracht – wirklich beeindruckend. Das war – da schließe ich mich für die Fluthelfer eine Fluthelfermedaille stiften. Wir dem Innenminister sehr gerne an – wirklich ein tolles werden hoffentlich schon in den nächsten Wochen die Beispiel für die Solidarität, die es in Deutschland gibt. ersten dieser Medaillen und Urkunden vergeben können; Bund und Länder haben sich jetzt – das hat gut funk- sie sind ein kleines Zeichen unseres Dankes. Die Länder tioniert – gemeinsam darauf verständigt, wie es finan- haben signalisiert, dass sie das in ihrem Bereich auch ziell weitergehen soll, damit den Menschen jetzt unbüro- machen wollen. kratisch, schnell und unkompliziert geholfen wird. Bewährt hat sich auch die Arbeit des Bundesamts für Die Frage ist jetzt: Wie geht es weiter? Zusätzlich zu Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Das Lage- den Gesetzentwürfen bezüglich der Hilfeleistungen ha- zentrum dort hat hervorragend gearbeitet. ben wir einen Entschließungsantrag vorbereitet, in dem Was die 1,7 Millionen Helfer bewerkstelligt haben, ist wir aufzeigen, was jetzt die nächsten Schritte sein soll- beeindruckend. Bartholomäus Kalb und ich standen am ten. Ich glaube, da haben wir alle ein bisschen Nachbes- Ortseingang in Fischerdorf. Dort konnten wir zuschauen, serungsbedarf, und darauf würde ich gerne eingehen. Es wie sich die freiwilligen Helfer, die aus allen Teilen ist uns auch 2002 gelungen, auf die Flut zu reagieren. Es Deutschlands kamen, bei den Studentinnen und Studen- ist aber weniger gut gelungen, danach die notwendigen ten der FH Deggendorf registrieren lassen konnten. Maßnahmen einzuleiten. 2005 hatten wir ebenfalls Hochwasser. Die in der Folge geplanten Hilfen gegen (Beifall des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/ Hochwasser konnten nicht schnell umgesetzt werden, CSU]) weil es zu Streitereien zwischen Bund und Ländern kam. Sie wurden dann Häusern, wo sie helfen konnten, zuge- Wir müssen diese Streitereien jetzt beenden. Es ist völlig teilt. Das war wirklich eine wunderbare Erfahrung. egal, wer auf Bundes- oder Landesebene die Verantwor- (B) tung trägt, es muss eine Selbstverständlichkeit sein, dass (D) In Döbeln hat ein älterer Herr zu mir gesagt: „Ich wir jetzt endlich zu einem Ergebnis kommen müssen, hätte nicht geglaubt, dass es noch eine solche Solidarität bei dem uns weder der Föderalismus noch ein Wett- in unserem Land gibt. Nachdem ich das alles gesehen bewerb der Länder untereinander bremst. Man muss habe, bin ich optimistisch für die Zukunft Deutsch- merken, dass der Hochwasserschutz eine mindestens na- lands.“ Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist tionale Aufgabe ist, die es in allen Bereichen voranzu- eine wichtige Botschaft. Entgegen allen Behauptungen, treiben gilt. dass in diesem Land nur Egoisten und Ichlinge leben würden, gibt es hier eine große Solidarität. Darüber kön- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten nen wir uns freuen, und darauf sollten wir auch stolz der CDU/CSU) sein. Frau Höhn, das, was Sie gesagt haben, ist zu einem (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie großen Teil richtig. Eine ganze Menge dieser Punkte ha- der Abg. Hans-Ulrich Klose [SPD] und ben wir in unserem Entschließungsantrag aufgelistet. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) Bei den Flussgebietsgemeinschaften dürfen nicht Lassen Sie mich zum Abschluss noch sagen, dass der mehr nur einzelne Abschnitte betrachtet werden. Das gilt Stab „Fluthilfe“ im Bundesministerium des Innern ein sowohl für die Elbe als auch für die Donau. Daneben Internetportal eingerichtet hat – es ist über die Internet- stellt sich die Frage, wie man es schafft, dass weniger seite des BMI erreichbar –, wo jeder, der Schäden erlit- Wasser in die großen Hochwassergebiete fließt, sodass ten hat, sich informieren kann. Dort erfährt man, wo man die Schutzmauern nicht mehr so hoch gebaut werden Hilfe bekommt und wo man Anträge stellen muss. Wich- müssen. Das ist sicher auch ein wichtiger Punkt. Hier tig ist jetzt die Botschaft an die Menschen, dass sie nicht müssen wir mehr tun. Eine gemeinsame Aufgabe ist alleingelassen werden, dass ihnen geholfen wird. Allen, auch, die Altarme wieder anzubinden und dafür zu sor- die das möglich machen – auch Ihnen in diesem Haus –, gen, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben. ganz herzlichen Dank dafür! Das Problem dabei ist die Zuständigkeitenverteilung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) zwischen dem Bund und den Ländern. Es gibt unter- schiedliche Zuständigkeiten für das Planungsrecht beim Präsident Dr. Norbert Lammert: Hochwasserschutz auf der einen Seite und bei Renaturie- Das Wort erhält nun der Kollege Horst Meierhofer für rungsmaßnahmen auf der anderen Seite. Einmal sind die FDP-Fraktion. dies die Wasserwirtschaftsämter, und einmal ist dies die 32474 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Horst Meierhofer (A) Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, die relativ unab- Präsident Dr. Norbert Lammert: (C) hängig voneinander tätig sind. Das Wort erhält der Kollege Norbert Brackmann für die CDU/CSU-Fraktion. Ich habe vor einem Jahr eine Anfrage an den Bundes- und die Landesminister gerichtet. Man sollte hier zumin- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- dest einen Runden Tisch einführen und sich fragen: Was neten der FDP) ist unser gemeinsames Ziel? Ist diese ökologische Maß- nahme nicht auch für den Hochwasserschutz wichtig? Norbert Brackmann (CDU/CSU): Wäre es deswegen nicht vernünftig, das aus einer Hand Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten zu machen? Hier erwarte ich ein bisschen Entgegenkom- Damen und Herren! Jeder von uns weiß, dass wir in ei- men von den Ländern. Ich glaube, wenn das gelänge, ner Mediendemokratie leben und uns natürlich von den dann würden wir auch wieder einen großen Schritt wei- Bildern leiten lassen, die wir in den Medien sehen – auch ter sein. bei dem, was wir hier im Bundestag debattieren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Wie der eine oder andere von Ihnen weiß, bin ich der CDU/CSU) selbst bei der Hochwasserkatastrophe als Einsatzab- schnittsleiter tätig gewesen, weswegen ich den heutigen Auch zwischen den Ländern, also nicht nur zwischen Morgen dafür nutzen möchte, eingangs einmal auf dieje- dem Bund und den Ländern, gibt es unterschiedliche nigen hinzuweisen, die Großes vollbracht haben, ohne Ansichten. An der Elbe beispielsweise wurden unter- ständig in den Medien zu stehen: schiedlich hohe Deiche gebaut, je nachdem, zu welchem Bundesland die jeweilige Seite gehört. Auch das kann Ich danke der älteren Dame mit einer größeren Woh- nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Hier müssen wir nung, die ohne sich anzuschauen, wer von den Evakuier- endlich zu einer vernünftigen Abstimmung kommen. Ich ten zu ihr kommen wird, also ohne sich den Untermieter habe die große Hoffnung, dass es auch hier vorwärts- auszusuchen, gesagt hat: Ich nehme sie auf. – Auch sie geht. gehört in das Licht der Öffentlichkeit. Hinsichtlich des technischen Hochwasserschutzes bin (Beifall im ganzen Hause) ich allerdings anderer Meinung. Beim ökologischen Ich denke an die Unternehmen, die alleine in meinem Hochwasserschutz liegen unsere Ansichten nah bei- Einsatzabschnitt Waren im Wert von über 150 000 Euro einander, aber es funktioniert eben nicht nur das eine zur Verfügung gestellt haben, um gerade auch in der An- oder das andere. fangsphase den Menschen, die in Not geraten sind, und den Helfern, die diesen Menschen zur Seite gestanden (D) (B) Wir haben es in Regensburg mit technischen Hoch- haben, unbürokratisch und schnell zu helfen. wasserschutzmaßnahmen geschafft, dass die in diesem Jahr sehr viel höhere Flut als 2002 sehr viel niedrigere Ich denke an die Helfer des Deutschen Roten Kreuzes Auswirkungen für die Menschen hatte, indem wir bei- – in meinem Einsatzabschnitt waren es 1 200 Helfer –, spielsweise mobile Elemente eingesetzt haben. Wir die rund um die Uhr viermal am Tag die Verpflegung be- brauchen eine Beschleunigung der Planungsverfahren reitet haben. für den technischen Hochwasserschutz. Ich denke nicht zuletzt auch an die Kameradinnen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten und Kameraden der Deutschen Lebensrettungsgesell- der CDU/CSU) schaft, die, obwohl ihre eigene Unterkunft abgesoffen ist, draußen auf der Elbe waren, um die Deiche und die Es wird nicht funktionieren, wenn wir beispielsweise Häuser derjenigen, die aus ihren Häusern fliehen muss- ausschließlich sagen: Wir müssen die Bauern enteig- ten, vor dem Hochwasser zu schützen. nen. – Nein, wir müssen ihnen Angebote unterbreiten, beispielsweise Auenprämien, Dies sind wenig in den Medien genannte, aber ge- nauso wertvolle Taten, derer wir heute Morgen auch ge- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten denken sollten. der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und sagen: Wir brauchen eure Flächen auch als Reten- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tionsräume. Ihr dürft nicht wirtschaftlich darunter zu lei- Jetzt sind die Medien weg. Aber die Menschen kom- den haben. – Wenn wir das nicht tun, werden wir diesen men zurück in ihre Wohnungen, wo die Holzfußböden Kampf weiterführen und verlieren. aufgequollen sind, wo sie im Erdgeschoss nicht mehr le- ben können. In alten, denkmalgeschützten Gebäuden Deswegen müssen wir jetzt bitte zusammenstehen. müssen sie den Lehm von den Wänden klopfen, womög- Die Solidarität, die es jetzt zwischen den Ländern gab, lich dringt aus dem Obergeschoss ständig Modergeruch brauchen wir jetzt auch zwischen dem Bund und den heraus. Es sind keine Medien mehr da. Niemand hilft Ländern. Ich glaube, hier können wir auf dem Gebiet des dort konkret, und wir fangen an – gestern im Haushalts- Föderalismus noch einiges tun. ausschuss und heute hier –, zu diskutieren, was wir künf- Herzlichen Dank. tig tun können. Wir sollten uns erst einmal darauf kon- zentrieren, wie wir diesen Menschen heute mit dem (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) helfen, was unser Staat zu leisten in der Lage ist. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32475

Norbert Brackmann (A) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (C) Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beides machen, damit die nicht beim nächsten Präsident Dr. Norbert Lammert: Mal wieder im Modder sitzen!) Ich schließe die Aussprache. – Den Menschen mit dem Modder in der Wohnung hilft Wir kommen zur Abstimmung über den von den es nicht, liebe Frau Höhn, wenn Sie ihnen sagen, dass Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/ wir in 20 Jahren vielleicht auf ökologische Art und Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Weise die Elbe renaturiert haben. Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe“ und (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: zur Änderung weiterer Gesetze. Der Haushaltsausschuss Aber denen hilft es, wenn sie in drei Jahren empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfeh- vielleicht keinen Modder haben!) lung auf der Drucksache 17/14264, den Gesetzentwurf der gerade genannten Fraktionen auf der Drucksache 17/14078 Wir haben heute diese Notlage. Insofern ist es bemer- in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejeni- kenswert, in welch großer Solidarität – wir sollten versu- gen, die dem Gesetzentwurf in dieser Ausschussfassung chen, sie nicht heute schon aufzugeben – Politiker aus zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer ist dage- Ländern und Bund über die Parteigrenzen hinweg sich gen oder möchte sich der Stimme enthalten? – Damit ist zusammengefunden haben, um innerhalb einer Woche der Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig ange- dieses 8-Milliarden-Euro-Programm zu stemmen. Die- nommen. sen Gesetzentwurf sollten wir heute beschließen. Ich bitte zur Mit Verlaub und der gebotenen Zurückhaltung: Ich dritten Beratung finde es schon ein starkes Stück, Herr Kahrs, was Sie uns heute Morgen hier geboten haben. Sie begründen Ihre und Schlussabstimmung diejenigen, die dem Gesetzent- Ablehnung dieses Programms unter Verweis auf das Be- wurf zustimmen wollen, sich von den Plätzen zu erhe- treuungsgeld und Ähnliches. ben. – Das sieht nach einem sehr ähnlichen Abstim- mungsergebnis wie zuvor aus. Wer möchte gegen diesen (Johannes Kahrs [SPD]: Das machen wir gar Gesetzentwurf stimmen? – Das ist niemand. Möchte sich nicht! Ich stimme dem zu, nur nicht der Finan- jemand der Stimme enthalten? – Auch hier sehe ich nie- zierung! Auf Pump wollen wir das nicht! Das manden. Damit ist der Gesetzentwurf vom Haus einstim- sollten Sie sich merken!) mig angenommen. – Den Menschen, das sei Ihnen deutlich gesagt, hilft es Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent- (B) gar nicht, wenn Sie im nächsten Jahr die Steuern erhö- schließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der (D) hen wollen. Die Menschen wollen heute das Geld haben. FDP auf der Drucksache 17/14265. Wer stimmt für die- Sie brauchen es heute, und wir als Bund sind in der sen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Lage, es heute zur Verfügung zu stellen. Wer enthält sich? – Damit ist der Entschließungsantrag (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – mit den Stimmen der Koalition angenommen. Johannes Kahrs [SPD]: Mit Schulden!) Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Haus- Wenn das deutsche Parlament auf Menschen wie Sie haltsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Er- gehört hätte, dann hätte es die Politik von Peer richtung eines Sondermögens „Aufbauhilfe“ und zur Än- Steinbrück fortgesetzt, der von 2005 bis 2009 Mehraus- derung weiterer Gesetze. Unter Buchstabe b seiner gaben von 16 Prozent produziert hat. Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa- (Joachim Poß [SPD]: Mit Frau Merkel zusam- che 17/14176 für erledigt zu erklären. Wer stimmt dieser men! Täuschen Sie doch nicht! Mit Frau Beschlussempfehlung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer Merkel zusammen, mit der Bundeskanzlerin!) enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenom- men. Diese Regierung wird von 2009 bis 2013 3 Prozent we- niger Ausgaben produziert haben. Spare in der guten Unter dem Zusatzpunkt 21 setzen wir die Abstim- Zeit, dann hast du in der Not! Von dieser Weisheit ma- mung über die Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- chen wir Gebrauch. Das sollte das Signal an die Bevöl- schusses auf Drucksache 17/14264 fort. Der Ausschuss kerung sein. empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfeh- lung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mit dem Titel „Flutopfern helfen – Hochwasserfonds Da hilft keine billige Polemik. Vielmehr sollten wir einrichten“. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung diese Solidarität, die wir bisher aufgebracht haben, über zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit den Tag hinaus retten; denn die schweren Aufgaben lie- ist die Beschlussempfehlung gegen die Stimmen der gen jetzt unmittelbar vor uns. An diese Aufgaben sollten Fraktion Die Linke mit den übrigen Stimmen des Hauses wir uns wagen. Die Menschen werden uns an dem mes- angenommen. sen, was wir tun, und nicht an dem, was wir für die Zu- Unter Buchstabe d empfiehlt der Ausschuss die Ab- kunft versprechen. lehnung des Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Danke schön. nen auf Drucksache 17/14079 mit dem Titel „Flutopfern 32476 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) solidarisch helfen – Hochwasserschutz ökologisch mo- b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- (C) dernisieren“. Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit (11. Ausschuss) ist auch diese Beschlussempfehlung mehrheitlich ange- nommen. – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, Unter dem Tagesordnungspunkt 69 b geht es um die weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE Abstimmung über den von der Bundesregierung einge- LINKE brachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haus- Angleichung der Renten in Ostdeutschland haltsjahr 2013. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in sei- auf das Westniveau bis 2016 umsetzen ner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14080 – zu dem Antrag der Abgeordneten und 17/14081, den Gesetzentwurf der Bundesregierung Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin auf den Drucksachen 17/14000 und 17/14020 anzuneh- Andreae, Monika Lazar, weiterer Abgeordne- men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- stimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt da- NEN gegen? – Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung einstimmig ange- Gleiches Rentenrecht in Ost und West, Ren- nommen. tenüberleitung zum Abschluss bringen (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Herr Kahrs hat – Drucksachen 17/10996, 17/12507, 17/13971 – zugestimmt! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Nicht verstanden oder nicht zu- Berichterstattung: gehört!) Abgeordnete Silvia Schmidt (Eisleben) Dritte Beratung c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales und Schlussabstimmung. Diejenigen, die dem Gesetz- (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne- entwurf zustimmen wollen, bitte ich, sich von den Plät- ten Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald, zen zu erheben. Dr. Gregor Gysi, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (Zuruf des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU] – (B) Gegenruf der Abg. Waltraud Wolff [Wol- Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Korrektur (D) mirstedt] [SPD]: Ihr habt gar nichts verstan- der Überleitung von DDR-Alterssicherungen den!) in bundesdeutsches Recht – Die Aussprache war geschlossen. Wir befinden uns – Drucksachen 17/7034, 17/13865 – jetzt im Abstimmungsvorgang. – Auch wenn ich dafür Berichterstattung: keine wirkliche Erfolgsaussicht sehe, frage ich, ob je- Abgeordneter Peter Weiß (Emmendingen) mand gegen diesen Gesetzentwurf stimmen möchte. – Das ist nicht der Fall. Enthält sich jemand der Stimme? – d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Silvia Auch das ist nicht der Fall. Damit ist auch der Nachtrag Schmidt (Eisleben), Anton Schaaf, Gabriele zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2013 Hiller-Ohm, weiterer Abgeordneter und der Frak- einstimmig angenommen. tion der SPD (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Stufenplan zur Angleichung des Rentensys- tems in Ost und West jetzt auf den Weg brin- Ich bedanke mich dafür, dass dies trotz der aus ver- gen ständlichen Gründen unterschiedlichen Akzente am Ende einmütig so verabschiedet werden konnte. – Drucksache 17/13963 – Ich rufe nun unsere Tagesordnungspunkte 70 a bis e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- 70 f auf: richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald, Diana – zu dem Antrag der Abgeordneten Iris Gleicke, Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Anette Kramme, Silvia Schmidt (Eisleben), DIE LINKE weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Vertrauensschutz bei Rentenleistungen für alle aus der DDR Geflüchteten, Abgeschobe- Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeits- nen und Ausgereisten gewähren gruppe zur Vorbereitung eines „Renten- überleitungsabschlussgesetzes“ und zur – Drucksache 17/13453 – Einrichtung eines „Härtefallfonds“ Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32477

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) – zu dem Antrag der Abgeordneten Iris Gleicke, schäftigten im Osten in die gesetzliche Rentenversiche- (C) Anette Kramme, Silvia Schmidt (Eisleben), rung eingezahlt. Insofern ist das ein Irrtum. weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Dann gibt es einen unglücklichen Vergleich durch die Bild-Zeitung und die Grünen. Die meinen nämlich, dass Sofortige Ost-West-Angleichung von pau- die Ostrenten zu hoch seien. Die Bild-Zeitung und die schal bewerteten Versicherungszeiten beim Grünen vergleichen den Durchschnitt der Ostrenten mit Erwerb von Entgeltpunkten für die Renten- dem Durchschnitt der gesetzlichen Westrenten. Warum versicherung vornehmen ist das falsch? Erstens berücksichtigen sie nicht, dass die Frauen im Osten viel stärker erwerbstätig waren als – Drucksachen 17/6486, 17/6487, 17/8956 – Frauen im Westen, die selbstverständlich auch gearbeitet Berichterstattung: haben, aber eben nicht in der Erwerbstätigkeit. Zweitens Abgeordneter Frank Heinrich bedenken sie nicht, dass im Osten 1990 sämtliche Be- triebsrenten gestrichen worden sind, die im Westen f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- selbstverständlich geblieben sind. Drittens bedenken sie richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales nicht, dass im Westen viele eine Lebensversicherung ab- (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne- geschlossen hatten. So etwas gab es im Osten vor dem ten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Beitritt gar nicht. Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Iris Gleicke [SPD]: So ganz richtig ist das aber nicht!) Altersarmut bekämpfen – Mit der Garantie- rente Dadurch müssen Ostrentnerinnen und Ostrentner aus- schließlich von ihrer gesetzlichen Rente leben. Das müs- – Drucksachen 17/13493, 17/14084 – sen natürlich auch viele im Westen, aber viele im Westen haben auch drei oder wenigstens zwei Säulen. Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Heinrich L. Kolb Dann kommt der größte Irrtum: Es gibt im Osten keine Pensionen. Das heißt, der Institutsdirektor für Ge- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für richtsmedizin bezieht eine hohe gesetzliche Rente. Im die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Dagegen sehe Westen bezieht er aber eine Pension. Wenn Sie einen ich keinen Widerspruch. Also können wir so verfahren. Durchschnitt ermitteln, dann müssen Sie alle Pensionen Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen mit einbeziehen und dann den Durchschnitt berechnen. (B) Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke das Wort. Dann sieht die Welt ganz anders aus. (D) (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Am 8. Juni 2009 hat Bundeskanzlerin Merkel auf Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): dem Deutschen Seniorentag in Leipzig Folgendes erklärt Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir mei- – ich zitiere –: nen, dass die Menschen in Ost und West einen Anspruch Ich stehe dazu, dass wir eine solche Angleichung darauf haben, für die gleiche Lebensleistung endlich von Ost und West brauchen. Ich würde, wenn Sie auch eine gleiche Rente zu beziehen. mich nach dem Zeitrahmen fragen, sagen, dass das (Beifall bei der LINKEN) Thema in den ersten beiden Jahren der nächsten Le- gislaturperiode erledigt sein wird. Jetzt werden wir zum 1. Juli im Osten einen stärkeren Anstieg der Renten als im Westen erleben. Nun gibt es Die Linke war tatsächlich so stark, dass CSU, CDU und viele im Westen, die sich darüber ärgern. Ich sage nur: FDP miteinander vereinbart haben, diese Angleichung Hätten wir endlich eine Angleichung der Rentenwerte, bis 2011 vorzunehmen. Aber wir waren noch nicht stark dann gäbe es nur noch eine gleiche Steigerung in Ost genug, zu verhindern, dass das Wahlversprechen gebro- und West. Auch deshalb scheint mir die Angleichung chen und der Koalitionsvertrag an der Stelle aufgekün- notwendig zu sein. digt wurde, was wirklich ein Skandal ist. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD und der Abg. In den alten Bundesländern unterliegen leider viele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Menschen einem Irrtum: Mir wird immer erklärt, die heutigen Rentnerinnen und Rentner im Osten hätten Aber wiederum haben wir dank unserer Stärke eines doch zu DDR-Zeiten gar nicht in das Rentensystem der geschafft, nämlich dass jetzt alle Parteien in ihrem Wahl- programm etwas dazu sagen müssen. Auch das ist neu. Bundesrepublik eingezahlt. Der Irrtum besteht darin, dass viele denken, die Rentenbeiträge würden angesam- Was sagt die Union? Die Union sagt, sie wird gar melt. Aber alle Versicherungsbeiträge, die im Mai gezahlt nichts tun. Sie überlässt es einfach der Lohnentwicklung. werden, werden spätestens im Juli ausgegeben. Deshalb Ob das dann 2050 oder 2080 ist, ist ihr völlig wurscht. muss ich sagen: Als die Ostrentnerinnen und -rentner Das ist indiskutabel. Es ist eine Beerdigung erster ihre Renten bezogen haben, haben natürlich auch die Be- Klasse. 32478 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Dr. Gregor Gysi (A) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Arbeit im Osten eine niedrigere Entlohnung bezieht. Das (C) neten der SPD und des Abg. Dr. Wolfgang ist der Unterschied. Aber immerhin. Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]) (Beifall bei der LINKEN – Iris Gleicke [SPD]: Schade! Wir wollten uns bei der Abstimmung Die FDP macht zwei unterschiedliche Aussagen. Die über Ihren Antrag eigentlich enthalten!) FDP sagt: Auf unabsehbare Zeit wird es in Ost und West unterschiedliche Rentensysteme geben. – Das steht in Aber Sie müssen uns schon erklären, warum Sie in Ih- Ihrem Wahlprogramm. rer Regierungszeit nie etwas getan haben – darauf erwarte ich eine Antwort –, und weshalb Sie alle dies- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein! Falsch! bezüglichen Anträge unserer Fraktion im Bundestag ab- Unterschiedliche Lohnentwicklung!) gelehnt haben, egal ob es um die Angleichung der Ren- tenwerte ging oder darum, endlich die Lücken und Dann schreiben Sie, die Vereinheitlichung sei ein Gebot Diskriminierungen bei der Rentenüberleitung zu beseiti- der Fairness. gen. Denn das wollen Sie jetzt auch, was ich ebenfalls Deshalb frage ich: Was denn nun? Wenn wir eine Ver- positiv bewerte. Aber früher haben Sie es abgelehnt. einheitlichung vornehmen, dann gibt es nicht mehr auf unabsehbare Zeit unterschiedliche Rentensysteme in Ost Was die Lücken und Diskriminierungen betrifft, ken- und West. nen Sie unsere 19 Anträge. Es wird Zeit, dass die Zu- satzversorgungssysteme zum Beispiel für Akademike- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich erkläre es rinnen und Akademiker, für Beschäftigte bei Bahn und Ihnen!) Post und für übernommene und nichtübernommene Poli- zistinnen und Polizisten endlich berücksichtigt werden, Warum haben Sie im Übrigen in der Regierung diesbe- dass die geschiedenen Ehefrauen aus der DDR, die kei- züglich nie etwas getan? Auch diese Frage müssen Sie nen Versorgungsausgleich erhielten, endlich bedacht beantworten. werden (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der LINKEN) neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE und dass die mithelfenden Familienangehörigen in pri- LINKE]: Umfaller!) vaten Handwerksbetrieben das ihnen zustehende Recht, das sie schon erworben hatten, endlich wieder bekom- Dann komme ich zu den Grünen. Die Grünen wollen men. Warum die FDP sich nicht einmal darum kümmert, eine Angleichung der Rentenwerte in Ost und West. Die das müssen Sie mir erklären. Aber keine Chance. (B) Ostrenten dürfen sich aber nicht erhöhen. Im Antrag (D) heißt es, sie sollen „konstant“ bleiben. Auf eine Höher- (Beifall bei der LINKEN) wertung der niedrigen Einkommen Ost soll verzichtet werden. Dann gibt es noch eine Gruppe. Dazu haben wir auch einen Antrag verfasst. Darin geht es um die Wiederher- Es gibt aber die Kluft bei den Löhnen. Ich nenne Ih- stellung des Vertrauensschutzes bei Rentenleistungen für nen nur ein Beispiel. Gerade ist für die Gebäudereiniger alle aus der DDR Geflüchteten, Abgeschobenen und ein Tarifabschluss gemacht worden: Mindestlohn West Ausgereisten. 9,31 Euro, Mindestlohn Ost 7,96 Euro. Ich sage auch Arbeitgebern und Gewerkschaften: Ich finde, das ist ein ( [CDU/CSU]: Das ist ja Skandal. Die Zeit ist vorbei. lächerlich! Das sind Ihre Opfer! Peinlich! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Darum (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie hätten Sie sich kümmern können!) bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Union, es ist nicht zu fassen, dass Sie die deutsche Einheit benutzt haben, um diese Personengruppe Das heißt, die Grünen haben das Prinzip der gleichen schlechterzustellen, Rente für die gleiche Lebensleistung aufgegeben. (Beifall bei der LINKEN) Nun zur SPD. Die SPD hat fast alles von uns über- nommen sie vom Fremdrentengesetz auszuschließen und wieder zu DDR-Bürgern zu machen. Das ist grotesk. Darüber, (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der dass wir uns an Ihrer Stelle darum kümmern müssen, SPD – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: sollten Sie einmal nachdenken. Abgeschrieben!) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- – das ist positiv –, mit zwei Unterschieden: Wir wollen neten der SPD – Peter Weiß [Emmendingen] die Angleichung schon 2016, Sie erst 2020. [CDU/CSU]: So eine Falschheit! – Weitere (Iris Gleicke [SPD]: Da sind Sie aber nachge- Zurufe von der CDU/CSU) zogen! Wie immer!) Für die nach 1937 Geborenen mit diesem Schicksal gibt Und Sie wollen die Höherbewertung der Einkommen es ja richtige Rentenkürzungen – beschlossen von der nur bis 2020. Wir wollen sie, solange man für die gleiche Union. Also wirklich! Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32479

Dr. Gregor Gysi (A) (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Es Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): (C) gibt keine Rentenkürzungen! – Weitere Zurufe Herr Präsident, ich sage einen letzten Satz. von der CDU/CSU) Ich überlege, ob ich Ihnen drohe Ich will dazu gar nicht mehr sagen als das, was ich schon gesagt habe, aber das war auch dringend nötig. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Lassen Sie es!) (Zurufe von der CDU/CSU) – passen Sie auf! –, indem ich sage, dass ich vielleicht doch versuchen werde, so lange im Bundestag zu blei- – Hören Sie zu! ben, Ich habe eben über die Angleichung zwischen Ost (Heiterkeit bei der LINKEN – Iris Gleicke [SPD]: und West gesprochen. Es geht aber um noch etwas: Wir Meinen Sie, das ist die Motivation?) müssen natürlich das Rentenproblem insgesamt lösen. Ich weiß, das ist heute nicht das Thema, aber ich will es bis Frauen und Männer in Ost und West bei gleicher Ar- ganz kurz ansprechen. Wir können uns Altersarmut nicht beitszeit für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit endlich leisten. Wir müssen es schaffen, dass es wieder eine auch den gleichen Lohn und für die gleiche Lebensleis- Rente ab 65 Jahren gibt. Wir müssen auch dafür sorgen, tung die gleiche Rente erhalten. Wenn ich das androhte, dass die Kürzungen, die im Bereich der Erwerbsminde- sollte das doch wenigstens ein gewisser Ansporn für Sie rungsrenten vorgenommen wurden, wieder zurückge- sein, das möglichst schnell zu erledigen. nommen werden. (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und (Beifall bei der LINKEN) der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜND- Wie kann man das schaffen? Erstens, indem wir die NISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse- alte Rentenformel wieder einführen: zur Steigerung des Brömer [CDU/CSU]: Das war das beste Argu- Rentenniveaus, zur besseren Anrechnung von Ausbil- ment der ganzen Rede!) dungs-, Kinderbetreuungs- und Pflegezeiten und zur deutlicheren Anbindung an die Lohnentwicklung. Zwei- Präsident Dr. Norbert Lammert: tens, indem wir der nächsten Generation sagen: Alle mit Und manches, Herr Kollege Gysi, das im ersten Le- Erwerbseinkommen müssen in die gesetzliche Renten- ben nicht so richtig geklappt hat, klappt dann hoffentlich versicherung einzahlen, alle – auch Bundestagsabgeord- im zweiten. nete, auch Rechtsanwälte, auch Beamtinnen und Be- amte, die aber nicht schlechtergestellt werden sollen. (Heiterkeit) (B) (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie Nun hat als nächste Rednerin die Kollegin Maria (D) bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Michalk für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dann müssen wir die Beitragsbemessungsgrenze streichen. Der nächste Ackermann muss dann halt einen Maria Michalk (CDU/CSU): Beitrag aus seinen Millionen bezahlen. „Na und?“, kann Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir ich nur sagen. Weiter müssen wir für die Spitzenverdie- haben es gerade wieder erlebt: Herrn Gysi ist jedes Mit- ner den Rentenanstieg abflachen. Dann sind alle Pro- tel recht, um hier seine demagogischen, pauschalen An- bleme gelöst. sätze anzubringen, die zulasten der Betroffenen neue (Iris Gleicke [SPD]: Das ist verfassungsrecht- Ungerechtigkeiten schaffen. lich schwierig!) (Widerspruch bei der LINKEN – Iris Gleicke – Meine Damen und Herren von der SPD, dass die auf [SPD]: Ach Gott!) der rechten Seite des Hauses das alles nicht wollen, kann ich ja noch nachvollziehen, aber dass Sie mit dem blö- Das war keine Drohung, Herr Gysi. Man sagt ja auch: den Argument der Demografie kommen, anstatt die Pro- Die Wiederholung ist die Mutter des Erfolgs. – Aber Sie duktivität im Auge zu haben, nicht. können Adam Riese nicht politisch außer Kraft setzen. Wir bleiben deshalb bei unserer Lösung der systemati- (Beifall bei der LINKEN) schen Angleichung der Renten in den alten und in den neuen Bundesländern. Früher hat eine Bäuerin acht Personen versorgt, heute versorgt sie 80! Wir können uns doch eine Rente ab 65 (Iris Gleicke [SPD]: Gar keine Lösung haben leisten, wenn wir das gerecht gestalten. Sie! – Weitere Zurufe von der SPD und vom (Beifall bei der LINKEN – Iris Gleicke [SPD]: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das lasse ich Ihnen nicht durchgehen!) Und dass das funktioniert, werde ich Ihnen gleich noch Außerdem brauchen wir eine Mindestrente von einmal erklären. Ich denke, wir haben im Laufe der De- 1 050 Euro, die zum Teil steuerfinanziert ist. batte noch genügend Zeit, um das nachzuweisen. Zu diesem Debattenthema werden ja immer wieder Präsident Dr. Norbert Lammert: Anträge von Parteien unterschiedlichster Couleur vorge- Herr Gysi! legt. 32480 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Maria Michalk (A) (Iris Gleicke [SPD]: Nur von den Oppositions- die Angleichung funktioniert. Gleichwohl wissen wir (C) parteien, weil Sie nichts auf die Reihe krie- auch, dass die Wachstumsraten in den ersten Jahren nach gen!) der Wiedervereinigung erheblich waren. Es folgte eine Phase der Stagnation. Aber jetzt, wie Sie wissen, funk- Deshalb ist es wichtig, noch einmal zu sagen, wo wir ei- tioniert die Angleichung wieder. Wenn die Löhne stei- gentlich herkommen, was eigentlich der Ausgangspunkt gen, steigen auch die Renten. So sind wir auf das heutige ist. 19 83 – ich habe extra dieses Jahr gewählt, weil es ge- Rentenniveau gekommen. nau 30 Jahre her ist – betrug die Mindestrente in der DDR sage und schreibe 270 DDR-Mark. Rechnen Sie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- das mal um! neten der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Das ist Unsinn, Frau Michalk!) (Zurufe von der LINKEN) Man muss Ihnen sagen, Herr Gysi: Ihre Behauptung, – Ja, ja, die Wahrheit tut weh. dass das, was durch die Rentenversicherungsbeiträge Ein Jahr später wurde dieser Betrag auf 300 Mark er- eingenommen wird, am Monatsende wieder ausgegeben höht, und das wurde als sozialistischer, sozialer Erfolg wird, mag gegolten haben, als Sie versucht haben, ir- gewürdigt. Schämen Sie sich, kann ich nur sagen! gendetwas daran zu drehen. Fakt ist, dass wir heute mehr zurücklegen als wir ausgeben. Dadurch ist die Renten- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu- rücklage auf das 1,5-fache einer Monatsausgabe und rufe von der LINKEN) darüber gestiegen. Deshalb konnten wir auch die Ren- Wer 45 Arbeitsjahre nachweisen konnte, der erhielt tenversicherungsbeiträge senken. Auch das kommt den 370 Mark. Und es waren nicht so viele, die nach 45 Ar- Menschen in den neuen Bundesländern zugute. beitsjahren 1 000 Mark im Monat verdienten. Die Rente (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- betrug also ein Drittel des Bruttodurchschnittslohns. neten der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE Vergleichen Sie das mal! Das erklärt, warum die ver- LINKE]: Dann sinken die Renten langfristig!) fügbare Nettostandardrente Ost 1990, also nach der Wie- Unberücksichtigt bleibt – auch das muss man einmal dervereinigung, bei rund 40 Prozent der vergleichbaren ganz ehrlich sagen –, dass manche Tarifparteien Ab- Westrente lag. Da kommen wir her. schlüsse zu 100 Prozent, also einheitliche Löhne in Ost (Dr. [DIE LINKE]: Aber und West, erzielen, andere aber nicht. Die Hochwertung die Ausgaben waren doch andere!) ist bei allen gleich. Dieses Verhältnis hat sich erheblich verbessert. Durch ( [DIE LINKE]: Sie hätten ja ein (B) die anstehende Rentenanpassung – das kann niemand Gesetz machen können!) (D) leugnen – kommen wir zum 1. Juli dieses Jahres auf Ich weiß aus Diskussionsrunden in den alten Bundeslän- 91,5 Prozent. dern, dass das Ihren Freunden nicht gefällt. Wir aber Ich will einfach noch einmal festhalten: Die politische bleiben dabei. Grundsatzentscheidung, die wir für das wiedervereinte Wir haben im Rahmen eines Rentendialogs in Erfül- Deutschland getroffen haben, nämlich dass wir von der lung des Koalitionsvertrages darüber diskutiert: Wie gemeinsamen lohn- und beitragsbezogenen Renten- könnte denn die Angleichungslösung aussehen? Dabei berechnung ausgehen, war, ist und bleibt richtig. Die wollten wir kein Ergebnis vorwegnehmen oder präjudi- Gesetze von Adam Riese kann man nicht außer Kraft zieren; denn alleine die Diskussion darüber war wichtig. setzen. Noch einmal: Die Rentengeschichte in den letz- Am Ende der Diskussion haben wir nach vielfältigen Be- ten zwei Jahrzehnten war mehr als eine Erfolgsge- rechnungsmethoden festgestellt, dass das 1990 und 1992 schichte. Über die Bestandsrentner kann man sagen, dass eingeführte Rentenangleichungssystem – Sie kennen die sie die Gewinner der deutschen Einheit sind. Stichdaten und das Gesetz – so genial ist, dass wir daran (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nichts zu ändern brauchen. Auch das ist ein Ergebnis der neten der FDP) Diskussion. Damit haben wir den Auftrag aus dem Ko- alitionsvertrag erfüllt und meinen, dass wir auf diesem Aus meiner Sicht haben wir allerdings viel zu wenig Weg weitergehen sollten. kommuniziert, wie sich die Rentenberechnung zusam- mensetzt und dass die ostdeutschen Löhne auf den (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Durchschnittslohn West hochgerechnet werden, und zwar nicht nur, Herr Gysi, wie Sie in Diskussionsrunden Ich möchte unbedingt noch einmal sagen, dass die be- immer behaupten, die Löhne, die bis 1991 verdient wur- schlossenen Angleichungsprozesse eine Meisterleistung den. Nein, das gilt bis zum heutigen Tag. sind, die in der Geschichte Deutschlands nirgendwo an- ders zu finden sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP – Peter Weiß [Emmendingen] (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- [CDU/CSU]: Und zwar jedes Jahr! – Zurufe neten der FDP) von der LINKEN) Deshalb sollten wir hier nicht ohne Not etwas verändern Wir haben 1990 mit dem Faktor 3 begonnen. Sie wis- und dadurch neue Ungerechtigkeiten schaffen. Ich hoffe, sen, dieser Faktor liegt heute bei knapp 1. Das zeigt, dass dass sich in unserem Land die Erkenntnis durchsetzt: Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32481

Maria Michalk (A) Die Union steht für die Angleichung. Es wird den Tag Außerdem geht es um die vorliegenden Konzepte (C) geben, an dem auch die Rentenwerte gleich sind. Aber zum Umgang mit dem geteilten Rentenrecht Ost/West. hierfür sind viele gefragt. Wenn die wirtschaftliche Wir Sozialdemokraten wollen einen Härtefallfonds mit Entwicklung so weiterläuft wie derzeit, wird der Anglei- einem Volumen von mindestens 500 Millionen Euro ein- chungsprozess zu einem absehbaren Zeitpunkt abge- richten, um Rentnerinnen und Rentnern zu helfen, bei schlossen sein. Das ist wichtig für unser Land. denen Probleme aus der Rentenüberleitung zu geringen Renten führen. Das sind verschiedene Betroffenengrup- Danke schön. pen. Zum Beispiel gehören die DDR-Geschiedenen oder (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) das mittlere medizinische Personal dazu, um nur zwei herauszugreifen. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Iris Gleicke ist die nächste Rednerin für die SPD- Fraktion. Wie wir wissen, ist den Betroffenen über das Renten- recht nicht zu helfen. Deshalb muss eine sozialpolitische (Beifall bei der SPD) Lösung her. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll Vor- schläge erarbeiten, aus denen hervorgeht, wie die kon- Iris Gleicke (SPD): kreten Hilfen aus dem Härtefallfonds aussehen sollen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich Das ist eine saubere und sachgerechte Lösung. freue mich, dass wir heute Morgen die Gelegenheit ha- (Beifall bei der SPD) ben, zu dringenden und drängenden Rentenfragen im Zusammenhang mit der deutschen Einheit miteinander Einen Härtefallfonds will die Linke zwar noch nicht. Sie zu debattieren. Vielleicht gelingt es mir, die Diskussion übernimmt aber in ihrem Antrag wenigstens die Forde- zu dem einen oder anderen Punkt, der hier angesprochen rung nach Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeits- wurde, wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. gruppe. Trotzdem fehlt dann natürlich der entscheidende Punkt, die Einrichtung eines Härtefallfonds, aus dem die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Hilfen gezahlt werden können. Sie bleiben leider auf der der LINKEN – Anton Schaaf [SPD]: Das wird Hälfte der Strecke stehen. schwer!) Aber an einer Stelle können wir aber gemeinsam so- Aber beginnen will ich mit dem Antrag der Linken fort für Gerechtigkeit sorgen. Wir wollen, dass alle pau- zum Vertrauensschutz bei Rentenleistungen für aus der schal bewerteten Versicherungszeiten auch für Ostdeut- DDR geflohene oder ausgebürgerte Personen. Diese sche mit dem höheren Westrentenwert berechnet Menschen mussten nicht nur ihre Vermögenswerte in der (B) werden. Es geht dabei um Zeiten der Pflege von Ange- (D) DDR zurücklassen, sondern auch ihre Rentenansprüche. hörigen, um Wehr- und Zivildienstzeiten, um Zeiten der Viele von ihnen waren Oppositionelle und wurden von Kindererziehung oder Zeiten der Beschäftigung in einer den DDR-Machthabern zu Staatsfeinden stilisiert. In der Werkstatt für Behinderte. Diese Leistungen werden auch alten Bundesrepublik haben sie nach dem Fremdrenten- für Westdeutsche aus dem allgemeinen Steueraufkom- gesetz ihre Rente bekommen. Nun werden klammheim- men finanziert, zu dem wir alle, auch wir Ostdeutschen, lich ihre Anwartschaften umgerechnet, und die Betroffe- beitragen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass dem nen verlieren bis zu 500 Euro. Das merken sie aber erst, Staat diese gesellschaftlichen Leistungen im Osten bis wenn sie in Rente gehen. Das ist eine Schande. heute weniger wert sind als im Westen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der LINKEN) Deshalb haben wir Sozialdemokraten schon im Mai Sie von Regierung und Koalition haben auch das ab- 2011 einen Antrag dazu eingebracht. Die Grünen haben gelehnt. Was bedeutet das? Junge Menschen, die nach einen Monat später textgleich nachgezogen. Wir wollten der Wiedervereinigung geboren wurden und in diesem schon damals den Vertrauensschutz für Menschen, die einen Deutschland leben, arbeiten und Steuern zahlen, vor dem Mauerfall in die Bundesrepublik übergesiedelt die hier ihre Kinder großziehen, werden von der soge- sind; denn wir sind der Meinung, dass man mit den be- nannten christlich-liberalen Koalition 23 Jahre nach der troffenen Menschen so nicht umgehen darf. Beide An- Einheit rentenrechtlich hinter den Eisernen Vorhang ver- träge wurden von der sogenannten christlich-liberalen bannt. Das ist wirklich unsäglich. Koalition aus CDU/CSU und FDP abgelehnt. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was hat denn die bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE SPD gemacht, als sie regierte?) GRÜNEN – Peter Weiß [Emmendingen] Nun freue ich mich, dass die Linke, die uns schon da- [CDU/CSU]: Wer war denn damals der zustän- mals zugestimmt hat, das Thema auf der Grundlage der dige Minister?) rot-grünen Anträge aufgegriffen hat. Ich bin sehr dank- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, das Renten- bar, dass wir das heute zur Abstimmung stellen können. Überleitungsgesetz war gut. Ja, es hatte eine positive Deshalb verwundert es wahrscheinlich niemanden, dass Wirkung. Keine Rentnerin und kein Rentner musste wir dem Antrag der Linken zustimmen werden. nach der Einheit von einer DDR-Rente leben. Ich sage es (Beifall bei der SPD und der LINKEN) noch einmal: Das war eine große Leistung der Solidarge- 32482 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Iris Gleicke (A) meinschaft in Ost und West. Ich werde auch nicht müde, fort bei den Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland (C) das immer wieder ganz klar zu sagen. zu Buche. Das ist die Solidarität der Älteren mit den Jün- geren. Wir brauchen diesen Zeitraum im Interesse beider (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Seiten in Ostdeutschland. der LINKEN) Die Linke fordert die Rentenanpassung schneller. Es war richtig, die geringeren ostdeutschen Löhne um Herr Gysi, Sie kannten wahrscheinlich Ihren eigenen die Differenz zu den Westlöhnen aufzuwerten, damit die Antrag nicht. Ostdeutschen trotz geringerer Löhne überhaupt einen Rentenentgeltpunkt erhalten. Wir alle, auch die Gewerk- (Zurufe von den LINKEN: Na, na, na!) schaften, haben geglaubt, dass die Angleichung der Sie haben sich nämlich auch vom Aufwertungsfaktor Löhne in Ostdeutschland an das Westniveau schneller verabschiedet. Insofern haben wir uns entschlossen, uns geht. Davon sollten auch die Rentnerinnen und Rentner bei der Abstimmung zu enthalten. profitieren. Deshalb gibt es das getrennte Rentenrecht. (Widerspruch bei der LINKEN) Frau Michalk, Sie haben hier gerade die Rentenstei- gerung des letzten Jahres auf die Lohnsteigerungen „um- – Er steht nicht mehr drin. Ich habe gedacht, Sie sind gerubelt“. Gucken Sie sich einmal an, was wirklich pas- lernfähig. Aber gut! siert ist. Die Löhne stagnieren. Die Differenz wird eher wieder größer. Das ist die Wahrheit. Den Vorschlag der Grünen, der nur die Umrechnung der Anwartschaften vorsieht und zu keinerlei Verbesse- (Widerspruch bei der CDU/CSU – Maria Michalk rungen bei den Ostrenten führt, weder im Bestand noch [CDU/CSU]: Das ist doch falsch!) in der Zukunft, lehnen wir ab. Die höheren Rentenansprüche für die Ostdeutschen ha- Meine Damen und Herren, die Angleichung der Re- ben etwas mit der Garantiezusage von 2009 zu tun – chenwerte Ost an West ist 23 Jahre nach der deutschen nichts anderes. Einheit eine, vielleicht die entscheidende Gerechtig- keitsfrage bei der Vollendung der inneren Einheit unse- (Beifall bei der SPD und der LINKEN) res Landes. Dem geneigten Zuhörer sollte aufgefallen Man muss ganz klar sagen: Heute bildet der Aufwer- sein, dass ich hier nur über Anträge der drei Opposi- tungsfaktor die Lohndifferenz nicht mehr wirklich ab. tionsfraktionen rede. Bei einem solchen Thema fragt man sich doch: Was will denn die Regierung? Ich sage (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) es Ihnen: nichts! Wir haben je nach Branche Lohnunterschiede zwischen (Maria Michalk [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) (B) 15 und 45 Prozent. Das bedeutet, dass sich der damals (D) gewollte Ausgleich in einen Nachteil verkehrt. Diejeni- Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag geschrieben, dass gen, die heute viel weniger verdienen, dürfen nicht auch die Angleichung des Rentenrechts in dieser Legislatur- bei der Rente abgehängt werden. Deshalb muss jetzt ge- periode geschafft werden sollte. Nichts haben Sie ge- handelt werden. macht. Keine Initiative! Kein Gesetzentwurf! Nur faule Ausreden Ihres Ostbeauftragten, es sei alles ein bisschen (Beifall bei der SPD und der LINKEN) kompliziert. Das ist ganz klarer Wahlbetrug. Wir haben einen Vorschlag erarbeitet, der vorsieht, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dass die Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE zusätzlich zu der jährlichen Rentenerhöhung einen Zu- GRÜNEN) schlag erhalten, damit bis zum Ende 2019 der Ostrenten- punkt genauso viel wert ist wie der Westrentenpunkt. So Aber auch die Abgeordneten der sogenannten christ- lange muss der Aufwertungsfaktor für die Beschäftigten lich-liberalen Koalition haben nichts gemacht. Sie haben in Ostdeutschland erhalten bleiben. Die ostdeutschen die Trägheit ihrer Regierung nicht nur durchgehen las- Rentner profitieren von den Lohnsteigerungen in Ost- sen – Sie haben die anhaltende Untätigkeit auch noch deutschland. Das ist ein ganz wichtiger Zusammenhang. verteidigt. Die CDU-Ministerpräsidentin aus Thüringen, Denn wir wollen auf der einen Seite, dass die Rentnerin- Christine Lieberknecht, hat gesagt: Das ist ein „Fall von nen und Rentner nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag Arbeitsverweigerung“. Recht hat sie. auf die Rentenanpassung warten müssen. Auf der ande- (Beifall bei der SPD) ren Seite wollen wir denjenigen helfen, die in Ost- deutschland zu niedrigsten Löhnen arbeiten, damit sie An Ihrer Stelle hätte ich heute auf die Redezeit ver- im Alter nicht noch einmal draufzahlen. zichtet, so geschämt hätte ich mich. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Nun haben Sie, meine Damen und Herren Koalitio- der LINKEN) näre, sich vom Ziel der Angleichung der Lebensverhält- nisse bei den Renten gleich ganz verabschiedet. In Ihrem Allein durch die Einführung eines flächendeckenden, Regierungsprogramm steht zu lesen: Daher halten wir an in Ost und West gleichen gesetzlichen Mindestlohns von der Rentenberechnung nach geteiltem Recht fest. 8,50 Euro – den wollen Sie ja auch nicht – würden die Rentner in Ostdeutschland besonders profitieren. Von Ihnen haben die Ostdeutschen nichts zu erwarten, 1,2 Millionen Menschen arbeiten unterhalb dieser gar nichts. Jede Wählerstimme für CDU/CSU und FDP Grenze, 800 000 in Ostdeutschland. Wenn wir diesen ist verschenkt, wenn es um die innere Einheit unseres Mindestlohn einführten, schlüge das im Jahr danach so- Landes geht. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32483

Iris Gleicke (A) (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie Das ist für uns aber die Begründung dafür, dass wir (C) bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE sagen: Die Angleichung ist überfällig. Wir haben einen GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU) klaren Vorschlag gemacht, wie sie erfolgen soll, nämlich stichtagbezogen, besitzstandwahrend und mit einer Ab- Vizepräsident Dr. : findung der nach dem Stichtag bestehenden Erwartun- Frau Kollegin Gleicke, denken Sie bitte an die Rede- gen an künftige Angleichungen. Das ist ein konsistenter zeit. Vorschlag, der weitgehend auch vom Sachverständigen- rat übernommen wurde Iris Gleicke (SPD): (Iris Gleicke [SPD]: Das ist doch Quatsch! Das waren vier verlorene Jahre für das Zusammen- Das hilft den Ostdeutschen doch überhaupt wachsen unseres Landes. Auch deshalb werden Sie am nicht!) 22. September abgewählt werden. und der von den Grünen, wenn ich es richtig sehe, ähn- Schönen Dank. lich formuliert wird. Das ist der Weg, den man gehen kann und der aus der Rentenversicherung finanzierbar (Beifall bei der SPD – Christian Lange [Back- ist. nang] [SPD]: So ist es!) (Iris Gleicke [SPD]: Das hilft den Ostdeut- schen nicht!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Alles andere, was aus Gründen des Wahlkampfes auf Dr. Heinrich Kolb das Wort. den Tisch gelegt wird, halte ich für unverantwortbar und unfinanzierbar. Das muss man einmal deutlich sagen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der der CDU/CSU) CDU/CSU) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Der zweite Punkt sind die speziellen Überleitungsfra- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gen. Das haben wir wieder und wieder diskutiert. Wieder einmal ist Rentendebatte. Wieder einmal liegt (Katja Kipping [DIE LINKE]: Sie haben es uns ein ganzes Bündel von Anträgen aus diesem The- wieder und wieder blockiert!) menbereich vor. Der Unterschied ist allein, dass die Op- position anscheinend mittlerweile in den Wahlkampfmo- – Nein, wir haben auch hier einen Lösungsvorschlag auf dus geschaltet hat. den Tisch gelegt. (B) (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber Nachversicherungsangebote halte ich für das fairste (D) Konze Sie nicht! – Christian Lange [Backnang] pt. Es eröffnet Chancen, ohne neue Ungerechtig- [SPD]: Die Wahrheit ist bitter!) keiten zu schaffen. Das ist nämlich die Schwierigkeit. Es hilft allen Betroffenen, ihre Situation zu verbessern. Jedenfalls sind bisher, entgegen der sonstigen Übung, Die DDR-Übersiedler und ihre rentenrechtliche Be- dass die rentenpolitischen Experten der Fraktionen an- handlung sind mir ein besonderes Anliegen. Ich glaube, treten, die Demagogen und Einheizer am Pult gewesen. das ist auch bekannt. Der Petitionsausschuss hat dazu Das halte ich für falsch und gefährlich. Rente ist ein eine Empfehlung ausgesprochen und der Bundesregie- Konsensthema und setzt auf langen Atem. Man sollte es rung zur Erwägung vorgelegt. Das ist eine vergleichs- eine Nummer tiefer hängen als Sie, Herr Gysi, es getan weise hohe Stufe der kritischen Stellungnahme des Peti- haben. tionsausschusses. stimmt mir zu. Vor (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) einigen Wochen hatten wir noch einmal ein Bericht- erstattergespräch. Es gab erneut den einheitlichen Willen Dies vorausgeschickt will ich zu einigen Punkten An- aller Fraktionen, bei diesem Thema etwas zu tun und die merkungen machen. Das Erste ist: Beim Thema Renten- Aufforderung an das BMAS, noch einmal Recherchen angleichung haben Sie uns falsch zitiert, Herr Kollege vorzunehmen und dann einen verfassungsgemäßen Gysi, wenn Sie mir Ihre Aufmerksamkeit schenken wür- Handlungsvorschlag vorzulegen. Wir verstecken uns den. In unserem Antrag 16/9482 aus der letzten Legisla- überhaupt nicht hinter der Ministerialbürokratie. Vor die- turperiode sem Hintergrund halte ich es für kontraproduktiv, heute (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Er hat einen im Mai eingebrachten Querschuss – den Antrag – über das Wahlprogramm gesprochen!) zu beschließen. Ich setze weiter auf die im gemeinsamen Bestreben aller Fraktionen zu erreichende Lösung für die – ja, das baut darauf auf; wir sind konsequent und führen Betroffenen, liebe Kolleginnen und Kollegen. es fort – heißt es: (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Der Aufholprozess der Lohnstrukturen in den neuen Ländern und damit die Angleichung der Weil ich noch eine Minute und 40 Sekunden Redezeit Rechnungswerte in der Rentenversicherung werden habe und keine Zwischenfragen gestellt wurden, – jetzt wichtig – (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- im gegenwärtigen System noch unabsehbare Zeit NIS 90/DIE GRÜNEN]: ist heute andauern. nicht da!) 32484 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Dr. Heinrich L. Kolb (A) möchte ich noch auf die Frage eingehen, wie wir es mit Deutschland. Deswegen freuen wir uns darauf, diese Ar- (C) den Rentenversicherungsbeiträgen halten wollen. Es gibt beit gemeinsam mit den Kollegen der Union fortzuset- im Moment dazu wieder eine Diskussion. Ich will auf ei- zen. nige Dinge hinweisen. Zum einen wird ein Zusammen- hang konstruiert zwischen der Rentenhöhe und dem Bei- (Iris Gleicke [SPD]: Diese Untätigkeit!) tragssatz zur Rentenversicherung nach dem Motto: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Wenn wir das Geld in der Kasse lassen, gibt es eine hö- here Rente. Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Da- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – men und Herren auf der Tribüne und an den Bildschir- Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gar men, das krasse Gegenteil ist der Fall. Die Senkung der nichts habt ihr bei der Rente gemacht! Gar Rentenversicherungsbeiträge um 0,3 Prozentpunkte im nichts!) vorletzten Jahr hat ausweislich des Berichtes von Annelie Buntenbach bei der Jahresversammlung der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Deutschen Rentenversicherung zu einer um 0,39 Prozent Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Wolfgang höheren Rentenanpassung geführt. Also die Rentner pro- Strengmann-Kuhn vom Bündnis 90/Die Grünen. fitieren wie auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- mer, die Beitragszahler, von einer Absenkung des Bei- Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ trags in die Rentenversicherung. Das ist ein Argument. DIE GRÜNEN): Das Zweite ist. Es wird gesagt: Wir müssen die Nach- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! haltigkeitsrücklage, die die Liquiditätsreserve der Ren- Herr Kolb, Sie haben gerade richtigerweise gesagt: Dau- tenversicherung ist, in eine Demografiereserve umwan- erhafte Ausgaben kann man nicht aus der Rücklage fi- deln. Ich sage Ihnen: Das ist absolut unglaubwürdig. nanzieren. Das sollten Sie einmal Ihrem Koalitionspart- Alle, die das Wort „Demografiereserve“ im Munde füh- ner und der Bundeskanzlerin sagen. ren, haben gleichzeitig ganz konkrete Vorschläge für umfangreiche Leistungsverbesserungen, die in der Ren- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tenversicherung durchgeführt werden sollen. Alles liegt sowie bei Abgeordneten der SPD) in der Schublade. Das heißt: Diejenigen, die sagen: Denn diese behaupten, die Mütterrenten, die mindestens „Lasst das Geld in der Kasse“, wollen es nicht für bes- 6,5 Milliarden Euro umfassen, könnte man aus der sere Zeiten oder für schlechtere Zeiten – so muss man Rücklage finanzieren. wohl eher sagen – zurücklegen. Sie wollen es vielmehr für Wahlkampfversprechen ausgeben. Auch das halte ich (Maria Michalk [CDU/CSU]: Das steht hier (B) für unverantwortlich. gar nicht zur Debatte!) (D) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Herr Kolb, Sie nicken, wie ich sehe. Sie kennen sich der CDU/CSU) wahrscheinlich damit ein bisschen aus. Dass das nicht aus der Rücklage zu finanzieren ist, ist offensichtlich bei Um es einmal bildlich zu machen: Wenn einem die der CDU noch nicht so wirklich angekommen. Die Oma 10 Euro zum Geburtstag schenkt, dann kann man Rücklage reicht vier Jahre, und dann ist das Geld futsch. keinen Handyvertrag für 360 Euro abschließen, auch wenn das Geld vielleicht für die erste Rate reicht. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich bin nicht Ih- rer Auffassung! – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: (Iris Gleicke [SPD]: Das ist also Ihre Wahr- Thema verfehlt!) nehmung von der deutschen Wiedervereini- gung! Das ist sehr interessant!) So kann man damit nicht umgehen. Das ist ein leeres Versprechen. Die Erhöhung der Mütterrente funktioniert Das ist etwas, was wir alle in diesem Haus uns immer nicht ohne zusätzliche Steuermittel und ohne zusätzliche wieder vor Augen führen sollten: Wir müssen langfristig Beitragszahlungen. Das ist Voodoo-Ökonomie. Das geht und nachhaltig eine sichere Finanzierung der Rentenleis- nicht. tungen sicherstellen. Da muss man zurückhaltend sein und darf nicht dem Reiz unterliegen, in Wahlkampfzei- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ten das eine oder andere Werbegeschenk zu verteilen. sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- Das ist eine unverantwortliche Rentenpolitik. Das ist mit KEN) uns nicht zu machen. Das heutige Thema ist ein anderes. Der letzte Tag in (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der letzten regulären Sitzungswoche gibt noch einmal NEN]: Schauen Sie mal die CDU an!) Gelegenheit, vier Jahre zu überblicken und zu schauen, was denn tatsächlich passiert ist. Der Anfang mit dem Wir wollen die Rentenpolitik im Interesse der Rentnerin- Koalitionsvertrag war gar nicht so schlecht; das ist schon nen und Rentner in Deutschland mit langem Atem und ein paarmal erwähnt worden. Ich will einmal aus dem mit fairen Konzepten gestalten. Koalitionsvertrag zitieren. Darin steht: „Wir führen in (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem NEN]: Falscher Ansprechpartner!) in Ost und West ein.“ Das werden wir auch in der nächsten Legislaturperiode (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- tun. Es waren vier gute Jahre, auch für die Rentner in NEN]: Hört! Hört!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32485

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (A) Frau Michalk, da steht nicht „Wir diskutieren darüber, Ost-West-Renten erlebt. In den Debatten hieß es immer: (C) wir prüfen, wir wollen“, sondern da steht: Wir führen „Das ist alles so fürchterlich kompliziert, diese Rente!“ ein. Das ging sogar so weit, dass die Bundesregierung McKinsey beauftragt hat, eine Machbarkeitsstudie zu er- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellen. Da wird eine Unternehmensberatung bemüht, und bei der SPD) um eine sozialpolitische Aufgabe zu lösen! Das ist wirk- Das heißt, der Koalitionsvertrag ist an der Stelle nicht lich ein Offenbarungseid dieser Bundesregierung. umgesetzt worden. Sie haben nicht geliefert. Sie haben an der Stelle nichts gemacht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) An anderen Stellen ist das anders. Im Koalitionsver- trag steht: Wir wollen die Kindererziehungszeiten Herausgekommen ist dabei nichts; davon hat man nie – diese habe ich eben bereits erwähnt – prüfen. Wir wol- wieder etwas gehört. len bei der Altersarmut etwas machen. Da sollte eine Re- Auch bei der Ost-West-Rentenangleichung heißt es gierungskommission einen Vorschlag erarbeiten. Diese immer, das sei alles so kompliziert, und es gebe über- gab es aber nicht. Es gab dann trotzdem einen Vorschlag, haupt keine Lösung, die alle toll fänden. Ja, es ist so: Je- der im Regierungsdialog vorgestellt worden ist. der der drei Vorschläge, die uns hierzu vorliegen, hat (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: seine Vorteile, und jeder dieser drei Vorschläge hat seine Ein Schwarzes Loch ist das gewesen!) Nachteile. Und es gibt immer Leute, die damit nicht zu- frieden sein werden. Aber es ist das Wesen von Politik, Manche nannten das auch „Regierungsmonolog“, weil dass man Vorteile und Nachteile abwägt und letztlich es nur darum ging, das Lieblingsbaby der Frau von der entscheidet. Ich kann nur sagen: Sie können es nicht. Sie Leyen, nämlich die Zuschussrente, zu verkaufen. Das ist können einfach keine echte Rentenpolitik machen. Sie allerdings nicht gelungen. Im Verkaufen ist sie ja sonst haben an der Stelle völlig versagt. prima, aber im Regierungsdialog saßen eben die Exper- tinnen und Experten. Die Zuschussrente ist von allen zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Recht auseinandergenommen und abgelehnt worden. Sie und bei der SPD) ist nun vom Tisch. Die Bundesregierung hat also auch an Das geschieht auf dem Rücken der Menschen in Ost- der Stelle nichts getan und nicht geliefert. deutschland, die einfach nicht mehr verstehen, warum (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sie bei der Rente als Menschen zweiter Klasse behandelt sowie bei Abgeordneten der SPD) werden. Deswegen ist in unserem Vorschlag der zentrale Punkt: Der Rentenwert Ost muss endlich auf den Ren- (B) Es gab noch weitere Themen: Selbstständige, Er- tenwert West angehoben werden, und zwar so schnell (D) werbsminderungsrente, wie möglich, nicht in Stufen, sondern in einem Schritt. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Der zweite Punkt ist aber: Wir wollen, dass das auch NEN]: Reha-Deckel!) wirklich passiert. Insoweit sind die Stufenpläne proble- Reha-Deckel und – das ist ein Projekt, das der FDP am matisch; denn diese kosten sehr viel Geld. Die Berech- Herzen lag –, die Kombirente und bessere Hinzuver- nungen liegen zwischen 4 und 6 Milliarden Euro. Ich dienstmöglichkeiten. Auch an dieser Stelle ist nicht ge- wage die Prognose, dass das an dem nächsten Finanz- liefert worden. Der Kollege Schaaf sagt immer: Diese minister oder an der nächsten Finanzministerin sicher Regierung ist im Bereich der Rente eine Nichtregie- scheitern wird. Wenn Herr Steinbrück verspricht, dass an rungsorganisation. Recht hat er. der Stelle 4 bis 6 Milliarden Euro ausgegeben werden, dann ist das ein Versprechen, das wir wahrscheinlich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht einhalten können. Wir verfolgen in unserem Wahl- und bei der SPD) kampf die Linie, dass wir nur das versprechen, was wir Es ist in der Tat nichts passiert. Frau von der Leyen tatsächlich auch halten und umsetzen können. wird ja gleich reden, und ich bin gespannt, wie man mit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nichts blenden und sagen kann, was alles Tolles passiert ist. Aber in der Tat ist nichts geliefert worden. Der Kollege Gregor Gysi sagte, im Osten seien die Löhne doch viel geringer als im Westen, und man dürfe Nun zu dem Thema Ost-West-Rentenangleichung, doch dann nicht auf die Hochwertung verzichten. Wenn das Gegenstand der Debatte ist. Wie gesagt: Es gibt man gleichzeitig den Rentenwert anhebt – das sind die keine aktuellen Vorschläge der Koalition. Es gibt le- 8,5 Prozent; Frau Michalk hat die Zahl vorhin genannt –, diglich einen Antrag der FDP aus der letzten Legisla- dann ist der Unterschied gar nicht mehr so groß, wenn turperiode. Sie haben jetzt erneut die Möglichkeit, eine man gleichzeitig die Hochwertung abschafft. Auch die Entscheidung zu treffen. Dazu geben wir eine Entschei- SPD will das ja dann ab dem Jahr 2020 so halten, wenn dungshilfe; denn jetzt liegen drei verschiedene Anträge, der Rentenwert Ost auf dem Niveau des Rentenwertes drei verschiedene Konzepte zur Rentenangleichung vor. West liegt. Das ist aus unserer Sicht für diejenigen, die Für eines können Sie sich nun entscheiden. viel verdienen, durchaus akzeptabel. In dem Bereich ist Aber auch das ist etwas, was bei dieser Regierungsko- es definitiv so, dass jemand, der 4 000 oder 5 000 Euro alition immer recht schwierig ist. Das haben wir bei den im Osten verdient, nicht sagen kann: „Ich bin im Osten Selbstständigen erlebt, das haben wir jetzt auch bei den benachteiligt, und deswegen brauche ich eine Hochwer- 32486 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (A) tung um 17 Prozent.“ Das würden auch wir nicht einse- gehen und die Selbstständigen in der Rentenversiche- (C) hen. Wir sagen: „Wir wollen gleichen Rentenanspruch rung endlich besser absichern. Wir werden die Einheit bei gleichem Einkommen.“ bei den Renten in Ost und West tatsächlich herstellen, zusammen mit den Sozialdemokraten. Wir haben da (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) noch einiges zu besprechen – wir stimmen nicht in allen Bei den Geringverdienern kommt es tatsächlich noch Punkten überein –, aber eine Nullnummer in der Renten- vor. Sie haben einen Tarifvertrag angesprochen. Mittler- politik, wie sie Schwarz-Gelb in den letzten vier Jahren weile sind aber deutlich mehr als 90 Prozent der Tarif- abgeliefert hat, können wir uns nicht mehr leisten. Des- verträge bei 100 Prozent angelangt. Das können Sie im wegen braucht es am 22. September, in 86 Tagen, einen Tarifbuch des WSI nachschauen. Das heißt, bei den Ta- Politikwechsel. rifverträgen besteht zu einem großen Teil Einheit. Das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Problem sind allerdings die wenigen Tarifverträge, ist und bei der SPD) die geringe Tarifbindung im Osten. An der Stelle muss man ansetzen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Außerdem brauchen wir endlich einen einheitlichen Jetzt hat die Bundesministerin Dr. Ursula von der gesetzlichen Mindestlohn in Ost und West. Dazu gab es Leyen das Wort. neulich eine Berechnung des Prognos-Instituts, das ge- sagt hat, dass der Unterschied zwischen Ost und West er- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) heblich reduziert werden würde, wenn man einen Min- destlohn in Ost und West einführen würde. Deswegen Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für brauchen wir einen einheitlichen gesetzlichen Mindest- Arbeit und Soziales: lohn. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN froh, dass die Vorredner in dieser Debatte deutlich ge- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der macht haben – das konnte man im Eingangsstatement LINKEN) nicht so ganz heraushören –, dass die niedrigeren Ein- kommen im Osten auf das Niveau der Westeinkommen Statt der Hochwertung für alle wollen wir eine grüne angehoben werden. Damit wird in dieser Debatte deut- Garantierente, von der diejenigen profitieren, die ein ge- lich, dass die Rente – das ist eine Plattitüde; das weiß je- ringes Einkommen haben, im Westen wie im Osten. der – vor allem das Ergebnis von guter Arbeit ist. (Iris Gleicke [SPD]: Dafür haben wir die Wir haben zurzeit eine Rekordbeschäftigung; wir ha- Solidarrente!) (B) ben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wiederverei- (D) Das ist wichtig; denn ein Verdienst von 1 000 Euro ist nigung. für jemanden im Osten wenig, für jemanden im Westen (Zuruf von der SPD: Mit Niedriglöhnen! – aber auch. Die Rente nur im Osten anzuheben, macht Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir also keinen Sinn. Wir brauchen einen einheitlichen haben Zeitarbeit, befristete Verträge, Teilzeit- Schutz vor Altersarmut. jobs!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir haben gezeigt, dass wir konsolidieren und Wachs- und bei der SPD) tumsimpulse setzen können. Das Ergebnis dessen ist: Das ist für den Osten in der Tat besonders wichtig; Wir hatten nach der Wiedervereinigung Ostrenten mit ei- das zeigen Prognosen zur Rentenentwicklung. In der Tat nem Niveau von 51 Prozent im Vergleich zu dem, was geht es den Rentnerinnen und Rentnern im Osten noch im Westen gezahlt wurde; inzwischen haben wir dank vergleichsweise gut; die Altersarmutsquoten sind im Os- unseres guten wirtschaftspolitischen Kurses erreicht, ten geringer, Herr Gysi, als im Westen. dass die Ostrenten ab 1. Juli ein Niveau von rund 92 Pro- zent im Vergleich zu den Westrenten erreichen. Das ist (Iris Gleicke [SPD]: Noch!) das Ergebnis guter Politik und guter Arbeit. Das wird sich aber in den nächsten Jahren deutlich än- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – dern. Deswegen ist die Garantierente besonders für den Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das waren vier Osten wichtig, als Schutz vor Altersarmut. gute Jahre für Deutschland! – Iris Gleicke (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: In Ihrer Ge- [SPD]: Das ist nicht Ihr Verdienst!) schenkverpackung ist nichts drin! Das wissen Insofern ist es richtig – danke, Herr Strengmann- Sie auch! Das ist nicht belastbar, denn es soll Kuhn, dass Sie darauf hingewiesen haben –, dass es ja nichts kosten!) 97,4 Prozent der heutigen Rentnerinnen und Rentner so Ich komme zum Schluss. Wie gesagt: Wir machen nur gut geht, dass sie aus eigener Kraft von ihren Altersein- Versprechen, die wir tatsächlich halten können. Wir wol- kommen existenzgesichert leben können. len eine armutsfeste Garantierente. Sie schützt vor Ar- (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das ist mut, sie ist durchgerechnet, sie ist solide, sie ist umsetz- ja wohl normal!) bar. Wir werden uns daranmachen, den Schutz vor Altersarmut damit tatsächlich zu verbessern. Wir wollen Das ist heute Tatsache. Wenn man Ihnen zugehört hat, weitere Schritte in Richtung einer Bürgerversicherung kann man daran zweifeln. Aber die Lebenswirklichkeit Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32487

