DIPLOMARBEIT

"Wer den Galgen nicht scheut, den die Arbeit nicht freut, der komme zu mir, ich brauche Leut." Die oberschwäbischen Räuberbanden in der Frühen Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der Räuberbande des Schwarzen Veri, dessen Rezeptions- und Wirkungsgeschichte sowie einer kompetenzorientierten Aufbereitung für die Schule.

Verfasserin Johanna Wetzel

angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag. phil.)

Innsbruck, 2019 Eingereicht bei Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Margret Friedrich Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie Philosophisch-Historische Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen bedanken, die mich während der Anfertigung dieser Diplomarbeit unterstützt und motiviert haben. Zuerst gebührt mein Dank Frau ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Margret Friedrich, die die Betreuung meiner Diplomarbeit übernommen hat. Für die hilfreichen Anregungen, ihre Geduld und die konstruktive Kritik bei der Erstellung dieser Arbeit möchte ich mich herzlich bedanken. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Diplomarbeit in dieser Form vorliegt. An zweiter Stelle möchte ich auch Herrn Mag. Dr. Wolfgang Scheffknecht meinen Dank aussprechen, welcher die Betreuung meines fachdidaktischen Teils übernommen hat. Vielen Dank für ihre große Hilfsbereitschaft und ihre zahlreichen interessanten Ideen. Ein besonderer Dank gilt aber den Menschen, die mir, über die Dauer meines gesamten Studiums, ein emotionaler Rückhalt waren. Mama, Papa und Laura – „Ihr seid mein Ursprung, mein Vertrauen, meine Insel und mein Schatz. Mein Mund formt euer Lachen, mein Herz schlägt euren Takt.“1 Danke für alles! Matthias – Danke für deine Unterstützung und deinen allzeit festen Glauben an mich. Auch bei meinen Studienkollegen möchte ich mich bedanken. Die letzten Jahre mit euch waren eine bunte, lustige und aufregende ‚Achterbahnfahrt‘. Mein Studienabschluss wäre ohne euch nur halb so schön gewesen.

1 Julia Engelmann, Eines Tages Baby, München 2014.

Inhaltsverzeichnis

I. Fachwissenschaftlicher Teil

Einleitung ...... 1

1. Forschungsüberblick ...... 4

2. Das Bild des Sozialrebellen ...... 6

2.1. Gegengesellschaft versus Sozialbanditentum ...... 8 2.1.1. Gegengesellschaft ...... 8 2.1.2. Sozialbanditentum ...... 10 2.2. Der „edle“ Räuber ...... 10

3. Oberschwaben im 18. und 19. Jahrhundert ...... 13

3.1. Politische Situation ...... 13 3.1.1. Oberschwaben ...... 13 3.1.2. Vorderösterreich ...... 14 3.1.3. Bayern ...... 18 3.1.4. Baden-Württemberg ...... 21 3.2. Wirtschaftliche und soziale Situation ...... 23 3.2.1. Realteilungsrecht versus Anerbenrecht ...... 24 3.2.2. Die Konfessionsfrage spitzt sich zu ...... 25 3.2.3. Das Jahr ohne Sommer 1816 ...... 28

4. Vaganten und Räuber im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert ...... 33 4.1. Vaganten ...... 33 4.1.1. Allgemeines ...... 33 4.1.2. Unehrlichkeit ...... 35 4.1.3. Spezialfall Deserteure und Soldaten ...... 36 4.1.4. Überlebenspraxis und Strafpraxis Vagierender ...... 37 4.1.5. Spezialfall Scharfrichter ...... 39 4.1.6. Sprache ...... 42 4.1.7. Kleidung ...... 44 4.1.8. Beziehungen und familiäre Bande ...... 46 4.2. Räuber und Gauner ...... 49 4.2.1. Allgemeines ...... 49 4.2.2. Räuber, Räuberbande, Raub, Jauner – Ein Definitionsversuch ...... 50 4.2.3. Rotwelsch und Gaunerzinken ...... 52 4.2.4. Herbergen, Verstecke und Hehler ...... 55 4.2.5. Drei Räuberbiografien ...... 57 4.3. Strafrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Vaganten und Gauner in Württemberg ...... 66 4.3.1. Das Strafrecht (Constitutio Criminalis Carolina) ...... 66

4.3.2. Vorbeugung und Fahndung ...... 69 4.3.3. Prozess der Carolina ...... 75 4.3.4. Disziplinierung ...... 77 4.4. Der Schwarze Veri ...... 80 4.4.1. Quellenmaterial von Max Planck und Johann Baptist Pflug ...... 80 4.4.2. Herkunft und Weg in die Kriminalität ...... 81 4.4.3. Bandenmitglieder der Schwarzen Veri Bande ...... 82 4.4.4. Innere Struktur der Bande ...... 94 4.4.5. Die Delikte der Schwarzen Veri Bande ...... 100 4.4.6. Das Ende des Schwarzen Veri und seiner Bande ...... 108

5. Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des Schwarzen Veri ...... 115

5.1. Gemälde von Johann Baptist Pflug ...... 116 5.2. Wanderlegende des Schwarzen Veri ...... 124

5.3. Gustav Schwab, Psalm 104,4...... 126 5.4. Dokumentation „Der Sagenhafte Südwesten“ ...... 129

5.5. Historische Romane zum Schwarzen Veri ...... 130 5.5.1. Literarische Bilder ...... 130 5.5.2. Der Mond war ihre Sonne – Wiltrud Ziegler ...... 131 5.5.3. Der Schwarze Veri – Hans Nagengast ...... 135 5.6. Theaterstück „Wenn der Schwarze Vere kommt…“ ...... 139

6. Ausblick ...... 142 7. Zusammenfassung ...... 144

II. Fachdidaktischer Teil

1. Theoretische Grundlagen der Geschichtsdidaktik ...... 147 1.1. Kompetenzbereiche des historischen Lernens ...... 147 1.1.1. Kompetenzmodell FUER ...... 148 1.2. Der Schwarze Veri und die Schule ...... 150 1.2.1. Der Schwarze Veri und der neue AHS Lehrplan ...... 150 1.2.2. Regionalgeschichte ...... 152 1.2.3. Methodischer Zugang ...... 158

2. Konkrete Umsetzung im Geschichtsunterricht ...... 164 2.1. Exkursion ...... 164 2.1.1. Historische Orte als Lernorte ...... 164 2.1.2. Museum ...... 166 2.1.3. Archiv ...... 167 2.2. Arbeiten mit Darstellungen (Dekonstruktion) ...... 168 2.2.1. Dekonstruktion mittels Bildinterpretation ...... 169

2.2.2. Arbeiten mit Texten (Historischer Roman, Gedicht, Legende) ...... 173

3. Fazit ...... 174

Literaturverzeichnis ...... 175 Literatur ...... 175

Audio/Film ...... 184 Weblinks ...... 184

Abbildungsverzeichnis ...... 186

Einleitung

Schon während meines Studiums war das Interesse am Gebiet der Gesellschafts- und Sozialgeschichte groß. Besonders die Lehrveranstaltung „Gesellschaftsgeschichte der frühen Neuzeit und des ‚langen‘ 19. Jahrhunderts“, welche von meinem Zweitbetreuer Herrn Scheffknecht abgehalten wurde, hat mich in meinem Wunsch bestärkt, mich mit dieser Thematik noch intensiver zu beschäftigen. In dieser Lehrveranstaltung wurde ich auch erstmals in das Forschungsfeld der Gauner, Räuber und Diebe eingeführt. Die von Michael Barczyk liebevoll genannten „Spitzbuben“2 waren eine der vielen Thematiken, die besprochen wurden. Ein solcher Spitzbub hat mich in diesem Zusammenhang besonders angesprochen – der Schwarze Veri.3 Xaver Hohenleiter, aus Rommelsried bei , heute sowie damals besser unter dem Namen ‚Schwarzer Veri‘ bekannt, war Räuberhauptmann einer der letzten oberschwäbischen Räuberbanden der Neuzeit. Ich selbst komme vom Bodensee, es war mir daher ein großes Anliegen, in meiner Diplomarbeit ein Thema zu behandeln, welches das Gebiet einer umliegenden, vertrauten Region absteckt. Xaver Hohenleiter wurde in eine Zeit geboren, welche heute in der Geschichtsforschung auch als „Jahrhundert der Bettler und Gauner“4 bezeichnet wird.

Der Beginn dieser vorliegenden Arbeit beschäftigt sich mit einem kurzen Überblick zum aktuellen Forschungsstand und der Forschungsliteratur zu den Themen Vagantentum, Armut, Räuber und Gauner, Randständige der Gesellschaft und Kriminalität mit Schwerpunkt auf die Frühe Neuzeit. Das nächste Kapitel widmet sich dann dem Thema Räuber als Sozialrebellen. Jedes Kind kennt Robin Hood, den „edlen“ Held, welcher von den Reichen nimmt und den Armen gibt. Deshalb wird vor allem der Frage nach dem „edlen“ Räuber nachgegangen. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den politischen und sozialen Verhältnissen Oberschwabens im ausgehenden 18. sowie beginnenden 19. Jahrhundert. Die schwierigen politischen Bedingungen aufgrund der Koalitionskriege, insbesondere des dritten Koalitionskrieges und dem darauffolgenden Frieden von

2 Vgl. Michael Barczyk, Die Spitzbubenchronik. Oberschwäbische Räuberbanden. Wahrheit und Legende, 1982. 3 Während er in Oberschwaben meist unter dem Namen „Schwarzer Vere“ bekannt ist, wird er im Bodenseeraum, im Allgäu sowie dem südlichen Oberschwaben „Schwarzer Veri“ genannt. Beide Versionen werden in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt. 4 Wolfgang Seidenspinner, Offensive der Ausgegrenzten? Jauner und Räuberbanden in der frühen Neuzeit, in: Otto Borst (Hrsg.), Minderheiten in der Geschichte Südwestdeutschlands (Stuttgarter Symposium 3), Tübingen 1996, S. 73-90, hier: S. 77. 1

Pressburg sowie die Hungerkrise 1816/17 nehmen im dritten Kapitel einen besonderen Stellenwert ein. Im vierten Kapitel wird zunächst auf das Vagantentum im Allgemeinen und auf Räuber, Gauner und Diebe im Speziellen eingegangen. Besonders der unehrliche Beruf des Scharfrichters, sowie die Unehrlichkeit im Allgemeinen werden dabei eine wichtige Rolle spielen. Auch die Begriffsbestimmung „Räuber“ wird in diesem Kapitel geklärt, denn es stellt sich die Frage, was im 18. Jahrhundert überhaupt unter „Räuber“ verstanden wurde. Danach werde ich mich mit drei verschiedenen oberschwäbischen Räuberbiografien beschäftigen, um einige unterschiedliche Räubertypen darzustellen. Das nächste Kapitel behandelt dann die Frage, wie der Staat mit den Räubern und Gaunern zur damaligen Zeit umgegangen ist. Dabei werden vor allem das Gerichtswesen, der Strafvollzug und das Strafrecht im Vordergrund stehen. Daraufhin folgt die Untersuchung der Räuberbande des Schwarzen Veri: Wie war die Bande aufgebaut, welche Mitglieder sind bekannt, welche Überfälle werden ihm und seiner Bande zugeschrieben und noch viele weitere Aspekte werden dabei behandelt. Zum Schluss möchte ich mich mit einem, vor allem auch für die Schule, besonders relevanten Thema beschäftigen. Denn die Frage nach dem, was sich von der historischen Wirklichkeit rekonstruieren lässt und wie sehr die historische Wirklichkeit verzerrt wurde, wird mich auch in meinem fachdidaktischen Teil besonders leiten. Daher beschäftige ich mich im letzten Kapitel mit der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte rund um den Schwarzen Veri. Dabei werde ich den Fokus auf die Räuberdarstellung in romantisch aufgeklärter Sichtweise in Kunst und Literatur legen. In der Räuberromantik entstand nämlich ein verzerrtes Räuberbild, welches wir auch noch heute in Film und Literatur wiederfinden. Danach werde ich meine Analyse beginnen und untersuchen, welches Bild vom Schwarzen Veri gezeichnet und vermittelt wurde. Ob der Schwarze Veri von den nachkommenden Generationen als oberschwäbischer Robin Hood oder als grausamer Räuber dargestellt wird. Dabei wird die Legendenbildung eine große Rolle spielen.

Nach der fachwissenschaftlichen Untersuchung möchte ich mich in der fachdidaktischen Aufbereitung ebenfalls dem Thema ‚Legendenbildung und historische Wirklichkeit‘ widmen. Dafür werde ich das Beispiel des Schwarzen Veri verwenden. In meinem fachwissenschaftlichen Teil ist es daher wichtig, dass nicht nur das Konzept des Sozialrebellen sowie die Legendenbildung um die Räuberbande des Schwarzen Veri untersucht werden, sondern auch der historische Kontext in Oberschwaben im 18. und

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19. Jahrhundert behandelt wird. Mein fachwissenschaftlicher Teil kann als ausführliche Recherche für meine spätere fachdidaktische Aufbereitung angesehen werden, in welcher es mir ein besonderes Anliegen sein wird, die historische Wirklichkeit mit der Legendenbildung zu vergleichen. Für die Schüler und Schülerinnen ist dieser Vergleich deshalb von besonderer Bedeutung, weil wir romantisierende oder wirklichkeitsverzerrende Darstellungen nicht nur von der Räuberthematik kennen, sondern in der Geschichte fast überall zu finden sind. Die Frage „Was ist historisch wahr und was ist bloß eine Legende?“ sollte daher auch für Schüler und Schülerinnen immer zentrale Fragestellung bleiben. Im ersten Moment scheint das Thema, rund um die Räuberbanden in Deutschland, fest in der Vergangenheit verankert. „Ob reich oder arm, ob mächtig oder schwach, jeder müßige Bürger ist ein Spitzbube.“5. Ich persönlich würde zwar nicht so weit gehen wie der Schriftsteller und Philosoph Jean-Jacques Rousseau6, ich würde aber doch behaupten, dass es zu allen Zeiten ‚Spitzbuben‘ gegeben hat und sie auch heute noch in verschiedenen Betätigungsfeldern zu finden sind. Ob damals in der frühen Neuzeit oder in der Gegenwart, tröstlich ist, dass wie es sprichwörtlich heißt, „nicht alles Spitzbuben sind, die von den Hunden angebellt werden.“7 Mit diesem Zitat möchte ich meine Diplomarbeit beginnen und mich ganz dem Spitzbuben Xaver Hohenleiter widmen.

5 Projekt Gutenberg, 27.06.2008, [http://gutenberg.spiegel.de/buch/emil-oder-ueber-die-erziehung-erster- band-3811/33], eingesehen am 22.03.2018. 6 Jean-Jacques Rousseau war einer der wichtigsten Schriftsteller und Philosophen seiner Zeit. Er war besonders für sein aufklärerisches Denken und seine neuartige Erziehungsphilosophie bekannt, welche er in seinem Werk „Émile oder über die Erziehung“ behandelt. 7 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 5. 3

I. Fachwissenschaftlicher Teil

1. Forschungsüberblick

Im Forschungsfeld der Räuber und Vaganten wurde bereits einiges an Fachliteratur veröffentlicht. Die Auswahl ist zwar umfangreich, dennoch gibt es ein paar Werke, welche besonders hervorzuheben sind. Hilfreiche Überblickswerke zum Thema Vagantentum, Minderheiten in der Frühen Neuzeit sowie im speziellen Räuberbanden sind beispielsweise Gerhard Ammerers „Heimat Straße“8, Uwe Dankers „Die Geschichte der Räuber und Gauner“9, der Sammelband „Minderheiten in der Geschichte Südwestdeutschlands“10, welcher von Otto Borst herausgegeben wurde, sowie der Sammelband „Schurke oder Held?“11 herausgegeben von Harald Siebenmorgen und das Werk von Fritz und Ammerer „Die Gesellschaft der Nichtsesshaften“12. Zudem sollten die beiden Werke „Außenseiter, Randgruppen, Minderheiten“13 von Bernd Roeck sowie „Gesellschaft und Kriminalität“14 von Katrin Lange nicht außer Acht gelassen werden. Einen wichtigen Beitrag zur Sozial- und Kulturgeschichte der Neuzeit leistet auch Gerhard Fritz mit seinem Werk „Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt“15. Im westösterreichischen Raum hat sich vor allem Wolfgang Scheffknecht mit den Randgruppen und Außenseitern der Gesellschaft beschäftigt. Besonders sein Werk16 zu den Scharfrichtern im frühneuzeitlichen Vorarlberg gibt Auskunft über den Strafvollzug und über das Thema der „Unehrlichkeit“.

Zu den älteren Arbeiten rund um die Räuberthematik gehören auch die Werke von Carsten Küther und Eric Hobsbawm. Trotz der späteren Kritik an der frühen

8 Vgl. Gerhard Ammerer, Heimat Straße. Vaganten im Österreich des Ancien Régime (Sozial- und Wirtschaftshistorische Studien), Wien-München 2003. 9 Vgl. Uwe Danker, Die Geschichte der Räuber und Gauner, Düsseldorf-Zürich 2001. 10 Vgl. Otto Borst (Hrsg.), Minderheiten in der Geschichte Südwestdeutschlands (Stuttgarter Symposium 3), Tübingen 1996. 11 Vgl. Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995. 12 Gerhard Ammerer/Gerhard Fritz (Hrsg.), Die Gesellschaft der Nichtsesshaften. Zur Lebenswelt vagierender Schichten vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Affalterbach 2013. 13 Vgl. Bernd Roeck, Außenseiter, Randgruppen, Minderheiten. Fremde im Deutschland der frühen Neuzeit, Göttingen 1993. 14 Vgl. Katrin Lange, Gesellschaft und Kriminalität. Räuberbanden im 18. und frühen 19. Jahrhundert (Europäische Hochschulschriften Reihe III Geschichte und ihre Hilfswissenschaften), Frankfurt am Main 1994. 15 Vgl. Gerhard Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt. Öffentliche Sicherheit in Südwestdeutschland vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zum Ende des Alten Reiches (Stuttgarter historische Studien zur Landes- und Wirtschaftsgeschichte), Ostfildern 2004. 16 Vgl. Wolfgang Scheffknecht, Scharfrichter. Eine Randgruppe im frühneuzeitlichen Vorarlberg, Konstanz 1995. 4

Veröffentlichung gibt Carsten Küthers „Räuber und Gauner in Deutschland“17 einen guten Überblick. Eric Hobsbawm und seine Werke18 über Sozialrebellen und Banditen erklären, was unter Sozialbanditentum zu verstehen ist. Besonders das neuere Werk „Die Banditen“19, welches in Deutschland in überarbeiteter Form 2007 erschienen ist, gibt Auskunft darüber, welche Eigenschaften ein ‚edler Räuber‘ mit sich bringt, welche Formen von Sozialbanditen es gibt und welche Rolle Banditen bei der Veränderung der Gesellschaft einnehmen. Hobsbawm gilt als Vorreiter der Räuberthematik in Europa, seine Theorien wurden in der Forschung aber teilweise kritisiert.20

In Bezug auf den Schwarzen Veri ist die Auswahl etwas magerer. Besonders hilfreich ist hier aber der bereits erwähnte Sammelband „Schurke oder Held“21. In diesem findet man nicht nur eine Reihe von Quellen und Darstellungen, sondern auch zwei besonders wichtige Aufsätze zum Schwarzen Veri.22 Das meiste zum Schwarzen Veri haben aber Michael Barczyk23 sowie Gerhard Fetscher24 zusammengetragen. Auch Karl Schweizer25 und Kurt Diemer26 sowie der Sammelband27 von Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz

17 Vgl. Carsten Küther, Räuber und Gauner in Deutschland. Das organisierte Bandenwesen im 18. und frühen 19. Jahrhundert (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Bd. 20), Göttingen 1976. Küthers Dissertation „Räuber und Gauner in Deutschland“ ist eine der frühen Publikationen der sehr renommierten sozialgeschichtlichen Reihe „Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft“. 18 Vgl. Eric J. Hobsbawm, Sozialrebellen. Archaische Sozialbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert, Gießen 1979. sowie Eric Hobsbawm, Die Banditen, Räuber als Sozialrebellen, München 2007. 19 Ebd., Hobsbawm, Die Banditen, 2007. 20 Im Werk Banditen, von 2007, behandelt Eric Hobsbawm in seinem Vorwort die Kritik an seiner Forschung und diskutiert diese. Er gibt zu, es bestehe „dreißig Jahre nach der Erstveröffentlichung kein Zweifel daran, daß sowohl die Beweisführung als auch die Struktur des Buches grundlegend überdacht und aktualisiert werden müsse.“ Daraufhin gibt er an, mit welchen Maßnahmen er dies im vorliegenden Werk umgesetzt habe. Es handelt sich laut Hobsbawm beim Werk Banditen (2007) „um eine gründlich erweiterte und überarbeitete Ausgabe“. Vgl. Hobsbawm, Die Banditen, 2007, S. 7-10. Noch genauer geht er in der Nachbemerkung auf die genannte Kritik ein und verteidigt dabei seine Theorie. Vgl. Hobsbawm, Die Banditen, 2007, S. 181-199. Hobsbawm hat sich neben der Räuberthematik aber besonders mit dem langen 19. Jahrhundert, dem Kapitalismus und der modernen Industriegesellschaft beschäftigt. Seine drei bekanntesten Werke zum langen 19. Jahrhundert sind: „Europäische Revolutionen“ (“The Age of Revolutions”, 1962), „Die Blütezeit des Kapitals“ (“The Age of Capital“,1975), „Das Imperiale Zeitalter“ (“The Age of Empire“, 1987). Zum kurzen 20. Jahrhundert erschien 1994 dann noch der abschließende vierte Teil „Das Zeitalter der Extreme“ (“The Age of Extremes“). 21 Vgl. Siebenmorgen, Schurke oder Held? 22 Vgl. Herbert Eichhorn, "Die wilden Gesellen in ihrem grünen Theater" - Johann Baptist Pflug als "Räubermaler", in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995, S. 203-211. Sowie Monika Machnicki, Die oberschwäbischen Räuberbanden des 19. Jahrhunderts, in: ebd., S. 111-122. 23 Vgl. Barczyk, Die Spitzbubenchronik. 24 Vgl. Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und , in: Ostracher Blätter, Mai 2018. 25 Vgl. Karl Schweizer, Ein freier Vogel sucht immer ein Loch. Vom Räuber Fidelis Sohm aus Witzigmänn bei Lindau, in: Jahrbuch des Landkreises Lindau 21 (2006), S. 9-25. 26 Vgl. Kurt Diemer, Der Tod des „Schwarzen Veri“, in: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach (1988), Heft 2, S. 3-9. 27 Vgl. Heiner Boehncke/Hans Sarkowicz (Hrsg.), Im wilden Südwesten. Die Räuberbanden zwischen Neckar und Bodensee, Frankfurt am Main 1995. 5 dürfen in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Ein sehr wichtiges Werk für die vorliegende Arbeit ist aber das zeitgenössische Werk von Max Planck28.

2. Das Bild des Sozialrebellen

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, kann das 18. Jahrhundert auch als Jahrhundert der Bettler und Gauner bezeichnet werden. Zahlreiche Banden versetzten das Land in Angst und Schrecken. Dies verleitet dazu, die Räubertätigkeiten als eine Art Protest beziehungsweise Rebellion gegen die gesellschaftliche Diskriminierung und Unterdrückung anzusehen.29 Mit einer solchen Interpretation beschäftigt sich auch vor allem Carsten Küther. Räuberbanden stellen seiner Meinung nach nicht nur eine Zweckgemeinschaft dar, sondern sollten eher als eine mehr oder weniger ausgeprägte „‚Gegengesellschaft‘ in Konkurrenz zur etablierten Sozialverfassung“30 angesehen werden. Eric Hobsbawm, der Begründer des Konzepts des Sozialbanditentums, beschäftigt sich noch intensiver mit der Frage nach dem Sozialrebellen. Laut ihm soll per Definition ein Bandit eine Person sein, welche den Gehorsam verweigert, potentieller Machtausüber ist und dadurch ein potentieller Rebell ist.31 Was aber ist dann ein Sozialbandit?

„Es ist besonderes Merkmal der Sozialbanditen, daß Feudalherr und Staat den bäuerlichen ‚Räuber‘ als Verbrecher ansehen, während er jedoch weiterhin innerhalb der bäuerlichen Gesellschaft bleibt und vom Volk als Held, Retter, Rächer und Kämpfer für Gerechtigkeit betrachtet wird; vielleicht hält man ihn sogar für einen Führer der Befreiung, jedenfalls für einen Mann, den man zu bewundern hat, dem man Hilfe und Unterstützung gewähren muß.“32 Doch laut Hobsbawm sind das nicht die einzigen Merkmale. Für einen Sozialbanditen wäre es unmöglich, den Bauern im eigenen Gebiet die Ernte wegzunehmen, während andererseits die Ernte des Gutsherrn sicher nicht verschont bleibt. Wer nämlich den Bauern die Ernte nimmt, kann nicht mehr als „sozialer“ Bandit angesehen werden. In der Praxis sind solche genauen Unterscheidungen eher schwierig anzusehen. Es kann nämlich sein, dass ein Bandit sich in der ländlichen Heimat wie ein Sozialbandit verhält, in der

28 Max Planck, Die letzten Räuberbanden in Oberschwaben in den Jahren 1818-1819. Ein Beitrag zu Sittengeschichte, Stuttgart 1866. 29 Seidenspinner, Offensive der Ausgegrenzten? S. 77. 30 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 60. 31 Hobsbawm, Die Banditen, S. 24. 32 Ebd. S. 32. 6

Stadt aber beispielsweise als gewöhnlicher Räuber und Dieb auftritt. Trotzdem ist eine Unterscheidung von Bedeutung.33

Das Land, in dem der wohl bekannteste Sozialbandit – Robin Hood – zu Hause war, verzeichnet seit zirka Anfang des 17. Jahrhunderts keine Sozialrebellen mehr.34 In Deutschland wiederum gibt Hobsbawm an, gab es nur einen einzigen eindeutigen Fall von Sozialbanditentum. Der Fall des Matthias Klostermayr, genannt Bayerischer Hiasl, und seiner Bande, welche um 1770 aktiv waren. Die Bande war auf die Wilderei spezialisiert und führte somit einen Privatkrieg gegen Jäger, Wildhüter, Gesetzesvertreter und andere Offizielle. Dafür erlangte er auch viel Bewunderung von den Bauern und dem Volk. Er stand in dem Ruf, dass er niemals jemand anderen berauben würde, als die oben genannten ‚Feinde‘.35 In seinen Aktionen verfolgte er eine gezielt moralische Komponente, denn Raub um der Beute willen war nicht sein Ziel. Für den Bayerischen Hiasl war sein Vorgehen ‚rechtliche Sache‘, und auch die Bauern teilten diese Einstellung.36 Dies macht ihn nach Hobsbawm zum einzigen deutschen Sozialbanditen.37 Küther vertritt hier eine andere Meinung als Hobsbawm, welche er auch in einer entsprechenden Kritik kundtut. Seines Erachtens ist es falsch, eine Unterscheidung zwischen Sozialbanditentum und weiteren Formen des Banditentums vorzunehmen. Seines Erachtens nach könne jedes Verbrechen als eine Art Protest beziehungsweise Rebellion verstanden werden.38 Denn würde man eine solche Unterscheidung vornehmen, dann würde man „die Frage nach eventuell tiefergehenden Motiven, die Möglichkeit, die illegale Aktion als Form des Protestes an den herrschenden sozialen Bedingungen zu interpretieren“39 völlig übergehen. Küther fragt sich, „ob nicht auch der als ‚kriminell‘ abqualifizierte Räuber über die illegale Form des Broterwerbs hinaus seine Lebensweise aus einem sicher primitiven sozialen Bewußtsein heraus motivierte und dabei auch in Übereinstimmung mit einer zahlenmäßig beträchtlichen Bevölkerungsschicht handelte.“40 Hobsbawm räumt 2007 ebenfalls ein, dass kriminelle Räuber aus einer Studie des Sozialbanditentums nicht einfach ausgeschlossen werden können. Denn dort, wo das Sozialbanditentum ausgestorben ist, lässt sich oft feststellen,

33 Hobsbawm, Die Banditen, S. 32f. 34 Ebd., S. 54. 35 Ebd., S. 183. 36 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 55. 37 Hobsbawm, Die Banditen, S. 183. 38 Ebd. S. 186. 39 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 112. 40 Ebd. S. 8. 7 dass es zu Idealisierungen von kriminellen Räubern kommt. Man stattet einfache Kriminelle mit Robin Hood ähnlichen Eigenschaften aus, vor allem dann, wenn die Opfer dieser Gauner Menschen sind, die bei der ärmlichen Bevölkerung auf wenig Sympathie stoßen. Für Deutschland, gibt Hobsbawm dazu das Beispiel des Schinderhannes, eines Räubers, der in einer Zeit lebte, zu welcher die Sozialrebellen in Deutschland ausgestorben waren.41 Die historische Wirklichkeit sollte daher immer zentrale Thematik bleiben und Rezeptionen müssen kritisch hinterfragt werden.

2.1. Gegengesellschaft versus Sozialbanditentum Bei der Deutung von Räuberbanden werden im Diskurs meist zwei entgegengesetzte Positionen eingenommen. Einerseits werden Räuber als kriminell, asozial und Feinde jeglicher Ordnung angesehen, andererseits romantisiert man sie und deutet ihr Handeln als eine Rebellion gegen soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit.42 „Beide Perspektiven auf die historische Bandenkriminalität können […] zu einer Interpretation der Räuber und Jauner, oder allgemeiner: der seit dem späten Mittelalter Ausgegrenzten als eine Gegengesellschaft führen.“43 Diese Auslegung weist laut Seidenspinner auch eine Nähe zu dem Konzept des Sozialbanditentums von Hobsbawm auf. Beide Konzepte sollten aber grundsätzlich voneinander getrennt betrachtet werden.44

2.1.1. Gegengesellschaft Das Konzept der Gegengesellschaft wurde nicht erst in den 1970er Jahren von Küther neu erfunden, sondern es blickt auf eine lange Tradition zurück.

1861 entwickelt der konservative Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl das Bild einer negativen Gegengesellschaft.

„In dem hochgesitteten Europa gibt es noch immer eine gleichsam unterirdische Gesellschaft neben jener, die am Lichte lebt. Es ist dies das organisirte Gaunervolk, verbündet durch die gemeinsame negative Arbeit des Raubes, Diebstahls und Betrugs, durch gemeinsame Sitte und Sprache und durch die negative Fratze eines gesellschaftlichen Verbandes, der aber trotzdem fest und dauerhaft ist, furchtbar für die Mitglieder wie für die ehrlichen Leute.[…] Die Gauner, welche dieser [bürgerlichen] Gesellschaft ewigen Krieg erklären, bilden eine unsichtbare Gesellschaft für sich […].“45

41 Hobsbawm, Die Banditen, S. 57. 42 Wolfgang Seidenspinner, Mythos Gegengesellschaft. Erkundungen in der Subkultur der Jauner, Münster 1998, S. 239. 43 Ebd. 44 Ebd. 45 Wilhelm Heinrich Riehl, Die deutsche Arbeit, Stuttgart 1861, S. 245, S.252f. 8

Auch Jacob Grimm, welcher sich im Rahmen seiner Sprachforschung immer wieder zu Räubern und Randständigen äußerte, spricht schon 1822 von einer eigenständigen Gesellschaft.

„spitzbuben pflegen und bedürfen einer eigenen sprache nicht allein zu ihrer heimlichen, weitgreifenden verständigung, sondern […] diese traditionell fortgepflanzte sprache verleiht ihrer gesellschaft selbst, vielleicht ihnen unbewust, einen unleugbaren haft und reiz, gemeinschaft in der art und weise sich auszudrücken festigt gemeinschaft im handeln.“46 Bei Grimm ist aber im Vergleich zu Riehl noch keine Rede von einer Gruppe, die sich – mit politischem Hintergrund – kriegerisch gegen die übrige Gesellschaft stellt und sozusagen eine Frontstellung einnimmt. Hier wird lediglich angemerkt, dass es neben der etablierten und legalen Gesellschaft eine eigenständige Gesellschaft der Gauner gibt.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lag zwar das Konstrukt der Gegengesellschaft fertig ausgebildet vor, doch es handelt sich nicht um das gleiche Konzept, welches in der moderneren Geschichtsschreibung vorherrscht. Die beiden Ideen von Gegengesellschaft unterscheiden sich vor allem in ihrer Bewertung. Die älteren Zeugnisse leisten eine sehr negative Darstellung. Während der Entstehungszeit dieser Zeugnisse waren die Taten der gefürchteten Räuberbanden noch in frischer Erinnerung, somit konnte kein positiver Zusammenhang mit dieser ‚Gegengesellschaft‘ geknüpft werden. Aus moderner Perspektive erfährt die Idee der Gegengesellschaft eine verständnisvollere und positivere Bewertung.47

Uwe Danker setzte sich sehr intensiv mit den Thesen der kochemer Gegengesellschaft Küthers auseinander. Dabei kommt er auf einen simplen Schluss: „Küthers Modell der Räuberbanden als offensiver, präpolitischer, rebellischer Teil des Fahrenden Volkes ist empirisch nicht haltbar und durch eine simple Interpretation überlieferter ‚Selbsteinschätzungen‘ von Banditen gekennzeichnet.“48 Der Versuch eines Erklärungsmodelles einer Gegengesellschaft war aufgrund der fehlenden Gesellschaftskritik, nicht nur von Danker, sondern auch von Seidenspinner zurückgewiesen worden. Dieser bestätigt Dankers Kritik wie folgt: „Das Interpretament

46 Jacob Grimm, Wörterbuch der in Deutschland üblichen spitzbubensprachen von F.L.A. von Grolmann. erster Band, die deutsche gauner- jenische- oder oder kochemersprache enthaltend, mit besonderer rücksicht auf die ebräisch-deutsche judensprache. Gieszen, bei C.G. Müller. 1822, in: Jacob Grimm, Recensione und vermischte Aufsätze, Theil 1 (Kleinere Schriften 4), Berlin 1869, S. 165. 47 Seidenspinner, Mythos Gegengesellschaft, S. 259f. 48 Uwe Danker, Räuberbanden im Alten Reich um 1700. Ein Beitrag zur Geschichte von Herrschaft und Kriminalität in der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main 1988, S. 483. 9

[Küthers] kann […] nicht auf die historische Wirklichkeit zurückgeführt werden, wie sie sich aus der archivalischen Überlieferung rekonstruieren läßt, diese sperrt sich allem Anschein nach gegen eine solche Interpretation.“49 Seidenspinner geht sogar noch einen Schritt weiter und verschärft seine Kritik, wenn er ein paar Zeilen weiter behauptet:

„In dieser Perspektive werden Diebstahl, Raub und Mord bis zu einem gewissen Grad legitimiert. Das Erklärungsmodell scheint damit in dieser spezifischen Perspektive seine eigentliche Quellenbasis zu haben. Es bleibt allenfalls ein Lehrbeispiel für die Genese historischer ‚Erkenntnis‘.“50 2.1.2. Sozialbanditentum Die These des Sozialbanditentums findet seinen Ursprung in den Arbeiten von Eric Hobsbawm. Küther übernimmt zwar für seine Überlegungen der kochemer Gegengesellschaft auch einige Ideen des Sozialbanditentums von Hobsbawm, dennoch müssen die beiden Modelle getrennt voneinander betrachtet werden.51 Räuber die nach Ansicht der Öffentlichkeit nicht oder nicht nur als gemeine Kriminelle angesehen werden, werden im Wesentlichen Sozialbanditen genannt.52 Der typische Sozialbandit ist aufgrund eines Konflikts mit dem Staat oder den Herrschenden zum Outlaw geworden. Nach Hobsbawms Erklärungsmodell ist das Sozialbanditentum „ein lokaler, endemischer Protest der Bauern oder Hirten gegen Unterdrückung und Armut, ein ‚Racheschrei gegen die Reichen und die Unterdrücker, ein vager Traum, ihnen Schranken zu setzen, eine Wiedergutmachung persönlichen Unrechts […].‘“53 Der Sozialbandit handelt demnach nach den Wertevorstellungen der Gemeinschaft, welcher er entstammt und wird deshalb von dieser nicht als krimineller Verbrecher angesehen.

2.2. Der „edle“ Räuber Der „edle“ Räuber ist in Literatur, Balladen und Film ein weit verbreitetes Phänomen, doch in der Praxis oft nur schwer zu finden. Robin Hood, der „Archetyp des Sozialrebellen“54, der von den Reichen nahm, um es den Armen zu geben, passt genau in das Bild des „edlen“ Räubers. „Besonders in seinem ausgeprägten Gegensatz zum gemeinen Kriminellen wurde das Bild vom edlen Räuber zu einem in zahlreichen

49 Seidenspinner, Mythos Gegengesellschaft, S. 247. 50 Ebd. 51 Ebd., S. 295f. 52 Hobsbawm, Die Banditen, S. 31. 53 Konrad Clewing/Oliver Jens Schmitt (Hrsg.), Geschichte Südosteuropas. Vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart, Regensburg 2011, S. 355. 54 Hobsbawm, Sozialrebellen, S. 28. 10

Facetten schillernden Darstellungstopos […].“55 Die Täter werden dabei als Wohltäter des Volkes dargestellt. Man weiß zwar - laut Hobsbawm - von den wahren Robin Hoods (beispielsweise Diego Corrientes, der edle Räuber Andalusiens). Dennoch taucht immer wieder ein ganz bestimmtes Phänomen auf: Das Bedürfnis nach einem heroischen Beschützer des Volkes ist oft so groß, dass wenn die wirklichen Helden fehlen, unpassende Kandidaten zu Volkshelden gemacht werden56. Bis heute ist dieses Phänomen präsent. Die Verehrung des kolumbianischen Kokainbarons Pablo Escobar57 demonstriert dies. Nicht nur die Ereignisse während seiner Beisetzung58, sondern seine auch heute noch andauernde Volksverehrung in Kolumbien, lässt die Idee des Sozialbanditentums zu einem aktuellen Deutungsmuster werden. In den Medien ist die Person Escobar immer wieder sehr präsent. Die Schlagzeilen reichen vom Besuch eines weltbekannten Rappers am Grab Escobars59, über eine erfolgreiche Netflix Serie namens ‚Narcos‘, welche den Hype um den Drogenbaron anfeuert60, bis hin zu boomenden „Escobar Touren“61.

Doch was versteht man im wissenschaftlichen Diskurs unter einem „edlen“ Räuber? Das „Image“ des „edlen“ Räubers lässt sich schnell erklären. Er ist heroischer Beschützer, der das Unrecht, welches den Armen wiederfahren ist, wiedergutmacht und damit soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung bringt.62 Hobsbawm fasst das „Image“ beziehungsweise die Charaktereigenschaften eines „edlen“ Räubers wie folgt zusammen:

„Erstens beginnt der ‚edle‘ Räuber seine Banditenkarriere nicht mit einem Verbrechen, sondern als Opfer einer Ungerechtigkeit oder weil ihn die Obrigkeit für eine Tat verfolgt, die zwar von den Behörden als verbrecherisch angesehen wird, dem Brauchtum seines Volkes jedoch nicht widerspricht. Zweitens macht der ‚edle‘ Räuber ‚begangenes Unrecht wieder gut‘. Drittens ‚nimmt er von den

55 Seidenspinner, Mythos Gegengesellschaft, S. 295. 56 Hobsbawm, Die Banditen, S.60. 57 Pablo Escobar (geb. 01.12.1949, gest. 02.12.1993) wird auch ‚der Drogenbaron von Kolumbien‘ genannt. Er industrialisierte den Drogenhandel in Kolumbien und baute sich damit ein Imperium auf. Er war nicht nur Drogenhändler, sondern auch Drogenschmuggler und Terrorist. Escobar war das Oberhaupt des sogenannten Medellín-Kartells, dem unzählige Auftragsmorde angelastet werden. Er wurde durch seine kriminellen Machenschaften zu einem der reichsten Menschen der Welt. Heute gehört Escobar zu den mythischen Figuren Lateinamerikas und wird von vielen bewundert. 58 Seidenspinner, Mythos Gegengesellschaft, s. 295. 59 Spiegel, 27.03.2017, [http://www.spiegel.de/panorama/leute/wiz-khalifa-rapper-kifft-am-grab-von- pablo-escobar-a-1140640.html], eingesehen 04.07.2018. 60 Julia Jaroschewski, Auf den Spuren von Kolumbiens Kokain-König, 25.09.2015, [https://www.welt.de/reise/article146840236/Auf-den-Spuren-von-Kolumbiens-Kokain-Koenig.html], eingesehen 04.07.2018. 61 Martin Kaluza, Kolumbien. Drogen-Trip, 01.12.2016, [https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/kolumbien-drogen-trip/14895270.html], eingesehen 04.07.2018. 62 Hobsbawm, Die Banditen, S. 60. 11

Reichen, um die Armen zu beschenken‘. Viertens ‚tötet er nur zur Selbstverteidigung oder in berechtigter Rache‘. Fünftens kehrt er, falls er überlebt, als ehrenwerter Bürger und als Mitglied der Gemeinschaft wieder zu den Seinen zurück […]. Sechstens bringt ihm sein Volk Bewunderung, Hilfe, und Unterstützung entgegen. Siebtens ist sein Tod stets und ausschließlich die Folge eines Verrates, denn kein anständiges Mitglied der Gemeinde würde je der Obrigkeit gegen ihn beistehen. Achtens ist er – zumindest theoretisch – unsichtbar und unverwundbar. Neuntens ist er nicht ein Feind von König oder Kaiser, der ein Hort der Gerechtigkeit ist, sondern bloß Gegner des lokalen Junkertums, der Geistlichkeit oder sonstiger Unterdrücker.“63 Das Bild des ‚edlen‘ Räubers beruht also auf moralisch positiven Taten. Es wird daher klar zwischen den Sozialbanditen, denen diese Eigenschaften mit Recht zugestanden wurden und den Banditen, denen diese Attribute nicht zukamen, unterschieden. In vielen Balladen endet die Geschichte damit, dass der berühmte und gefürchtete Räuber seine Sünden beichtet und dafür seine gerechte Strafe bekommt. Dem „edlen“ Räuber ist dies fremd, da er ohne Sünde lebt und handelt.64 „Der traditionelle ‚edle‘ Räuber stellt eine extrem primitive Form sozialen Protestes dar, vielleicht sogar die primitivste.“65 Denn der „edle“ Räuber ist nichts anders als ein Einzelner, welcher sich weigert, sich der Unterdrückung zu beugen. Die in Mitteleuropa zeitweise beinahe epidemisch auftretenden Räuberbanden lassen sich aber nur in den seltensten Fällen wirklich als „edle“ Räuber oder als „Sozialrebellen“ interpretieren. Sie waren viel mehr das Ergebnis von Krisen- und Kriegszeiten. In Deutschland lässt sich besonders nach dem 30-jährigen Krieg ein solches Phänomen nachzeichnen.66 Auch die Umbruchszeit zwischen dem endenden 18. und dem beginnenden 19. Jahrhundert sowie das „Jahr ohne Sommer“ 1816 und die daraus resultierende Hungersnot sind wichtige Indikatoren für das vermehrte Auftreten von Räuberbanden in Deutschland.

Wie sehr jedoch die Vorstellung des „edlen“ Räubers und Sozialrebellen von der historischen Wirklichkeit abweicht, beschreibt Seidenspinner wie folgt:

„Dieser ‚Archetyp des Sozialrebellen‘ [Robin Hood] hat sich dann zu einem universellen Stereotyp, zu einem Mythos entwickelt, der immer wieder im politischen und gesellschaftlichen Diskurs instrumentalisiert und als Vehikel für Kritik eingesetzt werden konnte. In diesem Zusammenhang hat der Mythos bis heute nicht nur im literarischen […], sondern auch im wissenschaftlichen Bereich seine Wirkungsmacht unter Beweis gestellt. Zu einem tragfähigen

63 Hobsbawm, Die Banditen, S.60f. 64 Ebd., S. 68f. 65 Ebd. S. 75. 66 Wolfgang Hippel, Armut, Unterschichten, Randgruppen in der Frühen Neuzeit (Enzyklopädie Deutscher Geschichte Bd. 34), München 1995, S. 35. 12

geschichtswissenschaftlichen Konzept, das sich als die historische Realität zutreffend beschreibend verifizieren ließe, taugt er jedoch nicht.“67 So kann zusammenfassend gesagt werden, dass es den Mythos des „edlen“ Räubers eher als Wunschvorstellung, denn als historische Wirklichkeit zu interpretieren gilt. Literatur und Film schaffen durch ihre oft romantisierte Darstellung ein verfälschtes Bild und fördern den Mythos des „edlen Räubers“. Zudem kann das Bild des „Sozialrebellen“ auch fälschlicherweise dann entstehen, wenn sich ein Volk nach einem heroischen Beschützer sehnt. Das Phänomen des „edlen Räubers“ ist nicht nur ein Phänomen der Vergangenheit, sondern auch eines der Gegenwart.

3. Oberschwaben im 18. und 19. Jahrhundert 3.1. Politische Situation Heute ist es besonders schwer, die politische Landkarte in Oberschwaben nachzuzeichnen. Grund dafür waren die vielen verschiedenen Herrschaftsgebiete sowie die ständig wechselnden politischen Mächte.

3.1.1. Oberschwaben Das nachfolgende Kapitel versucht das oberschwäbische Gebiet des 18. Jahrhunderts etwas einzugrenzen und die politischen Wirren der Zeit zu erklären.

3.1.1.1. Begrifflichkeit ‚Oberschwaben‘

Den Begriff „Oberschwaben“ genau zu abzugrenzen ist nicht einfach, da „Oberschwaben“ geographisch, historisch, politisch sowie kulturell nicht eindeutig bestimmbar ist. Einerseits könnte Oberschwaben nach den geographischen Grenzen wie Iller, Donau, Alb und Bodensee definiert werden. Andererseits könnte es auch nach dem Einzugsbereich der Landvogtei Oberschwaben definiert werden. Eine dritte Option, und dabei auch jene, welche der historischen Wirklichkeit am nächsten kommt, wäre die des habsburgischen Einflussbereichs zwischen Lech und Schwarzwald, Bodensee und Alb.68 Aus dem Vorangehenden lässt sich schließen, dass es sich vor der Gründung des Königreichs Württemberg um einen größeren historischen Raum handelte, der heute bis nach Bayern und Baden reichen würde.

67 Seidenspinner, Mythos Gegengesellschaft, S. 312. 68 Volker Press, Oberschwaben in der frühen Neuzeit, in: Peter Eitel/Elmar L. Kuhn (Hrsg.), Oberschwaben. Beiträge zu Geschichte und Kultur, Konstanz 1995, S. 101-132, hier: S. 101. 13

3.1.1.2. Begünstigung des Räuberwesens durch politische Begebenheiten

Dieses Oberschwaben machte es den Vagierenden und besonders den Gaunern zu dieser Zeit leicht. Die Region zwischen Donau und Bodensee war nicht nur in hunderte Territorien zersplittert, schon fast jeder Bach stellte eine Landesgrenze dar. Dies war Nährboden dafür, dass sich die Räuberproblematik in diesem Gebiet so lange halten konnte. Nicht nur der oberschwäbische Fleckerlteppich war dafür verantwortlich, auch die ständigen Herrschaftswechsel, andauernden Kriege, und die wechselnden Grenzen hatten dazu einen großen Beitrag geleistet. Die Wirren dieser Zeit brachten Rechtsunsicherheit ins Land. Durch Streitigkeiten um Herrschaftsausübungen und die daraus resultierenden Regierungswechsel erfuhren die Fahndungsmethoden keine Weiterentwicklung. Während die Angst der Bevölkerung vor den Gaunern wuchs, blieb die Rechtspraxis vielerorts nicht einheitlich geregelt.69 Barczyk zeigt anhand eines Beispiels wie verworren und unübersichtlich diese Region zur damaligen Zeit wirklich war:

„Wenn die Waldseer einen zum Tode Verurteilten zur Richtstätte führen wollten, mußten sie ihn über gräflich waldburgisches Gebiet zerren, der Galgen lag dann wieder auf österreichischem, also städtischem Gebiet! Falls ein Gauner etwas in der ehemalig österreichischen Stadt Waldsee verbrochen hatte, mußte er nur seine Füße unter die Arme nehmen und die Friedenssäulen der Stadt passieren – im truchseßischen Gebiet konnte ihm nichts mehr passieren. Auf dem Weg in die nahe Reichsstadt Ravensburg etwa durchquerte er überdies weitere Territorien, österreichisch-landvogteiliches Gebiet, das der Reichsäbtissin vom Gotteshaus Baindt, das des Reichsabts von Weingarten, wieder schwäbisch-österreichisches und endlich das der Reichsstadt Ravensburg.“70 Zeitgenossen wie der Zuchthauspfarrer Johann Ulrich Schöll stellten fest, dass „angelokt durch die Bequemlichkeit und das Glük, womit es sich in Schwaben stehlen läßt“71, nicht nur einheimische Verbrecher, sondern auch fremde Gauner über die Grenzen kamen und das Gebiet unsicher machten.

3.1.2. Vorderösterreich

3.1.2.1. Begrifflichkeit ‚Vorderösterreich‘ Auch der Begriff Vorderösterreich umfasst unterschiedliche historisch-geographische Räume. Zudem wird der geographische Raum „Vorderösterreichs“ oft synonym zu

69 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 53. 70 Ebd. 71 Johann Ulrich Schöll, Abriß des Jauner- und Bettelwesens in Schwaben. Nach Akten und andern sichern Quellen, Stuttgart 1793, S. 8. 14

„habsburgische Vorlande“ verwendet, „um die Gesamtheit der habsburgischen Besitzungen westlich des Arlberg und des Fernpasses unter Einschluß der schweizerischen, schwäbischen, breisgauischen und elsässischen Herrschaften im Gegensatz zu den inner-, nieder- und oberösterreichischen (tirolischen) habsburgischen Ländern zu benennen.“72 Im Laufe der Jahrhunderte veränderte sich die territoriale Gestalt der vorderösterreichischen Lande. Charakteristisch für Vorderösterreich war nicht nur der ständige Wechsel des Territoriums, sondern auch die Form eines lockeren und zerstückelten Gebildes.73

„[…] eine wirkliche Einheit, einen ‚Staat‘ konnte man aber das lockere Gebilde, das die oberrheinischen und schwäbischen Herrschaften unter Österreichs Zepter in ihrer Gesamtheit darstellten, nicht nennen. Kein Herzogtum, kein geschlossenes Fürstentum überhaupt, sondern ein herrschaftliches Konglomerat […].“74 Und auch Erzherzog Ferdinand II. schrieb im 16. Jahrhundert schon, dass die Territorien „erst durch heirat und in ander weg zu unserm haus Oesterreich kommen sind und also zusammenklaubte“75 Länder sind.