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen (A) ist, dass 97,4 Prozent der Rentnerinnen und Rentner Sie haben den Menschen vor zehn Jahren allerdings (C) heute auskömmliche Alterseinkünfte haben. nicht gesagt, dass Ihre Rentenreform unweigerlich so an- gelegt ist, dass sich dann, wenn das Rentenniveau sinkt (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – und der Niedriglohnsektor durch die Agenda 2010 aus- Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schon geweitet wird, eine riesige Gerechtigkeitslücke für die mal was von verdeckter Armut gehört, Frau Geringverdiener auftut. Das muss man den Menschen Ministerin? – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE aber sagen. Vor zehn Jahren haben Sie das verschwie- LINKE]: Wie viele beantragen Grundsiche- gen. Auch am Anfang dieser Legislaturperiode haben rung?) Sie noch versucht, das zu vertuschen. Aber inzwischen Die Rentenfinanzen sind stabil, meine Damen und ist klar, dass wir heute die Weichen anders stellen müs- Herren. sen, damit Geringverdiener in Zukunft aus ihrer Arbeit, wenn sie jahrzehntelang eingezahlt haben, eine Rente (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie aus der Rentenkasse beziehen können und nicht zum So- berauschen sich an den Zahlen, und die stim- zialamt müssen. men nicht!) Wir haben in den letzten vier Jahren sogar so gut gewirt- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang schaftet, dass die Rentengarantie eingehalten wurde – – Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Deswegen machen wir demnächst die (Iris Gleicke [SPD]: Gesundbeten! Voraus- grüne Garantierente! – Matthias W. Birkwald schauende Politik ist was anderes!) [DIE LINKE]: Dann müssen Sie das Renten- – auch wenn Sie schreien. Die Rentengarantie sorgt da- niveau wieder anheben!) für, dass die Renten nicht sinken dürfen, selbst wenn die Wir haben die Lebensleistungsrente vorgeschlagen. Löhne sinken. Das heißt, dass die Renten derjenigen, die jahrzehnte- (Iris Gleicke [SPD]: Das war Franz lang eingezahlt haben, bis zu 850 Euro aufgewertet wer- Müntefering! Nein, es war Olaf Scholz! Jeden- den können, und auch die Kindererziehungszeiten und falls einer von uns!) Pflegezeiten werden besonders berücksichtigt. Wir haben der jungen Generation aber auch versprochen, (Iris Gleicke [SPD]: Für den Osten auch? – dass dieser Vorschuss, der gegeben wird, ausgeglichen Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- wird. Das haben wir in diesem Jahr geschafft, meine Da- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn die Ge- men und Herren. Auch das ist das Ergebnis guter Arbeit. setzentwürfe? Wo sind denn die Konzepte! Es gibt keine Konzepte! Sie reden nur! Sie sind (B) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- aber die Regierung!) (D) neten der FDP) Damit erhält jeder, der alles richtig gemacht hat, seine In der Zukunft wird es Probleme geben; Sie haben das Rente aus der Rentenkasse und nicht vom Sozialamt. angesprochen, Herr Strengmann-Kuhn. Wir müssen aber Das ist unser Konzept. auch einmal darüber reden, woran das liegt. Vor zehn Jahren hat Rot-Grün die Rente reformiert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sie haben damals gewusst, dass weniger junge Men- Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die sind schen nachkommen und dass zugleich die Zahl der Älte- im Osten geringer als im Westen!) ren zunehmen wird. Sie haben gewusst – und das einbe- – Es ist interessant, dass Sie jetzt so schreien. zogen –, dass wir neben der gesetzlichen Rente als zusätzliche Altersvorsorge eine private Säule aufbauen ( [SPD]: Reden Sie einmal müssen. Sie haben auch gewusst, dass das gesetzliche über Ihren Koalitionsvertrag!) Rentenniveau sinken wird. All das war klar, als die Re- Offensichtlich ist das Konzept der Lebensleistungs- form vor zehn Jahren verabschiedet wurde. rente so überzeugend, Umso erstaunlicher ist es, dass Rot-Grün jetzt fast al- les zurückdrehen will. Plötzlich gelten die drei Säulen (Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem nicht mehr als Renteneinheit. Die SPD will die Rente BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian mit 67 abschaffen, Lange [Backnang] [SPD]: Selbst die FDP be- treten schweigt! – Matthias W. Birkwald [DIE (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- LINKE]: Da guckt noch nicht einmal die FDP NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer sagt das? – überzeugt!) Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt nicht! Die SPD hält an der Rente erst dass die Grünen ihr Konzept einer Zuschussrente Wort ab 67 fest!) für Wort davon abgeschrieben haben. die sie selber in der Großen Koalition durch Franz (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was, Herr Müntefering eingeführt hat. Er war der letzte Sozialde- Strengmann-Kuhn?) mokrat, der noch wusste, was Generationengerechtigkeit Sie haben lediglich ein paar Schleifen darum gemacht ist. und dem Konzept einen neuen Namen gegeben; Sie nen- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nen es jetzt Garantierente. 32488 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen (A) (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Konzept 15 Milliarden Euro. Sie haben vorhin gesagt: (C) Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir werden nichts versprechen, was wir nicht halten und NEN]: Oh, jetzt wird es aber ganz falsch! Die bezahlen können. Die 15 Milliarden Euro sind Sie uns in Garantierente gab es schon im letzten Wahl- Ihrer Rechnung schuldig geblieben. programm! Wenn jemand abgeschrieben hat, dann waren Sie das!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Die Rente wird auf 850 Euro aufgewertet. Das haben Sie NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch völlig bei uns abgeschrieben. aus der Luft gegriffen! Aber mit Zahlen kön- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang nen Sie eh nicht umgehen!) Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Die SPD ist mit ihrem Konzept der Solidarrente ver- NEN]: Sie haben doch sogar darüber nachge- nünftiger. Es ist unserem Konzept ähnlich: Mindestent- dacht, die „Garantierente“ zu nennen, und ha- geltpunkte und dann obendrauf abgestimmt etwas von ben festgestellt, die gibt es schon!) der Zuschussrente. Sie nennen das jetzt Solidarrente. Ich finde es spannend, dass sich die Grünen etwas (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ha- verschämt winden. Sie merken an dem Geschrei: Der ge- ben Sie von uns abgeschrieben! Die solidari- troffene Hund bellt. Offensichtlich sitzt das, was ich sche Mindestrente gab es zuerst!) sage. – Okay, dann haben sie es bei den Linken abgeschrieben (Beifall bei der CDU/CSU – Christian Lange und dann die Zuschussrente obendrauf gepackt. [Backnang] [SPD]: So wie Ihre Kabinettskol- legen abschreiben, so die ganze Regierung! – (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stand bei uns Was ich bei der SPD nicht verstehe, ist, dass sie das schon im Wahlprogramm drin!) Geld mit der Gießkanne verteilt. Durch Ihr Konzept wird jeder auf 850 Euro aufgewertet, egal wie hoch das Al- – Ja, wir sind Ihnen auf die Schliche gekommen. Sie ha- terseinkommen ist. Das heißt, Sie geben einem Vermö- ben nicht nur abgeschrieben. Das nennt man Plagiat, genden, wenn man einfach einen neuen Titel darübersetzt. (Iris Gleicke [SPD]: Quatsch!) Die Grünen haben zudem gehofft, dass keiner merkt, dass sie das Wort „Beitragsjahre“ durch das Wort „Versi- der ganz elegant von den Zinsen seines Vermögens leben cherungsjahre“ ersetzen. Bei den Grünen bekommt man kann, genau die gleiche Solidarrente wie dem Facharbei- (B) (D) nach 30 Versicherungsjahren eine Garantierente. Was ter, der sich diese erst mühsam erarbeiten musste. Wir hat das zur Folge? Wenn jemand ein paar Jahre im Job wissen, dass die SPD sehr gerne umverteilt, aber dieses war, zum Beispiel ein Langzeitstudent, der nebenher ei- Mal haben Sie sich offenbar in der Richtung geirrt: Das nen kleinen sozialversicherungspflichtigen Job hatte, be- ist eine Umverteilung von unten nach oben. Das machen kommt er nach dem Konzept der Grünen am Ende die wir nicht mit. gleiche lebenslange Garantierente wie eine Floristin, die (Beifall bei der CDU/CSU – Iris Gleicke 40 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt hat. Das ent- [SPD]: Das ist doch gequirlter Unsinn! Vokal- wertet Arbeit. diarrhoe ist das, was Sie erzählen!) Im Übrigen verteilen Sie das Geld mit einer großen Gießkanne. Deshalb ist unser Konzept richtig. Wir sagen: Lebens- leistungsrente ja, aber mit Maß. Nur bei denjenigen, die (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Frau nach jahrzehntelanger Einzahlung wirklich ein nichtaus- von der Leyen, das sind netto 50 Euro Unter- reichendes Alterseinkommen haben, wollen wir die schied bei den Grünen! Mehr ist das nicht!) Rente aufwerten. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Können Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Sie mal wieder zum Thema Ostrenten reden, Frau Kollegin von der Leyen, gestatten Sie eine Zwi- Frau Ministerin? Thema verfehlt!) schenfrage? Wir haben insbesondere die Frauen im Blick. Wir wollen Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Kindererziehungs- und Pflegeleistungen aufwerten. Des- Arbeit und Soziales: halb lauten unsere Ziele – das ist der Dreiklang –: Wir Nein, ich mache jetzt weiter. wollen die lebenslange Leistung würdigen, (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- (Iris Gleicke [SPD]: Nur nicht für Ostdeut- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, das ist das! sche! Was machen Sie? – Sie trauen sich nicht! – Matthias W. Birkwald [SPD]: Ostrenten! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Austeilen, aber nicht einste- [DIE LINKE]: Das ist eine Wahlkampfrede!) cken können!) wir wollen mehr Rentengerechtigkeit für Frauen schaf- – Das wollen Sie nämlich nicht hören. – Weil Sie das fen, und wir halten den Grundsatz der Generationenge- Geld mit einer großen Gießkanne verteilen, kostet Ihr rechtigkeit hoch. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32489

Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen (A) (Iris Gleicke [SPD]: Nur nicht für Ostdeut- Menschen das am 22. September bei ihrer Entscheidung (C) sche! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: berücksichtigen. Sie haben zu diesem Thema kein Wort Und was machen Sie? Nichts!) gesagt, Frau Ministerin. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Wenn es noch einer Illustration bedurfte für die Unfähigkeit Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dieser Regierung, was die Ost-West-Anglei- Herr Strengmann-Kuhn, bitte. chung angeht, dann war es diese Rede!) Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: DIE GRÜNEN): Ich bitte um etwas Mäßigung. Frau Ministerin, das eine ist, dass Sie nichts über Ihre Konzepte, die nach wie vor nicht vorliegen, gesagt ha- (Zuruf der Abg. Iris Gleicke [SPD]) ben. Ihr Wahlprogramm enthält nur ein paar Wunschad- Es hat immer der jeweilige Redner das Wort. Frau ressen; ansonsten ist da nichts. Die Angleichung wird Gleicke, Sie hatten schon das Wort. wieder nicht stattfinden. Das andere ist, dass Sie sich hierhinstellen und falsche Behauptungen machen. (Iris Gleicke [SPD]: Ja, aber ich habe zum Thema gesprochen, Herr Präsident! – Beifall (Iris Gleicke [SPD]: Ja!) bei Abgeordneten der SPD) Das geht überhaupt nicht. Das ist eine Unverschämtheit. – Ja, das sagen andere auch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Iris Gleicke [SPD]: Ich habe offensichtlich bei der SPD und der LINKEN) auch Ahnung davon!) Wir haben unser Konzept der Garantierente im Rah- Das ist immer eine Sache des individuellen Eindrucks. men eines wissenschaftlichen Gutachtens durchrechnen lassen. Der Steuerzuschuss zur Finanzierung der Garan- Mir liegen zwei Bitten um Genehmigung einer Kurz- tierente, die wir als Schutz der Neurentnerinnen und intervention vor, und zwar des Kollegen Anton Schaaf Neurentner vor Altersarmut vorsehen, beträgt im ersten und des Kollegen Strengmann-Kuhn. Jahr 270 Millionen Euro. Die Summe wächst dann lang- (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wenn sam auf. Nach drei Jahren beträgt der Steuerzuschuss (B) dann die beiden Kollegen auch noch heute 800 Millionen Euro. Wir haben das bis zum Jahr 2030 (D) Abend um 18 Uhr da sind!) durchrechnen lassen. Für das Jahr 2030 kämen wir, wenn wir sonst keine Gegenmaßnahmen ergreifen wür- Ich schlage vor, dass Sie Ihre Kurzinterventionen nach- den, auf 5 Milliarden Euro und nicht auf 15 Milliar- einander abgeben und dann die Ministerin die Chance den Euro. hat, zu antworten. – Bitte schön, Herr Schaaf. Natürlich müssen wir präventiv diverse Maßnahmen Anton Schaaf (SPD): gegen Altersarmut ergreifen. Auch diesbezüglich haben Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich wollte mich ur- Sie nichts gemacht. Es geht um den Mindestlohn, um sprünglich nicht mehr zu Wort melden, aber dieser Wort- bessere Erwerbsbeteiligungsmöglichkeiten, um Equal beitrag der Ministerin lässt mir letzten Endes keine Pay bei der Leiharbeit und vieles andere mehr im Be- Wahl. reich des Arbeitsmarktes. Die Zeit reicht nicht, jetzt alle Punkte anzusprechen. Das heißt, wir werden im Jahr Frau Ministerin, Sie haben es in Ihrer achtminütigen 2030 bei deutlich weniger als 5 Milliarden Euro landen. Rede vermieden, auch nur einmal über die vorliegenden Anträge zu reden. Wichtig ist, dass man jetzt schnell etwas unternimmt, weil es zunehmend mehr Altersarmut gibt. Schauen Sie (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem in Ihren eigenen Armuts- und Reichtumsbericht. Wir ha- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ben ein Konzept, das finanzierbar ist, mit entsprechen- den Vorschlägen zur Gegenfinanzierung unterbreitet. Ich finde es ja bemerkenswert, dass Sie sich mit den Auch diesbezüglich haben Sie nichts vorzuweisen. Rentenkonzepten der Oppositionsfraktionen auseinan- dersetzen; aber das liegt wahrscheinlich daran, dass Sie Bitte vermeiden Sie in Zukunft, irgendwelche Un- überhaupt keins haben, Frau Ministerin. wahrheiten über unser Konzept zu erzählen. Legen Sie selber einmal etwas vor. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Ich hätte gerne von Ihnen eine konkrete Antwort zum LINKEN) Thema Ost-West-Angleichung gehabt. Sie haben vor vier Jahren mit Ihrem damaligen Versprechen Stimmen in Ostdeutschland gewonnen. Sagen Sie den Menschen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: jetzt: Wir werden es nicht machen. Dann können die Frau Kollegin von der Leyen, bitte. 32490 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (C) Arbeit und Soziales: der FDP – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Vielen Dank. – Zunächst einmal zu Herrn Schaaf. In- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo haben Sie teressant ist, sich einmal Folgendes anzuschauen: Be- die Zahlen her? Sie behaupten das einfach!) reits 2005 stand ebenso wie 2009 eine Passage zur Ost- West-Angleichung im Koalitionsvertrag. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Iris Gleicke [SPD]: Das haben Sie damals Das Wort hat jetzt die Kollegin Sonja Steffen von der auch schon prononciert! Ja, ja! Ich erinnere SPD-Fraktion. mich!) (Beifall bei der SPD) Schauen wir einmal, was unterm Strich herausgekom- men ist; denn das ist entscheidend für die Menschen: Sonja Steffen (SPD): Wir haben es bei der Ost-West-Angleichung geschafft, Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und dass die Renten im Osten inzwischen bei 92 Prozent des Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zurück zum Westniveaus liegen. Thema. (Iris Gleicke [SPD]: Das ist eine Unver- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten schämtheit! Das ist eine dreiste Lüge! Sie ha- der LINKEN und des Abg. Dr. Wolfgang ben gar nichts geschafft! Das war unsere Ga- Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- rantierente!) NEN]) Es ist für die Menschen entscheidend, dass wir durch Tatsächlich findet sich der Vorsatz, ein einheitliches gute Arbeit und gute Wirtschaft die Ost-West-Anglei- Rentenrecht für Ost und West hinzubekommen, bereits chung tatsächlich hinbekommen. Sie reden in der Theo- schwarz auf weiß in Ihrem Koalitionsvertrag, meine Kol- rie. Keiner von Ihnen hat gesagt, ob Sie die Höherwer- leginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, und tung der Osteinkommen wieder abschaffen wollen, also zwar nicht für irgendwann, sondern für diese nun zu die Menschen im Osten wieder schlechterstellen wollen. Ende gehende Wahlperiode. Frau Michalk, ich glaube, Für uns ist entscheidend, dass die Menschen im Osten Sie haben den Koalitionsvertrag nicht gelesen. Ich muss Arbeit haben, gute Arbeit haben und dass sie dann auch ihn deshalb noch einmal zitieren; Herr Strengmann-Kuhn eine gute Rente haben. Das haben wir mit den 92 Pro- hat es ja schon getan. Dort steht wörtlich auf Seite 84: zent bewiesen. Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitli- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – ches Rentensystem in Ost und West ein. (B) Anette Kramme [SPD]: Das ist eine grobe (D) Lüge!) (Iris Gleicke [SPD]: So ist es!) Das Zweite. Herr Strengmann-Kuhn, Ihre Falle ist, Nicht Prüfungsauftrag, sondern Einführung. dass Sie bei Ihrem Konzept – wie gesagt: bei der Zu- (Maria Michalk [CDU/CSU]: Sie wissen, dass schussrente abgeschrieben und dann mit einem anderen wir eine Arbeitsgruppe eingesetzt haben!) Namen versehen – Auf dieses Versprechen haben sich die Menschen im Os- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ ten tatsächlich verlassen. Heute sind sie ernüchtert und DIE GRÜNEN]: Auch das ist falsch!) werden daher auch Ihre jetzigen Wahlversprechen als „Beitragsjahre“ durch „Versicherungsjahre“ ersetzt ha- das einordnen, was sie sind: Wahlbetrug mit Ansage. ben. Vielleicht wissen die meisten Menschen nicht, was (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem das bedeutet. Versicherungsjahre heißt: Es reicht, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) man in der Rentenkasse ist, auch ohne einen einzigen Cent einzuzahlen. Wenn man 30 Jahre in der Renten- Auch ich bin sicher: Die Quittung für diesen Wahlbetrug kasse war, zum Beispiel weil man während des Studiums werden Sie durch die Wahlentscheidung am 22. Septem- einen sozialversicherungspflichtigen kleinen Job hatte ber erhalten. (Anton Schaaf [SPD]: Dann hat man doch ein- Übrigens, Herr Kolb, ich habe gelesen, dass Sie kürz- gezahlt!) lich gesagt haben, es sei „wirklich ärgerlich“, dass die Ost-West-Angleichung nicht umgesetzt worden sei. und danach einige Jahre gearbeitet hat, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!) (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist völliger Un- Ich habe mich gefragt: Warum sagt ausgerechnet der sinn! Sie kennen sich mit der Rente überhaupt rentenpolitische Sprecher der FDP das? nicht aus! Völlig unfähig sind Sie!) (Iris Gleicke [SPD]: Selber machen!) wird man nach Ihrem Konzept zum Schluss auf die Ga- Die Erklärung ist eigentlich ganz einfach: In einem ein- rantierente von 850 Euro aufgewertet. Das macht es so heitlichen Rentenrecht würde die Anpassung in Ost- und irrsinnig teuer. Deshalb ist die Rechnung, dass es 2030 Westdeutschland im Juli 2013 gleich ausfallen. nur 5 Milliarden Euro kostet, nicht richtig; es würde deutlich mehr kosten. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32491

Sonja Steffen (A) Der zu erwartende Unmut darüber, dass die 4 Millionen Ich freue mich, dass wir in der SPD-Landesgruppe Ost (C) Ostrentner im Juli eine Rentenerhöhung von 3,29 Pro- in Zusammenarbeit mit der stellvertretenden Parteivor- zent erhalten werden und damit über 3 Prozent mehr als sitzenden Manuela Schwesig – auch Iris Gleicke haben ihre 16,6 Millionen Altersgenossen im Westen, wäre Ih- wir da sehr viel zu verdanken – die Angleichung in unse- nen, den schwarz-gelben Wahlkämpfern, dann erspart rem Regierungsprogramm verankert haben. Ein ähnli- geblieben. ches Engagement hätte ich mir übrigens auch von den CDU-Abgeordneten aus dem Osten gewünscht. Kein Die unterschiedliche Erhöhung der Anpassungssätze Wunder, dass heute nicht einmal jemand von Ihnen zu in Ost und West ist einem Normalsterblichen tatsächlich diesem Thema spricht. nicht zu erklären. Ich habe viel Verwandtschaft im Wes- ten, die überwiegend inzwischen Rentner sind. Ich habe (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sie Ostern besucht. Thema Nummer eins war immer, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE wenn ich bei ihnen war: Wie kann es sein, dass wir weni- GRÜNEN – Dr. [CDU/ ger Rentenerhöhung bekommen als ihr im Osten? Ich CSU]: Doch, Frau Michalk! – Gegenruf des habe dann immer geduldig erklärt, dass das alles den ge- Abg. Anton Schaaf [SPD]: Aber zum Thema Rente hat sie doch nicht gesprochen!) setzlichen Vorgaben entspricht und schlicht die Formeln für die Berechnung angewandt werden, und zwar richtig. Unser Konzept – Frau Gleicke hat es vorhin schon Es blieben dennoch erhebliche Fragen. wunderbar erklärt – wird damit einhergehen, dass wir so schnell wie möglich Ordnung auf dem Arbeitsmarkt Frau Ministerin von der Leyen, Sie haben sich heute schaffen werden, und zwar so, dass die Menschen von zu dem Thema der Renten in Ost und West wirklich gar ihrer Arbeit leben und ordentliche Rentenbeiträge zahlen nicht geäußert. können. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist peinlich!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin Steffen, erlauben Sie eine Zwischen- Sie haben vorhin erklärt, dass durch die unterschiedli- frage der Kollegin Michalk? chen Erhöhungen der Abstand zwischen den Renten in Ost und West verringert wird und dass dies Ihr Verdienst ist. Das ist schlichtweg falsch. Denn es ist ganz einfach Sonja Steffen (SPD): das Ergebnis einer mathematischen Berechnung und der Nein. Sie hatten vier Jahre Zeit, uns Fragen zu stellen. Lohnentwicklung geschuldet. Wenn Sie welche hatten, dann hätten Sie das machen können. (B) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (D) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten LINKEN – Iris Gleicke [SPD]: Kein einziger der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU: Lohn-Euro!) Oh! – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Sou- verän ins Fettnäpfchen!) Ihr Abtauchen in der Rentenpolitik führt dazu, dass Kurz zum Antrag der Linken. In der Zielsetzung sind die Menschen in Ost und West sich weiterhin voneinan- wir uns einig. Allerdings werden wir für die vollständige der abgrenzen. So wächst nicht zusammen, was zusam- Angleichung nach unserer Berechnung circa 4,5 Milliar- mengehört. den Euro in die Hand nehmen müssen. Damit stellen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sich Fragen der Finanzierbarkeit und Fragen im Zusam- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE menhang mit dem Höherwertungsfaktor, die nur in GRÜNEN) Stufen solide beantwortet werden können. Deshalb wer- den wir uns bei der Abstimmung über Ihren Antrag ent- Damit schüren Sie nur Unmut und Ungerechtigkeits- halten. empfinden in Ost und West. Zwei Jahrzehnte nach der (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir ha- Einheit ist es längst überfällig, dass in ganz Deutschland ben doch einen Stufenplan! – Gegenruf des endlich gleiche Renten gezahlt werden. Abg. Anton Schaaf [SPD]: Aber einen sehr (Beifall der Abg. Dr. Marlies Volkmer [SPD]) kurzfristigen, mein Freund!) Eine Bundesregierung mit uns an der Spitze wird die Meine Damen und Herren, solide Rentenpolitik geht Angleichung der Renten herbeiführen und sich nicht nicht ohne vernünftige Arbeitsmarktpolitik. In meinem wegducken. Wahlkreis, der übrigens auch der Wahlkreis der Abge- ordneten ist, verdient eine Verkäuferin in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Vollzeit – hören Sie gut zu – durchschnittlich 1 300 Euro des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) brutto; das Gleiche verdient auch ein Kellner. In meinem Wahlkreis haben wir eine Arbeitslosenquote von Wir haben in den letzten vier Jahren bei dieser Frage 14,4 Prozent und eine Aufstockerquote von 15 Prozent. nicht geschlafen. Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass es auch der Wahlkreis der Abgeordneten Angela Merkel ist. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Doch! – Gegenruf der Abg. Iris Gleicke (Iris Gleicke [SPD]: Hört! Hört! – Christian [SPD]: Ach, Herr Weiß!) Lange [Backnang] [SPD]: Eine Schande!) 32492 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Sonja Steffen (A) Weder aus solch niedrigen Gehältern noch aus Arbeitslo- Ich finde, das ist interessant. Über diese Bilanz können (C) sigkeit erwachsen vernünftige Rentenansprüche. Durch wir gerne reden. Ihre verfehlte Arbeitsmarktpolitik, gerade und insbeson- (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Ja, dann dere im Osten der Republik, und durch Ihre Verweige- machen wir das doch!) rung eines gesetzlichen Mindestlohnes werden die Men- schen im Osten in doppelter Hinsicht bestraft: Sie sind Zunächst muss man festhalten – das hat die Ministe- einkommensarm und werden deshalb später altersarm. rin eben schon völlig zu Recht gesagt –, dass Alters- armut in Deutschland für 98 Prozent der Menschen im (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Und Sie Rentenalter derzeit glücklicherweise keine Realität ist, sind argumentationsarm!) weil sie Gott sei Dank nicht auf die Grundsicherung an- Wir von der SPD denken Rentenpolitik immer auch gewiesen sind. Das ist erst einmal eine gute Nachricht. im Zusammenhang mit Arbeitsmarktpolitik. Vernünftige (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Rentenpolitik heißt für uns Sozialdemokraten: 850 Euro der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann- Solidarrente für Menschen, die 30 Jahre gearbeitet haben Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das und ein zu geringes Einkommen hatten. steht im Armuts- und Reichtumsbericht aber (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Brutto ganz anders! – Matthias W. Birkwald [DIE oder netto? – Gegenruf des Abg. Dr. Matthias LINKE]: Schauen Sie doch mal in den Reich- Zimmer [CDU/CSU]: Ach, das sind doch De- tums- und Armutsbericht rein! 14,2 Prozent tails! Das wissen die doch selber nicht!) sind arm!) Vernünftige Rentenpolitik heißt für uns Sozialdemokra- Die Frage ist doch – das sage insbesondere ich als ten: Diejenigen, die nicht mehr arbeiten können, müssen Jüngerer –: Wie sorgen wir dafür, dass das in Zukunft so durch eine Erwerbsminderungsrente gut abgesichert bleibt, dass die Altersarmut also auch in Zukunft nicht werden. Vernünftige Rentenpolitik heißt für uns Sozial- oder möglichst wenig steigt? Ich fand es interessant, demokraten: Wer 45 Jahre versichert war, kann mit dass sowohl die Kollegin Steffen als auch Sie, lieber 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Und: Vernünf- Herr Strengmann-Kuhn, eben gesagt haben: Da geht es tige Rentenpolitik heißt für uns Sozialdemokraten, dass nicht nur um die Rentenpolitik an sich, sondern vor al- wir in der nächsten Legislaturperiode unser Versprechen lem auch um den Arbeitsmarkt. – Ich finde es bemer- der Ost-West-Angleichung halten werden. kenswert, dass Sie das sagen. Wenn ich mir die Lage am Arbeitsmarkt anschaue, kann ich nur sagen: Dann ist es (Beifall bei der SPD) doch eine gute Nachricht, dass wir in Deutschland Re- kordbeschäftigung haben. (B) Im Gegensatz zu Ihnen von der Regierungskoalition (D) werden wir die Menschen nicht enttäuschen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Sie ent- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aufstocker!) täuschen sie doch schon!) Es ist doch eine gute Nachricht, dass wir in Deutschland Sie haben versprochen und gebrochen, auch die Abge- die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa haben. ordnete Angela Merkel. Bei jedem jungen Menschen, der jetzt einen Job findet (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten – was er früher, als Sie regiert haben, nicht konnte –, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch nie gab es bei Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: den Erwerbstätigen eine so hohe Armuts- Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Johannes quote!) Vogel das Wort. sinkt das Risiko, im Alter auf Unterstützung angewiesen zu sei (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten n. Daher ist die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der CDU/CSU) dieser Koalition die beste Grundlage zur Vermeidung von zukünftiger Altersarmut.

Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! CDU/CSU – Iris Gleicke [SPD]: Um 800 Mil- Nachdem der Abgeordnete Kolb eben insbesondere auf lionen Euro haben Sie die Arbeitsmarktmittel den Antrag der Linken eingegangen ist, möchte ich mich für den Osten gekürzt!) vor allem auf den Beitrag des Kollegen Strengmann- Lieber Herr Strengmann-Kuhn, es ist nicht korrekt, Kuhn beziehen, der das wahrgemacht hat, was er vorhin wenn Sie in Ihrem Antrag ständig – kontrafaktisch; ich auf Twitter angekündigt hat – als ich auf dem Weg hier- weiß nicht, ob wider besseres Wissen oder einfach weil her war und meinen Twitter-Account checkte, konnte ich Sie mit Copy and Paste arbeiten – wiederholen, dass die das dort schon lesen –, dass er nämlich eine allgemeine Schere immer weiter auseinandergehe. Bilanz der Rentenpolitik der letzten vier Jahre ziehen und nicht nur zum eigenen Antrag sprechen wolle. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das sagt doch Ihr eigener Armuts- und (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Aha!) Reichtumsbericht! – Gegenruf des Abg. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32493

Johannes Vogel (Lüdenscheid) (A) Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Nein, er Das kann überhaupt nicht funktionieren. Da muss (C) sagt das Gegenteil!) man nicht Mathematik studiert haben, da reicht Grundschule Sauerland. Auch die Qualität der Arbeit entwickelt sich positiv, und das nicht nur weil wir in Weiterbildung und Aufstiegs- (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der perspektiven investieren. Ausweislich der Zahlen nimmt CDU/CSU) die Einkommensungleichheit seit 2006 nicht weiter zu. Ein klareres Zeugnis können wir Ihrem Konzept auch In den letzten Jahren, unter dieser Koalition, ist der Nie- nicht ausstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen; damit driglohnsektor geschrumpft. Das sind doch gute Nach- ist alles gesagt. richten. (Anton Schaaf [SPD]: Wie war das mit der (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Ost-West-Angleichung?) CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Kommen Sie doch mal zur Es ist notwendig, dass wir das höhere Renteneintritts- rentenpolitischen Bilanz! Die wollten Sie doch alter durch flexiblere Übergänge flankieren, lieber ziehen!) Kollege Toni Schaaf. Deswegen werden wir, wenn diese Koalition von den Wählerinnen und Wählern im Herbst Sie sollten die Fakten akzeptieren und nicht das Gegen- hoffentlich bestätigt worden ist, als ersten Schritt die Zu- teil behaupten, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die verdienstgrenzen abschaffen oder sie zumindest senken. Fakten sind nämlich wichtig für die Rentenpolitik. Das ist richtig und notwendig. Kommen wir zu einem zweiten Punkt, der auch eine (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Rolle spielt: Wie verhindern wir, dass sich die Demogra- Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- fie in Zukunft negativ auswirkt? Da kann ich nur sagen: NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten das längst Diese Koalition gibt für den Ausbau von Betreuungsein- machen können! Bei diesem Thema waren Sie richtungen gutes Bundesgeld. sich doch einig! Warum haben Sie das denn nicht gemacht?) (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Die Rente steht auf zwei Säulen. Wegen der Demo- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollten doch et- grafie muss in Zukunft neben der Einzahlung in das Ren- was zur Rentenbilanz sagen! – Silvia Schmidt tensystem immer auch private Vorsorge stehen. Daher [Eisleben] [SPD]: Ostrenten!) müssen und werden wir dafür sorgen, dass klar ist: Wer Die Koalition hat aber auch wegweisende Reformen auf sich anstrengt und vorsorgt, der wird mehr haben als die (B) den Weg gebracht, zum Beispiel eine Reform der Blue- Grundsicherung und mehr als der, der das nicht getan (D) card für eine moderne Einwanderungspolitik. Das ist hat. – Dafür werden wir sorgen. eine Investition in eine Abmilderung der demografi- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die schen Probleme. Auch das ist gute Rentenpolitik, Herr FDP hat doch alles verhindert!) Strengmann-Kuhn – allemal besser als das, was Sie zu- stande gebracht haben. Das Konzept der SPD hält schon einer Überprüfung durch Kollegen von der eigenen Partei, wie Franz (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Müntefering, nicht stand. Ihnen, liebe Kolleginnen und CDU/CSU) Kollegen von den Grünen, ist vorzuwerfen, dass Sie sich über die Finanzierung Ihres Konzepts völlig ausschwei- Aber kommen wir konkret zur Rente. Es ist in der Tat gen. bemerkenswert, wie sich die Kollegen von den Sozial- demokraten von den eigenen Reformen verabschieden. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Ich nenne da insbesondere die Anhebung des Rentenein- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe eben etwas trittsalters. Selbstverständlich ist diese Anhebung not- zur Finanzierung gesagt!) wendig; denn wenn wir alle älter werden und länger fit Da steht sinngemäß nur: Das wird dann irgendwie aus bleiben, dann ist es auch richtig, etwas länger zu arbei- Steuermitteln finanziert. – In Zeiten der Euro-Schulden- ten. Wer hatte das unter anderem erkannt? Ihr Kollege krise ist das eine bemerkenswerte Aussage. Da braucht Franz Müntefering. Was macht die SPD jetzt? Sie wollen man doch eine nachhaltige Gegenfinanzierung. Damit sich von dieser Reform verabschieden. tun Sie den Rentnerinnen und Rentnern keinen Gefallen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schön Das Rentensystem braucht Verlässlichkeit. Wir werden wär’s! Wir bleiben bei der Rente ab 65 Jahren! – das mit den beschriebenen Schritten fortsetzen. Iris Gleicke [SPD]: Es wäre trotzdem schön, (Silvia Schmidt [Eisleben] [SPD]: Ostrenten! – etwas zur Ost-West-Rentenangleichung zu Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie haben hören!) nichts getan zur Ost-West-Angleichung! Das ist das Ergebnis von vier Jahren Schwarz- Derselbe Franz Müntefering – ehemaliger Vizekanzler Gelb! Traurig! Setzen!) und Sozialminister – hat dazu klare Worte gefunden. Er hat mit Blick auf das so hochgelobte Rentenkonzept der Die letzten vier Jahre waren schon allein wegen der SPD – seiner eigenen Partei – vor einigen Monaten ge- Situation am Arbeitsmarkt vier gute Jahre für die Rent- sagt: nerinnen und Rentner in Deutschland. Deshalb ist die 32494 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Johannes Vogel (Lüdenscheid) (A) Rentenpolitik auch in Zukunft bei dieser Koalition in diese Bundesregierung so über den Willen der letzten (C) den richtigen Händen. Volkskammer „hinwegwischt“. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten GRÜNEN) der CDU/CSU – Iris Gleicke [SPD]: Diese Debatte geben wir als Broschüre heraus an alle Unerträglich finde ich es auch, dass die Bundesregie- Ostdeutschen!) rung nichts für diejenigen tut, die geflüchtet sind oder ausgewiesen wurden – darüber wurde bereits gespro- chen –, und hier untätig bleibt, obwohl wir heute vor ge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nau einem Jahr eine entsprechende Petition angenom- Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin men haben, nach der die Regierung diese Situation Dr. Martina Bunge das Wort. verändern soll. Heute könnten wir diesen Auftrag mit ei- (Beifall bei der LINKEN) ner Sofortabstimmung bekräftigen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): neten der SPD) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ich bin froh, dass inzwischen alle Oppositionsfraktio- Differenziertheit der Debatte zeigt meines Erachtens ei- nen hier in diesem Hause aktiv geworden sind. Leider nes: dass die Koalition es hervorragend versteht, um das, hat das Tätigwerden in den elf Jahren Regierungszeit der was sie nicht erledigt hat, herumzureden. Andererseits SPD nicht geklappt. Ich sehe das auch bei Ihnen, Herr zeigt die Debatte aber auch, welches Riesenspektrum an Kolb. In der letzten Legislaturperiode, als Sie noch in Aufgaben, die im Zusammenhang mit der deutschen der Opposition waren, haben Sie einen Antrag einge- Einheit stehen und seit 23 Jahren nicht erledigt sind, bracht, der fast alle Probleme beschrieb, die die Linke noch vor uns liegt. hier immer vorträgt. Sie hatten eine tolle Lösung: Es (Beifall bei der LINKEN) muss nachversichert werden. – Das geht zwar nicht, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das geht gut! Die Anträge der Linken verleihen denen eine Stimme, Das ist das beste System zur Vermeidung von die hier sonst nie gehört werden. Ich denke beispiels- Ungerechtigkeit!) weise an die Beschäftigten im Gesundheitssystem, die darauf vertraut haben, dass sie im Alter eine Würdigung aber Sie hatten immerhin die Probleme eingestanden. für ihre schwere und verantwortungsvolle Arbeit erfah- Jetzt sagen Sie nichts mehr dazu. (D) (B) ren. Das Einbringen der Anträge zeigt, dass hier ein ge- (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: meinsamer Wille besteht. Ich bin allerdings skeptisch, Weil ihnen die DDR nichts gegeben hat! ob das wohlklingende Rentenüberleitungsabschlussge- Schandhaft, wie ihr die Krankenschwestern in setz, das die SPD fordert, wirklich sozialen Frieden brin- der DDR bezahlt habt! Schändlich war das!) gen wird. Sie wollen mit dem Härtefallfonds vermeiden, dass die Betroffenen in die Grundsicherung „rutschen“. Ich habe die Kumpel der Braunkohleveredelung Borna/ Damit wird aber kein sozialer Friede Espenhain vor Augen. Sie haben diese harte Arbeit in der Braunkohleveredelung auf sich genommen, (Iris Gleicke [SPD]: Das wollen wir doch erst definieren in einer Arbeitsgruppe!) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Unter zum Teil menschenverachtenden Bedingungen!) zwischen den Ingenieuren, den Professorinnen und Pro- fessoren und den Eisenbahnern in Ost und West herge- weil die DDR kaum Steinkohle hatte, aber die Öle, Pa- stellt. Hier geht es nämlich nicht nur um die Vermeidung raffine und das, was dort sonst noch hergestellt wurde, in des Abrutschens in die Grundsicherung. der Wirtschaft und für den Alltag gebraucht wurden. Sie sind heute krank; viele sind bereits verstorben. Ich finde Sie sprechen von sozialen Härten und davon, dass in es eine Schande, dass die Bundesregierung diesen Men- der Vermeidung der Schlüssel liege. schen keine angemessene Sicherung für das Alter garan- (Iris Gleicke [SPD]: Deshalb heißt er auch tiert. 400 bis 500 leben noch. Härtefallfonds!) (Beifall bei der LINKEN) Ich denke, das wird nicht reichen. Auch der Missbrauch des Rentenrechts als politisches Strafrecht wird damit Ich denke aber auch an die Balletttänzerinnen und nicht abgeschafft. Das alles sind Aufgaben, die meines Balletttänzer. Überall in der Welt gehen sie in etwa im Erachtens zur Erledigung anstehen. vierten Lebensjahrzehnt von der Bühne und sind abgesi- chert. Die „berufsbezogene Zuwendung“ in der DDR Wir sehen, ein riesiger Berg von Aufgaben, die in der wurde dagegen durch den Einigungsvertrag zum 31. De- nächsten Legislaturperiode zu erledigen sind, liegt vor zember 1991 beendet, aber nicht, um ersatzlos gestri- uns. Dazwischen erfolgen am 22. September 2013 die chen zu werden. Das hat erst jüngst der damalige und Wahlen. Wir alle wissen nicht genau, wie es ausgehen letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière, wird, und so weiß auch ich nicht genau, ob ich hier noch noch einmal bestätigt. Ich finde es eine Schande, dass einmal sprechen kann. Ich möchte Ihnen und vor allen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32495

Dr. Martina Bunge (A) Dingen auch allen, die zuhören, deshalb sagen: Solange Übrigens, was die Rentenangleichung Ost-West anbe- (C) ich denken kann, solange mein Herz schlägt, werde ich langt: Rot-Grün hat in den sieben Jahren seiner Regie- für Gerechtigkeit in Sachen Rentenüberleitung kämpfen. rungszeit zweimal per Gesetz den Rentnerinnen und Die Lebensleistung Ost muss anerkannt werden! Rentnern in Ost und West eine Nullrunde verordnet, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!) neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE sprich: die Rentenangleichung Ost-West zum Stillstand GRÜNEN) gebracht. Wir haben die Rentenangleichung Ost-West wieder vorwärtsgebracht; das ist der Unterschied. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege Gleicke [SPD]: Weil die Löhne nicht gestiegen Peter Weiß das Wort. sind! Unsinn!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Zu Recht ist darauf hingewiesen worden: Bei der neten der FDP) Wiedervereinigung 1990 betrug der Rentenwert Ost ge- rade 40 Prozent des Rentenwerts West. Vollkommen Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): richtig: Die Rentenformel ist von zentraler Bedeutung. Aber was ist die Grundlage der Rentenformel? Die Lohn- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! entwicklung! Durch die gute Lohnentwicklung haben Es ist verständlich, dass sich vor allen Dingen die Oppo- wir es geschafft, dass ab Montag, 1. Juli dieses Jahres, sition in der letzten Rentendebatte des Deutschen Bun- der Rentenwert Ost endlich auf 92 Prozent des Renten- destages vor einer Bundestagswahl noch einmal gut auf- werts West ansteigt. Das ist ein großer Erfolg für die stellen will. Rentnerinnen und Rentner im Osten. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ha- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris ben wir ja auch geschafft! – Iris Gleicke Gleicke [SPD]: Aber nicht Ihr Verdienst!) [SPD]: Sie haben damit Mühe! Das ist wahr!) Zu Recht sagen die Rentnerinnen und Rentner im Os- Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, alle Probleme ten: Aber da fehlen ja noch 8 Prozent. – Dies veranlasst aus der Rentenüberleitung aus dem Jahr 1990, die uns mich, hier auf etwas hinzuweisen, was hier noch nie- beschäftigen, und auch die Frage „Wie behandeln wir mand in Zahlen vorgetragen hat, nämlich die Höherwer- diejenigen, die von der DDR auf schändliche Art und tung der Gehälter im Osten auf dem Rentenkonto, nicht (B) Weise ausgebürgert wurden und in den Westen kamen?“, auf dem Girokonto. Diese Höherwertung liegt bei (D) liegen seit 1990 auf dem Tisch. Diese Menschen haben 17 Prozent. Wenn jemand im Osten in diesem Monat ein wir nach der Wiedervereinigung in das gesamtdeutsche Gehalt von 1 000 Euro bekommt, dann wird sein Ren- Rentenrecht aufgenommen; zuvor wurden sie nach tenkonto so gestellt, als hätte er in Wahrheit Fremdrentenrecht behandelt, weil die Bundesrepublik 1 176,70 Euro verdient. Das ist die Höherwertung. Deutschland aus der Rentenkasse der DDR nichts be- kommen hat. (Iris Gleicke [SPD]: Es geht um den Renten- punkt!) Das gilt auch für die Frage: Wie schafft man die Ren- tenangleichung Ost-West? Acht Jahre nach der Wieder- Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man vereinigung, im Jahr 1998, hat Rot-Grün im Bund Re- ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West will – wir gierungsverantwortung übernommen. Seit dieser Zeit als Union wollen das; die FDP genauso –, hat elf Jahre lang ein Sozialdemokrat oder eine Sozialde- (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Dann macht es mokratin die Regierungsverantwortung für die Renten- doch!) politik in Deutschland getragen. In diesen elf Jahren ist kein einziges der Probleme, die wir heute auflisten, von dann muss man in dem Moment, in dem in Ost und West Ihnen gelöst worden. das Rentenniveau gleich ist, wenn es also im Osten an- statt bei 92 Prozent bei 100 Prozent liegt, diese Höher- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wertung abschaffen; denn der Grund für ihre Einführung der FDP) war ja das uneinheitliche Lohnniveau. Es ist wirklich unehrlich, wenn diejenigen, die elf Jahre Das zeigt: Man kann eine Rentenangleichung Ost- Zeit gehabt hätten, ebendiese Probleme zu lösen, jetzt, West nur durchführen, wenn man die Ostrenten den wo sie in der Opposition sind, vor einer Bundestagswahl Westrenten schrittweise angleicht und die Höherwertung plötzlich erzählen: Wir hätten es gemacht. – Nein, Sie beendet. Wenn man das mit einem Schlag, jetzt sofort, hätten es nicht gemacht. Sie hätten elf Jahre Zeit dafür macht, bedeutet das aber, dass man viele Rentnerinnen gehabt. Es ist also unehrlich, was Sie hier heute vortra- und Rentner im Osten schlechterstellt. Das wollen wir gen. nicht. Wir wollen die Rentner im Osten nicht schlechter- stellen, wir wollen sie besserstellen. Das ist der Unter- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – schied. Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Unehrlich! Pfui!) (Beifall bei der CDU/CSU) 32496 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): (C) Herr Kollege Weiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage Herr Kollege Birkwald, ich komme aus Baden-Würt- des Kollegen Birkwald? temberg. (Zuruf von der SPD: Das wissen wir! – Dr. Ilja Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Seifert [DIE LINKE]: Wir haben doch nichts Okay. gegen Minderheiten!) Hier im Bundestag sitzen Kolleginnen und Kollegen aus Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Schleswig-Holstein. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeit- Bitte schön, Herr Birkwald. nehmer in Schleswig-Holstein, die auch fleißig sind, ha- ben einen Durchschnittsverdienst in Höhe von nur Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): 75 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Herr Baden-Württemberg. Weiß, dass Sie die Frage zulassen. – Herr Weiß, Sie ha- (Iris Gleicke [SPD]: Und wo liegen sie im ben gerade gesagt. Wenn einer im Osten und einer im bundesrepublikanischen Durchschnitt?) Westen 1 000 Euro verdienen würde, dann würde derje- nige im Osten eine höhere Rente erhalten. Das ist nur die Aber es gibt im westdeutschen Rentenrecht keine Me- halbe Wahrheit. thode, um diesen Unterschied bei der Rente auszuglei- chen. Wenn wir Ihrem Beispiel folgen würden, müssten (Iris Gleicke [SPD]: So ist es!) wir für alle Bundesländer ein solches System einführen. Wahr ist, dass die Einkommen im Osten im Durch- Ich spreche mich nicht gegen eine Höherwertung aus. schnitt immer noch 20 Prozent unter denen im Westen Sie ist wegen des unterschiedlichen Lohnniveaus in Ost liegen. Wenn Sie jetzt die Hochwertung abschaffen, und West gerechtfertigt. Aber das, was Sie vorschlagen, dann hat das zum Ergebnis – auch wenn Sie den Renten- führt in Wahrheit gar nicht zu einem einheitlichen Ren- wert angleichen –, dass diejenigen im Osten, die diesel- tenwert in West und Ost. Das, was Sie vortragen, ist Lug ben Jobs wie diejenigen im Westen machen, am Ende und Trug. Sie wollen die Spaltung Deutschlands in der eine geringere Rente als die im Westen haben. Rente beibehalten, indem Sie den Rentenwert in Ost und (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- West auf das gleiche Niveau heben, aber gleichzeitig im neten der SPD – Anton Schaaf [SPD]: Genau Osten eine Höherwertung der Gehälter auf dem Renten- so ist es!) konto beibehalten.

(B) Ein Beispiel: Nehmen Sie zwei Floristinnen, die in (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur so (D) Teilzeit arbeiten, damit wir auf 1 000 Euro Verdienst im lange, bis sie angeglichen sind!) Westen kommen. Die Floristin im Osten bekommt keine Das bedeutet doch, dass sich die Lage umkehrt. Plötzlich 1 000 Euro, sondern 750 oder 800 Euro. sollen die Rentnerinnen und Rentner im Westen weniger (Iris Gleicke [SPD]: Richtig!) bekommen als die im Osten. Die Hochwertung dient dazu, dass auf dem Rentenkonto (Widerspruch bei der LINKEN – Iris Gleicke beide Floristinnen denselben Wert vorfinden. [SPD]: Unglaublich!) (Iris Gleicke [SPD]: So ist das!) Diese neue Spaltung, die die Linke will, machen wir auf keinen Fall mit. Das hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Aber nur wenn bei der Auszahlung der gleiche Renten- wert steht, dann haben die beiden auch hinterher die- (Iris Gleicke [SPD]: Demagoge! – Weitere Zu- selbe Rente. rufe von der SPD und der LINKEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) So ist es. Fakt ist doch derzeit noch: Wenn jemand im Osten (Beifall bei der CDU/CSU – Anton Schaaf [SPD]: 45 Jahre gearbeitet und immer den Durchschnittslohn Das ist ein Gegeneinanderausspielen!) verdient hat und wenn jemand im Westen 45 Jahre gear- – Ich will niemanden gegeneinander ausspielen. Ich sage beitet und immer den Durchschnittslohn verdient hat und nur, wie die Fakten sind. diese beiden am selben Tag in Rente gehen, dann hat der Mann oder die Frau aus dem Osten immer noch Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie sich 108 Euro weniger Rente als der Mann oder die Frau aus von den merkwürdigen Berechnungsmethoden, die ei- dem Westen. Diese Ungerechtigkeit muss beseitigt wer- nige vortragen, nicht täuschen. den. Deshalb haben wir einen entsprechenden Vorschlag gemacht. Was sagen Sie dazu? (Widerspruch bei der SPD und der LINKEN) Wir wollen ein einheitliches Rentenrecht. W Herzlichen Dank. ir wollen die Rentnerinnen und Rentner im Osten nicht benachteili- (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie gen, wir wollen aber auch keine Benachteiligung der bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Rentnerinnen und Rentner im Westen. Alle Arbeitneh- GRÜNEN – [DIE LINKE]: merinnen und Arbeitnehmer in Deutschland haben eine Endlich mal jemand, der die Wahrheit sagt!) gute Rente verdient. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32497

Peter Weiß (Emmendingen) (A) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber der Rentenkasse operieren, statt die Rente auf Pump aus- (C) ihr macht nichts! – Dr. Wolfgang Strengmann- zahlen zu müssen? Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Und wer Wahlprogramm steht was anderes!) hat Ost und West nicht angeglichen?) Wir haben heute leider Menschen mit geringen Ein- Das ist die eigentliche große Leistung der Regierung von kommen im Osten wie im Westen. Deswegen ist die ei- Angela Merkel. Vertrauen Sie Angela Merkel! Das be- gentliche Frage nicht nur eine des gleichen Rentenwerts, deutet auch eine sichere Rente. sondern die, ob wir eine Methodik entwickeln, die dazu führt, dass Menschen mit geringem Einkommen, die ein (Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und Leben lang gearbeitet haben, im Alter eine Rente bezie- dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hen, die so hoch ist, dass sie nicht um staatliche Unter- Vielen Dank. stützung bitten müssen. Das wollen wir für die Rentne- rinnen und Rentner und für die Arbeitnehmerinnen und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Arbeitnehmer, die im Osten wie im Westen wenig ver- neten der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE dient haben, verwirklichen. Deswegen wollen wir – das LINKE]: Dann bleiben die Ostrentner und ist ein zentraler Punkt unseres Wahlprogramms – eine Ostrentnerinnen im Regen stehen!) Aufstockung von Niedrigrenten vornehmen, mit denen wir den Rentnerinnen und Rentnern signalisieren: Wer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ein Leben lang gearbeitet hat, der muss auch von seiner Das Wort hat jetzt die Kollegin Silvia Schmidt für die Rente leben können. – Das ist unsere Zusage. SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Beifall bei der SPD) Anton Schaaf [SPD]: Und privat vorgesorgt hat! Sonst nicht!) Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD): Nun wird nicht nur heute, sondern sicherlich auch in Sehr verehrter Herr Weiß, ich bin leicht irritiert, da den nächsten Wochen im Wahlkampf vieles versprochen ich eigentlich der Meinung bin, Sie sind ein kluger und und vieles gesagt. Wenn man eine rentenpolitische Bi- intelligenter Mensch. Daher weiß ich nicht, wie ich Ihre lanz der acht Jahre Regierungszeit von Angela Merkel Rede interpretieren soll. ziehen will, Ich möchte Ihnen eines sagen: Die Ostdeutschen (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Desaströs!) wussten ganz genau, dass die Rentenkasse leer ist. Die (B) Ostdeutschen haben in einer friedlichen Revolution ge- (D) dann fällt vor allen Dingen eines auf: kämpft, und wir konnten uns wiedervereinigen. Die Ost- (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Verspro- deutschen sind dankbar für die Wiedererlangung der chen – gebrochen!) Einheit. Im September 2005 – auch damals war Bundestagswahl; Es sind nicht die Menschen, sondern es war der Staat, es war das Ende von Rot-Grün – haben die Rentnerinnen der nichts in den Kassen gelassen hat. und Rentner in Deutschland zum ersten Mal eine Rente (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Was?) auf Pump bekommen. Die Rentenkasse war leer. – In den Rentenkassen. Das Geld wurde woanders aus- (Ingrid Fischbach [CDU/CSU], an die Abge- gegeben, und die Kassen waren leer. Das wissen wir ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ doch. Lesen Sie das im Geschichtsbuch nach! DIE GRÜNEN gewandt: Leer gemacht habt ihr sie!) Es ist bezeichnend, wie lange wir schon über die An- gleichung der Ost- und Westrenten diskutieren. Es ist Die Rentenversicherung musste beim Finanzminister zu- nicht richtig, was Sie gesagt haben, Herr Weiß: Wir ha- sätzliches Geld besorgen, um die Rente ausbezahlen zu ben uns sehr wohl in unserer Regierungszeit mit den Ei- können. senbahnern und Postlern beschäftigt. Wir haben gerade Was ist heute, nach acht Jahren Angela Merkel, der für diejenigen, die in der Diktatur der DDR verfolgt wur- Fall? Die Rentenkasse ist voll. Sie hat eine Rücklage von den, Verbesserungen herbeigeführt. Es gab auch für sie 29 Milliarden Euro gebildet. Wir sind in der Lage, die eine angemessene Rente. Außerdem haben wir ein Ren- Rente auszubezahlen, ohne beim Finanzminister anzu- ten-Überleitungsgesetz und ein Anwartschaftsüberfüh- klopfen. Wir haben auch Geld, um Leistungsverbesse- rungsgesetz mit verfasst. rungen durchzuführen. Es ist also nicht wahr, was Sie gesagt haben. Wir sind (Zuruf von der SPD: Dann machen Sie es genau wie die Väter der Einheit davon ausgegangen, doch!) dass die Lohnanpassung stattfinden muss, um zu einer Rentenangleichung zu kommen. Aber – das ist schon Liebe Rentnerinnen und Rentner, liebe Arbeitneh- von jedem Redner hier deutlich gemacht worden – im merinnen und Arbeitnehmer in Deutschland, es gibt ei- Osten verdient man 20 Prozent weniger. Ich kann es nen Gesichtspunkt, nach dem Sie Ihre Wahlentscheidung nicht mehr hören, wenn in diesem Zusammenhang auf treffen sollten: Wer hat die Rente wieder auf eine solide das kleine Saarland oder auf Niedersachsen verwiesen Basis gestellt? Wer kann wieder mit einer Rücklage in wird. 32498 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Silvia Schmidt (Eisleben) (A) Ich nenne Ihnen einige Zahlen, die Sie auch nachlesen Ostrentner. Jetzt sind es noch knapp 4 Millionen. Die (C) können: 40 Prozent der Vollzeitstellen im Osten liegen Kosten können also gar nicht so hoch sein. Und wenn unterhalb der Niedriglohnschwelle. Im Westen sind es Sie glauben, dass die Ostrentner besser dastehen als alle nur 18,7 Prozent. Wir haben die meisten Aufstocker, und anderen, und wenn Sie deshalb nichts tun, dann kann ich die Langzeitarbeitslosigkeit ist bei uns gefestigt. Wir ha- mich nur an den Kopf fassen und sagen: Gute Nacht, ben mit prekären Beschäftigungsverhältnissen zu tun. Herr Bergner! Das sollte man nicht vergessen. Insofern bringt es nichts, über den Lohn der Menschen in Schleswig-Holstein zu (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie diskutieren. Ich gönne jedem seinen Lohn. Die Gewerk- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE schaften müssen überall für entsprechende Tarifab- GRÜNEN) schlüsse kämpfen; das ist für mich überhaupt kein Sie haben die Situation in den neuen Bundesländern wie Thema. Aber es kann nicht sein, dass in der Diskussion Sachsen-Anhalt einfach nicht verstanden. Da geht einem die Situation falsch dargestellt wird. wirklich die Hutschnur hoch! Es reicht wirklich! (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias (Iris Gleicke [SPD]: Er hat nur gesagt, es ist zu W. Birkwald [DIE LINKE]) kompliziert!) Ich weise ausdrücklich darauf hin: Im Osten verdient Es gibt so viele Problemsituationen in den einzelnen man, wie gesagt, generell weniger. Wir brauchen die Hö- Bereichen; das ist von den Kollegen meiner Fraktion herwertung. Ich glaube, ich habe den Antrag der Linken schon angesprochen worden. Wenn die Kollegen aus den richtig verstanden, dass sie genau wie wir der Meinung anderen Fraktionen darüber reden, wie die Rente gene- sind: Wenn die Angleichung erfolgt, dann muss auf die rell in Zukunft aussehen soll, dann kann ich nur sagen: Höherwertung verzichtet werden; es sei denn, wir ma- Das ist nett gemeint, aber jetzt geht es ganz speziell um chen es in der Weise, dass wir uns für alle Betroffenen in unsere Anträge zu den Renten in Ostdeutschland, in de- allen Bundesländern etwas Neues einfallen lassen. So nen wir Verbesserungen fordern. Das müssen wir auch habe ich das verstanden, und ich denke, dieser Punkt im Wahlkampf einfach deutlich machen. sollte aufgenommen werden. Man kann nicht auf der einen Seite in den Koalitions- Aber wir brauchen doch diese Höherwertungen über vertrag schreiben, das etwas eingeführt wird, und dann einen längeren Zeitraum, bis tatsächlich eine Lohnan- auf der anderen Seite nichts tun und sich zurücknehmen. gleichung von Ost an West erreicht ist. Ein anderer Es gibt keine Berechnungen oder Vorschläge von Ihnen Punkt ist: Im Bereich des öffentlichen Dienstes und auch – noch nicht einmal in Ihrem Wahlprogramm –, die zei- in anderen Bereichen ist die Angleichung ja schon – da- gen, dass Sie in den nächsten Jahren etwas tun wollen. (B) rauf weise ich jedes Mal hin; und ich bitte auch darum, (D) dass noch einmal darüber nachgedacht wird – zu Dann frage ich mich mit Blick auf die Kollegen von 100 Prozent vollzogen. der FDP, ob die Einführung der Mütterrente – Herr Rische spricht von Kosten in Höhe von 19 Milliarden (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das Euro; ich weiß nicht, wie das finanziert werden soll – ist der Punkt!) auch in Ihrem Interesse liegt. Ich denke, wir sollten erst In dem Bereich kann man die Höherwertung durchaus einmal eine einheitliche Lösung anstreben, wozu wir in weglassen; aber darauf gehen Sie gar nicht ein. Ich habe unserem Regierungsprogramm konkrete Vorschläge ge- das hier in den Diskussionen immer wieder gesagt; lesen macht haben. Das hat Frau Gleicke vorhin auch darge- Sie das in meinen Reden nach! stellt. Nun zu Herrn Bergner, dem Ostbeauftragten. Ich bin auch etwas enttäuscht – leider ist Frau von der Leyen schon weg –, dass die Ministerin dieses Thema (Iris Gleicke [SPD]: Wer ist das?) einfach nicht erwähnt bzw. weggeredet hat und jetzt ge- Ich kann es gar nicht fassen: Sie lächeln das Thema ein- gangen ist. fach weg. (Iris Gleicke [SPD]: Das ist bezeichnend! – (Zuruf von der SPD: Ja!) Zuruf von der SPD: Verkrümelt hat sie sich auch! – Anton Schaaf [SPD]: Zum Thema Ich fasse es einfach nicht! Sie kommen aus Halle, Sach- Rente hatte sie vier Jahr lang nichts zu sagen!) sen-Anhalt. Sie wissen doch ganz genau, wie wenig diese Menschen dort verdienen. Sie wissen, wie schwie- – Das ist wirklich sehr bezeichnend. – Wahrscheinlich rig die Situation für die Ostrentner ist. muss man feststellen: Der Osten findet bei der CDU/ CSU überhaupt nicht statt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wer ist der Mann?) Aber bald fängt ja der Wahlkampf an. Die Bürgerin- nen und Bürger werden ganz genau hinhören und nach- Vielleicht denken Sie auch immer an die relativ hohen fragen, wer was machen will. Wir tun etwas. Ich freue Renten für die, die im Bergbau gearbeitet haben. mich darauf. Und beim nächsten Mal: Rot-Grün! Als ich angefangen habe, im Bundestag über die (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Rentner im Osten zu sprechen, gab es noch 5 Millionen DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32499

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: gesagt: Jetzt muss man schnell handeln. – Nein, im Ren- (C) Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Pascal tenrecht darf man nicht schnell handeln, sondern man Kober das Wort. muss überlegt handeln. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) Auch Sie haben ein Modell vorgelegt und versuchen Pascal Kober (FDP): nun, die Wählerinnen und Wähler zu umgarnen, indem Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie ihnen vorrechnen: Im ersten Jahr kosten die Maßnah- Lieber Kollege Gysi, wenn Sie ankündigen, dass Sie be- men, die die Grünen vorschlagen, nur 270 Millionen absichtigen, noch häufiger für den Deutschen Bundestag Euro. Sie haben weiterhin vorgerechnet, dass diese zu kandidieren, dann empfinde ich das nicht als Dro- Summe in drei Jahren 800 Millionen Euro betragen hung, sondern ich verbinde damit die Hoffnung, dass Sie wird. Dann aber wird es nebulös. Da heißt es: Im Jahr vielleicht in einer der nächsten Legislaturperioden – so 2030 wird die Summe vielleicht bei 5 Milliarden Euro Sie denn gewählt werden – doch einige Grundsätze der liegen, wenn bestimmte Maßnahmen – zu diesen Maß- sozialen Marktwirtschaft verstehen lernen. nahmen sagen Sie im Detail nichts – flankierend hinzu- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zu- kommen. rufe von der LINKEN: Oh!) Das ist genau die Politik, die wir im Interesse der jün- Ein Grundsatz ist, dass auch erwirtschaftet werden geren Generation beenden müssen. muss, was nachher verteilt werden soll. Ihr Modell der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Aufwertung der Ostrenten, das Sie vorschlagen, kostet der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann- zunächst einmal unmittelbar 5 bis 6 Milliarden Euro. Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Richtig Geld!) sind denn die Berechnungen in Ihrem Modell? Sie haben doch vier Jahre Zeit gehabt!) Der Kollege Heinrich Kolb hat ja schon darauf hinge- wiesen: Es gibt den erklärten Willen – und dazu gibt es Wir dürfen heute nicht einfach Lasten beschließen, von auch Konzepte –, ein einheitliches Rentensystem Ost denen wir nicht wissen, wie sie sich auf die Zukunft aus- und West zu schaffen. Das kann man für die FDP ein- wirken. deutig festhalten. Was Sie aber vorschlagen, kostet so (Iris Gleicke [SPD]: Das Modell der Grünen viel Geld, dass man das den künftigen Generationen haben wir schon verstanden! Erklären Sie uns nicht ohne Weiteres aufbürden kann, ohne gleichzeitig einmal Ihres!) (B) zu sagen, woher das Geld kommen soll. (D) Das ist keine seriöse Politik. Wir werden nicht zulassen, In Ihrer Rede haben Sie einen Vorschlag gemacht. Ich dass Sie diese Politik in der nächsten Legislaturperiode erinnere mich: Sie haben den Produktivitätszuwachs an- umsetzen. gesprochen und dafür das Beispiel aus der Landwirt- schaft genommen, wonach heute wesentlich weniger Wir von der christlich-liberalen Koalition werden in Landwirte mehr Menschen mit Lebensmitteln versorgen der nächsten Legislaturperiode weiter regieren. Die ver- können. Was Sie aber verschweigen – auch das gehört gangenen vier Jahre waren gute Jahre für Deutschland. mit Blick auf die soziale Marktwirtschaft zur Wahrheit Die kommenden vier Jahre werden es auch sein. dazu –, ist, dass Sie in Ihrem gesamtpolitischen Konzept noch sehr viel mehr Belastungen für die Wirtschaft vor- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten sehen: der CDU/CSU)

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: höhere Steuern, höhere Löhne, mehr Leistungen im Ge- Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege Max sundheitssystem. Die Unternehmer sollen auch noch In- Straubinger das Wort. vestitionen tätigen, damit sie überhaupt am Markt beste- hen können. All das soll aus dem Produktivitätszuwachs (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- finanziert werden. neten der FDP)

Diese Rechnung wird am Ende nicht aufgehen. Das Max Straubinger (CDU/CSU): wird Arbeitsplätze kosten. Wenn aber Arbeitsplätze ver- Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die loren gehen, dann schaffen Sie genau das, was Sie an- Debatte dreht sich wieder einmal um die Rente, in die- geblich verhindern wollen, nämlich neue Armut und Al- sem Fall um die Angleichung des Rentenniveaus in Ost tersarmut in der Zukunft. Lieber Herr Gysi, das sollten und West. Aber es liegen auch Anträge zu anderen Punk- Sie einmal begreifen. Wir werden nicht nachlassen, Ih- ten auf dem Tisch, die die Linksfraktion mit dem Ziel nen das, wenn Sie dem nächsten Bundestag wieder ange- eingebracht hat, die Situation derjenigen, die treu für das hören, zu erklären. DDR-Regime gearbeitet haben, zu verbessern. Das ist (Beifall bei der FDP) Ihr besonderes Anliegen, Herr Kollege Gysi. Lieber Herr Kollege Strengmann-Kuhn, Sie haben Wir können in dieser Debatte feststellen: Die großen sich an einer Stelle ein Stück weit verraten. Sie haben Gewinner dieser Rentenüberleitung im Rahmen der 32500 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Max Straubinger (A) Wiedervereinigung sind die Rentnerinnen und Rentner Das war das Ergebnis rot-grüner Sozial- und Rentenpoli- (C) im Osten Deutschlands. tik. Man muss den Menschen immer wieder vor Augen führen, dass es unter Angela Merkel und unserer Bun- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- desarbeitsministerin gelungen ist, die Nachhaltigkeits- neten der FDP) rücklage in der gesetzlichen Rentenversicherung auf das Dieser Punkt ist immer voranzustellen. Das wird auch 1,7-Fache der Monatsausgaben steigen zu lassen. Damit nicht bestritten; denn die Renten, die ein Honecker sind die Renten der Rentnerinnen und Rentner in – auch Sie waren daran beteiligt – Deutschland sicher geworden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Iris Gleicke [SPD]: Die CDU auch!) Das ist das Ergebnis der erfolgreichen Politik, die wir als den Menschen in diesem System geboten hat, haben ga- Union – zuerst vier Jahre gemeinsam mit der SPD und rantiert nicht glücklich gemacht. Es ist wichtig, heraus- nun in besonderer Weise mit der FDP – für die Sicher- zustellen, dass es die Leistung von Kanzler Helmut Kohl heit der Menschen in unserem Land betreiben. war, der hier zielbewusst eine Verbesserung herbeige- führt hat. Dafür sind ihm die Menschen dankbar. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und wie gleichen Sie die Ostrenten an?) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Es gibt nun verschiedenste Vorschläge. Genauso wie Linke, SPD und Grüne um das beste Konzept zum Min- Der zweite Punkt ist, dass man meines Erachtens in destlohn wetteifern, gibt es mittlerweile auch einen der Rentenpolitik insgesamt gesehen sehr zielorientiert Wettbewerb um das beste Rentenkonzept. Der Kollege und gemeinsam handeln muss. Da stimme ich ausdrück- Gysi hat verdeutlicht, was ihm letztendlich vorschwebt: lich dem Kollegen Kolb zu, der hierzu schon einiges eine Einheitsrente. ausgeführt hat. Verlässlichkeit war in der westdeutschen Rentenpolitik immer eine entscheidende Größe. Dieser (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Grundsatz wurde aber von der SPD aufgekündigt. 1997/ Das ist Unsinn!) 1998 gab es nämlich Streit um den demografischen Fak- – Doch. – Der Kollege Gysi hat dargelegt, dass er prak- tor, der seinerzeit von dem damaligen Bundesarbeitsmi- tisch alle in die Rentenversicherung, also in die Einheits- nister Norbert Blüm richtigerweise eingeführt wurde. versicherung, einbeziehen will, unabhängig davon, ob es sich um Beamte, Selbstständige oder Freiberufler han- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ein peinliches delt. Er will dann alle kräftig einzahlen lassen, aber Kapitel für die SPD!) gleichzeitig das Äquivalenzprinzip aufgeben. (B) (D) Die SPD und die Grünen haben dann im Bundeswahl- (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So kampf 1998 versprochen, diesen Faktor zurückzuneh- ist es! – Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Abfla- men, was sie dann tatsächlich getan haben. Später hat chen!) dann Kanzler Schröder erkannt, dass dies sein größter politischer Fehler war. Deswegen hat er den sogenannten – Herr Kollege Gysi, Sie haben gesagt, derjenige, der Abschlagsfaktor eingeführt. Das ist die Politik von SPD mehr eingezahlt hat, dürfe ruhig ein bisschen weniger und Grünen, die in keiner Weise für ein gutes Rentensys- Rente bekommen. Das ist Ihr System. Das hätte eine tem im Interesse der Rentnerinnen und Rentner in unse- Einheitsrente in Höhe von rund 1 050 Euro zur Folge, rem Land steht. und sonst gar nichts. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Das ist etwas anderes!) In der Rentenversicherung geht es immer auch um die Das sind Ihre Vorstellungen, die Sie aus der untergegan- Finanzen. Alles muss von den Beitragszahlerinnen und genen DDR in das wiedervereinigte Deutschland quasi Beitragszahlern bezahlt werden. Die von SPD und Grü- überführen wollen. So ist es. nen im Jahr 1998 durchgeführte Rentenreform war nicht gut für die Menschen. Ergebnis dieser Reform war – der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kollege Weiß hat bereits darauf hingewiesen –, dass im Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hanebü- Dezember 2005 die Renten nur noch mithilfe vorgezoge- chener Unsinn ist das!) ner Steuerzuschüsse ausgezahlt werden konnten – Das zeigt sehr deutlich: Sie sind rentenpolitische Geis- (Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann- terfahrer in diesem Land. Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – – Natürlich war es so, Herr Kollege Strengmann-Kuhn. – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Zusätzlich mussten Beitragszahlungen vorgezogen wer- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie fahren gar nicht! den. Es war notwendig, in einem Jahr 13 Beiträge zu er- Sie stehen!) heben, um die Rentenkasse und die Sozialkassen auf ein Ihr Konzept ist garantiert keine gute Grundlage für die solides finanzielles Fundament zu stellen. Zukunft. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagen Sie Wir alle sind uns sicherlich darin einig: Von der ge- doch mal was zur Ostrentenangleichung!) setzlichen Rente muss man leben können. Die Rente soll Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32501

Max Straubinger (A) Leistung für Lebensleistung sein. Aber ich sage auch Da wir gerade bei Stolz und Dankbarkeit sind, möchte (C) ganz bewusst: Leistung für Lebensleistung bedeutet die ich sagen: Ich bin stolz und dankbar, dass wir zugunsten Beibehaltung des Äquivalenzprinzips. Dieses Prinzip der ostdeutschen Rentner von den Buchstaben unseres wird in eklatanter Weise durch die Vorschläge der Grü- Koalitionsvertrages abgewichen sind und eine bessere nen verletzt, wonach jemand nach geringster Beitrags- Lösung zustande gekommen ist als die, an die wir ge- zahlung – möglicherweise 35 Jahre Hartz-IV-Bezug – glaubt haben, als wir diesen Vertrag geschlossen haben. später eine Rente in Höhe von 850 Euro bekommen soll. Das ist eine gute Botschaft für die ostdeutschen Rentner. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn Gleicke [SPD]: Was denn für eine Lösung? – für ein Bild von den Menschen in Deutsch- Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wo ist land?) denn die Lösung?) Sie setzen Märchen in die Welt. Das ist in keiner Weise Wir haben heute schon eine Reihe von Beiträgen ge- erfüllbar. hört. Einen möchte ich ins Gedächtnis zurückrufen. Frau (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Kollegin Michalk hat kurz erwähnt, wie die Mindestren- der FDP) ten in der DDR gewesen sind. Das richtet sich vor allen Dingen gegen die Arbeit- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nehmerinnen und Arbeitnehmer, die tagtäglich in der vergessen, zu sagen, wie hoch die Mieten wa- Früh aufstehen und hart arbeiten, genauso wie es Toni ren und wie viel die Brötchen gekostet haben!) Schaaf früher als Maurer gemacht hat. Diese werden Sie hat den Betrag 370 Mark – damals Deutsche Noten- später die Gelackmeierten sein; denn sie müssen bei Aufgabe des Äquivalenzprinzips dieses System quasi al- bank – genannt. Genau so war es. Dann kam von Ihnen leine finanzieren. Deshalb lehnen wir die von Ihnen kon- der Zwischenruf, dass die Lebenshaltungskosten viel ge- zipierten und in den Deutschen Bundestag eingebrachten ringer gewesen seien. Pläne ab. Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Genau!) in Deutschland merkt, dass sie die Gelackmeierten in un- serer Gesellschaft sein werden, wenn Ihre Pläne Wirk- Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas zu den Lebenshal- lichkeit werden. tungskosten: Ein Liter Benzin kostete 1,35 Mark. Rech- nen Sie das einmal prozentual auf den heutigen Preis Unter diesem Gesichtspunkt bin ich sehr optimistisch, um. dass uns die Bürgerinnen und Bürger am 22. September wieder das entsprechende Vertrauen aussprechen, denn (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was (B) sie wissen: Mit der Union und mit der FDP gemeinsam kostete denn die Miete?) (D) ist die Rentenpolitik in Deutschland in guten und siche- Ein Viertel Kaffee der Marke Mona kostete 10 Mark. ren Händen. Eine Damenstrumpfhose kostete 18 Mark. Meine (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Damen und Herren, das war das Preisgefüge. Selbstver- Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: In wel- ständlich haben Sie recht, wenn Sie sagen, die Mieten chem Teil von Deutschland denn? – Zuruf von seien erheblich niedriger gewesen. Auch die Brötchen der SPD: Das sehen wir anders!) haben weniger gekostet. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber die Autos Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: waren teurer – wenn es sie gab!) Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt das Wort der Kollege Arnold Vaatz von der CDU/ Im Allgemeinen musste man stundenlang anstehen, um CSU-Fraktion. bestimmte Artikel zu kriegen. Sie haben während der ganzen Arbeitszeit Schlange gestanden und am Ende (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) doch nichts gekriegt. Das war die Realität. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Arnold Vaatz (CDU/CSU): Silvia Schmidt [Eisleben] [SPD]: Das wissen Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und wir doch!) Herren! Frau Steffen war eben erstaunt darüber, dass kein ostdeutscher Redner aus der CDU/CSU-Fraktion an Mich verblüfft immer wieder die Chuzpe, mit der die- dieser Debatte teilnimmt. Ich weiß gar nicht, ob sie noch jenigen, deren Altvorderen diese Katastrophe angerich- da ist. – Ach ja, da ist sie ja. tet und hinterlassen haben, jetzt von anderen fordern, dass sie für die Schäden, die daraus erwachsen sind, auf- (Anton Schaaf [SPD]: Wir haben sie gerade kommen. reingeholt!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Frau Steffen, da Sie in der Eifel geboren sind und die Zurufe von der SPD) Geografie Ihrer neuen Heimat vielleicht noch nicht so richtig kennen, muss ich Ihnen sagen: Frau Kollegin Das ist menschlicher Abgrund. Das ist nicht einmal poli- Michalk und meine Wenigkeit sind beide stolze ostdeut- tisches Fehlverhalten. sche Volksvertreter; um das einmal klar zu sagen. Kommen wir zu den heutigen Anträgen. Es liegt eine (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ganze Menge an Anträgen vor. Sie haben fast alle eines 32502 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Arnold Vaatz (A) gemeinsam: Die Angelegenheit wird fast ausschließlich nen Rentenansprüche erworben. Dadurch ist eine enorme (C) aus der Sicht der Anspruchsberechtigten betrachtet. Al- Hochwertung entstanden. Das ist auch vernünftig. lerdings haben bei diesen Rentenfragen wohl auch die Beitragszahler, die die materielle Grundlage schaffen, (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dage- noch ein Wort mitzureden. gen habe ich auch nichts gesagt!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wissen Sie, was in Ostdeutschland passiert wäre, wenn man diese Werte mit dem westdeutschen Renten- Meine Damen und Herren, demzufolge ist es absolut wert multipliziert hätte? Dann wäre Folgendes passiert korrekt, wenn auch Kollegen aus den alten Bundeslän- – ich kann Ihnen die Rechenbeispiele zeigen –: Es hätte dern hierzu ihre Meinung sagen. Denn wir dürfen nicht Fälle gegeben, wo derjenige, der in Rente geht, mehr vergessen, dass die Rentenbeiträge seit der deutschen Geld bekommen hätte als derjenige, der im aktiven Be- Wiedervereinigung überproportional aus dem Bereich rufsleben steht. Meine Damen und Herren, das geht der alten Bundesländer erbracht worden sind. nicht. (Silvia Schmidt [Eisleben] [SPD]: Das wissen (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da- wir doch! Dafür sind wir dankbar!) mals! Heute geht es nicht mehr!) Dafür sind wir sehr dankbar. Das ist eine sehr große So- Wir hatten in der DDR bei den Gehältern ein Verhält- lidaritätsleistung. nis von 30 zu 100 Prozent. Vergegenwärtigen Sie sich das einmal. Wir können doch nicht den aktiv Arbeiten- (Iris Gleicke [SPD]: Nun ist aber gut! Die Ost- den zumuten, dass sie weniger verdienen als diejenigen, deutschen zahlen auch seit 23 Jahren ein!) die in Rente gehen. Das nächte Thema: Fremdrenten. Auch dazu will ich (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Stellung nehmen. Ich verstehe, dass es für die bisherigen Fremdrentenbezieher keine gute Nachricht ist, wenn sie Aus diesem Grunde war es völlig richtig, dass wir ge- jetzt in das Rentensystem Ost eingegliedert werden; das trennte Rentenwerte eingeführt haben. ist richtig. Ich bin mir aber nicht sicher, ob der Fortbe- Wir haben dann gesagt: Konvergenz im Lohnbereich stand der dauerhaften Besserstellung derjenigen, die in zieht Konvergenz im Rentenbereich nach sich. In diesem die damalige Bundesrepublik Deutschland ausgereist Jahr ist der Beweis erbracht, dass diese Tendenz anhält. sind – auf welchem Weg auch immer –, von jedem unbe- dingt als gerecht empfunden wird. Ich kenne Familien, (Iris Gleicke [SPD]: Quatsch! – Matthias W. bei denen der ältere Bruder in den Westen gegangen und Birkwald [DIE LINKE]: Das ist Unsinn!) (B) der jüngere zu Hause geblieben ist. Der ältere Bruder (D) sagt mir heute, er wolle überhaupt nicht besser gestellt In diesem Jahr haben wir eine Steigerung der Rente im werden als sein in der DDR verbliebener Bruder. Dieser Westen um 0,25 Prozent und eine Steigerung im Osten hat nämlich ein ganz anderes Schicksal hinter sich. Das um 3,29 Prozent. Das ist der Faktor 13. Mehr kann man sollte man gegenseitig akzeptieren. nicht erwarten. Wir sind dankbar für diese hervorra- gende Entwicklung und hoffen, dass sie anhält. Aus diesem Grunde halte ich es für richtig, dass wir darauf warten, was das Bundesverfassungsgericht dazu (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sagt. Eine entsprechende Klage ist dort anhängig. Dann werden wir sehen, wie die Dinge ausgehen. Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Ich schließe die Aussprache. (Iris Gleicke [SPD]: Regierung im Wartestand: bei Schwulen und Lesben, bei den Renten, bei Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der vielen anderen Dingen!) Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/13453 mit dem Titel „Vertrauensschutz bei Rentenleistungen für alle aus Herr Birkwald, Sie haben vorhin eine meines Erach- der DDR Geflüchteten, Abgeschobenen und Ausgereis- tens relativ bemerkenswerte Zwischenfrage gestellt. Sie ten gewähren“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer haben im Grunde genommen das Zustandekommen und stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit die Wirkungsweise des Rentensystems erläutert. Dazu den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim- möchte ich Folgendes sagen: Sie haben dabei eine klitze- men der Oppositionsfraktionen abgelehnt. kleine Sache vergessen; das versuche ich zu ergänzen. Die ursprüngliche Situation war, dass man die ostdeut- Abstimmung über die Beschlussempfehlung des schen Rentner nach 1990 niemals einfach nach dem Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Druck- westlichen System hätte bezahlen können; denn dann sache 17/13971. Der Ausschuss empfiehlt unter hätte man die wesentlich niedrigeren Gehälter, nämlich Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ableh- die Gehälter, die in Ostdeutschland gezahlt worden sind nung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Druck- – das waren im Vergleich zum Westen 30 Prozent nomi- sache 17/10996 mit dem Titel „Angleichung der Ren- nal –, zur Grundlage des Rentenanspruchs machen müs- ten in Ostdeutschland auf das Westniveau bis 2016 sen. Aus diesem Grunde hat man sich entschieden, eine umsetzen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- Höherwertung anzusetzen und die ostdeutschen Anwart- lung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be- schaften so zu gestalten, als hätten die Betreffenden in schlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen Westdeutschland gearbeitet und die dadurch entstande- der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/ Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32503

Dr. Hermann Otto Solms (A) Die Grünen gegen die Stimmen der Linken bei Enthal- schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf (C) tung der SPD-Fraktion. Drucksache 17/14084, den Antrag der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13493 abzu- Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab- lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – lehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp- nen auf Drucksache 17/12507 mit dem Titel „Gleiches fehlung ist angenommen mit den Stimmen der Fraktio- Rentenrecht in Ost und West, Rentenüberleitung zum nen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der Linken Abschluss bringen“. Wer stimmt für diese Beschluss- bei Gegenstimmen der Grünen. empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen Ich rufe den Zusatzpunkt 22 sowie den Tagesord- der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Ge- nungspunkt 72 auf: genstimmen der Fraktion Die Grünen und Enthaltung ZP 22 – Zweite und dritte Beratung des von den Frak- der Fraktion Die Linke. tionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus- Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des schusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Betreuungsgeldgesetzes (Betreuungsgelder- Fraktion Die Linke mit dem Titel „Bund-Länder-Ar- gänzungsgesetz) beitsgruppe zur Korrektur der Überleitung von DDR-Al- – Drucksache 17/11315 – terssicherungen in bundesdeutsches Recht“. Der Aus- schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Drucksache 17/13865, den Antrag der Fraktion Die schusses für Familie, Senioren, Frauen und Ju- Linke auf Drucksache 17/7034 abzulehnen. Wer stimmt gend (13. Ausschuss) dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Diese Be- – Drucksache 17/14198 – schlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und Berichterstattung: der Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke. Abgeordnete Dorothee Bär Christel Humme Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Miriam Gruß auf Drucksache 17/13963 mit dem Titel „Stufenplan zur Diana Golze Angleichung des Rentensystems in Ost und West jetzt Katja Dörner auf den Weg bringen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist abge- – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- lehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung (B) Grünen gegen die Stimmen der SPD und bei Enthaltung – Drucksache 17/14208 – (D) der Fraktion Die Linke. Berichterstattung: Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus- Abgeordnete  schusses für Arbeit und Soziales auf Drucksache 17/8956.  Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be- Dr.  schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak-  tion der SPD auf Drucksache 17/6486 mit dem Titel Sven-Christian Kindler „Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vor- 72 Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten bereitung eines ‚Rentenüberleitungsabschlussgesetzes‘ Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Be- und zur Einrichtung eines ‚Härtefallfonds‘“. Wer stimmt treuungsgeldgesetzes für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dage- gen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist – Drucksache 17/13112 – angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen Überweisungsvorschlag: gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Linken Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) und Grünen. Rechtsausschuss  Ausschuss für Arbeit und Soziales  Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab- Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung  lehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Druck- Haushaltsausschuss sache 17/6487 mit dem Titel „Sofortige Ost-West-An- Zum Gesetzentwurf zur Ergänzung des Betreuungs- gleichung von pauschal bewerteten Versicherungszeiten geldgesetzes liegt ein Änderungsantrag der Fraktion beim Erwerb von Entgeltpunkten für die Rentenversi- Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir später nament- cherung vornehmen“. Wer stimmt für diese Beschluss- lich abstimmen. empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt es der Oppositionsfraktionen. Widerspruch dagegen? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann ist das so beschlossen. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus- (Unruhe) schusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Alters- Bevor ich die Aussprache eröffne, bitte ich die Kolle- armut bekämpfen – Mit der Garantierente“. Der Aus- ginnen und Kollegen, die an dieser Debatte nicht teilneh- 32504 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Dr. Hermann Otto Solms (A) men wollen, den Saal zu verlassen, damit die anderen zige Lobby, die die Familien in diesem Lande haben, auf (C) den Rednerinnen und Rednern zuhören können. der rechten Seite des Parlaments sitzt. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – nerin das Wort der Kollegin Dorothee Bär von der CDU/ [SPD]: Tätä, tätä, tätä!) CSU-Fraktion. Diese Legislaturperiode wird als die Legislatur- (Beifall bei der CDU/CSU) periode in die Geschichte eingehen, (Lachen bei der SPD) Dorothee Bär (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- in der die Familien am meisten profitiert haben. gen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der 9. November (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – 2012 war ein großartiger Tag für die Familien in unse- Stefan Schwartze [SPD]: Tätä, tätä, tätä!) rem Lande, Das ist erst der Anfang; denn wir werden diese Koalition (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der auch in der nächsten Legislaturperiode fortführen und SPD) noch draufsatteln für die Familien in diesem Lande. weil wir am 9. November des letzten Jahres in zweiter (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und dritter Lesung über das Betreuungsgeld abgestimmt haben. Bemerkenswert ist: Heute geht es um einen Gesetz- entwurf, der die Abschaffung des Betreuungsgeldes be- (Beifall bei der CDU/CSU) inhaltet. Sie wissen doch ganz genau – vielleicht wissen Sie es nicht, weil Sie sich von der veröffentlichten Mei- Das Gesetz ist vom Deutschen Bundestag und vom nung auf Ihrer Seite des Hauses falsch instrumentalisie- Bundesrat beschlossen worden, es steht im Bundesge- ren lassen –, dass Sie es nicht schaffen werden, das Be- setzblatt und wird am 1. August 2013 in Kraft treten. treuungsgeld abzuschaffen. Und trotzdem wollen Sie Und deshalb werden am 1. August 2013 die ersten Fami- wider besseres Wissen und mit dieser bewussten Täu- lien in Deutschland in den Genuss des Betreuungsgeldes schung in den Wahlkampf ziehen und den Menschen kommen. vorgaukeln, dass hier etwas beschlossen worden sei, das (Beifall bei der CDU/CSU) die Bevölkerung nicht möchte. Es erfüllt mich mit großem Stolz, dass wir als CDU/ (Zuruf der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) CSU-FDP-Regierung in dieser Legislaturperiode ein so (B) Das Schöne dabei sind – ich habe so etwas in den vie- (D) großartiges Gesetz abschließen konnten. len Jahren, in denen ich Politik für die Bevölkerung ma- (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der chen darf, noch nie erlebt – die unendlich vielen Dankes- SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: briefe, die wir bekommen haben Oh!) (Lachen bei der SPD) Das ist ein Gesetz, das sich weit mehr als zwei Drittel und in denen es heißt, dass wir die Einzigen seien, die der jungen Männer und Frauen wünschen. Deswegen für eine echte Wahlfreiheit eintreten. Denn wir schreiben mutet es schon etwas seltsam an, sehr geehrte Damen niemandem vor, wie er zu leben hat. Wir akzeptieren die und Herren von der Opposition, wenn Sie jetzt Ihr Wahl- verschiedenen Lebensmodelle. Wir akzeptieren es, wenn kampfgetöse auf dem Rücken der Familien austragen eine Frau oder ein Mann kurz nach der Geburt des Kin- wollen. des wieder arbeiten gehen möchte. Niemand vor uns hat (Stefan Schwartze [SPD]: Tätä, tätä, tätä!) den Kitaausbau so vorangetrieben wie wir. Ich finde es ganz beeindruckend, wenn Sie ständig so (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) große Aussagen treffen wie diese: Der muss verteidigt Wir akzeptieren es aber auch, wenn man sich für ein werden, die muss verteidigt werden, diese und jene anderes Modell entscheidet. Warum gönnen Sie den Fa- Randgruppe muss unter dem ganz besonderen Schutz milien nicht ihre eigene Entscheidung, und warum gön- der Opposition stehen. Aber die Mehrheit der Menschen nen Sie es den Familien nicht, selber zu entscheiden, was in Deutschland, die Familien, die Mütter, die Väter, wird gut für ihre Kinder ist? Wenn für den kleinen Paul etwas von Ihnen immer unter Generalverdacht gestellt und mit gut ist, muss es für die kleine Anna nicht gut sein; denn Schmutz beworfen. die Menschen müssen unterschiedlich bewertet werden. (Zuruf von der SPD: Unverschämt! – Weitere Wir bewerten auch die Kinder unterschiedlich. Wir sind Zurufe von der SPD) die Einzigen, die sagen: Wir denken vom Individuum aus. Wir wollen keine kollektive Gleichmacherei. Es ist Jetzt im Wahlkampf geschieht dies erneut. infam, was Sie sich hier leisten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) der FDP) Ich bin sehr froh darüber, dass ich heute noch einmal Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Das tut weh. Es ist die Gelegenheit habe, zum Betreuungsgeld zu sprechen. für mich ganz erschreckend, wenn ich sehe, dass die ein- Zum Abschluss einer Legislaturperiode ist nichts schö- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32505

Dorothee Bär (A) ner, als ein Gesetz zum Ende zu bringen, bei dem einem (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (C) das Herz aufgeht. Dies erfüllt mich mit ganz großer DIE GRÜNEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Freude. Sie können es nicht, Frau Marks! Sie können gar keine Politik!) Ich möchte mich an dieser Stelle ganz besonders bei zwei Männern bedanken, die in dieser Sache ganz große „Kaputtgespart“ titelt Der Spiegel diese Woche und Mitstreiter waren, die aber leider Gottes beide das Parla- bezieht sich damit auf eine aktuelle Studie des Deut- ment verlassen werden. Ich darf mich zunächst ganz schen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Studie herzlich bei unserem Staatssekretär bedanken. macht sehr deutlich, dass die öffentliche Infrastruktur, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie also Schulen, Kitas, Straßen, zu einem beträchtlichen der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE Teil in einem wirklich schlechten Zustand ist und dass GRÜNEN]) damit die Zukunftschancen unseres Landes aufs Spiel gesetzt werden. Lieber Hermann Kues, es war nicht nur mir, sondern der ganzen Arbeitsgruppe eine Riesenfreude, mit dir zusam- In einem entsprechenden Artikel mit der Überschrift menarbeiten zu dürfen. Du bist ein Staatssekretär, der „Deutschland muss mehr in seine Zukunft investieren“ – im Gegensatz zu anderen Ministerien – für jedes ein- appellieren Forscherinnen und Forscher an die Politik zelne Thema alleine verantwortlich ist. Du bist bei je- – ich zitiere –: dem Thema sprechfähig. Du warst einer der ganz großen Es ist dringend an der Zeit, dass Deutschland die Mitkämpfer für die Wahlfreiheit, für das Betreuungs- Investitionsschwäche angeht und den Investitions- geld. Lieber Hermann, wir werden dich in der nächsten rückstand aufholt. Und es ist wichtig, dass Deutsch- Legislaturperiode vermissen. land jetzt die Weichen dafür stellt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Die Wissenschaftler weisen nach, dass unser Land bei der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE der Bildungsinfrastruktur ganz erheblich hinterherhinkt. GRÜNEN] – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/ Deutschland investiert nur 0,1 Prozent des Bruttoin- DIE GRÜNEN]: Da klatsche ich auch, aber landsproduktes in die frühkindliche Bildung und Betreu- nicht für das Betreuungsgeld!) ung von Kindern unter drei Jahren und liegt damit im Ich darf mich auch ganz herzlich bei meinem Kolle- europäischen Vergleich auf einem der hinteren Plätze. In gen Norbert Geis bedanken. den skandinavischen Ländern ist der entsprechende Wert bis zu achtmal so hoch. Würde der Staat mehr in die öf- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu- fentliche Infrastruktur, insbesondere in die frühkindliche rufe von der SPD: Oh!) (B) Bildung, investieren, würde dies nicht nur für eine bes- (D) Lieber Norbert, auch du wirst nicht mehr für den Deut- sere Förderung unserer Kinder sorgen; alle könnten da- schen Bundestag kandidieren. Ich möchte mich auch bei von profitieren. Denn das Wirtschaftswachstum würde dir ganz herzlich für dein Engagement bedanken, für steigen, ebenso Steuereinnahmen und Einnahmen aus deine absolute Überzeugungstäterschaft, wenn es darum Sozialversicherungsbeiträgen. geht, für das Wohl der Familien in diesem Lande zu kämpfen. Wir werden auch dir hier im Parlament ein eh- Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ja, der Bund rendes Andenken bewahren und werden weiterhin sehr hat in den letzten Jahren – vor allem auf Initiative der gern außerparlamentarisch mit dir zusammenarbeiten. SPD – Milliarden in die Kinderbetreuung investiert und Auch an dich ein ganz herzliches Dankeschön! Länder und Kommunen bei der Wahrnehmung dieser wirklich wichtigen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) unterstützt. Herr Präsident, ich möchte jetzt eine Minute früher (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten aufhören, weil ich Norbert Geis für seine Rede eine Mi- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nute Redezeit schenken möchte. Der U3-Ausbau war ein Kraftakt; aber wir wissen, dass Herzlichen Dank. noch mehr in frühkindliche Bildung investiert werden (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) muss. Ein Betreuungsgeld läuft dem definitiv zuwider. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort die Kollegin Es geht jetzt um die richtige Weichenstellung für die Caren Marks. Zukunft, meine Damen und Herren von der Bundesre- gierung. Es liegt auf der Hand, dass die Einführung des (Beifall bei der SPD) Betreuungsgelds die falsche Weichenstellung ist. Sie können nicht ernsthaft die Appelle zahlreicher Wissen- Caren Marks (SPD): schaftlerinnen und Wissenschaftler und im Übrigen von Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen vier ehemaligen Bundesfamilienministerinnen, davon und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bär, zwei von der CDU/CSU, ignorieren, die das Betreuungs- Ihre Rede bedarf wirklich keiner Kommentierung; das geld als falsch und im Hinblick auf den notwendigen bezieht sich sowohl auf den Inhalt als auch auf den Stil. Ausbau der frühkindlichen Bildung als kontraproduktiv Ernsthafte Familienpolitik geht wirklich anders. bezeichnet haben. 32506 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Caren Marks (A) Das Betreuungsgeld ist und bleibt eine teure Fehlin- Investitionsbedarf im Bereich der frühkindlichen Bil- (C) vestition, die Deutschland weiter zurückwirft. dung endlich anpacken, wie der Gesetzentwurf des Bun- desrates zur Aufhebung des Betreuungsgeldgesetzes völ- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten lig zu Recht betont. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es geht – ich sage es erneut – um die richtige Wei- Das gilt auch für ein Betreuungsgeld in Form einer Leis- chenstellung. Selbst in den Reihen der Regierungskoali- tung für die private Altersvorsorge oder für ein privates tion gab es lange Murren und eine Ablehnung des Be- Bildungssparen. Meine Damen und Herren von der FDP, treuungsgeldes. Es war vor allem die Kanzlerin, die vor Ihr Ansatz macht das Betreuungsgeld leider nicht besser. der CSU eingeknickt ist und das Betreuungsgeld durch- Schwarz-Gelb ist auch mit diesem Ansatz definitiv auf gewinkt hat. Das war ein Riesenfehler, und es wird ein dem Holzweg. Riesenfehler bleiben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN sowie der Abg. Diana Golze Denn auch das sogenannte Betreuungsgeldergän- [DIE LINKE] – Dorothee Bär [CDU/CSU]: zungsgesetz beseitigt nicht das grundsätzliche Problem, Quatsch!) dass das Betreuungsgeld bildungs-, integrations- und gleichstellungspolitisch negative Effekte haben wird und Nach vier verlorenen Jahren unter Schwarz-Gelb vor allem zu einer Ungleichbehandlung der Familien in braucht es endlich eine Familienpolitik, die diesen Na- unserem Land führt. men auch verdient. Ein Comeback einer modernen und sozial gerechten Familienpolitik wird es nur mit Rot- Es wird Kinder von Kitas fernhalten. Es wird insbe- Grün nach dem 22. September geben; sondere Frauen den Anreiz bieten, länger vom Arbeits- markt fernzubleiben und auf eine eigenständige Exis- (Lachen der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU]) tenzsicherung zu verzichten. Hochproblematisch ist denn das heißt: Ja zu mehr frühkindlicher Bildung und auch, dass das Betreuungsgeld mit unqualifizierten, nein zu einem unsinnigen Projekt wie dem Betreuungs- nicht staatlich geförderten Betreuungsformen kombi- geld. nierbar sein soll. Herzlichen Dank. ( [CDU/CSU]: Mütter unqua- lifiziert?) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das konterkariert alle bisherigen Anstrengungen für (B) mehr Qualität. (D) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nicht unerwähnt lassen möchte ich den zusätzlichen Für die FDP-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Verwaltungsaufwand – Schwarz-Gelb ruft ja immer: Bü- Miriam Gruß. rokratieabbau! –, den das Betreuungsgeldgesetz und das heute zu debattierende Betreuungsgeldergänzungsge- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten setz auslösen werden. der CDU/CSU) (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Totaler Bürokra- tieabbau!) Miriam Gruß (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Wir von der Opposition stehen mit unserer Kritik in Kollegen! Ich kann mich noch ganz genau an das Ende diesem Land nicht alleine da. Ganz im Gegenteil: Die der letzten Legislaturperiode vor vier Jahren erinnern. überwiegende Mehrheit der Bevölkerung teilt unsere Daher kann ich feststellen: Wir, diese Koalition, sind im- Kritik an diesem unsinnigen Betreuungsgeld. stande, bis zum letzten Tag Gutes zu leisten. Nach vier (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ guten Jahren können wir auch am letzten Tag mit dem DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Betreuungsgeldergänzungsgesetz noch eins draufsetzen. LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) stimmt nicht! Das ist gelogen!) Die letzte Koalition, insbesondere die SPD, hatte da- Auch die Europäische Union ermahnt Deutschland im- mals mit abwegigen Diskussionen über das Kinder- mer wieder, auf das Betreuungsgeld zu verzichten. Noch schutzgesetz geglänzt. Das konnte damals nicht erfolg- am 29. Mai hat die EU-Kommission in ihren länderspe- reich zu Ende geführt werden. zifischen Empfehlungen den Ausbau der frühkindlichen Bildung und insbesondere der Ganztagsangebote ange- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: So ist es! Genau!) mahnt, weil Deutschland hier nach wie vor rückständig Das war die Debatte der letzten Legislaturperiode. Wir ist, meine Damen und Herren von der Regierungskoali- hingegen arbeiten gemeinsam, und zwar erfolgreich, für tion. die Familien in Deutschland. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Die Bundesregierung sollte diese Warnungen ernst Caren Marks [SPD]: Das sehen nur die Fami- nehmen und andere Prioritäten setzen. Sie müssen den lien nicht so!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32507

Miriam Gruß (A) Ich will konkret auf das Betreuungsgeldergänzungs- Das Bundeskinderschutzgesetz habe ich schon angespro- (C) gesetz eingehen. Ja, wir hatten eine Anhörung zu diesem chen. Dazu Fehlanzeige bei SPD oder bei den Grünen. Thema – auch wenn im Ausschuss anderes behauptet UN-Kinderrechtskonvention: Wer hat die Rechte von wurde –, Kindern gestärkt? Wer hat das geschafft? Wir haben das geschafft und nicht diejenigen, die in diesem Plenum im- (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mer laut schreien. Wir haben die Vorbehalte zurückge- NEN]: Nein, nein, nein! Schön bei den Fakten nommen. Wir haben das Individualbeschwerdeverfahren bleiben!) eingeführt. Frau Ministerin Schröder hat ein Programm und da ist ganz klar gesagt worden: Es gibt einen Bedarf zur Sprachförderung aufgelegt. 65 000 Kinder in für öffentliche Förderung von Bildungsleistungen. Diese Deutschland profitieren von dieser Sprachförderung. Koalition muss sich in Bezug auf die Förderung von Bil- Wir haben die Familien entlastet. Wir haben das Kinder- dung nichts vorwerfen lassen, aber auch gar nichts. geld erhöht. Wir haben den Bundesfreiwilligendienst Nicht nur, dass die schwarz-gelb regierten Länder besser eingeführt. Da ich gerade den Kollegen Bernschneider dastehen als alle anderen: sehe: Was hat er sich und was haben wir uns anhören ( [CDU/CSU]: So ist es!) müssen: „Der Bundesfreiwilligendienst wird kein Erfolg werden, er kann den Zivildienst nicht ersetzen“, wurde Diese Koalition hat 12 Milliarden Euro in Bildung in- gesagt. Doch, alle Erwartungen wurden bei weitem über- vestiert. Da brauchen Sie mir nicht mit irgendwelchen troffen. Wer hat es gemacht? Wir haben es gemacht. Zahlen von der OECD zu kommen. Wir haben gehan- delt, und wir reden nicht nur. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir haben auch für das Ehrenamt erfolgreich gearbeitet. Mit dem Betreuungsgeldergänzungsgesetz geben wir Wir haben in allen zivilgesellschaftlichen Bereichen un- den Familien genau das, was wir ihnen versprochen ha- sere Hausaufgaben gemacht. ben, wofür wir stehen, nämlich Wahlfreiheit. Sie können Von daher ist mir nicht bange, zurückzublicken. selbst entscheiden, wofür sie das Geld ausgeben wollen. Wollen sie es konkret für die Kinder ausgeben, wollen (Caren Marks [SPD]: Vorwärts lohnt auch sie es zur Altersvorsorge in einem Riester-Vertrag anle- nicht!) gen, oder wollen sie in Bildungssparen investieren und somit etwas für die Zukunft der Kinder aufbauen? Klar, Liebe Kollegin Bär, ich möchte aber auch nach vorne wenn man nur die Bezugszeit von 22 Monaten zugrunde schauen. Ich möchte mich bedanken für die hervorra- legt, dann scheint das nicht die Riesensumme zu sein. gende Zusammenarbeit, insbesondere bei Ingrid (B) Aber wir setzen auf mündige Eltern. Wir setzen darauf, Fischbach und Dorothee Bär, aber auch bei der Ministe- (D) dass die Eltern weiter investieren werden. Wenn die El- rin und den Kolleginnen und Kollegen von der FDP- tern nur 50 Euro monatlich drauflegen, dann kommt eine Fraktion. Das waren vier gute Jahre. Ich werde die Ar- Summe von rund 16 000 Euro zum 18. Geburtstag des beit gerne mit Ihnen gemeinsam fortsetzen. Kindes zusammen. Ich habe zu Beginn meines Studiums von meinen Großeltern eine Summe von 15 000 D-Mark (Sönke Rix [SPD]: Ihr hört jetzt auf! Ab Okto- erhalten. Damit bin ich durchs Studium gekommen. So ber machen das andere!) wollen wir das auch. Wir haben Vertrauen in die Fami- lien. Wir vertrauen darauf, dass sie auch in die Bildungs- Ich kann mir vorstellen, dass das heute zu beschließende zukunft ihrer Kinder investieren. Betreuungsgeldergänzungsgesetz der Einstieg in ein breites Bildungssparen ist. Genau das ist es. Wir wollen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten heute nicht aufhören, sondern wir werden weitermachen. der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Wer kann es sich denn leisten, weiter einzu- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Genau so ist es!) zahlen?) Wir werden weiter erfolgreich arbeiten, und zwar ideolo- Es gibt viele Möglichkeiten, das Geld anzulegen. giefrei, weltoffen und tolerant für die Familien in Man kann in bestehende Sparverträge investieren, Deutschland. (Ulla Burchardt [SPD]: Für Sie ist Bildung (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Vermögensbildung!) der CDU/CSU – Lachen bei der SPD und dem oder man kann in die Ausbildung investieren. Wir reden BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nicht über bestimmte Zwecke. Wir wollen auch hier Wahlfreiheit ermöglichen. Das zeichnet diese Koalition im Gegensatz zu Ihnen aus. Sie wollen nach Gießkannenprinzip fördern und nicht in- (Zuruf der Abg. Diana Golze [DIE LINKE]) dividuell wie wir. Sie sind ideologisch voreingenommen Wenn Sie sich hier so aufregen, will ich rückblickend, und sehen alles nur schwarz-weiß. Wir sind für die auch an die Adresse derjenigen, die diese wahrscheinlich Wahlfreiheit. Wir sind für die Freiheit der Familien. Das letzte Debatte zu diesem Thema in dieser Legislaturpe- geht nur mit uns. riode verfolgen, etwas über die Erfolge von Schwarz- Gelb sagen: (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU]: (Ulla Burchardt [SPD]: Oh Gott!) Bravo!) 32508 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dieser Gesetzentwurf ist ein weiterer Beweis dafür, (C) Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort die Kol- dass es Ihnen von Union und FDP nie um die Kinder, nie legin Diana Golze. um die Familien und erst recht nicht um die Vereinbar- keit von Familie und Beruf ging. Ihnen geht es um die (Beifall bei der LINKEN) Privatisierung der Altersvorsorge, um die Privatisierung der Bildung und um den Ausschluss von ganzen Genera- Diana Golze (DIE LINKE): tionen von Kindern aus der Bildung. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem ren! Um es gleich vorweg zu sagen: Meine fünf Minuten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Redezeit reichen gar nicht aus, um mich genügend über dieses Gesetz aufzuregen. Deshalb hat der Bundesrat recht mit dem Gesetzent- wurf, der uns ebenfalls heute hier vorliegt, in dem ein (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Ausstieg aus dem Betreuungsgeldgesetz gefordert wird; NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- das gilt natürlich auch für den Antrag der Grünen, der ten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) genau dies fordert. Deshalb werden wir zustimmen. Wer dachte, dass es nach dem Betreuungsgeld nicht Ob sich die Eltern, ob sich die Familien diese Bevor- mehr schlimmer kommen kann, hat sich getäuscht. Jetzt mundung tatsächlich gefallen lassen, bleibt fraglich. sollen nämlich auch noch Banken und Versicherungen Klar ist aber in jedem Fall: Eltern mit geringem oder ihr Stück vom Kuchen abbekommen: ohne Erwerbseinkommen, die auf Transferleistungen an- gewiesen sind, werden ein weiteres Mal entmündigt und (Patrick Meinhardt [FDP]: Ach du lieber Gott! gedemütigt. Denn, liebe Frau Bär, liebe Frau Gruß, spa- Dieses kommunistische Gefasel!) ren kann nur, wer etwas zum Sparen hat. Diesen Fami- 120 Millionen Euro zusätzlich zu den Milliarden des Be- lien nützen diese zwei Jahre nichts. Sie haben nichts, um treuungsgeldes sollen in den nächsten vier Jahren in Bil- weiter einzuzahlen. Sie haben nichts von dem Geld, das dungssparen und die private Altersvorsorge fließen, sie in diesen zwei Jahren ansparen können. Sie können nicht weiter einzahlen. Selbst die Sachverständigen der (Zuruf des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU]) Union haben in der Anhörung gesagt: Wenn nach diesen zwei Jahren nicht weiter mindestens 50 bis 100 Euro im 120 Millionen Euro zusätzlich, die für Kitas und gute Monat eingezahlt werden, dann nützen diese Gelder Bildung fehlen. nichts. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Zuruf der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU]) neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (B) Es ist einfach ungeheuerlich, wie Sie diese Bevölke- (D) Frau Gruß, damit haben Sie wirklich noch eins drauf- rungsgruppen von Bildung und der Verhinderung von gesetzt. Was hier unter dem Label „Wahlfreiheit“ ver- Altersarmut ausschließen. kauft werden soll, ist nichts anderes als ein billiger, nein, ein teurer Kuhhandel auf dem Rücken von Kindern und (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem Familien. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit diesem Betreuungsgeldergänzungsgesetz wird (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- weder die Altersarmut von Frauen bekämpft noch wird NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- Bildung für alle ermöglicht. Deshalb sagen wir Nein zu ten der SPD) dem Betreuungsgeld, egal in welcher Form. Wir sagen Heute soll ein Gesetzentwurf dieses Haus passieren, Nein zu diesem Ergänzungsgesetz, weil es privatisiert, der vorsieht, dass Eltern entweder mit einem Zuschuss Armut privatisiert, Bildung privatisiert, und kein Aus- für ihre eigene private Altersvorsorge belohnt werden, weg für die Betroffenen ist. wenn sie auf eine öffentliche Kindertagesbetreuung für Um es an dieser Stelle noch einmal zu sagen: Ich ihr Kind verzichten, oder Geld für ein Bildungssparen hätte mir sehr gewünscht, liebe Kolleginnen und Kolle- bekommen. Es geht dabei um ein Sparen für den zukünf- gen von SPD und Grünen, dass wir nach der Beschluss- tigen Bildungsweg des Kindes. Dafür sollen sie aber auf fassung zum Betreuungsgeld im letzten Jahr gemeinsam ein Bildungsangebot am Anfang der Bildungskarriere den Gang nach Karlsruhe angetreten hätten, um gegen des Kindes verzichten. Ja, hallo, geht’s noch? dieses Gesetz zu klagen. Wir haben von Ihnen die Ant- (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem wort bekommen, dass Sie diesen Weg nicht gehen wol- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) len. Das finde ich sehr schade. Ich sage ganz deutlich: Jede Bundesregierung, die gegen dieses Gesetz vorgehen Das ist so unsinnig. Was hat der Verzicht auf einen öf- wird, die dieses Gesetz zurücknehmen wird, wird die fentlichen Kitaplatz mit der Altersvorsorge der Eltern zu Unterstützung der Linken haben. tun? Was kann sinnvoll daran sein, Kindern ein früh- kindliches Bildungsangebot vorzuenthalten, um private (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Um Gottes Vorsorge für den späteren Bildungsweg zu treiben? Das willen!) geht mir nicht in den Kopf. Ich verstehe es nicht. Das ist zum Wohle der Kinder und Familien in unserem Land. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vielen Dank. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32509

Diana Golze (A) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Und: Das Betreuungsgeld diene nur dazu – man höre (C) neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE und staune –, „konservative Wählerschichten ruhig zu GRÜNEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das stellen“. Das alles hat in der Zeitung gestanden. sind Momente, die wir ernst nehmen!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Kai Gehring Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hatte sie Das Wort hat jetzt die Kollegin Katja Dörner von wohl mal einen hellen Moment!) Bündnis 90/Die Grünen. Das haben Sie damals zu Recht gesagt. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass man all diese klugen Erkenntnisse Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): abgeben muss, wenn man vor der Tür der CSU-Partei- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! zentrale steht und Vize-Generalsekretärin werden Liebe Kollegen! Mit unserem Änderungsantrag halten möchte. wir den Notausgang sperrangelweit offen. Wir können (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute gemeinsam diesem Spuk Betreuungsgeld ein Ende sowie bei Abgeordneten der SPD – Dorothee machen, und zwar noch bevor das erste Kind aus der Bär [CDU/CSU]: So ein Blödsinn!) Kita gefallen und die erste Mutter aus dem Job gefallen ist. Sie sollten diese Chance unbedingt ergreifen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, klar ist: Die Milliar- den für das Betreuungsgeld sind unsinnig verausgabtes (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Geld. und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na ja, gleich kommt ja Gott sei Dank Markus Grübel und Das Betreuungsgeld ist unverantwortlich. Es ist eine erklärt Ihnen das noch mal!) reine Kitafernhalteprämie, und es wird dazu führen, dass gerade die Kinder, die es am dringendsten brauchen, Ich möchte auch einmal auf den Verwaltungsaufwand weil sie in ihren eigenen Familien wenig mitbekommen, zu sprechen kommen. Alleine in Bonn, wo ich her- von frühkindlicher Bildung ausgeschlossen werden. komme, mussten im Jugendamt 4,5 Stellen umgewidmet Jeder, der hier heute am Betreuungsgeld festhält, muss werden, damit die unsinnigen Betreuungsgeldanträge sehenden Auges die Verantwortung für verpasste Le- bearbeitet werden können. In Nordrhein-Westfalen sind benschancen von Kindern übernehmen. Er muss auch es knapp 100 Stellen, in Berlin sind es rund 20. Diese die Verantwortung dafür übernehmen, dass es Eltern Menschen fehlen jetzt an anderer Stelle. Auch hier sieht (B) noch schwerer gemacht wird, ihr Familienleben so zu man die ganz klare Fehlleitung dringend benötigter Res- (D) gestalten, wie es die große Mehrheit von Eltern wünscht: sourcen. Bürokratiewahn ist das sowieso. Eltern wollen Erwerbsarbeit und Familienarbeit partner- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, schaftlich aufteilen. Alle Studien belegen das. Aber das bei der SPD und der LINKEN) Betreuungsgeld wird faktisch dazu führen, dass die Müt- ter zu Hause bleiben. Das ist eine komplett falsche Wei- Liebe Kolleginnen und Kollegen, um Herrn Seehofer chenstellung. und die CSU zu pampern, ist das Betreuungsgeld einfach zu teuer. Wir brauchen diese Milliarden dringend für den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kitaausbau, insbesondere für eine Qualitätsoffensive. bei der SPD und der LINKEN) Das ist übrigens auch die einzige vernünftige Schluss- folgerung aus den Ergebnissen der Evaluation der fami- Liebe Frau Bär, Ihre Aufregung hier ist ja doch ein lienbezogenen Leistungen, die die Ministerin letzte bisschen durchsichtig. Woche vorgestellt hat. Warum gibt diese Regierung auf- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Freudige Erre- wendige Studien in Auftrag, wenn von den Ergebnissen gung war das!) dann überhaupt nichts umgesetzt wird? Es ist doch wunderbar belegt, dass Sie selber eindring- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lich vor dem Betreuungsgeld gewarnt haben. sowie bei Abgeordneten der SPD) (Caren Marks [SPD]: Ja!) Es ist sogar noch schlimmer: Neue Maßnahmen wie das Betreuungsgeld werden die in der Evaluation kritisierten Ich habe im Zeitungsarchiv nachgeguckt. Sie haben ge- Fehlanreize noch weiter verstärken. Das ist doch wirk- sagt, das Betreuungsgeld würde „dem Missbrauch Tür lich absurd. und Tor öffnen“. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Caren Marks [SPD]: Umfallerin! – Swen sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- Schulz [Spandau] [SPD]: Oh!) KEN) Kinder würden – Zitat – „die hochwertige Erziehung in Wirklich absurd ist auch der Entwurf eines Betreu- den Krippen“ verpassen. ungsgeldergänzungsgesetzes, der uns heute vorliegt. Mit dem Betreuungsgeld wird eine neue Barleistung ge- (Caren Marks [SPD]: Wie war das mit dem schaffen, und mit dem Betreuungsgeldergänzungsgesetz Generalverdacht?) wird noch mal Geld obendrauf gelegt, damit diese 32510 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Katja Dörner (A) Barleistung bitte schön nicht in Anspruch genommen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (C) wird. Das ist an Absurdität doch wirklich nicht mehr zu der FDP – Ulrich Schneider [BÜNDNIS 90/ überbieten. DIE GRÜNEN]: Quatsch!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aber ich verstehe die Aufregung bei SPD, Linken und sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- Grünen: Freiheit gehört nun einmal nicht zu eurem Mar- KEN) kenkern. Wenn man sich die Ergänzungen genauer anschaut, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und dann sieht man, um was es sich dabei handelt. Es handelt der FDP – Widerspruch bei der SPD und dem sich um schwarz-gelbe Klientelgeschenke an die Versi- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) cherungswirtschaft, Wer sich zum Beispiel das Wahlprogramm der Grünen (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) anschaut, der sieht, dass es da von Bürgerbevormun- dungsplänen nur so wimmelt. Das widerspricht dem, wie wir sie in den letzten vier Jahren schon gehäuft erle- was wir wollen, nämlich: Wahlfreiheit. ben durften. Es geht uns um Elterngeld und Betreuungsgeld auf (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der einen Seite, Hinzu kommt ein Pseudo-Bildungssparen. Ich finde, (Caren Marks [SPD]: Aber das sind völlig Frau Gruß hat das eben selber ganz wunderbar auf den verschiedene Dinge! Die bringen Sie durch- Punkt gebracht: Es handelt sich um ein Pseudo- einander!) Bildungssparen, das sich eben nur Familien leisten aber auch um den Ausbau der Kinderbetreuung für unter können, Dreijährige; erst dann haben die Eltern echte Wahlfrei- (Caren Marks [SPD]: Ganz genau!) heit. die auch ohne staatliche Subventionen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (Caren Marks [SPD]: Ja!) Wir haben das Elterngeld beschlossen, gute Bildung für ihre Kinder problemlos finanzieren und (Caren Marks [SPD]: Das Elterngeld haben gewährleisten können. Das ist doppelt absurd: Schwarz- Sie gar nicht beschlossen!) Gelb investiert ins Betreuungsgeld, statt dieses Geld in Kitas zu investieren, damit Eltern für eine Bildung spa- wir haben das Betreuungsgeld beschlossen. Wir haben (B) (D) ren, die ihren Kindern durch gute frühkindliche Bildung aber auch die Zahl der Kitaplätze massiv ausgebaut: in den Kitas besser und unmittelbar zuteilwerden könnte. Rund 300 000 zusätzliche Kitaplätze. Das heißt: Weitere 300 000 Eltern bekommen Wahlfreiheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Betreuungs- geldgesetz muss nicht ergänzt werden. Es muss umge- (Diana Golze [DIE LINKE]: Es fehlen immer hend abgeschafft werden. Ich drücke Ihnen die Daumen, noch Plätze! 200 000 Plätze fehlen noch!) dass Sie, indem Sie unserem Änderungsantrag zustim- Das ist eine sehr gute Bilanz. Wir haben dafür, obwohl men, heute noch den Notausgang finden. der Bund an sich gar nicht zuständig ist, 5,4 Milliarden Vielen Dank. Euro zur Verfügung gestellt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ( [SPD]: Das hat die Große bei der SPD und der LINKEN) Koalition beschlossen, nicht die FDP!) Rechnen wir das Ganze jetzt einmal herunter auf einen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Platz und einen Monat: Die öffentlichen Hände fördern ei- Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege nen U3-Kinderbetreuungsplatz mit 900 bis 1 200 Euro Markus Grübel das Wort. pro Monat. Wir wollen den Eltern, die keinen öffentlich geförderten Betreuungsplatz in Anspruch nehmen, den (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Eltern, die die Betreuung selber organisieren oder nicht neten der FDP) geförderte Betreuungsplätze in Anspruch nehmen, 100 Euro – später 150 Euro – im Monat geben. Das ist Markus Grübel (CDU/CSU): nicht sehr viel Geld; aber selbst dieses wenige wollen Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ab Sie den Eltern wieder nehmen. dem 1. August dieses Jahres können Eltern in Deutsch- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe land das Betreuungsgeld erhalten. Um was geht es beim von der CDU/CSU und der FDP: Pfui!) Betreuungsgeld? Es geht erstens um Wahlfreiheit, es geht zweitens um Wahlfreiheit, es geht drittens um Darum werden wir den Gesetzentwurf des Bundesrates Wahlfreiheit. ablehnen. (Caren Marks [SPD]: Falsch!) Sie haben immer angekündigt: Nach der gewonnenen Wahl wollen wir den Gesetzentwurf aufheben. – Aber Es geht also darum, Eltern nicht zu bevormunden. euer Steinbrück ist nix, euer Wahlprogramm ist nix, eure Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32511

Markus Grübel (A) Wahlumfragen sind nix, und euer Gesetzentwurf – der Erziehung streichen, die Freibeträge für Ausbildung (C) Gesetzentwurf des Bundesrates – ist auch nix. Darum streichen. Wir geben – ihr nehmt. Wir unterstützen die wird daraus auch nichts werden. Familien, und ihr belastet die Familien. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und neten der FDP) der FDP – [Spandau] [SPD]: Seien Sie einmal höflich, und siezen Sie uns, Wir schaffen jetzt zusätzliche Altersvorsorge für El- ja? – Caren Marks [SPD]: Wir würden schon tern, insbesondere werden dadurch Mütter begünstigt. Wert darauf legen, vernünftig angeredet zu (Diana Golze [DIE LINKE]: Es ist eine private werden! – Weiterer Zuruf des Abg. Swen Altersvorsorge!) Schulz [Spandau] [SPD]: Armleuchter!) Das ist eine Anerkennung der Leistungen von Eltern. – Bei aller Freundschaft: Das war vielleicht eine Spur zu Wir schaffen die Möglichkeit des Bildungssparens. viel! Diese neue Unterstützungsleistung sollten Sie nicht ver- teufeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, (Caren Marks [SPD]: Das nützt vor allem der (Zuruf von der SPD: Wir sind nicht Ihre lieben Versicherungswirtschaft!) Kolleginnen und Kollegen!) Ich habe aber den Verdacht, es geht hier gar nicht um zum Schluss trotz dieses üblen Zwischenrufs noch ein das Betreuungsgeld. Es geht vielmehr um Wahlkampf, paar versöhnliche Worte. Wenn wir einmal den Schaum es geht um Diffamierung, und es geht darum, die gute vom Mund wischen, Arbeit der Koalition in der Familienpolitik in den letzten (Caren Marks [SPD]: Den Schaum haben Sie vier Jahren schlechtzureden. vor dem Mund! – Gegenruf der Abg. Dorothee (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Bär [CDU/CSU]: Das ist genau der linke Stil!) der FDP – Diana Golze [DIE LINKE]: Wir dann sieht man vielleicht doch bei dem ein oder anderen waren schon immer gegen das Betreuungs- ein Lachen. Ich glaube, wir können gemeinsam stolz geld! Von Anfang an! Schauen Sie sich die sein auf das, was wir in der letzten Wahlperiode erreicht Abstimmungen an! Wir haben von Anfang an haben – wir als Koalition mit unserer Familienministerin dagegen gestimmt!) und dem Familienministerium, aber auch alle Fraktio- (B) Dann lohnt sich durchaus einmal ein Blick in eure Wahl- nen; denn einen Teil haben wir ja auch gemeinsam ge- (D) programme. macht. Wir können stolz sein: auf den massiven Ausbau der Kleinkindbetreuung, auf den massiven Ausbau der (Caren Marks [SPD]: Das heißt: „in Ihre Wahl- Freiwilligendienste, auf den Ausbau des Kinderschutzes programme“!) und der Frühen Hilfen, auf den Ausbau der Unterstüt- zung für Conterganopfer, auf den Ausbau der Unterstüt- Was wollt ihr machen? Ihr wollt das Ehegattensplitting zung für Ehrenamtliche und das bürgerschaftliche Enga- abschaffen, gement. Ich könnte meine Aufzählung fortsetzen. (Caren Marks [SPD]: Wir sind hier nicht im Bierzelt!) Ich möchte an dieser Stelle allen, die aus dem Bun- destag scheiden, Danke sagen. Ich empfehle denen, die teilweise sogar für die bestehenden Ehen. 3,5 Milliarden altershalber ausscheiden, den fünften Altenbericht Euro wollt ihr den Familien nehmen. Wir hingegen ent- „Potenziale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft“ lasten und unterstützen die Familien, und ihr wollt sie zu lesen. Der neue Lebensabschnitt bringt neue Chancen belasten. und neue Herausforderungen und wird mit Sicherheit in- teressant. Vielen Dank ganz persönlich dir, Hermann (Caren Marks [SPD]: Wir verbitten uns das Kues: Du hast unsere Arbeit im familienpolitischen Be- Duzen, Herr Präsident! Wir wollen nicht ge- reich jahrelang väterlich begleitet. duzt werden!) Ich darf aber auch Frau Rupprecht Danke sagen. Wir Jetzt behauptet ihr, das Ehegattensplitting hätte nichts werden uns in den nächsten Jahren ja weiterhin sehen, mit Familie zu tun. Es hat sogar sehr viel damit zu tun: wenn es um Hospiz- und Palliativmedizin geht. 90 Prozent derer, die vom Ehegattensplitting profitieren, haben Kinder erzogen oder erziehen Kinder. Auch die, Ich danke auch Frau Humme, Frau Laurischk und die aktuell keine kleinen Kinder mehr haben, leisten . vielfältige Unterstützung und Dienste für ihre Kinder und Enkelkinder. Zum Schluss sage ich ganz besonders Norbert Geis herzlichen Dank. Norbert, du bist katholisch, du bist (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- konservativ, du bist gut drauf. Dir alles Gute! wie des Abg. Dr. Peter Röhlinger [FDP]) Herzlichen Dank. Was wollt ihr sonst noch machen? Ihr wollt den Steu- erfreibetrag für Betreuung streichen, die Freibeträge für (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 32512 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: den Tisch bekommen: Sie haben die Legislaturperiode (C) Herr Kollege Schulz von der SPD, Sie haben den mit Geschenken an die Hoteliers begonnen, und Sie be- Redner als „Armleuchter“ bezeichnet. Das ist unzuläs- enden sie mit Gaben und Gesten gegenüber der Versi- sig. Die Kolleginnen und Kollegen sollen nicht persön- cherungswirtschaft. Das ist doch mal eine klare Linie! lich diffamiert oder angegriffen werden. Ich rüge das Auf Sie kann man sich nun wirklich verlassen! ausdrücklich. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dorothee Bär Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist die Kinder- [CDU/CSU]: Sie nehmen den Leuten das Geld stube!) weg!) Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Ulla Das ist Klientelpolitik pur. Hier wirken Union und Burchardt. FDP wunderbar zusammen. Nur, eines ist auch klar: Ihr Vorhaben konterkariert das Ziel einer qualitativ hoch- (Beifall bei der SPD) wertigen Bildung von Anfang an, die dieses Land braucht. Ulla Burchardt (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und (Beifall bei der SPD) Herren! Ich will mich auch gerne an die Regeln des Hau- Das Problem ist, dass Ihre Politik schädlich für unser ses halten und deswegen sagen: Inhalt und Stil der Rede, Land und für die Zukunft unserer Kinder ist. Das sagt die wir gerade gehört haben, sind nicht kommentierbar. nicht nur die Opposition, die nicht nur für benachteiligte (Beifall bei der SPD – Dorothee Bär [CDU/ Randgruppen, sondern für die große Mehrheit der Men- CSU]: Was ist denn das? Das wird ja immer schen spricht. Schauen Sie doch in den „Chancenspie- peinlicher!) gel“, den Ihnen die Bertelsmann-Stiftung, die Sie ja nun wirklich nicht als eine von der Opposition angefixte, Worum geht es heute in der Debatte eigentlich? Es indoktrinierte Gruppe bezeichnen können, am Montag geht um die Operation „Bildungsblockade durch die dieser Woche vorgelegt hat. Dort wird Ihnen noch ein- Koalitionsfraktionen“ und um nichts anderes. mal vorgeführt, wie tragisch es ist, dass in Deutschland Bildungserfolg nach wie vor von sozialer Herkunft ab- Diese Blockade ist überflüssig und schädlich. Das Be- hängt und dass es nach wie vor mehr Bildungsabsteiger treuungsgeld wird auch durch das sogenannte Betreu- als Bildungsaufsteiger gibt. ungsgeldergänzungsgesetz nicht besser, das ausschließ- lich dem Ruhigstellen der FDP geschuldet ist; denn wir Aber Sie ignorieren vier Jahre lang konsequent all (B) alle wissen doch, dass nicht nur ein Großteil der CDU, das, was Ihnen wissenschaftliche Experten vorlegen. (D) sondern auch der FDP das Betreuungsgeld für blanken Das macht atemlos. Insofern versteht man auch die Unsinn und für unvertretbar hält. Sprechgeschwindigkeit der Kolleginnen, die hier aufge- treten sind. Ganz zum Schluss, am allerletzten Tag, haben Sie jetzt ein kleines Placebo gekriegt und dürfen noch einen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Entwurf für das sogenannte Bildungssparen einbringen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – die Kollegen lächeln und nicken mir freundlich zu; sie wissen, wovon ich rede –, wissend, dass er vermutlich Der Kommentar der Experten in der Anhörung zu Ih- sowieso keine Chance mehr auf Realisierung hat. Das, rem Versicherungsmodell: „Das können sich nur Fami- was Sie hier als Bildungssparen verkaufen, ist in Wahr- lien mit mittlerem und höherem Einkommen leisten“. Im heit doch Etikettenschwindel. Das muss man einmal Klartext: Zuerst fixen Sie Familien mit Betreuungsgeld ganz deutlich sagen. und Sparzulage an, teure, langfristige Verträge abzu- schließen. Wenn der Bezug der Herdprämie endet, dann Alle, die in den Gesetzentwurf blicken – und ich emp- müssen die Familien sehen, wo sie bleiben und das Geld fehle das –, können feststellen: Die Eltern, die darauf aus eigener Tasche aufbringen, was sie vermutlich über- verzichten, ihr Kind in eine Kita zu schicken, erhalten ei- haupt nicht können. – Sparzulage und Herdprämie, bei- nen Bonus von 15 Euro pro Monat, wenn sie das Betreu- des ist herausgeworfenes Geld, das im Aufbau der Bil- ungsgeld anlegen, und das auch nur für zwei Jahre. Da- dungsinfrastruktur deutlich besser angelegt wäre. Das ist bei muss es nicht unbedingt ums Bildungssparen gehen, die Zukunftsaufgabe, auf die es ankommt und bei der ge- sondern es kann sich um irgendeine Form der Geldan- meinsame Kraftanstrengungen von Bund, Ländern und lage handeln – sei es für die private Altersvorsorge oder Kommunen nötig wären. was auch immer. Mit anderen Worten: Die beste Bildung (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ bei der FDP ist die Vermögensbildung. Sie bleiben sich DIE GRÜNEN) wirklich treu. Wir wollen tatsächliche Wahlfreiheit für Familien und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ die beste Bildung für alle Kinder durch den Ausbau von DIE GRÜNEN) Kitas und Ganztagsschulen. Wir haben das Programm Das Entscheidende ist: Sie kriegen den Bonus nur für und das Finanzierungskonzept für eine bessere Infra- zwei Jahre, wenn sie Versicherungsverträge abschließen. struktur, für mehr Personal, für eine hervorragende Qua- Ich sage am letzten Tag, an dem wir interessanterweise lität. Wir haben das Programm für Chancengleichheit. und pikanterweise diesen Gesetzentwurf von Ihnen auf Bildungsaufstieg ist wählbar. Die Menschen werden dies Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32513

Ulla Burchardt (A) in den nächsten Wochen erkennen und feststellen: Rot Ich will noch etwas sagen. Es geht hier nicht um die (C) und Grün sind diejenigen Parteien in diesem Land, die Kinder im ersten Lebensjahr. Für sie nehmen die Eltern den Menschen Lebenschancen ermöglichen und ihren meist das Elterngeld in Anspruch. Es geht auch nicht um Bildungsaufstieg organisieren. die Kinder nach dem dritten Lebensjahr, weil dann der Kindergarten zur Verfügung steht. In der Hinsicht haben (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wir keine Differenzen untereinander. Es geht nur um die DIE GRÜNEN) Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr. Für diese Zum Schluss komme ich zum harmonischen Teil mei- Kinder sehen wir Kitas und andere Instrumente vor. ner Rede, die meine letzte an dieser Stelle ist. Ich kann Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ehe von Ihnen sagen: Ich empfinde es als Glück und als Ehre, Mann und Frau ist darauf ausgerichtet, Leben weiterzu- dass ich dem Deutschen Bundestag seit 1990 angehören geben. Gleichzeitig muss man bedenken, dass die Säug- durfte. Deshalb danke ich zuallererst den Dortmunderin- linge – das neue Leben – am meisten auf ihre Eltern an- nen und Dortmundern, die mich sechsmal direkt gewählt gewiesen sind. Sie entwickeln zu ihren Eltern das und hierher entsandt haben. intensivste Gefühl, das Menschen überhaupt zueinander (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ entwickeln können. Das muss man bedenken, wenn man DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der überlegt, wie es ab dem zweiten Lebensjahr weitergeht. CDU/CSU und der LINKEN) Im ersten Lebensjahr – das ist klar – bleiben die Kinder meistens daheim. Aber auch im zweiten und dritten Le- In aller Offenheit, die Sie von mir kennen, sage ich: Die bensjahr wollen die Kinder noch enge Bindungen an die Zeit hier war nicht immer nur eine Freude; denn man hat Eltern haben, damit sie das Urvertrauen lernen; denn das oft das Gefühl – ich habe das erlebt; und ich weiß, es Urvertrauen ist wichtig, um überhaupt später lernen und geht den meisten von Ihnen genauso –, dass die Jahre die Grundkompetenzen für das Leben erwerben zu kön- hier doppelt zählen. Hier wird so viel, so hart, so en- nen. gagiert gearbeitet, oft bis an die Grenze dessen, was Menschen überhaupt nur leisten können, wie es sich die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- meisten Kommentatoren kaum vorstellen oder gar für neten der FDP) sich selbst akzeptieren würden. Der Bundestag ist tat- sächlich – viele, die ausscheiden, haben es an dieser Dieses Urvertrauen müssen die Eltern erzeugen, weil es Stelle schon gesagt – besser als sein Ruf. die Eltern sind, die die engsten Beziehungen zu ihren Kindern haben. Das gilt auch für die Adoptiveltern, Unterm Strich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es selbstverständlich. war eine gute Zeit. Dafür danke ich allen, die mich in- (B) nerhalb und außerhalb des Bundestages fachlich und Sie dürfen auch nicht die Tatsache unberücksichtigt (D) menschlich begleitet haben. Nicht zuletzt danke ich allen lassen, dass zunächst einmal die Eltern das alleinige Er- Kolleginnen und Kollegen, besonders den Mitgliedern ziehungsrecht haben. Der Staat hat nicht das Recht, die des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technik- Kinder zu erziehen, sondern dieses Recht ist ausdrück- folgenabschätzung für kollegiale, faire, gute Zusammen- lich – auch in der Verfassung – den Eltern vorbehalten. arbeit, auch für die Geduld, die sie mit mir als Aus- Deswegen können auch nur die Eltern bestimmen, wie schussvorsitzende hatten. Ich freue mich auf neue sie ihre Kinder erziehen. Der Staat hat ihnen nicht hi- Aufgaben. Ich hoffe, Sie bei der einen oder anderen Ge- neinzureden. Auch das müssen Sie beachten. legenheit wiederzutreffen. Machen Sie es gut! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall im ganzen Hause) neten der FDP) Der Staat hat aber die Pflicht, die Eltern bei der Erzie- Vizepräsidentin : hung ihrer Kinder zu unterstützen. Das betrifft auch die Wir wünschen Ihnen alles Gute auf Ihren weiteren Kita. Das wissen wir. Wir haben viel Geld für die Kitas Wegen. ausgegeben. Wenn Eltern ihr Kind in die Kita geben Das Wort hat nun der Kollege Norbert Geis für die wollen, dann ist das ihre freie Entscheidung. Die haben Unionsfraktion. wir zu achten, und wir haben die Eltern von Staats we- gen zu unterstützen. Das ist auch geschehen. Wir haben (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- über 5,5 Milliarden Euro – das ist schon gesagt worden – neten der FDP) allein für den Bau der Kitas ausgegeben, obwohl das nicht Aufgabe des Bundes ist. Wir geben weiterhin Norbert Geis (CDU/CSU): 1 000 Euro pro Monat und Kind für einen Kitaplatz aus. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Das ist gut und richtig. Herren! Wir haben über das Betreuungsgeld viel gestrit- Aber dabei kann es nicht bleiben. Der Staat ist ver- ten; es ging oft hart zur Sache. Wir sind eigentlich noch pflichtet, die Eltern auch bei anderen Entscheidungen immer nicht auf einen gemeinsamen Nenner gekommen. zur Erziehungsleistung zu unterstützen. Das ist seine Die Positionen sind nach wie vor unterschiedlich. Des- Aufgabe. Er kann sich nicht allein auf die Kita konzen- wegen darf man sich nicht wundern, dass da und dort trieren. Dann würde er Unrecht tun. klar Position bezogen wird, damit draußen deutlich wird, was man jeweils darunter versteht. (Beifall bei der CDU/CSU) 32514 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Norbert Geis (A) Er hat die Pflicht, gleichzubehandeln. Das wollen wir Vizepräsidentin Petra Pau: (C) durch das Betreuungsgeld erreichen. Was ist daran so Kollege Geis, darf ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit verkehrt? bitten? – Wir wünschen in dieser Woche vielen Kolle- ginnen und Kollegen alles Gute für ihren neuen Lebens- (Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Genau!) abschnitt. Aber ich gestehe: Seit ich gesehen habe, dass Die Entscheidung der Eltern, die nicht bereit sind, ihr Sie ausgerechnet in der Zeit Ihre letzte Rede in diesem Kind in die Kita zu geben, müssen wir doch respektie- Hohen Hause halten, in der ich den Vorsitz habe, denke ich darüber nach, was das für ein Zeichen ist. Denn Sie ren. Wir müssen auch diese Eltern unterstützen; das ist waren der erste Abgeordnete, der mir 1998 in meiner die Pflicht des Staates. Alles andere ist eine falsche ersten Innenausschusssitzung des Deutschen Bundes- Denke. tages begegnete und zeigte, wo es langgeht, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Heiterkeit) neten der FDP) nicht inhaltlich, sondern im Sinne von: Wo finden wir Der Staat hat nicht das Recht – das will ich noch ein- alle unseren Platz? – Ich wünsche Ihnen alles Gute. mal betonen –, in die Entscheidungen der Eltern einzu- greifen. Deswegen darf er auch nicht eine Erziehungs- (Beifall im ganzen Hause) leistung, nämlich die in Form der Kita, präferieren; er muss vielmehr alle Erziehungsleistungen unterstützen. Sie waren der Zweite, Herr Außenminister, wenn Sie sich erinnern. Die Frage ist natürlich, ob die 150 Euro in einem ange- messenen Verhältnis zu den 1 000 Euro stehen, die wir Ich schließe die Aussprache. pro Monat und Kind für die Kitas ausgeben. Darüber muss man nachdenken, auch in der nächsten Legislatur- Trotz aller notwendigen Zeremonien hier vorne kom- periode. men wir jetzt zur Abstimmung über den von den Fraktio- nen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurf Denken Sie immer daran: In anderen Ländern wie eines Gesetzes zur Ergänzung des Betreuungsgeldgeset- beispielsweise Frankreich nehmen nur 13 bis 15 Prozent zes. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und der Eltern eine Kita in Anspruch. Entweder erziehen sie Jugend empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf ihr Kind selbst und bleiben daheim, oder sie geben es an Drucksache 17/14198, den Gesetzentwurf der Fraktio- eine Tagesmutter. Diese darf selber, ihre eigenen Kinder nen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/11315 eingeschlossen, nicht mehr als vier Kinder betreuen. in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein (B) Oder sie geben ihre Kinder zu den Großeltern oder ande- Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (D) ren Verwandten. Das ist die andere Seite. Das ist eine auf Drucksache 17/14211 vor, über den wir zuerst ab- Möglichkeit der Eltern, ihre Erziehungsleistung zu er- stimmen. bringen. Diese Erziehungsleistung wird in Frankreich Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die beispielsweise durch ein Betreuungsgeld in Höhe von Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen 300 bis 700 Euro unterstützt. Auch in Skandinavien wird Plätze einzunehmen. – Das ist der Fall. Ich eröffne die das Betreuungsgeld viel höher angesetzt als bei uns. Wa- Abstimmung. rum machen wir hier einen solchen Unterschied? Während einige Kolleginnen und Kollegen noch ab- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- stimmen, gebe ich Ihnen zur Kenntnis, dass mir mehrere neten der FDP) Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung vorlie- gen, die wir, wie immer, zu Protokoll nehmen.1) Ich verstehe den Aufwand, den Sie betreiben, und auch die Ideologie, die dahintersteht, überhaupt nicht. Das Gibt es ein Mitglied des Hauses, das seine Stimme kann ich nicht nachvollziehen. noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Bis zum Vorliegen des Er- Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles in al- gebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche lem sollten wir, was die Unterstützung der Erziehungs- ich die Sitzung. leistung der Eltern angeht, vielleicht doch in der nächs- ten Legislaturperiode, der ich nicht mehr angehören (Unterbrechung von 13.17 Uhr bis 13.24 Uhr) werde, zu einem vernünftigen Ergebnis kommen. Für mich war es immer eine Auszeichnung, diesem Haus an- Vizepräsidentin Petra Pau: zugehören. Ich habe hier gerne gestritten; das gestehe ich ohne Weiteres zu. Ich habe auch leidenschaftlich ge- Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. stritten und bin dabei vielleicht manchem auf die Füße Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und getreten. Dafür entschuldige ich mich. Ich wünsche Ih- Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen nen für die Zukunft alles Gute, und ich wünsche auch Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen 545. Mit unserem Land alles Gute. Gottes Segen! Ja haben gestimmt 234, mit Nein 308 Kolleginnen und Kollegen, und es gab 3 Enthaltungen. Danke schön.