1444 wurde der Begriff ‚vordere österreichische Lande‘ zum ersten Mal in den Akten greifbar. Erst 1753 wurde unter Maria Theresia der Name ‚Vorderösterreich‘ auf alle südwestdeutschen habsburgischen Gebiete ausgedehnt. Der Terminus ‚Vorderösterreich‘ ist also eine späte Bezeichnung für die habsburgischen Territorien in Südwestdeutschland.76

3.1.2.2. Geographischer Raum Vorderösterreich Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten die Vorlande kaum noch etwas mit den ursprünglichen Territorien des 11. Jahrhunderts des Hauses Habsburgs zu tun. Trotz der bereits erwähnten ‚Zerstückelung‘ und der großen Entfernung zum Kerngebiet der Habsburger war Vorderösterreich ein wichtiges Gebiet, welches als Heimat des Erzhauses viel Gewicht hatte. Schon früh besaßen die Habsburger im Elsass, in der Nordschweiz und im deutschen Südwesten Rechte und Territorien. Den Habsburgern

72 Franz Quarthal, Vorderösterreich in der Geschichte Südwestdeutschlands, in: Württembergischen Landesmuseum Stuttgart (Hrsg.), Vorderösterreich nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten, Ulm 1999, S. 14-59, hier S. 21. 73 Quarthal, Vorderösterreich in der Geschichte Südwestdeutschlands, S. 21. 74 Karl Siegfried Bader, Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, Sigmaringen 1978, S. 74. 75 Joseph Hirn, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol. Geschichte seiner Regierung und seiner Länder, Bd. 2, Innsbruck 1888, S. 76. 76 Quarthal, Vorderösterreich in der Geschichte Südwestdeutschlands, S. 21. 15 gelangen über die Jahrhunderte hinweg noch weitere beachtliche Errungenschaften. Aufgrund des Erwerbs der Grafschaft Hohenberg 1381, der Grafschaft Bregenz 1451/1523, der Landgrafschaft Nellenburg 1465, der Landvogtei Schwaben 1486 und der Reichsstadt Konstanz 1548, waren sie mit Ende des 15. Jahrhunderts die größten Territorialherren in Schwaben.77 Ab dem 16. Jahrhundert wurde Vorderösterreich geographisch in drei Hauptgebiete eingeteilt: Erstens das Gebiet am Oberrhein und dem Schwarzwald, das ‚eigentliche‘ Vorderösterreich, zweitens die Herrschaften in Schwaben, besser bekannt unter ‚Schwäbisch-Österreich‘ und drittens die Lande, für die 1752 die Bezeichnung ‚Vorarlberg‘ aufkam. Vorarlberg wurde jedoch 1782 von Vorderösterreich gelöst und dem tirolischen Gubernium untergestellt.78 In den drei Hauptgebieten gab es jeweils eigene Landstände. Statistiken, welche Auskunft über Größe und Bevölkerungsanzahl geben, sind immer mit Vorsicht zu interpretieren. Trotzdem wurde das Vorderösterreich des 18. Jahrhunderts, mit Einschluss Vorarlbergs, auf etwa die Größe Württembergs berechnet. So wurde Vorderösterreich vor 1780 auf rund 160 Quadratmeilen berechnet, dem gegenüber stand Württemberg mit etwa 150 Quadratmeilen. Auch die Bevölkerungszahlen sind kritisch zu interpretieren, da auch hier die Zahlen aus einem vorstatistischen Zeitalter stammen. Man schätzte die Einwohner Vorderösterreichs auf rund 400.000, während Württemberg rund 650.000 Einwohner hatte. Zusammenfassend könnte also gesagt werden, dass Vorderösterreich zwar etwas größer als das Herzogtum war, aber zirka ein Drittel weniger Einwohner als Württemberg beherbergte. Trotz der komplizierten rechtlichen Lage, war Vorderösterreich im Sinne der Zeit ein gut verwaltetes Territorium. Vorderösterreich wurde im 18. Jahrhundert vom Haus Habsburg besonders aufgrund seiner guten geopolitischen Lage geschätzt.79 „In der Sicht Maria Theresias bildete es den Teil der Erblande, in dem Österreich mit dem ‚europäischen Welttheater‘ in nächste Verbindung trat.“80

3.1.2.3. Perioden der vorderösterreichischen Geschichte Die territoriale Entwicklung der vorderösterreichischen Lande lässt sich grob in drei Kategorien einteilen: Die Frühgeschichte umfasst die Zeit bis zur Königskrönung Rudolfs von Habsburg 1273. Dann folgt eine Ausbauphase, die bis zur Ächtung Herzog Friedrichs IV. auf dem Konstanzer Konzil angelegt ist. In der dritten Phase kommt es 1415 zum

77 Franz Quarthal/Georg Wieland, Die Behördenorganisation Vorderösterreichs von 1753 bis 1805 und die Beamten in Verwaltung, Justiz und Unterrichtswesen. Bühl/Baden 1977, S. 43. 78 Quarthal, Vorderösterreich in der Geschichte Südwestdeutschlands, S. 22. 79 Ebd., S. 22-25. 80 Ebd. S. 22. 16

Zusammenbruch der habsburgischen Positionen im Territorium der späteren Schweizer Eidgenossenschaft.81 Zwischen 1415 und 1490 wurde Vorderösterreich gemeinsam mit Tirol von einer eigenen habsburgischen Linie regiert. 1490 bis 1564 zählten die Vorlande zum Gesamthaus Habsburg. Zwischen 1564 und 1665 unterstanden sie dann wieder einer Tiroler Nebenlinie. Ab 1665, nach dem Aussterben der letzten habsburgischen Nebenlinie, übernahm die Regierung über die Vorlande Kaiser Leopold I., so unterstanden die Vorlande wieder einer habsburgischen Hauptlinie. Im 17. und 18. Jahrhundert hatte das Haus Habsburg auf europäischem Parkett in diversen (Erbfolge-) Kriegen zu bestehen. Die habsburgischen Vorlande, als Nachbarn Frankreichs, waren damit unmittelbar betroffen. Trotzdem richtete sich die kaiserliche Verteidigungspolitik kaum nach den vorderösterreichischen Interessen. Bis zum Preßburger Frieden und ihrer daraus resultierenden Abtretung 1806, verblieb Vorderösterreich bei der Hauptlinie des Haus Habsburgs.82

„Bei der Mitteilung über die Abtretung machte Kaiser Franz I. nochmals die Randlage der Provinz Vorderösterreich im 18. Jahrhundert deutlich: Er habe ‚einzig in dem Drange der Umstände und in meiner Verpflichtung gegen Millionen anderer mir von der Vorsicht anvertrauten Untertanen‘ Vorderösterreich abtreten müssen, deren Einwohner er ‚ungeachtet ihrer Entlegenheit von den übringen Staatskörper‘ immer zu seinen besten Untertanen gerechnet habe.“83 Die endgültige Abtretung von Vorarlberg und Tirol, welche mit dem 01. Januar 1806 realisiert wurde, wurde jedoch später wieder rückgängig gemacht. Als einziges, aber deutlich verkleinertes vorderösterreichisches Gebiet, kehrte Vorarlberg 1814 wieder nach Österreich zurück. Die im Allgäu gelegenen vorderösterreichischen Herrschaften und Gerichte, wie beispielsweise Simmerberg, Altenburg, Hohenegg etc., blieben allerdings im Besitz Bayerns.84

Der Rheinbund, ein deutscher Fürstenbund unter napoleonischer Führung, sowie die Niederlegung der Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches 1806 hatte das Ende der österreichischen Position in Südwestdeutschland und im traditionellen Oberschwaben besiegelt. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts teilten sich dann die Wege Oberschwabens.85

81 Quarthal, Vorderösterreich in der Geschichte Südwestdeutschlands, S. 26. 82 Ebd., S. 30. 83 Ebd. 84 Alois Niederstätter, Vorarlberg als Bestandteil der Vorlande, in: Württembergischen Landesmuseum Stuttgart (Hrsg.), Vorderösterreich nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten, Ulm 1999, S. 88-93, hier S. 93. 85 Press, Oberschwaben in der frühen Neuzeit, S. 128f. 17

„Seine alten Glieder taten sich am leichtesten im katholischen Bayern […]. Am stärksten war die Konfrontation mit Württemberg, das seit der Reformationszeit der eigentliche Antipode Oberschwabens gewesen war.“86

3.1.3. Bayern Bayern, wie wir es heute kennen, hatte keineswegs über die Jahrhunderte hinweg den gleichen territorialen Bestand, sondern dieser hat sich erst nach 1800 gebildet.

3.1.3.1. Das moderne Bayern

Das moderne und neue Bayern entstand während der turbulenten und unruhigen napoleonischen Zeit, in welcher ein Regierungswechsel eine neue Epoche in der bayerischen Geschichte einleitete. Nach dem Tod des Kurfürsten Karl Theodor 1799 übernahm dessen Vetter Maximilian IV. Joseph von Pfalz-Zweibrücken die Zügel der Herrschaft.

Der neue Kurfürst besaß „einen guten politischen Instinkt […], eine aus persönlichem Erleben erwachsene Aufgeschlossenheit für politische und gesellschaftliche Veränderungen der Zeit, verbunden mit […] der Gabe und dem Bemühen, mit Menschen aller Bevölkerungsschichten […] über ihre Probleme und Nöte zu sprechen, Eigenschaften, die ihm zur Beliebtheit verhalfen, […] und schließlich die Fähigkeit, sich trotz eines starken fürstlichen Selbstbewußtseins beraten zu lassen und sich gut begründeten Vorschlägen […] zu fügen.“87 Der beliebte Herrscher hatte einen bedeutenden Staatsmann und Diplomaten an seiner Seite: Maximilian Joseph Freiherr (seit 1809 Graf) von Montgelas. Die beiden Männer verband vor allem der Wunsch, die Missstände in Bayern, die unter Kurfürst Karl Theodors überhandgenommen hatten, zu beseitigen.88 Obwohl Bayern eigentlich neutral bleiben wollte, schlossen sie sich, als der Druck zu groß wurde, 1805 Frankreich an, das gegen den habsburgischen Herrscher und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches in den Kampf zog. Weis kommt zu dem Schluss, dass „der Abschluß des Bündnisses mit dem napoleonischen Frankreich einen unvermeidlichen Akt staatlicher und dynastischer Selbsterhaltung darstellte.“89 1805 versetzte Napoleon der kleinstaatlichen Ordnung des Alten Reiches dann den Todesstoß. Auf der siegreichen Seite stehend, erhielt Bayern, wie bereits erwähnt, auf Kosten Österreichs die habsburgischen Gebiete in Vorderösterreich

86 Press, Oberschwaben in der frühen Neuzeit, S. 129. 87 Eberhard Weis, Die Begründung des modernen bayerischen Staates unter König Max I. (1799-1825), in: Alois Schmid (Hrsg.), Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart – Staat und Politik (Handbuch der bayerischen Geschichte), München 2003, S. 3-126, hier S. 5. 88 Ebd., S. 7. 89 Ebd., S. 22. 18 zwischen Lech und Iller sowie die sieben Herrschaften in Vorarlberg. Der Großherzog von Toskana, welcher Salzburg an Österreich abgab, bekam von Bayern Würzburg. Die Bayern wiederum erhielten dafür von Österreich Tirol und die bereits säkularisierten Fürstentümer Brixen und Trient. Aufgrund dieser territorialen Entwicklung gewann Bayern für Napoleon an Gewicht, was eine bedeutende Machtvergrößerung und Rangerhöhung mit sich brachte. Maximilian IV. Joseph wurde 1806 zum ersten bayrischen König ernannt und war fortan als Max I. Joseph bekannt. Zudem gewinnt Bayern die volle Souveränität, was die rechtliche Voraussetzung für die inneren Reformen darstellte.90 Spätestens nach großen Verlusten während des Russlandfeldzuges Napoleons, in welchem von 33.000 Bayern lediglich 4000 zurückkehrten, war es aber Zeit für einen erneuten Frontwechsel.91

Bayern hatte die turbulente Zeit der Koalitionskriege sowie der Rheinbundära, aufgrund der umsichtigen Regierung, welche die „Gunst der jeweiligen historischen Situationen zu nutzen verstand“92 überstanden. Bayern ist aus dieser schwierigen Umbruchszeit vergrößert und arrondiert hervorgegangen und war von einer inneren Reformwelle überrollt worden, welche ein modernes und souveränes Bayern ermöglichte.

3.1.3.2. Reformen und Neugestaltung

In nahezu allen Bereichen, auf die der Staat Einfluss nahm, kam es zu Neuerungen und Umwälzungen. So wurde der Grundsatz ‚Gleichheit aller vor dem Gesetz‘, die allgemeine Schulpflicht, die gleiche Waffenpflicht der Männer, die Freizügigkeit innerhalb des gesamten Königreichs sowie die Gleichberechtigung der Religionsausübung der christlichen Konfessionen eingeführt. Zudem wurde die gleiche Leistungspflicht für die öffentlichen Lasten entsprechend dem individuellen Vermögen angeglichen. Es gab zwar immer noch mancherlei Privilegien für den Adel sowie für höhere Beamte, dennoch kann von einem neuformierten Staatswesen mit neuer innerer Verfassungs- und Sozialstruktur gesprochen werden. Zudem durchzog eine Säkularisation das Herrschaftsgebiet. So wurden die Gerichts- und Herrschaftsrechte der Bischöfe sowie Klöster säkularisiert. Diese Neuerungen dienten als Grundlage für die Konstitution von 1808, welche die Integration der stark heterogenen Landesteile vorantreiben sollte.93 Durch die Säkularisation wurde vor allem auch das wirtschaftliche Übergewicht der Klöster

90 Weis, Die Begründung des modernen bayerischen Staates unter König Max I., S. 23f. 91 Gerald Huber, Kleine Geschichte Niederbayerns, Regensburg 2007, S. 140. 92 Weis, Die Begründung des modernen bayerischen Staates unter König Max I., S. 44. 93 Wilhelm Volkert, Geschichte Bayerns, München 2010, S. 63. 19 beseitigt. Denn nach der Säkularisation war der Staat Grundherr über etwa 65% der Bauernhöfe und deren agrarischen Böden. Zuvor lag der Prozentsatz bei nur 11%. Eine agrarische Neuverteilung war also entstanden. Für die betroffenen Bauern änderte sich vorerst nicht viel: Sie blieben auf ihren Höfen, mussten aber die Abgaben nun nicht mehr an das jeweilige Kloster oder Stift entrichten, sondern an den Staat. Erst ab 1848 wurde der agrarische Boden in Bayern dann vollkommen frei.94 Kronprinz Ludwig, König Maximilians Sohn, drängte auf eine neue Verfassung, welche die Rechte und Pflichten des Monarchen, sowie die des Volkes festlegen sollte. So wurde am 26. Mai 1818 die Verfassung an das bayrische Volk erlassen. Das Verfassungsedikt – die Konstitution von 1808 – hatte die alten Landstände aufgelöst und bis dahin die wichtigsten Grundrechte gesichert. Zwischen diesen Daten liegt ein Jahrzehnt voller dramatischer Entwicklungen, welches mit dem Scheitern Napoleons, dem Wiener Kongress sowie der Begründung des Deutschen Bundes seinen Höhepunkt erreichte.95 Aus heutiger Sicht, ist die Verfassung von 1818 die wohl zukunftsreichste Tat der Wittelsbacher Könige im 19. Jahrhundert gewesen. „Die Verfassung wurde […] die stärkste Klammer des neuen Staates und seines sehr verschiedenartigen Staatsvolkes, indem sie Altbayern, Franken, Schwaben, Pfälzer im Landtag zu gemeinsamer Beratung zusammenführte.“96

3.1.3.3. Schwaben in Bayern

Schwaben wird in der Regel nicht mit Bayern, sondern vielmehr mit Württemberg, der Schwäbischen Alb oder ‚Oberschwaben‘, als Raum zwischen Donau und Bodensee, assoziiert. Der Regierungsbezirk Schwaben im Südwesten von Bayern ist heute ein Ausschnitt aus einer ehemals weitreichenden historischen Landschaft. Der Name für den bayrischen Verwaltungsbezirk geht auf Ludwig I. zurück. 1837 hatte er die Sprengel der Mittelbehörden, welche nach französischem Vorbild nach Flüssen benannt waren, umbenannt. Den Bewohnern sollte mit der Umbenennung eine Identifikation mit den historischen ‚Stämmen‘, die nun das neue Bayern bildeten, ermöglicht werden.97 Während der napoleonischen Regierungszeit ist im neuen Bayern eine Spannung zwischen Bayrisch-Schwaben und Altbayern bemerkbar. Der König setzte die Umbenennung bewusst ein. „Es geschah ‚in der Absicht, ...die alten, geschichtlich geheiligten Marken ...möglichst wiederherzustellen, die Einteilung… und die Benennung

94 Weis, Die Begründung des modernen bayerischen Staates unter König Max I., S. 50f. 95 Hans-Michael Körner, Geschichte des Königreichs Bayern, München 2006, S. 50. 96 Ebd. S. 238. 97 Rolf Kießling, Kleine Geschichte Schwabens, Regensburg 2009, S. 9. 20 der einzelnen Haupt-Landesteile auf die ehrwürdige Grundlage der Geschichte zurückzuführen‘.“98 In dieser Zeit erhielt Schwaben seine für lange Zeit gültige territoriale Form: vom Ries bis zu den Alpen, von der Iller bis zum Lech, inklusive dem neuburgischen Gebiet. Heute gliedert sich der Bezirk Schwaben in 10 Landkreise und 4 kreisfreie Städte.

3.1.4. Baden-Württemberg 3.1.4.1. Baden und Württemberg in der napoleonischen Ära

Bereits 1820 bildeten die Außengrenzen von Württemberg und Baden die Umrisse, die heute fast jeder kennt, wenn er an Baden-Württemberg denkt. Das Alte Reich wurde innerhalb weniger Jahre vom revolutionären Frankreich, und unter dem Druck der napoleonischen Politik, zerschlagen. Auch Baden-Württemberg durchlief – genauso wie Bayern – eine Säkularisation. Dabei wurden Klöster und Kirchen vielfach geplündert und beraubt. Aufgrund dessen wurde wertvolles Kulturgut vernichtet.99 Nach dem Rheinbundvertrag 1806 blieben auf dem heutigen Gebiet Baden-Württembergs, neben den hohenzollerischen Fürstentümern, das Königreich Württemberg sowie das Großherzogtum Baden bestehen. Sie gehörten – neben Bayern – zu den Gewinnern der napoleonischen Zeit. Beide verfolgten eine kluge Politik. Sie schlossen sich Napoleon zur richtigen Zeit an, doch als sich seine militärische Niederlage abzeichnete, verließen sie ihn rechtzeitig. Die Säkularisation sowie die Annexionen von 1806 veränderten die südwestdeutsche Landkarte radikal. „Auf die äußere Staatsgründung in Baden und in Württemberg folgte die innere, denn die aus unterschiedlichen politischen, rechtlichen und konfessionellen Traditionen kommenden Landesteile mußten in einem einheitlichen Staatsverband zusammengeführt werden.“100 In Baden versuchte man zunächst auf regionale Traditionen Rücksicht zu nehmen, doch das führte lediglich zu chaotischen Verwaltungszuständen. So wurde im Ordnungsedikt Reitzensteins 1809 mit diesen Zuständen aufgeräumt. Fortan wurde keine Rücksicht mehr genommen. Die Verwaltung wurde zentralisiert, der modifizierte Code Napoleon eingeführt, welcher zur rechtlichen Einheitlichkeit in den Landesteilen führte.101 Auch in Württemberg vollzog sich eine

98 Kießling, Kleine Geschichte Schwabens, S.11. 99 Albrecht Krause, Karte „1790“, in: Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hrsg.), Landesgeschichten. Der deutsche Südwesten von 1790 bis heute, Stuttgart 2002, S. 42-43, hier S. 42. 100 Christina Klausmann, Territoriale Revolution 1790–1815, in: Haus der Geschichte Baden- Württemberg (Hrsg.), Landesgeschichten. Der deutsche Südwesten von 1790 bis heute, Stuttgart 2002, S. 44-57, hier S. 48. 101 Ebd. 21

Vereinheitlichung der Verwaltung von oben nach unten, „aber statt eines neuen Rechts wurde das württembergische Landrecht auf die neuwürttembergische Landesteile übertragen.“102 Der frühere Herzog und Kurfürst Friedrich II, später König Friedrich I., welcher beim Preßburger Frieden die volle Souveränität und Königswürde zugesprochen bekam, bereitete das neue Württemberg schrittweise auf die neue Ordnung eines modernen Staates vor. Fortan gab es eine lückenlose, dreistufige Verwaltungsorganisation mit Ausschluss jeglicher Bürgerbeteiligung. Zudem wurde eine Trennung der Gewalten in Justiz, Verwaltung und Finanzen vorgenommen. Der moderne Staat sollte ein starker Staat sein, der allerdings von der Regierung und nicht vom Volk geschaffen wird. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstand in Württemberg, wie vielerorts in Deutschland, ein moderner Staat mit autoritärer Ausprägung. Diese Ordnung hatte bis 1918 Bestand.103 Wie zuvor schon angemerkt, mussten nicht nur die Bayern, sondern auch die Württemberger und Badener als Soldaten in einen sich als katastrophal herausstellenden Feldzug gegen Russland ziehen. Auch sie verbuchten großen Verluste. Die darauffolgende Abkehr von Napoleon war Voraussetzung dafür, dass die beiden Fürstentümer der Hohenzoller, Baden und Württemberg, auf dem Wiener Kongress 1815 an Land gewannen und als Mitglieder im neuen Deutschen Bund akzeptiert wurden.

3.1.4.2. Oberschwaben und Württemberg

Seit spätestens 1815, nach dem letzten Gebietstausch mit Bayern und Baden und nach dem Wiener Kongress, können wir von Oberschwaben in dem Sinne sprechen, wie es uns auch heute selbstverständlich ist.104 Was die Menschen in Oberschwaben von Altwürttemberg (wie es bis zur napoleonischen Erweiterung zum Königreich verstanden wurde) unterscheidet, ist nicht nur die katholische Konfessionszugehörigkeit, sondern auch die Adels-Frage. Das Herzogtum ‚Wirtemberg‘ war ein geschlossen evangelisch- lutherisches Gebiet, während der restliche Süden Deutschlands weitgehend katholisch war. Das Herzogtum galt außerdem als adelsfrei und auch soziostrukturell lassen sich Württemberg und Oberschwaben unterscheiden. Denn Württemberg war aufgrund des Realteilungsrechts kleinbäuerlich, bestenfalls handwerklich.105

102 Klausmann, Territoriale Revolution 1790–1815, S. 48. 103 Bernd Wunder, Kleine Geschichte des Herzogtums Württemberg, Leinfelden-Echterdingen 2009, S. 201f./205. 104 Hans-Georg Wehling, Oberschwaben im 19. und 20. Jahrhundert, in: Peter Eitel/Elmar L. Kuhn (Hrsg.), Oberschwaben. Beiträge zu Geschichte und Kultur, Konstanz 1995, S. 133-156., hier: S. 134. 105 Ebd. S. 138. 22

3.2. Wirtschaftliche und soziale Situation Die jahrelangen Kriegsleistungen für, aber auch gegen Napoleon hatte das Budget der Länder stark überfordert. Die Hungerskrise 1816/17, bedingt durch den Ausbruch des Vulkans „Tambora“ in Indonesien, hatte 1816 katastrophale Missernten zur Folge. Die dadurch ansteigende Hungersnot, drohte den bereits erschöpften Ländern die letzte Kraft zu rauben. Eine weitere wesentliche Einschränkung (vor allem in Baden und in Württemberg) war die religiöse Situation. Beispielsweise standen in Baden, Württemberg und Hohenzollern-Sigmaringen nur Angehörigen der katholischen Kirche sowie der beiden protestantischen Bekenntnisse die Staatsbürgerrechte zu. Juden war dadurch nicht nur der Zugang zu staatlichen und militärischen Ämtern verwehrt, sondern in Württemberg war beispielsweise auch das aktive Wahlrecht an die Konfession gebunden.106 Auch die Erbsitten waren verschieden geregelt. Während die einen mit dem Anerbenrecht lebten, bestimmte bei den anderen das Realteilungsrecht die Lebensumstände. Das Thema der Konfessionen sowie die des Erbrechts sind keine Äußerlichkeiten. Im Gegenteil, sie waren mentalitätsbildend. Konfessionen stellen laut Wehling Kulturen dar, welche die Menschen in allen Lebensumständen prägen. Doch Erbsitten prägen das Leben genauso wie die Konfession. Sie bestimmen nämlich nicht nur die ökonomische Existenz des Einzelnen, sondern beeinflussen auch die Mentalitäten auf dem Wege über diese ökonomischen Bedingungen. 107

Die Geschichte Oberschwabens im 19. Jahrhundert lässt sich jedoch nicht isoliert von der Württembergs analysieren.

„Die Geschichte Oberschwabens endet […] nicht mit der Einverleibung in Württemberg, so daß beide jetzt eine gemeinsame Geschichte gehabt hätten. Oberschwaben war kein bloßes Anhängsel, es gab vielmehr der Politik Württembergs einige schwerwiegende Probleme auf, die mit seiner Andersartigkeit zusammenhiengen [sic] […].“108 Deshalb wird im Nachfolgenden besonders auf das Gebiet des heutigen Baden- Württembergs Bezug genommen.

106 Rainer Schimpf, Vormärz 1815-1848, in: Haus der Geschichte Baden-Württemberg (Hrsg.), Landesgeschichten. Der deutsche Südwesten von 1790 bis heute, Stuttgart 2002, S.58-79, hier S. 61. 107 Wehling, Oberschwaben im 19. und 20. Jahrhundert, S. 139. 108 Ebd., S. 142. 23

3.2.1. Realteilungsrecht versus Anerbenrecht Während im Anerbenrecht nur einer erbt, wird im Realteilungsrecht der Besitz zu gleichen Teilen unter den Geschwistern aufgeteilt und vererbt. In Oberschwaben herrschte das Anerbenrecht, welches besonders förderlich für den Erhalt einer lebensfähigen agrarischen Struktur war. Diese bestand über einige Jahrhunderte und schaffte es, über die eigenen Bedürfnisse hinaus zu produzieren. Wer in Oberschwaben nicht erben konnte, für den war klar, dass er in einen städtischen Beruf abwandert, sich im religiösen Bereich einen Beruf suchte, wie etwa Pfarrer, Ordensmann oder Ordensfrau. Viele fanden auch als privilegierter Knecht oder Magd eine Anstellung am Hof der Familie. Auch wenn dieses System auf den ersten Blick sehr hart erscheint, florierte dadurch die Wirtschaftsstruktur in Oberschwaben so sehr, dass zeitweise in Oberschwaben sogar Personalmangel herrschte. Kinder, vor allem aus Vorarlberg und Tirol, halfen in Schwaben an verschiedenen Höfen aus, und wurden deshalb oft als „Schwabenkinder“ bezeichnet.109 Unter den oberschwäbischen Bauern breitete sich deshalb auch ein erheblicher Wohlstand aus. „Das Leben auf dem eigenen stattlichen Hof, inmitten des eigenen Besitzes im Falle der Vereinödung, schützte vor sozialer Kontrolle […].“110 Während die oberschwäbischen Bauern ihren Tätigkeiten also nach dem Motto „Leben und Lebenlassen“111 nachgingen, sahen die Lebensumstände in den Realteilungsgebieten deutlich anders aus. Durch das ständige Aufteilen unter den Geschwistern war es traurige Realität, dass viele Höfe an ihre Grenzen stießen. Obwohl durch (arrangierte) Ehen vieles wieder zusammengeheiratet wurde, blieben zahlreiche Betriebe nicht lebensfähig. Der Besitz war alles was man hatte, man musste hart arbeiten, handwerklich geschickt sein und vor allem sparsam wirtschaften. Die Risikobereitschaft war dadurch sehr gering, um den kleinen Besitz, den man hatte, nicht zu gefährden.112 Trotz der risikoscheuen Bevölkerung, setzte sich in Württemberg seit der Mitte des 19. Jahrhunderts auch die Industrialisierung in Gang. In Baden verlief der Industrialisierungsprozess schneller als in Württemberg. Das verzögerte Einsetzen der Industrialisierung lässt sich durch natürliche Standortnachteile, Rohstoffmangel, enge Märkte und politische Zäsuren erklären.113 Der deutsche Zollverein spielte für Baden und Württemberg auch eine wichtige Rolle. Nach dessen Gründung siedelten sich nämlich

109 Wehling, Oberschwaben im 19. und 20. Jahrhundert, S. 139. 110 Ebd. 111 Ebd., S. 140. 112 Ebd. 113 Reinhold Weber/Hans-Georg Wehling, Geschichte Baden-Württembergs, München 2007, S. 74f. 24 einige Schweizer und Elsässer Unternehmen innerhalb des deutschen Zollvereins an und kurbelten die Wirtschaft an.114 Doch vor dem Einsetzen des Industrialisierungsprozesses lässt sich zusammenfassend sagen, dass in den Realteilungsgebieten ein hohes Konfliktpotential vorherrschte, die Menschen dort in vielen Fällen ihren Lebensunterhalt durch gewerbliche Nebenerwerbstätigkeit aufbessern mussten, und das Erbsystem manche Betriebe und Familien in die Verelendung trieb.115

Aus der napoleonischen Neuordnung ging dann ein neues Württemberg hervor, welches sich aber -vor allem durch den Zugewinn des katholischen Südens- mit einer schwierigen Frage beschäftigen musste; der Konfessionsfrage.

3.2.2. Die Konfessionsfrage spitzt sich zu Das protestantische Herzogtum, fand sich nach dem Übergang ins Königreich mit einer schwierigen Situation konfrontiert: Das Königreich musste nun auf einmal mehrere Konfessionen zugleich verwalten. „Konfession prägte die Lebenswelt, strukturierte in vielen Teilen den Alltag und konnte milieuprägende und -bildende Kraft sein.“116 Das neue Königreich Württemberg teilt sich nun in einen protestantischen Norden und katholischen Süden. Die verschiedenen Konfessionen lebten daher größtenteils in verschiedenen Landesteilen, „auch die Städte waren, mit wenigen paritätisch geprägten Ausnahmen, konfessionell aufgeteilt bzw. einheitlich.“117 Das zuvor größtenteils den österreichischen Vorlanden zugeteilte Oberschwaben war mehrheitlich katholisch. Erst nach 1806 wuchs der Anteil der Protestanten im oberschwäbischen Gebiet. Dennoch blieben sie die eindeutige Minderheit.118 Die katholische Konfession wird nun zum zentralen Bestandteil der oberschwäbischen Identität. Denn was die Menschen in Oberschwaben von den Altwürttembergern unterscheidet, ist die Konfessionszugehörigkeit.119

„Konfessionen sind mehr als Lehrgebäude, sie stellen Kulturen dar, die die Menschen in all ihren Lebensäußerungen tiefgreifend prägen, und zwar noch weit über die formale Zugehörigkeit hinaus. Sie strukturieren Denken und Empfinden,

114 Wolfram Fischer, Die Industrialisierung und ihre Probleme, in: Otto Borst (Hrsg.), Aufruhr und Entsagung. Vormärz 1815-1848 in Baden und Württemberg, (Stuttgarter Symposion Band 2), Stuttgart 1992, S. 128-146, hier S. 130. 115 Wehling, Oberschwaben im 19. und 20. Jahrhundert, S. 140, sowie Bernhard Mann, Kleine Geschichte des Königreichs Württemberg 1806-1918, Leinfelden-Echterdingen 2006, S: 60. 116 Andrea Hoffmann, Schnittmenge und Scheidelinien. Juden und Christen in Oberschwaben, Tübingen 2011, S. 25. 117 Ebd., S. 30. 118 Ebd., S. 30f. 119 Wehling, Oberschwaben im 19. und 20. Jahrhundert, S. 136. 25

Schönheitssinn und Lebensgefühl, Verhalten in allen Bereichen – von der Sexualität bis zur Politik.“120 Doch nicht nur Württemberg hatte mit der Konfessionsfrage Schwierigkeiten, alle deutschen Staaten hatten innenpolitisch mit konfessionellen Spannungen zu kämpfen. Diese belasteten vor allem den Integrationsprozess, sodass es beim Einfügen in das neue Gebiet häufig zu Problemen kam. Durch Mediatisierung und Säkularisation fanden sich Katholiken (mit Ausnahme von Bayern) durchwegs unter protestantischer Führung wieder.

3.2.2.1. Religion und Räuberleben in Oberschwaben

Um 1790 veröffentlichte der Zuchthauspfarrer Johann Ulrich Schöll sein Werk ‚Abriß des Jauner- und Bettelwesens in Schwaben‘121. Darin beschreibt er auch das Verhältnis von Räubern und deren Religionszugehörigkeit und fällt dabei ein bemerkenswertes Urteil:

„Die Religion, zu der sich die Jauner bekennen, ist in der Regel nach die catholische […]. Der eigentliche Jaunerstamm ist durchaus Catholisch. […] Intoleranz ist nicht die Sache der Jauner. Ihnen gilts gleich, was ihre Brüder für eine Religion haben, auch der Lutheraner, der Reformirte und der Jud ist ihnen willkommen, wenn er nur in ihr Fach taugt, und sie lassen es ihn nie entgelten, daß er eines andern Glaubens ist.“122 Gerhard Fritz geht in seinem Werk ‚Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt‘123 der Frage nach, ob Schölls Urteil das Urteil eines katholikenfeindlichen, protestantischen Zuchthauspfarrers ist, oder ob seine Beobachtungen einen wahren Kern in sich tragen. Seinem Urteil nach, kommen in Oberschwaben relativ selten nichtkatholische Jauner vor. Wenn Vulgo-Namen wie ‚Lutherischer Peter‘ entstehen konnten, dann nur, weil das Lutherische in dieser räuberischen Gegend tatsächlich als ungewöhnlich empfunden wurde, denn Vulgo-Namen mit dem Präfix ‚katholisch‘ sind nicht bekannt. Katholisch zu sein, war in diesen Kreisen das Normale, deshalb taugt es nicht als Unterscheidungsmerkmal; Schölls Untersuchungen bleiben deshalb unbefriedigend.124 Obwohl sich Historiker über das Ausmaß und deren Umfang strittig sind, gibt es im Jauner- und Vagantentum aber durchaus religiöse Empfindungen. Einerseits wird angenommen, dass die Kirche das Leben der Vagierenden und der räuberischen

120 Wehling, Oberschwaben im 19. und 20. Jahrhundert, S. 139. 121 Schöll, Abriß des Jauner- und Bettelwesens in Schwaben. 122 Ebd., S. 279f. 123 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt. 124 Ebd., S. 342f. 26

Gesellschaft in hohem Maß geprägt hat, andererseits vertreten einige Historiker die Meinung, dass diese Gesellschaftsschicht kirchenfern lebte. In Oberschwaben lässt sich, zumindest was äußere Formen angeht, ein Einfluss der Religionen feststellen.125 Doch man darf die Frömmigkeit der Jauner nicht mit der normativen Religiosität der sesshaften religiösen Bevölkerung vergleichen. Oft wurde die Religion von Gaunern benutzt, und sie war nur Mittel zum Zweck, wenn es darum ging Almosen zu erbetteln oder bei akuten persönlichen Schwierigkeiten. Ammerer gibt an, dass die Religion oft nur eine funktionale Rolle einnahm. Eine gewisse Frömmigkeit diente auch vor der Obrigkeit häufig als Schutzbehauptung, um das Vagantenleben zu verschleiern. Besonders Wallfahrten dienten den Kriminellen oft als Deckmantel für das Vagieren.126 Beispielsweise legte die Zigeunerin Elisabetha Catharina Reinhard großen Wert auf die Aussage, dass sie eine getaufte Christin sei, die oft nach Mariä Einsiedeln gehe und an Gott glaube.127 Doch besonders von räuberischen Krisensituationen, in denen ein Aufflammen religiöser Empfindungen stattfindet, wird bei Fritz berichtet. So wird von Vaganten berichtet, welche kurz vor ihrer Hinrichtung ausgesprochen religiös wurden. Doch dasselbe gilt auch für weniger verhängnisvolle Urteile. So sollen viele Räuber vor Urteilsverkündungen für einen guten Ausgang gebetet haben. Vom Vaganten Jacob Maurer wird berichtet, er habe sogar vor seinem Gefängnisausbruch fünf Stunden lang für einen guten Ausgang gebetet.128 Dreist erscheint es, dass es unter Jaunern üblich war, dass sie vor Aufbruch zu einem neuen ‚Coup‘ ein Vaterunser beteten. Weit verbreitet war zudem, dass viele Jauner nach getaner Arbeit zur Beichte gingen, um sich von ihren Sünden lossprechen zu lassen.129 Nicht nur in der Lebensbeschreibung des Konstanzer Hans soll darüber berichtet werden, auch bei Schöll heißt es, die Gauner würden die Religion lediglich zum Schein ausüben:

„[…] sie kommen oft geradezu von einem Einbruch zur Beicht, und haben vorher schon beschlossen, wo sie sogleich nach der Communion wieder einbrechen wollen. Ja sie machen so gar die Religion zum Werkzeug und zu einer Aushelferin bey ihren Diebereyen. Sie beten öfters ein Vater Unser, oder lassen Messen lesen, und rufen irgend einen Heiligen an, damit ihre Unternehmungen ihnen gelingen, und ihre Einbrüche glücklich vollzogen werden möchten.“130

125 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 343. 126 Ammerer, Heimat Straße, S. 373f. 127 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 343. 128 Ebd., S. 344. 129 Ebd. 130 Schöll, Abriß des Jauner- und Bettelwesens in Schwaben, S. 284. 27

Auch religiöse Ausbrüche angesichts beispielsweise einer Hinrichtung dürfen nicht falsch gedeutet werden. Die Jauner und Vaganten waren meist keine primär religiös motivierten Personen. Religiöser Tiefgang lässt sich daher wohl bei kaum einem Räuber oder Vagant finden. Auch Schöll bestätigt dies mit seiner Aussage: „Sie fühlen […] kein Bedürfniß, keine Begierde, sich von dem Wesentlichen der Religion näher zu unterrichten.“131

3.2.3. Das Jahr ohne Sommer 1816 Langanhaltende Regenfälle und niedrige Temperaturen zerstörten 1816 weitgehend die Ernte der Bauern. In vielen Teilen der Erde war dies der Beginn eines langanhaltenden Hungerleidens. Die bereits erschöpfte Bevölkerung lebte aufgrund getätigter Kriegsleistungen und vorheriger Missernten in elenden Verhältnissen. Im Winter 1816/17 brach dann in ganz Süddeutschland eine Hungerskrise aus, für welche erst der folgende Sommer eine Besserung mit sich brachte. Der Ernteausfall hatte die Lebensmittelpreise zum Explodieren gebracht. Nicht nur die Getreidepreise, sondern auch die der anderen Lebensmittelpreise schossen in die Höhe. Die Preise stiegen in wenigen Monaten um das vier- beziehungsweise fünffache an, so dass es beispielsweise einem einfachen Tagelöhner kaum noch möglich war, das Lebensnotwendigste zu kaufen.132

Abb. 1. Lebensmittelpreise im Januar 1817, Vincenz Zanna, Augsburg 1817

Quelle: Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, in: Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 9.

131 Schöll, Abriß des Jauner- und Bettelwesens in Schwaben, S. 281. 132 Schimpf, Vormärz 1815-1848, S. 67. 28

3.2.3.1. Hunger in Württemberg

Viele Regierungen zeichneten sich anfangs durch eine fehlende Sensibilität gegenüber der Not allerorts aus. Besonders ein Herrscher galt aber als ungewöhnlich insensibel: König Friedrich I., welcher seit 1797 in Württemberg regierte und das Land durch die Kriegswirren sowie die französische Okkupation geführt hatte. Ab 1806 wurde er in den Königsstand erhoben und wurde zum absolutistisch regierenden Monarchen. Der fettleibige König wurde letztlich von der Bevölkerung für die Hungersnot im Land verantwortlich gemacht. Der Tod des Monarchen bot die Chance auf einen Wechsel im Regierungsstil. Der Thronfolger Wilhelm I. übernahm die Nachfolge und verstand es sofort, eine erfolgreiche Symbolpolitik zu verfolgen. Er gewann an Zuspruch seitens der Bevölkerung als er die testamentarische Festlegung, dass alles so weitergemacht werden sollte wie bisher, ignorierte und neue Dekrete umsetzte.133

„Größte Sympathien erlangte der König durch drei heute nebensächlich erscheinende Bestimmungen: Mit Dekret vom 19. November gestattete er allen Untertanen, gleich welchen Standes, Bitten und Wünsche an ihn persönlich zu richten. Zweitens milderte er das Verbot des Waffenbesitzes und ermöglichte den traditionellen Schützengesellschaften die Wiederaufnahme ihres Vereinslebens. Drittens beseitigte er die königliche Menagerie, den Tierpark in Stuttgart […]. Während Teile der Bevölkerung am Hungertuch nagten, konnten sie jeden Morgen beobachten, wie eine Karawane von Mauleseln das Futter für die Tiere herbeitrug.“134 Die Tierfütterung sowie auch die Verfressenheit des alten Königs waren in Württemberg aufs schärfste kritisiert worden. Mit dem neuen Königspaar startet zugleich auch eine neue Generation des Mitgefühls am württembergischen Königshof. Wilhelms Ehefrau Katharina Pawlowna wird bis heute als Wohltäterin gefeiert. Sie war eine große Befürworterin von Wohltätigkeitsvereinen. Sie erfüllte ihre traditionelle adelige Fürsorgepflicht, aus diesem Grund übernahm sie diese große Aufgabe und förderte Wohltätigkeitsvereine stark. Hilfe für die „Dürftigen“ war eines ihrer größten Anliegen. Diese Symbolpolitik machte das Königspaar im Königreich sehr beliebt.135

3.2.3.2. Hunger und Kriminalität

In Westeuropa kam es im Zuge der Hungerskrise und dem dadurch unbezahlbaren Brotpreis zu unzähligen Unruhen und Protesten. Während in Großbritannien die

133 Wolfgang Behringer, Tambora und das Jahr ohne Sommer. Wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte, München 2016, S. 91f. 134 Ebd., S. 92. 135 Ebd. 29

Menschen mit den Parolen wie ‚Bread or Blood‘136 auf die Straßen gingen, verhinderten Protestanten in Frankreich mittels Straßenblockade die Getreideausfuhr ins Ausland. In Deutschland kam es sogar zu Brandstiftungen, welche sich gegen die Profiteure der Teuerungen richteten und in München wurde sogar ein Anschlag auf das Oktoberfest angekündigt. Viele versuchten einen Schuldigen zu finden, in Deutschland wurden deshalb die sogenannten „Kornjuden“ beschuldigt.137 Der aus diesem Grund aufkommende Antisemitismus fand seinen Höhepunkt in den Hep-Hep-Krawallen.138 Vielerorts wurde den führenden Politikern und Herrschern mit Mord gedroht. Behringer kommt zu einem simplen Schluss: „Der Protest der Tambora-Krisenzeit war gewaltsam und disruptiv.“139

Es wurde ganz im Zeichen der „Moral Economy“, wie es später von Thompson bezeichnet wurde, Ware beschlagnahmt – aus der Sicht der Eigentümer geraubt – um sie dann an die Bedürftigen zu verteilen.140 Die moralische Ökonomie der Armen oder „moral economy of the poor“141 wie sie Edward Thompson nennt, ist ein Deutungsversuch für das Protestverhalten und das teils kriminelle Verhalten während den Unruhen im 18. und 19. Jahrhundert in England. Er wendet sich dabei gegen die spasmodische Deutung, welche die Lebensmittelunruhen auf einen einfachen Reflex des Hungers zurückzuführen versucht. Doch damit gab sich Thompson nicht zufrieden, er wollte aufzeigen, dass die Rebellierenden zudem auch eine Form des guten Lebens zu verteidigen versuchen, welche sich an eingespielte kulturelle Regeln hält. Er schreibt:

„Natürlich ist es richtig, daß Unruhen durch starke Preissteigerungen, obskure Praktiken der Händler oder durch Hunger ausgelöst wurden. Doch diese Proteste bewegten sich im Rahmen eines volkstümlichen Konsenses darüber, was auf dem Markt, in der Mühle, in der Backstube usf. legitim und was illegitim sei. Dieser Konsens wiederum beruhte auf einer in sich geschlossenen, traditionsbestimmten Auffassung von sozialen Normen und Verpflichtungen und von den angemessenen wirtschaftlichen Funktionen mehrerer Glieder innerhalb des Gemeinwesens. Zusammengenommen bildeten sie das, was man die ‚moralische Ökonomie‘ der Armen, die ‚moral economy of the poor‘, nennen könnte. Eine

136 Wolfgang Behringer, Tambora und das Jahr ohne Sommer. Ein Naturereignis mit globalen Auswirkungen, in: Fabian Frommelt u.a. (Hrsg.), Das Jahr ohne Sommer. Die Hungerkrise 1816/17 im mittleren Alpenraum, Innsbruck 2017, S. 9-26, hier S. 17. 137 Ebd. 138 Die Hep-Hep-Krawalle waren antisemitische Pogrome, welche von Würzburg ausgingen, und sich sogar bis nach Dänemark verbreiteten. 139 Behringer, Tambora und das Jahr ohne Sommer. Ein Naturereignis., S. 18. 140 Ebd., S. 17. 141 Edward P. Thompson, Plebeische Kultur und moralische Ökonomie. Aufsätze zur englischen Sozialgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt/Berlin/Wien 1980, S. 70. 30

gröbliche Verletzung dieser moralischen Grundannahmen war ebenso häufig wie tatsächliche Not der Anlaß zu direkter Aktion.“142 In dieser Zeit ist ein klarer Trend zu beobachten: das Betteln wurde als Teil der Gesellschaft angesehen. Vor dem Hintergrund lebensweltlicher Bedingungen wurde sogar das Entwenden von Lebensmittel oder Kleidung, welche aus Not und nicht aus persönlichen Bereicherungsgründen gestohlen wurden, nicht als krimineller Diebstahl, sondern viel eher als ‚social ‘143 angesehen.144 In Gloucestershire schrieb der Sheriff im Jahr 1766 beispielsweise, dass die Armen viele Gewalttaten verübten, welche zum Teil mutwillig waren, aber dass in vielen Fällen ihre Taten auch von Mut, Klugheit und Gerechtigkeitssinn zeugten.145 Viele Betroffene zeigten Diebe, die aus einer Not heraus gestohlen hatten, nicht bei den Behörden an. Meist wurde dem auf frischer Tat ertappten Dieb das gestohlene Diebesgut lediglich wieder abgenommen.146 Ammerer nennt dafür ein Beispiel eines 13-jährigen vagierenden Kindes, welches einem im Heu schlafenden Fuhrmann den Geldbeutel gestohlen hatte, um sich dann im Gasthaus etwas zu Essen und Trinken zu kaufen. Das Kind wurde gefasst, und nach der Herausgabe des restlichen Geldes wurde es laufen gelassen.147 Auch in Kitzbühel musste ein Dieb, der wegen Beutelschneidens festgehalten wurde, trotz eigenem Geständnis wieder freigelassen werden, da keiner der Bestohlenen Anzeige erstattet hatte. Diese Zustände lassen sich zudem auch auf die damals vorherrschende corpus-delicti-Theorie zurückführen. Diese besagte, dass sogar ein geständiger Täter nicht verurteilt werden konnte, wenn ihm die Tat nicht als solche objektiv nachgewiesen werden kann.148 Trotzdem ist festzuhalten, dass die Kriminalität in dieser Zeit besonders anstieg. Im Großherzogtum Baden verdreifachte sich im Zeitraum 1815-1817 beispielsweise die Zahl der Anklagen wegen Diebstahls. Auch in Frankreich stieg die Kriminalität so stark an, dass man von einem Kontrollverlust der Behörden sprechen kann, wie es ihn zuvor nur während der Französischen Revolution gegeben hatte. In manchen Départements übernahmen sogar bewaffnete Banden die Kontrolle. Sie beschlagnahmten, nach dem Vorbild der ‚Moral Economy‘, Getreidetransporter, schreckten aber auch vor Überfällen auf Warentransporte und Reisende nicht zurück. Besonders eine Form der Eigentumskriminalität stand in

142 Thompson, Plebeische Kultur und moralische Ökonomie, S. 69f. 143 Begrifflichkeit nach Eric Hobsbawm. 144 Ammerer, Heimat Straße, S. 225. 145 Thompson, Plebeische Kultur, S. 130. 146 Ammerer, Heimat Straße, 225f. 147 Ebd., S. 226. 148 Ebd. 31 direktem Zusammenhang mit dem Hunger: die Wilderei. Ob Haustiere oder auch Hasen, Dachse und Vögel, kaum ein Tier war noch von den Kochtöpfen der Hungernden sicher. In der Schweiz warnten die Behörden sogar vor dem Verzehr von Katzenhirn, während sie versicherten, dass der Verzehr der übrigen Körperteile von Hunden und Katzen gefahrlos sei.149

Physische Gewaltanwendung als Mittel der Selbstjustiz war eine weithin akzeptierte gesellschaftliche Vergeltungsform, um dem Dieb als Abgeltung für seine Verfehlung einen „Denkzettel“ zu verpassen. Lynchjustiz wurde dagegen aber nur in Ausnahmefällen angewandt. Doch verhielt sich ein Dieb innerhalb dieser Selbstregelungsform nicht rollenkonform, und wehrte sich gar mit Schüssen oder drohte mit Brandstiftung, wurden sofort die Behörden eingeschaltet und der Eindringling dem Richter vorgeführt. Wenn es nämlich um die Bedrohung der eigenen Existenz ging, dann breitete sich schnell panische Angst aus.150 Besonders verdächtig schienen bei Diebstahl zunächst Fremde, herumziehende Vaganten, ohne sesshaften Wohnsitz. Gerüchte oder ein erster persönlicher Eindruck reichten aus, um die Person als verdächtig einzustufen.151

3.2.3.3. Hunger und Nichtsesshaftigkeit

Bereits im 18. Jahrhundert kam es immer wieder zu Krisenzeiten, in denen die Bevölkerung an Hunger litt. Aufgrund von Schlechtwetter und Missernten führte die Hungersnot zur ernährungsbedingten Verelendung weiter Bevölkerungsteile. Solche Krisenzeiten hatten auch auf die Arbeit Einfluss. Bauern mussten ihre Höfe für wenig Geld verkaufen, da der Arbeitsertrag unter das Existenzminimum fiel. Auch Handwerker, die ihre Produkte nicht mehr verkaufen konnten, gerieten in Not. Betteln war keine Arbeitsverweigerung, sondern viel mehr ein Weg, das Überleben zu sichern.152 Die Krisenlage zwang zu erhöhter Mobilität und das Wanderverhalten änderte sich. Viele verließen ihre Heimat in der Hoffnung, anderswo eine Arbeit zu finden. Dies war für viele der erste Schritt in die Nichtsesshaftigkeit.153 Für die Regierung in Wien stellten die Migrierenden beispielsweise ein großes Problem dar. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts schätzte man allein die Dienstbotenanzahl auf rund 40.000. Denn aus Schwaben, Bayern, Ungarn und weiteren Ländern kamen Dienst- und Stubenmädchen in die Stadt. Doch auch

149 Behringer, Tambora und das Jahr ohne Sommer, Wie ein Vulkan., S. 81f. 150 Ammerer, Heimat Straße, S. 227. 151 Ebd., S. 228f. 152 Ebd., S. 94. 153 Ebd., S. 95. 32 in großen Städten wie beispielsweise Wien war es oft nicht möglich, Fuß zu fassen und sich eine bürgerliche Existenz aufzubauen. Denn das Überangebot ließ viele ums Überleben kämpfen und nicht weniger rutschten dabei in die Kriminalität ab.154

4. Vaganten und Räuber im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert

Im 18. Jahrhundert lebte der Großteil der Bevölkerung in einer Agrargesellschaft. Der Besitz von Grund und Boden war Voraussetzung für das eigene Ansehen innerhalb der Gesellschaft und war essenziell wichtig für die Sicherung der Existenz. Das Leben in einem Realteilungsgebiet konnte daher zum großen Problem für Kleinbauern werden. Ehrliche Berufe waren für das Ansehen in der Gesellschaft ausschlaggebend. Dem gegenüber standen die unehrliche Berufsgruppen, welche von der übrigen Gesellschaft ausgegrenzt wurden. 155 4.1. Vaganten 4.1.1. Allgemeines Über die gesellschaftlichen Randgruppen wurde nur das dokumentiert, welches für die Behörden und die Obrigkeit von Relevanz war. Persönliche Befindlichkeiten und Erfahrungen, bescheidene Aspekte des alltäglichen Lebens und Wahrnehmungsformen werden meist nicht zu Papier gebracht und entziehen sich somit dem Historiker.156

Was wir aber mit Sicherheit sagen können ist, dass die mobile Schicht keine einheitliche soziale Gruppe bildete.