(Beifall im ganzen Hause) 1) Anlage 4 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32515

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Endgültiges Ergebnis Dr. DIE LINKE Kai Gehring (C) Burkhard Lischka Katrin Göring-Eckardt Abgegebene Stimmen: 545; Jan van Aken Gabriele Lösekrug-Möller Britta Haßelmann davon Agnes Alpers Kirsten Lühmann Priska Hinz (Herborn) ja: 234 Dr. Caren Marks Dr. Matthias W. Birkwald nein: 308 Bärbel Höhn enthalten: 3 Petra Merkel (Berlin) Ingrid Hönlinger Steffen Bockhahn Thilo Hoppe Dr. Matthias Miersch Eva Bulling-Schröter Ja Franz Müntefering Dr. Martina Bunge Dr. Rolf Mützenich Susanne Kieckbusch SPD Heidrun Dittrich Memet Kilic Ingrid Arndt-Brauer Werner Dreibus Thomas Oppermann Sven-Christian Kindler Klaus Ernst Aydan Özoğuz Maria Klein-Schmeink Heinz-Joachim Barchmann Nicole Gohlke Heinz Paula Ute Koczy Dr. Hans-Peter Bartels Diana Golze Johannes Pflug Tom Koenigs Annette Groth Joachim Poß Sylvia Kotting-Uhl Bärbel Bas Dr. Gregor Gysi Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Rosemarie Hein Stephan Kühn (Heidelberg) Dr. Ulla Jelpke Renate Künast Dr. Lukrezia Jochimsen Markus Kurth Klaus Brandner Stefan Rebmann Katja Kipping Gerold Reichenbach Undine Kurth (Quedlinburg) Willi Brase Harald Koch Monika Lazar Edelgard Bulmahn Dr. Carola Reimann Sönke Rix Dr. Marco Bülow Nicole Maisch Ulla Burchardt René Röspel Katrin Kunert Dr. Ernst Dieter Rossmann Petra Crone Kerstin Müller (Köln) Dr. Karin Roth (Esslingen) Ralph Lenkert Michael Roth (Heringen) Beate Müller-Gemmeke Martin Dörmann Stefan Liebich Dr. Elvira Drobinski-Weiß Marlene Rupprecht Ulla Lötzer (Tuchenbach) Dr. Gesine Lötzsch Ingo Egloff Annette Sawade Ulrich Maurer Bernd Scheelen Dr. Hermann E. Ott Siegmund Ehrmann Dorothée Menzner Dr. h. c. Cornelia Möhring Brigitte Pothmer (B) Petra Ernstberger (Schwandorf) (D) Tabea Rößner Elke Ferner Werner Schieder (Weiden) Petra Pau Krista Sager (Aachen) Jens Petermann Carsten Schneider (Erfurt) Richard Pitterle Elisabeth Scharfenberg Swen Schulz (Spandau) Dr. Iris Gleicke Paul Schäfer (Köln) Dr. Günter Gloser Dr. Ilja Seifert Ulrich Schneider Dr. Martin Schwanholz Raju Sharma Dr. Wolfgang Strengmann- Angelika Graf (Rosenheim) Rolf Schwanitz Dr. Petra Sitte Kuhn Kerstin Griese Stefan Schwartze Sabine Stüber Hans-Christian Ströbele Gabriele Groneberg Rita Schwarzelühr-Sutter Alexander Süßmair Michael Groß Dr. Dr. Kirsten Tackmann Jürgen Trittin Hans-Joachim Hacker Sonja Steffen Frank Tempel Bettina Hagedorn Peer Steinbrück Alexander Ulrich Beate Walter-Rosenheimer Klaus Hagemann Dr. Frank-Walter Steinmeier Arfst Wagner (Schleswig) Michael Hartmann Christoph Strässer Johanna Voß Wolfgang Wieland (Wackernheim) Dr. h. c. Dr. Valerie Wilms (Peine) Franz Thönnes Josef Philip Winkler (Essen) Rüdiger Veit BÜNDNIS 90/ Dr. Eva Högl fraktionsloser Ute Vogt DIE GRÜNEN Abgeordneter Christel Humme Dr. Marlies Volkmer Kerstin Andreae Andrea Wicklein Wolfgang Nešković () Johannes Kahrs Heidemarie Wieczorek-Zeul Volker Beck (Köln) Dr. h. c. Susanne Kastner Dr. Dieter Wiefelspütz Cornelia Behm Nein Waltraud Wolff Birgitt Bender (Wolmirstedt) CDU/CSU Agnes Brugger Hans-Ulrich Klose Dagmar Ziegler Viola von Cramon-Taubadel Dr. Bärbel Kofler Manfred Zöllmer (Leipzig) Ekin Deligöz Peter Altmaier Anette Kramme Katja Dörner Ute Kumpf Dorothee Bär FDP Hans-Josef Fell Thomas Bareiß Christian Lange (Backnang) Sylvia Canel Dr. Thomas Gambke Norbert Barthle 32516 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Günter Baumann Dr. (C) Ernst-Reinhard Beck Robert Hochbaum Dr. Georg Nüßlein Dr. Hans-Peter Uhl (Reutlingen) Franz Obermeier Arnold Vaatz (Börde) Franz-Josef Holzenkamp (Kleinsaara) Joachim Hörster Stefanie Vogelsang Dr. Anette Hübinger Dr. Michael Paul Andrea Astrid Voßhoff Peter Beyer Hubert Hüppe Rita Pawelski Dr. Ulrich Petzold Dieter Jasper Dr. Dr. Sibylle Pfeiffer Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Maria Böhmer (Konstanz) Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Egon Jüttner Sabine Weiss (Wesel I) Norbert Brackmann Bartholomäus Kalb Christoph Poland Klaus Brähmig Hans-Werner Kammer Karl-Georg Wellmann Michael Brand Steffen Kampeter Peter Wichtel Dr. Annette Widmann-Mauz Bernhard Kaster Dr. Klaus-Peter Willsch Dr. Siegfried Kauder (Villingen- Elisabeth Winkelmeier- Dr. Schwenningen) (Potsdam) Becker Volker Kauder Dagmar G. Wöhrl Dr. Stefan Kaufmann Dr. Matthias Zimmer Cajus Caesar Klaus Riegert Wolfgang Zöller Dr. Willi Zylajew Ewa Klamt Johannes Röring Thomas Dörflinger Dr. Norbert Röttgen FDP Marie-Luise Dött Dr. Christian Ruck Dr. Thomas Feist Erwin Rüddel Manfred Kolbe Albert Rupprecht (Weiden) Christine Aschenberg- Ingrid Fischbach Dr. Anita Schäfer (Saalstadt) Dugnus Dirk Fischer (Hamburg) Hartmut Koschyk Dr. Wolfgang Schäuble (Münster) Dr. Maria Flachsbarth Thomas Kossendey Dr. Florian Bernschneider Klaus-Peter Flosbach Dr. Sebastian Blumenthal Karl Schiewerling Claudia Bögel Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Günter Krings Norbert Schindler Klaus Breil Angelika Brunkhorst (B) (Hof) Rüdiger Kruse Tankred Schipanski (D) Georg Schirmbeck Dr. Michael Fuchs Dr. Hermann Kues Christian Schmidt (Fürth) Hans-Joachim Fuchtel Günter Lach Helga Daub Alexander Funk Dr. Karl A. Lamers Dr. Bijan Djir-Sarai Ingo Gädechens (Heidelberg) Nadine Schön (St. Wendel) Patrick Döring Dr. Andreas G. Lämmel Dr. Kristina Schröder Gerhard Drexler Norbert Geis Dr. Norbert Lammert (Wiesbaden) Mechthild Dyckmans Dr. Ole Schröder Hans-Werner Ehrenberg Ulrich Lange Bernhard Schulte-Drüggelte Rainer Erdel Dr. Max Lehmer Uwe Schummer Jörg van Essen Peter Götz Paul Lehrieder (Weil am Ulrike Flach Dr. Wolfgang Götzer Dr. Ursula von der Leyen Rhein) Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Matthias Lietz Dr. Hermann Gröhe Dr. Hans-Michael Goldmann Michael Grosse-Brömer Dr. Heinz Golombeck Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Bernd Siebert Miriam Gruß Daniela Ludwig Joachim Günther (Plauen) Monika Grütters Dr. Michael Luther Dr. Christel Happach-Kasan Manuel Höferlin Florian Hahn Dr. Thomas de Maizière Carola Stauche Birgit Homburger Dr. Hans-Georg von der Marwitz Dr. Heiner Kamp Jürgen Hardt Andreas Mattfeldt Erika Steinbach Stephan Mayer (Altötting) Christian Freiherr von Stetten Dr. Lutz Knopek Dr. Dr. Michael Meister Pascal Kober Maria Michalk Dr. Heinrich L. Kolb Dr. h. c. Gudrun Kopp Ursula Heinen-Esser Dr. Max Straubinger Dr. h. c. Jürgen Koppelin Frank Heinrich Philipp Mißfelder Holger Krestel (Heilbronn) Patrick Kurth (Kyffhäuser) Lena Strothmann Heinz Lanfermann Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Ernst Hinsken Stefan Müller (Erlangen) Dr. Harald Leibrecht Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32517

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Sabine Leutheusser- Dr. Martin Neumann Christoph Schnurr Johannes Vogel (C) Schnarrenberger (Lausitz) (Lüdenscheid) Lars Lindemann Marina Schuster Dr. Daniel Volk Dr. Dr. Martin Lindner (Berlin) Hans-Joachim Otto Dr. Erik Schweickert (Frankfurt) Dr. Claudia Winterstein Michael Link (Heilbronn) Werner Simmling Dr. Volker Wissing Gisela Piltz Dr. Erwin Lotter Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Jörg von Polheim Dr. Hermann Otto Solms Dr. Birgit Reinemund Joachim Spatz Horst Meierhofer Enthalten Dr. Rainer Stinner Patrick Meinhardt Dr. Peter Röhlinger Stephan Thomae FDP Gabriele Molitor Dr. Jan Mücke Nicole Bracht-Bendt Björn Sänger Dr. Florian Toncar Sebastian Körber Petra Müller (Aachen) Frank Schäffler Serkan Tören Burkhardt Müller-Sönksen

Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Liebe Kollegen! In einem Monat tritt der Rechtsan- Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den spruch auf einen Kitaplatz auch für die unter Dreijähri- Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen gen in Kraft. Damit kommen wir endlich familienpoli- der Oppositionsfraktionen angenommen. tisch dem näher, was ausweislich aller Studien und Dritte Beratung Umfragen Eltern besonders wichtig ist, nämlich Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren zu können. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Das ist – ohne Frage – längst überfällig. Wir werden hier Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – in der Debatte wahrscheinlich seitens der Koalitionsfrak- Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz- tionen das übliche Schwarze-Peter-Spiel erleben: entwurf ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und der Schimpfen auf rot-grün geführte Bundesländer und Ver- FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der drehung der Tatsachen, was das Engagement der Kom- Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die munen in dieser Angelegenheit angeht. Grünen angenommen. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sagen Sie doch Tagesordnungspunkt 72. Interfraktionell wird die Über- (B) mal, was Sie wollen!) (D) weisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/13112 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- Dieses Schwarze-Peter-Spiel nervt einfach, und es geht schlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das insbesondere den Eltern auf den Zeiger. Eltern wollen ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos- keine Wartelisten in den Kitas. Sie wollen keine Bewer- sen. bungsverfahren um Kitaplätze durchlaufen. Was sie wol- Ich rufe die Zusatzpunkte 23 und 24 auf: len, sind flexible Öffnungszeiten und vor allem eine gute Qualität in den Einrichtungen, kleine Gruppen, kon- ZP 23 Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja stante Bezugspersonen sowie gut ausgebildete und auch Dörner, Ekin Deligöz, Sven-Christian Kindler, besser bezahlte Erzieherinnen und Erzieher. weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Rechtsanspruch auf Bildung, Erziehung und Betreuung zügig realisieren – Qualitätsoffen- Was hat die schwarz-gelbe Bundesregierung getan, sive in Kitas und Tagespflege in Angriff nehmen um diesen berechtigten Interessen der Eltern nachzu- – Drucksache 17/14135 – kommen? Fakt ist: Die Bilanz der Bundesregierung beim Kitaausbau ist mehr als mickrig. Fakt ist: Es war jahre- ZP 24 Beratung des Antrags der Abgeordneten Caren lang bekannt, dass der Bedarf an U3-Plätzen deutlich hö- Marks, Petra Crone, Kerstin Griese, weiterer Ab- her sein wird, als 2007 angenommen. Damit war auch geordneter und der Fraktion der SPD lange klar, dass die damals getroffene Finanzierungsver- U3-Rechtsanspruch sichern – Qualität verbes- einbarung zwischen Bund, Ländern und Kommunen sern und auf Betreuungsgeld verzichten nicht funktionieren kann. Und was hat Ministerin Schröder getan? Sie hat jahrelang den Kopf in den Sand – Drucksache 17/14138 – gesteckt und in Kauf genommen, dass die Kommunen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die auf den Kosten des Kitaausbaus sitzen bleiben. Sie hat Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre dem Finanzminister keinen einzigen müden Cent zusätz- keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. lich aus den Rippen geleiert. Das ist eine unverantwortli- che Vogel-Strauß-Politik. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle- gin Katja Dörner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nen. und bei der SPD) 32518 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Katja Dörner (A) Als die Bundesländer in den Fiskalpaktverhandlun- Man hat in Ihrer letzten Rede schon gemerkt: Sie neh- (C) gen zusätzlich 580 Millionen Euro für die Kitas erstrit- men aus dem Zusammenhang herausgerissene alte Zi- ten haben, hatte Frau Schröder nichts Besseres zu tun, tate, die auf einer völlig anderen Grundlage basieren. als die Länder mit kleinteiligen Vorschriften zu schika- Ganz bewusste Täuschung! Das Gleiche machen Sie nieren und die Auszahlung der Gelder zu verzögern. Das auch bei diesem Antrag. ist eine Politik gegen die Wünsche der Eltern und gegen Meine Damen und Herren, Sie haben jetzt die große die Kitas. Diese Politik muss ein Ende haben. Wir brau- Chance, sich von mir erklären zu lassen, was die Grünen chen endlich eine Bundesregierung, die mit der Priorität hier wieder planen. Ich bin der Kollegin Dörner dankbar, für den Kitaausbau Ernst macht. dass sie gesagt hat: Sie haben am 22. September die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wahl. Angesichts ihres Täuschungsversuchs heute bin und bei der SPD) ich sicher, dass von der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger am 22. September die richtige Wahl getroffen Für uns Grüne ist klar, dass sich der Bund weiterhin wird. Uns geht es nämlich nicht um ein Schwarzer-Peter- für die Kitas engagieren muss, auch über 2013 hinaus. Spiel. Das ist genau das Spiel, das Sie hier betreiben. Wir brauchen ein Sofortprogramm für die Kommunen, die zwar in den Kitaausbau investiert haben, aber einen Wir haben in dieser Woche wieder etwas Bemerkens- Bedarf an U3-Plätzen haben, der weit über den damals wertes erleben können: Der Deutsche Landkreistag und als Durchschnitt angenommenen 37 Prozent liegt. Das die Familienministerkonferenz der Länder haben festge- muss der erste Schritt sein. stellt, dass der 2007 vereinbarte Rechtsanspruch auf ei- nen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren einge- Wir Grüne sind aber auch der Meinung, dass der löst werden wird und dass alle Länder davon überzeugt Bund Verantwortung für die Qualität der Angebote über- sind, dass sie die Versprechen, die sie gegeben haben, nehmen muss, damit die Kitas überhaupt die Chance ha- auch einhalten können. Damit wurde Ihnen, meine lie- ben, die in sie zu Recht gesetzten hohen Erwartungen ben Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, na- und Ansprüche erfüllen zu können. Wir machen hierfür türlich Ihr seit Jahren genutztes Totschlagargument weg- ganz konkrete Vorschläge. Ich nenne nur zwei: Wir wol- genommen. Sie haben immer versucht, zu sagen: Das len im Bundesgesetz konkretisieren, dass es sich bei dem kann eh nicht eingehalten werden. Das Spannende ist, Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz um einen Anspruch dass sich sogar SPD-Oberbürgermeister bedanken und auf einen Ganztagsplatz handelt, und wir wollen Quali- sagen: Wir werden es hinbekommen. Wir danken euch, tätsstandards insbesondere zum Personalschlüssel im dass ihr die Grundlagen dafür geschaffen habt. Wir ver- Bundesgesetz festschreiben. Selbstverständlich ist der sprechen, dass die Hausaufgaben in unseren Kommunen Bund dann auch bei der Finanzierung mit in der Pflicht. erledigt werden. – Es ist spannend, dass die Kommunal- (D) (B) Das soll auch so sein. politiker wesentlich weiter sind. Wir Grüne machen keine Wahlversprechen auf (Ulrich Kelber [SPD]: Nennen Sie einmal Pump – im Gegensatz zu CDU/CSU und FDP. Wir sagen einen mit Namen!) in unserem Antrag ganz konkret, wo das Geld für den – Zum Beispiel der Nürnberger. Herr Maly bedankt sich weiteren Kitaausbau herkommen soll. Deshalb ist die Wahl am 22. September auch eine Entscheidung da- (Ulrich Kelber [SPD]: Er bedankt sich bei rüber, wer es ernst meint mit mehr Investitionen in gute Ihnen?) Kitas. Ich bin mir sicher: Da kann Schwarz-Gelb nur den und sagt: Jawohl, wir haben es geschafft, dass wir es Kürzeren ziehen. auch in Nürnberg hinbekommen werden. Vielen Dank. (Ulrich Kelber [SPD]: Da gibt es andere Zi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tate, was er über Sie sagt! Das ist unverschämt, und bei der SPD) was Sie hier sagen! – Zuruf von der CDU/ CSU: Er ist ideologisch nicht so verbohrt!)

Vizepräsidentin Petra Pau: – Sie vertragen die Wahrheit nicht. Das ist spannend. Das Wort hat die Kollegin Dorothee Bär für die (Ulrich Kelber [SPD]: Der Herr Maly hat ein Unionsfraktion. bisschen etwas über Ihre Kindergartenpolitik gesagt! Stimmt! Öffentlich! Doch nichts Posi- (Beifall bei der CDU/CSU) tives! – Gegenruf des Abg. Stefan Müller [Er- langen] [CDU/CSU]: Ich stelle Ihnen den Dorothee Bär (CDU/CSU): Brief zur Verfügung!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! – Okay, der Parlamentarische Geschäftsführer Stefan Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute ist für Müller stellt Ihnen den Brief zur Verfügung; dann wer- Frau Dörner ihr Pippi-Langstrumpf-Tag. Dieses „Ich den wir sehen, wer am Ende recht behalten wird. mach mir die Welt, wiede, wiede wie sie mir gefällt“ ist wirklich unsäglich, Frau Kollegin. Man sieht, Ihre Forderung nach einem Rechtsan- spruch auf einen Ganztagsplatz ist entlarvend. Sie versu- (Ulrich Schneider [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- chen erst, Zweifel zu säen, ob der bedarfsabhängige NEN]: Was haben Sie denn vorhin erzählt!) Rechtsanspruch überhaupt erfüllt werden kann. Weil Sie Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32519

Dorothee Bär (A) nun aber wissen, dass es klappen wird, den ab dem beginnen Sie übrigens immer damit: „Wir müssen bei (C) 1. August bestehenden Rechtsanspruch zu erfüllen, ver- den Ländern darauf hinwirken …“, „Wir müssen zusam- suchen Sie jetzt, alle Eltern in diesem Land zu verunsi- men mit den Ländern …“, „Wir müssen die Länder da- chern. Es ist schäbig, dass Sie im Wahlkampf auf Kosten bei unterstützen …“. der Eltern versuchen, Zwietracht zu säen, Unsicherheit (Widerspruch der Abg. Katja Dörner [BÜND- zu verbreiten, und damit den Eltern einfach Angst ma- NIS 90/DIE GRÜNEN]) chen. Wir wollen den Eltern keine Angst machen; wir wollen ihnen die Sicherheit geben, die wir ihnen ver- Sie sind also diejenigen, die dauernd an die Länder ap- sprochen haben. Wenn sich irgendein unbeteiligter Leser pellieren. Wir sind dagegen diejenigen – das haben Sie Ihre Anträge anschaut, bekommt er den Eindruck, dass völlig vergessen zu erwähnen –, die etwas tun. Wir sind zwar ab dem 1. August eine Betreuung da ist, sie aber nämlich bereits tätig geworden: Ich nenne die Etablie- qualitativ minderwertig ist. Das ist ein ganz starkes rung der Arbeitsgruppe Fachkräftegewinnung, das Ak- Stück. Sie beleidigen damit alle, die sich voller Engage- tionsprogramm Kindertagespflege, die „Offensive Frühe ment für frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreu- Chancen“, Lohnkostenzuschüsse für die Festanstellung ung engagieren. von Tagesmüttern und Tagesvätern, das Servicepro- gramm „Anschwung für Frühe Chancen“, „Lernort Pra- Vor diesem Hintergrund möchte ich an dieser Stelle xis“, „Mehr Männer in Kitas“ usw. So könnte ich noch ein ganz herzliches Dankeschön an unsere Erzieherinnen eine Vielzahl von Maßnahmen nennen, die wir in den und unsere Erzieher sagen. Ihr Antrag ist ein Schlag ins letzten Jahren geleistet haben und noch leisten werden. Gesicht unserer Erzieherinnen und Erzieher. Deswegen vonseiten der CDU/CSU und FDP ein ganz herzliches Mit dieser Vielzahl an Maßnahmen schmücken Sie Dankeschön an alle Erzieherinnen und Erzieher, die sich sich übrigens auch und ziehen damit durch die Lande. Es jeden Tag in diesem Land für die Kleinen und Kleinsten ist spannend, zu sehen, dass Sie auch in die Einrichtun- aufopfern! gen gehen und sich dafür loben lassen. Das sei Ihnen ge- gönnt. Dazu kann ich nur sagen: All das belegt ganz ein- (Beifall bei der CDU/CSU) drucksvoll, welches Engagement der Bund an den Tag Ich zitiere aus dem Beschlussvorschlag der Familien- legt. Wenn Sie Rat benötigen, wie die Länder ihr Geld ministerkonferenz vom 6. und 7. Juni 2013; dort heißt effektiv einsetzen können, kann ich Ihnen gerne helfen. es: Natürlich wäre Beitragsfreiheit an sich wünschens- Die JFMK kann vor allem feststellen, dass Befürch- wert, aber sie sollte erst dann eingeführt werden, wenn tungen, der Platzausbau würde zu Lasten der Quali- Qualität und Quantität ausreichend gesichert sind. tät der Kindertagesbetreuung gehen, unberechtigt (B) Also: mehr Hausaufgaben machen, weniger Ge- (D) waren. Trotz der erheblichen Anstrengungen für schenke verteilen, die man sich nicht leisten kann. den Ausbau konnten die Personalausstattung und die Gruppengrößen nicht nur gehalten, sondern in (Zuruf von der SPD: Wie viele Milliarden ha- fast allen Ländern sogar verbessert werden. In die- ben Sie beim Betreuungsgeld versprochen?) sem Zusammenhang ist es gelungen, die Ausbil- Ich wünsche mir insgesamt: mehr Bayern, weniger Ber- dungskapazitäten zu erhöhen, Fachkräfte zu qualifi- lin. Diejenigen, die am lautesten schreien, sollten einmal zieren und zu gewinnen. Auch die räumlichen mit ihren Ministerpräsidenten reden, ob es wirklich ge- Standards konnten durch den massiven Ausbau ge- recht ist – angeblich sind Sie ja immer für Gerechtig- halten und in vielen Einrichtungen verbessert wer- keit –, dass die reichen Länder wie Bayern für die armen den. SPD-Länder zahlen müssen. Wie diese Aussagen unserer Fachministerinnen und (Beifall bei der CDU/CSU – Diana Golze Fachminister zu den Unkenrufen in Ihrem Antrag pas- [DIE LINKE]: Gerade 120 Millionen Euro zu- sen, kann jeder selber entscheiden. sätzlich für das Betreuungsgeld beschlossen! Natürlich wissen wir, dass wir noch einen weiteren So viel dazu!) Ausbau brauchen, aber einen bedarfsgerechten. Das Gießkannenprinzip, mit dem Sie immer durch die Lande Vizepräsidentin Petra Pau: ziehen – das hat die Kollegin Gruß vorhin zu Recht an- Das Wort hat der Kollege Sönke Rix für die SPD- gesprochen –, verfängt nicht. Ich habe vorhin erwähnt, Fraktion. dass nicht alle Eltern, alle Kinder und natürlich auch nicht alle Bedarfe gleich sind. Sie denken ja oft, wir (Beifall bei der SPD) müssten noch wesentlich mehr machen, auch über Be- darf. Dabei gibt es Regionen, die über Bedarf Plätze ha- Sönke Rix (SPD): ben, Regionen, in denen noch Plätze frei sind. Wir haben Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen selbstverständlich andere Regionen, in denen der eine und Kollegen! Liebe Kollegin Bär, wenn man sieht, dass oder andere Platz noch zusätzlich geschaffen werden Sie vor einem auf der Rednerliste stehen, dann weiß muss. Deswegen sagen wir: bedarfsgerecht und nicht man, dass sich daraus eine Debatte entwickeln kann, um nach dem Gießkannenprinzip. es einmal positiv zu formulieren. Alle Forderungen an die Bundesregierung – so viel (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Weil ich nicht so zum Thema Schwarzer Peter, Frau Kollegin Dörner – langweilig bin wie ihr alle!) 32520 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Sönke Rix (A) – Genau, und weil Sie so scharfzüngig sind. Dafür sind Nein, genau das Gegenteil ist der Fall, liebe Kolleginnen (C) Sie ja bekannt. und Kollegen der Koalitionsfraktionen. Wir sagen: Es muss eine Wahlfreiheit für diejenigen geben, die ihre Zuerst einmal fange ich mit dem Versöhnlichen an. Kinder in Krippen und in Kindertagesstätten geben wol- Das ist die Tatsache, dass wir es gemeinsam in Zeiten len. Diese Wahlfreiheit gibt es nun einmal noch nicht. der Großen Koalition mit einer großen Kraftanstrengung geschafft haben, den Krippenplatzausbau voranzubrin- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das stimmt doch gen und dass es den Rechtsanspruch auf einen Platz gibt. überhaupt nicht! Das glauben Sie doch selber Das ist eine große gemeinsame Leistung a) derjenigen, nicht!) die es beschlossen haben, b) aber auch derjenigen, die es Daran arbeiten Sie auch nicht. Das ist Ihr Fehler, liebe vor Ort umsetzen müssen. Dazu gehören die Kommu- Kolleginnen und Kollegen. nen, dazu gehören die Kindertagesstätten, und dazu ge- hören die Erzieherinnen und Erzieher, die hier einen gro- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ßen Aufwand betreiben und viele Neuerungen umsetzen DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der mussten. Natürlich gebührt ihnen dafür der Dank des LINKEN) ganzen Hauses. Sind 300 Millionen Euro zusätzlich für den Ausbau (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Krippenplätze Ihre Antwort auf den um 300 000 Be- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) treuungsplätze erhöhten Bedarf durch den Rechtsan- spruch? Ist das schon das Ende? Fragen Sie einmal vor Frau Kollegin Bär, nachdem Sie aber nun sagten, die Ort nach, wie die Situation ist. Fragen Sie einmal, ob es Anträge und das, was Frau Kollegin Dörner vorgetragen tatsächlich auch bedarfsorientiert Kitaplätze gibt, ob es hat, seien ein großer Täuschungsversuch, möchte ich Sie tatsächlich zeitlich flexible Plätze gibt und ob es auch einmal daran erinnern, dass Sie in Ihrem Wahlpro- qualitativ hochwertige Krippenplätze gibt. gramm, das Sie übrigens nicht einmal durch einen Par- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ja!) teitag haben beschließen lassen – wahrscheinlich weil Sie Angst davor hatten, dass dort auch Kolleginnen und Die gibt es vor Ort leider nicht. Kollegen aus den Kommunen sind, die fragen, wie das (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Bei mir schon!) eigentlich bezahlt werden soll –, Es fehlt die Qualitätsoffensive, die wir an dieser Stelle (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Verschwörungs- einfordern. theorien!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (B) Familien mit Kindern Milliarden versprechen, aber dafür (D) keine Gegenfinanzierung aufgezeigt haben. Das ist Heu- Zum Schluss möchte ich zumindest ganz kurz auf das chelei, das ist Täuschung, das ist Wählerbetrug, Frau Betreuungsgeld eingehen. Die Frage ist, ob wir das Geld Bär, und nicht die hier vorliegenden Anträge. nicht vielleicht auch sinnvoller ausgeben können. 2 Mil- liarden Euro sind eine Menge Geld. Es fließt allerdings (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ nur ansatzweise in den qualitativen und quantitativen DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Ausbau von Plätzen im Hinblick auf den Rechtsan- LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das spruch, den wir einhalten wollen. Würde mehr Geld von sehen wir am 22. September!) dieser großen Summe in den Ausbau investiert werden, würde das für wahre Wahlfreiheit sorgen. Ich appelliere Sie appellieren, hier kein Schwarzer-Peter-Spiel zu an die Menschen, die am 22. September 2013 die Wahl spielen und uns uns lieber die Frage zu stellen: Was kön- und die Wahlfreiheit haben: Setzen Sie sich gegen das nen wir im Deutschen Bundestag leisten, damit wir den Betreuungsgeld und für den Krippenplatzausbau ein! Rechtsanspruch umsetzen können und vor Ort genügend Krippenplätze zur Verfügung stehen? – Doch Sie fangen Herzlichen Dank. gleich wieder mit dem Schwarzer-Peter-Spiel an. Sie ge- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ben nämlich keine Antwort auf die Frage, was Sie hier DIE GRÜNEN) als verantwortliche Regierungskoalition machen wol- len. Sie sagen zwar: Natürlich sind wir beim Krippen- Vizepräsidentin Petra Pau: platzausbau noch nicht am Ende. Wo sind aber die Ant- worten? Wo sind Ihre Anträge? Wo sind Ihre Vorschläge, Das Wort hat die Kollegin Nicole Bracht-Bendt für über die wir heute sprechen könnten? Es liegt nichts vor. die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Sie meinten dann, wir würden Zwietracht säen; das der CDU/CSU) haben Sie vorhin vorgetragen. Das ist in Ihren Reden im- mer eine beliebte Aussage. Sie wollen uns immer unter- stellen, dass wir diejenigen sind, die von staatlicher Seite Nicole Bracht-Bendt (FDP): vorschreiben wollen, welch ein Familienbild in diesem Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Land vorherrschen soll. Sie sagen auch, dass wir angeb- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich als lich diejenigen seien, die nicht für die Wahlfreiheit sind. frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion hat eine familienfreundliche Infrastruktur höchste Priorität. Auch (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Alles richtig!) in der Kinderkommission ging es oft um die Betreuungs- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32521

Nicole Bracht-Bendt (A) landschaft. Ich bin übrigens froh, dass wir in der KiKo Noch eines: Grüne und SPD wollen mal wieder den (C) so konstruktiv – das muss ich einmal erwähnen, weil es Bund in die finanzielle Pflicht nehmen. Sie fordern, den hier nicht so läuft – zusammengearbeitet haben. Über stark belasteten Kommunen weitere Kosten für den Aus- Fraktionsgrenzen hinweg haben wir das Interesse des bau abzunehmen. Wir als Bund haben aber, wie gesagt, Kindes und des Jugendlichen in den Mittelpunkt gestellt bereits 5,4 Milliarden Euro investiert, und das freiwillig. und am Ende immer einstimmige Beschlüsse gefasst. Jetzt sind die Länder gefragt, ihren klammen Kommu- nen beizustehen. Liebe Kollegen von der SPD, sprechen Auch die heute vorliegenden Anträge der Opposition Sie doch erst einmal mit Ihren Ländern, statt hier über- beinhalten Punkte, denen ich zustimme. Auch wir Libe- zogene Forderungen zu stellen. Fragen Sie dort nach, wo ralen wollen selbstverständlich die „bestmögliche Bil- die SPD regiert. Wenn wir einen ausgeglichenen Haus- dung aller Kinder von Anfang an“ halt haben wollen, können wir als Bund nicht nach Be- lieben nachlegen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nicht bezahlen!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) und eine bessere „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Als Frauenpolitikerin kann ich Ihnen nur zustimmen, Genauso unseriös ist Ihr Vorschlag, die Elternbeiträge dass wir „Brüche im Lebensverlauf vor allem von abzuschaffen. Hier haben wir bereits eine sozialverträg- Frauen“ vermeiden müssen. Dennoch zeigen mir Ihre liche Lösung. Alles andere schadet der Qualität der Be- Anträge, wie viel uns in der Umsetzung und in der Beur- treuung, die gerade von Ihnen hier angesprochen wurde. teilung der Lage trennt. Eine hohe Qualität in der Kinderbetreuung – da sind wir uns doch einig – wollen wir ja alle. Zum Beispiel: Am 1. August kommt der Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Le- Es gibt aber noch einen Grund, warum ich Ihre An- bensjahr. Mit Sicherheit wird es in manchen Regionen träge ablehne: Vieles haben wir längst umgesetzt. Kolle- zu Engpässen kommen. Der Deutsche Landkreistag hat gin Bär hat schon einiges gesagt, aber damit es bei Ihnen zugesagt, alle 295 Landkreise seien vorbereitet. Auch besser ankommt, werde ich es wiederholen. die Städte und Ballungsgebiete haben Enormes auf den Nehmen wir bei den Grünen die Imagekampagne für Weg gebracht. Die Betreuungsquote hat sich im Ver- die erzieherischen Berufe. Auf unseren Wunsch hin gab gleich zu 2006 verdoppelt. Damals waren 13,5 Prozent es im letzten Jahr bereits eine entsprechende Kampagne der unter Dreijährigen in Betreuung. Im März 2012 da- für Tagesmütter und Tagesväter. gegen waren es schon 27,6 Prozent, also fast jedes dritte (B) Kind. Noch nie wurden in so kurzer Zeit so viele Betreu- Oder nehmen Sie unser Programm „Mehr Männer in (D) ungsplätze geschaffen. In der Kommune, aus der ich Kitas“. Damit stärken wir die Männer in den erzieheri- komme, Buchholz in der Nordheide, hatten wir 2007 schen Berufen. Noch sind es erst knapp 5 Prozent; aber sechs Krippenplätze. Mittlerweile haben wir eine Quote der Anteil steigt stetig. von mehr als 60 Prozent. Oder nehmen wir die von den Grünen geforderte „all- Das alles liegt vor allem an der massiven Förderung tagsintegrierte Sprachbildung“. Auch das hat Schwarz- durch den Bund. Verfassungsrechtlich sind zwar Länder Gelb schon längst umgesetzt mit der „Offensive Frühe und Kommunen für die Kinderbetreuung zuständig, aber Chancen“. Wir sind die erste Koalition, die gezielt den wir als Bund haben entschieden, hier kräftig mitzuhel- Spracherwerb von Kleinkindern fördert. Mit 400 Millio- fen. Bis zum Jahre 2014 fließen insgesamt fast 5,4 Mil- nen Euro werden Kitas in sozialen Brennpunkten unter- liarden Euro in zusätzliche Plätze in Kitas und der Kin- stützt. Konkret heißt das: Jede Einrichtung kann eine dertagespflege. Danach werden die Länder bei den Fachkraft zusätzlich für den Spracherwerb einstellen. Kitabetriebskosten jährlich mit 845 Millionen Euro un- Frühe Bildung ist die beste Bildung. terstützt. Einige Länder haben anfangs die Investitions- Apropos: Die SPD fordert eine Fachkräfteoffensive. mittel nur schleppend abgerufen, und es gab massive Ja, wir haben noch eine Fachkräftelücke. Aber man muss Probleme, an verlässliche Zahlen zu kommen. Mittler- auch sehen: In den letzten sechs Jahren ist die Zahl der weile – auch auf unseren Druck hin – läuft es aber gut. Fachkräfte um ein Drittel gestiegen. Auch deshalb blickt der Landkreistag relativ entspannt auf den 1. August; anders als Sie es hier darstellen. Sie sehen, wir sind auf vielen Gebieten, die Sie hier ansprechen, schon lange aktiv. Aber Sie, Kolleginnen und Kollegen der Opposition, verteufeln das Ganze, bevor es den Rechtsanspruch Zwei Punkte möchte ich noch betonen. Wir Liberale überhaupt gibt. Ohne zu wissen, wie groß der Bedarf ist, wollen nicht nur eine hochwertige, sondern auch eine fordern die Grünen gleich den Rechtsanspruch auf einen vielfältige Kinderbetreuungslandschaft, also nicht nur Ganztagsplatz. Das geht mir zu schnell. Im Übrigen wol- staatliche, sondern auch private Betreuungsmöglichkei- len wir Liberale ohnehin nicht alles per Gesetz regeln, ten. Dazu zählen die Betriebskitas. Wenn Kind und El- wie bekannt ist. Jedes Gesetz bedeutet für alle Beteilig- tern gemeinsam zur Arbeit gehen können, lassen sich ten einen bürokratischen Mehraufwand. Beruf und Familie gut vereinbaren. Deshalb habe ich mich auch persönlich für die Verlängerung der Förde- (Caren Marks [SPD]: Hätten Sie das mal bei rung eingesetzt. Arbeitgeber bekommen zwei Jahre lang dem Betreuungsgeldgesetz so gesehen!) eine Anschubfinanzierung. Das sind bis zu 400 Euro, die 32522 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Nicole Bracht-Bendt (A) monatlich pro neu geschaffenem Ganztagsplatz zu den wohl der qualitative als auch der quantitative Ausbau der (C) Betriebskosten gezahlt werden. Kinderbetreuung. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Als wir in der letzten Sitzungswoche in der Kinder- Noch immer fehlt eine fundierte Bedarfsplanung. kommission erneut über die Betreuung sprachen, wurde Deshalb wird an den daraus resultierenden falschen, wieder deutlich, dass die Investitionen in den Ausbau nicht ausreichenden Ausbauzielen festgehalten. Wir ha- der Betreuung der Kleinsten richtig waren. Wichtig ist ben Sie hier schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es aber auch eine gute Infrastruktur für die etwas Älteren. Erhebungen gibt, die darauf hinweisen, dass weitaus Das heißt, die nachschulische Betreuung muss fortge- mehr als 38 Prozent der Eltern ab dem 1. August an die setzt werden. Denn der Bedarf an Bildung und Betreu- Rathaustüren klopfen werden, um ihren Rechtsanspruch durchzusetzen. Deshalb empfehle ich Ihnen, Frau Minis- ung endet nicht mit der Kita. terin Schröder, endlich Ihren Blick auf die Realitäten zu (Beifall bei der FDP) richten. Grundschüler und Jugendliche brauchen ebenfalls ge- Ein Sondervermögen, das auf dem Reißbrett entstan- zielte Angebote. den ist und an der Realität scheitert, gehört überarbeitet. Was wir aber dank Ihrer Untätigkeit haben, sind Krisen- Eine familienfreundliche Infrastruktur heißt, die El- szenarien und Debatten fernab von dem, über das eigent- tern vom 1. bis zum 18. Lebensjahr des Kindes zu unter- lich geredet werden müsste, nämlich über den be- stützen. Daran wollen wir in der nächsten Legislatur- vorstehenden Fachkräftemangel, über die schwierigen periode weiter arbeiten. Ich freue mich darauf. Dies Arbeitsbedingungen in der Kindertagespflege, über die waren vier gute Jahre mit schwarz-gelber Politik. Verstärkung des Betreuungsplatzausbaus, über Fachkräf- teausbildung, über die Verbesserung des Betreuungs- Danke schön. schlüssels. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Stattdessen werden Rufe nach „Kitaplatzsharing“ laut der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU]: – ein ganz toller Begriff –: Bring du dein Kind vormit- Es werden noch mal vier! Das war erst der An- tags; ich bring mein Kind nachmittags, und alle sind fang, Nicole!) glücklich. (Nicole Bracht-Bendt [FDP]: Das gibt es Vizepräsidentin Petra Pau: schon lange! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: (B) Das Wort hat die Kollegin Diana Golze für die Frak- Gibt es schon lange!) (D) tion Die Linke. Was ist das für eine abstruse Vorstellung vom Betreu- ungsanspruch der Kinder und ihrer Eltern? (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Diana Golze (DIE LINKE): des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- Auch von „Erzieheraustausch“ ist die Rede, nach dem nen und Kollegen! Auch in der letzten Sitzungswoche Motto: Wandere mal durch die Einrichtungen, weil es dieser Wahlperiode wird dank eines Antrags der Grünen nicht genügend Erzieherinnen und Erzieher gibt, die noch einmal deutlich, welch ein politisches Trauerspiel man einstellen kann, bzw. sich die Kommune nicht ge- wir in den letzten Jahren bei der Frage des Kitaausbaus nügend leisten kann. erlebt haben. Es war auch deswegen ein Trauerspiel, Wir Linke bleiben deshalb nach wie vor bei unserer weil es die Oppositionsfraktionen mit ihren Anträgen Forderung nach einem Spitzentreffen zwischen den ver- waren, die immer wieder die Bundesregierung an ihren antwortlichen Akteuren von Bund, Ländern und Kom- Handlungsauftrag erinnern mussten. munen und unter Beteiligung der wissenschaftlichen Fachwelt. Ein solcher Krippengipfel wird auch nach Zugleich haben wir eine Ministerin erlebt, die sich auf dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs im August dieses einem Sondervermögen für den Kitaausbau ausruhte, Jahres notwendig sein. Dann wird es nicht mehr nur um das nachweislich falsche Bemessungsgrößen zur Grund- die Frage gehen, wie viele Plätze denn noch fehlen, son- lage hatte, sowohl was den Bedarf als auch die Ausbau- dern auch um die Frage, was getan werden muss, um den kosten anging. Wir haben eine Ministerin erlebt, die die Kommunen dabei zu helfen, die vielen Klagen abzuweh- Verantwortung für den schleppenden Ausbau der Kin- ren, die sich aufgrund des Platzmangels ergeben werden. derbetreuungsplätze auf andere abgewälzt hat, indem sie Hier ist der Bund längst noch nicht aus seiner Pflicht Länder und Kommunen in gute und schlechte, in fleißige entlassen; hier gilt es, Lösungen für das Problem zu fin- und faule eingeteilt hat, und dies alles in dem Wissen, den, um die Kommunen nicht im Regen stehen zu las- dass es in den einzelnen Ländern und Kommunen von sen. Beginn an unterschiedliche Ausgangslagen gegeben hat. Wir haben eine Ministerin erlebt, die die Erfüllung eines (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- vom Bund geschaffenen Rechtsanspruches davon abhän- NIS 90/DIE GRÜNEN) gig gemacht hat, wie voll oder wie leer die Kasse der je- Zwei Punkte aus dem Antrag der Grünen, die wir ein weiligen Kommune ist. Damit steht und fällt aber so- Stück weit kritisieren, wenngleich wir das Grundanlie- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32523

Diana Golze (A) gen teilen: Wir wollen, wie gesagt, nicht vom Bund aus sorgen wir dafür, dass die Regelung zum 1. August ein (C) beurteilen, wer genügend Kraft in den Ausbau investiert Erfolg wird. Insgesamt haben wir in den Jahren 2008 bis hat, ohne uns vorher die Grundvoraussetzungen vor Ort 2011 eine Steigerungsrate von 63 Prozent erreicht. Das angeschaut zu haben. Wir wollen auch keine sogenann- ist ein Erfolg der intensiven Bemühungen, die die Bun- ten kreativen Zwischenlösungen, weil wir befürchten, desregierung an den Tag gelegt hat. dass aus Provisorien schnell dauerhafte Lösungen wer- den. Wir müssen grundsätzlich an dieses Problem heran- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gehen. neten der FDP) Meine Damen und Herren, wir bleiben dabei: Wer in Lassen Sie mich als Fußnote Folgendes anmerken, Sonntagsreden von der gesamtgesellschaftlichen Auf- weil es mich schon ärgert – Kollege Rix sagte ja vorhin gabe des Ausbaus der Kindertagesbetreuung spricht, der versöhnlich, dass wir das gemeinsam auf den Weg ge- muss auch im Alltagsgeschäft die notwendigen Maßnah- bracht haben –, wenn ich sehe, dass einige Verantwortli- men ergreifen. Die Bundesregierung hat in den vergan- che hier in Berlin groß auftreten und von Gerechtigkeit genen Jahren gezeigt, dass sie in diesen wichtigen Zu- sprechen und gleichzeitig der Bundesregierung den Vor- kunftsfragen versagt hat. Deshalb gehört sie abgewählt. wurf machen, dass sie ihren Aufgaben nicht gerecht wird. Betrachtet man die tatsächliche Entwicklung in Vielen Dank. den Ländern, dann kommt man zu interessanten Ergeb- nissen, zum Beispiel, wenn es um die Differenz zwi- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten schen Angebot und Nachfrage geht, um die Frage, wie des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) weit man vorangekommen ist. Erstaunlicherweise stellt man da fest: Das erfolgreichste Land im Bereich Ausbau Vizepräsidentin Petra Pau: der Krippenbetreuung ist Bayern, das am wenigsten er- Das Wort hat der Kollege Marcus Weinberg für die folgreiche Land ist Mecklenburg-Vorpommern. Unionsfraktion. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: So ist das!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Das heißt, jene Ministerin, die von uns etwas einfordert, hat im Hinblick auf ihre eigene Bilanz versagt, Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist die Inkompe- Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen tenz der Schattenkabinettsminister!) und Kollegen! Es stellt sich die Frage, ob wir wie Herr Rix versöhnlich die letzten Jahre Revue passieren lassen, während diejenigen, die sich permanent Vorwürfe anhö- (B) oder ob wir wie Frau Golze polemisch die Ereignisse der ren müssen, nämlich die Bayern, erfolgreich sind. Es (D) letzten Jahre bewerten. Sie, Frau Golze, brachten ja Be- gibt also einen Riesenunterschied zwischen Sein und griffe wie Trauerspiel, Verschleppung und Ähnliches. Schein. Lassen Sie uns also Bilanz ziehen und uns fragen: (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Hört! Hört! Was ist wahr? Was ist unwahr? Was war Sein und was So sieht es aus! – Stefan Liebich [DIE war Schein in dieser ganzen Debatte? – Ich möchte das LINKE]: Die CDU regiert doch in Mecklen- aufgreifen, was Frau Dörner am Anfang gesagt hat. Es burg-Vorpommern! Da müsst ihr einmal mit ist tatsächlich so, dass wir am 1. August eine erste Epo- eurem Koalitionspartner sprechen!) che des Krippenausbaus abschließen. Wir sorgen für Da viele für Bildung zuständige Kollegen anwesend mehr Quantität. Es gibt jetzt einen Rechtsanspruch. Wir sind, möchte ich auf den Bereich Bildung zu sprechen werden diese Epoche erfolgreich abschließen. In der kommen. Dabei geht nicht nur um den Ausbau der Kin- nächsten Epoche wird es dann um die Fragen gehen, was dertagesbetreuung. Da kommt Frau Schwesig und for- noch an der Qualität verbessert werden kann, was wir im dert Ganztagsbetreuung. Auch ich bin Anhänger der Hinblick auf die Ausbildung von Fachkräften tun müs- Ganztagsbetreuung, viele von uns hier sind der Mei- sen und welche anderen Aufgaben auf uns zukommen. nung, dass man sie ausbauen solle, und zwar qualitativ hochwertig, das sei der richtige Weg. Dann schaue ich Kollegin Bär hat ja eben die Familienministerkon- mir wiederum die Situation in Mecklenburg-Vorpom- ferenz vom 6. bis 7. Juni angesprochen. Die Verantwort- mern an lichen aus den Ländern haben da gesagt: Die ganze Auf- regung der letzten Jahre war unnötig, weil die (Sönke Rix [SPD]: Das regiert doch die vorhergesagten Katastrophenszenarien nicht eingetreten CDU!) sind. Die Süddeutsche beschrieb es so: Die Krippen- debatte ist ein gutes Beispiel für eine gefühlte Statistik. – Sie müssen erst zuhören, bevor Sie schimpfen – und Natürlich wird es am 1. August Eltern geben, die für Ihre vergleiche sie mit der in Sachsen. In Sachsen regiert seit Kinder nicht den Krippenplatz ihrer Wahl bekommen. 1990 bekanntermaßen die CDU. Der Ausbau der Ganz- Aber wenn man Bilanz zieht, dann muss man schon ge- tagsbetreuung hat einen Wert von 96,7 Prozent erreicht. nauer hinschauen. In dem Bundesland, in dem Ihre Ministerin, die ständig Gerechtigkeit zelebriert, zuständig ist, Herr Rix, liegt der Es wurde schon darauf hingewiesen, dass der Bund Wert bei 42 Prozent. 4 Milliarden Euro plus 580 Millionen Euro zum Errei- chen einer Bedarfsdeckung von 39 Prozent für den Aus- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ihre tolle Frau bau der Krippenplätze zur Verfügung gestellt hat. Damit Schwesig! Nix auf die Reihe gebracht!) 32524 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Marcus Weinberg (Hamburg) (A) Ihre Ministerin, die im Kompetenzteam Ihres Kanzler- Man muss zwei Dinge feststellen, Herr Kollege Rix: Es (C) kandidaten für diesen Bereich verantwortlich ist, wird kein Krippenplatz weniger gebaut, weil es das Be- treuungsgeld gibt. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Inkompetenz- team!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Genau so ist es! – sollte erst einmal darstellen, wie sie sich im eigenen Sönke Rix [SPD]: Aber wir könnten mehr Bundesland durchsetzt – anscheinend wohl gar nicht. In- bauen, wenn es kein Betreuungsgeld gäbe!) sofern auch hier Versagen. – Entschuldigen Sie, Kollege Rix, ab dem 1. August (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- 2013 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Betreu- neten der FDP – Sönke Rix [SPD]: Wahr- ungsplatz. Dieser Anspruch muss erfüllt werden. Die scheinlich bremst in Mecklenburg-Vorpom- Frage ist nicht, ob Sie mehr oder weniger bauen wollen. mern der Koalitionspartner!) Sie müssen den Rechtsanspruch erfüllen. Als Hamburger verteidige ich eigentlich nicht perma- Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, der ganz nent die Kollegen aus Bayern. Ich finde, man muss der interessant ist. Was signalisieren Sie den Eltern, die die Realität ihren Lauf lassen und überprüfen, was eigent- Erziehung und Betreuung ihres Kindes in den ersten drei lich passiert. Jahren – wir reden hier ja über Ein- bis Dreijährige – in der Hand behalten wollen, mit einer solchen Aussage? (Sönke Rix [SPD]: Sie können ruhig einmal Sie signalisieren ihnen, dass sie ihren Kindern nicht die Hamburg erwähnen!) gleichen Bildungschancen geben. Das ist eine Diffamie- – Herr Rix, dazu komme ich gleich. – Sie erheben per- rung der Arbeit der Eltern, die sagen: Wir wollen uns zu manent den Vorwurf, dass die Politik der CSU in Bayern Hause um unser Kind kümmern. Frauen von der Erwerbstätigkeit abhalte; dabei hat Bay- (Beifall der Abg. Ewa Klamt [CDU/CSU]) ern die höchste Erwerbstätigkeitsquote bei Frauen. Auch was die Quote der Väter betrifft, die Erziehungszeit in Das ist Ausdruck Ihres ideologisierten Ansatzes, der Anspruch nehmen, ist Bayern ganz vorn. Auf diesem bei Ihnen in der Debatte vorherrscht. Ihnen geht es nicht Gebiet ist Bayern erfolgreich. darum, Wahlfreiheit zu schaffen. Sie sagen nicht: Wir schaffen Angebote, aber die Eltern, die Familien sollen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – je nach Situation entscheiden. Ich bin sehr dafür, auch Dorothee Bär [CDU/CSU]: So schaut es aus eigener Erfahrung, dass Eltern die Kindertagesbe- aus!) treuung in Anspruch nehmen. Ich kann mir aber auch (B) vorstellen, dass Eltern sagen: Nein, die Erziehung, die (D) Herr Rix, Sie haben Hamburg angesprochen. Gerne Betreuung ist uns so wichtig, dass wir uns zu Hause da- teile ich Ihnen mit: Die große Welle hinsichtlich der In- rum kümmern. anspruchnahme von Kindertagesbetreuung – aber nicht nur im Betreuungsbereich, sondern auch im Bildungsbe- (Caren Marks [SPD]: Das können sie ja auch! reich – gab es zu Zeiten der CDU-Senate. Damals wurde Aber das muss man nicht bezuschussen! – der Etat um über 50 Prozent erhöht. Sönke Rix [SPD]: Es will hier keiner die Kitapflicht einführen!) Die Kolleginnen und Kollegen haben die Aufgaben, die jetzt auf uns zukommen, bereits angesprochen: mehr Deswegen ist es richtig, dass wir hier für einen Aus- Männer in Kitas, Ausbau der Kindertagespflege, mehr gleich sorgen und signalisieren: Der Staat soll sich nicht Fachkräfte. Die Zahl der Fachkräfte ist in den letzten einmischen, sondern unterstützende Angebote unterbrei- Jahren gestiegen. Wir müssen aber dafür sorgen, dass sie ten. in den nächsten Jahren noch stärker steigt. Es kommt in (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) den nächsten Jahren darauf an, dass wir die Qualität ver- bessern, dass wir mehr Freiheiten schaffen, aber auch Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Mein darauf, dass wir den Unternehmen deutlich machen, dass Fazit: Noch nie wurde so viel ausgebaut wie in den letz- die Frage der Kindertagesbetreuung eine Standortfrage ten Jahren. ist und dieser Bereich deshalb weiter ausgebaut werden muss. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren viel (Sönke Rix [SPD]: „Ausgebaut“?) Geld ausgegeben und viele Programme entwickelt, ge- Noch nie gab es eine so gute Entwicklung in diesem Be- rade zur Verbesserung der Qualität. reich. Noch nie war man so nah an den Eltern. Das war der richtige Weg in den letzten vier Jahren. Ich freue Zum Schluss will ich auf unsere eigentliche Aufgabe mich auf die nächsten vier Jahre. Dann kommt der Krip- zu sprechen kommen. Wir unterbreiten Angebote hin- penausbau 2.0, sprich: die Steigerung der Qualität. Wir sichtlich der Krippenplätze. Frau Ziegler, eine Kollegin freuen uns darauf, mit dieser Koalition den nächsten von der SPD, hat in der gestrigen Debatte zum Betreu- Schritt gehen zu können. ungsgeld Folgendes gesagt: Das Betreuungsgeld werden wir abschaffen, damit alle Kinder die gleichen Chancen Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Sönke Rix [SPD]: Genau!) neten der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32525

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: ZP 26 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- (C) Ich schließe die Aussprache. richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14135 Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeord- mit dem Titel „Rechtsanspruch auf Bildung, Erziehung neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und Betreuung zügig realisieren – Qualitätsoffensive in Kitas und Tagespflege in Angriff nehmen“. Wer stimmt NEN für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Zwei Jahre Fukushima – Ohne ehrlichen sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitions- Atomausstieg keine erfolgreiche Energie- fraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/ wende Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke abgelehnt. – Drucksachen 17/12509, 17/14179 – Zusatzpunkt 24. Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/14138 mit dem Ti- Berichterstattung: tel „U3-Rechtsanspruch sichern – Qualität verbessern Abgeordnete Dr. Georg Nüßlein und auf Betreuungsgeld verzichten“. Wer stimmt für die- Marco Bülow sen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Angelika Brunkhorst sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koalitions- Ralph Lenkert fraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Sylvia Kotting-Uhl Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen abgelehnt. ZP 27 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz Ich rufe die Zusatzpunkte 25 bis 27 auf: und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) ZP 25 – Zweite und dritte Beratung des von den Frak- – zu dem Antrag der Abgeordneten Edelgard tionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜND- Bulmahn, Dr. Matthias Miersch, Marco NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- Bülow, weiterer Abgeordneter und der Frak- wurfs eines Gesetzes zur Suche und tion der SPD Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Ab- Transparenz bei Rückstellungen im Kern- fälle und zur Änderung anderer Gesetze energiebereich schaffen (Standortauswahlgesetz – StandAG) (B) – Drucksache 17/13471 – – zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothée (D) Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph – Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Frak- desregierung eingebrachten Entwurfs eines tion DIE LINKE Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme ent- Überführung der Rückstellungen der wickelnde radioaktive Abfälle und zur Än- AKW-Betreiber in einen öffentlich-rechtli- derung anderer Gesetze (Standortauswahl- chen Fonds gesetz – StandAG) – zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia – Drucksachen 17/13833, 17/13926 – Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- weiterer Abgeordneter und der Fraktion schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN torsicherheit (16. Ausschuss) Rückstellungen der Atomwirtschaft in Öko- – Drucksache 17/14181 – wandel-Fonds überführen – Sicherheit, Berichterstattung: Transparenz und ökologischen Nutzen Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth schaffen, statt an Wettbewerbsverzerrung Ute Vogt und Ausfallrisiko festhalten Angelika Brunkhorst Ralph Lenkert – Drucksachen 17/5901, 17/5480, 17/6119, 17/ Sylvia Kotting-Uhl 14187 – – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- Berichterstattung: schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Abgeordnete Dr. Georg Nüßlein – Drucksache 17/14209 – Marco Bülow Michael Kauch Berichterstattung: Ralph Lenkert Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte Sylvia Kotting-Uhl Uwe Beckmeyer Stephan Thomae Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, Roland Claus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen liegt ein Ent- Sven-Christian Kindler schließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. 32526 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die nem Ministerium und, ich denke, auch weit darüber hi- (C) Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich naus eine exzellente Arbeit geleistet. höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. (Beifall im ganzen Hause) Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes- Wir haben in den letzten vier Wochen viel erreicht. minister Peter Altmaier. Das Gesetz, das an und für sich schon nicht schlecht war, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ist noch einmal ein Stück weit besser geworden, weil wir die Kraft gefunden haben, auf den jeweils anderen zuzu- gehen. Wir haben das alte Struck’sche Gesetz, dass kein Peter Altmaier, Bundesminister für Umwelt, Natur- Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineinkommt, schutz und Reaktorsicherheit: bestätigt. Das, was wir geändert haben, ist ein Schritt in Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! die richtige Richtung. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, es war nicht geplant, aber am Ende ist es eine gute Fü- Wir haben dafür gesorgt, dass die Ergebnisse des Bür- gung, dass wir das letzte große Gesetz dieser Wahlpe- gerforums aufgegriffen worden sind. Viele Verbände riode mit einer überwältigenden Mehrheit, die vier Frak- hatten darauf hingewiesen, das Bürgerforum sei aus ih- tionen umfasst, in diesem Bundestag verabschieden und rer Sicht nicht glaubwürdig, alles stehe fest, alles sei ge- damit eine der letzten großen innenpolitischen Streitfra- regelt. Nach dem Bürgerforum haben wir den indivi- gen der letzten 30 Jahre einer guten Lösung näherbrin- duellen Rechtsschutz in diesem Gesetz noch einmal gen. Heute ist ein guter Tag für das Parlament. Es hat deutlich ausgeweitet. Wir haben die Rolle der Wissen- sich gezeigt, dass unsere parlamentarische Demokratie schaft in der gemeinsamen Kommission noch einmal ge- dort, wo es notwendig ist, Kraft hat, auch Kraft zum stärkt. Das, was dort mit den Kolleginnen und Kollegen Konsens hat. aus dem Deutschen Bundestag diskutiert worden ist, hat seinen Eingang in dieses Gesetz gefunden. Auf die Frage, warum wir es denn in den letzten 30 Jahren nicht geschafft haben, ein Endlager zu bauen, Wir haben uns beim Verfahren der Standortauswahl kann die Antwort nicht nur lauten, dass es sehr schwierig auf ein Umlagefinanzierungsmodell verständigt. Auch ist und dass die Arbeiten dafür sehr umfangreich sind, das ist ein wichtiges Signal, das über die Verabschiedung sondern die Antwort muss auch lauten, dass wir es nicht des Gesetzes hinaus Klarheit schafft. Das neue Bundes- geschafft haben, den Prozess so zu organisieren, dass amt wird erst im Jahre 2014 eingerichtet. Wir werden bis Misstrauen ausgeschlossen wird und dass die Bereit- zum Ende dieses Jahres eine Lösung erarbeiten, wo die schaft, den anderen ernst zu nehmen und auf seine Argu- 26 Castoren zwischengelagert werden, die nicht am mente einzugehen, so gewachsen ist, wie es notwendig Standort Gorleben zwischengelagert werden, damit auch (B) gewesen wäre, um dieses Ziel zu erreichen. Wir sind dort Vertrauen entsteht. Wir haben es mit einem schwie- (D) dem mit dem Gesetz, das wir heute verabschieden, einen rigen Umfeld zu tun. Was Brunsbüttel angeht – hier ist großen Schritt näher gekommen. die grundsätzliche Bereitschaft der Landesregierung und des Landesparlamentes vorhanden –, gibt es seit zwei Ich habe in der ersten Lesung schon sehr vielen unter Wochen ein Gerichtsurteil, das wir im Hinblick auf seine Ihnen gedankt, eigentlich reihum und über alle Fraktio- Auswirkungen genau prüfen werden und das wir ernst nen verteilt. Ich will heute nur noch einmal sagen: Das, nehmen. Aber nach den letzten Wochen habe ich keinen was zwischen der ersten Lesung und der zweiten und Zweifel, dass es uns gelingen wird, bis Ende des Jahres dritten Lesung vereinbart und verändert worden ist, ist drei Standorte zu identifizieren, an denen wir die weni- ein Beispiel für unsere politische Kultur. Alle haben gen noch verbleibenden Castoren sicher verwahren kön- mitgemacht: die umweltpolitischen Sprecher, die Frak- nen. Wir sind auch dem Wunsch Schleswig-Holsteins tionsvorsitzenden und die stellvertretenden Fraktions- nachgekommen, in den Gesetzentwurf den Passus aufzu- vorsitzenden. Aber es waren insbesondere die Bericht- nehmen, dass die Zwischenlagergenehmigungen nicht erstatterinnen, die sich zusammengesetzt und ihren ohne Bundestags- bzw. Parlamentsbeteiligung verlängert Führungsleuten immer wieder gesagt haben, dass wir zu- werden können. sammenkommen müssen. Deshalb möchte ich mich auch bei Sylvia Kotting-Uhl, bei Angelika Brunkhorst, Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben bei Ute Vogt und bei Maria Flachsbarth ganz herzlich für eine Lösung gefunden, wie die Abgeordneten des Deut- ihre Arbeit bedanken. schen Bundestages so mit Wissenschaftlern und Zivilge- sellschaft zusammenarbeiten können, dass am Ende ein (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Bericht zustande kommt, der die eigentliche Endlagersu- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) che voranbringt und begleiten kann. Ich möchte mich ganz herzlich bei meiner Staatsse- Jetzt haben wir – daran weiterzuarbeiten, ist die Auf- kretärin Ulla Heinen-Esser bedanken; sie kann gerade gabe der nächsten Jahre, nicht der nächsten Monate – aus unaufschiebbaren Gründen nicht hier sein. Dieses einen klaren und verlässlichen Rahmen, der sicherstellt, Gesetzesvorhaben war ihre letzte große Aufgabe, die sie dass sachliche Argumente entscheiden, dass wir das als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumwelt- beste Endlager suchen und nicht eines, das aus politi- ministerium übernommen hat. Sowohl beim Asse-Ge- schen Gründen favorisiert wird, der sicherstellt, dass wir setz wie auch bei diesem Gesetz hat sie mit dazu beige- alle wesentlichen Entscheidungen mit einer breiten tragen, dass gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden Mehrheit, in einem breiten Konsens im Deutschen Bun- konnte und so die Zusammenarbeit möglich geworden destag und im Bundesrat politisch treffen und sie nicht ist. Sie scheidet aus dem Bundestag aus. Sie hat in mei- hinter verschlossenen Türen vorbereiten und fällen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32527

Bundesminister Peter Altmaier (A) Wenn wir diesen Gesetzentwurf heute verabschieden, bis heute nicht verstehen, warum Gorleben nicht zu (C) dann geben wir ein starkes Signal der Handlungsfähig- Ende erkundet wird. – All diese Punkte belasten dieses keit des Deutschen Bundestages und zeigen unsere Ent- Verfahren. schlossenheit, mit den Hinterlassenschaften des Atom- zeitalters in Deutschland sicher und verantwortlich Dennoch enthält dieser Gesetzentwurf auch vertrau- umzugehen. ensbildende Signale und vertrauensbildende Maßnah- men. Entscheidend ist das, was nach der Niedersachsen- Zu Beginn der Endlagersuche gab es viele Demon- Wahl gerade von der dortigen rot-grünen Landesregie- strationen und viele Proteste und Kampagnen im Inter- rung und von Ministerpräsident Stephan Weil in den Ge- net. Heute habe ich vor dem Deutschen Bundestag keine setzgebungsprozess eingebracht worden ist. Demonstrationen und im Internet keine Kampagnen ge- sehen. Das zeigt, dass die Gemeinsamkeit, die wir seit Es ist wichtig, dass wir heute gesetzlich festlegen, einigen Wochen an den Tag legen, inzwischen auch von dass es zukünftig keine Zwischenlagerung in Gorleben der Zivilgesellschaft anerkannt wird. Das ist die wich- mehr gibt. Das ist ein ganz wichtiges Signal, liebe Kolle- tigste Voraussetzung dafür, dass es gelingen kann, in ginnen und Kollegen. Deutschland ein sicheres Endlager zu bauen. In diesem (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Sinne möchte ich Sie alle ganz herzlich bitten, dieses BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gesetz mit Ihrer Stimme in Kraft zu setzen. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem Es ist wichtig, dass dieser Diskurs erstmalig in die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- Zivilgesellschaft und in die Wissenschaft getragen wird geordneten der SPD) und dass wir diesen Diskurs über eine Bund-Länder- Kommission an dieses Parlament andocken. Als Rebecca Harms – die Fraktionsvorsitzende der Grünen Vizepräsidentin Petra Pau: im Europäischen Parlament – und ich diesen Vorschlag Das Wort hat der Kollege Dr. Matthias Miersch für machten, wurden wir teilweise belächelt, nach dem die SPD-Fraktion. Motto: Wer nicht weiterweiß, der gründet einen Arbeits- kreis. Ich glaube aber, dass man in dieser großen Frage (Beifall bei der SPD) nur dann zu einer Lösung kommen kann, wenn man transparent und unter Beteiligung der Öffentlichkeit al- Dr. Matthias Miersch (SPD): les auf den Tisch legt und alles bewertet. Wir werden Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! diese große Frage nur mit einem größtmöglichen Heute ist ein Tag, zuversichtlich zu sein, aber kein Tag, Diskurs lösen können, liebe Kolleginnen und Kollegen. euphorisch zu sein. Warum Zuversicht? Wenn man diese Dafür ist die Kommission ganz wichtig. (D) (B) Wahlperiode Revue passieren lässt und die Reden, die hier noch vor zweieinhalb, drei Jahren gehalten wurden, Es gibt nach wie vor Leute – auch Verbände –, die als es beispielsweise um unsere Forderung nach Weiter- diesem Prozess kritisch gegenüberstehen. Ich sage hier geltung des Moratoriums ging, mit den Reden von heute und heute – ich richte das an alle –: Beteiligt euch an vergleicht, dann merkt man: Dieses Parlament ist bei ei- diesem Verfahren, das in den nächsten zwei Jahren be- ner entscheidenden Zukunftsfrage übereingekommen, ginnen soll! Beteiligt euch an diesem Diskurs! Nehmt und das ist gut so. die Möglichkeiten, euch einzubringen, wahr! Wir sind auf euch angewiesen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aber es gibt weiter Grund zum Misstrauen, Herr Bun- desumweltminister; ich finde, in einer solchen Debatte Diese Debatte heute wird von einem Team von darf und muss man das erwähnen. Es ist mehr als bedau- ZDFneo begleitet. Vorgestern habe ich dazu ein Ge- erlich, dass das, was Sie in der ersten Lesung kundgetan spräch geführt. In diesem Gespräch wurde vorgeschla- haben, nicht eingetreten ist: Es gibt kein schwarz regier- gen, dass sich das Parlament kontinuierlich mit den tes Land, das sich bereit erklärt hat, Ihnen und uns bei großen Menschheitsfragen beschäftigt, nach dem Motto der Suche nach einer Zwischenlagerlösung behilflich zu „Save the world“. Wir haben darüber diskutiert, ob es sein. Das ist ein schlechtes Zeichen, liebe Kolleginnen möglich ist, die großen Nachhaltigkeitsfragen in der De- und Kollegen. mokratie zu lösen. Wir gehen heute ein paar Schritte – nicht mehr, aber auch nicht weniger – auf dem Weg zur (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Lösung einer zentralen, ganz schwierigen Frage. Das ist, DIE GRÜNEN) auch wenn noch ein langer Weg vor uns liegt, ein positi- Ich glaube, man muss auch zur Kenntnis nehmen, ves Signal in einem Streit, der die letzten Jahrzehnte dass die Unterschiede hinter den Kulissen noch sehr nicht zu lösen gewesen ist. Ich freue mich, auch in groß sind. Ein Zeichen dafür ist, dass es uns nicht gelun- Zukunft mit allen an der Lösung dieser großen Aufgabe gen ist, eine gemeinsame Empfehlung des Gorleben- zusammenarbeiten zu können. Untersuchungsausschusses vorzulegen. Da hätten wir Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. uns ein gemeinsames Zeichen gewünscht. So ist es ein Zeichen des Vorbehalts. Ich habe noch sehr genau in den (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ohren, wie unsere Kanzlerin vor wenigen Monaten im DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Untersuchungsausschuss gesagt hat, sie könne eigentlich CDU/CSU) 32528 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Hinzu kommt die Seite der Politik: jeweils acht de- (C) Die Kollegin Angelika Brunkhorst hat nun für die mokratisch legitimierte Vertreter aus dem Bundestag und FDP-Fraktion das Wort. aus dem Bundesrat. Diese werden nur eine beratende Funktion, aber kein Stimmrecht haben. Wir werden da- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten mit die Bedenken ausräumen können, dass die Politik in der CDU/CSU) dieser Diskussion ein zu starkes Gewicht hat und dass wir unter Umständen parteipolitisch hineinwirken wol- Angelika Brunkhorst (FDP): len. Diese Gefahr – in Anführungsstrichen – besteht da- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist durch nicht. ein Erfolg, dass wir heute fraktionsübergreifend dieses Auf der anderen Seite sind wir als entsandte Politiker Standortauswahlgesetz einbringen und es beschließen dann faktisch auch nicht gebunden und können hinter- werden. her, wenn der Prozess zu Ende ist, im Bundestag und im Ich bedanke mich bei meinen Berichterstatterkolle- Bundesrat frei entscheiden. ginnen. Ich bedanke mich ganz besonders bei der Parla- Die bzw. der Vorsitzende der Kommission sollte eine mentarischen Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser und anerkannte, unabhängige Persönlichkeit sein, die sich in darüber hinaus bei den engagierten Mitarbeiterinnen und diesem Themenbereich bereits profiliert hat. Das ist un- Mitarbeitern des BMU für die geleistete Arbeit. ser Wunsch. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Ute Vogt [SPD]: Am besten eine Frau!) Dieser Konsens wurde möglich, weil sowohl die Ko- – Vielleicht auch eine Frau, Frau Vogt. alitionsfraktionen als auch die Oppositionsfraktionen festen Willens waren, ein Gesetz auf den Weg zu brin- Selbstverständlich muss die Kommission nicht bei gen, das so ausgestaltet ist, dass – das ist in diesem Fall null anfangen. Zu Beginn wird es auch darum gehen, die wichtig – es Legislaturperioden überdauern kann. Auch wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der deutschen End- die Bundesländer wollten letztendlich den Erfolg dieses lagerforschung zu analysieren. Ich denke, wir sollten uns Standortauswahlgesetzes. In den schwierigen Verhand- auch auf die Expertise unserer Ressortforschungsein- lungen hat sich gezeigt, dass Bundesumweltminister richtungen verlassen. Altmaier die hohen Verhandlungshürden, die es teil- Die heute relevanten Fragen müssen klar und prä- weise gab, auf ein lösbares Maß senken konnte. Auch gnant formuliert werden, und vor allem müssen die wis- die Länder haben sich dort bewegt. Auch dafür möchte senschaftlichen Streitfragen klar benannt werden. Der ich an dieser Stelle danken. (B) Diskussionsprozess soll offen und ohne ideologische (D) (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Voreinstellungen geführt werden. CDU/CSU) Die Öffentlichkeit wird intensiv in den Auswahl- Alle gesellschaftlichen Gruppen sollen in den Stand- prozess eingebunden: Sie wird zur Erarbeitung der Ent- ortauswahlprozess eingebunden werden, damit am Ende scheidungsgrundlagen gehört werden, sie wird im Hin- ein echter, belastbarer Konsens steht. Darum wird dem blick auf die Auswahl von Standortregionen gehört eigentlichen Standortauswahlverfahren eine Bund- werden, und sie wird zu den Vorschlägen für die stand- Länder-Kommission vorgeschaltet. Aufgabe dieser ortbezogenen Erkundungsprogramme gehört werden. Kommission ist die Vorbereitung des eigentlichen Stand- Dies gilt schließlich auch für den endgültigen Standort- ortauswahlverfahrens. Sie soll wissenschaftliche Ent- vorschlag. scheidungsgrundlagen erarbeiten. Hinzu kommt, dass vor Beginn der untertägigen Er- Da wir auf den wissenschaftsbasierten Ansatz Wert kundung eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung legen, soll in diese Kommission eine große Zahl Exper- möglich ist, ob die Auswahl der zu erkundenden Stand- ten aus der Wissenschaft entsandt werden, insgesamt orte nach den Anforderungen und Kriterien dieses Ge- acht Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Hinzu setzentwurfes erfolgt ist. Auch den Gemeinden, in deren kommen acht Mitglieder aus vier gesellschaftlich rele- Gemeindegebiet ein zur untertägigen Erkundung vorge- vanten Gruppen: aus Unternehmen, aus Naturschutzver- schlagener Standort liegt, und deren Einwohnerinnen bänden, aus Religionsgemeinschaften, aus Gewerkschaf- und Einwohnern räumt man hiermit das Klagerecht ein. ten. Es gab bereits Kritik und Nachfragen, ob all diese Es ist von Minister Altmaier vorhin schon gesagt Gruppen wirklich in der Kommission vertreten sein worden, dass die Finanzierung des neuen Standortaus- müssen. Ich sage: Ja, all diese Gruppen müssen mitwir- wahlverfahrens nicht über eine Ergänzung des Beitrags- ken, weil nur so ein breiter, von der Zivilgesellschaft ge- rechts erfolgen soll. Dafür haben sich insbesondere die tragener Diskurs stattfinden kann und diese auch als Grünen eingesetzt. Sie haben sich damit durchgesetzt, Multiplikatoren dienen sollen. Ich denke, wir haben in dass die Kosten des neuen Standortauswahlverfahrens dem Gespräch mit den Ministerpräsidenten sowie den durch die Umstellung auf ein Umlagesystem finanziert Vertretern der Parteien und Fraktionen am 9. April die- werden. Auch das war ein Kompromiss, den wir hier ses Jahres klargemacht, dass wir natürlich nur fachlich eingegangen sind. kundige Mitglieder in diese Kommission schicken wol- len. Alle diese 16 Mitglieder dieser Kommission, die ich (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gerade genannt habe, werden stimmberechtigt sein. NEN]: Ein guter Kompromiss!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32529

Angelika Brunkhorst (A) So ist das eben: Kompromisse waren an allen Ecken und zurück ins Parlament geholt. Es ist kein Thema für (C) Enden immer wieder notwendig. Küchentische. Ich muss aber dazu sagen, dass das jetzige Beitrags- An dieser Stelle möchte ich Frau Flachsbarth und recht für das Endlagerprojekt Schacht Konrad und letzt- auch Frau Heinen-Esser für ihr Engagement sehr endlich auch für die Errichtung des zukünftigen Endla- danken. Es verdient Anerkennung; denn sie taten das, gers natürlich weiter gilt. Auch das Verursacherprinzip obwohl großen Teilen der Koalition bis heute die Ein- gilt weiterhin. sicht fehlt, dass in der Vergangenheit einiges grundle- gend falsch gelaufen ist, Die Koalition ist große Schritte auf die Opposition zugegangen. Das betrifft zum Beispiel auch die Errich- (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ute tung des Bundesamtes für Entsorgung erst im Jahre Vogt [SPD]) 2014. Die Errichtung des BfE ist aufgrund der EU-Ent- wie wir zum Beispiel im Untersuchungsausschuss Gor- sorgungsrichtlinie erforderlich. Bei der Endlagersuche leben immer wieder erlebt haben. Von daher meinen muss organisatorisch eine saubere Trennung von Betrei- Dank an die Berichterstatterinnen sowie an die Staatsse- ber und Kontrolleur gewährleistet sein. Es müssen ver- kretärin für die streitbare, oft auch kontroverse, aber im- schiedene Ämter sein. mer faire Zusammenarbeit. Bei den Verhandlungen über den Gesetzentwurf gab (Beifall bei der LINKEN) es ein Nehmen und Geben von allen Beteiligten. Das ist das Wesen eines Kompromisses. Ich denke, es ist uns ge- Dennoch, die Linke sagt Nein zu diesem Endlager- lungen, viele unterschiedliche Interessen und Wünsche suchgesetz. Ich möchte das mit fünf Punkten kurz be- in diesen Konsens einzuarbeiten, und ich gehe davon gründen – es gäbe mehr Punkte, aber dafür fehlt leider aus, dass auch der Bundesrat am 5. Juli 2013 seine Zu- die Zeit –: stimmung dazu geben wird. Erstens. Leider kein gesellschaftlicher Konsens ist, was hier heute verabschiedet wird. Wir haben hier heute Ich möchte noch ein paar persönliche Gedanken wei- maximal einen Konsens von vier Fraktionen. Aber we- terführen: Ich habe die Bitte, dass man die Sommerpause sentliche Teile der Antiatombewegung tragen ihn nicht dazu nutzt, sich bereits über eine mögliche Besetzung mit. Herr Altmaier, „ausgestrahlt“ stand heute durchaus klar zu werden. Es wäre einfach optimal, wenn es ge- vor dem Reichstag und hat demonstriert. länge, die Einsetzung dieser Kommission in der Sit- zungswoche Anfang September 2013 im Bundestag, Eine wirkliche Meinungsbildung, eine wirklich breite also noch in dieser Legislaturperiode, zu beschließen. gesellschaftliche Debatte, ein Abwägen von Alternati- (B) Selbst der Bundesrat könnte am 20. September 2013 ven und die Bestimmung von Verfahrensschritten sind (D) seine Zustimmung geben. Ich weiß, dass wir alle im nicht erfolgt und konnten bei einem solchen Hauruck- Wahlkampf viel zu tun haben; aber vielleicht kann man verfahren auch gar nicht erfolgen. Große Konfliktfelder, das Nötige organisieren. Mit festem Willen könnte man wie etwa die Frage „Wohin mit den 26 Castoren?“, wur- auch das noch schaffen. Wenn uns das wirklich gelingt, den ausgeklammert, genauso wie die Zwischenlager- dann sind wir in der Bewältigung der Endlagerthematik frage. Ausgeklammert wurde auch die Frage „Wohin mit wirklich ein Stück vorangekommen. schwach- und mittelradioaktivem Atommüll?“. Zum Beispiel ist das Endlager in meinem Wahlkreis, Schacht Ich danke für die Aufmerksamkeit. Konrad, in die Überlegungen überhaupt nicht mit einbe- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie zogen worden. Das ist ein großes Manko. bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE (Beifall bei der LINKEN) GRÜNEN und der Abg. Ute Vogt [SPD]) Auf wie tönernen Füßen die Zwischenlagerfrage steht, wissen wir spätestens seit letzter Woche, seit dem Vizepräsidentin Petra Pau: Brunsbüttel-Urteil. Von daher wird sich dieser Konsens Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin an seiner Haltbarkeit messen lassen müssen. Dorothée Menzner das Wort. Zweitens. Es erfolgt nur ein begrenztes Lernen aus (Beifall bei der LINKEN) der Vergangenheit. Eine bindende breite Beteiligung der Bürger findet nicht statt. Die parlamentarische Aufarbei- Dorothée Menzner (DIE LINKE): tung etwa der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses Gorleben wurde nicht abgewartet und mit einbezogen. Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch ein wissenschaftliches Aufarbeiten der Fehler in Sehr geehrte Damen und Herren! Nach 35 Jahren fehlge- Bezug auf Gorleben und Asse – ich erinnere an das, was leiteter Endlagersuche ist es durchaus löblich, nun zu da in den letzten Jahren offenbar wurde – findet kaum versuchen, mit einem vergleichenden Verfahren einen statt. Nein, vielmehr werden in Teilen heute wieder die gesellschaftlichen Konsens zu finden. Es verdient Aner- gleichen Wissenschaftler und Sachverständigen bemüht, kennung, dass die Berichterstatterinnen mit ihrer Initia- die uns das Desaster in der Asse und auch in Gorleben tive dieses Thema einer parlamentarischen Beratung zu- eingebrockt haben. geführt haben. Ab diesem Zeitpunkt war auch die Linke mit einbezogen, und das Thema Endlagerung wurde aus Drittens: die Kommission. Wir Linke begrüßen aus- den Hinterzimmern und männlichen Kungelrunden drücklich die Einsetzung einer unabhängigen Kommis- 32530 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Dorothée Menzner (A) sion zur Lösung der Endlagerfrage. Allerdings wäre eine Vizepräsidentin Petra Pau: (C) solche Kommission im Vorfeld einer Gesetzesverab- Kollegin Menzner, ich weiß, es gibt noch viel zu sa- schiedung notwendig gewesen und nicht, um ein Gesetz gen. Versuchen Sie bitte trotzdem, es auf den Punkt zu zu evaluieren. Wissenschaftlicher Sachverstand, auch bringen. aus dem gesellschaftswissenschaftlichen und philosophi- schen Bereich, um Empfehlungen auszuarbeiten, ist Dorothée Menzner (DIE LINKE): zwar dringend notwendig, aber nicht erst, wenn es um Ein letzter Satz noch. – Ich sage Ihnen: Ohne dass die Evaluierung eines bereits sehr detaillierten Gesetzes Gorleben aus dem Verfahren genommen wird, werden geht. An dieser Stelle sind wir sehr skeptisch, ob die wir nicht das Vertrauen in großen Teilen der Bevölke- Kommission das unter diesen Voraussetzungen in zwei rung schaffen, das wir brauchen, um dieses Problem ei- Jahren leisten kann oder ob sich die Befürchtungen be- ner Lösung zuzuführen. Ein Zweites: Solange wir weiter wahrheiten, die da lauten: Diese Kommission ist nur Müll produzieren und nicht wissen, wo wir ihn lagern eine Alibiveranstaltung. sollen, werden wir das Problem nicht dauerhaft lösen. (Beifall bei der LINKEN) Ich danke Ihnen. Viertens: Bundesamt für kerntechnische Entsorgung. (Beifall bei der LINKEN) Dieses Amt birgt aus unserer Sicht mehrere Gefahren: Erstens. Wie in der Vergangenheit bestimmen die In- Vizepräsidentin Petra Pau: teressen von Politik das Handeln, und somit hat nicht Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol- höchstmögliche Sicherheit die durchgängig oberste Prio- legin Sylvia Kotting-Uhl das Wort. rität. Zweitens. Wir haben gelernt, dass solche Behörden Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gerade auch mittels Personalentscheidungen fragwür- Verehrte Frau Präsidentin! Verehrter Herr Minister dige Wege einschlagen können. Ich erinnere nur an das Altmaier! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Begonnen Bundesamt für Strahlenforschung und seine Positionie- hat diese Legislatur mit den Laufzeitverlängerungen und rung in den Jahren 1997/98 in der Gorleben-Frage. mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses Gor- leben. Jetzt, am Ende der Legislatur, haben wir einen Drittens. Es wird sich zeigen müssen, ob alle Bundes- fraktionsübergreifenden Konsens zum Atomausstieg, länder den Konsens auch noch mittragen, wenn sie fest- wir haben die Lex Asse, die die Rückholung der Abfälle stellen, dass sie als akut Betroffene an dieses Bundesamt als Ziel festgeschrieben hat, und wir beschließen heute Länderkompetenzen abgetreten haben. ein Gesetz zu einer vergleichenden, ergebnisoffenen (B) (D) Als letzten Kritikpunkt möchte ich Gorleben anfüh- Endlagersuche. Wer hätte das gedacht? ren. Die schwarze und die gelbe Fraktion haben jahr- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zehntelang gesagt, eine alternative Standortsuche sei und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der nicht machbar, weil kein Standort mit Gorleben mithal- CDU/CSU) ten könne; denn dort gebe es einen uneinholbaren Wis- sensvorsprung. Noch vor einem Dreivierteljahr hat die Vom Beginn – der Koalitionsvertrag in Baden-Würt- Bundeskanzlerin, Frau Merkel, im Gorleben-Untersu- temberg, in den wir die Bereitschaft zur Standortsuche chungsausschuss ausgeführt – ich zitiere –: auch in Baden-Württemberg geschrieben haben, steht am Anfang – bis heute hat es zwei Jahre gedauert. Das Also, ich sage noch mal: Dass die war also nicht wirklich ein Hauruckverfahren, liebe – gemeint sind Gorleben und andere mögliche Stand- Dorothée Menzner. Dazwischen gab es viele Etappen, orte – bei denen das Gesetz wieder auf der Kippe stand. Aber immer wieder ging es weiter, immer wieder gab es gute nicht vergleichbar sind, bezieht sich auf die Tiefe neue Initiativen. Nach der Bildung der neuen nieder- der Erkundung und die Tiefe der Kenntnis. sächsischen Landesregierung kam die Kommission Nun sagen Sie, die Erkundungsergebnisse von Gorleben dazu, und Schleswig-Holstein hat dann Bewegung in die sollen bei der Standortauswahl genutzt werden, aber kei- Frage, wohin man die Castoren bringen solle, gebracht. nesfalls präjudizierend wirken. Ich frage Sie: Wie soll Diese Frage ist allerdings jetzt etwas verschoben; denn das gehen? Sie haben uns doch immer erzählt, das gehe wir wollen erst zu Beginn des nächsten Jahres die drei nicht. Was hat Ihren Meinungswandel bewirkt? Oder ist Länder benennen, in die die Castoren kommen sollen. das vielleicht doch nur vorgeschoben? Ich vermute, dass auch der Bundesumweltminister wie wir auf einen Regierungswechsel in Hessen hofft, um Die Linke sagt: Gorleben muss heraus aus dem Ver- das Problem zu lösen. fahren. Ein juristisches Gutachten im Auftrag von Greenpeace, das uns allen vorliegt, sagt auch, wie das ju- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ristisch sicher ginge. Gorleben ist geologisch ungeeig- und bei der SPD – Peter Altmaier [CDU/ net. Das wissen wir seit rund 20 Jahren. Der Wissensvor- CSU]: Nein!) sprung zu Gorleben und die Fülle der Erkundungsdaten Wir sind uns auch ansonsten oft einig, Herr Altmaier. sind so groß, dass die Gefahr einer Vorfestlegung ein- fach riesig ist. Es besteht die Gefahr, alleine aus Kosten- Wir haben dieses Gesetz in einem breiten Konsens gründen weiter auf diesem Standort zu beharren. beschlossen. Alle Bundesländer und vier Fraktionen hier Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32531

Sylvia Kotting-Uhl (A) im Deutschen Bundestag waren dabei. Aber selbstver- Deswegen haben wir auch die letzten Änderungsan- (C) ständlich ist ein Konsens kein Freifahrtschein. Nicht al- träge eingebracht. Deswegen wird die vorläufige Sicher- les ist geregelt. Viele mussten Zugeständnisse machen, heitsanalyse nicht ausgewertet, und die Daten werden und es werden noch viele Hürden zu überwinden sein, nicht gesichert. Alle Aussagen dazu im Gesetzentwurf bis dieses Gesetz tatsächlich wirken kann und es irgend- sind gestrichen. Deswegen kommen keine Castortrans- wann einmal vollzogen ist. porte mehr. Deswegen gibt es dort keinen Forschungs- standort. Eine Fraktion fehlt bei diesem Konsens. Ich glaube – diese Kritik möchte ich schon anbringen –, wenn in ge- Das sind alles Zugeständnisse auch von anderen Sei- wissen Teilen der Führung der Unionsfraktion nicht im- ten, die nicht leichtgefallen sind, aber erleichtern, dass mer so ein Widerstand dagegen bestünde, die Linke in Gorleben tatsächlich auf ein gerechtes und faires Verfah- das Rubrum aufzunehmen, hätten wir sie sowohl bei der ren vertrauen kann, genauso wie alle anderen Standorte, Entscheidung zur Asse als auch in diesem Falle mit da- die das tun müssen und auch wollen, dies aber nur dann beigehabt und hätten einen ganz breiten Konsens im können, wenn Gorleben nicht vorab politisch ausge- Bundestag herstellen können. schlossen wird. Nur dann können auch die anderen Standorte auf ein faires und gerechtes Verfahren ver- Bei allem Verständnis muss ich aber sagen: Das, was trauen. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, heute mit Ihrem Antrag vorgelegt haben, ist so weit jen- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seits aller Realität und verkennt alles, was in den letzten sowie bei Abgeordneten der SPD) Monaten passiert ist, dass ich nicht verstehe, wie man hier zu einer solchen Aussage kommen kann. Die Kommission wird in den nächsten zwei Jahren jegliche Arbeit machen; ansonsten ruht das Gesetz. Ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wermutstropfen ist, dass es uns nicht gelungen ist, im und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Vorfeld zu der heutigen Debatte die Einrichtung des CDU/CSU und der FDP) neuen Bundesamtes noch aufzuschieben, bis die Kom- Es geht nicht um irgendwelche Alibiveranstaltungen. mission ihre Arbeit beendet hat. Es wird im Laufe des Es geht darum, neue Formen von Bürgerbeteiligung und nächsten Jahres eingerichtet. Aber es ermöglicht immer- Partizipation zu entwickeln. hin, dass die Kommission eigenständig arbeiten und ihre Arbeit auch ein gutes Stück vor der Einrichtung der Bun- (Zuruf von der LINKEN: Ja, genau!) desbehörde aufnehmen kann. Dabei stehen wir am Anfang, weil wir das bisher nicht Alles in allem ist es ein guter Gesetzentwurf. Für gemacht haben. Wir stolpern sozusagen los, aber es gibt (B) mich als grüne atompolitische Sprecherin ist es das (D) einen breiten Willen, das zu tun. Beste, was in dieser Legislaturperiode auf den Weg ge- Wir haben das Forum durchgeführt, und dieses Forum bracht wurde. Ich möchte allen, die daran mitgearbeitet hat seine Auswirkungen gehabt. Das hat nichts mit ei- haben – das waren nicht wenige –, von Herzen danken. nem Alibi zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Nicht nur wir, die Verantwortlichen im Bundestag, und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der müssen lernen, wie neue Bürgerbeteiligung aussehen CDU/CSU und der FDP) muss, sondern auch die Gesellschaft muss das offen- sichtlich lernen. Denn man kann Partizipation nur anbie- Vizepräsidentin Petra Pau: ten; man kann sie nicht verordnen. Ob sie angenommen Das Wort hat die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth für wird oder nicht, entscheiden diejenigen, denen sie ange- die Unionsfraktion. boten wird. Das können nicht wir entscheiden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN neten der FDP) und bei der SPD) Was Gorleben angeht, ist die große Botschaft des Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Endlagersuchgesetzes bzw. Standortauswahlgesetzes: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die 30 Jahre dauernde verheerende Fixierung auf einen Herr Minister, wir sind in dieser Legislaturperiode tat- umstrittenen Standort und ein falsches Verfahren ist zu sächlich einen langen Weg gegangen: von totaler Kon- Ende. Das ist die wunderbare Botschaft dieses Gesetz- frontation bis hin zu einem gemeinsamen Grundver- entwurfs. ständnis darüber, die real existierenden Probleme gemeinsam lösen zu wollen. Ich erinnere mich an eine Aber selbstverständlich wird Gorleben nie ein Stand- Sitzung des Umweltausschusses mit tumultartigen Zü- ort wie jeder andere sein können. Darüber brauchen wir gen, als die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke uns nichts vorzumachen, und ich glaube, das tut auch beschlossen wurde. niemand hier. Selbstverständlich ist der Erkenntnisvor- sprung bei Gorleben eine Belastung. Wir müssen uns be- Ich erinnere mich an die quälend langen Sitzungen mühen, und das tun wir mit dem Gesetzentwurf, diese des Gorleben-Untersuchungsausschusses, der trotz der Nachteile so gering wie möglich zu halten und Gorleben Vernehmung von 50 Zeugen und Sichtung von über so weit wie möglich zu einem Standort wie jeden ande- 2 500 Akten noch nicht einmal über die gemeinsame ren zu machen. Faktenerhebung eine gemeinsame Position zustande ge- 32532 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Dr. Maria Flachsbarth (A) bracht hat, weil offensichtlich die Wahrnehmungen so Kommission, die bis Ende 2015 arbeiten und grundle- (C) unterschiedlich sind, dass man ein und dieselbe Person gende Handlungsempfehlungen zu herausragenden Fra- bzw. ein und dieselbe Akte nicht in derselben Weise ver- gestellungen und Anforderungen bzw. Kriterien erarbei- standen hat. ten soll, die letztlich im Deutschen Bundestag beraten werden sollen. Ich erinnere mich aber auch an die große, fraktions- übergreifende Mehrheit in diesem Haus, als wir nach Bemängelt wurde, dass es in dieser Kommission eine den schrecklichen Ereignissen in Fukushima den endgül- Dominanz der Politik gäbe. Es wurde angemahnt, dass tigen Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen haben. es viel mehr Beteiligung aus Zivilgesellschaft und Wis- senschaft geben müsste. Die neue Zusammensetzung Ich erinnere mich auch sehr gut an die Initiative des dieser Kommission, in der die Politik jetzt nur noch eine damaligen Bundesministers Röttgen, des ehemaligen beratende Funktion hat, ist Ausdruck dieser Anregun- Ministerpräsidenten McAllister und des Ministerpräsi- gen. denten Winfried Kretschmann, die im November 2011 zum ersten Bund-Länder-Gespräch zur Entsorgung ein- Übrigens sind in diesem Zusammenhang auch die Be- geladen haben. Seit dem, Frau Kollegin Kotting-Uhl denken des Bundestagspräsidenten eingeflossen, der die – Sie haben völlig recht –, arbeiten wir an diesem Ge- Freiheit der Entscheidung des Parlamentes ganz deutlich setzgebungsverfahren, und nicht etwa erst seit den letz- angemahnt hatte. ten drei Monaten. Auch die Notwendigkeit der Einrichtung eines neuen Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir jetzt nicht Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung wurde vom die tatsächlich historische Chance vertun, sondern einen Forum hinterfragt. Aber wir brauchen es, um eine ver- Neuanfang in der Endlagersuche wagen. Denn wir sind nünftige Umsetzung der EU-Richtlinie zur Trennung uns doch einig: Die Frage der Entsorgung liegt in natio- von Aufsicht und Betrieb von kerntechnischen Anlagen naler Verantwortung, und sie muss durch die jetzige zu gewährleisten. Wir brauchen es übrigens auch, um die Generation beantwortet werden. Die Lösung dieses Pro- Arbeit der Kommission organisatorisch zu unterstützen. blems darf nicht in die Zukunft verschoben werden. Wir Und wir brauchen es, um die durch das neue Verfahren sind uns doch auch einig, dass wir zu unserer völker- entstehenden Kosten auf die Verursacher – nämlich die rechtlichen Verpflichtung stehen, radioaktive Abfälle Kraftwerksbetreiber – umzulegen. aus Deutschland nach der Wiederaufarbeitung im Aus- land zeitnah zurückzunehmen. Den politischen Streit haben wir entschärft, indem wir die Entscheidung über die Stellenbesetzung auf die Zeit Auch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts in nach der Wahl verschoben haben. Ich glaube, das war (B) Schleswig hat uns daran erinnert, dass wir dringend ein sehr, sehr klug. (D) Endlager finden müssen; denn Zwischenlager müssen Zwischenlager bleiben und dürfen nicht etwa verkappte Wenn wir nun an die Arbeit gehen und dieses neue Endlager werden. Gesetz tatsächlich realisieren und umsetzen, dann bitte ich die Regierungen von Bund und Ländern, in diesem (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem Zusammenhang eine Lösung für die Weiterbeschäfti- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gung der Bergleute aus dem Erkundungsbergwerk Gor- leben nicht aus dem Auge zu verlieren. Endlich haben wir die Kraft gefunden, diese Pro- bleme tatsächlich anzugehen und ein Standortauswahl- Ich möchte mich meinerseits, liebe Kolleginnen und gesetz für ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle auf Kollegen, bei allen Beteiligten bedanken. Ich bedanke den Weg zu bringen. Aufbauend auf den Ergebnissen des mich beim Bundestagspräsidenten, der uns mit Anregun- AkEnd stehen dabei drei zentrale Aspekte im Vorder- gen und Zuarbeit unterstützt hat. Ich bedanke mich sehr grund: zum Ersten der Vorrang der Sicherheit in wissen- herzlich bei den Mitberichterstatterinnen für die kon- schaftsbasierten Verfahren, zum Zweiten das Verursa- struktive Zusammenarbeit. Ich bedanke mich beim Bun- cherprinzip und zum Dritten der Grundsatz eines desumweltministerium, beim Herrn Minister, aber auch transparenten und fairen Verfahrens. besonders bei seiner Staatssekretärin, unserer Kollegin Ulla Heinen-Esser. Und ich bedanke mich – das mag un- Unser Suchverfahren soll nun seine Legitimation gewöhnlich sein, aber er hat wirklich unglaublich viel durch Entscheidungen des Bundestages beziehen. Es soll für uns getan – bei dem Unterabteilungsleiter Peter Hart, ergebnisoffen, vergleichend und in verschiedene auf- der uns sehr, sehr konstruktiv durch Dick und Dünn be- einanderfolgende Phasen gegliedert sein. Grundlegendes gleitet hat. charakteristisches Element des neuen Suchverfahrens ist dabei die umfangreiche Öffentlichkeitsbeteiligung. Das Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, machen wir haben wir im Rahmen der Beratungen zu diesem Gesetz uns nun wieder auf den Weg – dieses Mal gemeinsam, schon einmal ausprobiert, und zwar in Form eines mehr- angespornt von dem ernsthaften Willen, ein Endlager für tägigen Bürgerforums Ende Mai/Anfang Juni, an dem hochradioaktive Abfälle in unserem Land zu finden. sich jeder und jede beteiligen konnte. Herzlichen Dank. Dort haben sich Änderungswünsche herauskristalli- siert, die wir in unser parlamentarisches Verfahren ein- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP gebracht haben, unter anderem für die Bund-Länder- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32533

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Es wurde unter anderem auch bemängelt, es gebe einen (C) Die Kollegin Ute Vogt hat nun für die SPD-Fraktion zu geringen Rechtsschutz und keine Festlegung, den das Wort. Export von Atommüll künftig auszuschließen. (Beifall bei der SPD) Zu all diesen Punkten ist es gelungen, zwischen der ersten Lesung und der heutigen zweiten und dritten Ute Vogt (SPD): Lesung und Schlussberatung tatsächliche Änderungen in Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Ich kann mich dem den Entwurf des Gesetzes einzufügen. Wir haben einen Dank der Kollegin Flachsbarth vollumfänglich anschlie- höheren Rechtsschutz erreicht. Betroffene, Anwohnerin- ßen und schließe in diesen Dank ausdrücklich auch die nen und Anwohner und auch Kommunen haben inzwi- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums ein. schen die Möglichkeit, bezüglich der unterirdischen Erkundung tatsächlich zu klagen. Ich habe mich gefreut, dass der Herr Minister am Be- ginn seiner Rede das erste Struck’sche Gesetz zitiert hat, Es gibt eine verbindliche Regelung dahin gehend, das da heißt: Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so dass Castortransporte nur noch standortnah erfolgen sol- heraus, wie es eingebracht worden ist. Ich habe mich len. Wenn also in einem Atomkraftwerk Müll produziert deshalb besonders darüber gefreut, weil dieses Gesetz wird, dann muss man auch die Belastungen für eine Zwi- die Stärke des Parlaments deutlich macht und zeigt, dass schenlagerung in Kauf nehmen. Das Bundesamt soll im die Vorschläge aus den Ministerien von den Parlamenta- Laufe des Jahres 2014 ins Leben gerufen werden. Ich bin riern nicht immer übernommen werden müssen. mir mit der Kollegin Kotting-Uhl darüber einig, dass dies auch noch später möglich gewesen wäre. Aber es ist Wenn wir es als Parlamentarier geschafft haben, in zumindest ein wichtiges Zeichen, dass die Kommission, diesem Prozess der Gesetzgebung viele eigene Akzente die jetzt dem Gedanken der Bürgerbeteiligung Rechnung zu setzen, statt einfach nur die Vereinbarungen zwischen tragen und auch die Kriterien für die Suche festlegen Bund und Ländern, die außerhalb des Parlaments getrof- soll, von Anfang an eigenständig arbeiten wird. Im Ge- fen wurden, zu übernehmen, dann ist das auch für uns setz wird festgeschrieben, dass es eine eigene Geschäfts- ein guter Tag, weil es zeigt, dass wir Parlamentarier, stelle der Kommission geben wird, die mit dem Bundes- wenn wir konstruktiv zusammenarbeiten und uns aufei- amt gerade nicht in Verbindung steht. nander zubewegen, unglaublich viel erreichen können und eben nicht immer nur dem folgen müssen, was uns (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ die Regierungen vorgeben. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wir sind in der Lage, die vielen Anregungen von Ver- (B) DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Maria tretern von Verbänden und Initiativen, die vielleicht (D) Flachsbarth [CDU/CSU]) nicht alle persönlich anwesend waren, aber ihre Wünsche über andere Personen im Forum einspeisen Das ist besonders erfreulich in Bezug auf das, was wir konnten, aufzunehmen. Dabei haben wir uns sehr aufei- im Vorfeld erprobt haben. Ich meine das dreitätige Bür- nander zubewegt. Die einzige Forderung, die im Grunde gerforum. Viele Verbände haben vorhergesagt, dieses nicht aufgenommen wurde, ist, gar kein Gesetz zu erar- Forum sei nur eine Farce. Das Forum simuliere nur Be- beiten. Natürlich wäre es auch vorstellbar gewesen, zu- teiligung, aber schaffe keine echte Beteiligung, so war erst die Kommission zwei Jahre arbeiten zu lassen und zu lesen. – Mich haben diese Reaktionen damals sehr dann ein Gesetz zu erarbeiten. Das wäre jedenfalls for- enttäuscht. Ich konnte aber aufgrund der Vorgeschichte mal möglich gewesen. Dann hätte aber das große Risiko das Misstrauen und die Skepsis verstehen, weil sich alle bestanden, dass die politisch Verantwortlichen diesem noch daran erinnern, wie es zu Gorleben gekommen ist. schwierigen und unbequemen Thema erneut aus dem Diese Geschichte rund um Gorleben ist aus unserer Weg gehen. Wir haben stattdessen die historische Sicht nicht richtig aufgearbeitet worden. Auch den Chance ergriffen, dafür zu sorgen, dass Bund und Länder Schlussfolgerungen der Koalitionsfraktionen im Unter- an einem Strang ziehen. Möglicherweise wäre das in ei- suchungsausschuss konnte ich keinesfalls zustimmen. nigen Monaten gar nicht mehr der Fall. Vielmehr waren Teile der CDU in Bezug auf die Fehler, die im Zusammenhang mit Gorleben passiert sind, sehr Die schwierige Aufgabe kommt auf uns erst noch zu. uneinsichtig. Umso höher ist es zu bewerten, dass wir Rufen wir uns die Vergangenheit in Erinnerung. Im Sep- mit diesem Forum echte Bürgerbeteiligung schaffen tember 1979 haben die Regierungschefs von Bund und konnten. Ländern beschlossen, wie mit den Abfällen aus Atom- kraftwerken umgegangen werden soll. Sie haben damals Ich will Folgendes in Erinnerung rufen: Es war die vorausgesagt, dass bis Mitte der 80er-Jahre das Problem Rede davon, dass in der Kommission der Einfluss der gelöst sei. Das ist nun wahrlich nicht gelungen. Wenn Mitglieder aus der Wissenschaft gegenüber denen aus man sieht, wie viel Zeit seitdem verstrichen ist, kann der Politik gestärkt werden sollte. Die Kommission solle man sich ungefähr das Ausmaß der Aufgabe vorstellen, eigenständiger arbeiten können, so war zu hören. Das die nun nach der Verabschiedung des Gesetzentwurfs auf Bundesamt für Strahlenschutz solle ja nicht zu früh ein- uns zukommt. Es wird neue Formen der Bürgerbeteili- gerichtet werden, um keine Ergebnisse der Kommission gung geben. Wir werden Maßstäbe entwickeln, die dann zu präjudizieren. Es solle verbindlich festgelegt werden, für viele andere Projekte gelten können. Das wird unsere keine Castoren mehr nach Gorleben zu transportieren. Demokratie beleben. 32534 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Ute Vogt (A) Die Lösung der Aufgabe wird sich über viele Legisla- der Kernenergie politisch konsensual erfolgt ist, erwähne (C) turperioden erstrecken. Ich habe die Hoffnung, dass das, ich an dieser Stelle ausdrücklich. Ich unterstreiche, dass was wir heute auf der Grundlage eines parteiübergreifen- wir alle – ob gern oder ungern, ob politisch dafür oder den Konsens auf den Weg bringen, in den nächsten Jah- dagegen – Nutznießer der Kernenergie waren und sich ren und Jahrzehnten hält und getragen wird; denn es der Wohlstand in Deutschland in weiten Teilen auf die wird in Zukunft eher schwieriger denn leichter. Je mehr Kernenergie begründet hat. Standorte wir konkret ins Auge fassen, desto stärker wird naturgemäß der Widerstand sein. Insofern ist es gut, Daraus erwächst eine besondere Verantwortung. Ver- antwortung ist in diesem Zusammenhang ein großes dass am Anfang des Prozesses ein starkes Votum und ein Wort. Das kann man in der Kürze der Zeit hier nicht aus- starkes Bekenntnis des Parlaments zur Verantwortlich- führen. Mit Blick auf die Laufzeiten, mit Blick auf das, keit stehen. was wir hier entscheiden In diesem Sinne danke ich allen herzlich und freue (Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE mich auf die weitere Zusammenarbeit. GRÜNEN]: Sie ziehen alle Reden in den Kel- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem ler! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- GRÜNEN]: Wenn Sie so weitermachen, geht geordneten der FDP) das hier noch schief!) – Sie wissen gar nicht, was ich sagen will –, mit Blick Vizepräsidentin Petra Pau: auf den Planungshorizont ist das Wort Verantwortung Der letzte Redner in dieser Debatte ist der Kollege ein großes. Dr. Georg Nüßlein für die Koalitionsfraktion. (Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) GRÜNEN]: Sie müssen wieder alles kaputt- machen!) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): – Sie sind in Ihren Reaktionen so reflexartig, dass Sie Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! mir gar nicht mehr zuhören, liebe Freunde von den Grü- Diese nun schon einige Zeit währende abschließende nen. Debatte wird aus meiner Sicht durch vier zentrale Be- griffe bestimmt: Konsens, Akzeptanz, Legitimation und (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- vor allem Verantwortung. Konsens ist ein großes Wort. NEN]: Wenn wir reflexartig wären, hätten wir Auf Konsens ist unsere Parteiendemokratie auch nicht in schon vor vier Minuten reagiert!) erster Linie ausgelegt. Deshalb ist es natürlich etwas (B) Ich rede darüber, dass wir hier eine Entscheidung mit ei- (D) ganz Besonderes, wenn sich ein Konsens gerade in ner langen Reichweite vorbereiten. Deshalb ist Verant- Wahlkampfzeiten anbahnt. Am fraktionsübergreifenden wortung etwas Besonderes, etwas Großes. Man kann zu Applaus – dieser wurde in den letzten Tagen sonst nur Recht Wissenschaft und Technik auf der einen Seite und denjenigen zuteil, die ihre letzte Rede gehalten haben – Gesellschaft auf der anderen Seite beteiligen. Ich bin ge- erkennt man, dass diese Entscheidung von einem neigt, hinzuzufügen, dass auch die Politik beteiligt wer- Konsens getragen wird. Dass vier Parteien an diesem den sollte. Ich persönlich tue mich üblicherweise etwas Konsens beteiligt sind, stimmt mich optimistisch; denn schwer mit angeblich überparteilichen, angeblich unpo- eine dieser vier Parteien wird immer an einer Regierung litischen, angeblich unabhängigen Gremien. Ich verstehe beteiligt sein. Ich wünsche mir, dass die Betreffenden aber, dass es Sinn macht, ein vorbereitendes Gremium dann, wenn sie an der Regierung beteiligt sind, nicht ver- so, ohne Parteipolitik, zu besetzen, um es unangreifbar gessen, dass sie heute zugestimmt haben. zu machen. Leider ist das Mode, und leider verteidigen wir selber die politische Klasse zu wenig. Das so vorzu- Die Tatsache, dass die Linke nicht dabei ist, ist für bereiten, halte ich für ausgesprochen richtig. Ich unter- mich – ich sage sicherlich nichts, was Sie erschreckt – streiche aber, dass wir uns am Schluss nicht aus der Ver- nicht weiter schlimm. Diese Partei ist für mich ausge- antwortung ziehen können, sondern dass die Politik die sprochen entbehrlich. Eine Regierungsbeteiligung dieser letzte Entscheidung treffen muss. Partei ist alles andere als wünschenswert. Zu den Stichwörtern Legitimation und Akzeptanz: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bei Akzeptanz sollte man nicht immer nur auf die Bür- Frau Kotting-Uhl, es hat mich im Übrigen sehr erfreut, gerinnen und Bürger abstellen, sondern auch auf das, dass Sie auf die Realitätsferne dessen hingewiesen ha- was wir miteinander vereinbaren und in weiteren Schrit- ben, was die Linke beantragt. Sie können das natürlich ten beschließen. Diese Entscheidungen müssen wir ge- viel glaubhafter darlegen als ich. Wenn ich das getan genseitig akzeptieren und dürfen sie nicht von Legisla- hätte, hätte es nur geheißen: Es ist ja klar, dass ein CSU- turperiode zu Legislaturperiode infrage stellen. Mann gegen die Linksradikalen ist. Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern – das hat (Zurufe bei der SPD und der LINKEN: Oh! die Vorrednerin richtig gesagt – nimmt in dem Maße ab, Oh!) in dem es konkreter wird. Niemand will das im Vorgar- ten. Kein Heiliger in Deutschland wird konfessionsüber- Ich bin der festen Überzeugung, dass der nun erzielte greifend so verehrt wie Sankt Florian. Damit werden wir Konsens Ausdruck eines gemeinsamen Verantwortungs- letztlich nicht punkten können. Es geht jetzt darum, ein bewusstseins ist. Dass der Einstieg in den Ausstieg aus sauberes Verfahren zu machen, das zunächst einmal ak- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32535

Dr. Georg Nüßlein (A) zeptiert ist, legitim ist, und dass wir eine weiße Land- Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent- (C) karte schaffen. Abschließend unterstreiche ich, dass eine schließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa- weiße Landkarte ganz klar bedeutet, dass Gorleben drin- che 17/14213. Wer stimmt für diesen Entschließungsan- bleibt. Denn es ist keine weiße Landkarte, wenn man an trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der einer Stelle einen schwarzen Fleck hat. Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koali- tionsfraktionen, der SPD-Fraktion und der Fraktion Uns muss auch Folgendes klar sein: Mit dem, was wir Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion heute beschließen, gehen wir zunächst einmal zurück auf Die Linke abgelehnt. Start, auf Null. Bei Null zu beginnen, ist keine Leistung. Das Entscheidende ist, von Null voranzukommen. Ich Wir sind noch beim Zusatzpunkt 25. Abstimmung wünsche, dass uns das allen miteinander gelingt. über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um- welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Gesetz- Vielen Dank. entwurf der Bundesregierung zur Suche und Auswahl ei- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nes Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und zur Änderung anderer Gesetze. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Vizepräsidentin Petra Pau: Drucksache 17/14181 empfiehlt der Ausschuss, den Ge- Ich schließe die Aussprache. setzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksa- chen 17/13833 und 17/13926 für erledigt zu erklären. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/ stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss- Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Suche und empfehlung ist einstimmig angenommen. Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und zur Änderung an- Zusatzpunkt 26. Abstimmung über die Beschluss- derer Gesetze. empfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktion Hierzu liegt mir eine Erklärung nach § 31 der Ge- Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Zwei Jahre schäftsordnung vom Kollegen Michael Paul vor. Wir Fukushima – Ohne ehrlichen Atomausstieg keine erfolg- 1) nehmen sie entsprechend unseren Regeln zu Protokoll. reiche Energiewende“. Der Ausschuss empfiehlt in sei- Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor- ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14179, den sicherheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss- Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck- empfehlung auf Drucksache 17/14181, den Gesetzent- sache 17/12509 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be- wurf der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- hält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den (B) und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13471 (D) in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejeni- Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. gen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zu- Zusatzpunkt 27. Wir kommen zur Abstimmung über die stimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt da- Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Na- gegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist turschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 17/14187. damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koali- Unter Buchstabe a empfiehlt der Ausschuss die Ableh- tionsfraktionen, der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis nung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksa- 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die che 17/5901 mit dem Titel „Transparenz bei Rückstel- Linke angenommen. lungen im Kernenergiebereich schaffen“. Wer stimmt für (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – NEN]: Bei Enthaltung von Koppelin!) Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist ange- nommen. – Bei Enthaltung des Kollegen Koppelin. – Ich bedanke Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner mich für die Unterstützung. Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/5480 mit dem Ti- NEN]: So viel Zeit muss sein!) tel „Überführung der Rückstellungen der AKW-Betrei- ber in einen öffentlich-rechtlichen Fonds“. Wer stimmt Dritte Beratung für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dage- gen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem angenommen. Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz- Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buch- entwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, stabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des wobei sich der Kollege Koppelin aus der FDP-Fraktion Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck- enthalten hat, mit den Stimmen der SPD-Fraktion und sache 17/6119 mit dem Titel „Rückstellungen der Atom- der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen wirtschaft in Ökowandel-Fonds überführen – Sicherheit, der Fraktion Die Linke angenommen. Transparenz und ökologischen Nutzen schaffen, statt an Wettbewerbsverzerrung und Auswahlrisiko festzuhal- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- ten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer SES 90/DIE GRÜNEN) stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss- empfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio- 1) Anlage 5 nen angenommen. 32536 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Ich rufe die Tagesordnungspunkte 71 a bis 71 e sowie ZP 28 Beratung des Antrags der Abgeordneten Willi (C) den Zusatzpunkt 28 auf: Brase, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans- Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der 71 a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre- Fraktion der SPD gierung Betriebliche Ausbildung weiter denken – Qua- Berufsbildungsbericht 2013 lität erhöhen, Gleichwertigkeit durch einen at- – Drucksache 17/13650 – traktiven Dualen Bildungsweg herstellen Überweisungsvorschlag: – Drucksache 17/14134 – Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Ausschuss für Arbeit und Soziales Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss Ich eröffne die Aussprache. Der Kollege Hinsken hat b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe das Wort für die Unionsfraktion. Schummer, Dr. Thomas Feist, Albert Rupprecht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Weiden), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU): Heiner Kamp, Dr. Martin Neumann (Lausitz), Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da- Sylvia Canel, weiterer Abgeordneter und der men und Herren! Vor Ihnen steht ein Dualer, einer, der es Fraktion der FDP über das duale System zur Meisterprüfung gebracht hat, Duale Ausbildung exportieren – Jugendar- einer, der sich damals ausbildete, um das notwendige beitslosigkeit in der Europäischen Union be- Rüstzeug für das spätere Leben zu bekommen. Das ist kämpfen, kooperative Berufsbildung weltweit geglückt. steigern (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sehr gut!) – Drucksache 17/13484 – Heute darf ich feststellen – das wird allgemein ge- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kai teilt –: Das duale Berufsausbildungssystem ist ein Er- Gehring, Brigitte Pothmer, Britta Haßelmann, folgsfaktor, und zwar nicht nur in der Bundesrepublik weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Deutschland, sondern überall dort, wo es das gibt. (B) NIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei (D) Bildungschancen im Lebensverlauf verbes- Abgeordneten der SPD und der LINKEN) sern – Berufliche Ausbildung stärken Wir werden von vielen Ländern um dieses System be- – Drucksache 17/13554 – neidet. Denn es beinhaltet zwei Komponenten: Zum ei- nen bringt es den Jugendlichen von der Straße weg und d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Agnes rüstet ihn für das spätere Leben; zum anderen schafft es Alpers, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, wei- die Grundlage dafür, dass wir zu einem späteren Zeit- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE punkt auf tüchtige Fachkräfte zurückgreifen können, die wir brauchen, damit die Bundesrepublik Deutschland Das Recht auf Ausbildung umsetzen – Berufli- auf wirtschaftlichem Gebiet weiterhin so bestehen kann, che Perspektiven für alle garantieren wie das momentan der Fall ist. – Drucksache 17/14119 – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Meine Damen und Herren, hierfür gibt es Kronzeu- richts des Ausschusses für Bildung, Forschung gen. Vonseiten des amerikanischen Präsidenten Obama und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) und der EU-Kommission ist zu hören, es wäre wün- zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz schenswert, dass das deutsche Berufsbildungssystem (Herborn), Brigitte Pothmer, Krista Sager, weite- überall Platz greift. Denn in unserem System besteht die rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Möglichkeit, sich von klein auf auszubilden und weiter- NIS 90/DIE GRÜNEN zubilden und dann in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Aus- und Weiterbildung stärken, Abbrüche Wir bringen den Beweis dafür, dass das das Richtige und verringern, Erfolgsquoten erhöhen das Beste ist und dass es sich lohnt, einen solchen Weg zu gehen. – Drucksachen 17/5489, 17/14085 – Ich möchte bei der Gelegenheit darauf verweisen, Berichterstattung: dass wir besonders stolz darauf sein können, dass es bei Abgeordnete Uwe Schummer uns in der Bundesrepublik Deutschland in Sachen Ju- Willi Brase gendarbeitslosigkeit so gut läuft. Jeder vierte Jugendli- Heiner Kamp che in der gesamten EU ist momentan arbeitslos. In Agnes Alpers Griechenland und in Spanien sind es über 50 Prozent. Kai Gehring Bei uns in der Bundesrepublik Deutschland sind es Gott Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32537

Ernst Hinsken (A) sei Dank – das sage ich in Anführungszeichen – „nur“ Herzlichen Dank und alles Gute! Ich denke in gewisser (C) 5,6 Prozent. Ich bin besonders stolz, Frau Minister Pro- Hinsicht doch mit einem kleinen bisschen Wehmut an fessor Wanka, dass wir in Bayern sagen können: Wir diese meine lange Zeit im Deutschen Bundestag zurück. sind m it 2,7 Prozent absolute Spitze auf diesem Gebiet. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Beifall im ganzen Hause) Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Bay- ern an der Spitze! – Heiner Kamp [FDP]: Auf Bayern ist Verlass!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Lieber Kollege Hinsken, auch ich sage Ihnen im Na- Gerade in diesem Sektor hat sich sehr vieles bewährt. men des ganzen Hauses herzlichen Dank für Ihre lang- Es würde deshalb den Rahmen sprengen, all das zu sa- jährige Arbeit. Alles Gute und Gottes Segen für Ihr wei- gen, was mich in dieser Stunde bewegt, dies umso mehr, teres Leben. als es meine letzte Rede im Deutschen Bundestag ist, dem ich seit 33 Jahren angehören darf. (Beifall) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe Das Wort hat nun Willi Brase für die SPD-Fraktion. vieles erlebt. Ich habe vieles mitgestalten dürfen. Ich (Beifall bei der SPD) habe mich oftmals eingebracht. Ich habe den Konsens gesucht, habe aber auch den Streit gesucht, wenn er fun- Willi Brase (SPD): diert war. Aber zu guter Letzt sind wir doch immer auf Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! einen Nenner gekommen. Ich habe viele nette Kollegin- Lieber Kollege Hinsken! nen und Kollegen kennengelernt, die bereit waren, in die gleiche Richtung zu marschieren, gemeinsam an einem (Abg. Ernst Hinsken [CDU/CSU] nimmt Strang zu ziehen. Glückwünsche entgegen) Nachdem ich jahrelang Vorsitzender verschiedener – Wenn er jetzt den Kopf wenden würde, wäre das nicht Ausschüsse war, kann ich feststellen, dass es auch über schlecht. parteipolitische Grenzen hinweg immer einen Konsens (Heiterkeit) gab, um den wir von anderen Ausschüssen zum Teil be- neidet worden sind. Auch das spricht für die Kollegin- nen und Kollegen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Hinsken, Sie werden gerade angesprochen. Ich bin auch Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kolle- Bitte ein bisschen Andacht! (B) gen, insbesondere dem Kollegen Rupprecht, dankbar, (D) dass ich heute zum dualen Berufsausbildungssystem noch das Wort ergreifen darf, vor allem weil diese The- Willi Brase (SPD): matik nur ein Teilaspekt der Wirtschaft ist, aber einer der Ich möchte Ihnen, auch im Namen meiner Fraktion, wichtigsten. für Ihre langjährige Mitarbeit danken, vor allem in der Frage der Weiterentwicklung der beruflichen Bildung. Nochmals zurück zu meinem Ausscheiden. Meine Sie haben recht: Auch mein Eindruck, zumindest seit Damen und Herren, wenn man dem Bundestag so lange 1998, ist, dass die Frage der beruflichen Bildung durch- angehört hat, dann fragt man sich, was es an herausra- aus immer wieder einen großen Konsens in diesem genden Ereignissen gegeben hat. Ich meine, dazu gehö- Hause gefunden hat. Ich glaube, das war für die Ent- ren der NATO-Doppelbeschluss, aber zum Beispiel auch wicklung in Deutschland und für die Entwicklung der die EU-Erweiterungen, die wir beschlossen haben. Wir jungen Leute von großer Bedeutung. Daran haben Sie haben aber auch viele andere wichtige Beschlüsse ge- mitgewirkt. Dafür herzlichen Dank und für die Zukunft fasst. Dass wir jetzt, wirtschaftlich gesehen, so blendend alles Gute! dastehen, das haben wir im Deutschen Bundestag mit beeinflusst. Davon möchte ich keine Fraktion ausneh- (Beifall im ganzen Hause) men. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einige Weil ich die Redezeit nicht überschreiten soll – das Dinge ansprechen. Wir haben sowohl einen guten Be- wurde mir ausdrücklich gesagt –, richt als auch gute – aus meiner Sicht zum Teil auch kri- (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU tische – Anträge vorliegen, und wir führen derzeit eine und der FDP – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Debatte über die Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Das fällt dir schwer!) Wenn man sich die Zahlen und das, was beschlossen habe ich nur noch das Bedürfnis, mich bei Ihnen allen wurde, genau anschaut, dann kann einem schon ein biss- herzlich für die freundschaftliche und gute Zusammen- chen bange werden, dass die Perspektiven für 5,7 Millio- arbeit zu bedanken. Ich möchte denjenigen, die ausschei- nen junge Leute – manche sprechen von 7,5 Millionen den, aber auch denjenigen, die sich momentan anschi- jungen Leuten – nicht gerade sehr rosig aussehen. Zu- cken, in den Wahlkampf zu ziehen, um Stimmen zu mindest die SPD-Fraktion hat mehrfach darauf hinge- werben und die Voraussetzung zu schaffen, auch beim wiesen und gesagt, zur Bekämpfung der Euro-Krise be- nächsten Mal wieder dabei sein zu können, um die Bun- dürfe es auch einer Begleitung der jungen Menschen in despolitik an vorderster Front mitgestalten zu dürfen, al- Europa, die wichtig ist, weil ihnen eine Perspektive ge- les erdenklich Gute auf ihrem weiteren Weg wünschen. geben werden muss. Sie haben aber derzeitig keine Per- 32538 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Willi Brase (A) spektive. Das ist sehr schlecht; das ist für die europäi- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (C) sche Entwicklung nicht gut. DIE GRÜNEN sowie der Abg. Agnes Alpers [DIE LINKE]) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Deshalb sagen wir: Wir wollen den jungen Leuten so LINKEN) etwas wie eine praktizierte Ausbildungsgarantie geben. Wir führen eine Debatte über die demografische Ent- Wir haben erlebt, dass gesagt wurde: Wir wollen, dass wicklung. Wenn es richtig ist, dass wir angesichts der die EU-Mitgliedstaaten in den nächsten sechs Jahren demografischen Entwicklung immer weniger junge 6 Milliarden Euro für den Kampf gegen die Jugend- Leute haben werden, dann ist es ein Gebot der Zeit, arbeitslosigkeit ausgeben. Das sind 1 Milliarde Euro pro jeden Jugendlichen mitzunehmen und nach Möglichkeit Jahr für etwa 5,7 Millionen arbeitslose Jugendliche. direkt eine vernünftige Ausbildung zu ermöglichen. Wenn man es umrechnet, ergeben sich gerade einmal Dazu wollen wir die Betriebsbeteiligungsquote erhöhen. rund 175 Euro pro Jahr und Person. Damit kann man Denn das ist kein positives Zeichen: Noch nie haben so nicht viel machen. wenige Betriebe, die ausbildungsfähig sind, ausgebildet. Heute Morgen habe ich gehört, dass die Kanzlerin er- Das ist ein schlechtes Zeichen; denn die beste Ausbil- klärt hat, sie wolle, dass die 6 Milliarden Euro ganz dung erfolgt überwiegend in den Betrieben. Es müssen schnell, in den nächsten ein bis zwei Jahren, ausgegeben mehr Betriebe zur Ausbildung herangezogen werden. werden. Dann sind es immerhin etwas mehr als (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ 1 000 Euro pro Person, die in dem Zeitraum für die Ju- DIE GRÜNEN sowie der Abg. Agnes Alpers gendlichen in Europa ausgeben werden sollen. Auch das [DIE LINKE]) ist nicht sehr viel. Wir können sehr gut verstehen, dass die jungen Leute in Griechenland, Spanien, Portugal und Ich will noch einen Punkt ansprechen: den Reformbe- Frankreich auf die Straße gehen und sagen: Für die Ban- darf. Ja, die Gleichwertigkeit zwischen dualer und allge- ken habt ihr 1,2 Billionen Euro, aber für uns nur Almo- meiner Ausbildung oder zwischen beruflicher und allge- sen. – Da besteht großer Handlungsdruck. meiner Ausbildung ist noch nicht hergestellt. Wir haben die Möglichkeiten des Übergangs aus dem dualen Sys- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tem heraus zusammen mit den Ländern, mit der Kultus- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ministerkonferenz verbessert; aber eine tatsächliche Das Zweite, das ich Ihnen sagen möchte: Unser dua- Gleichwertigkeit ist nicht gegeben. Wenn wir wollen, les Ausbildungssystem hat sich gut entwickelt. Wir dass sich die jungen Leute nicht nur darauf konzentrie- Sozialdemokraten sind stolz darauf, das duale Ausbil- ren, den schulischen Weg bis zum Abitur zu wählen (B) dungssystem 2005 reformiert zu haben, mit Unterstüt- – das ist vielfach der Fall –, sondern ebenso den Weg (D) zung anderer Fraktionen hier im Hohen Haus. Aber wir über das duale System wählen sollen, müssen wir über- stellen heute fest, dass das duale System ein, zwei legen – dazu fordern wir auf –: Wie können wir dafür Schwächen hat. Eine Schwäche liegt beim nach wie vor sorgen, dass sich die jungen Leute für einen dualen, be- ungelösten Problem im sogenannten Übergangsbereich. rufsständischen Weg entscheiden, angefangen mit der Wir können zwar ein Stück weit stolz darauf sein, dass dualen Ausbildung bis nach ganz oben? Ich glaube, in die Zahl der Jugendlichen im Übergangsbereich von der nächsten Legislaturperiode müssen und werden wir zeitweise 480 000 im Laufe der Jahre auf aktuell dieses Problem angehen. Denn eines darf nicht passie- 260 000 bis 270 000 gesunken ist; aber obwohl über ren: dass zu viele junge Leute, aus welchen Gründen 80 Prozent dieser jungen Leute einen Schulabschluss ha- auch immer, den schulischen Weg wählen, ein Hoch- ben, verweilen sie teilweise zwei oder drei Jahre im schulstudium aufnehmen, einen Bachelor machen, aber Übergangsbereich. Das ist falsch; das muss dringend keinen Job in der Tasche haben, während uns im betrieb- verbessert und verändert werden. Sie von der Regie- lichen, industriellen Bereich die für die notwendige Mo- rungskoalition wollten das zu Beginn der Legislatur- dernisierung unserer Volkswirtschaft benötigten jungen periode angehen, aber Sie haben es nicht geleistet. Leute fehlen, die auf Grundlage einer dualen Ausbildung gewonnen werden. Wir können den Weg nicht vorschrei- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ ben; da müssen wir Gleichwertigkeit herstellen. DIE GRÜNEN sowie der Abg. Agnes Alpers [DIE LINKE]) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Agnes Alpers Im Zusammenhang mit dem Pakt für Ausbildung ha- [DIE LINKE]) ben Sie gesagt: Wir wollen die Vielfalt der Maßnahmen reduzieren. – Die Staatssekretärsrunde hat auch nach Ich komme zum Schluss. Wir haben im Ausschuss, Rückfrage von Parlamentsfraktionen mitgeteilt: Sie ha- was die berufliche Bildung angeht, eigentlich ganz gut ben es nicht geschafft und wollen versuchen, es in Zu- zusammengearbeitet. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass kunft zu berücksichtigen. – Das ist zu wenig. Wir wol- die jungen Menschen im Übergangsbereich schnell ver- len, dass die Jugendlichen wissen, dass sie, wenn sie nünftige Chancen bekommen. Lassen Sie uns dafür sor- einen Schulabschluss machen, danach einen guten An- gen, dass die Jugendlichen in Europa eine Perspektive schluss bekommen. Dieser gute Anschluss sollte in den bekommen. Dafür müssen wir mehr Geld in die Hand allermeisten Fällen eine vernünftige duale Ausbildung nehmen für kurzfristige Maßnahmen und mittelfristig für sein, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen den Ausbau der dualen Ausbildung. Diesen Weg müssen und Kollegen. wir mit den Ländern gemeinsam gehen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32539

Willi Brase (A) Ich wünsche Ihnen alles Gute. Gute Sommerpause! gerade bei bildungsbenachteiligten Jugendlichen, die (C) Mühe hatten, überhaupt eine Stelle zu bekommen, ist (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten enorm. Die Jugendlichen, denen das Aufstehen schwerer der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des fällt, werden morgens aus dem Bett geholt. Nach Feier- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) abend werden mit den Jugendlichen Mathe und andere Fächer gepaukt, damit die Jugendlichen durch ihre Aus- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: bildung kommen. Bitte verkennen Sie diese Leistung Das Wort hat nun Heiner Kamp für die FDP-Fraktion. nicht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wenn Sie so etwas immer schlechtreden, stellen Sie damit keinen zusätzlichen Ausbildungsplatz zur Verfü- Heiner Kamp (FDP): gung. Im Gegenteil: Damit vergraulen Sie die Fleisch- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! warenbetriebe, die dann nämlich keine Ausbildungs- Meine Damen und Herren! Lieber Herr Brase, es ist im- plätze mehr zur Verfügung stellen wollen. Und auch die mer das gleiche Schema: Sie schimpfen, Sie verkennen Jugendlichen haben, wenn immer alles schlechtgeredet die guten Zahlen, Sie fordern Staatsdirigismus. Das un- wird, keine Lust, sich in der Branche zu bewerben. Las- terscheidet Sie von uns. Sie – die vereinigten Linkspar- sen Sie das also! Mehr Anerkennung täte uns allen viel teien, und zwar alle drei – wollen immer alles vorschrei- besser. ben, wir hingegen setzen auf die Freiheit der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten unternehmerischen Entscheidung und auf die Verantwor- der CDU/CSU) tung, die daraus resultiert. (Beifall bei der FDP) Mit dem erfolgreichen Ausbildungspakt leisten Re- gierung und Wirtschaft einen Beitrag dazu, dass weiter- Am letzten Sitzungstag vor der parlamentarischen hin jedem Jugendlichen ein Ausbildungsplatz angeboten Sommerpause beraten wir auch den Berufsbildungsbe- wird. richt 2013. Helmut Schlesinger, der frühere Präsident der Deutschen Bundesbank, hat einmal gesagt: Die Zweitens. Die Zahl der Altbewerber ist im Vergleich schlechten Nachrichten werden überbewertet und die gu- zum vorhergehenden Berichtsjahr weiter gesunken. ten unterbewertet. Angesichts der Kommentare aus den Auch das ist eine gute Nachricht aus dem Berufsbil- Oppositionsfraktionen hinsichtlich der Veröffentlichung dungsbericht 2013. des Berufsbildungsberichtes 2013 kann ich nur festhal- (Patrick Meinhardt [FDP]: Absolut!) ten: Mit Blick auf den Berufsbildungsbericht 2013 (B) könnte der Satz von Schlesinger nicht treffender sein. Drittens. Im Übergangsbereich haben wir einen Rück- (D) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten gang – Herr Brase, Sie hatten das erwähnt; schönen der CDU/CSU) Dank dafür – auf weniger als 300 000 Jugendliche zu verzeichnen. Das ist eine weitere gute Nachricht. Diese Was sind denn die guten Nachrichten des aktuellen positiven Entwicklungen werden wir durch unsere ziel- Berichts? Ich nenne Ihnen drei Punkte; hören Sie genau gerichteten Maßnahmen unterstützen und weiter verste- zu. tigen. Sie sehen: Unter Schwarz-Gelb sind alle negativen Trends rückläufig. Was wollen wir mehr? Erstens. Zum fünften Mal in Folge gab es mehr als doppelt so viele unbesetzte Ausbildungsplätze wie un- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) versorgte Bewerber. Das heißt konkret: Für junge Men- schen in Deutschland ist die Situation auf dem Ausbil- Ein Blick zurück: Vergleicht man die Zahlen im aktuel- dungsmarkt ausgezeichnet. Die Chancen auf einen len Bericht mit denen aus dem letzten Regierungsjahr Ausbildungsplatz sind so gut wie nie. Diese für die Ju- von Rot-Grün, stellt man nüchtern fest, dass wir einen gendlichen positive Entwicklung wird sich nach Ein- Rückgang im Übergangssystem von mehr als schätzung aller Experten auch weiter fortsetzen. 150 000 Personen verzeichnen können. SPD und Grüne waren und bleiben Meister des beruflichen Verschiebe- Herr Brase, erlauben Sie mir einen Hinweis auf das bahnhofs und der Maßnahmekarrieren. Man hat sich DIHK-Treffen, das kürzlich stattgefunden hat. Sie und gerne an Frankreich angeschmiegt – jetzt hören Sie ge- auch die Kollegin Alpers haben immer wieder auf be- nau zu – und Skandinavien als bildungspolitisches Vor- stimmte Branchen geschimpft, insbesondere auf die bild gepriesen. SPD und Grüne orientieren sich tatsäch- Fleischwarenbranche. lich an Ländern, die eine Jugendarbeitslosigkeit (Agnes Alpers [DIE LINKE]: Hotels und aufweisen, die doppelt bis dreimal so hoch ist wie die Gaststätten!) unsere. Sagt das nicht schon alles? – Hotels und Gaststätten. – Darauf würde ich gerne Be- (Beifall bei der FDP) zug nehmen. Für Deutschland ist es ein großes Glück, dass unsere Wissen Sie: Ich habe in der Fleischwarenbranche ge- erfolgreiche und international hochgeachtete berufliche lernt, in einem Betrieb bei uns im Kreis Gütersloh. Das Aus- und Weiterbildung von den rot-grünen Experimen- Engagement, das von den Auszubildenden und ins- ten und Umbauversuchen verschont geblieben sind. Die besondere von den Ausbildern an den Tag gelegt wird, berufliche Dualausbildung ist ein Flaggschiff unseres 32540 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Heiner Kamp (A) Bildungssystems und leistet einen zentralen Beitrag zu (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) unserer wirtschaftlichen Stärke. der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Mit dem Auslandsschulgesetz haben wir erstmals der CDU/CSU) eine eigene gesetzliche Grundlage für die Förderung der Auslandsschulen geschaffen. Die Schulen haben nun Gut, dass FDP und Union wissen, dass man keine Ex- Planungssicherheit für ihre wichtige Arbeit, und sie er- perimente auf dem Rücken von Kindern und Jugendli- halten Gott sei Dank mehr Eigenständigkeit. chen durchführt. Gut, dass unsere Koalition weiß, was wir an unserem dualen Berufsbildungssystem haben. Last, but not least: Das BAföG und die Freibeträge Gut, dass wir auch in Zukunft diese Form der bildungs- haben wir – wer sonst? – natürlich erhöht. politischen Quacksalberei zu verhindern wissen. (Zuruf des Abg. René Röspel [SPD]) (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott!) – Hören Sie gut zu, Herr Röspel. Ja, das tut weh. Das weiß ich. Aber da müssen Sie jetzt durch. Wir werden unseren Erfolgskurs in der kommenden Le- gislaturperiode natürlich fortsetzen. Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, 12 Milliar- den Euro zusätzlich für den Bereich Bildung und For- Die letzte Plenarwoche vor Beginn der parlamentari- schung zur Verfügung zu stellen, haben wir mehr als schen Sommerpause gibt Gelegenheit für ein kurzes per- übererfüllt. Tatsächlich haben wir mehr als 13 Milliar- sönliches Resümee. Die vergangenen vier Jahre waren den Euro zusätzlich für Zukunftsinvestitionen bereitge- vier gute Jahre für unsere Bildungsrepublik Deutsch- stellt. land. Lassen Sie mich dies an einigen wenigen ausge- wählten Beispielen festmachen, die mir besonders wich- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten tig sind: der CDU/CSU – Willi Brase [SPD]: Da wollen wir einmal gucken, was die mittelfristige Fi- Mit dem Deutschen Qualifikationsrahmen, der am nanzplanung sagt!) 1. Mai 2013 beschlossen wurde, werden unsere deut- schen Berufsqualifikationen europaweit vergleichbarer. – Genau, Herr Brase. – Das ist so viel, wie keine andere Bundesregierung jemals zuvor bereitgestellt hat, auch Mit dem Anerkennungsgesetz haben wir erstmalig ei- keine, an der Sie beteiligt waren. nen allgemeinen Rechtsanspruch auf Überprüfung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Berufsabschlusses Diese wenigen Beispiele zeigen sehr deutlich: Die mit dem deutschen Referenzberuf geschaffen. Die Erfah- vergangenen vier Jahre waren vier gute Jahre für (B) (D) rungen nach einem Jahr zeigen, dass das Gesetz ein Er- Deutschland und für den Bereich Bildung und For- folg ist. schung. Das zentrale Zukunftsfeld ist nach vier Jahren christlich-liberaler Koalition hervorragend aufgestellt. Mit dem Deutschlandstipendium – hören Sie gut zu, Die vergangenen vier Jahre waren nicht nur für den Be- Herr Gehring –, haben wir eine neue Stipendienkultur reich Bildung und Forschung vier gute Jahre. Auch für angestoßen. Begabten und leistungsstarken Studierenden mich persönlich waren es vier gute, vier erfüllte Jahre. in Deutschland hat diese Koalition den Rücken gestärkt. Theodor Storm wird der folgende Satz zugeschrieben: (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten „Eine Arbeit, die uns Befriedigung gewährt, ist gewiss der CDU/CSU – Patrick Meinhardt [FDP]: das beste und solideste Glück.“ Diese Beobachtung teile Leistung zählt wieder! – Zuruf des Abg. Kai ich nach den vergangenen vier Jahren mit Ihnen, liebe Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Kolleginnen und Kollegen, hier im Hohen Hause noch mehr als zuvor. Das können Sie ruhig vom Verfassungsgericht überprü- fen lassen. Sie haben das angekündigt. Ich bin auf Ihre Mit Ablauf der Wahlperiode scheide auch ich aus dem Klage gespannt und noch mehr auf das Ergebnis. Deutschen Bundestag aus. Ich danke meinen Kollegin- nen und Kollegen in der FDP-Fraktion für die ausge- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir zeichnete Zusammenarbeit, ganz besonders meinen Mit- schaffen es mit der neuen Regierung ab!) streitern in der AG Bildung und Forschung. Der Zusammenhalt und die große Solidarität in der Fraktion Auch für Sie gilt: Reden Sie nicht alles schlecht. haben mich immer wieder bestärkt, mit großem Mut (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Reden weiterzumachen. Den Kolleginnen und Kollegen im Sie vor allen Dingen nicht alles schön!) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen- abschätzung danke ich für die gute und über die Frak- Versuchen Sie nicht, alles schlechtzumachen. Die Reali- tionsgrenzen hinweg kollegiale und an der Sache orien- tät wird Sie einholen. tierte Zusammenarbeit. Mit dem Wissenschaftsfreiheitsgesetz haben wir den Vielen Dank, alles Gute und stets beste Gesundheit. außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen endlich Auf Wiedersehen! größere Handlungsspielräume für einen wirksameren, effizienteren und zielorientierten Mitteleinsatz gegeben. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD Der Forschungsstandort Deutschland ist gestärkt. Schö- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie nen Dank, Peter, für deinen Einsatz. bei Abgeordneten der LINKEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32541