Das „[…] Leben auf der Straße, Wanderbettel, vereinigte Menschen verschiedenster Herkunft, schuldlos gescheiterte, von Kriegen vertriebene, ausgestoßene, alleingelassene, alte und junge, in der Bettlergesellschaft bereits aufgewachsene und hier ihre letzte Zuflucht findende Menschen.“157

154 Ammerer, Heimat Straße, S. 97. 155 Wolfgang Seidenspinner, Bettler, Landstreicher und Räuber. Das 18. Jahrhundert und die Bandenkriminalität, in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995, S. 27-38, hier: S. 27. 156 Gerhard Ammerer/Gerhard Fritz, Die Gesellschaft der Nichtsesshaften. Daseinsbewältigung, Lebens- und Umgangsformen, in: Gerhard Ammerer/Gerhard Fritz (Hrsg.), Die Gesellschaft der Nichtsesshaften. Zur Lebenswelt vagierender Schichten vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Affalterbach 2013, S. 7-20, hier S. 12. 157 Ernst Schubert, Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts, Neustadt a.d. Aisch 1983, S. 10., zit. n. Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 36. 33

Zahlenmäßig lässt sich die mobile Schicht kaum erfassen. Hauptursache des Vagantentums waren wirtschaftliche Gründe. Überall dort, wo sich Menschen in einer ökonomischen Notlage wiederfinden, sehen sie sich zur Mobilität gezwungen. Innere Beweggründe wie beispielsweise der Drang nach Freiheit lassen Menschen auch wandern, sind jedoch viel schwieriger zu erfassen. Allgemein sollten aber nicht alle Vaganten, welche in die Kriminalität abrutschten, als arbeitsscheu und faul bezeichnet werden. Oftmals standen schlichtweg nicht genug Arbeitsplätze zur Verfügung. Rutschten Menschen in ein Vagantenleben ab, verloren sie zudem auch ihr traditionelles soziales Netz. Auch war das Leben auf der Straße durch Armut geprägt. Sie durften in Notsituation nicht auf die Hilfe von Verwandten hoffen, hatten meist keinen Besitz, ihr Einkommen war instabil und der Winter wurde zur großen Bedrohung. Aufgrund der Kälte und Nässe mussten sie in den Wintermonaten auf ein festes Quartier hoffen.158 Vaganten mit persönlichen Erinnerungen an das sesshafte Leben, versuchten oft irgendwo unterzukommen, um wieder in die Sesshaftigkeit zu gelangen. Ob dies ein realistisches Ziel war, sei dahingestellt. Doch wurde jemand in die Nichtsesshaftigkeit hineingeboren, war es unmöglich, aus dieser chancenlosen Situation wieder hinauszugelangen. Kinder, welche in das Milieu der Straße hineingeboren wurden, konnten nur das lernen, was ihnen ihre Eltern beibringen konnten: Bettelei, Betrug, List, eventuell auch Schaustellerei.159

„Im Orte wimmelt es von zeitlichen und ewigen, natürlichen und gelernten Bettlern aller Art. Unter den gelernten Bettlern verstehe ich diejenigen, welche die Sache als eine Kunst, wenigstens als ein Handwerk treiben. Dahin gehören Zigeuner, Freileute, Taschenspieler, Gaukler, Keßler, verabschiedete Soldaten, Sammler, Händler, Spielleute, Juden, Aushauser und solche, die mit vielen Kindern gesegnet sind. Unter allen diesen, insoferne nicht alle zu einer Bande gehören, sind die Freileute die häufigsten und gefährlichsten.“160 Unter diesen ‚gefährlichen Freileuten‘ verstand Klein nicht nur das beschriebene Vagantentum und allerlei ‚unehrliche‘ Menschen, welche nach ihren eigenen Gesetzen lebten, sondern auch Abdecker und Scharfrichter.

158 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 37f. 159 Danker, Die Geschichte der Räuber und Gauner, S. 65. 160 Johann Wilhelm Klein, Ueber Armuth, Abstellung des Bettelns und Versorgung der Armen, 1792, zit. n. Wolfgang Seidenspinner, Angst und Mobilität. Die Ausgrenzung der Gauner im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit und die Wirkung von Stereotypen, in: Das Mittelalter (2007), Band 12, Heft 1, S. 72- 84, hier S. 81. 34

4.1.2. Unehrlichkeit Neben der auch heute noch gebräuchlichen Bedeutung des Wortes ‚unehrlich‘, im Sinne eines moralischen Fehlverhaltens, konnte der Begriff ‚unehrlich‘ auch eine sozial- mentale oder rechtliche, soziale Kategorie bezeichnen, welche eine verminderte Rechtsstellung ganzer Berufsgruppen bewirkte. Eine Person kann allein entweder durch ihre Herkunft oder durch die Zugehörigkeit zu einer als unehrlich bezeichneten Profession als unehrlich gelten.161 Katrin Lange gliedert unehrliche Berufe in drei Untergruppen. Erstens, Menschen, welche in ‚unsauberen‘ oder ‚unlauteren‘ Gewerbezweigen arbeiteten wie beispielsweise der Gerber. Zweitens, Menschen, welche ‚niedrige‘ oder ‚verwerfliche‘ Dienste verrichteten, wie zum Beispiel Schinder, Totengräber und Scharfrichter. Und zu guter Letzt, Angehörige randständiger Gruppen oder welche, die in der Gesellschaft als ‚überflüssig‘ und ‚entbehrlich‘ angesehen wurden. Dazu zählten beispielsweise Dirnen, Landstreicher, Verbrecher und Vaganten.162

Die ‚Unehrlichen‘ bildeten also keine einheitliche Gruppe, und auch die Bedingungen der Unehrlichkeit sind im Nachhinein schwer festzustellen. Denn wirtschaftliche Benachteiligung sowie die Verweigerung eines sesshaften Lebens waren nicht zwingende Folgen der Unehrlichkeit. Es gibt einen bedeutenden Unterschied im Umgang mit unehrlichen, aber sesshaften Personen im Vergleich zur ‚fahrenden Unehrlichkeit‘.163

„Während sich frühmoderne Obrigkeiten zunehmend bemühten, den sozialen Makel der Unehrlichkeit von sesshaften Berufen bis hin zu dem des Henkers zu nehmen, […] gab es in Bezug auf den harten Kern der Unehrlichkeit derartige Überlegungen und Anstrengungen nicht.“164 Man versuchte, die soziale Diskriminierung der ausgegrenzten Sesshaften ‚von oben‘ zu bekämpfen, während die Diskriminierung der Fahrenden akzeptiert wurde. Doch die Stigmatisierung konnte auch wie eine ansteckende Krankheit weitergegeben werden. So zeigt das Beispiel eines tragischen Vorfalls in Köln aus dem Jahr 1513, welche verheerenden Auswirkungen eine einzelne unachtsame Tat haben kann. Bei der Hinrichtung des Kölner Ratsherr Diederich Spitz passierte dem Henker ein Missgeschick, in dem das abgetrennte Haupt vom Gerüst rollte. Einer der Zuschauer, ein Fassbinder,

161 Scheffknecht, Scharfrichter, S. 163. 162 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 47., Vgl. dazu auch Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 23., Werner Danckert, Unehrliche Leute. Die verfemten Berufe, Bern 1963, S. 12., sowie Richard van Dülmen, Der ehrlose Mensch. Unehrlichkeit und soziale Ausgrenzung in der Frühen Neuzeit, Köln 1999, S. 24f. 163 Danker, Die Geschichte der Räuber und Gauner, S. 48f. 164 Ebd., S. 49. 35 nahm den Kopf und warf ihn schnell zurück auf die Richtstätte. Diese Handlung erwies sich als folgenreichen Fehler, denn von nun an gehörte der Mann zur Gruppe der ‚Unehrlichen‘ und verlor seine soziale Existenz. Durch das Eingreifen in die Arbeit des Henkers, hatte sich der Mann mit einer unehrlichen Tätigkeit in Berührung gebracht, aus diesem Grund wurde er auch aus seiner Zunft ausgeschlossen.165 Menschen mit dem Stigma der Unehrlichkeit wurden gesellschaftlich gemieden, waren in der Regel vom Bürgerrecht und einer Zunftmitgliedschaft ausgeschlossen und wurden in vielen Fällen verachtet. Aufgrund der sozialen und gesellschaftlichen Diskriminierung wohnten sie meist am Rand der Stadt oder des Dorfes und hatten vermehrten Kontakt mit der nicht sesshaften Bevölkerung. Aufgrund dessen war die Gefahr, in das Vaganten- bzw. Gaunermilieu abzurutschen, größer und realistischer.166

4.1.3. Spezialfall Deserteure und Soldaten Der Soldatenstand galt im 18. Jahrhundert nicht als unehrlich, dennoch gehörten die ‚gemeinen Soldaten‘ zur unehrlichen Gesellschaftsschicht. Während sich Wohlhabende vom Wehrdienst freikaufen konnten, waren die restlichen Rekruten meist aus den unteren Gesellschaftsschichten. Es war allgemein bekannt, dass sich nur verarmte Handwerker- oder Bauernsöhne verpflichten ließen. Zudem sahen viele Vaganten sowie andere gescheiterte Persönlichkeiten das Militär als ‚Gelegenheitsjob‘ an. So ließen sie sich in Zeiten der Not anwerben, nahmen das Handgeld an und desertierten, sobald sich ihre Lebenssituation verbesserte. Von der Armee wurden zudem auch leichtere Verbrecher rekrutiert, welche als obrigkeitliche Strafmaßnahme ‚ad militiam condemniert‘ worden waren.167 Soldaten im Militär fanden sich oftmals in einer schwierigen Lebenswelt wieder. Der allgemein grobe Umgang, der Gebrauch von Waffen, der Kontakt mit allerhand losem Gesindel, welcher sich vom Militär anwerben ließ, führte oftmals dazu, dass sich junge Soldaten von der ehrlichen Lebenswelt entfernten. Ihre Erfahrungen im Krieg sowie die im Militärdienst erworbenen Organisationsfähigkeiten prädestinierte sie zur Bildung von Räuberbanden. Deserteure stellten im 18. Jahrhundert ein besonders großes Problem dar. Obwohl das Desertieren mit drastischen Strafmaßnahmen geahndet wurde, ließen sich viele davon nicht abschrecken. Die Flucht von Soldaten wurde größtenteils von der Bevölkerung unterstützt, deshalb war die Zahl der Flüchtigen auch

165 Roeck, Außenseiter, Randgruppen, Minderheiten, S. 106. 166 Norbert Finzsch, Obrigkeit und Unterschichten. Zur Geschichte der rheinischen Unterschichten gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1990, S. 242. 167 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 60f. 36 so hoch. Mitleidig wurden viele Deserteure von der Bevölkerung versteckt. Da sie die Fahnenflucht zu einem Leben in der Illegalität zwang, mussten sich auch viele in Wäldern verstecken. Sie konnten zudem keine ehrliche Arbeit annehmen, woraufhin sich viele Deserteure Räuberbanden anschlossen. Daher weisen Lebensläufe Krimineller des 18. Jahrhunderts oftmals eine Dienstzeit in der Armee auf.168

4.1.4. Überlebenspraxis und Strafpraxis Vagierender Die Vagierenden waren stets drohenden Kontrollen durch Streifen oder Husaren ausgeliefert. Die niedrige Toleranzschwelle der Bevölkerung, die soziale Diskriminierung, sowie die vielfältigen Sanktionen bedeuteten eine höhere Gefährdung. Das Vagantentum musste sich den Bedingungen der vagierenden Lebenswelt anpassen. Es war sehr wohl möglich, etliche Jahre auf der Straße zu überleben. Man brauchte dazu jedoch ein ausgedehntes Netzwerk an Paten, Familienangehörigen oder anderen Orten, an denen man zumindest für eine kurze Zeit Unterschlupf fand. In manchen Fällen erhielten Vagierende auch Unterstützung von öffentlichen Einrichtungen wie beispielsweise kirchlichen, gemeindlichen oder genossenschaftlichen Organen, welche dem christlichen Grundsatz der Nächstenliebe folgten. Vagierende hielten sich bevorzugt in territorial zersplitterten Gebieten beziehungsweise Grenzregionen auf, welche es ihnen ermöglichten, schnell Grenzen zu überqueren und ein bestimmtes Territorium zu verlassen. Vagierende mussten dabei immer darauf achten, von der Obrigkeit nicht mit gefährlichen Diebes- oder Räuberbanden in Verbindung gebracht zu werden. Zur Überlebenspraxis gehörte auch, dass bei potenziellen Verhaftungen sowie im Verhör Übertretungen von Normen, vor allem Nahrungsmitteldiebstähle, zugegeben wurden. Damit signalisierte man der Obrigkeit, dass man die legitime Ordnung anerkennt, rechtfertigte zugleich aber auch die Übertretung von Verboten mit außerordentlichen Umständen (beispielsweise Hunger).169 Die Gruppe der männlichen Vagierenden sowie die Randgruppe der Diebes- und Räuberbanden waren in der Strafpraxis deutlich überrepräsentiert. Die Strafpraxis zeigte ganz klar, dass diese Gruppe schwerere Strafen annehmen musste als einheimische Delinquenten. In Württemberg wurde die Todesstrafe an rund 20% aller bestraften Vaganten verhängt.170 Zwischen 1650 und 1810 wurden 165

168 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 62f. 169 Karl Härter, Prekäre Lebenswelt vagierender Randgruppen im frühneuzeitlichen Alten Reich. Überlebenspraktiken, obrigkeitliche Sicherheitspolitik und strafrechtliche Verfolgung, in: Gerhard Ammerer/Gerhard Fritz (Hrsg.), Die Gesellschaft der Nichtsesshaften. Zur Lebenswelt vagierender Schichten vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Affalterbach 2013, S. 21-38, hier S. 36f. 170 Ebd., S. 38. 37

Hinrichtungen vollzogen. Davon waren 106 der Hingerichteten Männer und 59 Frauen. Die tatsächliche Zahl der Hingerichteten war deutlich höher, aber aufgrund der besonders lückenhaften Dokumentation lässt sich keine genaue quantifizierte Aussage bestimmen. Nach der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts werden die Dokumentationen dann genauer, sodass kaum eine Hinrichtung übersehen wurde.171 Während Schöll für den Zeitraum zwischen zirka 1770 und 1790 123 Hinrichtungen von Jaunern innerhalb des Schwäbischen Kreises ermittelt, kommt Fritz für den gleichen Zeitraum auf eine Anzahl von 186 Hinrichtungen.172 Zu beachten gilt, dass man in Württemberg bezüglich der Todesstrafe schon früh sehr zurückhaltend reagierte. Bereits in der Zeit zwischen 1761 und 1770 ist ein rasanter Rückgang von Hinrichtungen zu beobachten. Ab 1790 bewegt sich die Zahl der Hinrichtungen fast gegen null. Ab den 1780er Jahren wurden Jauner aufgrund ihrer Eigentumsdelikte nicht mehr hingerichtet. Generell waren die Aufklärer gegen die Todesstrafe. Für Mord oder andere schwerwiegende Vergehen wurde aber immer noch exekutiert. Insgesamt lässt sich dadurch das Bild zeichnen, dass man im Schwäbischen Kreis sowie in all seinen Zusatzgebieten weniger aufgeklärt war, als in Württemberg.173

„Ein Jauner, der in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts in Württemberg in Inquisition kam, konnte sehr viel eher damit rechnen, mit dem Leben davonzukommen, als einer, der beispielsweise in der Kleinstaatenwelt Oberschwabens, insbesondere in einem der dortigen Zuchthäuser vor Gericht gestellt wurde.“174 Auch wenn in Württemberg an Vaganten oftmals weniger drastischen Strafen, wie beispielsweise Landesverweisungen, Prügel oder Vertreibung verhängt wurden, bedeutete das trotzdem eine erhebliche Einschränkung der Lebensbedingungen oder auch den Tod auf der Straße. Allgemein gilt festzustellen, dass die Lebenswelt der Vaganten stets prekär blieb, und staatliche Verfolgungen und Ausgrenzungen zunahmen. Wer in einer Diebesliste auftauchte, oder mit kriminellen Vaganten in Verbindung gebracht wurde, war automatisch ‚verdächtig‘.175

171 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 801. 172 Vgl. Schöll, Abriß des Jauner- und Bettelwesens in Schwaben, S. 406, sowie Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 802 173 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 802. 174 Ebd. 175 Karl Härter, Prekäre Lebenswelt, S. 38. 38

4.1.5. Spezialfall Scharfrichter Der Scharfrichter wurde generell von der Gesellschaft geächtet. Anhand eines Beispiels von Lange lässt sich diese gesellschaftliche Ächtung aufzeigen: Der Henker durfte vielerorts nur dann das Wirtshaus betreten, wenn auch niemand der Anwesenden etwas dagegen hatte. Er musste dann aber auf einem speziellen Henkerstuhl sitzen und durfte nur aus einem speziellen Henkerkrug trinken. In Orten, in denen es keinen eigenen Scharfrichter gab, durfte der durchreisende Henker nur vor dem Wirtshaus, auf der Straße, sein Getränk einnehmen. Die Gesellschaft hatte große Angst, sich an der Unehrlichkeit des Scharfrichters ‚anzustecken‘.176 Die primäre Aufgabe eines Scharfrichters war der Strafvollzug. In der frühen Neuzeit lässt sich eine Beziehung zwischen der Form der Hinrichtung sowie der Schwere der Tat feststellen. Die Art des Strafvollzugs orientierte sich an der Gefährlichkeit des Vergehens und differierte stark in Bezug auf den zugefügten Schmerz.177

4.1.5.1 Gängigste Arten der Hinrichtung

4.1.5.1.1. Das Enthaupten

Diese Form der Hinrichtung galt als die ‚ehrlichste‘ aller Todesstrafen. Die Enthauptung wurde meist mit einem Schwert vollzogen und war für den Scharfrichter eine große Herausforderung. Die Tätigkeit erforderte technisches Können, denn mit nur einem Schlag musste das Haupt des Verurteilten sauber abgetrennt werden. Normalerweise wurde die Hinrichtung in sitzender Haltung durchgeführt. Doch hin und wieder kam es vor, dass man den zu Hinrichtenden noch im Stehen mit dem Akt überraschte. Meist passierte dies, wenn es sich um Adelige oder höher gestellte Persönlichkeiten handelte. Ihnen wollte man es ersparen, in aller Öffentlichkeit die Fassung zu verlieren, denn auch im Angesicht des Todes behielt die Oberschicht ihre Vorrechte. Zudem war es dem Scharfrichter untersagt, einen Adeligen während des Strafvollzuges zu berühren. Höher gestellten Persönlichkeiten ersparte man dadurch den entehrenden, direkten Kontakt mit dem Henker. Gelang dem Scharfrichter keine saubere Abtrennung des Hauptes, konnte dies folgenschwere Auswirkungen für den Henker haben. Oft kam es bei Fehlrichtungen zu Ausschreitungen des Volkes, welches nach gescheiterter Hinrichtung oft gewaltsam auf den Henker losstürmte.178

176 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 49. 177 Scheffknecht, Scharfrichter, S. 30. 178 Ebd., S. 30-37. 39

Bei Jaunerdelikten wurde in Württemberg die Hinrichtung durch das Schwert meistens als Frauenstrafe angesehen. Männer wurden nämlich nur in leichteren Deliktsfällen mit dem Schwert bestraft. Zwischen den 1680er und den 1790er Jahren lassen sich 45 Enthauptungen von Jaunern nachweisen. Davon waren 39 der Verurteilten Frauen und nur 6 Männer. Im Schwäbischen Kreis und in Vorderösterreich sehen die Verhältnisse in dieser Zeit aber anders aus. Hier wurden 88 Enthauptungen durchgeführt, wobei davon 50 Männer waren.179

4.1.5.1.2. Das Hängen

Das Hängen stand in einer engen Beziehung zum Sturmgott Wotan. Vieles spricht dafür, dass diese Form der Hinrichtung auf eine Form des Menschenopfers zurückgeht. Scheffknecht bezeugt dies auch mit dem Beispiel dreier Diebe, welche im Bregenzerwald im Jahr 1400 begnadigt wurden. Der Strick, welcher die Delinquenten hinrichten sollte, riss. Dieser Vorfall wurde dann als Gottesurteil interpretiert. Das Hängen war aber an sich technisch viel weniger anspruchsvoll als die anderen Hinrichtungsarten. Aus Quellen geht hervor, dass der Scharfrichter, mit dem Hinzurichtenden über zwei Leitern zum Galgen hinaufstieg, der Henker legte dem Delinquenten die Schlinge um den Hals und befestigte den Strick am Galgen. Danach stieg der Scharfrichter wieder von der Leiter herab und stieß die Leiter, auf welcher der Verurteilte stand, um. Das Hängen galt im Gegensatz zum Enthaupten als schimpfliche und ehrvermindernde Strafe. Besonders, da man den Gehängten ein Begräbnis vorenthielt und man sie am Galgen verwesen ließ.180 Die Peinliche Halsgerichtsordnung des Schwäbischen Kreises sah bei Rückfall- und Einbruchsdiebstahl die Form des Erhängens als Strafe vor. Sie weiteten zudem die Strafe auch auf die Frauen aus. Dass das Hängen eine reine Männerstrafe gewesen sei, ist unzutreffend. Die Zahl der erhängten Frauen im Schwäbischen Kreis und in Vorderösterreich ist aber trotzdem deutlich kleiner als die Zahl der erhängten Männer. Für männliche Jauner war das Erhängen bei nachweisbaren, substantiellen Delikten die ‚Standardstrafe‘. Im Gegensatz dazu war es für Frauen eine der härtesten Strafen.181

4.1.5.1.3. Das Rädern

Diese Art der Hinrichtung war besonders schweren Fällen vorbehalten. Diese Form des Strafvollzugs war eine besonders qualvolle Art zu Sterben, denn dem Delinquenten

179 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 804. 180 Scheffknecht, Scharfrichter, S. 44-50. 181 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 816. 40 wurden mittels eines schweren Rades alle Glieder zerstoßen. Die Tortur ging noch weiter, in dem in manchen Fällen der bereits tote, manchmal aber auch noch lebendige Körper durch die Speichen eines anderen Rades geflochten wurde. Der Scharfrichter ließ daraufhin nochmals ein schweres Metallrad auf den Körper des Verurteilten fallen, um ihm alle Knochen zu brechen. 182 Es gab verschiedene Arten des Räderns, manche waren weniger brutal als andere. Die Unterscheidung liegt vor allem zwischen dem ‚Rädern von unten herauf‘ und dem ‚Rädern von oben herab‘. Während bei der ersten Variante das Zertrümmern bei den Beinen beginnt, beginnt das Zertrümmern beim ‚Rädern von oben herab‘ beim Brustkorb, was zur Folge hatte, dass die Delinquenten meist sofort verstarben. Was jene Verurteilten zu erdulden hatten, denen das ‚Rädern von oben herab‘ verwehrt wurde, kann man sich mit Grauen ausmalen. Das Rädern wurde in Südwestdeutschland ausschließlich an erwachsenen Männern vollzogen. Beispielsweise wurde der Bayerische Hiesel 1771 mittels des Räderns exekutiert. Der letzte Gauner, welcher in Württemberg mit dem Rädern bestraft wurde, war der im Jahr 1760 hingerichtete Sonnenwirtle von Ebersbach, welcher bei der Urteilsverkündung von der Härte der Strafe schockiert war.183

4.1.5.1.4. Das Vierteilen

Diese besonders grausame Form der Hinrichtung verfolgte das Ziel, wie der Name bereits verrät, den Körper des Verurteilten in vier Stücke zu teilen. Dies geschah meist durch die Abtrennung mittels einer Axt. In vielen Fällen wurde aber auch der Körper, also Arme und Beine, an je ein Pferd gebunden. Durch das Auseinandertreiben der Tiere wurde der Körper des Delinquenten dann in Stücke gerissen. Diese Form der Hinrichtung wurde nur bei Hochverrätern oder Fürstenmördern eingesetzt. In Tirol ließ man zudem Mörder von schwangeren Frauen auf diese Art und Weise exekutieren. Das Vierteilen war eine Form der Hinrichtung, die nur selten vollstreckt wurde.184 In Deutschland war das Vierteilen mittels Axt oder Beil die bevorzugte Form. Danach wurden die Gliedmaßen zur Abschreckung oft an Pfählen aufgehängt. Die letzte bekannte Vierteilung wurde am Bayrischen Hiesel durchgeführt. Wie bereits erwähnt, wurde an ihm auch das Rädern durchgeführt. Bei seinem Urteil kam es zu einer seltenen kombinierten Strafe, welche besagte, dass der Verurteilte zuerst gerädert und erst dann gevierteilt wird. Seine Gliedmaßen wurden zur Abschreckung über ganz Schwaben verteilt und zum

182 Scheffknecht, Scharfrichter, S. 54f. 183 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 818-821. 184 Scheffknecht, Scharfrichter, S. 51f. 41

öffentlichen Grauen an Galgen gehängt. Das Vierteilen galt als eine noch stärker entehrende und härtere Strafe als das Rädern, kam aber nur in den schwersten Fällen vor.185

4.1.6. Sprache Viele der Vagierenden verstanden und sprachen lediglich eine Sprache, und das war die deutsche. Hin und wieder findet sich in der steckbrieflichen Beschreibung von Vagierenden ein Vermerk auf die regionale Mundart oder die standesspezifische Aussprache des Jeweiligen (beispielsweise: grobe Bauernsprache, Bayrische Waldsprache, Bregenzer Wälder-Sprache etc.). Auch Mischdialekte sowie sprachliche Defekte wie beispielsweise das Stottern, Stammeln oder auch Stummheit wurden in Steckbriefen vermerkt. Vagierende Männer und Frauen bedienten sich zu gleichen Teilen einer deutlich gewalttätigen Sprache.186 Besonders der Umgang miteinander war von der sehr derben Sprache geprägt. „Wenn ihr das nächste Mahl etwas nehmts, […] thue ich enk schmirren, das enks Blut über den Hintern abrind.“187 Das Leben auf dem Land war aber generell von einer eher derben, bäuerlichen Sprache sowie verbaler und körperlicher Gewalt geprägt. Aus diesem Grund darf dies nicht als besonderes Merkmal der vagierenden Schicht hervorgehoben werden.188 Auch die nonverbale Kommunikation diente den Vagierenden als Kommunikationssystem. Heute lässt sich dessen quantitativer Gebrauch jedoch nicht mehr abschätzen. Der Gebrauch von Handzeichen, anderen körpersprachlichen Gesten, darunter beispielsweise Grimassen, dienten bei verdächtigen oder verschwörerischen Begegnungen zur Verständigung. So zeigte beispielsweise eine verschlossene Hand bei einer Gegenüberstellung ein noch nicht gestandenes Verbrechen an, und diente dem anderen Gauner als Richtschnur bei seinem eigenen Verhör.189

4.1.6.1. Vulgonamen

Namen haben eine wichtige Informationsfunktion, denn sie geben Hinweise auf Denkweisen und Wertvorstellungen. Spitznamen wurde ein größerer Wert als den eigentlichen Familiennamen zugeschrieben. Vielen Nichtsesshaften war der Familienname sogar unbekannt, selbst wenn Verwandte oder sogar die Eltern noch am

185 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 821f. 186 Ammerer, Heimat Straße, S. 289f. 187 TLA, LgL 1728-1789, KP, Fasz. 47 (Verhör der zehn- oder elfjährigen Notburga Schubes v. 23. Febr. 1784), zit. n. Ammerer, Heimat Straße, S. 291. 188 Ebd. 189 Ebd., S. 292. 42

Leben waren. Je niedriger der soziale Status innerhalb der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts war, umso häufiger wurde der Rufname anstelle des Familiennamens verwendet. Spitznamen brachten oft negative aber auch positive Informationen zur Person zum Ausdruck. Denn Spitznamen wählte man nicht selbst aus, sie wurden einem viel mehr von der sozialen Umgebung zugeschrieben. Ammerer teilt die Entstehung von Vulgonamen in sechs verschiedene Gruppen ein:

a) Berufliche Tätigkeit

Bei Männern, häufiger als Frauen, war die Entstehung des Vulgonamens von der eigenen Arbeit oder der des Vaters, der Mutter oder des Partners geprägt.190 Besonders bei unehrlichen oder minderen Berufen ist diese Tendenz erkennbar. Beispielsweise behielt die ‚Schleiferbärbel‘ auch noch nach der Trennung ihres Ehemannes ‚Schleifertoni‘, ihren Vulgonamen.191

b) Topographische Bezeichnungen

Bei der Vergabe eines Spitznamens konnte die topographische Zuordnung durch das Herkunftsland beziehungsweise -ortes von großer Bedeutung sein (z.B. der Bayerische Hiesel oder der Bregenzer Seppel). Manchmal konnte der Vulgoname aber auch irreführen, denn die Ortsnamen mussten nicht immer wahrheitsgetreu aussagen, von wo der Benannte stammt.192 So wurde beispielsweise der Konstanzer Hans nach der Herkunft seines Vaters benannt und nicht nach seiner eigenen Geburtsstätte.193

c) Körperliche Defizite

Neben psychischen Mängeln (z.B. Einfalthänsel), wurden auch physische Defekte (z.B. der krumme Mühlerfranzel, der einaugigte Hiesel etc.) dazu hergenommen, um andere Menschen zu etikettieren.194 Dies hatte weniger mit einer niedrigen Scham- oder Peinlichkeitsschwelle zu tun, vielmehr würde man nach heutigen Vorstellungen sagen, dass der damaligen Gesellschaft eine gewisse ‚political correctness‘ fehlte.

190 Ammerer, Heimat Straße, S. 298. 191 Danker, Die Geschichte der Räuber und Gauner, S.117. 192 Ammerer, Heimat Straße, S. 299. 193 Johann Ulrich Schöll, Ein Räuber mit Prinzipien. Der Konstanzer Hans, in: Heiner Boehncke/Hans Sarkowicz (Hrsg.), Die deutschen Räuberbanden. Die grossen Räuber (Bd.1), Frankfurt am Main 1991, S. 162-252, hier: S. 166. 194 Ammerer, Heimat Straße, S. 301. 43

d) Aussehen

Doch äußere Merkmale mussten nicht immer mit negativen Defiziten verbunden sein, sondern konnten auch einfache Erkennungsmerkmale beschreiben, wie beispielsweise die Haarfarbe, Größe oder auch besondere Schönheit.195 So wurde zum Beispiel Xaver Hohenleiter aufgrund seiner dunklen Haare auf den Vulgonamen Schwarzer Veri umgetauft. „Von dem rabenschwarzen Haar, das in wohlgekräuselten Löcklein ihm um Kopf und Stirn flog, hieß er der schwarze Veri.“196

e) Charakter- und Verhaltensmerkmale

Der Vulgoname ist von bestimmten Charaktereigenschaften und Verhaltensmerkmalen abhängig. Beispielsweise finden sich in den Namen Hinweise auf Lieblingsspeisen (‚Wurstmiedl‘) oder auf auffällige Gewohnheiten wie zum Beispiel Faulheit (‚Lotterbub‘).197

f) Hinweise auf begangene Delikte

Vulgonamen die auf die kriminelle Vergangenheit schließen lassen, waren für Männer und Frauen gleichermaßen sehr selten, und dennoch kamen sie vor (z.B. ‚Deserteur Fränzl‘, oder der ‚Diebische Pacher‘).198

4.1.7. Kleidung Die meisten Vaganten besaßen nur die Kleidungsstücke, welche sie am Leib trugen. Die Kleidung diente vorrangig dem Schutz vor Kälte und schlechtem Wetter. Dennoch konnte man von der Kleidung einer Person viel ablesen. Welche gesellschaftliche Rolle die Person einnahm und welchem sozialen Stand der Träger beziehungsweise die Trägerin angehörte.199 Zeitgenössische Steckbriefe verraten, dass die Kleidung des Vagantentums meist zerschlissen und zerrissen war. Die Kleidung war oft ausschlaggebend, ob eine Person als ‚verdächtig‘ wahrgenommen wurde oder nicht. Wurde jemand in zerrissenen Lumpen gesehen, ging man davon aus, dass diese Person verdächtig sein muss. Das gleiche Spiel wiederholte sich, wenn aber ein Vagant gut gekleidet war. Auf einen ‚zu gut gekleideten‘ Herumziehenden wurde nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die

195 Ammerer, Heimat Straße, S. 302. 196 Max Zengerle (Hrsg.), Johann Baptist Pflug. Aus der Räuber- und Franzosenzeit Schwabens, Weißenhorn 1975, S. 187. 197 Ammerer, Heimat Straße, S.303f. 198 Ebd., S. 304. 199 Ebd., S. 332f. 44

Behörde schnell aufmerksam, da man davon ausging, die Kleidung müsse gestohlen sein.200 Dennoch bemühte sich vor allem eine Vagantenschicht um eine ordentliche Kleidung: Betrugsbettler und Diebe, die sich verkleiden und damit tarnen wollten. Auf dieses ‚verkleiden‘ wurde sogar in Steckbriefen speziell hingewiesen.201

4.1.7.1 Männer

Als das häufigste männliche Überbekleidungsstück galt der Rock, ab 1788 auch Überröcke. Während eine schwarze Bekleidung in der Jaunertracht nahezu gänzlich fehlt, finden sich vor allem blaue Kleidungsstücke in der Kleidung der Vagierenden wieder.202 Als Oberbekleidung wurde entweder eine Jacke getragen, als Alternative für den Rock wurde der Kittel angesehen, wobei dieser seine Beliebtheit schnell verlor. Für die Herstellung von Hosen wurden verschiedene Materialien verwendet, die Beliebteste war die Lederhose, da sie für die längste Haltbarkeit bekannt war. Zudem konnte sie gewendet werden, sobald sie auf einer Seite abgetragen wurde. Über dem Hemd wurde das sogenannte Brusttuch, auch Leibchen genannt, getragen. Während im Winter vorrangig Pelzmützen getragen wurden, waren – während des restlichen Jahres – Kappen aus Filz die gängigste Kopfbedeckung. Schuhe und Stiefel wurden als Fußbekleidung gewählt.203 In den Steckbriefen Vagierender werden nur selten Hemden oder Wäsche zum Wechseln genannt. Offenbar besaßen die meisten Vaganten keines von Beiden. Seidenspinner untersuchte 530 – ungleich über die Jahrzehnte verteilte – Steckbriefe, und ergänzt:

„Daß im 18. Jahrhundert zahlreiche Uniformen (zum Teil über 20 Prozent) erwähnt werden, weist auf die mögliche Funktion fremder Gruppenkleidung als Tarnung hin, man wurde so nicht gleich als Vagant erkannt. So kleideten sich manche wie ein Müller oder Metzger (mit Schürze).“204

Zudem waren schwarze Seidenhalstücher mit weißen Unterhalstüchern besonders beliebt.205 Seidenspinner gibt an, dass dieses modische Accessoire ein „fast schon typischer Bestandteil der Kleidung der Jauner“206 war.

200 Ammerer, Heimat Straße, S. 333/336f. 201 Ebd., S. 337. 202 Wolfgang Seidenspinner, Jaunertracht. Zur Kleidung der Vagierenden (nach Steckbriefen), in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995, S. 47-56, hier S. 48. 203 Ammerer, Heimat Straße, S. 341f. 204 Seidenspinner, Jaunertracht, S. 49. 205 Ebd., S. 52. 206 Ebd., S. 55. 45

4.1.7.2. Frauen

Der Rock war das dominierende Kleidungsstück vagierender Frauen. Dieser wurde entweder mit einem Kittel, einer Jacke oder einem Oberteil getragen. Wie schon bei der Männertracht, wurde auch von den Frauen das ‚Leibchen’ als Unterbekleidung gerne gewählt. In Steckbriefen findet sich zudem auch vermehrt die Beschreibung einer als typisch städtisch geltenden Kombination: die Kombination von Korsett und Mieder. Das Tuch wurde von vagierenden Frauen oft als Kopfbedeckung gewählt, wobei eine Kombination aus Hut und Tuch auch keine Seltenheit war.207

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Kleidungsverhalten der Jauner und Vaganten von einer sehr ausgeprägten individuellen Zusammenstellung der einzelnen Kleidungsstücke geprägt war.208

4.1.8. Beziehungen und familiäre Bande 4.1.8.1. Sexualität und Ehe

Das 19. Jahrhundert bewertet die Sexualität von Gaunern und Vagierenden oft als moralisch verwerflich. Innerhalb der Räuberbanden sei die Sexualität mit Sünde behaftet, der Partnertausch werde praktiziert und sogar die „Hurerei“ in der Öffentlichkeit wird den Räuberbanden vorgeworfen.209 Die neuere Forschung ist da schon wesentlich zurückhaltender. Gerhard Fritz versucht mit verschiedenen Beispielen aus zeitgenössischen Quellen zu belegen, dass der spontane Geschlechtsverkehr bei den Vagierenden deutlich öfter vorkommt, als bei der sesshaften Bevölkerung. Die Quellenlage zeigt, dass sexueller Kontakt in der Vagantenszene nicht an eine längere Beziehung geknüpft war, da die Gauner und Vaganten „ihre primär biologisch determinierte und vergleichsweise wenig kulturell überformte Form des [sic] Sexualität ausleben konnte.210 Ammerer warnt vor einer Generalisierung, obwohl auch er sagt, dass viele Hinweise tendenziell dafürsprechen.211 Obwohl, wie bereits erwähnt, die formale Eheschließung für Vaganten nicht Voraussetzung für eine sexuelle Beziehung war, legten diese trotzdem oft Wert darauf, sich offiziell zu verheiraten. Bei den Zeitgenossen wurden

207 Ammerer, Heimat Straße, S. 343f. 208 Seidenspinner, Jaunertracht, S. 55. 209 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 277. 210 Ebd., S. 295. 211 Gerhard Ammerer, Von ‚Gutschen‘, ‚fleischlichen Begierden‘ und ‚Ehefleppen‘. Partnerschaft, Sexualität und Nachkommen im Milieu der Landstraße, in: Gerhard Ammerer/Gerhard Fritz (Hrsg.), Die Gesellschaft der Nichtsesshaften. Zur Lebenswelt vagierender Schichten vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, Affalterbach 2013, S. 107-132, hier S. 113. 46

Jaunerehen zwar als moralisch verwerflich angesehen, denn in der Vagantenszene sollen „eben so wie ehebrecherische […] auch blutschänderische Ehen eingegangen […]“212 worden sein, aber für die Vagierenden selbst hatte die Ehe so manchen Vorteil. Zum einen konnte der Kopulationsschein von Nutzen sein, wenn man von einem Gerichtsdiener aufgehalten wurde oder etwa eine gemeinsame Unterkunft für die Nacht suchte, zum anderen war es damit einfacher, wenn man ein Kind taufen lassen wollte. Aus diesem Grund hatten viele Vagantenpaare gefälschte Heiratsurkunden bei sich, oft beteuerten herumziehende Vaganten auch verheiratet zu sein, den Kopulationsschein aber verloren zu haben.213 Doch nicht nur aus strategischen Gründen wurde die kirchliche Legitimation der Partnerschaft angestrebt, auch persönliche Gründe konnten hinter einer Heirat stecken. „Der Wunsch nach einer gemeinsamen, obrigkeitlich legalisierten und gesellschaftlich akzeptierten Existenz oder auch nur das Streben nach Festigung oder Legalisierung der Beziehung konnte ebenfalls ausschlaggebende Gründe bilden.“214

4.1.8.2. Schwangerschaft, Geburt und Taufe

Schwangere vagierende Frauen gebaren ihre Kinder meist in abgelegenen Ställen oder Stadeln. Manchmal waren auch Häuser von Hebammen, Stuben von wohlgesonnen Bauern oder Verwandten die Geburtsstätte der Neugeborenen. Wurde einer Vagierenden dort Unterschlupf gewährt, hatte sie Glück, denn die hygienischen Verhältnisse waren dort um einiges besser als im Gefängnis. In vielen Fällen erhielten hochschwangere Frauen von der sesshaften Gesellschaft Hilfe, zumindest wurde ihnen für die Geburt ein Quartier gewährt. Dass eine Hochschwangere weder von Verwandten noch Fremden Unterstützung erhielt war die Ausnahme, kam aber in seltenen Fällen vor.215 War ein Kind dann geboren, ging man auch in den Vagantenkreisen nicht anders vor als in der sesshaften Bevölkerung; man ließ sein Kind taufen und suchte einen Taufpaten. Die damals vorherrschende religiöse Vorstellung, dass man nur dann einen Platz im Himmel erlangt, wenn man das heilige Sakrament der Taufe erhalten hat, war standesübergreifend und hatte unter der Bevölkerung einen besonderen Stellenwert. In der christlichen Gemeinschaft galt die Taufe als Notwendigkeit und war unabhängig von verwandtschaftlichen Beziehungen eine Christenpflicht. So kam es häufig vor, dass eine

212 Schöll, Abriß des Jauner- und Bettelwesens in Schwaben, 236. 213 Ammerer, Heimat Straße, S. 273. 214 Ebd. 215 Ammerer, Von ‚Gutschen‘, ‚fleischlichen Begierden‘ und ‚Ehefleppen‘, S. 117. 47 unbekannte sesshafte Person eine Patenschaft für ein Baby übernahm.216 Bei einer Taufe war aber nicht nur der religiöse Aspekt sehr wichtig, sondern auch die Tatsache, dass man durch eine Taufe auch eine weltliche Zugehörigkeit erlangte, nämlich das Heimatrecht in der Geburtsgemeinde. Bei Vaganten war dies „zumeist eine ‚Zufallsgeburtsgemeinde‘“217, deshalb kam es häufig vor, dass erwachsene Vaganten, welche in irgendeinem abgelegenen Stall geboren wurden, oft nicht wussten wo sie zur Welt kamen und wo sie getauft wurden. Die Obrigkeiten hatten keinerlei Interesse an vagierenden Schwangeren, da bei eintretendem Todesfall der Mutter während oder nach der Geburt, die Gemeinde dazu verpflichtete gewesen wäre, für das Kind zu sorgen. Hin und wieder kam es vor, dass Priestern befohlen wurde, nur Kinder von verheirateten Paaren zu taufen. Trotz einer derartigen Vorlage kam es aber in der Praxis zu zahlreichen Ausnahmen.218

216 Ammerer, Von ‚Gutschen‘, ‚fleischlichen Begierden‘ und ‚Ehefleppen‘, 117. 217 Ebd., S. 118. 218 Ebd. 48

4.2. Räuber und Gauner 4.2.1. Allgemeines Hans Sarkowicz benennt die Zeit zwischen 1790 und 1815 als „die große Zeit der deutschen Räuberbanden“219. Andreas Blauert spricht davon, dass in den Jahren zwischen 1781 und 1790 ein eindeutiger Höhepunkt in den Diebes- und Gaunerlisten verzeichnet wurde.220 Doch wieso kommen gerade in dieser Zeit so viele Räuberbanden in Deutschland vor? Die Folgen der großen Kriege im 18. Jahrhundert haben dabei sicher eine große Rolle gespielt. Die Zeit zwischen der Französischen Revolution bis hin zum Wiener Kongress war geprägt von verschiedenen Kriegen. Die gesellschaftlichen Folgen nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763), den Revolutions- und Koalitionskriegen - beginnend mit der Französischen Revolution- brachten in vielen Teilen der Bevölkerung Verelendung. Die Koalitionskriege verwüsteten ganze Landstriche, wodurch die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wurde.221 Die schwierigen gesellschaftlichen, politischen Verhältnisse, und die bereits drückende Last des Alltags, wurde durch Naturkatastrophen noch zusätzlich verstärkt. So spielten die verheerenden Missernten von 1816/17 der Gesellschaft übel mit. Doch wie groß die Angst vor der zunehmenden Gefahr durch Räuberbanden wirklich war, zeigt eine zeitgenössische Quelle des Schwäbischen Kreises.

Dort heißt es „daß die Unterthanen auf dem Land, an statt […] sie nach Ausstehung so vieler Kriegs-Beschwehrlichkeiten anjetzo einer Sicherheit und Ruhe zu geniessen haben sollten, sich der beständigen Gefahr, durch Diebstahl, Raub, und andere Gewaltthaten, ja gar durch Mord und Brand um das Ihrige zu kommen, ausgesetzet sehen müssen“222. Die überwiegende Zahl an Delikten zeigt aber, dass es sich dabei meist um Lebensmitteldiebstähle handelte. Aus heutiger Sicht wäre dies zwar nur Mundraub, doch unter den damaligen Lebensbedingungen war der Diebstahl von Nahrungsmitteln fatal. Die große Hungersnot war erdrückend und Lebensmitteldiebstähle waren deshalb eine reale Gefahr für das alltägliche Leben eines jeden. Besonders beliebt waren zudem

219 Hans Sarkowicz, Die Gesellschaft der Außenseiter. Räuberbanden in Deutschland, in: Heiner Boehncke/Hans Sarkowicz (Hrsg.), Die deutschen Räuberbanden. Die grossen Räuber (Bd.1), Frankfurt am Main 1991, S. 9-22, hier S. 15. 220 Andreas Blauert, Diebes- und Räuberbanden in Schwaben und in der Schweiz, an Bodensee und Rhein im 18. Jahrhundert, in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995, S. 57-64, hier S. 58. 221 Sarkowicz, Die Gesellschaft der Außenseiter, S. 15f. 222 StA Sigmaringen, Ho 80, Bd. 2, Nr. 288, zit. n. Blauert, Diebes- und Räuberbanden, S. 58. 49

Textilien und Kleidung jeglicher Art. Bargeld hatte natürlich einen ganz besonderen Reiz auf die Gauner und Diebe, doch oft war davon nicht viel zu finden, und wenn doch, dann hat sich diese Information schnell herumgesprochen.223 Die Justiz und das Polizeiwesen versuchten durch verstärkte Anstrengungen (Bettelordnungen, Neubauten von Zucht- und Arbeitshäusern, bewaffnete Streifen etc.) der immer größer werdenden Räuber- und Bandenproblematik entgegenzuwirken. Im Laufe des 18. und angehenden 19. Jahrhunderts erzielten die Behörden auch immer größere Erfolge mit diesen Verfolgungsanstrengungen und so wurden nach und nach immer mehr Gauner ergriffen und hingerichtet.224

4.2.2. Räuber, Räuberbande, Raub, Jauner – Ein Definitionsversuch

Das Universallexikon von Johann Heinrich Zedler ist mit Abstand das größte allgemeine Lexikon des 18. Jahrhunderts und definiert den Begriff Räuber wie folgt: „Räuber, oder Rauber, werden sonst in denen gemeinen Rechten auch […] Mörder genennet.“225 Doch auch wenn Mörder und Räuber hier in Zedlers Universallexikon zusammengefasst werden, so wird dennoch unterschieden:

„[…] zwischen einem Mörder und Räuber noch ein grosser Unterschied ist; indem zu dem ersten Laster nicht allein die Beraubung der Leute, sondern auch deren Entleibung würklich zusammen kommen muß. Die Rauberey aber bestehet nur in gewaltthätiger Beraubung derer Personen, ohne Entleibung. […] Und werden diese Räuber sonst auch gemeiniglich Freybeuter, Taschen- und Puchklopffer oder Puschklepper, Beutemacher, u.s.w. genennet.“226 Weiters wird in einem kurzen Beitrag beschrieben, was der Begriff ‚Räuberbande‘ bedeutet: „Räuber=Bande, Räuber=Rotte […] ist eigentlich nichts anders als ein ganzer Hauffen solcher Leute, die mit einander auff Stehlen und Rauben ausgehen.“227 Interessant ist, dass Zedler hier sogar zwischen Räuberbanden und ‚Jaunergesindel‘ noch genauer unterscheidet. Denn Zedlers Lexikon besagt nämlich, dass „Jauner=Gesindel, ist in Schwaben ein herumschweiffendes Gesinde, welches denen Zigeunern nicht ungleich, aber doch von denenselben unterschieden ist, machen unter sich eine besondere Zunfft, und haben ihre eigene Sprache.“228

223 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 403. 224 Blauert, Diebes- und Räuberbanden, S. 58. 225 Johann Heinrich Zedler, Räuber, oder Rauber, in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 30, Leipzig/Halle 1741, Sp. 579. 226 Ebd. 227 Johann Heinrich Zedler, Räuber=Bande, Räuber=Rotte in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 30, Leipzig/Halle 1741, Sp. 580. 228 Johann Heinrich Zedler, Jauner=Gesindel, in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 14, Leipzig/Halle 1739, Sp. 285. 50

Aber was bedeutet denn zur damaligen Zeit ‚Rauberey‘ beziehungsweise ‚Raub‘ im eigentlichen Sinne? Auch darauf gibt Zedlers Universallexikon eine Antwort:

„Raub, Rauberey […] ist ein Verbrechen, da einer dem andern etwas, z. E. Geld, Kleider, Vieh, u.d.g. öffentlich (oder mit Gewalt) und also mit seinem Wissen, aber wieder seinen Willen abnimmt; oder da einer dem andern mit gewaffneter Hand anfällt, mit Schlägen oder harten Drohungen etwas abnimmt oder demselben eine Re[?]er=Zehrung abzwinget und abdringet, oder gewaltsamer Weise mit ihm tauschen will, und ihm irgend für einen alten Mantel oder Rock einen neuen, für ein lahm Pferd ein gutes, u.s.w. abnimmt. Es wird dabey, eben wie beym Diebstahl, die Schmälerung fremden Gutes intendiret […].“229 Obwohl Zedler schon früh diese Begriffe zu definieren versucht, argumentiert Gerhard Fritz damit, dass es in vielen konkreten historischen Beispielen definitorische Unschärfen gibt, welche aber nur verdeutlichen, „wie sehr sich die historische Realität vorgegebenen Kategorisierungen entzieht.“230 Wer sich mit der Kriminalitätsgeschichte auseinandersetzt, wird nicht an einem gewissen ‚Begriffschaos‘ vorbeikommen. Der Begriff Gauner ist nämlich beispielsweise bis zum frühen 19. Jahrhundert noch völlig unbekannt. Während Forscher wie Hobsbawm dann in den 1960er/70er Jahren von ‚Banditen‘ sprechen, folgt dann eine Periode, in welcher Forscher wie Lange und Danker von ‚Räubern‘ und ‚Räuberbanden‘ sprechen. In den Quellen lassen sich jedoch kaum Begriffe wie ‚Bandit‘ oder ‚Bandenwesen‘ wiederfinden, während der Terminus ‚Gauner‘ gar nicht vorkommt. Dies soll verdeutlichen, wie schwierig es aus heutiger Sicht ist, historische Phänomene im Nachhinein terminologisch fassen zu wollen.231 Ein Begriff jedoch kommt auch schon in zeitgenössischen Quellen immer wieder vor: ‚Jauner‘.