(A) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: schen bis 34 Jahre ohne Berufsabschluss. Diese Ausbil- (C) Herr Kollege, ich danke Ihnen für vier Jahre gute Ar- dungsmisere muss doch endlich einmal ein Ende finden. beit in diesem Hause und wünsche Ihnen alles Gute für Ihr weiteres Leben. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall) Aber diese Regierung rechnet nur auf Teufel komm raus Das Wort hat nun Agnes Alpers für die Fraktion Die ihre Bilanz schön. Linke. (Patrick Meinhardt [FDP]: Der Teufel gehört (Beifall bei der LINKEN) vielleicht zu Ihnen, aber nicht zu uns!) Insgesamt haben Sie in der beruflichen Bildung ver- Agnes Alpers (DIE LINKE): sagt: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Hinsken, auch von unserer Seite vielen Dank, dass Sie Oh! – Patrick Meinhardt [FDP]: In welcher noch einmal die Bedeutung der beruflichen Bildung und Welt leben Sie eigentlich?) der Ausbildung insgesamt hervorgehoben haben. Wir wünschen Ihnen alles Gute. Wir sind uns darüber einig, Erstens. 2008 wurde beim Dresdener Bildungsgipfel dass das duale System ausgebaut werden muss. Vielen noch propagiert, dass Sie die Zahl der Menschen bis Dank! 29 Jahre ohne Berufsausbildung halbieren wollen. Das bedeutet, meine sehr geehrten Damen und Herren von (Beifall bei der LINKEN) der Koalition: Bis 2015 müssten wir zusätzlich 700 000 Ausbildungsstellen schaffen. Herr Kamp, auch Ihnen wünsche ich alles Gute. Nur leider ist es mit der Berufsbildungspolitik nicht so wie (Patrick Meinhardt [FDP]: Schauen Sie ein- mit dem Leben: Das Leben ist schön. Ihre politische Ar- mal, dass Sie das in Brandenburg hinbekom- beit in der Berufsbildungspolitik ist aber leider über- men!) haupt nicht schön. Das ist doch wirklich nur wieder ein frommer Wunsch. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – La- Luftschlösser, nichts als Luftschlösser, und wieder keine chen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Taten! FDP – Patrick Meinhardt [FDP]: Die berufli- (B) che Bildung ist optimal!) (Beifall bei der LINKEN – Patrick Meinhardt (D) [FDP]: Luftschlösser bauen Sie! Die Linken Ich muss Ihnen heute ganz ehrlich sagen: Ich habe es stehen nur für Luftschlösser!) wirklich satt, mir jedes Jahr in der Debatte über den Be- rufsbildungsbericht – das war auch bei der Rede von Zweitens. Auch wollen uns die Arbeitgeber und die Herrn Kamp so – Ihre Zahlentricksereien anzuhören. Bundesregierung wieder weismachen, dass die Zusagen vom Ausbildungspakt auch im letzten Jahr die Erwartun- (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und gen übertroffen hätten. Sie behaupten, dass Sie im letz- der FDP – Patrick Meinhardt [FDP]: Sie trick- ten Jahr 60 000 zusätzliche Ausbildungsplätze und sen! Man muss die Zahlen lesen können!) 30 000 zusätzliche Ausbildungsbetriebe gewonnen ha- Der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU, Herr ben. Die Statistik besagt aber etwas anderes. Die Ausbil- Rupprecht, wollte uns weismachen, dass 2012 auf jeden dungsstatistik sagt aus – das ist die Realität –, dass das Bewerber zwei freie Ausbildungsstellen kamen. Fakt ist Ausbildungsangebot zurückgegangen ist und einen aber doch, Herr Rupprecht, dass von den 560 000 Be- neuen Tiefstand erreicht hat. Insgesamt bilden heute nur werbern auf Ausbildungsplätze, die bei der BA und noch 21,7 Prozent der Betriebe aus. Ihre wunderbare den Jobcentern gemeldet waren, nur 287 000 tatsäch- Selbstverpflichtung verpufft wieder einmal. Der Ausbil- lich einen Ausbildungsplatz bekommen haben. Herr dungspakt hat grandios versagt. Deshalb sagen wir: Füh- Rupprecht, mein Nachbar würde zu der Rechnung sagen, ren Sie endlich die gesetzliche Umlage ein. dass zwei Leute auf eine Stelle kommen. Wann endlich (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!) hören Sie damit auf, die ganze Republik mit Ihren Ge- schichten für dumm zu verkaufen? – Ja, meine Damen und Herren von den Regierungsfrak- tionen, nur so kommen wir dazu, dass wir tatsächlich (Beifall bei der LINKEN – Tankred umfänglich ausbilden können. Schipanski [CDU/CSU]: Sie sollten einmal nach Adam Riese rechnen, Frau Alpers, nicht (Beifall bei der LINKEN) nach Rosa Luxemburg!) Wir selber schlagen in unseren Anträgen nicht nur die Fakt ist doch auch weiterhin, dass im letzten Jahr im- gesetzliche Umlage vor, sondern auch ein 1,5-Milliar- mer noch 260 000 junge Menschen im Übergangssystem den-Euro-Programm. landeten. Bei 90 000 jungen Menschen wissen wir über- haupt gar nicht mehr, wo sie verblieben sind. Immer (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Es geht um noch haben wir in unserer Republik 2,2 Millionen Men- den Bericht in diesem Jahr!) 32542 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Agnes Alpers (A) Wir stehen dafür, kleine Betriebe zu unterstützen und Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C) Menschen über Weiterbildung einen Berufsabschluss zu Das Wort hat nun Kai Gehring für die Fraktion Bünd- ermöglichen. nis 90/Die Grünen. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Bisher kannte die Linke nur Kombinate!) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie alle wollen diese Dinge aber überhaupt nicht ange- Wer will, kann OECD-Studien so lesen: Dank des dualen hen. So sieht es doch aus. Der demografische Wandel Ausbildungssystems hat Deutschland eine vergleichs- wird es schon richten – das ist Ihre erste These. Dann be- weise geringe Jugendarbeitslosigkeit. haupten Sie auch noch, die Arbeitslosigkeit hätte insge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und samt derart abgenommen, dass Sie sich nicht mehr da- der FDP) rum zu kümmern bräuchten. Dazu sage ich Ihnen heute: Dann erzählen Sie den Menschen bitte die ganze Wahr- Das wäre aber eine äußerst unterkomplexe und ober- heit. Die Arbeitslosigkeit bei den Menschen ohne Be- flächliche Betrachtung. rufsabschluss hat sich in den letzten zehn Jahren um Richtig ist: Vor allem dank guter Konjunktur und 10 Prozent erhöht. Das ist ein Armutszeugnis. wirtschaftlicher Stabilität funktioniert das duale System (Beifall bei der LINKEN – Dr. Martin Lindner in Deutschland. Wer das erkennt, sieht: Der in dem An- [Berlin] [FDP]: Ihre Rede ist ein Armutszeug- trag der Koalition enthaltene Ansatz wird nicht funktio- nis!) nieren. Arbeitslosen Jugendlichen in südeuropäischen Krisenländern hilft es heute nicht, wenn wir die duale Immer öfter – das haben wir auch in der Rede von Ausbildung exportieren. Denn ein duales Berufsausbil- Herrn Kamp gehört – können wir diese Ausbildungsstel- dungssystem setzt florierende Betriebe voraus, die aus- len nicht besetzen. Fragen Sie sich doch bitte einmal, bilden können und wollen, die Ausbildungsverträge warum die jungen Menschen heute nicht mehr Restau- schließen und eine Vergütung zahlen können. Es braucht rantfachfrau, Köchin oder Fleischer werden wollen. Es also eine prosperierende statt einer kollabierenden Wirt- geht um Überstunden, um regelmäßiges Arbeiten nach schaft. Genau das fehlt europäischen Krisenländern. der Berufsschule. Es geht um die körperlichen Belastun- Deswegen macht es wenig Sinn, den zweiten Schritt vor gen. dem ersten zu machen – – (Heiner Kamp [FDP]: Frau Alpers, das glau- (Medizinischer Notfall in den Reihen der ben Sie doch selber nicht, was Sie erzählen!) Fraktion der LINKEN) (B) Es geht um die geringe Vergütung, Herr Kollege. Nach (D) der Ausbildung gibt es kaum Aussichten auf eine Über- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: nahme und schon gar keine Aussichten auf gute Be- Ich unterbreche die Sitzung. zahlung. Herr Kamp, eines sage ich Ihnen: Um die Be- (Unterbrechung von 15.41 bis 16.06 Uhr) zahlung in der Fleischereibranche ist es heute schlecht bestellt. Die dort Tätigen sind zu 80 Prozent Leiharbei- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: ter. Das sind nicht mehr die Perspektiven, die es gab, als Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sind betrof- das Fleischereihandwerk noch einen anderen Stellenwert fen und wünschen der Kollegin Alpers, dass alles wieder hatte. gut wird. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall) Aus diesen Gründen sagt die Linke hier klipp und Wir haben vereinbart, dass die Debatte nicht fortge- klar: Erstens. Die Ausbildungsvergütung muss so hoch setzt wird und alle Reden zu Protokoll gegeben werden sein, dass man davon leben kann. können; ich schlage vor, bis Montagnachmittag, damit diejenigen, die ihre Reden noch nicht ausgearbeitet ha- 1) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: ben, dazu Zeit haben. – Damit sind Sie einverstanden. Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Da wir in der Sondersituation sind, dass das Ende der Legislaturperiode naht, haben wir uns darauf geeinigt, Agnes Alpers (DIE LINKE): dass die Abstimmungen ohne Debatte stattfinden, sodass wir jetzt in aller Ruhe die Tagesordnung abwickeln und Ja, ich komme sofort zum Schluss. – Zweitens. Die dann die Sitzung beenden werden. Qualität der Ausbildung muss so gut sein, dass man als Fachkraft nahtlos eine Anschlussbeschäftigung findet. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 71 a. Inter- Drittens. Die Bezahlung nach der Ausbildung muss so fraktionell wird Überweisung der Vorlage, die wir ge- hoch sein, dass man davon gut leben und sich eine Zu- rade diskutiert haben, an die in der Tagesordnung aufge- kunft aufbauen kann. Mit diesen drei Fundamenten führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit schafft Ausbildung Zukunft. Dafür steht die Linke. gewiss einverstanden. – Dann ist die Überweisung so be- schlossen. Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN) 1) Anlage 6 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32543

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse (A) Tagesordnungspunkt 71 b. Abstimmung über den An- Marina Schuster (C) trag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Druck- Annette Groth sache 17/13484 mit dem Titel „Duale Ausbildung expor- Volker Beck (Köln) tieren – Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union bekämpfen, kooperative Berufsbildung weltweit b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- steigern“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt richts des Ausschusses für Menschenrechte und dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. – zu der Unterrichtung Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bünd- Menschenrechte in der Welt und Politik der nis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13554 mit dem Europäischen Union in diesem Bereich Titel „Bildungschancen im Lebenslauf verbessern – Be- Entschließung des Europäischen Parla- rufliche Ausbildung stärken“. Wer stimmt für diesen An- trag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der An- ments vom 18. April 2012 zu dem Jahresbe- trag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen richt zur Lage der Menschenrechte in der die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Welt und über die Politik der EU zu diesem Linken abgelehnt. Thema, einschließlich der Auswirkungen für die strategische Menschenrechtspolitik Tagesordnungspunkt 71 d. Abstimmung über den An- der EU (2011/2185[INI]) trag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/14119 mit dem Titel „Das Recht auf Ausbildung umsetzen – EP P7_TA-PROV(2012)0126 Berufliche Perspektiven für alle garantieren“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Ent- – zu der Unterrichtung haltungen? – Der Antrag ist gegen die Stimmen der Menschenrechte und Demokratie in der Fraktion Die Linke mit den Stimmen des übrigen Hauses Welt: Bericht über das Handeln der EU im abgelehnt. Jahr 2011  Tagesordnungspunkt 71 e. Abstimmung über die Be- Ratsdok. 9238/12 schlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag – zu der Unterrichtung der Fraktion der Grünen „Aus- und Weiterbildung stär- Menschenrechte und Demokratie: Strategi- ken, Abbrüche verringern, Erfolgsquoten erhöhen“. Der scher Rahmen und Aktionsplan der EU  (B) Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/14085, den An- Ratsdok. 11417/12 (D) trag der Fraktion der Grünen auf Drucksache 17/5489 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- – Drucksachen 17/9797 Nr. A.9, 17/10710 lung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Be- Nr. A.65, 17/10710 Nr. A.66, 17/12922 – schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitions- fraktionen gegen die Stimmen der Grünen und der Berichterstattung: Linken bei Enthaltung der SPD angenommen. Abgeordnete Erika Steinbach Christoph Strässer Zusatzpunkt 28. Abstimmung über den Antrag der Marina Schuster Fraktion der SPD auf Drucksache 17/14134 mit dem Annette Groth Titel „Betriebliche Ausbildung weiter denken – Qualität Volker Beck (Köln) erhöhen, Gleichwertigkeit durch einen attraktiven Dua- len Bildungsweg herstellen“. Wer stimmt für diesen An- c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- trag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der An- richts des Ausschusses für Menschenrechte und trag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen Humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu der Unter- die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Linken und richtung durch die Bundesregierung Grünen abgelehnt. Zehnter Bericht der Bundesregierung über Tagesordnungspunkte 73 a bis 73 c: ihre Menschenrechtspolitik a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Menschenrechte und – Drucksachen 17/11250, 17/11614 Nr. 1.1, Humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) 17/13848 – zu dem EU-Jahresbericht 2010 Berichterstattung: Abgeordnete Erika Steinbach – Menschenrechte und Demokratie in der Welt Christoph Strässer Marina Schuster Ratsdok. 11501/2/11 REV 2 Annette Groth – Drucksachen 17/7423 Nr. A.37, 17/10899 – Tom Koenigs Berichterstattung: Zu dem Zehnten Bericht der Bundesregierung über Abgeordnete Dr. Egon Jüttner ihre Menschenrechtspolitik liegt ein Entschließungsan- Christoph Strässer trag der Fraktion Die Linke vor. 32544 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse (A) Die Reden werden, wie vereinbart, zu Protokoll ge- Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist (C) geben.1) mit den Stimmen der Koalition und der SPD gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen ange- Wir kommen zur Abstimmung zunächst über die Be- nommen. schlussempfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem EU-Jahresbericht 2010 Tagesordnungspunkte 77 a bis 77 c: mit dem Titel „Menschenrechte und Demokratie in der Welt“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp- a) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, fehlung auf Drucksache 17/10899, in Kenntnis des EU- SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Jahresberichts 2010 eine Entschließung anzunehmen. Syrische Flüchtlinge schützen Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp- – Drucksache 17/14136 – fehlung ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Grü- b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla nen angenommen. Jelpke, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu Syrische Flüchtlinge schützen drei EU-Unterrichtungen zu Menschenrechten und De- – Drucksache 17/13933 – mokratie in der Welt. Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/12922, in Kenntnis der Unterrichtung c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt dafür? – richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss- schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten empfehlung ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Stimmen der Linken und Grünen bei Enthaltung der Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Frak- SPD angenommen. tion DIE LINKE Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus- Keine Waffenlieferungen nach Syrien schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Zehnten Bericht der Bundesregierung über ihre – Drucksachen 17/12824, 17/13243 – Menschenrechtspolitik. Der Ausschuss empfiehlt auf Berichterstattung: Drucksache 17/13848, in Kenntnis des Berichts auf Abgeordnete Karl-Georg Wellmann Drucksache 17/11250 eine Entschließung anzunehmen. Günter Gloser (B) Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer Bijan Djir-Sarai (D) stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp- Wolfgang Gehrcke fehlung ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Kerstin Müller (Köln) Stimmen der Opposition angenommen. Auch hier werden, wie vereinbart, die Reden zu Pro- Abstimmung über den Entschließungsantrag der tokoll genommen.3) Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/14212. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/ ist gegen die Stimmen der Linksfraktion mit den Stim- Die Grünen auf Drucksache 17/14136 mit dem Titel men des übrigen Hauses abgelehnt. „Syrische Flüchtlinge schützen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Tagesordnungspunkt 75: Antrag ist einstimmig angenommen. Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke CSU und FDP auf Drucksache 17/13933 mit dem Titel „Syrische 50 Jahre Kennedy-Rede vor dem Rathaus Flüchtlinge schützen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Schöneberg in Berlin – Die transatlantischen Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist Beziehungen fortentwickeln mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt. – Drucksache 17/14137 – Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auch hier werden die Reden, wie vereinbart, zu Pro- Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion 2) tokoll genommen. Die Linke mit dem Titel „Keine Waffenlieferungen Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak- nach Syrien“. Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache tionen von CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/14137 17/13243, den Antrag der Fraktion Die Linke auf mit dem Titel „50 Jahre Kennedy-Rede vor dem Rathaus Drucksache 17/12824 abzulehnen. Wer stimmt für diese Schöneberg in Berlin – Die transatlantischen Beziehun- Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent- gen fortentwickeln“. Wer stimmt für diesen Antrag? – haltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der Koali- tionsfraktionen und des Kollegen Klose gegen die Stim-

1) Anlage 7 2) Anlage 8 3) Anlage 9 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32545

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse (A) men der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen (C) angenommen. einen ruhigen und gesunden Sommer. Ich wünsche be- sonders unserer Kollegin Alpers, dass sie schnell wieder Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- gesund wird. ordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- (Beifall) destages auf Montag, den 2. September 2013, ein. Der Kommen Sie gut nach Hause. Beginn der Sitzung wird Ihnen rechtzeitig bekannt gege- ben. (Schluss: 16.14 Uhr)

Berichtigung 250. Sitzung, Seite 32041 (C), zweiter Absatz, der erste Satz ist wie folgt zu lesen: „Hier sehe ich auch un- sere Verantwortung als Sportpolitiker.“

(B) (D)

Anlagen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32547

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

 entschuldigt bis  entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Bätzing-Lichtenthäler, SPD 28.06.2013 Dr. Troost, Axel DIE LINKE 28.06.2013 Sabine Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 28.06.2013 Bahr (Münster), Daniel FDP 28.06.2013 Werner, Katrin DIE LINKE 28.06.2013 Barnett, Doris SPD 28.06.2013 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 28.06.2013 Behrens (Börde), CDU/CSU 28.06.2013 Manfred Zapf, Uta SPD 28.06.2013 Binder, Karin DIE LINKE 28.06.2013 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 28.06.2013 Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 28.06.2013 Wolfgang * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Brandner, Klaus SPD 28.06.2013 Brehmer, Heike CDU/CSU 28.06.2013 Anlage 2 Brüderle, Rainer FDP 28.06.2013 Erklärung nach § 31 GO Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 28.06.2013 des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: (B) Fischer (Göttingen), CDU/CSU 28.06.2013 (D) Hartwig 10 Euro Mindestlohn jetzt (250. Sitzung, Tages- ordnungspunkt 61) Freitag, Dagmar SPD 28.06.2013 Ich erkläre im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Fritz, Erich G. CDU/CSU 28.06.2013* Grünen, dass unser Votum „Zustimmung“ lautet. Gerster, Martin SPD 28.06.2013 Anlage 3 Gunkel, Wolfgang SPD 28.06.2013 Erklärung nach § 31 GO Hiller-Ohm, Gabriele SPD 28.06.2013 des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND- Hintze, Peter CDU/CSU 28.06.2013 NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Auskunfts- Klug, Astrid SPD 28.06.2013 pflicht von Bundesbehörden gegenüber der Lay, Caren DIE LINKE 28.06.2013 Presse (Presseauskunftsgesetz) (250. Sitzung, Tagesordnungspunkt 63) Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 28.06.2013 Ich erkläre im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Meßmer, Ullrich SPD 28.06.2013 Grünen, dass unser Votum „Zustimmung“ lautet. Möller, Kornelia DIE LINKE 28.06.2013 Anlage 4 Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 28.06.2013 Claudia DIE GRÜNEN Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- Schlecht, Michael DIE LINKE 28.06.2013 zes zur Ergänzung des Betreuungsgeldgesetzes Schmidt (Eisleben), SPD 28.06.2013 (Betreuungsgeldergänzungsgesetz) (Zusatztages- Silvia ordnungspunkt 22)

Steiner, Dorothea BÜNDNIS 90/ 28.06.2013 Sylvia Canel (FDP): Das Betreuungsgeld soll Fami- DIE GRÜNEN lien zugutekommen, die ihr Kleinkind nicht in eine Kin- 32548 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) dertagesstätte bringen, sondern bis zum dritten Lebens- Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): In der Abstim- (C) jahr zu Hause betreuen möchten. Junge Familien sollen mung des Deutschen Bundestages am 9. November 2012 demnach monatlich 100 Euro für das zweite Lebensjahr habe ich gegen den von der Bundesregierung vorlegten des Kindes bekommen, dann 150 Euro für das zweite Gesetzentwurf zur Einführung eines Betreuungsgeldes und dritte Lebensjahr. Das Betreuungsgeld soll unabhän- gestimmt. gig von Erwerbstätigkeit und Einkommen garantiert werden. Aus meiner Sicht schafft das Betreuungsgeld falsche finanzielle Anreize und vermittelt ein Familienbild, wel- Als Berichterstatterin für frühkindliche Bildung der ches nicht mehr zeitgemäß ist. Meine Argumente habe FDP-Bundestagsfraktion, Mutter zweier Kinder und ich zur damaligen Abstimmung in einer persönlichen Er- Lehrerin kann ich dem vorliegenden Antrag nicht zu- klärung zum Ausdruck gemacht. Meine Sicht auf das stimmen. Betreuungsgeld hat sich seitdem nicht geändert. Das Betreuungsgeld ist frauen- und familienpolitisch Die Abstimmung im Bundestag hat jedoch ein deutli- der falsche Weg, denn es schmälert die Erwerbs- und ches Ergebnis gehabt. Ich erkenne diese parlamentari- Bildungschancen der sozial Schwachen. Ein Betreu- sche Mehrheitsentscheidung an. Die Initiative der Oppo- ungsgeld würde vor allem für Mütter mit niedriger Bil- sition, nun nach wenigen Monaten erneut über das dung einen Anreiz darstellen, dem Arbeitsmarkt länger gleiche Thema abstimmen zu wollen, halte ich für ein fernzubleiben. Bei ihren relativ niedrigen Gehältern fie- reines wahlkampftaktisches Manöver. len die vorgesehenen 150 Euro für private Kinderbetreu- Auch wenn ich weiterhin das Betreuungsgeld ab- ung stärker ins Gewicht. Je länger aber der Ausstieg aus lehne, lasse ich mich nicht für den populistischen Wahl- dem Arbeitsmarkt dauert, desto schwieriger ist es für die kampf der Opposition einspannen. Frauen – und die Nutzer des Betreuungsgeldes werden überwiegend Frauen sein –, wieder in den ersten Ar- Bei der heutigen Abstimmung werde ich mich aus beitsmarkt zu kommen. Aufstieg, Karriere und nicht zu- diesen Gründen enthalten. letzt eine eigenständige, vom Einkommen des Partners unabhängige Altersversorgung werden damit gefährdet. Bei gutverdienenden Familien führt das Betreuungsgeld Anlage 5 zu Mitnahmeeffekten, die ebenso nicht zielführend sein können. Erklärung nach § 31 GO Das Betreuungsgeld hält gerade die Kinder von früh- des Abgeordneten Dr. Michael Paul (CDU/CSU) (B) kindlicher Bildung ab, die sie am meisten brauchen, zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- (D) nämlich Kinder aus bildungsfernen Familien und sol- zes zur Suche und Auswahl eines Standortes für chen mit Migrationshintergrund. Das Diakonische Werk ein Endlager für Wärme entwickelnde radioak- der EKD und die OECD haben darauf hingewiesen, dass tive Abfälle und zur Änderung anderer Gesetze das Betreuungsgeld Familien mit geringen Einkommen (Standortauswahlgesetz – StandAG) (Zusatzta- und Familien mit Migrationshintergrund vor die Wahl gesordnungspunkt 25) stelle, zwischen Geldleistungen und einem Angebot frühkindlicher Bildung zu entscheiden. Das sei unzu- Zur Abstimmung des als Zusatzpunkt 25 zur Tages- mutbar und auch verfassungsrechtlich bedenklich. Er- ordnung der heutigen Plenardebatte aufgerufenen Stand- heblich sinnvoller wäre es, das Geld in den weiteren ortauswahlgesetzes, StandAG, erkläre ich: Ausbau der frühkindlichen Betreuung zu investieren, in öffentliche und private Kitas und in die Unterstützung An der Verfassungsmäßigkeit insbesondere den von Tagesmüttern. Finanzierungsregeln des StandAG – §§ 21 ff. – habe ich erhebliche Zweifel: Zudem haben die Familienpolitiker vereinbart, dass alle Familienleistungen auf den Prüfstand kommen und Zum Ersten handelt es sich bei der Standortauswahl auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden. Eine wei- nicht um einen fachlich-wissenschaftlich gebotenen Pro- tere Familienleistung ist zu Zeiten der Schuldenkrise zess. Vielmehr dient er der – politisch gewollten – Ver- nicht darstellbar. besserung der Akzeptanz. Die Finanzierung eines sol- chen politisch motivierten Auswahlprozesses kann aus Die Diskussion um das Betreuungsgeld ist auch eine finanzverfassungsrechtlichen Gründen nicht – wie im Ge- Diskussion um unser gesellschaftliches Leitbild. Studien setzentwurf in den §§ 21 ff. des StandAG vorgesehen – im zeigen, dass über 80 Prozent der Frauen Erwerbsarbeit Wege einer als Sonderabgabe zu qualifizierenden „Um- und Familie kombinieren wollen, dass sie im Job aufstei- lage“ auf die Verursacher radioaktiver Abfälle überwälzt gen und Führungspositionen erobern wollen. Und sie werden. Die Kosten sind vielmehr durch Steuern aus wollen eine eigenständige Altersversorgung, die nicht dem allgemeinen Haushalt zu finanzieren. vom Einkommen des (Ehe-)Mannes abhängig ist. Zum Zweiten ist wegen der zahlreichen gesetzlichen Der vorliegende Gesetzentwurf bestätigt, dass es zu Entscheidungen im Auswahlverfahren das Auswahlver- einem enormen bürokratischen Aufwand kommt. Dieser fahren insgesamt als Gesetzesvorbereitung anzusehen. ist bedeutend höher als das, was die Eltern anschließend Kosten der Gesetzesvorbereitung sind aber, anders als bekommen. im StandAG vorgesehen, vom Steuerzahler zu tragen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32549

(A) und können nicht auf einzelne Gruppen überwälzt wer- – Antrag: Das Recht auf Ausbildung umset- (C) den. zen – Berufliche Perspektiven für alle ga- rantieren Im Übrigen wird durch das im StandAG vorgesehene Verfahren der Grundsatz der Generationengerechtigkeit – Beschlussempfehlung und Bericht: Aus- und bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle aufgegeben. Weiterbildung stärken, Abbrüche verrin- Nach den nun vorgesehenen Zeitabläufen wird ein End- gern, Erfolgsquoten erhöhen lager für hochaktive radioaktive Abfälle frühestens Mitte – Betriebliche Ausbildung weiter denken – des Jahrhunderts zur Verfügung stehen. Die in Zwi- Qualität erhöhen, Gleichwertigkeit durch ei- schenlagern befindlichen radioaktiven Abfälle würden nen attraktiven Dualen Bildungsweg herstel- dann – bei einer Betriebsdauer des Endlagers von len 20 Jahren – im Schnitt in den 2060er-Jahren in dem End- lager eingelagert werden. Zwischen dem Zeitpunkt der (Tagesordnungspunkte 71 a bis 71 e und Zu- letzten Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung in satztagesordnungspunkt 28) Deutschland 2022 und der Endlagerung der hochradio- aktiven Abfälle in den 2060er-Jahren vergehen damit Uwe Schummer (CDU/CSU):Der Bericht zeigt die rund 40 Jahre. Die Zwischenlager sind für die Genera- gelungene Kooperation zwischen Wirtschaft, Bund und tion der zum Zeitpunkt ihrer Errichtung dort Lebenden Ländern. Unser Grundsatz: So viel betrieblich wie mög- faktisch Endlager. Das bisher geltende Prinzip, dass die lich, so viel außerbetrieblich wie nötig. Generation, die den Nutzen aus der Kernenergienutzung hat, auch für die Entsorgung der dabei anfallenden radio- Die duale Ausbildung genießt, wie auch unser Antrag aktiven Abfälle zu sorgen hat, wird aufgegeben. Tatsäch- zeigt, weltweit große Anerkennung. Sie verbindet Brei- lich sind es nachfolgende Generationen, denen die Ent- tenbildung mit Fach- und Handlungskompetenz. Beson- sorgung aufgebürdet wird. Das ist weder nachhaltig deren Verdienst haben die Sozialpartner (Berufsbilder), noch generationengerecht. die Ausbilder in den Betrieben (24 Milliarden Euro), Kammern, Berufsschullehrer und eine Politik, die sich Außerdem kann das Gesetzesziel, den im Hinblick einsetzt. Diese Politik ist eng mit der Arbeit von Anette auf die Sicherheit bestmöglichen Standort zu finden, Schavan verknüpft. Ihr gilt mein Dank. denklogisch nicht erreicht werden. Dies würde voraus- setzen, dass alle potenziellen Standorte untertägig erkun- Die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist mit det und dann miteinander verglichen würden. Das ist 7,6 Prozent weltweit am geringsten. Europaweit liegt sie aber im StandAG nicht vorgesehen. bei 23,5 Prozent. Die Zahl der Schulabbrecher ist von (B) fast 10 auf 6,2 Prozent weiter gesunken. Frühzeitige Be- (D) Schließlich ist unbewiesen, ob tatsächlich eine höhere rufsorientierung steigert die Motivation in der Schule, Akzeptanz für einen Endlagerstandort erreicht wird, wenn am Ende der berufliche Einstieg steht. wenn das vorgesehene Auswahlverfahren durchgeführt wird. Wahrscheinlich wird es dieselben politischen Aus- 333 Berufsbilder: mehr Übersicht, allein 25 kaufmän- einandersetzungen geben wie in der Vergangenheit. Al- nische Berufe, Berufsfamilien nach dem Grundsatz: lerdings dann nicht nur an einem Standort, sondern breite Grundbildung zu Beginn und zunehmende Spezia- bereits bei den mehreren zur obertägigen Erkundung lisierung zum Ende der Ausbildung. vorgesehenen Standorten. Kein Abschluss ohne Anschluss. Ein Erfolgt ist, dass die Zahl der Altbewerber von 342 000 2005 auf Da nach meiner Meinung aus den genannten Gründen 162 000 mehr als halbiert ist, dass die Zahl der Schul- die Regelungen des StandAG die Lösung der nuklearen abgänger bis 29 Jahre ohne Berufsqualifikation auf Entsorgung in Deutschland weder voranbringen noch 1,39 Millionen erstmals gesunken ist. Sie müsste Quali- insbesondere die Finanzierungsvorschriften verfassungs- fizierung, Arbeit und Familie besser kombinieren. rechtlich unzweifelhaft sind, stimme ich – anders als meine Fraktion – dem StandAG nicht zu. Das Berufsbildungsinstitut sagt: Von den 25 Prozent Vertragsauflösungen gehen mehr als die Hälfte einen an- deren, für sie besseren Weg der Berufsqualifizierung. Anlage 6 Kein Ausstieg, sondern ein Umstieg. Während Rot-Grün das Bildungsbudget dreimal kürzte, haben wir den Haus- Zu Protokoll gegebene Reden halt für Bildung und Forschung seit 2006 von 7,7 auf 14 Milliarden Euro um 82 Prozent gesteigert. zur Beratung: Wir brauchen eine gute Balance zwischen akademi- – Unterrichtung: Berufsbildungsbericht 2013 scher und beruflicher Bildung, keinen Tunnelblick nur in – Antrag: Duale Ausbildung exportieren – Ju- eine Richtung. gendarbeitslosigkeit in der Europäischen Der OECD-Bildungsbericht sagt: Für Akademiker Union bekämpfen, kooperative Berufsbil- und Meister liegt die Arbeitslosenquote bei 2,4 Prozent, dung weltweit steigern es herrscht fast Vollbeschäftigung. – Antrag: Bildungschancen im Lebensverlauf Bei der Berufsbildung überwiegen fraktionsübergrei- verbessern – Berufliche Ausbildung stärken fend die Gemeinsamkeiten. So beim europäischen und 32550 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) deutschen Qualifikationsrahmen. Wir stehen zur Gleich- wenn wir nach dem 22. September Regierungsverant- (C) wertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung. wortung wieder übernehmen. A) Wir werden dafür sor- gen, dass die Mittel für Bildung wachsen und nicht sin- Jeder sollte auch im September das tun, was er am ken. B) Wir werden sehr genau im Einzelnen besten kann: die Union weiter regieren und die SPD an analysieren, welche Maßnahme wir unterstützen und sich trainieren. Dann wird es mit Deutschland und der welche Maßnahmen wir wegen Misserfolg, schlechter beruflichen Bildung weiter vorangehen. Planung oder unzureichendem Bedarf zurückfahren.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Das Diktat zu Konkret heißt das an dieser Stelle, dass wir die Be- der Rede, die ich hiermit zu Protokoll gebe, steht noch rufsorientierung stärken wollen und die Jobstarter-Con- ganz unter dem Eindruck des gesundheitlichen Zusam- nect-Programme zurückfahren wollen. Denn an diesen menbruchs, den wir eben bei unserer hochgeschätzten Jobstarter-Connect-Programmen nehmen nach unseren Kollegin miterleben mussten. Ich bitte deshalb bei dieser Informationen nur 4 000 Jugendliche teil. Sie erwerben diktierten Rede um Verständnis dafür, dass sie erstens Qualifikationen in kleinen Ausbildungsbausteinen und kürzer und zweitens politisch weniger zugespitzt aus- nicht mal eine vollwertige Ausbildung. Der Aufwand fällt. steht hier in keinem Verhältnis zum Ertrag und weist im Übrigen in die falsche Richtung. Denn bei der Berufs- Was mir in der zweiten Runde der Debatte von sozial- ausbildung kann es für uns nicht um einzelne Bausteine demokratischer Seite aus wichtig gewesen wäre, möchte gehen; es muss um eine vollwertige Ausbildung gehen ich in vier Punkte fassen. und dafür ist uns die Vorbereitung auf die Berufsausbil- dung wichtiger als die nicht zielführende Modularisie- Erstens. Auch wenn eben andere Kollegen meinten, rung. der SPD das eine oder andere unterstellen zu müssen in Bezug auf die Wertung des dualen Ausbildungssystems, Zweitens. Es ist ja richtig, dass die Zahl der unver- die Anerkennung der Leistungen der Tarifpartner und sorgten Bewerberinnen und Bewerber um Berufsausbil- Ausbildungsbetriebe oder auch der politischen Anstren- dungsplätze sinkt. Allerdings übersteigt die Zahl der jun- gungen, die in Bund, Ländern und Kommunen gemacht gen Menschen, die nach ihrer Schulausbildung eine werden, so möchte ich hier nur einmal trocken und nüch- berufliche Ausbildung machen möchten, immer noch tern feststellen: Dem ist nicht so. Die SPD erkennt all deutlich das Angebot an Ausbildungsplätzen. Tatsäch- dieses an, weil sie auch tatsächlich seit langem eine lich hat das Berufsbildungsgesetz auch nicht ohne Grund große Tradition in der beruflichen Bildung, in dem Ein- vorgesehen, dass es mehr als 12,5 Prozent Überhang am satz für die duale Berufsausbildung und in dem Arbeiten Ausbildungsplatzangebot geben sollte, damit die jungen (B) für gute Ausbildung und gesteigerte Ausbildungschan- Menschen auch eine Auswahlmöglichkeit haben. Hier- (D) cen hat. Das gilt auch für die Anerkennung und Unter- von sind wir allerdings noch sehr weit entfernt. Weder stützung der Instrumente, die in den letzten Jahren ge- stimmt die Passung, was die Struktur der angebotenen wachsen sind und mit denen die öffentliche Hand, Ausbildungsplätze angeht, noch ist die Zahl ausreichend. speziell der Bund, die Bundesagentur für Arbeit und die Länder die Berufsvorbereitung und Berufsbegleitung mit Wenn man dann leider noch zur Kenntnis nehmen unterstützen. muss: Dass bei 57 Prozent der Betriebe, die im Prinzip ausbildungsfähig und geeignet sind, nur 21,7 Prozent Um es ausdrücklich zu sagen: Wir haben nichts gegen tatsächlich ausbilden, beschreibt ein großes Problem. Berufsausbildungsleiter, wir haben nichts gegen die Be- Diese Zahl ist eben deutlich schlechter geworden gegen- rufseinstiegsqualifizierung und wir haben auch nichts über früheren Jahren, ohne dass wir dieses parteipoli- gegen die Verbesserung der Berufsorientierung. Ganz im tisch münzen wollen. Wir dürfen dieses aber nicht still- Gegenteil setzen wir darauf, dass es noch eine viel stär- schweigend hinnehmen und müssen über die kere Orientierung auf die Berufsorientierung geben 24,7 Prozent, die wir schon einmal hatten, hinaus anstre- müsste, um die Zahl derjenigen Jugendlichen ohne ben, auf zumindest 30 Prozent der Betriebe zu kommen, Schulabschluss, aber auch derjenigen ohne Ausbildungs- die Ausbildungsplätze anbieten. Die Maßnahmen, die anschluss noch weiter zu senken. Es gibt deutlich mehr die SPD hier in Regierungsverantwortung ergreifen als die 1 000 Schulen, an denen bisher Berufsorientie- wird, sind die Unterstützung von Branchenumlagen, ge- rung stattfindet, die dieses Instrument gerne nutzen wür- nauso wie die Unterstützung von Vertriebskooperatio- den. nen, sei es zwischen mehreren kleineren Betrieben oder auch in der Kombination mit überbetrieblicher Ausbil- Umso bedauerlicher ist, dass die schwarz-gelbe Ko- dung, damit noch mehr Betriebe die Ausbildungsver- alition in ihrem Haushaltsentwurf für die nächsten Jahre pflichtung gegenüber den jungen Generationen auch eine Absenkung der Haushaltsmittel einplant, die das wirklich wahrnehmen. noch verschärft, was sich jetzt schon an den Zahlen zum Haushaltsentwurf 2014 abzeichnet. Es wird weniger Drittens. Der zur Diskussion stehende Berufsbil- Geld in der Unterstützung für berufliche Bildung durch dungsbericht 2013 weist aus, dass fast 25 Prozent der das Bundesbildungsministerium geben. Die roten Nega- jungen Menschen, die in einer dualen Ausbildung sind, tivzahlen, die Sie jetzt schon im Haushaltsentwurf 2014 diese Ausbildung abbrechen. Diese Abbruchquote bei haben, werden 2015 ff. noch drastischer ausfallen. Auch Ausbildungsverträgen ist für uns nicht akzeptabel. Auch deshalb ist es notwendig, dass hier eine Umkehr stattfin- wenn eine Untersuchung des Bundesinstituts für Berufs- det. Die SPD wird dieses in zweierlei Richtung tun, bildung belegt, dass tatsächlich etwa 12 Prozent wäh- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32551

(A) rend ihrer ersten dualen Berufsausbildung keinen Be- diesen jungen Menschen mit Migrationshintergrund wie (C) rufsabschluss erlangen, sehr wohl aber über eine zweite anderen auch nach einer sehr kurzen Zeit ein verbindli- duale Berufsausbildung zu einem solchen Berufsab- ches Angebot gemacht wird, wie sie über eine Berufs- schluss kommen, muss die Abbruchquote im Sinne der vorbereitung oder direkt in eine Berufsausbildung ein- Jugendlichen unter dem Aspekt der Fachkräftesicherung steigen können, sei dies in ein klassisches duales weiter gesenkt werden. Dies würde auch noch einmal ei- System, in ein Verbundsystem von dualer Ausbildung nen Vorteil der beruflichen Ausbildung gegenüber zum und schulischer beziehungsweise überbetrieblicher Aus- Beispiel der beruflichen akademischen Ausbildung ver- bildung oder in eine rein schulische Ausbildung. Was stärken, denn auf den ersten Blick sind die Abbruchquo- nur nicht geht, ist, dass diese jungen Menschen in einer ten der beruflichen und der akademischen Ausbildung Warteschleife stecken bleiben. mit jeweils fast 25 Prozent vergleichbar hoch. Gleichzeitig – und das ist die zweite Maßnahme mit Weil uns so sehr daran gelegen ist, dass die jungen Blick auf diese große Gruppe ausländischer Jugendlicher Menschen Berufsausbildung als Erfolg erleben, werden ohne ausreichende Ausbildungsperspektive – muss das wir, wenn wir in der Regierung Verantwortung tragen, System der Berufsausbildungsbegleiter um eines von insbesondere darauf dringen, dass das System der ausbil- Schulbegleitern in Verbindung mit Ausbildungsbeglei- dungsbegleitenden Hilfen, mit denen Betriebe und Aus- tung ergänzt werden, sodass der Zugang und die Bin- zubildende darin unterstützt werden, dass es eine erfolg- dung zwischen jungen Menschen, Betrieben und fachli- reiche Berufsausbildung gibt, nachdrücklich stärken. cher Begleitung stärker wird. Wir werden dabei Dass hier die Regierung die Bundesagentur für Arbeit in beachten, dass das System der hauptamtlichen Berufs- den Schwitzkasten nimmt – um es einfach auszudrücken – ausbildungsbegleiter sich gerade auch vor den interkul- und die Mittel für die Förderung von jungen Menschen, turellen Herausforderungen neu organisiert und in den wie von arbeitslosen jungen Menschen, immer wieder Personen wie in deren Ausbildung die interkulturelle einschränkt, werden wir nicht hinnehmen. Die ausbil- Kompetenz gestärkt wird. Im Übrigen: Die erfolgreiche dungsbegleitenden Hilfen, abH, sind ein Zukunftsinstru- Hamburger Initiative einer Jugendberufsagentur ist vor- ment, das eine SPD in der Regierung nachdrücklich stär- bildlich und muss überall Wirklichkeit werden. ken wird. Wenn dies vier sehr konkrete Punkte sind, an denen Viertens. Seite 32 und 33 des Berufsbildungsberichts wir Verbesserungsmöglichkeiten sehen, dann komme ich 2013 weisen auf ein großes Problem hin. Im Untersu- noch zur Eingangsbemerkung zurück: Gerade wenn wir chungszeitraum fällt die Ausbildungsanfängerquote für in Deutschland in der glücklichen Lage sind, eine gute junge Ausländer mit 29,8 Prozent nur etwa halb so hoch Berufsausbildung über viele Jahrzehnte entwickelt zu aus, wie die der deutschen jungen Menschen mit (B) haben, dürfen wir nicht die Überheblichkeit entwickeln, (D) 60,2 Prozent. Verglichen mit dem Vorjahr stieg die Aus- nicht auch die Schwachstellen dieses jetzigen Berufsbil- bildungsanfängerquote der deutschen jungen Menschen dungssystems und die konkreten Ausformungen zu er- dabei sogar noch stärker um 2,4 Prozentpunkte als die kennen, zu analysieren und das in konkrete Handlungs- der ausländischen jungen Menschen, die nur um 0,3 Pro- vorschläge münden zu lassen. Die SPD will dieses tun, zentpunkte gewachsen ist. Dieses wollen und können wenn wir Regierungsverantwortung übernehmen, und wir nicht hinnehmen. wir wollen das in einer sehr zielgerichteten, sehr prag- matischen und sehr ehrlichen Form tun. Gerade wenn in dieser Debatte, wo wir uns mit Recht Sorgen machen um die Ausbildungslosigkeit und Ar- beitslosigkeit in den südlichen Mitgliedsländern der Eu- Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer ropäischen Union, angesprochen wird, wie wir diesen will, kann OECD-Studien so lesen: Dank des dualen jungen Menschen Unterstützung geben können, dürfen Ausbildungssystems hat Deutschland eine vergleichs- wir nicht die Augen davor verschließen, dass viele aus- weise geringe Jugendarbeitslosigkeit. Das wäre aber ländische junge Menschen in Deutschland selbst ge- eine äußerst oberflächliche und unterkomplexe Betrach- nauso erfahren, dass sie keinen Einstieg in Ausbildung tung. Richtig ist: Vor allem dank guter Konjunktur und und Berufsleben bekommen. Die Freude darüber, dass wirtschaftlicher Stabilität funktioniert unser duales Sys- 5 000 junge Menschen aus Spanien nach Deutschland tem. gekommen sind, um ihre Ausbildung zu beginnen, darf Wer das erkennt, sieht: Ihr Ansatz und Antrag als nicht den Blick davor verstellen, dass bei uns ein Vielfa- Koalition kann funktionieren. Heute arbeitslosen Ju- ches an jungen Menschen mit Wurzeln aus Portugal, gendlichen hilft es nicht, jetzt die duale Ausbildung in Spanien, Italien, Griechenland und vielen anderen Län- südeuropäische Krisenländer zu exportieren. Ein duales dern schon lange leben, die bei uns keine Ausbildung Berufsbildungssystem setzt prosperierende Betriebe vo- finden. Dies ist ein Skandal, der kein gutes Licht wirft raus, die ausbilden können und wollen, die Ausbildungs- auf das Umgehen in der beruflichen Ausbildung, in den verträge schließen und Vergütungen zahlen können. Es Betrieben, in der Gesellschaft insgesamt mit den bei uns braucht also eine intakte Wirtschaft – und genau das aufwachsenden jungen Menschen mit Migrationshinter- fehlt europäischen Krisenländern. Deswegen macht es grund oder ausländischem Pass. Auch hier will ich wenig Sinn, den zweiten Schritt vor dem erstem zu tun: ansprechen, was wir als SPD, wenn wir in Regierungs- verantwortung sind, ändern wollen gegenüber der bishe- Wenn wir sehen, dass KMU in Krisenländern keine rigen unengagierten Praxis von Schwarz-Gelb. Wir wer- günstigen Kredite erhalten, dann braucht es dort endlich den eine Berufsausbildungsgarantie einführen, bei der gezielte Konjunkturimpulse. Deswegen fordern wir seit 32552 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Jahren ein europäisches Investitionsprogramm, das die sungs- und Abbruchquoten zu tolerieren. Es ist schlecht, (C) Konjunktur belebt, die Kreditklemmen überwindet und dass die Bundesregierung dies alles nicht angepackt hat. Arbeitsplätze in Zukunftsbereichen schafft. Eine jahr- hundertelang gewachsene Tradition wie das duale Sys- Schwarz-Gelb will selbst die letzten Plenumsdebatten tem – mit seiner Organisation durch Tarifpartner und nicht mehr für Problemlösungen nutzen. Es wird Ihnen Kammern – lässt sich nicht über Nacht in anderen Län- nicht gelingen, mit dieser Schaufensterdebatte vom Re- dern einführen. Es ist allenfalls ein lohnenswertes Lang- formstau in der beruflichen Bildung in Deutschland ab- fristprojekt. zulenken. Ihr Antrag dient offenbar nur zur Vorbereitung des Auftritts der Kanzlerin am 3. Juli in Berlin. Das ist Die EU-Gipfel-Ergebnisse von heute Vormittag zei- definitiv zu wenig, damit werden Sie weder der Jugend gen: Der Kanzlerin sind arbeitslose Jugendliche mick- in Deutschland noch in Europa gerecht. rige 0,6 Prozent des künftigen siebenjährigen EU-Haus- halts wert, Landwirte und Ernährungsindustrie hingegen Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung 40 Prozent. Für die abgehängte und verlorene Genera- und Forschung: Dass wir heute so kurz nach der Regie- tion zum Beispiel in Griechenland und Spanien ist das rungsbefragung am 15. Mai 2013 erneut über den Be- blanker Hohn. rufsbildungsbericht sprechen, zeigt, wie wichtig uns al- len – auch fraktionsübergreifend – das Thema berufliche Wer wie die Koalition mit dem dualen Ausbildungs- Bildung ist. Denn es geht hier um zwei ganz zentrale system im Ausland glänzen will, übersieht schnell die Dinge: Herausforderungen, die wir in Deutschland haben – und die der Berufsbildungsbericht dokumentiert: Wenn (laut Zum einen um die Zukunftschancen der jungen Men- Eurostat) 7,6 Prozent der Jugendlichen hierzulande ar- schen in Deutschland und Europa. Unsere duale Ausbil- beitslos sind, dann ist das kein Grund zum Jubeln, aus dung sichert hohe Quoten der Übernahme in Beschäf- unserer Sicht sind das noch immer viel zu viele. Wenn tigung. Sie ist somit eine wesentliche Voraussetzung für jeder 15. Jugendliche die Schule abbricht und über eine eigenständige Lebensführung und gesellschaftliche 2,2 Millionen unter 34-Jährige keinen Berufsabschluss Teilnahme. Nicht umsonst fällt die Jugendarbeitslosig- haben, dann kann von gleichen Chancen auf Ausbildung keit in Deutschland mit 7,5 Prozent (Stand April 2013) keine Rede sein. Wenn trotz demografischer und kon- am niedrigsten aus. Zum Vergleich: Griechenland junktureller Effekte 267 000 Jugendliche im Übergangs- 62,5 Prozent Februar 2013, Spanien 56,4 Prozent, Portu- sektor landen statt in guter Ausbildung, dann haben wir gal 42,5 Prozent, Italien 40,5 Prozent. ein offenkundiges Problem auf unserem Ausbildungs- markt. Das muss sich ändern, dazu macht die Koalition Zum anderen ist die berufliche Bildung aber auch das (B) keine Vorschläge. Sie verschleppen die dringend not- Rückgrat der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands. Das (D) wendigen Strukturreformen der beruflichen Bildung. hohe Qualifikationsniveau der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Deutschland ist ein Wettbewerbsvorteil Der Berufsbildungsbericht offenbart ein großes Mat- im internationalen Vergleich. ching-Problem: Einerseits sind wiederholt über eine Viertelmillion Jugendliche in Warteschleifen und Maß- Wir können stolz auf unser Ausbildungssystem sein. nahmen des Übergangsdschungels geparkt, andererseits Dafür hat uns zuletzt sogar auch die OECD gelobt. Bil- blieben 33 000 Ausbildungsstellen bei Betrieben un- dung ist der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit. Nicht besetzt. Das müsste Sie, Frau Ministerin Wanka, doch nur die Arbeitslosenquote von Akademikern (2,4 Pro- alarmieren. zent) lag in Deutschland unter dem OECD-Durchschnitt (4,8 Prozent). Auch Personen mit einer abgeschlossenen Wir wollen möglichst ohne Warteschleifen auskom- Berufsausbildung (5,8 Prozent) waren deutlich seltener men, damit Jugendliche direkt in die duale Ausbildung arbeitslos als im OECD-Durchschnitt (7,3 Prozent). Und übergehen können. Dafür müssen wir alle auch mehr die OECD, früher auf Kritik an Deutschland beim Ver- Unternehmen gewinnen. Denn trotz Fachkräftemangel gleich von Studienanfängern fokussiert, bilanziert dies und guter Konjunktur bilden nur noch 21,7 Prozent un- nun erfreulich klar mit dem deutschen „Vorteil einer be- serer Betriebe aus – ein trauriger Negativrekord nach der rufsorientierten Ausbildung“. Wiedervereinigung. Es ist mir unverständlich, dass die Wir sind als eines der wenigen Länder gut durch die Regierung zur erneut geschrumpften Ausbildungsbe- Krise gekommen, unsere Konjunktur ist stabil, bei uns triebsquote schweigt und nur mit den Achseln zuckt. ist die Arbeitslosigkeit nicht gestiegen. Das hat natürlich Wir Grüne wollen gute Ausbildung für alle statt Frust eine Reihe von Gründen, liegt aber nicht zuletzt auch an und Zeitverlust. Mit Dual Plus haben wir anders als die den klugen politischen Weichenstellungen der Bundes- Koalition einen Vorschlag für eine Strukturreform vorge- regierung. legt. Damit haben wir aus dem In- und Ausland gelernt, Das gilt auch für die berufliche Bildung. Der Berufs- zum Beispiel vom Hamburger Modell oder aus Däne- bildungsbericht 2013 zeigt: Wir sind auf dem richtigen mark. Damit schaffen wir systematische Übergänge für Weg: Jugendliche statt Warteschleifen. Damit bauen wir breite Wege in Ausbildung, fördern Jugendliche zusätzlich und Wir haben die richtigen politischen Weichen gestellt, individuell, gewinnen wieder mehr Betriebe für Ausbil- um die wirtschafts- und bildungspolitischen Rahmenbe- dung, vor allem kleinere. Damit steigern wir die Attrak- dingungen für eine nun schon mehrjährige positive Ent- tivität der Ausbildung, anstatt die hohen Vertragslö- wicklung des Ausbildungsmarktes zu schaffen, die durch Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32553

(A) die demografische Entwicklung begünstigt wird. Und zent). Gleichzeitig blieb eine Rekordzahl (33 275) an (C) wir haben Altlasten der Vorgängerregierung in Angriff Ausbildungsstellen unbesetzt. genommen, mit wachsendem Erfolg: Eine ganz zentrale Herausforderung ist der demogra- Erstens. Die Zahl der Altbewerber ist weiter gesun- fische Wandel mit seinen Auswirkungen auf die Fach- ken. Verglichen mit 2011 ist die Zahl der Bewerber, die kräftesicherung. Wir werden weniger, und wir werden sich bereits ein oder zwei Jahre vor dem Berichtsjahr für älter. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet für den Zeit- eine Ausbildung beworben haben, um 5 531 bzw. raum von 2010 bis 2025 mit einem Rückgang des Er- 3,3 Prozent auf insgesamt 162 550 zurückgegangen. We- werbspersonenpotenzials um 6,5 Millionen Personen. gen Statistikumstellungen ist hier kein Vergleich mit frü- 6,5 Millionen Erwerbspersonen weniger in 15 Jahren, heren Jahren möglich. das bleibt nicht ohne Auswirkungen für den Wirtschafts- standort Deutschland und die Sicherung des Fachkräfte- Zweitens. Es gibt deutlich weniger Anfänger im bedarfs. Wir wissen: Schon jetzt haben Betriebe Schwie- Übergangsbereich (2012: 266 732). Meine Damen und rigkeiten, Auszubildende zu finden. Umso wichtiger ist, Herren von der Opposition, Sie sagen immer, wir tun alle Potenziale für Bildung und Ausbildung zu erschlie- nichts, aber uns ist gelungen, die hohen Anfängerzahlen ßen. im Übergangsbereich zu reduzieren, und zwar um mehr als 150 000 (36,1 Prozent) verglichen mit 2005 (417 647). Ich will hier auf zwei ganz zentrale Herausforderun- gen eingehen, erstens die – gerade angesprochenen – zu- Drittens. Auch der Anteil der Ungelernten geht zurück. nehmenden Matchingprobleme am Ausbildungsmarkt. Er ist immer noch zu hoch. Aber erste Erfolge zeichnen Nach wie vor gibt es noch zu viele Bewerberinnen und sich ab. Die Ungelerntenquote der 20- bis 29-Jährigen Bewerber, denen der Übergang von der Schule in die geht zurück und liegt aktuell bei 14,1 Prozent (1,39 Mil- Ausbildung nicht sofort gelingt. Auch diese Jugendli- lionen). Im Übrigen muss der Hinweis erlaubt sein, dass chen werden gebraucht, um künftig den Fachkräftenach- es sich hier um eine „Altlast“ handelt, die auch Sie, wuchs in Deutschland sicherzustellen. Auf der anderen meine Damen und Herren von der Opposition, mit zu Seite suchen Betriebe händeringend Auszubildende. Be- verantworten haben. Denn wer hat es denn versäumt, die sonders betroffen davon sind kleinere und Kleinstbe- heutigen jungen Erwachsenen direkt nach der Schule zu triebe. qualifizieren? Wir packen dies an, zum einen präventiv, Wir können nicht ausschließen, dass sich Betriebe, über eine frühzeitige individuelle Förderung und Beglei- die mehrfach die Erfahrung machen, angebotenen Aus- tung, zum Beispiel im Rahmen der Bildungsketten, die bildungsstellen nicht besetzen zu können, ganz aus der es gar nicht erst dazu kommen lässt, dass Personen ohne Ausbildung zurückziehen. Das kann auch ein Grund (B) Abschluss bleiben, zum anderen aber auch durch eine sein, warum die Ausbildungsbetriebsquote – 2011: (D) Ausweitung der Nachqualifizierungsstrukturen. Neu ist 21,7 Prozent, zum Vergleich 2008: 24 Prozent –, das hier die Initiative „AusBILDUNG wird was – Spätstarter heißt der Anteil der ausbildenden Betriebe an allen Be- gesucht“ von BMAS und BA. Ziel ist es, 100 000 jungen trieben, erneut gesunken ist. Wir unterstützen daher das Menschen zwischen 25 und 35 Jahren ohne Berufsaus- bessere „Matching“ von suchenden Bewerbern und Ausbil- bildung eine zweite Chance zu geben. dungsbetrieben. Dies wird auch im neuen JOBSTARTER- Viertens. Mit dem Anerkennungsgesetz haben wir Programm des BMBF (Ausschreibung beginnt im einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung und zur Herbst 2013) eine Förderpriorität bilden. Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Gleichzeitig geht mein Appell an die Wirtschaft, hier den Arbeitsmarkt geleistet. Der Berufsbildungsbericht weiterhin ihrer Verantwortung nachzukommen. Aktuell zeigt Verbesserungen bei der Schulabbrecher- und der Aus- liegt die Zahl der bei der Bundesagentur für Arbeit ge- bildungsanfängerquote von ausländischen Jugendlichen. meldeten Stellen noch unter dem Vorjahresniveau. Juni Aber nach wie vor besteht weiterer Handlungsbedarf zur 2013: 454 602, das heißt -9 242 (-2,0 Prozent) weniger Verbesserung der Ausbildungs- und Beschäftigungs- als im Vorjahreszeitraum. Hier sind weitere Anstrengun- chancen von Menschen mit Migrationshintergrund. Per- gen erforderlich. Nur wer jetzt ausbildet, wird morgen sonen mit Migrationshintergrund bleiben daher eine über den nötigen Fachkräftenachwuchs verfügen. wichtige Zielgruppe, der wir uns im Rahmen verschiede- ner Maßnahmen (KAUSA, Bildungsketten, Ausbil- Zweitens der weitere Abbau des Übergangsbereichs dungspakt) weiter verstärkt widmen werden. und die Effizienzsteigerung der Maßnahmen. Hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen und nicht alles über einen Die Ausbildungsmarktsituation 2012 kann insgesamt Kamm zu scheren. Denn nicht für alle Jugendlichen im als gut betrachtet werden, wenngleich sich die Steige- Übergangsbereich besteht gleichermaßen Handlungsbe- rung der letzten Jahre nicht überall fortgesetzt hat. Es darf. Für Jugendliche, die die Maßnahmen des Über- wurden 551 272 Ausbildungsverträge neu abgeschlos- gangsbereichs gezielt nutzen wollen, um einen höheren sen. Das sind 18 108 (3,2 Prozent) weniger als im Vor- Schulabschluss zu erwerben (nach der BIBB-Über- jahr. Die Vertragsrückgänge sind zum einen als Folge gangsstudie rund 30 Prozent), besteht kein unmittelbarer der demografischen Entwicklung und des gezielten, an Handlungsbedarf. Stattdessen müssen sich die Anstren- die demografische Entwicklung angepassten, Abbaus gungen auf zwei Zielgruppen konzentrieren, zum einen der außerbetrieblichen Ausbildung zu sehen (-15,0 Pro- auf Jugendliche, die noch nicht ausbildungsreif sind, zent). Es wurden aber auch etwas weniger betriebliche also auf die eigentliche Zielgruppe des Übergangsbe- Ausbildungsverträge abgeschlossen als 2011 (-2,5 Pro- reichs; sie brauchen Unterstützung, um den Einstieg in 32554 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Ausbildung zu schaffen, zum anderen auf junge Men- Grundsätzlich gilt: Berufliche Bildung ist nicht nur (C) schen, die nur deshalb in Maßnahmen des Übergangs- etwas für weniger leistungsstarke Jugendliche, ganz im bereichs sind, weil sie keinen Ausbildungsplatz gefun- Gegenteil. Viele Qualifikationen und Kompetenzen, die den haben, aber über die notwendige Ausbildungsreife andernorts an Hochschulen erworben werden, werden in verfügen und insofern auch unmittelbar in der Lage wä- Deutschland durch berufliche Aus- und Weiterbildung ren, eine Ausbildung zu absolvieren. Ich denke hier zum erfolgreich und adäquat vermittelt. Absolventen berufli- Beispiel an die bei der BA gemeldeten rund 60 000 so- cher Aus- und Weiterbildung nehmen ebenso oder auch genannten „Bewerber mit Alternative zum 30.9.“. Das in Konkurrenz zu Hochschulabsolventen berufliche Tä- sind ausbildungsreife Bewerber, die eine Alternative zu tigkeiten mit hohen Anforderungsprofilen wahr. Zur einer Ausbildung begonnen haben, zum Beispiel berufs- Sicherung des Fachkräftenachwuchses sprechen wir da- vorbereitende Bildungsmaßnahme, Praktikum oder Ähn- her verstärkt auch leistungsstarke Jugendliche an. liches, aber ihren Wunsch nach einer Ausbildung auf- BMBF und BMWi haben dazu gemeinsam die Kampa- rechterhalten und eine entsprechende Vermittlung durch gne „Berufliche Bildung – Praktisch unschlagbar“ ins die BA wünschen. Leben gerufen. Eine Verlängerung bis 2016 ist geplant. Wie die BIBB-Prognose zur künftigen Entwicklung Berufliche und akademische Bildung sind gleichwer- des Übergangsbereichs im Berufsbildungsbericht zeigt, tig. Es gibt nicht nur einen Königsweg zum beruflichen ist ein vollständiger Abbau des Übergangsbereichs selbst Erfolg. Ein ganz wichtiges Signal ist daher die gleich- bei günstiger Ausbildungsmarktentwicklung unrealis- wertige Einstufung von Meister- und Technikerabschlüs- tisch und auch nicht gewollt. Wir wollen sinnlose Warte- sen und dem Hochschulabschluss Bachelor im Deut- schleifen im Übergangsbereich vermeiden. Umso wich- schen Qualifikationsrahmen, die wir durchsetzen tiger ist es, dass wir unser Ziel „Effizienzsteigerung der konnten. Fördermaßnahmen im Übergangsbereich“ konsequent umsetzen, um junge Menschen, die wirklich auf Unter- Wir wollen die Durchlässigkeit zwischen beruflicher stützung angewiesen sind, zu identifizieren und ihnen und akademischer Bildung weiter verbessern. Unser den Weg in die Ausbildung zu erleichtern. Eine wichtige Blick richtet sich dabei aber nicht einseitig auf Durch- Rolle spielt hier auch die Stärkung der betrieblichen stiegsmöglichkeiten von der dualen in die hochschuli- Ausbildungsvorbereitung (70 Prozent „Klebeeffekt“ sche Bildung – Beispiele: Verbesserung der Anrechen- durch betriebliche Einstiegsqualifizierung, EQ). barkeit beruflicher Vorqualifikationen über ANKOM, Wettbewerb Offene Hochschule, KMK Beschluss zum Wenn wir Übergänge gestalten wollen, müssen wir Zugang beruflich Qualifizierter zu Hochschulen –, son- aber auch regionale Bedingungen und Strukturen be- dern wir wollen auch die „umgekehrte Richtung“ för- (B) rücksichtigen. Die Verwirklichung des Zieles, den Maß- dern. Erbrachte Leistungen aus dem Studium sollen auf (D) nahmendschungel zu lichten, ist keine einseitige Auf- eine duale Berufsausbildung angerechnet werden kön- gabe der Bundesregierung, sondern bedarf der Aktivität nen. Davon sollen Studienabbrecher profitieren. Es ist und engagierten Mitarbeit aller Beteiligten, auch der ein Gebot der Gerechtigkeit, dass Vorkenntnisse zählen. Länder. Und im Zeichen des demografischen Wandels ist es auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft, dass wir entspre- Wir sind hier im Prozess, besonders effektive Maß- chende Möglichkeiten schaffen. Daher freut es mich, nahmen zu verstetigen. Ein gutes Beispiel ist die BMBF- dass auch der vorliegende Antrag von Bündnis 90/Die Initiative Bildungsketten, mit der Schulabbrüche verhin- Grünen dies fordert und somit unsere Politik in diesem dert, Warteschleifen im Übergangsbereich vermieden Punkt unterstützt. Wir sollten in der Lage sein, über die und der Fachkräftenachwuchs durch berufliche Ausbil- Parteigrenzen hinweg vernünftige Vorschläge gemein- dung gesichert werden soll. 30 000 förderbedürftige Ju- sam anzugehen. gendliche werden so auf ihrem Weg in die Ausbildung und bis zum Berufsabschluss begleitet (aktueller Stand: Die duale Berufsausbildung gewinnt auch interna- rund 18 000). Wir planen eine Ausweitung der Initiative tional verstärkt an Anerkennung und nimmt eine neue auf weitere Schulen und eine Verstetigung der Instru- Orientierungsrolle in der internationalen und insbeson- mente. Umso mehr freut mich das vorhandene Länder- dere auch in der europäischen Berufsbildungspolitik ein. interesse an unserem Angebot, das bereits in erste kon- krete BMBF-Länder-Vereinbarungen zur Verankerung Deutlich werden wird dies besonders in der nächsten der Bildungskettenphilosophie in den Regelsystemen der Woche, in der wir Gastgeber und Förderer der Berufsbil- Länder gemündet ist (Hessen, Thüringen, Baden-Würt- dungsweltmeisterschaft Worldskills in Leipzig sind, auf temberg, NRW) der über 1 000 Wettbewerber aus 55 Ländern in 46 Beru- fen gegeneinander antreten und 200 000 jugendliche Be- Forderungen nach einem Recht auf Ausbildung, einer sucher dort ganz praktische Berufsorientierung erhalten. Ausbildungsgarantie oder einer Umlagefinanzierung Wir nutzen die Worldskills Leipzig durch gemeinsame sind nicht neu. Wir haben die Diskussion bereits in der internationale Konferenzen des BMBF mit der UN, der Vergangenheit geführt. Sie kennen die Position der Bun- EU und der OECD gezielt als Weltplattform zur Präsen- desregierung. Wir verzichten auf gesetzliche Zwangs- tation der Vorzüge unseres Systems. Und ich werde am regelungen und setzen stattdessen auf freiwilliges En- 2. Juli auf der Worldskills gemeinsam mit den Kommis- gagement wie die erfolgreichen Vereinbarungen im saren Vassiliou, Bildung, und Andor, Beschäftigung, Ausbildungspakt, dessen künftige Ausgestaltung wir eine „Europäische Allianz für Lehrlingsausbildung“ verhandeln. starten, die ein zentraler Bestandteil der EU-Jugend- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32555

(A) garantie ist und letztlich auf eine europäische BMBF- partnerschaftlich zu koordinieren. Deutschland unter- (C) Ministerinitiative (Berlin 2012) zurückzuführen ist. Ziel stützt im Rahmen dieser Kooperationsbeziehungen die ist dabei der Systemtransfer dualer Prinzipien in die Be- Entwicklung von „Berufsbildungsstandards und Curricula“, rufsbildungssysteme anderer EU-Mitgliedstaaten. die „Ausbildung der Ausbilder“, den Aufbau und die Weiterentwicklung überbetrieblicher Ausbildungszen- Systemberatung und Pilotprojekte für duale Ausbil- tren sowie die Entwicklung kooperativer und praxis- dung sollen zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit füh- basierter Berufsbildungssysteme. ren und die Partnerländer bei der nachhaltigen Reform ihrer Berufsbildungssysteme unterstützen. Im Nachgang Die Vergleichbarkeit von Abschlüssen erleichtert die zum EU-Ministergipfel des BMBF im Dezember 2012 Mobilität auf einem globalen Arbeitsmarkt. Das BMBF werden zurzeit in bilateral besetzten Arbeitsgruppen in hat hierfür 2012 das Gesetz zur Anerkennung von im Spanien, Italien, Portugal und Griechenland die Hand- Ausland erworbener Berufsqualifikationen initiiert, das lungsbedarfe ermittelt sowie Sofortmaßnahmen und einen gesetzlichen Anspruch auf eine Überprüfung der Pilotprojekte entwickelt. Es ist geplant, dass Bundesprä- Gleichwertigkeit eingeführt hat. Das Gesetz erweist sich sident Gauck im Rahmen seines Besuches in Lettland als ein effektives Instrument der Fachkräftesicherung: ein Memorandum unterzeichnet, das unter anderem die Nach Schätzungen wurden im ersten Jahr seit Inkrafttre- Finanzierung einer Stelle bei der deutschen Auslands- ten am 1. April 2012 rund 30 000 Anträge auf Anerken- handelskammer in Lettland vorsieht. Im Rahmen der nung gestellt und die Mehrzahl der beruflichen Aus- Worldskills Leipzig am 2. Juli 2013 werden wir gemein- landsabschlüsse als gleichwertig anerkannt – das ist ein sam mit der europäischen Kommission den Launch einer wichtiger Beitrag zur Fachkräftesicherung und ein Si- Europäischen Ausbildungsallianz initiieren. Ziel ist es, gnal an die dringend benötigen Fachkräfte im Ausland. die Maßnahmen unter einem europäischen Dach zu bün- deln, sodass alle interessierten EU-Mitgliedstaaten da- Das Bundesinstitut für Berufsbildung, BIBB, bietet von profitieren können. im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags interessierten Partnerländern Systemberatung und Fachexpertise bei Das BMBF arbeitet eng mit den Verbänden der deut- der Weiterentwicklung ihrer Berufsbildungssysteme an. schen Handwerkskammern, ZdH, und der Industrie- und Die BMBF-Initiative iMOVE flankiert das Auslands- Handelskammern, DIHK, zusammen. Die Kammern sind als „zuständige Stellen“ in Deutschland vor Ort mit engagement deutscher Bildungsanbieter durch gezieltes hoheitlichen Aufgaben in der Berufsbildung betraut; zu- Marketing sowie durch Marktstudien und Fachtagungen. dem bilden die weltweit tätigen Auslandshandelskam- Bei der internationalen Berufsbildungszusammenar- mern eine wichtige Infrastruktur bei der Betreuung deut- beit stimmt sich das BMBF mit den anderen Ressorts re- (B) scher Unternehmen im Ausland und bei Fragen zur gelmäßig im Rahmen des „Runden Tisches“ ab, um ein (D) deutschen Berufsbildung. Wir werden daher die Zusam- kohärentes, transparentes und effizientes Vorgehen zu si- menarbeit zwischen BMBF, ZdH und DIHK künftig ver- chern. Auf Initiative des BMBF wird die Zentralstelle stärken, um gemeinsam mit interessierten Ländern Ele- der Bundesregierung für internationale Berufsbildungs- mente des deutschen dualen Systems zu exportieren und kooperation beim Bundesinstitut für Berufsbildung ein- die Jugendarbeitslosigkeit in EU-Ländern gezielt zu be- gerichtet. In der Zentralstelle werden die relevanten Be- kämpfen. rufsbildungsaktivitäten mit den Partnerländern zukünftig Das internationale Netzwerk deutscher Auslands- gebündelt und koordiniert. schulen kann die Verbreitung kooperativer, betriebs- naher Elemente der Berufsbildung befördern. Hierzu Produktion, Handel und zunehmend auch Arbeits- gibt es in einigen Ländern lokale Ansätze, in denen in märkte funktionieren in internationalen Zusammenhän- Kooperation mit zumeist deutschen Unternehmen und gen. Der Export von Elementen des deutschen dualen Auslandshandelskammern duale Berufsausbildungs- Systems der Berufsbildung stärkt die Wettbewerbsfähig- gänge angeboten werden. In Spanien wird das BMBF im keit der Volkswirtschaften in Partnerländern, unterstützt Nachgang zur bilateralen Konferenz vom Juli 2012 die deutsche Unternehmen, die im Ausland tätig sind, bei deutschen Auslandsschulen in Madrid und Barcelona der Fachkräfteentwicklung, flankiert den Zugang deut- mit dem Ziel fördern, die „Ausbildung der Ausbilder“ scher Waren zu Auslandsmärkten und fördert die Mobi- pilothaft in Spanien einzuführen. In Ländern, wo die be- lität von Fachkräften. Die ökonomische Krise 2010 hat triebliche Ausbildung aus historischen Gründen ein gezeigt: Eine kooperative, praxisbasierte Berufsausbil- schlechtes Image hat, werden wir anregen, im Verbund dung mit hoch entwickelten nationalen Standards ist Teil mit Unternehmen duale Studienmodelle zu implementie- des Fundaments wettbewerbsfähiger Volkswirtschaften: ren. Hierbei können deutsche Unternehmen mit ihrer Er- Dort, wo die Ausbildung praxisbasiert angelegt ist, wer- fahrung im Bereich betrieblicher Bildung wichtige Bei- den Fachkräfte so qualifiziert, dass sie eher eine Stelle träge leisten. finden. Mit Partnerministerien in Russland, China, Indien und Die Arbeitsmarktrelevanz, die guten Übergänge in Israel unterhalten wir seit Jahren enge Kooperationsbezie- hochwertige Beschäftigung, die Verantwortungsgemein- hungen in der Berufsbildung. Hochrangige Vertreterin- schaft von Regierung und Sozialpartnern und die geringe nen und Vertreter treffen sich regelmäßig in bilateralen Jugendarbeitslosigkeit – all dies sind überzeugende Ar- Arbeitsgruppen, um den Fortschritt gemeinsamer Koopera- gumente. Das duale Berufsausbildungssystem ist ein Er- tionsaktivitäten zu diskutieren und die weiteren Arbeiten folgsmodell. Dies gilt es zu erhalten und auszubauen. 32556 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Anlage 7 höchsten Beschäftigungsquote in der Geschichte der (C) Bundesrepublik Deutschland geführt haben: 41 Millio- Zu Protokoll gegebene Reden nen Menschen stehen in Lohn und Brot, und das führt zur Beratung: nicht zuletzt zu einer spürbaren Angleichung der Löhne und Lebensverhältnisse in Ost und West und damit in – Beschlussempfehlung und Bericht: Men- 2013 zu einer deutlichen Steigerung der Ost-Renten. schenrechte und Demokratie in der Welt – Ratsdok 11501/2/11 REV 2 Die Erhöhung der Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern sowie die Erhöhung der Bildungschancen – Beschlussempfehlung und Bericht zu der für Migranten, hierfür steht Ausbau der Kitaplätze und Unterrichtung: Menschenrechte in der Welt der gesetzliche Anspruch auf einen Kitaplatz sowie die und Politik der Europäischen Union in die- unterstützenden Leistungen des Bildungspaketes. sem Bereich – Entschließung des Europäi- schen Parlaments vom 18. April 2012 zu Zweiter Teil: „Menschenrechte in der deutschen Au- dem Jahresbericht zur Lage der Menschen- ßen- und Entwicklungspolitik“. Auch hier sind wesent- rechte in der Welt und über die Politik der liche Gesichtspunkte der Menschenrechtspolitik im EU zu diesem Thema, einschließlich der Aus- Bericht zusammengetragen. Ich möchte vier Punkte be- wirkungen für die strategische Menschen- sonders betonen: rechtspolitik der EU (2011/2185(INI)) – Die Bundesregierung hat den „Menschenrechts- EP P7_TA-PROV (2012)0126 ansatz“, der bereits in der deutschen Entwicklungszu- – Beschlussempfehlung und Bericht zu der Un- sammenarbeit zentral war, auf ein neues Level gehoben. terrichtung: Menschenrechte und Demokra- Der Menschenrechtsansatz wurde als Querschnittsauf- tie in der Welt: Bericht über das Handeln der gabe formuliert und ist damit auch zum Kernanliegen EU im Jahr 2011 – Ratsdok. 9238/12 deutscher Außen- und Wirtschaftspolitik geworden. – Beschlussempfehlung und Bericht zu der Die Reform der bundeseigenen Institute der Entwick- Unterrichtung: Menschenrechte und Demo- lungszusammenarbeit zur Gesellschaft für Internationale kratie: Strategischer Rahmen und Aktions- Zusammenarbeit, GIZ, hat bei einer Verschlankung der plan der EU – Ratsdok. 11417/12 Strukturen zugleich zu einer Erhöhung der Wirksamkeit geführt. – Beschlussempfehlung und Bericht zu der Unterrichtung: Zehnter Bericht der Bundes- Die Umsetzung von verschiedenen UN-Konventio- regierung über ihre Menschenrechtspolitik nen durch die Bundesregierung: Im Bericht findet die (B) Umsetzung der Behindertenrechtskonvention (Ansatz (D) (Tagesordnungspunkte 73 a bis 73 c) der „Inklusion“) besondere Erwähnung. Zu ergänzen ist die Kinderrechtskonvention, die in sehr kurzer Zeit rati- Frank Heinrich (CDU/CSU): Ich möchte meine fiziert wurde und nun umgesetzt wird, was zeitlich im Rede mit einer Würdigung beginnen und zitiere dafür Bericht noch keine Erwähnung finden konnte. aus der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Men- schenrechte und Humanitäre Hilfe: Und schließlich möchte ich einmal besonders den Einsatz für die Menschenrechte durch die verantwortli- „Der Deutsche Bundestag würdigt den zehnten chen Repräsentanten der Bundesregierung betonen. Auf Menschenrechtsbericht der Bundesregierung als ei- dem dünnen diplomatischen Eis der internationalen Be- nen umfassenden Überblick über die Entwicklun- ziehungen haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und gen im internationalen und europäischen Men- Außenminister Guido Westerwelle oder der Menschen- schenrechtsschutzsystem und über die deutsche rechtsbeauftragte der Bundesregierung Markus Löning Menschenrechtspolitik. viele Begegnungen genutzt, um auf die Lage der Men- schenrechte zu verweisen, sei das gegenüber den großen Er bietet eine sehr gute Grundlage für die parlamen- Ländern China, USA oder Russland, wie am Beispiel der tarische sowie die gesellschaftliche Debatte über Punkband Pussy Riot deutlich wird, aber auch gegen- die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung im über Uganda (Stichwort: geplante Einführung der Todes- Berichtszeitraum von März 2010 bis Februar strafe für Homosexualität) oder Griechenland (Men- 2012.“ schenrechtsverletzungen in der Asylpolitik). Der Bericht gliedert sich in vier Teile, und in allen Dritter Teil: „Menschenrechte weltweit“. Hier sind Bereichen lassen sich Fortschritte im Einsatz der Bun- insbesondere die Erfolge bei den Milleniumsentwick- desregierung für die Menschenrechte feststellen: lungszielen, MDG, zu nennen. In vielen Bereichen sind Erster Teil: „Menschenrechte in Deutschland und im die MDG erreicht oder mehr als das, etwa im Bereich Rahmen der Gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik der Zugang zu Bildung, wo gerade auch die Mädchenquote Europäischen Union“. Hier sind in den letzten vier Jah- erhöht werden konnte. Insbesondere im Sektor „Men- ren erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Ich nenne schenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung“, wo wir, exemplarisch die Bekämpfung der Armutsgefährdung die Bundesrepublik Deutschland, uns besonders stark durch differenzierte Arbeitsmarktinstrumente und kon- machen, sind durch deutsche oder bilaterale Projekte er- sequente Reformen der Hartz-Gesetze, die zu einer si- hebliche Fortschritte erzielt worden. Die Erkenntnisse gnifikanten Verringerung der Arbeitslosenzahlen und zur werden in die Post-2015-Agenda einfließen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32557

(A) Auch eine Stärkung zivilgesellschaftlicher Akteure Maßnahmen sind dringend notwendig, das hat nicht zu- (C) wie Menschenrechtsverteidiger oder NGOs ist vielfach letzt die Anhörung zum Thema am Montag dieser Wo- gelungen. Einen Schwerpunkt legt die Bundesregierung che sehr deutlich gemacht. traditionell auf den Aufbau von Staatlichkeit („Good Wir brauchen strafgesetzliche Regelungen, um Poli- Governance“), was zu beachtlichen Erfolgen geführt hat, zei und Justiz eine Handhabe zu geben (nicht zuletzt eine wie man etwa am Beispiel Ghanas erkennen kann. klarere Definition von „Prostitutionsstätte“), eine Auf- In einem vierten Teil enthält der Bericht den „Ak- klärungskampagne für Freier und Pornographie-User im tionsplan Menschenrechte der Bundesregierung 2012 Internet, für Prostituierte in Form von mehrsprachigen bis 2014“. Auch dieser ist zu begrüßen, da er eine klare Flyern oder einem Nottelefon in den Arbeitsräumen, ein Strategie enthält. Bleiberecht für Opfer von Menschenhandel, damit sie geschützt sind und verlässliche Aussagen machen kön- Einen Schwerpunkt darin möchte ich – gemeinsam nen, eine Anmeldepflicht für Prostituierte und Erlaub- mit der AG Menschenrechte meiner Fraktion und der nispflicht für Betreiber von Bordellen, Präventionsmaß- Mehrheit des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- nahmen in den Herkunftsländern, eine Dunkelfeldstudie, manitäre Hilfe – ausdrücklich betonen: den Einsatz, den um auf wissenschaftlicher Grundlage zu arbeiten und die Bundesregierung für Religionsfreiheit und verfolgte Gesetze zu beschließen. Christen (gemeinsam mit der EU) zeigt. In unserem Regierungsprogramm für die Legislatur So weit meine Würdigung. 2013 bis 2017 haben wir als CDU/CSU daher formuliert: Eingangs hatte ich zitiert, dass der Bericht eine gute „Wir wollen Frauen vor Gewalt und Zwangsprostitution Grundlage für „die parlamentarische sowie die gesell- besser schützen. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass schaftliche Debatte“ darstellt. Bei allem Lob für die Ar- der Bundestag erste Maßnahmen zur besseren Kontrolle beit der Bundesregierung, es gibt im Bereich Menschen- von Prostitutionsstätten beschlossen hat. Wir wollen rechte auch noch genug zu tun, wie es der Bericht selber aber weitergehen und treten dafür ein, das Strafrecht so in seinem Aktionsplan ja auch ausführt. zu ändern, dass Menschenhändler bei ausreichender Be- weislage auch ohne die Aussage ihrer häufig verängstig- Wenn wir die gesellschaftliche Debatte aufnehmen ten Opfer verurteilt werden können.“ und auf die Nichtregierungsorganisationen hören, die wir ja auch zu einer Expertenanhörung in den Ausschuss Hier werden wir nicht locker lassen. Ich bedanke eingeladen hatten, dann fällt hier vor allem die starke mich an dieser Stelle bei den vielen engagierten Men- und breite Kritik von verschiedenen NGOs an der deut- schen und NGOs, die sich diesem Thema widmen, denen schen Flüchtlingspolitik ins Auge. es gelungen ist, eine neue gesellschaftliche Debatte mit (B) großer medialer Aufmerksamkeit zu entfachen. (D) Hier muss in der nächsten Legislatur intensiv weiter debattiert werden, nicht zuletzt zwischen Bund und EU Als Berichterstatter meiner Partei zum Thema „Men- sowie zwischen Bund und Ländern, damit wir dem eige- schenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung“ möchte nen Anspruch, den Menschenrechtsansatz als Quer- ich abschließend noch auf Punkt 6 unseres Entschlie- schnittsaufgabe deutscher Innen- und Außenpolitik ßungsantrages eingehen. Dort heißt es: „Wir bitten die wahrzunehmen, auch gerecht werden. Bundesregierung … ein Schwerpunktthema zu dem von den Vereinten Nationen neu anerkannten Menschenrecht Wir verzeichnen auch hier Erfolge: Teile des Asylbe- auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung einzu- werberleistungsgesetzes wurden regional abgeschafft, fügen“. wie die Residenzpflicht oder die Gutscheinregelung. Das EU-Parlament hat sich erst vor wenigen Tagen, am Der Aktionsplan des Menschenrechtsberichts enthält 24. Juni 2013, mit einer Änderung des sogenannten dieses Anliegen zwar, wenn er formuliert: „Eine Priorität Dublin-II-Abkommens befasst. Aber wir haben noch der Entwicklungspolitik wird der Ausbau des Menschen- viel Arbeit vor uns. rechtsansatzes im Wassersektor sein – auch mit innovati- ven Formaten wie zum Beispiel WASH United. Die Er- Der Menschenrechtsausschuss hat in einem Ent- fahrungen werden in den jeweiligen internationalen schließungsantrag 14 „Bitten“ an die Bundesregierung Sektordialog eingebracht.“ für den nächsten MR-Bericht formuliert. Allerdings zeigt die Erfahrung der Runden Tische Auf zwei dieser Themen möchte ich an dieser Stelle zum Thema Wasser, die ich eingeführt und in der ver- exemplarisch näher eingehen: gangenen Legislatur regelmäßig mit afrikanischen Bot- In Punkt 5 heißt es: „wir wollen … der weltweiten schaftern durchgeführt habe: Das vorhandene Know- Verflechtung des Sklaven- und Menschenhandels und how muss noch viel besser vernetzt werden, zahlreichere der Bekämpfung dessen sowie den Bemühungen der Partner aus der Forschung und der Wirtschaft müssen Bundesregierung dabei weiterhin ein besonderes Augen- noch ins Boot geholt werden, um an der Seite der GIZ merk widmen“. Beim Thema Menschenhandel besteht oder der KfW Programme entwickeln zu können. Beson- dringender Handlungsbedarf. ders der Sanitärversorgung ist ein Schwerpunkt zu wid- men. Gestern Abend, am 27. Juni 2013 – um Mitternacht, genauer gesagt –, ist mit einem Zusatz zum Prostitu- Menschenrechtspolitik ist Querschnittspolitik. Sie be- tionsgesetz ein erster Schritt gemacht worden, aber nicht rührt alle Politikfelder: die Wirtschaft, die Sicherheit, die mehr als ein erster, zugegeben kleiner Schritt. Weitere Rechtsstaatlichkeit. Der Menschenrechtsbericht zeigt 32558 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) das große Engagement der Bundesrepublik, und er zeigt, leichter, Journalisten den Mund zu verbieten, um nur (C) wo weiterer Handlungsbedarf besteht. Bleiben wir dran! Beispiele zu nennen. Um der Menschen willen. In Deutschland leben wir im Vergleich dazu in einer Menschenrechtsidylle. Besorgt müssen wir aber zur Erika Steinbach (CDU/CSU): Mit dem zehnten Be- Kenntnis nehmen, dass Deutschland insbesondere Ziel- richt der Bundesregierung über ihre Menschenrechts- land von Menschenhändlern für die in die Prostitution politik, den zwei EU-Jahresberichten über Menschen- gezwungenen Opfer, meist Mädchen und junge Frauen rechte und Demokratie in der Welt, der Entschließung aus Ost- und Südosteuropa, geworden ist. Die Zunahme des Europäischen Parlaments zum EU-Jahresbericht des der Menschenhandelsopfer in diesem menschenentwür- Jahres 2010 sowie dem Strategischen Rahmen und Ak- digendem Bereich ist das Resultat der von der rot-grünen tionsplan des EU-Parlaments debattieren wir heute um- Bundesregierung geschaffenen Gesetzgebung, die es fangreiche und weitreichende Dokumente. Der zehnte möglich macht, Bordelle unkontrolliert zu betreiben. Die Menschenrechtsbericht war bereits Gegenstand einer öf- christlich-liberale Koalition hat dem in einem ersten not- fentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschen- wendigen Schritt Einhalt geboten. Doch das genügt noch rechte und Humanitäre Hilfe. nicht, alle wissen das. Deshalb müssen weitere Schritte Er fasst die innen- und außenpolitischen Aktivitäten folgen, um den Opfern Hilfestellung geben zu können und Initiativen zusammen und zeigt damit den Quer- und den Verbrechern das Handwerk zu legen. schnittcharakter der Menschenrechtspolitik der christ- lich-liberalen Bundesregierung. Abschließend stelle ich mit Genugtuung fest: Diese Bundesregierung redet nicht nur im Inland von Men- Die Berichte machen deutlich, es gibt weltweit mehr schenrechten, sondern spricht sie beständig auch ande- Defizite als beruhigende Nachrichten. Die Hoffnung auf ren Staaten gegenüber an, ob das Russland oder die Tür- Verbesserungen wurde immer wieder enttäuscht. Aus kei ist, ob es um China oder Indien geht. Insbesondere dem Arabischen Frühling wurde in Ägypten ein funda- die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ist sehr konse- mentalistischer Winter. In diesen Tagen wehren sich al- quent darin. lein in Kairo Hundertausende Menschen wieder gegen ihre Unfreiheit, sie protestieren gegen die Herrschaft Zum Abschluss möchte ich unserer Kollegin Ute Präsident Mursis. Tote sind zu beklagen. Die Schließung Granold sehr herzlich für ihr absolut unvergleichliches der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo und die Verur- Engagement danken. Ich bedauere sehr, dass sie sich teilung ihrer Mitarbeiter zu mehrjährigen Haftstrafen be- entschlossen hat, aus dem Bundestag auszuscheiden. Ich stätigen unsere Befürchtungen. Eine Entwicklung Ägyp- verspreche gleichzeitig, dass wir ihre Herzensangelegen- (B) tens hin zu Freiheit, Toleranz und Demokratie ist nicht heiten intensiv weiterverfolgen werden. Das sind insbe- (D) eingetreten. Das Gegenteil ist der Fall. sondere die Themen: Christenverfolgung und Religions- freiheit sowie Menschenhandel und Zwangsprostitution. Auch die Türkei befindet sich seit Jahren im latenten Rückwärtsgang. Wie man mit Demonstrations- und Mei- nungsfreiheit seitens der Regierung Erdogan umgeht, Arnold Vaatz (CDU/CSU): Die jetzige Bundesregie- haben wir in den zurückliegenden Wochen fassungslos rung fühlt sich im Besonderen einer wertegebundenen verfolgen müssen. Die Vorgehensweise der türkischen Außenpolitik verpflichtet. Gerade unsere Bundeskanzle- Regierung gegen Demonstranten und Regierungskritiker rin Dr. Angela Merkel lässt bei ihren Staatsbesuchen ist unvereinbar mit unseren europäischen Werten. Reli- keine Gelegenheit aus, gegenüber ihren ausländischen gionsfreiheit ist bei weitem nicht für alle im vollen Um- Gesprächspartnern auch kritische Fragen zur Lage der fang gesichert. Die Situation der Christen hat sich insbe- Menschenrechte zu erörtern. sondere im orientalischen Raum nicht verbessert, sondern ist geradezu dramatisch. So stellte die britische Wochenzeitschrift The Econo- mist jüngst fest, dass man beim Umgang mit Russland Mit großer Sorge beobachten wir seit Jahren die Ent- eher den Instinkten und Erfahrungen der Bundeskanzle- wicklung Russlands im Bereich der Menschenrechte, der rin vertrauen sollte als denen des US-Präsidenten. Der Demokratie und der Rechtstaatlichkeit. Das in der ver- Economist lobte ausdrücklich den offenen Umgang gangenen Woche durch das russische Oberhaus verab- Merkels mit den Zuständen in Russland als beispielhaft schiedete umstrittene Gesetz gegen „Homosexuellenpro- für den Westen. paganda“ setzt die Reihe der Entscheidungen gegen die russische Zivilgesellschaft fort. Im vergangenen Jahr Ein weiteres Beispiel ist die Ukraine. Seit dem Amts- wurde per Gesetz nicht nur die Arbeit von Nichtregie- antritt von Präsident Janukowitsch im Jahre 2010 ver- rungsorganisationen, die mit ausländischen Partnern ko- schlechterte sich die Lage der Menschenrechte spürbar. operieren, erheblich eingeschränkt und deren Büros Symbolisch dafür stehen die Strafverfahren gegen ehe- durchsucht, hohe Geldstrafen wurden gegen protestbe- malige Mitglieder der Regierung Timoschenko. Im reite Bürger verhängt, russische Oppositionelle wurden Zusammenhang mit der Fußball-EM 2012 und dem un- massiv schikaniert, einem Dumaabgeordneten wurde so- terschriftsreifen Assoziierungsabkommen mit der EU gar das Mandat entzogen. Er hatte sich für freie Wahlen unterstützte die Bundeskanzlerin uns Menschenrechts- eingesetzt und die Straßenproteste gegen Präsident Putin politiker mit der Forderung nach Freilassung der politi- unterstützt. Mit einer Änderung des Verleumdungspara- schen Gefangenen und nach fairen Wahlen und mit der grafen des russischen Strafgesetzbuches wurde es noch Kritik an der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32559

(A) Leider sind unsere tatsächlichen Einflussmöglichkei- ger SED und deren Werkzeug Staatssicherheit zu tun (C) ten in Weißrussland sehr bescheiden. Nach den gefälsch- haben, vielleicht einmal abgesehen davon, wenn es um ten Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 hat Dik- juristische Auseinandersetzungen um alte Vermögens- tator Lukaschenko in den vergangenen zwei Jahren für werte geht. politische Friedhofsruhe gesorgt. Wichtig ist, dass wir den Bürgerrechtlern wie Andrej Sannikow, Aleksej Immer wieder wird uns versichert, dass man nun doch Mihaljevich, Zmitser Dashkevich und anderen zuhören auch etliche junge Führungskräfte habe, die nichts mehr und ihnen eine Stimme geben, auch mit der heutigen De- mit der DDR zu tun hatten. All diese Bemühungen ver- batte. Besonderer Dank gilt an dieser Stelle unserem suchen lediglich, die altbekannten Inhalte zu vernebeln. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, der schon mehr- Für Sie von der Linkspartei ist der Kommunismus in fach selbst vor Ort war und auch hier in Berlin regelmä- Kuba vorbildhaft und wird zur Nachahmung empfohlen, ßig Vertreter der Opposition empfängt. wie der ausgerufene „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ eines Hugo Chávez in Venezuela zeigt. Wenn Sie in Hoffnung für Weißrussland bleibt dennoch: Hybris, Deutschland die Mehrheit erringen würden, wären also Realitätsverlust sowie Langeweile, die der Diktator als Einparteiensystem, Staatssicherheit und Unterdrückung Qualitätsmerkmal seiner Wahlen beschrieb, bringen je- der Freiheitsrechte nicht außerhalb der Diskussion. des Regime zum Einsturz. Das wissen wir aus unserer jüngsten und glücklich verlaufenen Geschichte genau. Ins Bild passt auch der von der Linkspartei zu dieser Debatte eingebrachte Entschließungsantrag. Er zeichnet Ähnlich sieht es leider auch in Kuba aus. Im Ver- ein grauenhaftes Bild unseres Landes gemäß den vorre- gleich zu Weißrussland gibt es aber nicht einmal die the- volutionären Theorien von Marx, Engels und Lenin: drü- oretische Möglichkeit für Bürgerrechtler, an Wahlen teil- ckende Armut, Wohnungsnot und Massenverelendung; zunehmen oder öffentlich Kritik an der Regierung zu Polizeigewalt; Militarisierung an Schulen. Gerade der üben. Das kommunistische Regime hält unverdrossen an letzte Punkt ist mit Blick auf die Durchdringung der seiner Willkürherrschaft fest. Gestützt auf Einparteien- DDR-Schulbücher mit militärischer Symbolik und die system, Staatssicherheit und Armee werden die Frei- paramilitärische Ausbildung an Schulen an Hybris nicht heitsrechte der Bevölkerung unterdrückt. zu überbieten. Wurden im Schwarzen Frühling 2003 noch zahlreiche Seit 1990 lebe ich in einem Staat, der seinen Bürgern Dissidenten verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen die Menschenrechte ohne Wenn und Aber garantiert und verurteilt, hat das Castro-Regime jetzt seine Taktik zur sich auch weltweit für deren Stärkung einsetzt. Das er- Unterdrückung geändert: Nun werden Oppositionelle füllt mich mit Dankbarkeit und Stolz und Einsatzbereit- auf der Straße oder vor ihren Häusern durch die Staats- schaft, das Errungene zu verteidigen. (B) sicherheit angegriffen, misshandelt und vor ihren Nach- (D) barn als Kriminelle und ausländische Agenten diskredi- Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Lobend äußerten tiert und immer wieder für kurze Zeit inhaftiert. Das und sich einige deutsche NGOs darüber, dass der vorliegende kleinere Beruhigungspillen wie die theoretische Reise- Menschenrechtsbericht sich vermehrt auch auf innen- freiheit oder Ansätze wirtschaftlicher Reformen sind politische Verhältnisse konzentriert. Auch ich begrüße weiterhin auf den alleinigen Machterhalt der Partei- das, und ich bin da völlig bei unserem Bundestagsprä- nomenklatur und des Militärs ausgerichtet. sidenten Professor Dr. Lammert. In seiner Rede zum Wir sollten uns nicht Sand in die Augen streuen las- 17. Juni sagte er: „Wir müssen uns selbst auch kritische sen. Leider bin ich mir nicht sicher, ob das nicht bei eini- Fragen stellen oder zumindest gefallen lassen zu unse- gen Kollegen und einem Staatssekretär des Bundes rem Umgang mit Andersdenkenden, Minderheiten und schon geschehen ist. Um mit Vertretern der kommunisti- Demonstranten“. Stichwort „double standards“, wenn schen Staats- und Parteiführung sprechen zu können, ich an die Polizeiaktion gegen die letzte Blockupy- verzichteten sie bei ihren jüngsten Kubareisen bewusst Kundgebung in Frankfurt denke oder an die knapp auf den Kontakt mit Bürgerrechtlern. 100 000 Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus oder an die „Rote Karte“, die die EU-Kommission ges- Noch einmal ganz anders gestaltet sich das Verhältnis tern Deutschland zeigte und die mangelnde Gleichstel- der Linkspartei zur kubanischen Führung. Solidaritäts- lung und Diskriminierung der Roma bemängelte. Des- adressen und -besuche gehören zum guten Ton und athe- halb kann ich nur sagen: Gut gemeint ist noch lange istischen Glaubensbekenntnis. Ein klares Zeugnis dafür nicht gut gemacht. Man merkt: Sie haben es vor allem ist die Arbeitsgemeinschaft „Cuba Sí“ der Linkspartei. gut mit sich selber gemeint. Kritische Punkte aus der Dort sind sie heute Abend eingeladen, hier in Berlin den Vergangenheit zu berücksichtigen oder bestehende Pro- 85. Geburtstag des Massenmörders Ernesto Ché bleme neu zu denken, vermisse ich in diesem Bericht. Guevara zu feiern. Mehr Identifizierung mit dem kuba- Gleichzeitig will ich aber nicht in Abrede stellen, dass nischen Regime geht wohl kaum. Eigentlich könnte man Markus Löning in den letzten dreieinhalb Jahren einen über solch absurde Veranstaltungen die Schultern zu- guten Job gemacht hat. cken, sich an den Kopf greifen und den Gang zum Arzt empfehlen. Wenn es allerdings um die Situation im eigenen Land geht, so konzentriert sich die Bundesregierung haupt- Aber Vorsicht! Seit Jahren wollen uns diese Partei sächlich darauf, Dinge abzuwehren oder bestenfalls nur und ihre Vertreter hier im Bundestag weismachen, dass auf Beschlüsse zu reagieren, zum Beispiel wenn es um sie nichts, aber auch gar nichts mehr mit ihrem Vorgän- den Schutz der Asylsuchenden geht. Drei Anträge hat 32560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) meine Fraktion vorgelegt, um ihre Lebensbedingungen rechtsrat der Vereinten Nationen im Frühling dieses Jah- (C) zu verbessern. Schließlich musste das Bundesverfas- res in Genf hat ein hohes Maß an Wertschätzung hervor- sungsgericht richtigstellen, die Leistungen für Asylbe- gebracht. werber zu erhöhen. Wenn ich mir das jüngste Urteil zur Es gab aber auch ein großes Potenzial an Kritik, und sukzessiven Adoption für gleichgeschlechtliche Paare in dies nicht zu Unrecht. Erinnerung rufe, so war es erneut das Bundesverfas- sungsgericht, das die Ungerechtigkeit anprangerte. Es ist So hat Deutschland immer noch nicht das Zusatzpro- unverantwortlich, dass immer erst die Justiz eingreifen tokoll zu den WSK-Rechten ratifiziert – ein Skandal! muss, um der Regierung die Augen zu öffnen und sie 2008 wurde dieses Abkommen, dass zum ersten Mal ei- zum Handeln aufzufordern. genständige Beschwerdeverfahren der Betroffenen aus- spricht, durch die damalige Bundesregierung gezeichnet, Reagieren statt handeln, Passivität statt Aktivität, ein Gesetzentwurf zur Ratifizierung liegt immer noch meinen statt tun! Sie sind auch weit davon entfernt, sich nicht vor. Seit Beginn dieser Legislaturperiode wird la- aktiv mit den neuen Gefahren auseinanderzusetzen, die mentiert, hoher Abstimmungsbedarf zwischen den betei- die Rechte der Menschen in einer globalisierten Welt zu- ligten Ressorts wird geltend gemacht. Ein Armutszeug- nehmend bedrohen. Ich denke zum Beispiel an den Kli- nis für eine Regierung und ein Land, das für sich mawandel oder an die Rechte älterer Menschen und den gegenüber anderen immer wieder eine Vorreiterrolle bei demografischen Wandel oder an die Entwicklungen in der Umsetzung von internationalen Vereinbarungen in der Außenwirtschaft – Stichwort „Vergabe von Export- Anspruch nimmt und diese auch bei anderen einklagt. kreditgarantien“. Die Ratifizierung wird eine der ersten Taten einer neuen Wenn ich mir dann auch noch Ihre gerade einmal acht Bundesregierung sein müssen. Initiativen der vergangenen Legislatur anschaue – davon Weit zurück hängt diese Bundesregierung und die sie auch noch drei interfraktionelle – , dann wundere ich tragende Mehrheit auch bei der Umsetzung internationa- mich doch, wie Sie die zahlreichen Seiten Ihres Berichts ler Rahmenbedingungen für eine verbindliche Haftung überhaupt füllen konnten. international tätiger Unternehmen für schwerste Men- Das alles zeigt, dass die jetzige Bundesregierung noch schenrechtsverletzungen, die sie oder ihre Zuliefererbe- längst nicht sicherstellt, dass den hier lebenden Men- triebe zu verantworten haben. Nicht zuletzt die furcht- schen ein ausreichender Schutz zukommt. Frauen, Men- bare Katastrophe in einem Textilverarbeitungsbetrieb in schen mit Migrationshintergrund, ältere Menschen, Asyl- Bangladesch müsste doch dem Letzten die Augen dafür suchende, Homosexuelle und Transgender sowie Menschen geöffnet haben, dass es gerade in solchen Arbeitsverhält- mit Handicap sind besonders schützenswert. Es ist un- nissen verbindlicher Normen bedarf, die sich an den (B) sere Aufgabe, diese Gruppen mündig zu machen, ihre Kernarbeitsnormen der ILO orientieren, und zwar so- (D) legitimen Ansprüche einfordern zu können. Sie haben wohl hinsichtlich der konkreten Arbeitsbedingungen als das in den meisten Fällen abgelehnt. Für die SPD bedeu- auch hinsichtlich der sozialen und ökologischen Rah- tet das, dass in der kommenden Wahlperiode noch viel menbedingungen in unseren Partnerländern. Auch hier zu tun ist. besteht erheblicher Nachholbedarf hinsichtlich der kon- kreten Verpflichtungen weltweit tätiger Unternehmen, gerade angesichts solcher Katastrophen, den wir mit an- Christoph Strässer (SPD): Wenn wir heute, am deren politischen Mehrheiten in der nächsten Legislatur- letzten Sitzungstag der Legislaturperiode, kurz bevor die periode in Angriff nehmen werden. Lichter ausgemacht werden, über die Menschenrechts- politik dieser noch amtierenden Bundesregierung und Der Katalog der Versäumnisse ließe sich noch um der EU debattieren, so zeigt dies, welchen Stellenwert Vieles ergänzen, ich kann das aus Zeitgründen hier nur dieses Politikfeld für diese Koalition hat: Es steht in der stichpunktartig machen: weiterhin keine bundesgesetzli- Wertigkeit ganz am Ende. Die Realität steht – wie bei che Initiative zur kompletten Umsetzung der Kinder- fast allem, was diese Koalition als Bilanz vorlegt – in rechtskonvention. Die Rücknahme der letzten Vorbe- eklatantem Widerspruch zu den eigenen Ansprüchen. halte hierzu war ein großer Fortschritt, aber es blieb bei Fürwahr: Bunt in Hochglanz bedrucktes Papier gibt es dem, was viele befürchtet hatten, nämlich dass es sich en masse, in die Tat umgesetzt ist davon fast nichts. für diese Bundesregierung um einen rein deklamatori- schen Akt handelte. Wir werden nach dem 22. Septem- Dies gilt ganz besonders für den Bereich, mit dem ich ber umgehend dafür Sorge tragen, dass es endlich auch mich heute im Wesentlichen befassen will, nämlich der zu materiell-rechtlichen Anpassungen kommt, und zwar Umsetzung internationaler Vereinbarungen und Konven- insbesondere im Aufenthalts- und Leistungsrecht. Auch tionen in die deutsche Verfassungspraxis. die Ausstattung der nationalen Präventionsstelle zur Ver- hütung von Folter ist nach wie vor unzureichend, ein Ar- Um nicht missverstanden zu werden, gleich zu Be- mutszeugnis für die Menschenrechtspolitik dieser Bun- ginn die klare Feststellung, dass der Stand der Men- desregierung, ganz zu schweigen von dem Skandal, dass schenrechte in Deutschland sehr hoch ist. Ein insgesamt die Antikorruptionskonvention der VN auch in dieser gut funktionierendes Justizsystem, der Stand der Mei- Legislaturperiode nicht ratifiziert wurde. nungs- und Pressefreiheit, um nur zwei Eckpfeiler zu nennen, senden starke Signale für den Stand von Demo- Große Sorge bereitet auch der Umstand, dass es der kratie und Rechtsstaatlichkeit in unserem Land. Auch Bundesregierung nicht gelungen ist, ein Gesetz in die die Überprüfung Deutschlands vor dem Menschen- Beratung einzubringen, das den Status des Deutschen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32561

(A) Instituts für Menschenrechte regelt und ihm die Chance Marina Schuster (FDP): Ich bin dankbar, dass wir (C) vermittelt, weiterhin formal in der höchsten Liga der zum Abschluss der letzten Sitzungswoche in dieser nationalen unabhängigen Menschenrechtsinstitute mit- Wahlperiode noch einmal Menschenrechte zum Thema spielen zu können. Das Institut macht eine hervorra- machen. Das ist eine Chance, um Bilanz zu ziehen. Und gende Arbeit und ist international wie national eine der diese Bilanz kann sich sehen lassen. am höchsten angesehenen Menschenrechteinrichtungen. Wir haben als erste Koalition ein eigenes Menschen- Diesen Ruf genießt es offenbar nicht bei dieser Bundes- rechtskapitel in den Koalitionsvertrag aufgenommen, regierung – oder jedenfalls Teilen davon. Bei der Akkre- und wir haben Wort für Wort geliefert. ditierungskonferenz im Herbst besteht die konkrete Ge- fahr, dass das Institut seinen hohen Standard einbüßt, Das waren vier gute Jahre. weil diese Bundesregierung sich weigert, einen bereits Ich danke besonders meinem Kollegen Markus fertig in der Schublade liegenden Gesetzentwurf in die Löning, dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundes- Beratung einzubringen, der die Arbeit des Instituts auf regierung, für seinen unermüdlichen Einsatz. Es ist in eine entsprechende Grundlage stellt. Ein Skandal erster hohem Maße sein Verdienst, dass Deutschland beim Güte und eine komplette Blamage für das Ansehen der UPR-Verfahren, dem sogenannten Menschenrechts- Bundesrepublik Deutschland, wofür allein diese Regie- TÜV beim UN Menschenrechtsrat in Genf, eine hervor- rung die Verantwortung trägt. ragende Figur gemacht hat. Er hat auch Lob und Aner- Ein letzter Punkt, der mir noch sehr am Herzen liegt, kennung der internationalen Staatengemeinschaft erhal- ist die Entwicklung in der ältesten europäischen Institu- ten – und zwar zu Recht. Nicht nur im Ausland, sondern auch im Inland ist er für seine Arbeit höchst angesehen, tion, die sich mit der Situation der Menschenrechte in über alle Fraktionen hinweg. 47 Staaten des europäischen Kontinents auseinander- setzt, im Europarat. Ich schließe mit meinem Dank an, insbesondere an Dr. Guido Westerwelle, Dirk Niebel und Sabine Als Mitglied der parlamentarischen Versammlung er- Leutheusser-Schnarrenberger, die sich in ihren Ressorts lebe ich seit einigen Jahren, dass der eigentliche Auftrag für Menschen- und Bürgerrechte stark machen. dieser Institution, nämlich die Wahrung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, immer mehr zurückgedrängt Unsere Richtschnur – und mein innerer Antrieb – ist wird. Bündnisse entstehen, die sich nicht mehr an den dabei: Menschenrechte, die auf dem Papier seit Jahr- Grundwerten des Europarates orientieren, sondern an zehnten bestehen, müssen sich auch materialisieren las- ökonomischen Interessen und der Verteidigung von Ver- sen. Das heißt, sie müssen einklagbar sein. (B) hältnissen in einzelnen Mitgliedsländern, die mit den Deswegen haben wir uns mit Erfolg dafür eingesetzt, (D) Grundsätzen der Europäischen Menschenrechtskonven- dass Menschen ihre Rechte einklagen können, indem wir tion jedenfalls nach meiner Überzeugung nicht mehr viel Menschenrechtsschutzsysteme verbessert haben. Wir ha- zu tun haben. Verletzungen der Meinungs- und Presse- ben den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte freiheit, des Demonstrationsrechts, offene von den be- bei der Reformkonferenz in Brighton gestärkt, gegen treffenden Staaten nicht nur nicht verhinderte, sondern den Widerstand auch aus Nachbarstaaten wie Großbri- teilweise sogar unterstützte Diskriminierungen von Ho- tannien. Als Mitglied der Parlamentarischen Versamm- mosexuellen werden nicht mehr mit der nötigen Ent- lung des Europarates weiß ich, dass das Gericht oft die schiedenheit angegangen, teilweise herrscht die Devise, letzte Hoffnung für Opfer von Menschenrechtsverlet- nach der Bündnisse geschmiedet werden: Schweig Du zungen ist. Über 120 000 anhängige Verfahren sind dort über die Verhältnisse in meinem Land, dann rede ich zu verzeichnen, und wir werden daher alles tun, damit nicht über die Versäumnisse in deinem. Die Glaubwür- der EGMR nicht an seinem eigenen Erfolg zerbricht. digkeit, ja die Existenzberechtigung dieser ältesten euro- päischen überstaatlichen Menschenrechtsorganisation Wir haben hier bei uns den Zugang zum Gericht er- leichtert durch das Gesetz zur Einführung von Kosten- steht auf dem Spiel. Deshalb zum Schluss mein Appell hilfe für Drittbetroffene in Verfahren vor dem EGMR. an alle, denen der Europarat etwas bedeutet: Lassen Sie Und hier erinnere ich ganz besonders an meinen lieben uns fraktionsübergreifend in der nächsten Legislatur- Kollegen Dr. , der viel zu früh verstorben ist periode alle Anstrengungen unternehmen, um den Ver- und sich so für den EGMR eingesetzt hat. fall dieser großartigen Institution aufzuhalten und sie wieder zu dem zu machen, was sie über Jahrzehnte ge- Zum Internationalen Strafgerichtshof, IStGH: Es war wesen ist: Eine politische und ethische Instanz, auf die Deutschlands Verdienst bei der Überprüfungskonferenz Millionen Menschen in den Mitgliedstaaten gehofft ha- des IStGH in Kampala, dass Strafbarkeitslücken ge- ben, eine unabhängige Instanz zur Verteidigung von De- schlossen wurden. Wir stärken damit den IStGH. Als ei- mokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. ner der ersten Staaten hat Deutschland die Änderungen des Römischen Statuts ratifiziert, die Urkunde wurde Es gibt viel zu tun in der nächsten Legislaturperiode, erst Anfang des Monats in New York hinterlegt. Der Tat- es gibt viele Versäumnisse zu beheben. Wir werden mit bestand der Aggression untersteht nun der Gerichtsbar- einer starken SPD-Fraktion in diesem Hause dafür sor- keit des IStGH. Damit wurde ein weiterer wichtiger gen, dass die Menschenrechtspolitik im In- und Ausland Schritt im Kampf gegen die Straflosigkeit und zum endlich wieder den Stellenwert bekommt, der ihr zusteht – Schutze universeller Menschenrechte erreicht – ich wie- und das nicht nur auf dem Papier. derhole es sehr gerne: es ist ein Meilenstein des Völker- 32562 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) strafrechts, der weit in die nächsten Generationen hin- übernommen, aber ich lade ganz herzlich Kollegen auch (C) ausreicht. aus ganz anderen Ausschüssen dazu ein, mitzumachen. Frau Steinbach ist Patin von Julia Timoschenko, Frau Wir haben das Menschenrecht auf Wasser auf interna- Graf Patin von Agzam Turgunov. Ich selbst bin bei- tionaler Eben nach vorne gebracht. Zusammen mit Spa- spielsweise Patin von drei Menschenrechtsaktivisten in nien haben wir die sogenannte „Blue Group“ geründet, Simbabwe. das sind Unterstützer im Einsatz für das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung. Den Schutz Das Konzept ist denkbar simpel und doch erfolgreich: von Kindern in bewaffneten Konflikten hat Deutschland Mit der Patenschaft übernehmen wir Abgeordnete die verbessert. Durch die Einbringung zweier Resolutionen Verantwortung, Öffentlichkeit für den Einzelfall herzu- im UN Sicherheitsrat konnten wir erreichen, dass An- stellen, natürlich in Absprache mit den Betroffenen. Das griffe auf Krankenhäuser und Schulen nun international können Pressemitteilungen oder Briefe an die jeweiligen geächtet werden, und haben die Arbeit der UN Sonder- Botschafter sein oder auch ein Einwirken auf informel- beauftragten für Kinder und bewaffnete Konflikte deut- lem Wege, wenn wir zum Beispiel Gefangene besuchen. lich gestärkt. Helfen Sie mit, Menschenrechtsverletzungen sichtbarer Wir haben uns kontinuierlich für die Menschenrechte zu machen und fundamentale Grundrechte weltweit von LGBTI-Personen weltweit eingesetzt. In 38 Ländern durchzusetzen. südlich der Sahara sind laut Amnesty International ho- Ich freue mich auf vier weitere gute Jahre für die mosexuelle Handlungen eine Straftat. Wir Liberale ha- Menschenrechtspolitik. ben uns in dieser Legislaturperiode immer wieder ent- schieden gegen solche Gesetzesinitiativen gewandt, sei Am Schluss: Ein Dank gilt auch allen Kolleginnen es in Uganda oder zuletzt in Nigeria. Sehr bestürzt bin und Kollegen im Ausschuss. Wir haben doch über die ich auch über das Gesetz, das „Homosexuellenpropa- Fraktionen hinweg einiges stemmen können. ganda“ unter Strafe stellt und das vor einigen Tagen von Meinen Kolleginnen Ute Granold und Angelika Graf, der Duma verabschiedet wurde. Angela Merkel und die nicht mehr kandidieren, wünsche ich für den neuen Guido Westerwelle haben hier sehr klare Worte gefun- Abschnitt alles erdenklich Gute. den und die russische Regierung aufgefordert, das Ge- setz zurückzunehmen. Annette Groth (DIE LINKE): Weltweit kritisieren Weil ich gerade bei Russland bin, möchte ich gerne wir die Verletzung von Menschenrechten. Das ist auch eines klarstellen. Gerade in Zusammenhang mit Russ- richtig! Wenn es aber um Menschenrechte in Deutsch- land wurde in der Vergangenheit oft von einer „Moral- land und in den Ländern der EU geht, schweigen Sie in (B) ecke“ gesprochen, in der sich Deutschland angeblich be- den Regierungsfraktionen, obwohl sich die Lage in den (D) finde. Da kämen immer diese Menschenrechtler mit letzten Jahren spürbar verschlechtert hat. Einige Bei- ihrem erhobenen Zeigefinger, liest man da in Kommen- spiele dazu. taren. Heftig und völlig zu Recht hat die Bundesregierung Das hier geht auch ganz deutlich an die Sandschneiders, das brutale Vorgehen der türkischen Polizei kritisiert. Steinbrücks und Schröders dieser Welt: Wenn wir Russ- Als aber die deutsche Polizei während der Blockupy- land an seine menschenrechtlichen Pflichten erinnern, Aktionstage in Frankfurt mit äußerster Härte eine De- dann tun wir das aus dem Verständnis heraus, dass Men- monstration verhindert und mehr als tausend Demon- schenrechte universell und unteilbar sind, und auf strierende einkesselt hat, schwieg die Regierung. Das Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonven- nehmen wir nicht hin! tion, der Russland freiwillig und selbständig bereits 1996 beigetreten ist. Die maßgeblich von Troika und der Bundesregierung betriebene Austeritätspolitik stürzt ein Großteil der Be- Menschenrechte sind Rechte. Es sind keine Standards völkerung in den südeuropäischen Ländern ins Elend. In des Westens. Wenn wir andere Staaten an diese Stan- Griechenland hat fast ein Drittel der Bevölkerung keine dards erinnern und sie auch einfordern, dann ist das eben Krankenversicherung mehr; viele Menschen können sich keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten. keinen Arztbesuch mehr leisten; Kinder kommen hung- Denn es geht um universelle Rechte, zu deren Einhal- rig in die Schule. In Portugal und Spanien sind 50 Pro- tung sich viele, viele Staaten freiwillig verpflichtet ha- zent der Jugendlichen arbeitslos, in Griechenland über ben und die in den jeweiligen Verfassungen selbst veran- 60 Prozent. Ihnen wird jegliche Zukunftsperspektive ge- kert sind. nommen. An dieser Situation ist auch die Bundesregie- Zum Schluss möchte ich Sie alle auffordern, selbst rung mit schuldig. Beenden Sie endlich diese fatale Poli- aktiv zu werden. Nutzen Sie das Menschenrechtslogo, tik! Eine EU-Politik ohne soziale Gerechtigkeit wird werden Sie Menschenrechtsbotschafter und laden Sie scheitern! das Foto auf der Website der Kampagne hoch. Viele mei- Der Bericht des UN-Menschenrechtsrats sowie der ner FDP-Kollegen sind bereits Unterstützer. Staatenbericht zum Sozialpakt listen etliche Defizite bei Und noch viel wichtiger: Werden Sie Pate im Rahmen der Einhaltung von Menschenrechten in Deutschland unseres gemeinsamen Bundestagsprogramms „Parla- auf. So wurde kritisch angemerkt, dass durch die feh- mentarier schützen Parlamentarier“. Einige Kollegen ha- lende Kennzeichnung von Polizisten Gewaltakte durch ben schon über alle Fraktionen hinweg Patenschaften Polizeibeamte nicht strafrechtlich verfolgt werden kön- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32563

(A) nen. Kritisiert wurden auch die fortwährende Diskrimi- Die Prinzipien, die darin genannt werden, sind alle (C) nierung von Sinti und Roma, die Gettoisierung von Mi- richtig. Wir haben aber heute konkrete Probleme, die grantinnen und Migranten, Gewalt gegen Frauen und die dort nicht im Ansatz aufscheinen. in vielen Pflegeheimen praktizierte Fixierung von De- Edward Snowden ist über Nacht zum meistgesuchten menzkranken. Menschen der Welt geworden. Dank ihm wissen wir, wie Millionen Menschen wird seit der Einführung der uns die Geheimdienste NSA und GCHQ mit ihren Pro- Hartz-Reformen durch die damalige rot-grüne Bundesre- grammen Prism und Tempora systematisch ausspionie- gierung die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftli- ren. chen Leben verwehrt, die Bildungschancen von Kindern Edward Snowden ist kein Landesverräter, er ist Auf- hängen in Deutschland vom Geldbeutel der Eltern ab. klärer. Verraten hat er nur die Vergehen der amerikani- Hierzulande wächst jedes sechste Kind in Armut auf, un- schen und britischen Regierung. Nicht Snowden sollte ter den Kindern mit Migrationshintergrund sind es sogar man der unrechtmäßigen Spionage bezichtigen, sondern doppelt so viele. Das ist ungeheuerlich! Wir Linke for- die Geheimdienste. Deutschland sollte dem Whistle- dern schon lange: Weg mit Hartz IV und die Schaffung blower Snowden Asyl anbieten. einer bedarfsorientierten Grundsicherung für alle! Wer schützt jetzt noch Edward Snowden? Es sind Ein weiterer Skandal ist der unmenschliche Umgang Russland, China und Ecuador, sie alle gelten nicht als mit Flüchtlingen, Asylsuchenden und Menschen ohne Hort der Demokratie und der Meinungsfreiheit. Ausge- Papiere. Deshalb sind derzeit über fünfzig Flüchtlinge in rechnet die Feinde des freien Wortes, die eigene groß- München im Hungerstreik und protestieren gegen diese flächige Überwachungsprogramme betreiben, sollen menschenverachtende Politik. Einige von ihnen sind be- Snowden schützen? Ausgerechnet bei ihnen soll er Asyl reits im Krankenhaus. finden? Wir fordern, die Residenzpflicht für Asylbewerberin- Snowden ist Datenschützer und Menschenrechtsver- nen und Asylbewerber sofort abzuschaffen! teidiger. Er verteidigt das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis, die laut Art. 10 des Aber es geht nicht nur um das deutsche Asylsystem. Grundgesetzes „unverletzlich“ sind; er verteidigt den Durch die Grenzabschottung ist die EU zu einer Festung Schutz der Privatsphäre und der Wohnung, und die infor- geworden – und es ist ein Hohn, sie als „gemeinsamen mationelle Selbstbestimmung. Sie alle sind Grund- und Schutzraum für Flüchtlinge“ zu bezeichnen. Griechen- Menschenrechte, die zum Schutz und zur Abwehr entwi- land hat im letzten Jahr für die Betreuung der Flücht- ckelt wurden gegen einen Staat, der seine Bevölkerung linge 4 Millionen Euro erhalten – für die Grenzsicherung systematisch bespitzelt und unterdrückt. der Außengrenzen zur Flüchtlingsabwehr aber 200 Mil- (D) (B) lionen Euro! Auch das ist ein Skandal! Mit vielen Mit- In Deutschland glaubten wir, dass die Zeit der totalen gliedern des Europarates fordern auch wir Linken nach- Überwachung vorbei sei, dass Stasi-Machenschaften der drücklich eine gerechte Aufteilung der Flüchtlinge auf Vergangenheit angehörten. Seit dem 6. Juni 2013, dem alle EU-Mitgliedstaaten. Tag, an dem der Guardian und die Washington Post das erste Mal über Prism berichtet haben, wissen wir: Die in- Noch immer wird in etlichen Ländern die Todesstrafe formationellen Rechte sind in großer Gefahr. Bedroht verhängt und vollstreckt. Dies kritisieren alle Fraktio- werden sie nicht nur von Schurkenstaaten oder Terror- nen. Dass die USA aber im völkerrechtswidrigen Droh- gruppen, bedroht werden sie auch von unseren Verbün- nenkrieg, wie zum Beispiel in Pakistan oder im Jemen, deten. Ihre Abhörprogramme unterminieren die freiheit- fast jede Woche Menschen ohne Anklage und ohne Ge- liche Grundordnung unserer Demokratie. Die Bürger richtsurteil töten, wird schweigend hingenommen. verlieren das Vertrauen in den Staat. Wir sagen, auch für den Drohnenkrieg dürfen keine Am 19. Juni sprach Obama vor dem Brandenburger Militärstützpunkte in Deutschland benutzt werden. Tö- Tor. „Geschichte schreiben“ wollte er und verkündete ten durch Drohnen ist Mord! Und zu Mord darf keine für den amerikanischen Terrorkampf eine neue Glei- deutsche Behörde beitragen, auch nicht durch die Wei- chung: „balancing the pursuit of security with the pro- tergabe von Informationen. Wir fordern eine weltweite tection of privacy“. Und gleich im Anschluss versuchte Ächtung von Kampfdrohnen und die Verankerung eines er klarzustellen: „Our current programs are bound by Verbots von Waffenexporten im Grundgesetz. the rule of law, and they’re focused on threats to our se- curity – not the communications of ordinary persons.“ Sehr verehrte Damen und Herren von der Regierungs- koalition, wir nehmen nicht hin, dass Menschenrechte Aber Obama und die Briten stehen unter Druck, in mit zweierlei Maß gemessen werden. Menschenrechte erster Linie durch eine wiedererwachende Zivilgesell- sind unteilbar und nicht verhandelbar. schaft. Auf beiden Seiten des Atlantiks wollen Men- schen die Bespitzelung nicht hinnehmen. Selbst die Bun- desregierung bemüht sich anscheinend um Kritik: Sie Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir hat einen Fragenkatalog eingereicht, die Justizministerin diskutieren heute verschiedene Menschenrechtsbe- hat einen Brief geschrieben, und auch Frau Merkel hat richte. Das sind der „EU-Jahresbericht 2010 – Men- den amerikanischen Präsidenten auf Prism angespro- schenrechte und Demokratie in der Welt“, der „Zehnte chen. Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechts- politik“ und weitere Unterrichtungen über die europäi- Geholfen hat das alles nichts. Im Gegenteil: Britan- sche Menschenrechtspolitik. nien winkt kategorisch ab, die USA betreiben weiter ihre 32564 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Hetzjagd auf Snowden. Mehr noch: Ausgerechnet jetzt Und da machen wir weiter. Ganz aktuell arbeiten wir (C) plant der Innenminister, das Internet stärker zu überwa- für die Entwicklungszusammenarbeit der EU an den chen. 100 Millionen Euro sollen dazu in den Bundes- Finanzierungsinstrumenten zur Förderung von Men- nachrichtendienst investiert werden. Das Programm hat schenrechten und Demokratie. Da ist mein Anliegen, noch keinen klangvollen Namen wie Prism oder Tem- dass wir einen umfassenden Menschenrechtsansatz ver- pora. Wie wäre es mit „Nationales Center für Kommuni- folgen und neben den bürgerlich-politischen auch die kation und Transfer“, NACKT? Der Bundesinnenminis- wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte stär- ter und Obama haben dieselbe Begeisterung für die ken. Menschenrechte sind nichts Akademisches, sondern totale Überwachung. Die USA jagen den Whistleblower, es geht ganz konkret darum, dass Menschen ihr Leben die Bundesregierung will ihn nicht schützen, und das, nach ihren Vorstellungen frei gestalten und selbstbe- obwohl sie sich in dem Antikorruptionsaktionsplan der stimmt führen können. Das gilt auch und gerade für G-20-Staaten vom November 2010 auch zum Schutz Menschen mit Behinderung. Das gilt auch und gerade von Whistleblowern bekannt hat. Sie hat explizit für die Rechte von Mädchen und Frauen. Das gilt immer angekündigt, sie werde „bis Ende 2012 Regeln zum dort, wo die freie Entfaltung des Menschen einge- Whistleblowerschutz erlassen und umsetzen“. Das ist schränkt wird. nicht geschehen. Wir, die Grünen, haben den Entwurf ei- Für unseren Erfolg ist wichtig, dass alle Politiken der nes Gesetzes zum Schutz von Whistleblowern vorgelegt. EU kohärent zum weltweiten Kampf für Menschen- Deutschland sollte Edward Snowden Asyl anbieten, rechte beitragen. Wir müssen zum Beispiel die EU-Han- das wäre ein Bekenntnis zu Freiheit und Menschenrech- delspolitik so gestalten, dass sie den ärmeren Ländern ten in der Privatsphäre und im Netz. Chancen auf Entwicklung und die Verwirklichung von Menschenrechten bietet. Darauf zu achten, gehört übri- Asyl für Edward Snowden! gens mit zu den Aufgaben des Sonderbeauftragten. Wir haben die deutsche Entwicklungspolitik neu auf Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Menschenrechte ausgerichtet. Im BMZ haben wir 2011 minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- das erste verbindliche Menschenrechtskonzept verab- wicklung: Ich freue mich ganz außerordentlich, dass ich schiedet. Seitdem durchlaufen alle unsere Programme meine letzte Rede im Deutschen Bundestag in einer einen Menschenrechts-Check. Plenardebatte halten darf, deren Thema mir ganz beson- Menschenrechte sind das Fundament für zukunftsfä- ders am Herzen liegt, nämlich Menschenrechte und De- hige Entwicklung. Das gilt in Deutschland wie überall mokratie in der Welt. Das ist das liberale Thema über- auf der Welt. Und für die Zukunft der Menschen zu ar- (B) haupt. Dafür bin ich in die Politik gegangen. Denn für beiten, das ist Politik, das ist die Aufgabe dieses Parla- (D) Menschenrechte und Demokratie lohnt es sich, jeden ments. Tag zu kämpfen. Und Menschenrechte und Demokratie sind der übergeordnete Rahmen, in dem unsere neue Für die Zukunft der Menschen zu arbeiten, war mein deutsche Entwicklungspolitik agiert. Anspruch, den ich in 15 Jahren Zugehörigkeit zum Deut- schen Bundestag vertreten habe. Ich verabschiede mich Lassen Sie uns auch jetzt im Wahlkampf nicht verges- mit großer Freude über das Erreichte. Dies waren beson- sen, wofür wir überhaupt ein Mandat wollen. Das ders erfolgreiche vier Jahre für die Entwicklungszusam- Grundgesetz sagt es in seiner Präambel: Deutschland ist menarbeit. Ich verabschiede mich mit Dankbarkeit für beseelt von dem Willen, dem Frieden in der Welt zu die- die gute Zusammenarbeit mit den Kollegen und Kolle- nen. Gerade die deutsche Geschichte hat gezeigt: Dauer- ginnen im Deutschen Bundestag. Mein spezieller Dank haften Frieden kann es nicht geben ohne Menschen- geht dabei an mein Team im Bundestagsbüro und an die rechte und Demokratie. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im BMZ. Ich bin stolz über die geballte Expertise, die es in diesem Ministerium Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht. Voriges für globale Zukunftsfragen gibt. Und schließlich: Ich Jahr konnten wir in der EU ein ganzes Menschenrechts- verabschiede mich mit dem festen Willen, mich weiter- paket auf den Weg bringen, mit einer strategischen hin mit Herzblut für die und in der Politik für die Zu- Erklärung und einem detaillierten Aktionsplan für Men- kunft der Menschen zu engagieren. schenrechte. Mit Stavros Lambrinidis als Sonderbeauf- tragten für Menschenrechte haben wir einen Mann, der sich schon als EU-Abgeordneter einen Ruf als starker Anlage 8 Anwalt der Freiheitsrechte erworben hat. Zu Protokoll gegebene Reden Diese Erfolge wirken sich ganz konkret aus. Zum Beispiel wurden nicht zuletzt auf unser Wirken hin die zur Beratung des Antrags: 50 Jahre Kennedy- Kriterien für die Vergabe von EU-Budgethilfe wesent- Rede vor dem Rathaus Schöneberg in Berlin – lich geschärft. Jetzt wird auf die Einhaltung von Men- Die transatlantischen Beziehungen fortentwi- schenrechten geschaut und gegebenenfalls auch mit ckeln (Tagesordnungspunkt 75) Sanktionierung reagiert. Damit dokumentieren wir ganz konkret: Wir lassen nicht zu, dass Menschenrechte miss- Peter Beyer (CDU/CSU): Der Besuch des amerika- achtet werden. Wir schauen nicht weg, wenn Unrecht nischen Präsidenten John F. Kennedy 1963 in der geteil- geschieht. ten Stadt Berlin markiert einen Meilenstein für eine enge Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32565