„In den Repertorien der Archivbestände beschreibt […] ‚Jauner‘ häufig die als besonders gefährlich eingeschätzte, berufsmäßige Kriminalität der Vagierenden. […] Der im 17. bis 19. Jahrhundert auftauchende Begriff ‚Jauner‘ geht auf ein im 15. und 16. Jahrhundert verwendetes Joner zurück. Damals bezeichnete Joner den Falschspieler, und aus dem Falschspieler hätten sich […] die späteren Formen des organisierten Verbrechens entwickelt.“232 Doch auch der Begriff Jauner erfuhr im Laufe der Jahrzehnte immer wieder einen Bedeutungswandel. Es scheint so, als ob auch die Zeitgenossen des 17. und 18. Jahrhunderts bereits Probleme hatten, einen passenden Oberbegriff zu finden.233

229 Johann Heinrich Zedler, Raub, Rauberey, in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 30, Leipzig/Halle 1741, Sp. 1046. 230 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 40. 231 Ebd., S. 65. 232 Ebd., S. 66. 233 Ebd. 51

4.2.3. Rotwelsch und Gaunerzinken 4.2.3.1. Rotwelsch

Viele Gruppen beziehungsweise Berufe verfügen über einen eigenen Fachjargon. So hört man immer wieder von bestimmten Fachsprachen einzelner Berufsgruppen. Die Sprache unterstreicht dabei oft ein bestimmtes Zusammengehörigkeitsgefühl. Auch das Vagantentum besaß eine eigene Sprache: das Rotwelsch. Die Bedeutung des Rotwelsch ist ganz einfach zu erklären. Das „Rot“ in Rotwelsch nimmt Bezug auf die Bedeutung der Farbe Rot, also im Sinne von schlau, gerissen und falsch. Mit „Welsch“ hingegen wurde auf ‚das Fremde‘ hingedeutet.234

Auch in Zedlers Universallexikon findet sich ein Eintrag zum Rotwelsch:

„Rothwelsch, Rottwälsch, ist eine ganz besondere […] Bettler= oder Diebs=Sprache, von der wahren Zigeuner=Sprache gänzlich unterschieden, in welcher allerhand, vornehmlich hebräische Wörter, mit eingeflickt, und hierdurch die gewöhnlichen Deutschen so unverständlich gemacht worden, daß die Spitzbuben, wenn sie gleich dem Laute nach Deutsch mit einander sprechen, dennoch von den umstehenden Deutschen, so dieses Rothwelschen Dialecti unkundig, gar sehr schwerlich verstanden werden können.“235 Boehncke bestätigt Zedlers Aussage wie folgt:

„Grundlage für die Konstruktion der rotwelschen Sondersprache ist […] das Deutsche, gefolgt vom Hebräischen […]. Es handelt sich um hebräische Wurzeln der jüdischen Volkssprache, […] der auf das Betteln angewiesenen niederen Schichten des jüdischen Volkes. […] Bemerkenswert ist der geringe Anteil der Zigeunersprache, der der Tatsache entspricht, daß in der frühen Neuzeit die Kontakte zwischen den christlichen Bettlern und Landstreichern und den vagierenden Zigeunerverbänden äußerst selten waren.“236 Lange räumt mit dem Vorurteil auf, dass das Rotwelsch ausschließlich von Gaunern verstanden wurde. Das Rotwelsch, oft auch ‚Gaunersprache‘ genannt, entstand bereits im Mittelalter unter den Bedingungen des Fahrens, und wurde bis ins 19. Jahrhundert von allen Vagierenden verstanden und beherrscht.237 Das Rotwelsch lässt sich keineswegs eingrenzen, da sich nicht nur die orale Kultur sowie Subkultur ständig verändert, sondern auch berufliche und regionale Besonderheiten Einfluss auf die Sprache nehmen.238 Für

234 Heiner Boehncke, Rotwelsch, Zinken, Scheinlingszwack – Kommunikation unter Gaunern, in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995, S.39-46, hier: S. 40. 235 Johann Heinrich Zedler, Rothwelsch, Rottwälsch, in: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste, Bd. 32, Leipzig/Halle 1742, Sp. 1227. 236 Boehncke, Rotwelsch, S. 41. 237 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 136. 238 Boehncke, Rotwelsch, S. 40. 52 die „Kochemer“239 war das Rotwelsch ein wichtiges Werkzeug. Aus diesem Grund wurden auch die Kinder der Vagierenden früh in dieser Sprache unterrichtet. Die Sondersprache spielte besonders dann eine Rolle, wenn die Gauner den Verdacht hegten, von „Wittischen“240 belauscht zu werden. Jahrelang konnten sich die in gemeinsamen Zellen untergebrachten Häftlinge in ihren Aussagen abstimmen, ohne dass es dem Wachpersonal aufgefallen wäre.241 Von der Räuberbande des Schwarzen Veri wird beispielsweise berichtet, dass sie sich im Gefängnis nächtelang sogar über verschiedene Stockwerke unterhielten.242 Bald wussten aber auch die Untersuchungsrichter, welchen Vorteil es mit sich brachte, das Rotwelsch zu beherrschen. So war es im frühen 19. Jahrhundert selbstverständlich, dass der Inquirent sich mit dem Beschuldigten im rotwelschen Dialekt unterhalten konnte.243 Der ‚Konstanzer Hans‘ leistete zur Aufklärung der Gaunersprache -besonders für die Region, aus welcher er stammte- einen wichtigen Beitrag, Als der Konstanzer Hans nach seiner Verhaftung begnadigt wurde, wollte er dem illegalen Leben den Rücken kehren und machte deshalb über 500 Gauner namenhaft. Zudem verriet er zirka 100 Diebesherbergen und schrieb ein jaunerisch/deutsches Wörterbuch mit knapp 160 Ausdrücken, in welchem er seinen rotwelschen Wortschatz verriet. Anzumerken gilt, dass mit seinem Wörterbuch lediglich ein Segment des Rotwelschen abgedeckt wird, da sich wie bereits erwähnt, die regionalen und beruflichen Besonderheiten in den Dialekten des Rotwelschen niederschlugen.244 Während Lange davon ausgeht, dass die Gaunersprache nicht mehr als 150 bis 250 Wörter umfasst, gibt Boehncke, welcher sich auf den ‚Liber vagatorum‘245 stützt, eine Summe von 320 Ausdrücken an.246 Für das süddeutsche Gebiet waren vor allem fünf verschiedene Aufzeichnungen von rotwelschen Listen interessant: 1. das Augsburger Achtbuch von 1342, 2. die Basler Betrügnisse von 1450, 3. der Liber Vagatorum von 1510, 4. das

239 So nannten sich die Betrüger, Bettler, Hehler, Diebswirte, Räuber und vagierenden Hausierer. Ihnen gegenüber standen die sogenannten „Wittischen“ (wörtl. Dummköpfe, Tölpel), d.h. die nicht in der Illegalität tätigen Personen. 240 Siehe Anm. 239. 241 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, 136f. 242 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 39. 243 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 137. 244 Boehncke, Rotwelsch, S. 41. 245 Ein 1510 anonym erschienenes Gaunerbüchlein, welches aus drei Teilen besteht: 1. 28 kurze Beschreibungen verschiedener Gauner- und Räubertypen, 2. Zusammenfassung weiterer betrügerischer Vorkommnisse und 3. Der ‚Vocabularius‘, mit 320 verschiedenen rotwelschen Ausdrücken. 246 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 136. Sowie Boehncke, Rotwelsch, S. 40. 53

Wörterbuch des Konstanzer Hans von 1791, und 5. das Pfullendorfer Gaunerwörterbuch von 1820.247

4.2.3.2. Gaunerzinken

Neben dem Rotwelsch spielten auch die sogenannten Zinken eine besondere Rolle in der Kommunikation der Gauner. Die Zinken waren ein ausgeklügeltes Zeichensystem, mit optischen, akustischen oder graphischen Bestandteilen. Zu den optischen Zinken gehören nicht nur Gebärden, wie beispielsweise die Jadzinken248, sondern auch andere körperliche Bewegungen, wie die sogenannten Kenzinken249. Die akustischen Zinken dienten meist der Kommunikation innerhalb der Gefängnismauern. Klopfzeichen waren dafür besonders beliebt. Bei räuberischen Unternehmungen spielte besonders die Nachahmung von Tierstimmen eine große Rolle. Die wohl wichtigsten Zinken waren jedoch die graphischen Zinken. Sie wurden von den Gaunern mit Kreide oder Kohle an Häuserwände oder Bäume angebracht. So wurden Bauernhäuser, Herbergen, Wirtshäuser, Scheunen und ähnliches markiert und mit geheimen Codes versehen, während die Kennzeichnungen an Bäumen oft als Wegweiser dienten (beispielsweise Pfeile, welche die Richtung angaben, in welche die vorherige Räuberbande ging).250 Die graphischen Zinken waren zudem in der Lage, Angst und Schrecken bei der Bevölkerung auszulösen. Die ‚Wittischen‘ wussten, dass die angebrachten Zinken an ihren Häuserwänden etwas zu bedeuten hatten, doch hatten keine Ahnung was. Sofern die Polizei diese nicht entschlüsseln konnte, blieb unter der Bevölkerung die Angst vor den Gaunern.

Abb. 2. Zinken - Nachtlager Abb. 3. Zinken - Diebstahl Abb. 4. Zinken - Gefängnis

Quelle für Abb.2-4: Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, in: Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 9., ohne Angabe des Malers. Fetscher macht generell keine Angabe zum Maler (nachfolgende Abb. eingeschlossen)

247 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S: 32. 248 Den Jadzinken liegt das Taubstummenalphabet zugrunde, es wird auch mit den Fingern ausgeführt. 249 Die Kenzinken dienen der unauffälligen Identifizierung anderer Gauner. Dafür wird die Hand zu einem C geformt, oder der gekrümmte Zeigefinger berührt den ausgestreckten Daumen, während die anderen Finger ausgestreckt werden. 250 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 137f. 54

4.2.4. Herbergen, Verstecke und Hehler Zwischen den Räubern und der sesshaften Bevölkerung gab es intensive Verflechtungen, wenn es um die Beschaffung von Informationen, den Weiterverkauf von gestohlener Ware oder die Suche nach einem Schlafplatz ging. Denn ohne die Hilfe von Hehlern, Wirten, Informanten oder anderen Personen konnte eine Räuberbande schlichtweg nicht überleben. Während ergaunertes Bargeld einfach unter den Bandenmitgliedern aufgeteilt werden konnte, musste man die gestohlenen Waren und Objekte erst einmal verkaufen. Genau hier kam dann der Hehler ins Spiel. Der Verdienst eines Hehlers lag dabei meist höher als der der Räuber.251 Reitz gibt dafür ein Beispiel des jüdischen Räubers Hoyum Moyses an. Dieser habe beklagt, dass sein Opfer gejammert habe, dass die gestohlene Ware 600 Taler wert sei, er aber vom Hehler lediglich 40 Taler erhalten habe.252 Doch obwohl die Räuber scheinbar mit dieser ungerechten Verteilung unzufrieden waren, waren sie auf „vertraute Häuser, ‚kochemer Beyes‘ oder ‚Plattenwirtschaften‘, deren Wirte häufig […] als Hehler fungierten“253 angewiesen. Unterschlupf fanden Räuberbanden oft bei Wirten, die selbst einmal als Räuber tätig waren, und sich dann mit einem eigenen Wirtshaus zur Ruhe setzten. Oft aber fungierten diese Wirte immer noch als Hehler oder Informanten. Auch einsam gelegene Wirtshäuser oder Bauernhöfe wurden von den Räubern als Unterschlupf verwendet, die oft unschuldigen Inhaber erhielten dafür meist das Versprechen, selbst nicht überfallen zu werden. „[…] mancher einsam wohnende Wirth machte gleichsam einen Vergleich mit den Räubern, indem er ihnen sein Haus zum Schlupfwinkel darbot, und sich dagegen Schonung für sich und seine Nachbarn au[?]hielt.“254 Aus diesem Grund kamen einige Räuber auch bei einfachen Bauern unter. Küther nennt neben dem Wunsch nach Verschonung noch weitere Gründe, wie beispielsweise Angst vor Rache, oder Unwissenheit.255 Doch oft waren diese einfachen Bauern, die in abgelegenen Höfen lebten, selbst ein Teil der ländlichen Unterschicht und verweigerten sie einem Räuber die Unterkunft, dann wahrscheinlich in erster Linie aus Furcht vor der Staatsgewalt.256

251 Manfred Reitz, Schinderhannes und Spießgesellen. Kleine Geschichte der Räuber und Raubritter, Ostfildern 2007, S. 113. 252 Ebd., (Originalquelle wird bei Reitz nicht angegeben) 253 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 61. 254 Andreas Georg Friedrich von Rebmann, Damian Hessel und seine Raubgenossen. Aktenmäßige Nachrichten über einige gefährliche Räuberbanden, ihre Taktik und ihre Schlupfwinkel, nebst Angabe der Mittel sie zu verfolgen und zu zerstören. Zunächst für gerichtliche und Polizeibeamte an den Gränzen Deutschlands und Frankreichs bearbeitet von einem gerichtlichen Beamten, Mainz 1811, S. 26. 255 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 61f. 256 Ebd., S. 62. 55

Fritz fasst zusammen:

„Neben dem praktisch unschuldigen Unterschlaufgeber [sic] auf der einen Seite, der seine Unterkunft ungebetenen nächtlichen Gästen völlig ahnungslos oder gezwungenermaßen zur Verfügung stellte, gab es auf der anderen Seite auch Leute, die an den dunklen Geschäften ihrer Gäste mit größter krimineller Energie mitwirkten. Zwischen diesen beiden Polen war ein buntes Feld aller nur erdenklicher Zwischenstufen möglich.“257 4.2.4.1. Hehler

Der sesshafte Teil der Bevölkerung, welcher sich in der Kriminalität einbrachte, war dem ökonomischen Nutzen nach um einiges bessergestellt als die Räuber selbst. Während die Jauner sich um den schmutzigen und oftmals gefährlichen Teil der kriminellen Geschäfte kümmern mussten, beschäftigte sich das sesshafte Umfeld meist nur mit den Hehlergeschäften.258 Laut Küther pflegten die ‚kriminellen‘ Banditen kein freundschaftliches Verhältnis zu den Wirten, bei denen die Hehlerfunktion überwog.

„Der Hehler war meist voll in jene gesellschaftliche Ordnung integriert, die dem Banditen und seinem Anhang keinen Raum bot, Er erschien als notwendiges Übel, doch erweckte er keinerlei Sympathien. Im allgemeinen versuchte man, sich beim Beuteverkauf gegenseitig zu übervorteilen, wobei der Hehler meist in der besseren Ausgangsposition war.“259 Während zwischen den Räubern oft von einer gewissen Solidarität gesprochen werden kann, so herrschte zwischen dem Räuber und dem Hehler meist keine Solidarität. Denn der Hehler war einzig auf seinen Profit aus und dieses Ziel verfolgte er mit jeglicher Rücksichtslosigkeit. Von Jacob Scheerer, dem ehemaligen Komplizen des Schinderhannes wird berichtet, er habe versucht den Schinderhannes zu vergiften, aus Angst, dieser würde ihn verraten.260 Der Sonnenwirthle verriet im Verhör die Liste sämtlicher Wirte und Hehler, die ihm bekannt waren.261 Auch wenn die Beziehungen zwischen Räubern und Hehlern oft sehr schwierig war, so war das primäre Ziel, nicht auf der gestohlenen Ware sitzen zu bleiben. Küther schreibt: „Wesentlich im Hinblick auf die organisatorische Ausformung der Banden erscheint jedoch der Umstand, daß der Räuber

257 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 417 258 Ebd., S. 417f. 259 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 63. 260 Curt Elwenspoek, Schinderhannes. Der rheinische Rebell. Erste kritische Darstellung nach Akten, Dokumenten und Überlieferungen, Stuttgart 1925, S. 53f. 261 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 64. 56 jederzeit einen Hehler fand. Wohl wurde er beim Verkauf betrogen, aber niemals blieb er auf seiner Ware sitzen […].“262

4.2.5. Drei Räuberbiografien Im folgenden Kapitel werden drei verschiedenen Räuberbiografien behandelt, um unterschiedliche Räubertypen darzustellen. Der ‚Bayerische Hiesel‘, der bei Hobsbawm und Küther als einziger Sozialrebell bekannt ist263, dann folgt der Räuber ‚Hannikel‘, dessen fürchterlichen Ruf ihm vorauseilt und zu guter Letzt der ‚Konstanzer Hans‘, der bei Schöll besser bekannt ist als „Räuber mit Prinzipien“264.

4.2.5.1. Der ‚Bayerische Hiesel‘ – der Sozialrebell

Wildschützen waren in der Bevölkerung per se beliebt und genossen auch eine gewisse Unterstützung im Kampf gegen die Obrigkeit. Matthias Klostermayr, der ‚Bayerische Hiesel‘, war einer der bekanntesten Wildschützen, dem ein großes Ansehen entgegengebracht wurde. Dafür gibt es auch einige Gründe:

1. Er erklärte die Wilderei zu seinem politischen Programm und zog damit propagandistisch durch das Land. Tiere jagen zu dürfen, galt für den Bayerischen Hiesel als Naturrecht, welches die Obrigkeit nicht verbieten dürfe.265 Wie bereits in Kapitel 2. erwähnt, verfolgte der Bayerische Hiesel eine bewusste moralische Komponente, denn Raub um der Beute willen war nicht sein Ziel. Für ihn war sein Vorgehen ‚rechtliche Sache‘, und auch die Bauern teilten diese Einstellung.266

2. Während die kriminellen Banditen ihren Rückhalt im fahrenden Volk hatten, so konnte sich der Bayerische Hiesel auf die Bauern selbst verlassen. Sie verstanden in seinem Handeln ein Eintreten für ihre persönlichen Belange.267

3. Er stand zudem in dem Ruf, „‚daß er außer seinen Todfeinden [Jägern, Gerichtsdienern, Beamten] Niemanden je einen Kreuzer entwendete‘.“268 Die vereinzelt vorkommenden

262 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 64. 263 Ebd., S. 52. 264 Johann Ulrich Schöll, Ein Räuber mit Prinzipien: Der Konstanzer Hans, in: Heiner Boehncke/Hans Sarkowicz (Hrsg.), Im wilden Südwesten. Die Räuberbanden zwischen Neckar und Bodensee, Frankfurt am Main 1995, S. 141-233, hier S. 141. 265 o. V., Der Bayerische Hiesel. Wildschütz und Sozialrebell, in: Heiner Boehncke/Hans Sarkowicz (Hrsg.), Die deutschen Räuberbanden. Die grossen Räuber (Bd.1), Frankfurt am Main 1991, S. 34-101, hier: S. 36. 266 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 55. / Sowie Hobsbawm, Die Banditen, S. 183. 267 Ebd., S. 52. / Ebd. 268 Ebd., S. 55. / Ebd. 57

Räubereien der Wilderer waren laut Küther weder vom Zweck, noch von der Durchführungsweise, mit den Räubereien der ‚eigentlichen‘ Räuber zu vergleichen.269

4. Nach Küther hat der Bayerische Hiesel Ansätze von Klassenbewusstsein besessen270, auch Fritz schreibt, „[…] sein Kampf sei tendenziell als Klassenkampf zu interpretieren“271.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Bayerische Hiesel und seine Gefolgsmänner kaum mit anderen Jaunerbanden verglichen werden können. Die Bande konzentrierte sich fast ausschließlich auf die Wilderei. Ihre Eigentumsdelikte waren Wildereidelikte wie sie zwar auch gelegentlich bei anderen Banden vorkamen, dort jedoch war die Wilderei ein eher untergeordnetes Delikt.272 Neben dem Wildern verfolgte der Bayerische Hiesel aber sehr wohl eine besonders wirksame Einschüchterungspolitik: Er führte seinen Kampf gegen die Jäger und gegen das Sicherheitspersonal in einem ganz öffentlichen Rahmen aus und scheute keine Begegnung mit diesen.273 Trotz seines tiefsitzenden Hasses gegenüber dem obrigkeitlichen Sicherheitspersonal, vertrat der Bayerischen Hiesel eine gewisse moralische Haltung, welche mit dem nachfolgenden Beispiel belegt werden kann. Am 4. Juli 1767 versammelte Hiesel alle Wildschützen, mit denen er in irgendeiner Weise verbunden war um sich. Bei dieser Versammlung wollte Hiesel eigentlich seinen Anhängern mitteilen, dass er vorhat, in die Schweiz auszuwandern. Seine Kollegen konnten ihn jedoch noch einmal umstimmen. Bei der besagten Versammlung wurden auch einige wichtige Beschlüsse vereinbart, welche den zukünftigen Weg der Wildschützen weisen sollten. Hiesel war zwar damit einverstanden, den Streifen mutig entgegenzutreten und sich gewaltsam gegen jene zu wehren, die es wagen würden die Wildschützen anzugreifen oder zu schädigen, doch bei anderen Forderungen blieb Hiesel standhaft. Trotz des unbändigen Hasses auf die Jäger, stellte sich Hiesel entschieden gegen die Forderung, gegen alle Jäger skrupellos vorzugehen, die bereits in einem Kampf gegen die Wildschützen verwickelt waren. 274 „[…] ein fernerer Antrag der Wildschützen, alle jene Jäger nieder zu machen, welche schon Menschenblut vergossen hatten, wurde

269 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 54. 270 Ebd., S. 103ff. 271 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 157. 272 Ebd., S. 161. 273 Hobsbawm, Die Banditen, S. 183. 274 Johann Nepomuk Nöggler, Wahre unentstellte Geschichte des Matthäus Klostermaier oder des sogenannten Bayrischen Hiesel. Verfaßt unter sorgfältiger Benützung getreuer Auszüge aus den gerichtlichen Akten, sowie der zuverlässigsten Traditionen, Reutlingen 1867, S. 87-92. 58 von Klostermaier standhaft zurückgewiesen, so sehr man in ihn drang.“275 Er gab zwar zu, das Verhalten feindlich Gesinnter müsse beobachtet werden, „aber Jemanden ohne Noth todtzuschießen, das dürfe nicht geschehen […]“276, so Klostermayr. Küther erklärt, dass die Bedeutung des Bayerischen Hiesel aber nicht so sehr in seinen Wildereidelikten oder seinen sonstigen Vergehen liegt, sondern vielmehr in seinem Einfluss auf die Bevölkerung. Seiner Popularität liegt die Tatsache zu Grunde, dass er von den Behörden so lange nicht geschnappt wurde.277 Fritz steht dem von Küther genannten „Einfluss auf die Bevölkerung“ kritisch gegenüber und erklärt: „Sie [die Bewunderung] wird leicht jedem dargebracht, der nach allgemeinem Verständnis kein (oder nur ein läßliches) Unrecht tut und der die Obrigkeit jahrelang narrt.“278

Doch Küther sowie Hobsbawm sehen im Bayerischen Hiesel den einzigen deutschen Sozialbandit. Hobsbawm begründet dies, indem er die verschiedenartige Herkunft Hiesels im Vergleich zu den ‚einfachen, kriminellen Gaunern‘ in den Vordergrund hebt.279 Zudem sei angemerkt, dass ein Sozialbandit, wie es der Bayerische Hiesel war, zwar gegen das Gesetz verstößt, er aber in den Augen der Bevölkerung kein Krimineller war, da seine Taten nicht als kriminelle Vergehen angesehen wurden. Wie eben auch das Wildern, das von der Bevölkerung stets als legitim betrachtet wurde.280 Dennoch wurden die Taten und die Ausübenden unverhältnismäßig hart bestraft, wodurch die Sozialrebellen in Opposition zum Staat gestellt wurden. „Sie führen von nun an ein Leben in der Illegalität, behalten aber hierbei eine zutiefst ethische Einstellung bei, die sie selbst beim Gesetzesverstoß innerhalb einer ungeschriebenen sittlichen Ordnung bleiben lässt.“281 Auch der Bayerische Hiesel fühlte sich als Interessensvertreter der kleinen Leute. Während nämlich die Felder und Saaten der Bauern vom übermäßigen Wildbestand des Adels bedroht waren, so durften die Bauern das hochfürstliche Wild lediglich durch Rufen und durch Lärm von den Feldern fernhalten.282 Es ist also nicht verwunderlich, dass Wilderer per se sehr populär waren und von den Bauern meist

275 Nöggler, Wahre unentstellte Geschichte des Matthäus Klostermaier oder des sogenannten Bayrischen Hiesel, S. 92. 276 Ebd. 277 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 107. 278 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 162. 279 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 107, sowie Hobsbawm, Die Banditen, S. 55ff. 280 Hobsbawm, Die Banditen, S. 183. 281 Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek, Michaela Karl, Kämpfen wie Robin Hood, o. D., [https://www.literaturportal-bayern.de/themen?task=lpbtheme.default&id=596], eingesehen 12.01.2019. 282 o. V., Der Bayerische Hiesel. Wildschütz und Sozialrebell, S. 35. 59 unterstützt wurden. Der Bayerische Hiesel empfand sein Tun also als rechtmäßig und viele Bauern sahen diese Angelegenheit gleich.