(A) politische sowie emotionale Bindung zwischen Ameri- Dabei haben die transatlantischen Beziehungen nichts (C) kanern und Deutschen. von ihrer Bedeutung und Attraktivität eingebüßt. Das schließt ausdrücklich die für unser aller Zukunft so Vor den Augen der Weltöffentlichkeit machte Kennedy wichtige junge Generation ein. damals am Schöneberger Rathaus sichtbar, hörbar, ja fühlbar, was er in seiner bemerkenswerten Rede kurz zu- Ich nenne als Beispiel aus meinem eigenen Wahl- vor in der Frankfurter Paulskirche bereits formuliert kreis, der ohnehin in der Tradition des großen Atlanti- hatte. Es ging ihm um nicht weniger als um eine atlanti- kers Gerhard Schröder, CDU, steht, eine 15-jährige sche Partnerschaft, die über die rein militärische Zusam- Schülerin, die den unbändigen Wunsch umzusetzen ver- menarbeit in der NATO weit hinausgehen sollte, und um sucht, ein Highschooljahr in den USA zu absolvieren. eine immer tiefere wirtschaftliche und politische Integra- Einzig die finanzielle Situation ihrer Eltern, die unver- tion. schuldete Arbeitslosigkeit ihres Vaters, könnten der Wahrwerdung ihres Traums derzeit noch im Wege ste- Kennedy war damit der gedankliche Wegbereiter, ge- hen. Es sind diese jungen Menschen, die wir unterstüt- wissermaßen der Urvater des Gebildes, das wir heute als zen müssen, denn sie bilden den Nährboden, auf dem die „TTIP“ bezeichnen. Mit der Vermittlung eines Senti- transatlantische Zukunft weiter wachsen kann und wird. ments von Solidarität und Sicherheit traf er den Nerv ei- ner ganzen Generation, die noch unter dem traumati- Daher ist es gut, wenn in diesen Tagen viele US-ame- schen Eindruck des Mauerbaus stand. rikanische Freunde zu uns nach Berlin reisen, um mit uns über eine gemeinsame, abgestimmte Zukunft zu dis- Kennedy prophezeite dem Ostblock einen „Wind der kutieren. Nicht nur der US-Präsident kam zu Besuch, Veränderung“, der eines Tages „über den Eisernen Vor- auch eine hochrangige Delegation von State Senators hang und die übrige Welt hinweg“ wehen werde – hielt sich mehrere Tage hier in Berlin auf ebenso wie gleichsam ein Vorgriff auf die Entwicklungen, die 1989 Miriam Sapiro, die eine ganz entscheidende Rolle in der zum Fall der Mauer und 1990 zur Wiedervereinigung Obama-Administration spielen wird, wenn es um die unseres geteilten Heimatlandes führten. Verhandlungen zur TTIP geht. Die Wissenschaft sieht Kennedys Handeln heute dif- Deshalb werde ich nicht müde, hier noch einmal die ferenziert. Rassenprobleme in den USA, der Reformstau TTIP zu thematisieren, die Kennedy Jahrzehnte zuvor im Bildungs- und Sozialbereich sowie außenpolitische bereits vorausgesagt hatte. Ähnlich wie die NATO im Si- Rückschläge und die Kuba-Krise brachten den jungen cherheitsbereich wird die TTIP als vertraglich verein- Präsidenten im eigenen Land unter innenpolitischen barte Klammer fungieren, die gerade dem deutschen Druck. Wenn man diese Perspektive in die Bewertung Mittelstand zugute kommen und als Fundament unseren einfließen lässt, so ordnet man die Europareise Kennedys (B) Wohlstand sichern helfen wird. (D) 1963 womöglich etwas differenzierter ein: Kennedy brauchte dringend einen politischen Erfolg. 50 Jahre nach Kennedys Berliner Rede, seiner inhalt- Mit dem „Appell an das Volk“ vor dem Schöneberger lich bedeutenderen Paulskirchen-Rede und 51 Jahre nach Kennedys Interdepence-Rede in Philadelphia Rathaus gelang ihm der erhoffte Triumph. Zugleich be- werb gründete er damit im kollektiven deutschen Gedächtnis e ich für die Zustimmung zum Antrag der Koali- eine Art Mythos um seine Person und den Traum von tionsfraktionen, denn er ist richtig, sinnvoll und gut. Amerika. Auch Barack Obama verkörperte in seinem ersten Wahlkampf diesen Traum, den nach wie vor ge- Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): Da dies heute rade viele junge Leute bei uns in Deutschland träumen. meine letzte Rede im Deutschen Bundestag ist, möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses, mit Vor diesem Hintergrund wurden die Erwartungen an denen ich gut zusammengearbeitet habe, herzlich dafür die Rede von Präsident Obama in der vergangenen Wo- danken, ebenso meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- che im Vorfeld seines Besuchs so hochgeschraubt. Die tern und allen dienstbaren Geistern dieses Hauses. Öffentlichkeit hoffte in Zeiten einer von Krisen bedroh- ten Weltwirtschaft auf eine wegweisende transatlanti- Danken möchte ich vor allem meinen Wählerinnen sche Grundsatzrede. Präsident Obama ging auf eine und Wählern, die mich sechsmal als Vertreter ihres Vielfalt von globalen Herausforderungen ein, die wir Wahlkreises in den Deutschen Bundestag gewählt haben. gemeinsam in Partnerschaft und Verantwortung meistern Ich habe es immer als große Auszeichnung empfunden, müssen. Damit stand seine Rede in der Tradition Kennedys. diesem Parlament angehören zu dürfen. Es war eine spannende, schöne Zeit, aber alles hat auch seine Zeit. Wir sollten dabei nicht außer Acht lassen, dass wir heute in gänzlich anderen Zeiten leben als unsere Eltern Gestatten Sie mir auch, den inhaltlichen Teil meiner und Großeltern. Deutschland und die USA befinden sich Rede mit einer persönlichen Note zu versehen: heute in einem anderen weltpolitischen Gefüge als 1963, Ich war acht Jahre alt, als John F. Kennedy seine be- als „JFK“ die Deutschen begeisterte, der Kontext hat rühmte Berliner Rede hielt. Damals hatte ich verständ- sich weiterentwickelt, nicht zuletzt durch das Ende des licherweise noch kein Interesse für Politik. Genau erin- Blockstaatensystems. Wir Deutschen sind keine Schutz- nere ich mich allerdings an seine Ermordung, die ich mit befohlenen Amerikas mehr. Heute sind wir „Partner in meinen Eltern entsetzt vor dem Fernseher verfolgt habe. Verantwortung in einer festen Wertegemeinschaft“, wie es Außenminister Westerwelle kürzlich so treffend aus- Mein politisches Interesse setzte schlagartig fünf drückte. Jahre später ein, nämlich mit dem 21. August 1968, dem 32566 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Tag der Niederwälzung des Prager Frühlings durch die Newspeak erinnert und an die von den 68-ern geplante (C) Truppen des Warschauer Pakts auf Befehl Moskaus. Ich „Erziehungsdiktatur“. Und die inzwischen geradezu gro- weiß noch genau, wie ich damals vom Balkon meines teske Züge annimmt, wenn man etwa an die „politisch Elternhauses in Landshut nach Osten schaute und mir korrekte“ Umschreibung klassischer Kinderbücher bewusst wurde, dass sich dies nur knappe zwei Auto- denkt. Wir brauchen eine neue Diskussionskultur, die stunden oder einige Flugminuten entfernt abspielte. andere Meinungen, wenn sie nicht im Mainstream lie- gen, erträgt, wie es einer aufgeklärten, westlichen Ge- Dieses politische Schlüsselerlebnis führte dazu, dass sellschaft würdig ist. ich mich mit dem Sowjetkommunismus zu beschäftigen begann und beschloss, mich politisch zu engagieren. Es Demokratie lebt von der Freiheit des Wortes, wie sie war mir natürlich klar, dass ich die Rote Armee nicht unsere Verfassung garantiert. aufhalten konnte, aber ich wollte meinen kleinen Beitrag zur Verteidigung unserer Freiheit leisten. Unübertroffen formuliert dies Ernst Jünger in seinem Schlüsselwerk Auf den Marmorklippen: „…, denn wir Mir wurde auch klar, dass Westdeutschland dazu al- erkannten im Wort die Zauberklinge, vor deren Strahle lein nicht in der Lage war, sondern wir diese unsere äu- die Tyrannenmacht erblasst. Dreieinig sind das Wort, die ßere Freiheit der NATO und vor allem den USA verdan- Freiheit und der Geist.“ ken. Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen persönlich alles Bis dahin waren mir „die Amis“, wie wir sie nannten, Gute, politisch wünsche ich allen Kollegen, soweit sie irgendwie fremd und für meine Eltern – da sie auch in wieder kandidieren, dass sie diesem Haus auch in der meiner Heimatstadt stationiert waren – eben Besatzer. nächsten Wahlperiode angehören, und meiner Fraktion Jetzt wurde mir bewusst, dass sie uns beschützten und – das werden Sie verstehen – dass wir die Wahl gewin- der Garant für unsere Freiheit geworden waren. Dafür nen. bin ich ihnen bis heute dankbar. John F. Kennedy begann ich als einen mutigen und Hans-Ulrich Klose (SPD): In der vergangenen Wo- konsequenten Antikommunisten zu schätzen, der den che waren die Zeitungen voll von Vergleichen: Verglei- Sowjets in Kuba und eben Berlin die Stirn bot und die che zwischen der „Ich bin ein Berliner“-Rede, die Präsi- Grenzen aufzeigte. dent Kennedy vor 50 Jahren (am 26. Juni 1963) vor dem Schöneberger Rathaus gehalten hat, und der Rede des Und Ronald Reagan war es, der den Sowjetkommu- jetzigen Präsidenten Barack Obama, gehalten am nismus in die Knie gezwungen hat. Damit war eine ent- 19. Juni 2013, 24 Jahre nach dem Fall der Mauer, auf der scheidende Voraussetzung geschaffen, dass die Wieder- Ostseite des Brandenburger Tores. Die Vergleiche waren (B) vereinigung möglich wurde und die unterjochten Völker für Präsident Obama nicht schmeichelhaft. Er habe ein- (D) Osteuropas ihre Freiheit wiedererlangen konnten. mal mehr viele Themen angesprochen, auf Probleme Die transatlantische Partnerschaft bleibt – auch und hingewiesen. Es habe aber der eine Satz von historischer gerade unter gewandelten weltpolitischen Rahmenbedin- Bedeutung gefehlt, die klare Botschaft. gungen – von zentraler Bedeutung für uns. Sie gilt es Ich will auf diese Kritik nicht weiter eingehen. Sie ist auch in Zukunft zu pflegen und zu stärken. Denn sie ist mehr eine Reaktion auf enttäuschte Hoffnungen und Er- nicht nur von gegenseitiger Wertschätzung getragen, wartungen. Manch einer hatte anfänglich von Obama sondern auch von gemeinsamen Werten, die es wert mehr erwartet, als dieser – angesichts innenpolitisch sind, verteidigt zu werden – gegen Bedrohungen von au- schwieriger Verhältnisse – zu leisten imstande war und ßen wie von innen. ist. Davon abgesehen ist die heutige Lage (Juni 2013) Zu diesen Werten gehört ganz wesentlich die persön- mit der des Jahres 1963 überhaupt nicht zu vergleichen. liche Freiheit, insbesondere die Meinungsfreiheit. Ich Zur Erinnerung: Kennedy besuchte Berlin 1963, zwei sehe diese bedroht durch eine seit Jahren zu beobach- Jahre nach dem Bau der Mauer, den die USA nicht ver- tende zunehmende Uniformierung, Tabuisierung und hindert hatten und – wie ich glaube – nicht verhindern Moralisierung des politischen Diskurses. konnten und ein Jahr nach der Kuba-Krise, als der Kalte „Der Spielraum für private Freiheit in unserer Gesell- Krieg dramatisch heiß lief und die Welt am Rande einer schaft wird enger. An jeder Ecke melden sich Moral- nuklearen Katastrophe stand. apostel…“ (Süddeutsche Zeitung vom 27./28. April Am 13. August 1961, als die Mauer gebaut wurde und 2013) die Westmächte nicht reagierten, waren die Enttäu- Die selbsternannten linken Gutmenschen wollen uns schung und die Sorge vor allem der Berliner groß, und vorschreiben, was wir noch sagen, ja denken dürfen, ja, sie dauerten an. Kennedy wusste das. Er kam erst zwei wie wir zu leben haben. Ansichten oder Handlungen Jahre später nach Deutschland, nach Berlin – zu spät, sind – so wollen es die Tugendwächter der politischen meinten die Berliner. Als er dann aber endlich kam, de- Korrektheit – „nicht mehr richtig oder falsch, sondern monstrierte er seine persönliche und die Solidarität aller gut oder böse“ (SZ vom 27./28. April 2013) freien Menschen mit eben diesem einen Satz: „Ich bin ein Berliner“, will sagen: einer von euch, solidarisch mit Die größte Gefahr für die Meinungsfreiheit in un- euch, an eurer Seite. Genau darauf hatten die Berliner serem Land geht heute vom Diktat der politischen Kor- gewartet. Mit diesem einen Satz erfüllte Kennedy die rektheit aus, die mittlerweile an George Orwell´s Hoffnungen und Erwartungen der Berliner. Der Jubel Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32567

(A) war ein Jubel der Erleichterung, übrigens auch für Schwenk nach Asien eben auch „Pivot to reality“ bzw. (C) Kennedy. Schwenk in die neue heutige Wirklichkeit oder – wie ich es früher formuliert habe – in die wirkliche Wirklichkeit. Sein Bruder, Ted Kennedy, hat das bei einem Besuch der Parlamentariergruppe USA in Boston im Jahre 2006 Ich nutze die Gelegenheit dieser – nun wirklich – letz- angesprochen. Der Deutschlandbesuch habe seinem ten Rede, um mich bei den Mitgliedern des Auswärtigen Bruder „gutgetan“. Wörtlich sagte er: „You have done Ausschusses und vor allem bei dem Vorsitzenden good to my brother“. Er bezog sich dabei ausdrücklich Ruprecht Polenz für viele Jahre freundschaftlicher Zu- auf das Jahr 1963. Präsident Kennedy war – wie wir sammenarbeit zu bedanken. Die Zusammenarbeit war heute wissen – durch die Kuba-Krise und die Kritik, die wichtig, immer zur Sache und zielführend. Besser geht’s er für sein angebliches „Zurückweichen“ vor Chruscht- nicht. schow einstecken musste, nicht nur körperlich erschöpft. Bedanken möchte ich mich bei allen Kolleginnen und Der Besuch in Deutschland und vor allem der Empfang Kollegen, quer durch die Fraktionen. Ich teile die Mei- in Berlin war für ihn eine große Ermutigung und, mehr nung von Kerstin Müller: Der Bundestag ist ein gutes noch, eine Bestätigung, dass er im Fall Kuba und beim Parlament, ein Arbeitsparlament, mit viel Sachverstand Bau der Berliner Mauer doch richtig gehandelt hatte: In und begabt mit der Fähigkeit und Bereitschaft zum beiden Fällen stand die Welt vor dem Abgrund; in bei- Kompromiss. So soll es sein. So habe ich es erlebt. So den Fällen sah sich Kennedy mit bitterster Kritik kon- soll es bleiben. Ihnen allen danke ich für viele Jahre der frontiert. Tatsächlich wird bis heute über seine damalige Zusammenarbeit. Entscheidung gestritten. Ich verweise vor allem auf ein vor gut zwei Jahren erschienenes Buch von Fred Kempe: „Berlin 1961 – Kennedy, Chruschtschow und der gefähr- Dr. Rainer Stinner (FDP): Es ist eine schöne Fü- lichste Ort der Welt“, erschienen im Siedler Verlag im gung der Tagesordnung, dass sich meine letzte Rede im Jahre 2011. Darin wird Kennedy falsches Krisen- Deutschen Bundestag mit den transatlantischen Bezie- management vorgeworfen. Er sei Chruschtschow in je- hungen befasst, mit denen ich mich seit 1969 privat, seit der Beziehung unterlegen gewesen, so Fred Kempe. 1976 beruflich und seit 2002 politisch ganz eng befasse. Ich habe es immer anders beurteilt. Ich glaube, dass Die heutige Debatte erinnert an die Rede Kennedys in Kennedy – wie auch auf seine Weise Chruschtschow – Berlin vor 50 Jahren, der zu Recht in Deutschland große realistisch und verantwortungsbewusst gehandelt hat. Er Bedeutung zukommt. Wir denken völlig zu Recht auch hat den heißen Krieg vermieden, die alliierten Rechte in heute noch in Dankbarkeit an die geradezu unglaubliche West-Berlin gleichwohl behauptet und – Trost der Ge- amerikanische Hilfe und Hilfsbereitschaft. (B) schichte und Glück für uns Deutsche – dazu beigetragen, Noch wichtiger ist für mich die Gegenwart und Zu- (D) dass am Ende beides gewonnen wurde: Frieden und kunft unserer Beziehungen. Freiheit. Wir müssen konstatieren, dass sich die Gesellschaften Obama hat in seiner Rede vor dem Brandenburger Tor auseinander entwickelt haben. So wie wir Guantanamo auf der Ostseite nicht nur auf die Kennedy-Rede Bezug und Prism kritisch betrachten, so empfinden Amerikaner genommen. Erwähnt hat er auch die Reagan-Rede vom die wahrgenommene mangelnde Dynamik und die Zö- 12. Juni 1987. Im Sinne beider Reden betonte er – wie gerlichkeit der Verantwortungsübernahme als befremd- seinerzeit Kennedy –, dass der Kampf für Freiheit und lich. Gerechtigkeit, gegen Armut und Unterdrückung weiter- Doch trotz aller Probleme: Die transatlantischen Be- geht und in anderen Teilen der Welt bis heute noch nicht ziehungen sollen und müssen noch eine große Zukunft beendet ist, dass wir – auch wir Deutschen – einen Bei- vor sich haben, und das aus ganz starkem Eigeninteresse trag leisten müssten, um heute anderen zu helfen, so wie sowohl der Amerikaner als auch der Europäer. uns in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geholfen wurde. Wir beide sind durch die Werte der Aufklärung kultu- rell, gesellschaftlich und politisch geprägt und verbun- Es ist eine andere Zeit. Die Lage hat sich für uns, für den. Beide gemeinsam können und sollen wir Selbstbe- Europa, für Deutschland verändert. Die Verantwortung hauptungswillen und -fähigkeit demonstrieren. der Freien für die weniger glücklichen Nicht-Freien besteht aber fort und ist heute nicht geringer und nicht Trotz einer verständlichen Orientierung der USA weniger aktuell als 1963. Amerikaner und Deutsche – so nach Asien bleibt Europa der natürliche erste Partner der Obama – sind Partner in Verantwortung. Das ist die Bot- USA, wenn es um internationale Problemlösung geht. schaft seiner Rede. Die strategische Dimension dieser Europa und die USA können und müssen gemeinsam Botschaft ist offensichtlich, ihr fordernder Charakter für ein Stabilitätsanker einer zunehmend heterogeneren Welt Deutschland und Europa auch. Wir sind und bleiben sein. – trotz „Pivot to Asia“ und „Rebalancing“ – transatlanti- sche Partner in Verantwortung. Diese Partnerschaft ist Das nun angedachte Freihandelsabkommen TTIP nicht umsonst, und sie ist gut nicht nur für unser Land kann dafür ein ganz wichtiger Baustein sein. Es geht um und für die Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks, weit mehr als um eine Erhöhung des Bruttosozialpro- sondern für alle Menschen, wo und wann immer Men- dukts auf beiden Seiten des Atlantiks. Es geht darum, schenrechte missachtet und Freiheitsrechte unterdrückt dass die wirtschaftlich fortgeschrittensten Regionen die- werden. Im Klartext bedeutet „Pivot to Asia“ bzw. ser Welt, die durch einen gleichen Wertekanon verbun- 32568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) den sind, gemeinsam Standards setzen, die dann zu klearen Katastrophe stand, empfanden dies viele als be- (C) Weltstandards werden können. Das TTIP könnte Aus- ruhigend. prägung eines „Konzeptes des Westens“ sein, und damit große Ausstrahlung auf andere Weltregionen haben. Aber bei seinem Besuch sprach er nicht nur vor dem Schöneberger Rathaus, sondern wenig später auch an der Ein solches Abkommen könnte auch die gegenseitige Freien Universität vor Tausenden Studierenden. Glaubt Bedeutung füreinander, politisch, wirtschaftlich und kul- man dem damaligen Sprecher des Berliner Senats, dem turell deutlich machen. Ein umfassendes TTIP schafft vom rot-roten Senat zum Ehrenbürger ernannten Egon eine Einheit von 800 Millionen Menschen, an der in der Bahr, war dies die wichtigere Rede. Welt keiner vorbeikommt. Ihre Botschaft war, dass man mit den Realitäten um- Die Verbindungslinie der Sicherheit bleibt die NATO, gehen müsse, so wie sie wirklich sind – ein Signal für die ich auch unter den völlig veränderten Rahmenbedin- die künftige Ostpolitik. Man dürfe „nicht nur auf der gungen für sinnvoll und potenziell wirksam halte. Stelle treten und in Erwartung besserer Zeiten den Status quo aufrechterhalten“. Und kulturell sind die USA, trotz vieler arroganter, von Unwissen geprägter Stereotypen in Deutschland, die Und: „Und wenn die Möglichkeiten einer gütlichen weltweit prägende Nation. Auch die besten Wissen- Einigung in Erscheinung treten, dann werden wir im schaftler weltweit zieht es in die USA. Diese Attrakti- Westen klar machen, dass wir keinem Volk und keinem vität können wir verbinden mit den ureigenen Stärken System feindlich gegenüberstehen, solange diese ihr ei- Europas, der kulturellen Vielfalt, der Kreativität und Far- genes Schicksal bestimmen, ohne andere an ihrer freien bigkeit dieses alten Kontinents. Ich verfolge damit keine Wahl zu hindern. Auf beiden Seiten werden Wunden zu romantisierte Wunschvorstellungen, sondern betreibe heilen sein, wird Misstrauen beseitigt werden müssen. knallharte Interessenpolitik. Gemeinsam können wir Die Unterschiede des Lebensstandards müssen ausgegli- transatlantisch für uns und für die Welt viel erreichen. chen werden, aber nach oben, nicht nach unten. Faire und wirksame Abkommen, um dem Wettrüsten ein Ende Da dies heute meine letzte Rede im Bundestag ist, zu machen, müssen erreicht werden. Diese Änderungen bleibt es die Aufgabe unserer Nachfolger, an diesem fas- werden nicht heute oder morgen kommen, aber wir müs- zinierenden Projekt politisch weiter zu arbeiten. sen in unseren Bemühungen um eine wirkliche Lösung unablässig fortfahren.“ Ich habe es als großes Privileg angesehen, die span- nende Aufgabe eines Abgeordneten wahrzunehmen. Ich Und schließlich: „Es ist kein leichter Kurs. Es gibt danke dem Schicksal dafür, dass ich diese Chance be- keinen leichten Kurs zur Wiedervereinigung Deutsch- (B) kommen habe. Ich habe dieses Amt mit großer Freude lands und Wiederherstellung Europas. Aber das Leben (D) und Energie ausgeübt und ich wünsche unseren Nachfol- ist niemals leicht. Es gibt Arbeit, die getan werden muss, gern im Amte eine glückliche Hand bei der wichtigen und Verpflichtungen, die erfüllt werden müssen.“ Aufgabe, für unser Land und den Frieden und die Wohl- fahrt in der Welt zu arbeiten. Bundeskanzler Adenauer, so erinnert sich Bahr, habe keine Hand gerührt, während Willy Brandt applaudierte. Stefan Liebich (DIE LINKE): Am 1. August 1961 Der Blick zurück ist wichtig, reicht aber nicht. Präsi- einigten sich Nikita Chruschtschow und Walter Ulbricht dent Obama zitierte Kennedy vor wenigen Tagen am in einem Telefonat auf den Bau der Berliner Mauer. Am Brandenburger Tor: ‚„Ich möchte Sie auffordern‘, sagte 13. August wurde sie errichtet. Ich will zu Beginn dieser Kennedy, ‚den Blick zu heben und nicht nur die Gefah- Rede noch einmal unmissverständlich klarstellen: Kein ren der Gegenwart‘ und ‚die Freiheit nur dieser Stadt zu Ideal und kein höherer Zweck kann das mit der Mauer sehen‘. Schauen Sie, sagte er, ‚auf den Tag des Friedens verbundene Unrecht, die systematische Einschränkung mit Gerechtigkeit, nicht nur für Sie und uns, sondern für der Freizügigkeit und die Gefahr für Freiheit sowie an die ganze Menschheit‘. … Seine Worte sind zeitlos, Leib und Leben, beim Versuch das Land dennoch verlas- denn sie ermahnen uns, uns nicht nur um unsere eigene sen zu wollen, politisch rechtfertigen. Bequemlichkeit zu sorgen, um unsere eigene Stadt, um unser eigenes Land. Sie verlangen, dass wir uns das ge- Viele Menschen in Berlin waren damals entsetzt, die meinsame Unternehmen der gesamten Menschheit zu ei- Augen richteten sich auf die Vereinigten Staaten von gen machen.“ Amerika. Zum Glück kam es zu keiner weiteren Eskala- tion. „Keine sehr schöne Lösung, aber tausendmal besser Meine Damen und Herren von der Koalition, was Sie als Krieg.“ sagte John F. Kennedy dazu. Diese Reaktion uns hier als Antrag vorgelegt haben, bleibt allerdings war für viele in Westberlin völlig unverständlich, und sie weit hinter den Herausforderungen, die Obama und waren gespannt auf den Besuch des US-amerikanischen Kennedy in ihren Reden benannt haben, zurück. Präsidenten. Sie beschwören wieder und wieder die transatlanti- Kennedy enttäuschte die Berlinerinnen und Berliner sche Partnerschaft, und ich werde das Gefühl nicht los, im Westteil nicht, er machte ihnen mit seiner Rede am dass Sie nicht gemerkt haben, dass die Welt sich in den Rathaus Schöneberg Mut und versicherte ihnen den wei- letzten zwanzig Jahren weitergedreht hat. „Pivot to teren Schutz durch die Vereinigten Staaten. In einer Zeit, Asia“ der neue Blick der USA nach Asien, die aufstre- in der die Welt wieder und wieder am Rande einer nu- benden BRICS-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32569

(A) China, Südafrika fordern neues Denken heraus, aber bei Es war die Garantie des Überlebens des freien Teiles (C) diesem Antrag merkt man nichts davon. dieser Stadt, und die USA haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass ihre Präsenz hier nicht nur symbolisch ist, Gemeinsame Verteidigungspolitik, transatlantische sondern dass hier Kampfverbände stehen. Ihr Übungs- Freihandelszone – Ende. gelände in Lichterfelde hieß nicht umsonst „Fighting City“. Nur diese Demonstration der Entschlossenheit Klimawandel kommt in ihrem Antrag vor, am Rande. war wirksam und erlaubte später dann die Entspan- Nukleare Abrüstung? Nein. – Eine Idee gerechter Ent- nungspolitik Willy Brandts. wicklungspolitik in der Welt – Obama nannte das Ziel einer Generation frei von Aids – kein Wort. Und zum Freunde in der Not gehen Tausend auf ein Lot – sagt staatlich organisierten Datenklau nicht nur in deutschen das Sprichwort. Diese empfangene Solidarität haben die Wohnzimmern – kein Wort. Berliner und auch wir Grüne nie vergessen. Das zeigte sich am 11. September, als die Menschen am Tag der Ein nostalgischer Blick auf die deutsch-amerikani- Anschläge spontan mit Kerzen zur US-Botschaft kamen sche Freundschaft reicht schon lange nicht mehr. und einige Tage später bei der Trauerkundgebung vor Obama sagte am Brandenburger Tor: „Unsere Arbeit dem Brandenburger Tor. ist noch nicht getan. … Wir sind nicht nur Bürger Ame- Und eine solche Freundschaft – auf Werten gebaut – rikas oder Deutschlands – wir sind auch Weltbürger.“ hält auch Kritik aus, ja sie braucht diese Kritik. Ich erin- Das allerdings sollte nicht nur eine schöne Rede sein, nere an die heftigen Auseinandersetzungen wegen des sondern das Handeln bestimmen. Krieges in Vietnam. Die Besuche von Richard Nixon oder von Ronald Reagan hatten ein anderes Gesicht als Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der Kennedy-Besuch. Zu denken ist auch an die aktuel- Ja, der Besuch von John F. Kennedy in Berlin, das war len Differenzen, Stichwort: Prism oder Guantánamo. ein denkwürdiger Tag. Meine Fraktion hat mich als Zeit- Wer glaubt, wie Innenminister Friedrich, aus der zeugen – netterweise – zum Reden auserkoren. Dabei Empörung über eine Totalerfassung des Internets Anti- war die Zeitzeugeneigenschaft gar nichts Besonderes: amerikanismus herauszuhören, der liegt ganz falsch. Es Geschätzt 1,2 Millionen Berliner waren jubelnd auf den gilt nach wie vor der Satz von Periander, eines der sieben Beinen, die Hälfte der damaligen Bevölkerung im West- Weisen aus der Antike: Nur wahre Freunde sagen dir, teil der Stadt. Und ein Großteil der Menschen im Osten dass dein Gesicht schmutzig ist. verfolgten das Geschehen im Radio.

(B) Und wer das verstehen will, wer abschätzen will, wa- (D) rum John F. Kennedy wie eine Lichtgestalt erschien Anlage 9 – die er real natürlich nicht war –, der muss nur ein Jahr Zu Protokoll gegebene Reden in der Geschichte zurückgehen zur Beratung: Am 17. August 1962, ein Jahr nach dem Mauerbau, verblutete fast eine Stunde lang, unweit vom Checkpoint – Anträge: Syrische Flüchtlinge schützen Charlie, Peter Fechter, ein Maurergeselle, 18 Jahre alt, – Beschlussempfehlung zu dem Bericht: Keine der sein Leben eigentlich noch vor sich hatte. Seine letz- Waffenlieferungen an Syrien ten Worte waren – und die haben sich eingebrannt ins kollektive Gedächtnis der Stadt –: Warum hilft mir denn (Tagesordnungspunkt 77) niemand? Die Westberliner Polizei traute sich nicht, die Vopos warteten zu lange auf einen entsprechenden Be- fehl. Und die amerikanischen GIs weigerten sich, den Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Im Rahmen Verletzten zu bergen. „Nicht unser Bier“, sollen sie an- der Delegationsreise des Innenausschusses vom 6. bis geblich gesagt haben. Jedenfalls sind telefonische An- 11. Mai 2013 hatten wir die Gelegenheit, an der syrisch- weisungen zum Nichtstun verbürgt. türkischen Grenze nahe der Stadt Gaziantep das Flücht- lingslager bei Kilis zu besuchen. So gab es neben den Sprechchören „Mörder, Mörder“ Insbesondere im Vergleich zu den Flüchtlingslagern, von beiden Seiten der Mauer auch erstmals nach dem die die Delegation in Griechenland besuchte, sind die Krieg antiamerikanische Unmutsäußerungen im Westteil hohen Standards, die die Türkei für die Flüchtlinge bis- der Stadt. her garantiert, sehr erwähnens- und lobenswert. Bei- In diese mit dem Mauerbau entstandenen und dann spielsweise der kostenlose Zugang zum türkischen Ge- wachsenden Zweifel an den Garantien der Schutz- sundheitssystem ist bereits in über 5 000 Operationen mächte, bei ernsthaften Diskussionen, ob Berlin nicht in den syrischen Flüchtlingen zugutegekommen. der Lüneburger Heide wieder aufgebaut werden solle, Doch die Situation vor Ort zeigt, dass es weiterer in- angesichts einer Mauer, die Familien von einem Tag auf ternationaler Unterstützung bedarf. den anderen zerteilte, ohne dass es so etwas wie Passier- scheine zunächst gab, in diese sehr depressive Situation Als Vertreter dieses Hohen Hauses senden wir daher hinein sprach Kennedy dann seine geradezu erlösenden mit dem heutigen fraktionsübergreifenden Antrag zwei Worte: Ich bin ein Berliner. wichtige Botschaften aus: 32570 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Erstens. Wir unterstützen die großen und umfassen- In dem heute zu debattierenden Antrag nennen wir (C) den Aktivitäten der Bundesregierung, das Leid der syri- mehr als 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge in den An- schen Bevölkerung und syrischen Flüchtlinge zu lindern. rainerstaaten als aktuelle Zahl. Wenn man die Flücht- Die zur Verfügung gestellten Mittel von über 130 Millio- linge innerhalb Syriens einbezieht, wird von mehr als nen Euro sind ein deutlicher Beleg für das große Enga- 4 Millionen Flüchtlingen ausgegangen. Nach Schätzun- gement Deutschlands in der Region. Der Fokus unserer gen des UNHCR werden viele der noch in Syrien befind- Hilfsanstrengungen muss auch weiterhin auf der Hilfe lichen Flüchtlinge ebenfalls in die umliegenden Länder vor Ort bei den Betroffenen liegen. Dies hat die Delega- fliehen. Länder, die bereits jetzt an die Grenzen ihrer Ka- tionsreise des Innenausschusses bestätigt. pazitäten bei der Aufnahme gelangt sind. Ergänzende Maßnahmen, wie die Aufnahme von Im Raum Kilis sehen sich etwa 80 000 Einheimische 5 000 syrischen Flüchtlingen, leisten einen weiteren bereits 60 000 syrischen Flüchtlingen gegenüber; davon wichtigen Beitrag. An dieser Stelle möchte ich daher etwa 25 000 außerhalb der Lager. In der 1,5-Millionen- auch den Ländern danken, dass sie sich zur kurzfristigen Stadt Gaziantep halten sich nach aktuellen Schätzungen Aufnahme der Flüchtlinge bereiterklärt haben. etwa 55 000 sogenannte urban refugees auf. Zweitens. Wir unterstützen mit Nachdruck die Forde- Viele von ihnen drängen in den Niedriglohnsektor, rung der Bundesregierung nach einem stärkeren interna- wodurch es zu Spannungen mit der einheimischen Be- tionalen und europäischen Engagement. Sowohl bei der völkerung kommt. In manchen Fällen berichten Vertreter Aufnahme von Flüchtlingen als auch bei der finanziellen lokaler Nichtregierungsorganisationen über gewalttätige und materiellen Unterstützung vor Ort müssen viele an- oder sexuellen Übergriffe oder gar vereinzelten Men- dere europäische Staaten noch nachlegen. Hier ist noch schenhandel. deutlich Luft nach oben. Mit der weiter steigenden Flüchtlingszahl werden Von der zuständigen EU-Kommissarin Cecilia auch diese Probleme in der Tendenz eher zu- als abneh- Malmström erwarte ich in diesem Zusammenhang, dass men. nun kurzfristig die Initiative für eine Konferenz auf Der heutige Antrag ist daher ein wichtiges Signal. europäischer Ebene ergriffen wird. Eine sogenannte Wir sprechen unsere Solidarität mit den Opfern und Be- „Pledging-Konferenz“ sollte dringend stattfinden, um troffenen aus und dokumentieren gleichzeitig unseren die notwendigen Hilfsmaßnahmen abzustimmen und zu Willen zur schnellen Hilfe und Abmilderung der Folgen forcieren. der kriegerischen Auseinandersetzung vor Ort. Nichtsdestotrotz geht Deutschland mit gutem Beispiel Abschließend darf ich mich noch bei den Kolleginnen (B) (D) voran. Ich hoffe, dass dies viele Nachahmer bei unseren und Kollegen bedanken, die als zuständige Berichterstat- Partnern findet. ter ihrer Fraktionen diesen gemeinsamen, wichtigen und zügig erarbeiteten Antrag ermöglicht haben. Viele unterschiedliche Forderungen begleiteten die Demonstrationen im arabischen Raum im Frühling des Jahres 2011 – mehr gesellschaftliche Teilhabe, Abkehr Rüdiger Veit (SPD): Die heute zu behandelnde – und von autoritären Regimen, Öffnung der Gesellschaft. selten genug von allen Fraktionen getragene – Initiative Auch wir haben mit diesen Ereignissen insbesondere die zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Deutschland ist Hoffnung auf eine stärkere Demokratisierung der Länder ein geradezu symbolträchtiger schöner Abschluss einer in Nordafrika und der arabischen Halbinsel verbunden. ganzen Legislaturperiode. Ohne die für mich nicht nach- vollziehbaren Berührungsängste der Koalitionsfraktio- In Syrien sind seit den ersten – zunächst friedlichen – nen, die nicht auf einem Briefkopf gemeinsam mit der Demonstrationen Anfang des Jahres 2011 das politische Fraktion der Linken stehen wollen, hätte man auch ohne System und die politisch Verantwortlichen weitestge- zwei Drucksachennummern auskommen können. So hend identisch geblieben. Sukzessive haben sich die aber ist der gemeinsame Antrag von CDU/CSU, SPD, Fronten verhärtet, der Einsatz der Armee gegen die ei- FDP sowie Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestags- gene Bevölkerung ist offensiver und rücksichtsloser ge- drucksache 17/14136 sinn- und fast wortgleich identisch worden. Es finden täglich Schlachten um strategisch mit dem Antrag der Linken auf Drucksache 17/13933. wichtige Städte statt. Beiden Seiten erhalten mittlerweile Unterstützung von ausländischen Kräften. An dem gemeinsamen Wollen ändert die vielleicht et- was schräge Optik jedoch nichts. Im Gegenteil: Alle Der nunmehr über zwei Jahre andauernde Bürger- Fraktionen dieses Hauses sind sich in diesem Punkt auch krieg hat bereits mehr als 100 000 Todesopfer gefordert. mit der Bundesregierung einig und unterstützen sie Die Vereinten Nationen haben bestätigt, dass in den ers- nachdrücklich. ten zwei Jahren der Auseinandersetzung 93 000 Tote zu beklagen waren. Für uns alle ist es eigentlich unverständlich, dass man sich des Elends von vielen Millionen Flüchtlingen in Sy- Aber auch aufgrund der unterschiedlichen Ethnien, rien – und zwar innerhalb des Landes genauso wie in den ihrer unterschiedlichen Interessen und Positionen, ist Anrainerstaaten Libanon, Jordanien und der Türkei – auf eine Beendigung des kriegerischen Konflikts nicht in europäischer Ebene bisher jedenfalls nicht annehmen Sicht. Das Leiden der syrischen Bevölkerung wird somit will, obwohl diese solidarische Hilfe dringend geboten weitergehen. wäre. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32571

(A) Umso überraschter und erfreuter war die SPD-Bun- ten ziemlich egal zu sein scheint, kümmert sich die Tür- (C) destagsfraktion, dass Bundesinnenminister Friedrich kei auf allen staatlichen Ebenen bis in die Kommunen schon zu einem Zeitpunkt zum Handeln angesetzt hat, hinein in vorbildlicher Weise um Flüchtlinge aus Syrien. als der Umdruck unseres Ursprungsantrags zu dieser Für deren Unterbringung und Versorgung hat die Türkei Problematik sozusagen noch druckfrisch war. Er hatte bisher annähernd 1 Milliarde Dollar ausgegeben und nach einer kurzfristig anberaumten Telefonkonferenz Flüchtlinge aus Syrien sind als Gäste willkommen. mit allen Länderinnenministern und Senatoren verein- bart, dass trotz dieser Versäumnisse und Verschleppun- Zweitens. Während wir nach einer Delegationsreise gen auf europäischer Ebene Deutschland mit gutem in etwa gleicher Personenzusammensetzung vor zwei Beispiel vorangeht und fünftausend besonders schutzbe- Jahren in Griechenland katastrophale Zustände in der dürftige Flüchtlinge bei uns aufnehmen wird. Die ent- Unterbringung und bei der Behandlung von Flüchtlingen sprechende Aufnahmeanordnung des BMI stammt be- beobachten mussten und Griechenland jedenfalls damals reits vom 30. Mai 2013. Über diese Zahl hinausgehend ganz offensichtlich noch nicht einmal in der Lage war, in sollen und können die Bundesländer durch eigene Auf- erheblicher Höhe zur Verfügung stehende Hilfsgelder nahmeanordnungen weitere Familienangehörige von aus Brüssel von der EU auch nur zu beantragen, hat sich hier in Deutschland sich aufhaltenden Syrern erlassen. diese Situation in der Zwischenzeit zumindest punktuell Diese Initiative geht wiederum zurück auf einige SPD- verbessert: Es wurden und werden neue Aufnahmeein- Länderinnenminister und -senatoren, namentlich auf den richtungen, aber natürlich auch Abschiebegefängnisse Vorstoß des niedersächsischen Innenministers Boris errichtet, es wird eine neue Asylbehörde aufgebaut und Pistorius, ist aber ebenfalls übereinstimmend so auf der die von der EU zur Verfügung gestellten Mittel ausge- Innenministerkonferenz am 23./24. Mai 2013 in Hanno- schöpft sowie zweckentsprechend verwendet. Dass dies ver verabredet worden. Angesichts der Tatsache, dass gerade angesichts der übrigen wirtschaftspolitischen syrische bzw. syrischstämmige Bürgerinnen und Bürger Lage Griechenlands für die dortige Regierung nicht ge- in ihrer Anzahl räumlich ganz unterschiedlich in den ein- rade einfach ist, liegt auf der Hand, wird aber fortgesetzt. zelnen Bundesländern verteilt sind, möchte ich aus- Drittens. Bei all dem darf aber nach wie vor nicht drücklich und eindringlich darum bitten, dass die Anzahl übersehen werden, dass rund 90 Prozent aller in die EU ihrer nach Deutschland einreisenden Familienangehöri- drängenden Flüchtlinge über Griechenland einreisen – gen aber ebenfalls nach dem sogenannten Königsteiner und zwar nicht wie vor zwei Jahren noch über die Land- Schlüssel auf ihre Quote für die Aufnahme von Flücht- grenze im Gebiet des Evrosflusses, sondern auf dem lingen und Asylbewerbern angerechnet wird, damit Seeweg mit einer erheblichen Zunahme tragischer To- diese in möglichst großer Zahl auch tatsächlich bei ihren desfälle. Ähnliches gilt übrigens für die Überquerung Familienangehörigen in Deutschland Schutz vor dem (B) der durch den Fluss Evros im Norden gebildeten Grenze (D) Bürgerkrieg in Syrien finden können, ohne dass es hier jedenfalls in den Jahreszeiten, in denen dieser viel Was- zu einer unverhältnismäßigen Belastung einzelner Bun- ser führt. desländer kommt. In unserem Antrag ist darüber hinaus natürlich auch enthalten, dass syrische Studenten ihre Mit diesem Flüchtlingszustrom, der unvermindert an- Ausbildung hier abschließen können, wenn sie über hält, darf man Griechenland nicht alleine lassen. Unab- keine Lebensunterhaltssicherung mehr verfügen und hängig von der derzeit ohnehin schwierigen Lage dort ist dass die Bundesregierung sich sowohl auf nationaler wie ein Staat an den Außengrenzen der EU mit einer Ein- auf europäischer Ebene für einen Stopp der Abschiebung wohnerzahl von um die 11 Millionen bei der Aufnahme aller Syrier in ihre Heimat einsetzt. einiger Hunderttausend Flüchtlinge und der Bearbeitung ihrer Verfahren völlig überfordert. Daher muss nach Von besonderer Bedeutung ist aber auch die Ziffer III Überzeugung der Sozialdemokraten das bisherige Sys- unseres Antrags betreffend die Anerkennung von inter- tem von Dublin II dringend einer grundlegenden Reform nationalen Hilfsorganisationen und ihrer jeweiligen Mit- unterzogen werden. Wir brauchen hier eine echte euro- arbeiter. Hier mussten wir auf einer gemeinsamen Dele- päische Verantwortungsteilung in dem Sinne, dass schon gationsreise des Innenausschusses im Mai dieses Jahres die Verfahren und erst recht später dann auch die Auf- beispielsweise in der Türkei feststellen, dass viele Mitar- nahme von anerkannten Flüchtlingen im europäischen beiter von Nichtregierungsorganisationen ungeachtet der Verbund solidarisch verteilt und bearbeitet werden müs- dringenden Notwendigkeit humanitärer Hilfe Schwierig- sen. Griechenland – und zahlenmäßig in sehr viel gerin- keiten haben, möglichst zeitnah als solche in ihrem Be- gerem Umfange aber auch Malta oder Italien – dürfen mühen anerkannt und unterstützt zu werden – ganz zu – ich wiederhole es ganz bewusst – mit diesen Proble- schweigen von einem UN-Mandat für humanitäre Hilfe men an den Außengrenzen der EU nicht alleine gelassen in Syrien selbst. werden. Ich kann und ich will nicht die Erkenntnisse, die wir bei dieser erwähnten Delegationsreise gewonnen haben, Ich bedanke mich noch einmal abschließend bei allen insgesamt darstellen, will aber auf drei Feststellungen Beteiligten, die am Zustandekommen der jetzt einver- besonderen Wert legen: nehmlich angestrebten Regelung mitgewirkt haben, und würdige erneut die deutsche Vorbildfunktion in Europa, Erstens. Während wir aktuell, aber aus anderen Grün- mache aber auch darauf aufmerksam, dass angesichts den das Verhältnis zur türkischen Regierung nicht gerade des millionenfachen Flüchtlingselends in und um Syrien als entspannt bezeichnen können und dieser im Übrigen herum diese Zahl von 5 000 plus x nur ein erster kleiner das Schicksal der Flüchtlinge aus anderen Herkunftstaa- Baustein zur Hilfe sein kann. 32572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Wir alle hoffen, Die Länder können auch ihrer Verantwortung nach- (C) dass der Bürgerkrieg in Syrien möglichst bald beendet kommen: Der Bundesinnenminister hat sein Einverneh- wird. Die syrische Regierung bekämpft ihr eigenes Volk. men nach § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz erteilt. Sie kön- Der Bürgerkrieg bedroht alle Menschen in dem Land. nen sofort Familienangehörige von Syrern, die in Ihrem Bundesland leben, aufnehmen. Machen Sie davon auch Ich begrüße, dass sich alle demokratischen Fraktionen Gebrauch! des Deutschen Bundestages in diesem Antrag zusam- mengefunden haben. Eine bundeseinheitliche Regelung zum Familien- nachzug in diesem Fall wäre nicht sinnvoll. Die Men- Der Bügerkrieg in Syrien nimmt immer dramati- schen, die kommen, sollen gerade nicht nach dem Kö- schere Ausmaße an. nigsteiner Schlüssel irgendwohin geschickt werden, Schon lange gab es schwerwiegende Probleme mit sondern sie sollen zu ihren Familien kommen. der Menschenrechtslage in Syrien: Meinungs- und Ver- sammlungsfreiheit waren nicht gegeben, die Inlands- Über das Entsetzen über die humanitäre Lage dort opposition war starken Repressionen ausgesetzt. Dies sind wir uns hier im Haus einig, über die grundsätzlichen hat die gegenwärtige Bundesregierung ebenso wie ihre Ziele auch. Die Frage, wie wir den Flüchtlingen helfen Vorgängerregierungen wiederholt und deutlich benannt. können, müssen wir uns immer wieder stellen. Syrien darf nicht aus unserem Blickfeld geraten. Es ist wichtig, dass wir auch im Parlament immer wieder über die Lage der syrischen Flüchtlinge spre- Wir Liberalen setzen uns jedenfalls beständig dafür chen. Je länger der Konflikt dort dauert, desto schwieri- ein, die Entwicklung sensibel zu begleiten und alle Mög- ger wird die Situation der betroffenen Menschen. lichkeiten der Unterstützung für die Opfer offen zu hal- ten. Der Bundesinnenminister hat am 20. März 2013 ange- kündigt, dass die Bundesrepublik Deutschland im Vorgriff Bijan Djir-Sarai (FDP): Die Entscheidung der Bun- auf eine europäische Aufnahmeaktion 5 000 Flüchtlinge desregierung, 5 000 Flüchtlinge in unserem Land aufzu- aufnehmen werde. Dies erfolgt selbstverständlich in en- nehmen, kann ich nur begrüßen. Wir zeigen den Syrern, ger Abstimmung und Übereinstimmung mit den Län- dass wir sie in ihrer Not nicht alleine lassen und helfen, dern. wo es nur geht. Deutschland tut alles im Rahmen seiner Die FDP unterstützt die konsequente Haltung des Möglichkeiten, dass dieser entsetzliche Bürgerkrieg, die- Bundesinnenministers. ses sinnlose Blutvergießen so schnell wie möglich en- den. (B) Die Bundesregierung hat bereits in den letzten Mona- (D) ten immer wieder betont, dass eine verstärkte Aufnahme Ein Ende des Konflikts ist allerdings nicht dadurch zu von Flüchtlingen aus Syrien nicht ausgeschlossen wird. erreichen, dass man mehr Waffen in das Land schickt. Neben dem Bundesinnenminister haben insbesondere Und da bin ich auch schon beim Thema: Waffenlieferun- der Bundesaußenminister und die Bundesjustizministe- gen nach Syrien sind falsch. rin auf die deutsche Verantwortung und Bereitschaft im- mer wieder hingewiesen. Ich habe mir in diesem Zusammenhang sehr genau die Argumente unserer amerikanischen Freunde ange- Zudem ist der Abschiebestopp der Länder soeben um schaut, und ich nehme diese Argumente mit Respekt zur weitere sechs Monate verlängert worden. Kenntnis. Dennoch bleiben wir von der FDP-Fraktion bei unserer Haltung: Waffenlieferungen nach Syrien sind Deutschland leistet auch vor Ort in der Krisenregion und bleiben falsch! einen wichtigen Beitrag: Deutschland ist nach den USA weltweit der zweitgrößte Geldgeber für die Flüchtlings- Mehr Waffen führen nur zu mehr Gewalt und damit hilfe in der Region. Und das ist gut so. Es wäre nur zu noch mehr Blutvergießen in Syrien. Das trifft vor al- schön, wenn auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen lem mal wieder die Zivilbevölkerung. Waffenlieferun- von der Opposition, einmal anerkennen könnten, dass gen werden den Bürgerkrieg nicht stoppen, sondern in das ein wichtiger Beitrag ist. die Länge ziehen. Daher stehe ich voll und ganz hinter Der Ansatz der Bundesregierung ist richtig, den Men- der Entscheidung unseres Außenministers, der standhaft bleibt, auch wenn einige unserer europäischen und ame- schen nach Möglichkeit vor Ort zu helfen. Denn entge- rikanischen Freunde auf Waffenlieferungen drängen. gen dessen, was auch von den Kolleginnen und Kollegen Deutschland wird keine Waffen nach Syrien liefern. suggeriert wird, wünschen sich die meisten Flüchtlinge nicht eine Aufnahme in Deutschland, sondern eine Das zweite Argument gegen Waffenlieferungen Rückkehr in ein friedliches Syrien. nimmt die Empfänger in den Fokus. Wer kämpft denn Für die FDP steht auch weiterhin die persönliche gegen das Assad-Regime? Wir kennen die Akteure in- Schutzbedürftigkeit eines Flüchtlings im Vordergrund, zwischen nicht mehr, zu unübersichtlich ist die Gemen- nicht kollektive Gruppenmerkmale, wie etwa die Reli- gelage. Die Gefahr, dass vom Westen gelieferte Waffen gionszugehörigkeit. in die Hände von radikalen Gruppen fallen, ist groß. Dann würden sich unsere eigenen Lieferungen gegen sy- Religiöse Verfolgung kann ein Grund für Schutzbe- rische Zivilisten und eines Tages auch gegen uns richten. dürftigkeit sein, ist aber sicher nicht der einzige. Das kann keiner wollen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32573

(A) Am 3. Juni unterschrieb Außenminister Westerwelle Katastrophe kommen musste, bis die Innenminister von (C) in New York als einer der Ersten den ATT, das Interna- Bund und Ländern sich zu einem Abschiebestopp und tionale Waffenhandelsabkommen. In dem Vertrag wird nun auch zur Aufnahme einiger weniger syrischer der globale Waffenhandel begrenzt. Er verbietet alle Flüchtlinge durchringen konnten. Rüstungsexporte, die unter anderem zu Kriegsverbre- Mit den vorliegenden Anträgen soll der Nachzug von chen und schweren Menschenrechtsverletzungen führen Flüchtlingen zu ihren Familienangehörigen in Deutsch- können. Vor allem der Verkauf von kleinen Waffen soll land ermöglicht werden. Eine solche Regelung war die stärker kontrolliert werden, die besonders in Bürgerkrie- inständige Bitte vieler Syrer mit dauerhaftem Aufenthalt gen großes Unheil anrichten – wie zum Beispiel in in Deutschland. Wir können hier nur an die Landes- Syrien. innenminister appellieren, diese Nachzugsregelungen Das Engagement Westerwelles zeigt Deutschlands großzügig auszugestalten. Auf diesem Wege ist es mög- klare Haltung pro Abrüstung. Der Vertrag ist ein Meilen- lich, Tausenden Menschen schnell und unbürokratisch stein für weltweiten Frieden und Sicherheit. zu helfen. Unsere Haltung beim syrischen Bürgerkrieg unter- Damit bleibt aber ein Punkt offen. Während nun streicht Deutschlands Position. Wir sind nach wie vor 5 000 Flüchtlinge nach Deutschland geholt werden und davon überzeugt, dass eine diplomatische Lösung in noch einige Tausend zu ihren Verwandten kommen kön- Syrien möglich ist. Dazu tragen wir auch aktiv bei. Wir nen, bleiben die Grenzen der EU für syrische Flüchtlinge nehmen 5 000 Flüchtlinge bei uns auf, um den Men- geschlossen. Sie müssen lebensgefährliche Wege über schen zu helfen, Familien zusammenzubringen und um das Meer auf sich nehmen und viel Geld bezahlen, um die Nachbarländer Syriens zu entlasten. Nur durch die Mauern der Festung Europa zu überwinden. Huma- Diplomatie und humanitäre Hilfe kann das Leiden Tau- nitäre Aufnahmeaktionen bleiben heuchlerische Makula- sender Syrer beendet werden. tur, wenn zugleich die Abschottung perfektioniert wird. Wir fordern: Grenzen auf für Menschen in Not! Wer Ulla Jelpke (DIE LINKE): Heute liegen zwei wort- in Europa Schutz sucht, darf nicht an Mauern und Sta- gleiche Anträge zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge vor. cheldraht scheitern. Ein interfraktioneller Antrag und ein Antrag der Linken. Schuld ist die ideologisch verbohrte Haltung der Unions- Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- fraktion, keine Anträge gemeinsam mit der Linken stel- NEN): Auf der Grundlage der Anträge der Grünen und len zu wollen. Es ist doch beschämend, dass die Union der SPD konnte endlich eine interfraktionelle Initiative selbst bei einem gemeinsamen humanitären Anliegen zum Schutz syrischer Flüchtlinge erreicht werden. Es hat (B) nicht über ihren Schatten springen kann. (D) lange gedauert, aber das nun vorliegende gemeinsame Zur Sache selbst. Die Aufnahme syrischer Flüchtlinge Votum aller Fraktionen des Deutschen Bundestages ist in Deutschland ist ein wichtige Anliegen der Fraktion ein wichtiges humanitäres Signal – auch an die anderen Die Linke, und das nicht erst seit heute. Schon vor Jah- europäischen Mitgliedstaaten. ren, als die Bundesregierung noch mit dem syrischen Über zwei Jahre sind seit dem Ausbruch der blutigen Geheimdienst kungelte, haben wir uns für ein Bleibe- Kämpfe in Syrien vergangen. Schätzungsweise 80 000 Men- recht für Flüchtlinge aus Syrien eingesetzt. schen haben bei den Kämpfen ihr Leben verloren. Ge- Wir haben in dieser Wahlperiode bereits drei Initiati- naue Zahlen sind unbekannt, weil weder die Vereinten ven mit diesem Ziel eingebracht. Denn auch schon vor Nationen noch unabhängige Medien ungehindert im der aktuellen Eskalation war die Menschenrechtslage in Land arbeiten können. Syrien furchterregend. Das hat die deutschen Behörden Millionen von Menschen sind innerhalb Syriens auf leider nicht davon abgehalten, selbst ganze Familien der Flucht, nahezu jede zweite Person ist von den abzuschieben. Erleichtert wurde das durch ein Rückführ- Kriegsfolgen direkt oder indirekt betroffen. abkommen, das der damalige Bundesinnenminister Schäuble mit der syrischen Regierung von Bashar al- Etwa 2 Millionen Syrerinnen und Syrer haben das Assad geschlossen hatte. Einige auf dieser Grundlage Land verlassen und suchen in Jordanien, im Libanon, in deportierte Flüchtlinge sind dann in den Foltergefängnis- der Türkei, dem Irak oder in Armenien Zuflucht. Der sen des syrischen Geheimdienstes gelandet. Das ist das Großteil der Flüchtlinge lebt unter extrem schwierigen Ergebnis einer unbarmherzigen Abschiebepolitik, die Bedingungen in provisorischen Zeltlagern oder in Mas- endlich beendet werden muss. senquartieren und ist dringend auf Unterstützung ange- wiesen. Erst im April 2011 wurden Abschiebungen nach Sy- rien eingestellt, Damals kam es bereits monatelang zu Angesichts der Eskalation der Gewalt in Syrien und schweren Auseinandersetzungen zwischen Sicherheits- der ständig steigenden Zahl der Flüchtlinge in den Nach- kräften und Oppositionskräften. Ein formeller Abschie- barstaaten müssen wir nicht nur weitere finanzielle Hil- bestopp wurde sogar erst im Mai 2012 beschlossen. fen für die Anrainerstaaten bereitstellen, sondern auch syrische Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen. Sie können jetzt also salbungsvolle Worte über das humanitäre Engagement der Bundesrepublik verlieren. Es ist ein wichtiges Signal, dass Bund und Länder Doch Tatsache bleibt, dass es erst zu einer humanitären sich bereit erklärt haben, 5 000 besonders schutzbedürf- 32574 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) tige syrische Flüchtlinge aus dem Libanon aufzuneh- nationaler oder europarechtlicher Ebene geregelten Fa- (C) men. Meine Fraktion begrüßt dies ausdrücklich; aller- miliennachzugsvoraussetzungen zu erleichtern. Es ist dings weisen wir auch darauf hin, dass angesichts des gut, dass dieser Appell nun endlich erhört wurde. Ausmaßes der humanitären Katastrophe dies nur ein An- fang gewesen sein kann. Ich kann nur hoffen, dass end- Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes- lich auch andere EU-Mitgliedstaaten ihre Türen öffnen minister des Innern: Seit zwei Jahren tobt in Syrien ein und eine größere Anzahl syrischer Flüchtlinge aufneh- Bürgerkrieg: Flüchtlingselend, Angst und Schrecken – men. wir alle kennen die schlimmen Nachrichten, die furcht- Besonders froh bin ich darüber, dass es endlich gelun- baren Bilder. Menschen verlieren ihre Angehörigen, ihre gen ist, eine unbürokratische Möglichkeit des Familien- Häuser, ihre Existenzgrundlage, ihre Heimat. Wir alle nachzugs zu in Deutschland lebenden Syrern zu schaf- kennen die Berichte über tragische Schicksale auch von fen. Dies war für die grüne Fraktion essenziell für das Syrern und syrischstämmigen Deutschen aus unseren Zustandekommen des Antrags. Wir wollen, dass der un- Wahlkreisen. bürokratische Familiennachzug zu in Deutschland leben- Seit Ausbruch des Syrien-Konflikts Anfang 2011 hat den syrischen Staatsangehörigen endlich ermöglicht sich die Lage zusehends verschärft: Etwa 100 000 Men- wird. schen haben durch den Krieg bereits ihr Leben verloren. Der Bundesinnenminister erteilt sein Einvernehmen, Nach Angaben des UNHCR sind fast 1,7 Millionen wenn Bundesländer Syrerinnen und Syrer zusätzlich zu Menschen auf der Flucht; die tatsächliche Zahl ist höher, dem Kontingent von 5 000 Personen aufnehmen wollen. wenn man Binnenvertriebene bedenkt und Menschen, Die rot-grün regierten Länder hatten bereits auf der ver- die sich nicht als Flüchtlinge registrieren lassen wollen. gangenen Innenministerkonferenz erklärt, dass sie den Im Libanon ist mittlerweile jeder vierte Einwohner ein ergänzenden Familiennachzug wollen. Ich bin mir si- syrischer Flüchtling. cher, dass angesichts des humanitären Leids der Men- Angesichts des Ausmaßes der humanitären Katastro- schen auch weitere Bundesländer von dieser Möglich- phe ist es die humanitäre Verantwortung Europas, seine keit Gebrauch machen werden. Hilfe auszuweiten und den Menschen, aber auch den Es leben in Deutschland circa 40 000 Syrer bzw. sy- durch die Flüchtlingsströme überlasteten Anrainerstaa- rischstämmige Deutsche, die finanziell meist in der Lage ten Unterstützung und Solidarität zu zeigen. sind, Eltern, ihre Geschwister etc. aus der Türkei, aus Deutschland hat hierbei von Anfang an eine Vorreiter- Jordanien oder dem Libanon nach Deutschland zu holen. rolle übernommen. Seit Beginn des Konfliktes haben (B) Bislang war dies aber nur in extremen Ausnahmefällen mehr als 15 000 Menschen aus Syrien in Deutschland (D) vom BMI und dem Auswärtigen Amt gestattet worden. Schutz erhalten, und die Bundesregierung unterstützt die Die Bereitschaft des BMI, jetzt das Einvernehmen zur Anrainerstaaten in besonderem Maße. Einreise von Verwandten zu erteilen, ist ein humanitärer Mehr als 170 Millionen Euro sind bereits von deut- Fortschritt. scher Seite bereitgestellt worden; damit sind wir der Zeitnah nach der Verabschiedung dieses gemeinsa- zweitgrößte Geldgeber weltweit nach den USA. Und wir men Antrags müssen die Länder ihn nun mit Leben fül- werden unsere finanzielle Hilfe mehr als verdoppeln. len und per Erlass den Familiennachzug regeln. Das hat die Bundeskanzlerin bereits zugesagt. Das Wichtigste ist, das Leid in der Region zu mildern. Denn die Hilfeersuchen verzweifelter in Deutschland Dazu leisten wir Unterstützung nicht ausschließlich in lebender syrischer Staatsangehöriger, die keine Möglich- Form von finanziellen Mitteln. Unser Technisches Hilfs- keit haben, Verwandte zu sich zu holen, reißen nicht ab. werk ist in der Region segensreich tätig, indem es in den Grund hierfür sind die strengen Vorgaben beim Fami- Flüchtlingslagern in Jordanien die Wasserversorgung be- liennachzug, die eine Einreise nur für die „Kernfamilie“ reitstellt. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten dort – dies sind Ehegatten und minderjährige Kinder aner- unter schwierigen Bedingungen; dies verdient hohe An- kannter Flüchtlinge und Asylberechtigter – zulassen. erkennung. Der Nachzug weiterer Verwandter wie erwachsener Kin- der, Geschwister oder Eltern zu ihren in Deutschland le- Ergänzend zur Hilfe in der Region hat Bundesinnen- benden Angehörigen ist unabhängig von deren Status minister Dr. Friedrich Ende März entschieden, 5 000 be- nahezu ausgeschlossen. sonders schutzbedürftige syrische Flüchtlinge aktiv nach Deutschland zu holen und ihnen vorübergehenden Auch deutschen Staatsangehörigen syrischer Abstam- Schutz zu geben. mung gelingt es bisher kaum, Verwandte nach Deutsch- land zu holen, selbst wenn die Finanzierung des Aufent- Gleichzeitig haben wir die Europäische Kommission halts gesichert ist. dazu aufgefordert, eine europäische Initiative für eine gemeinsame Aufnahmeaktion anzustoßen, um besonders Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Natio- schutzbedürftigen Flüchtlingen zu helfen. Leider ist die nen, UNHCR, hat bereits mehrfach an die Innenminister Kommission unserer Bitte nicht nachgekommen. von Bund und Ländern appelliert, syrischen Flüchtlin- gen in Deutschland den Nachzug von Familienangehöri- Wir haben in UN-Flüchtlingshochkommissar Guterres gen aus der Region unabhängig vom Vorliegen der auf einen Verbündeten gefunden, der jüngst die EU-Mit- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32575

(A) gliedstaaten dazu aufgefordert hat, insgesamt 10 000 sy- Anlage 10 (C) rische Flüchtlinge aufzunehmen. Amtliche Mitteilungen Nun hoffen wir, dass andere Mitgliedstaaten dem Bei- Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben spiel Deutschlands endlich folgen werden und wenigs- mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 tens zusammen auf die Anzahl an Flüchtlingen kommen, Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung denen Deutschland allein Schutz bieten wird. zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Wir freuen uns sehr, mit dem fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag zum Schutz syrischer Flüchtlinge Auswärtiger Ausschuss den Bundestag hinter unserer Strategie zur Bekämpfung des Flüchtlingselends zu wissen. – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühun- Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit Hochdruck gen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtver- daran arbeiten, 5 000 besonders Schutzbedürftige so breitung sowie über die Entwicklung der Streitkräfte- schnell wie möglich nach Deutschland zu holen. Im potenziale  April waren Mitarbeiter des BMI, des BAMF und des (Jahresabrüstungsbericht 2010) AA sowie des Innenministeriums NRW in Begleitung ei- – Drucksachen 17/4620 – nes Mitarbeiters von UNHCR Deutschland in Jordanien – Unterrichtung durch die Bundesregierung und dem Libanon, um wichtige Informationen für die Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühun- Entwicklung eines Aufnahmeverfahrens zu sammeln. gen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtver- Auf der Grundlage der so gewonnenen Erkenntnisse ha- breitung sowie über die Entwicklung der Streitkräfte- ben wir im Mai in Abstimmung mit den Ländern die potenziale  rechtliche Grundlage für die Flüchtlingsaufnahme ge- (Jahresabrüstungsbericht 2012) schaffen. Die ersten syrischen Flüchtlinge haben bereits – Drucksache 17/12570 – eine Zusage vom Bundesamt für Migration und Flücht- – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik linge erhalten. Es handelt sich hierbei um Menschen, die Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Verwandte in Deutschland haben und bei den deutschen Europarates Botschaften bereits bekannt waren. Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Euro- parates vom 25. bis 29. Januar 2010 in Straßburg Wir stehen in den Startlöchern, um auch mit UNHCR – Drucksachen 17/8241, 17/9802 Nr. 1.1 – als unserem wichtigsten Partner Schutzbedürftige auf- zunehmen. Sobald uns UNHCR die notwendigen Infor- – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik (B) mationen über für das Aufnahmeprogramm infrage kom- Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des (D) mende Flüchtlinge bereitstellt, können wir mit der Europarates Aufnahme beginnen. Mitte August soll nach unserem Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Euro- Wunsch der erste Flieger in Deutschland landen und die parates vom 26. bis 30. April 2010 in Straßburg mithilfe des UNHCR – oder gegebenenfalls auch Caritas – Drucksachen 17/8242, 17/9802 Nr. 1.2 – Libanon – ausgewählten Flüchtlinge in Sicherheit brin- – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik gen. Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Bei der Auswahl der Flüchtlinge spielen neben huma- Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Euro- nitären Kriterien auch – wie bereits erwähnt – Bezüge zu parates vom 21. bis 25. Oktober 2010 in Straßburg Deutschland eine Rolle. – Drucksachen 17/8243, 17/9802 Nr. 1.3 –

Angesichts der auf hohem Niveau stetig ansteigenden – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik Asylbewerberzahlen sind 5 000 zusätzliche Flüchtlinge Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des für Deutschland – insbesondere für die Länder – eine Europarates große Herausforderung. Es ist jedoch auch eine Tatsa- Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Euro- che, dass wir anhand unseres Bundesprogramms nicht parates vom 4. bis 8. Oktober 2010 in Straßburg alle Verwandtenanfragen positiv bescheiden können. – Drucksachen 17/8244, 17/9802 Nr. 1.4 – Wir haben daher die Möglichkeit für die Länder eröffnet, – Unterrichtung durch die Bundesregierung eine zusätzliche Aufnahme von Verwandten zu ermögli- Zweiter Bericht der Bundesregierung zur deutschen chen. Dies ist auch deshalb der richtige Weg, weil die Personalpräsenz in internationalen Organisationen Menschen mit syrischem Hintergrund geballt in einigen – Drucksachen 17/4306, 17/4499 Nr. 1.9 – Regionen Deutschlands leben. Wir wollen somit die Möglichkeit schaffen, dass Menschen gezielt ihre Ver- – Unterrichtung durch die Bundesregierung wandten aus Krisenregionen zu sich holen können. Dritter Bericht der Bundesregierung zur deutschen Personalpräsenz in internationalen Organisationen Gemeinsam lässt sich vieles besser bewegen. Ich – Drucksache 17/11942, 17/12114 Nr. 1.8 – danke für Ihre Anerkennung unseres Aufnahmepro- gramms und hoffe, dass wir auch in Europa bald von ei- – Unterrichtung durch die Bundesregierung ner gemeinsamen Aufnahmeaktion sprechen können. Ihr 16. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kul- gemeinsamer Entschließungsantrag ist uns Anspruch tur- und Bildungspolitik 2011/2012 und Ansporn zugleich. – Drucksache 17/12052 – 32576 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013

(A) Innenausschuss Auswärtiger Ausschuss (C)

– Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Da- Drucksache 17/2994 Nr. A.3 tenschutz und die Informationsfreiheit EuB-BReg 103/2010 Drucksache 17/6176 Nr. A.5 Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit 2008 und Ratsdokument 16230/10 2009 Drucksache 17/6985 Nr. A.8 – Drucksachen 17/1350 – Ratsdokument 12283/11 Drucksache 17/7423 Nr. A.4 – Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für den Da- EuB-BReg 184/2011 tenschutz und die Informationsfreiheit Drucksache 17/7423 Nr. A.5 EuB-BReg 188/2011 Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre Drucksache 17/7423 Nr. A.6 2010 und 2011 EuB-BReg 189/2011 – Drucksachen 17/9100 – Drucksache 17/7713 Nr. A.2 Ratsdokument 15608/11 Drucksache 17/8227 Nr. A.7 Haushaltsausschuss Ratsdokument 16897/11 Drucksache 17/12126 Nr. A.5 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ratsdokument 17114/12 Drucksache 17/12244 Nr. A.4 Haushaltsführung 2011  Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- EuB-BReg 15/2013 tungsermächtigungen im ersten Vierteljahr des Haus- Drucksache 17/12449 Nr. A.1 haltsjahres 2011 EP P7_TA-PROV(2013)0028 Drucksache 17/12449 Nr. A.2 – Drucksache 17/6003, 17/6392 Nr. 1.4 – Ratsdokument 5901/13 Drucksache 17/13340 Nr. A.5 – Unterrichtung durch die Bundesregierung EuB-BReg 36/2013 Haushaltsführung 2011 Drucksache 17/13595 Nr. A.2 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- Ratsdokument 8702/13 tungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr des Haus- Drucksache 17/13595 Nr. A.3 haltsjahres 2011 Ratsdokument 8741/13 – Drucksache 17/6741, 17/6961 Nr. 1.8 –

– Unterrichtung durch die Bundesregierung Innenausschuss Haushaltsführung 2011 Drucksache 17/12783 Nr. A.1 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- Ratsdokument 6225/13 (B) tungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haus- Drucksache 17/12783 Nr. A.2 (D) haltsjahres 2011 Ratsdokument 6342/13 – Drucksache 17/8080, 17/8207 Nr. 1.4 – Drucksache 17/13340 Nr. A.9 Ratsdokument 6415/13 Drucksache 17/13595 Nr. A.7 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ratsdokument 8521/13 Haushaltsführung 2011 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haus- Sportausschuss haltsjahres 2011 – Drucksache 17/9646, 17/9802 Nr. 1.9 – Drucksache 17/13340 Nr. A.11 EP P7_TA-PROV(2013)0098

Ausschuss für Gesundheit Finanzausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 17/13595 Nr. A.10 Erfahrungsbericht der Bundesregierung über die KOM(2013)213 endg. Durchführung der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung – Drucksache 17/13127, 17/13580 Nr. 1.1 – Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/13830 Nr. A.17 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Ratsdokument 9124/13 Union

– Unterrichtung durch die Bundesregierung Verteidigungsausschuss Bericht über die aktualisierten Stabilitäts- und Konver- Drucksache 17/13340 Nr. A.19 genzprogramme 2011/2012 der EU-Mitgliedstaaten EuB-BReg 33/2013 – Drucksachen 17/10669, 17/10879 Nr. 1.4 –

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Drucksache 17/13340 Nr. A.22 mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Ratsdokument 8219/13 Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- Drucksache 17/13595 Nr. A.16 ner Beratung abgesehen hat. Ratsdokument 8953/13 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 251. Sitzung. Berlin, Freitag, den 28. Juni 2013 32577

(A) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Drucksache 17/8227 Nr. A.49 (C) Reaktorsicherheit Ratsdokument 16626/11 Drucksache 17/11617 Nr. A.11 Drucksache 17/9797 Nr. A.10 Ratsdokument 15189/12 Ratsdokument 9126/12 Drucksache 17/13183 Nr. A.25 Drucksache 17/10028 Nr. A.11 Ratsdokument 7367/13 Ratsdokument 10834/12 Drucksache 17/13183 Nr. A.26 Drucksache 17/11242 Nr. A.13 Ratsdokument 7509/13 Ratsdokument 14358/12 Drucksache 17/13595 Nr. A.17 Drucksache 17/11617 Nr. A.18 Ratsdokument 8098/13 Ratsdokument 15691/12 Drucksache 17/13595 Nr. A.18 Drucksache 17/11919 Nr. A.27 Ratsdokument 8101/13 EP P7_TA-PROV(2012)0408 Drucksache 17/13595 Nr. A.19 Drucksache 17/11919 Nr. A.28 Ratsdokument 8193/13 Ratsdokument 10898/12 Drucksache 17/13595 Nr. A.20 Drucksache 17/12126 Nr. A.47 Ratsdokument 8310/13 EP P7_TA-PROV(2012)0453 Drucksache 17/13595 Nr. A.21 Drucksache 17/12126 Nr. A.48 Ratsdokument 8345/13 EP P7_TA-PROV(2012)0462 Drucksache 17/13595 Nr. A.22 Drucksache 17/12126 Nr. A.49 Ratsdokument 8556/13 Ratsdokument 16669/12 Drucksache 17/13830 Nr. A.18 Drucksache 17/12126 Nr. A.50 Ratsdokument 9016/13 Ratsdokument 16671/12 Drucksache 17/13994 Nr. A.9 Drucksache 17/12126 Nr. A.51 Ratsdokument 9436/13 Ratsdokument 16841/12 Drucksache 17/12449 Nr. A.15 Ratsdokument 5569/13 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Drucksache 17/12587 Nr. A.17 Entwicklung Ratsdokument 5938/13 Drucksache 17/12783 Nr. A.15 Drucksache 17/13183 Nr. A.27 EP P7_TA-PROV(2013)0053 Ratsdokument 7075/13 Drucksache 17/13183 Nr. A.30 Ratsdokument 7537/13 Drucksache 17/13340 Nr. A.25 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen EP P7_TA-PROV(2013)0076 Union Drucksache 17/13340 Nr. A.26 Drucksache 17/2408 Nr. A.34 EP P7_TA-PROV(2013)0078 Ratsdokument 10559/10 Drucksache 17/13595 Nr. A.25 Drucksache 17/6407 Nr. A.29 Ratsdokument 8602/13 Drucksache 17/13830 Nr. A.20 (B) Ratsdokument 11012/11 (D) Drucksache 17/6407 Nr. A.30 KOM(2013)350 endg. Ratsdokument 11013/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.73 Ratsdokument 12048/11 Drucksache 17/6985 Nr. A.76 Ausschuss für Kultur und Medien Ratsdokument 12475/11 Drucksache 17/7713 Nr. A.25 Drucksache 17/13830 Nr. A.21 EUCO 91/11 KOM(2013)311 endg. Drucksache 17/7713 Nr. A.27 Drucksache 17/13830 Nr. A.22 Ratsdokument 13181/11 Ratsdokument 8934/13 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-7980