„[…] er hieng dieser verbottenen Lebensart nicht, wie andere Verbrecher, welche von der Unrechtmäßigkeit ihrer Thaten überzeugt, und daher furchtsam und immer auf die Versteckung oder Flucht bedacht sind, nach, sondern überredete sich und seine Anhänger, daß er ein wohlhergebrachtes Recht dazu habe, indem das Wild in dem Wald frey wäre, und mithin niemandem als dem, der sich dessen am ersten bemächtige, zugehöre […].“283 Der Bayerische Hiesel war also europaweit einer der wenigen Sozialbanditen. Er wurde vom Staat aber wie ein gewöhnlicher Gauner bestraft und letztlich zum Tode verurteilt. Seiner Popularität tat dies keinen Abbruch, denn noch lange nach seinem Tod wurde der Bayerische Hiesel bewundert und in der Volksliteratur sowie in Volksliedern verehrt.284

4.2.5.2. Jakob Reinhardt vulgo Hannikel

Jakob Reinhardt, genannt Hannikel, war in den 20 Jahren vor seiner Gefangennahme und Hinrichtung am 17. Juli 1787, ein Furcht und Schrecken verbreitender Räuberhauptmann. Während der Bayerische Hiesel schon allein durch eine andere soziale Herkunft aus der Masse der Jauner herausstach, kam Jakob Reinhardt aus einer von der Gesellschaft und Obrigkeit verachteten „Zigeunerfamilie“. Bereits sein Großvater, der ‚Kleine Konradt‘ war Mitglied einer Räuberbande.285 „Zigeuner“ waren in Schwaben schon früh mit Gaunern gleichgestellt, so heißt es in den Mandaten des Schwäbischen Kreises: „Das gottlose und verruchte Jauner= und Zigeuner=Volck /…/ sie seyen auf einer Missethat ergriffen oder sonst in andere Wege kundbar gemacht“, und sollen sogleich „zum Rad condemnirt werden“286. Besonders jüdische Kaufleute sowie protestantische Pfarrer waren die Opfer Hannikels. Er behauptete, dass ein Vergehen an diesen Menschen für einen Christen nicht strafbar gemacht werden sollte. Er glaubte, dass „einen

283 o.V., Leben und Ende des berüchtigten Anführers einer Wildschützenbande, Mathias Klostermayrs, oder des sogenannten Bayerischen Hiesels, aus gerichtlichen Urkunden gezogen, und mit genau nach den Umständen jeder Begebenheit gezeichneten Kupfern gezieret, Augspurg u.a. 1772, S. 57. 284 o. V., Der Bayerische Hiesel. Wildschütz und Sozialrebell, S. 37f. 285 Erich Viehöfer, ‚Der Schrecken seiner Zeit und die Bewunderung aller Jauner und Zigeuner‘: Jakob Reinhardt, genannt Hannikel, in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995, S. 67-74, hier: S. 67. 286 Kreispatent vom 06. Mai 1720, zit. n. Thomas Fricke, Zwischen Erziehung und Ausgrenzung. Zur württembergischen Geschichte der Sinti und Roma im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1991, S. 30. 60 evangelischen Pfarrer zu bestehlen, sey eben so erlaubt und gottgefällig, als wenn man einem Juden das Seinige wegnahm.“287

4.2.5.2.1. Die berüchtigten Überfälle der Hannikel-Bande

Hannikel hatte 35 Anhänger um sich, die über ein Jahrzehnt lang spektakuläre Überfälle mit ihrem Anführer ausübten und damit das Nordelsass sowie die Pfalz in Atem hielten. Seine Bande bestand fast nur aus Zigeunern und seine Methoden waren nicht nur spektakulär, sondern galten auch als zukunftsweisend, denn Radbruch und Gwinner beschreiben Hannikels Raubzüge wie folgt: „Alle großen und kleinen Züge der Räuber des endenden Jahrhunderts wurden von Hannickel bereits vorweggenommen […].“288 Acht große Überfälle und zahlreiche kleinere Einbrüche und Vergehen sind überliefert. Seine großen Überfälle liefen fast immer nach dem gleichen Muster ab: Die Überfälle spielten sich in ländlichen Gebieten ab, denn dort waren die Staatsorgane nicht sehr präsent, und die Landbevölkerung unterstützte – freiwillig oder erzwungen – die Räuber meist aus der gemeinsamen Abneigung gegen die Obrigkeit. Zudem machte die territoriale Zersplitterung Südwestdeutschlands es einfach, rasch ins ‚Ausland‘ zu fliehen. Um den Ort Pirmasens, in einem Radius von 50 Kilometer, fanden alle acht großen Überfälle statt. In einer großen Truppe umstellten sie dann nachts nicht nur das Haus, sondern sogleich den ganzen Ort, und drangen gewaltsam in das ausgewählte Haus ein. Anders als spätere Räuber benützte die Hannikel-Bande noch keinen Rammbock, um die Haustüre zu öffnen.289 Hannikel ist vor allem für sein gewaltsames Vorgehen bekannt. „Die Räuber ‚risen den Juden und dessen Weib an den Haaren aus dem Bett, und Hannikel schlug den Juden mit einem daumen diken Prügel auf den Kopf, warf ihn zu Boden, und überliese ihn sodann den andern zum binden und schlagen. Er hingegen band des Juden ledige Tochter an Händen und Füsen, warf dieselbe in einen Seßel.‘“290 Nachdem sie erfolgreich viele Wertgegenstände gestohlen und Bargeld gefunden hatten, vernichteten sie noch viele Schuldscheine, die der jüdische Kaufmann bei sich zu Hause hatte. Nach getaner Arbeit verschwanden die Räuber und teilten das gestohlene Hab und Gut in gleichen Teilen auf. Wie viele Einbrüche von Hannikels Bande wirklich durchgeführt

287 Anton Reininger, Die Bekehrungsgeschichte des ehemaligen Zigeuneranführers Jakob Reinhardt, genannt Hannickel, welcher den 17ten Julius 1787 zu Sulz am Neckar gehängt wurde, Rottenburg 1831, S.78. 288 Gustav Radbruch/Heinrich Gwinner, Geschichte des Verbrechens. Versuch einer historischen Kriminologie. Frankfurt am Main 1990, S. 349. 289 Viehöfer, ‚Der Schrecken seiner Zeit‘, S. 69. 290 Urgicht und Urthel über die am 17.7.1787 mit dem Strang hingerichteten Hannikel, Wenzel, Duli und Nottelen. HStA Stuttgart, A 309 Bü 402, fol. 34-35, zit. n. Viehöfer, ‚Der Schrecken seiner Zeit‘, S. 69f. 61 wurden, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Er gestand bei der Gefangennahme nur die Überfälle, die schon bekannt waren. So wurden für den Prozess in Sulz lediglich 40 Straftaten gegen Hannikel erhoben.291 Fritz vergleicht Hannikels Netz und seine regionalen Einsatzgebiete mit denen des Bayerischen Hiesel und kommt auf einen einfachen Schluss: „Weiträumige Verbindungen hatte er nicht, und sie interessierten ihn offenbar auch nicht. Ein […] Hannikel […] und viele andere wirkten neben dem Hiesel, was ihren räumlichen Horizont und ihr Operationsgebiet angeht, geradezu weltmännisch.“292 Er konnte ungewöhnlich lange als Räuber aktiv sein, bevor er schlussendlich verhaftet wurde.

4.2.5.2.2. Der skrupellose Räuberhauptmann Hannikel

Während dem Bayerischen Hiesel eine moralische Komponente nachgesagt wird, findet sich eine solche beim Räuberhauptmann Hannikel wohl nicht. Sein schrecklicher Ruf eilte ihm Voraus, auch andere Räuber, wie beispielsweise der Konstanzer Hans, warnten vor dem Hannikel.

„Solcher seye einer der gewaltsamsten Diebe, und Galgen und Rad für ihne noch eine allzugelinde Strafe, da er durch die unendlich viele mit Martern und Plagen der Leute verknüpft gewesene grausame Diebstähle eine weit härtere Strafe schon längstens verdient habe.“293 Doch ob hinter dieser Aussage des Konstanzer Hans ein Stück weit Neid, oder auch die Verachtung der ethnischen Herkunft Hannikels steckt, sei dahingestellt.

Obwohl Hannikel namentlich bekannt war und bereits wegen der Überfälle und mehrerer Tötungsdelikte steckbrieflich gesucht wurde, gelang es Hannikel ungewöhnlich lange als Räuber aktiv zu sein. Das nachfolgende Beispiel zeigt, dass Jakob Reinhardt, der Hannikel, seinem Ruf alle Ehre machte. Christof Pfister, welcher ‚Toni‘ genannt wurde, war ein Anhänger Hannikels Bande. Als Toni jedoch mit Hannikels Schwägerin Mantua durchbrannte, und Hannikel sowie Wenzel, Hannikels Bruder, zurücklies, entstand

291 Viehöfer, ‚Der Schrecken seiner Zeit‘, S. 70. 292 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 164. 293 Jacob Georg Schäffer, Sulz am Neccar. Beschreibung derjenigen Jauner, Zigeuner, Mörder, Straßen- Räuber, Kirchen- Markt- Tag- und Nacht-Diebe, Falschen Geld-Münzer, Wechsler, Briefträger, Spieler und andern herum vagirenden liederlichen Gesindels welche zum Schaden und Gefahr des Gemeinen Wesens theils in Schwaben, meistentheils aber in der Schweiz, am Rheinstrom, Boden- und Zürcher-See, auch anderer Orten, würklich noch herumschwärmen, und von denen dahier über Zwey Jahr lang in Verhaft und Inquisition gestandenen- und statt der durch ihre aufgehäufte Verbrechen wohlverdienten Todes- einig aus besonderer Höchsten Fürsten-Gnade, Theils zu einer harten Lebenslänglichen- theils zu einer Bestimmten Zuchthaus-Strafe verurtheilten- hienach benannten Sieben Erz-Jauner und Jaunerinnen, währendem Inquisitions-Process mit großer Mühe entdeckt und beschrieben, und vor ihrer Abführung nacher Ludwigsburg wiederholter bestätiget worden sind, Stuttgart 1784, S. 130, Nr. 416. 62 zwischen Toni und Hannikel eine gegenseitige Feindschaft. Einige Zeit später, ließ sich Toni als württembergischer Soldat anwerben, und fing ein Verhältnis mit Hannikels Stieftochter Urschel an. Als Toni seine Frau Mantua aber nicht verlassen wollte, verriet Urschel den Aufenthaltsort von Toni. Daraufhin suchte Hannikel und ein paar Anhängern Toni auf, schlugen ihn nieder und verletzten ihn mit Schlägen und Stichen schwer. Zu guter Letzt schnitt Hannikel Toni die Nase ab, was als Strafe für Verrat und Untreue unter Zigeunern galt. Hannikel ließ ihn dort so liegen, was ihm später aber zum Verhängnis wurde. Denn Toni konnte bevor er starb, noch alle Täter namentlich nennen. Ein Suchkommando wurde auf Hannikel und seine Bande angesetzt. Zigeuner, die Toni nahestanden, wollten Rache und boten dem Oberamtmann bei der Suche ihre Hilfe an. Schlussendlich wurde Hannikel im Sommer 1786 in Chur festgenommen und nach Württemberg transportiert, wo er, und einige seiner Gefolgsleute, am 17. Juli 1787 dem Henker übergeben wurden.294

4.2.5.3. Johann Baptist Herrenberger vulgo Konstanzer Hans

Neben dem Hannikel gehört der Konstanzer Hans sicher zu den bekanntesten Gaunern in Südwestdeutschland. Doch anders als der berüchtigte Hannikel, hatte sich der Konstanzer Hans keines Mordes schuldig gemacht. Im Gegenteil, er versuchte sich an seinen selbst auferlegten ‚Codex‘ zu halten, der nach Möglichkeit jegliche Gewaltanwendung ausschloss.295 Er verfolgte zudem den Grundsatz, vorrangig Beamte, Repräsentanten der staatlichen Obrigkeit zu überfallen.296 Mit den Bauern pflegte der Konstanzer Hans ein eher besseres Verhältnis, auch beraubte er nicht vorrangig die Randgruppe der Juden, wie es beispielsweise der Hannikel tat.297

„Vorher war es Jaunersitte gewesen, nur hauptsächlich Bauren und Krämer zu bestehlen. Aber Hanß hatte gleich in der ersten Zeit […] statt deren – Beamte, Klöster und adeliche Wohnsize, besonders aber Pfarrer vorgeschlagen, weil die lezteren am wenigsten Herz hätten, bey allen aber mehr als in gemeinen Häusern zu erheben wäre.“298

294 Viehöfer, ‚Der Schrecken seiner Zeit‘, S. 71f. 295 Johann Ulrich Schöll, Ein Räuber mit Prinzipien. Der Konstanzer Hans, in: Heiner Boehncke/Hans Sarkowicz (Hrsg.), Die deutschen Räuberbanden. Die grossen Räuber (Bd.1), Frankfurt am Main 1991, S. 162-252, S. 162. 296 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 103. 297 Johann Ulrich Schöll, Ein Räuber mit Prinzipien. Der Konstanzer Hans, in: Heiner Boehncke/Hans Sarkowicz (Hrsg.), Die deutschen Räuberbanden. Die grossen Räuber (Bd.1), Frankfurt am Main 1991, S. 162-252, S. 162. 298 Johann Ulrich Schöll, Konstanzer Hanß, eine Schwäbische Jauners=Geschichte aus zuverläßigen Quellen geschöpft und pragmatisch bearbeitet, Stuttgart 1789, S. 70. 63

Dies machte ihn zwar nicht zum Sozialrebellen, doch laut Boehncke und Sarkowicz kann der Konstanzer Hans deshalb als „Reformator des schwäbischen Gaunerwesens“299 angesehen werden. Der Konstanzer Hans hatte sich nur ungern als Räuber versucht, doch die Not trieb ihn in das Gaunermilieu. Anders als beim Bayerischen Hiesel, war die Beute beim Konstanzer Hans aber immer Hauptmotiv.300 Nachdem er in den kurzen Jahren seiner Räuberlaufbahn für etliche Einbrüche verantwortlich war, wurde er 1783 geschnappt und verhaftet.

„Nun war er überwunden. Die Soldaten fielen sogleich über ihn her, faßten seine Hände (mit welchen er umsonst gesucht hatte, sein Messer noch unvermerkt wegzubringen) banden sie ihm auf den Rüken und führten ihn als Gefangenen weg. Er gieng mit der Miene des Trozes und der Zuversicht einher, um zu zeigen, daß er ein gutes Gewißen habe. Am Thor traf er noch zu der andern Parthie der Gefangenen, und diesen Umstand machte er sich zu nuz, um seinen Vater im vorübergehen mit leisem Gemurmel in der Jaunersprache zu bitten, daß er ihn nicht verrathen sollte. Dann wurde er dem Reichsschultheiß vorgeführt, und dieser ließ ihn sogleich einkerkern. Es war den 12 August 1783.“301 Im Verhör wurde er wider seiner Hoffnung von seinem Vater verraten, so konnten die Beamten ihn als den Konstanzer Hans identifizieren. Die gesamte Familie Herrenberger wurde verurteilt und nach Pforzheim ins Zuchthaus überstellt. Auf dem Transport dorthin, wurde der Konstanzer Hans jedoch in Vorderösterreich als Deserteur der kaiserlichen Armee erkannt. Daraufhin wurde er ins Militär-Stockhaus nach Freiburg gebracht, konnte aber nicht wieder in sein ursprüngliches Regiment, da ihm als Ehrenstrafe auf einer Seite der Kopf geschoren wurde. Oberamtmann Schäffer erreichte nach langem Hin und Her eine Überstellung nach Sulz. Der Konstanzer Hans war beim Eintreffen in Sulz, im Februar 1784, 24 Jahre alt.302

4.2.5.3.1. ‚Bekehrung‘ des Konstanzer Hans

Nachdem der Konstanzer Hans schlussendlich in Sulz eingesperrt wurde, machte es sich der Oberamtmann Schäffer zur Aufgabe, den Konstanzer Hans zu ‚bekehren‘ und ihn auf diese Weise von seinem liederlichen Leben abzuwenden. Schäffer hatte sich in nur wenigen Jahren einen guten Namen erarbeitet und war weit über die Grenzen als hervorragender Kriminalist bekannt.303 Für ihn war die Gefangennahme des Konstanzer

299 Schöll, Konstanzer Hanß, S. 363. 300 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 100f. 301 Schöll, Konstanzer Hanß, S. 277. 302 Andreas Blauert/Eva Wiebel, Gauner- und Diebeslisten. Registrieren, Identifizieren und Fahnden im 18. Jahrhundert (Studien zu Policey und Policeywissenschaft), Frankfurt am Main 2001, S. 88. 303 Ebd., S: 86. 64

Hans ein Glücksgriff in vielerlei Hinsicht. Hans gestand innerhalb kürzester Zeit 136 nächtlichen Einbrüche, 300 Diebstähle und mehrere hundert versuchte Einbrüche. Doch der Konstanzer Hans gestand nicht nur seine eigenen Vergehen, sondern gab auch sein profundes Wissen über sämtliche Gauner und Vaganten bekannt.304 Oft wird gerätselt, wie Schäffer es geschafft hat, den Konstanzer Hans zu dieser rückhaltlosen Zusammenarbeit zu bewegen. Laut Blauert und Wiebel, welche sich mit den Verhörprotokollen detailliert auseinandergesetzt haben, soll Schäffer mit Hilfe von Geistlichen, welche den Konstanzer Hans betreut haben, diese außergewöhnliche Zusammenarbeit erreicht haben. Zudem habe Schäffer dem Konstanzer Hans von Beginn an offen erklärt, welche belastenden Beweise gegen ihn vorliegen würden und habe ihn dadurch nicht im Dunkeln gelassen. Schäffer sei im Verhör zwar hart und zielstrebig vorgegangen, habe aber den Konstanzer Hans auch mit Respekt behandelt und ihm Aufmerksamkeit und Interesse entgegengebracht. Im Gegenzug habe der Konstanzer Hans von Beginn an mit größter Aufrichtigkeit und Offenheit berichtet.305 Herrenberger entging der Todesstrafe nur dadurch, dass er kein Verbrechen begangen hat, welches den Tod eines anderen zur Folge hatte. Zudem hat sich Schäffer dafür ausgesprochen den Konstanzer Hans am Leben zu lassen.

4.2.5.3.2. Konstanzer Hans – Der Informant

Schäffer war bis an sein Lebensende mit der Verfolgung von Verbrechern beschäftigt. Dabei war einer seiner loyalsten Gehilfen der Konstanzer Hans. Es sei allerdings dahingestellt, ob seine Motive wirklich ehrlich waren, oder ob er lediglich zu feige war, und von seiner eigenen Person abzulenken versuchte. Die Mitarbeit mündete jedenfalls im vielbeachteten Erfolg im Prozess gegen Hannikel. Bei der Überführung der Beschuldigten, kam Schäffer nämlich der Konstanzer Hans zur Hilfe. Hans wurde nach Sulz transportiert und dem Hannikel gegenübergestellt. Der Konstanzer Hans belastete diesen schwer, was zur Verurteilung dessen führte. Wie bereits besprochen, wurde Hannikel mit seinen engsten Kumpanen im Jahr 1787 gehängt. Doch nicht nur bei der Verhaftung von Hannikel, sondern auch bei anderen verhafteten Gaunern half der Konstanzer Hans bei deren Identifizierung.306 Durch die besonders intensive Zusammenarbeit mit Schäffer und der Preisgabe seines Wissens über die Jaunerwelt, war es Schäffer möglich, eine der bis dahin umfangreichsten Diebeslisten zu erstellen: Die

304 Blauert/Wiebel, Gauner- und Diebeslisten, S. 91f. 305 Ebd., S. 93. 306 Ebd., S: 102, 104f. 65

Sulzer Liste von 1784307. Für seine Dienste wurde der Konstanzer Hans schließlich 1788 belohnt. Er wurde aus dem Zuchthaus in das freiwillige Armenhaus Ludwigsburg entlassen. Zwei Jahre später verstarb er im Alter von 34 Jahren an einer schweren Krankheit.308

4.3. Strafrechtliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Vaganten und Gauner in Württemberg

4.3.1. Das Strafrecht (Constitutio Criminalis Carolina) Im Grunde war das Rechtssystem des Alten Reichs sehr simpel. Vom Zeitpunkt der Verhaftung an, war das weitere Verfahren bis hin zur Disziplinierung und Bestrafung, nach der Peinlichen Halsgerichtsordnung (HGO) Kaiser Karls V. von 1532 abzuwickeln. Mit der Constitutio Criminalis Carolina gab das Reich einen einheitlichen Rahmen vor, den es von den einzelnen Territorien einzuhalten galt.309 In den vorderösterreichischen Gebieten galt seit 1768 dann die von Maria Theresia eingeführte „Constitutio Criminalis Theresiana“, welche generell aber keine Milderung der Strafen mit sich brachte, sondern das Ziel einer Vereinheitlichung des Strafrechts in der Habsburger Monarchie anstrebte.310 Barczyk kommentiert diese Veränderung wie folgt: „Wegen der starken staatlichen Zersplitterung konnten diese Neuerungen in Oberschwaben nur in den vorderösterreichischen Gebieten durchgeführt werden, in den anderen herrschten vergleichsweise ‚mittelalterliche‘ Zustände.“311

Da die Constitutio Criminalis Theresiana „inhaltlich aber nur geringfügige Änderungen herbeigeführt hatte, schlugen sich die Forderungen der Aufklärungsphilosophie im Kriminalgesetzbuch Großherzog Leopolds von Toskana von 1786 (sog. Leopoldina) und im Allgemeinen Gesetz über Verbrechen und derselben Bestrafung Kaiser Josephs II. für Österreich von 1787 (sog. Josephina) nieder.“312

307 Blauert/Wiebel, Gauner- und Diebeslisten, S. 100f. 308 Ebd., S. 105f. 309 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 647. 310 Erich Viehöfer, Das letzte Kapitel: Strafvollzug an Räubern, in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995, S.171-178, hier S. 171. 311 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 54. 312 Thomas Vorbaum, Einführung in die moderne Strafrechtsgeschichte, Berlin/Heidelberg 2016, S. 33. 66

4.3.1.1. Die HGO und der Straftatbestand ‚Raub‘

Die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. sah nicht nur harte Strafen gegen Mörder, sondern auch gegen Räuber vor. Nach Artikel 126 der HGO soll „eyn jeder boßhafftiger überwundner rauber, […] nach vermöge vnser vorfarn, vnnd vnserer gemeyner Keyserlichen rechten, mit dem schwerdt oder wie an jedem ort inn disen fellen mit guter gewonheyt herkommen ist, doch am leben gestrafft werden“313. Auch Wiederholungs- und Einbruchtäter drohte die Todesstrafe.314 Für Mord wurde man immer zum Tode verurteilt.315 Zudem wurden eklatante Unterschiede zwischen einheimischen abgabepflichtigen Bürgern und Fremden gemacht. Während das Strafrecht der Frühen Neuzeit einheimische Bürger bei schweren Delikten milder bestrafte, wurden Fremde, landschädliche Leute, ausgegrenzt und mussten sich auf das peinliche Strafrecht einstellen.316 Seidenspinner spricht in diesem Zusammenhang von einer „Zwei- oder Mehrgleisigkeit des Strafrechts“317. Es wurde aber zumindest zwischen vorsätzlicher, fahrlässiger und zufälliger Straftat unterschieden.318 Zudem wurde die eigentlich einheitlich gestaltete Carolina durch die salvatorische Klausel deutlich verkompliziert. Die Klausel sagte jedem Stand eine Praktizierung eigener Traditionen zu, sofern diese der Tendenz der HGO entsprachen. Bei kleineren Ständen hatte das zur Folge, dass Einzelpunkte der HGO nicht reibungslos funktionierten.

„Die Fahndung, so sie überhaupt durchgeführt wurde, war bei engen Territorialgrenzen zahn- und hilflos und wurde von den Jaunern virtuos ausgetrickst, die Verhaftung wurde zur Vermeidung der teuren Haft, Untersuchung und Aburteilung nicht selten vermieden. […] Aber dies alles war selbstverständlich für alle Beteiligten im höchsten Maße unbefriedigend. Allen war klar, daß auf diese Weise weder Kriminalität noch Bettel noch Armut bekämpft werden konnten, und allen war angesichts der außerordentlichen territorialen Zersplitterung gerade des deutschen Südwesten auch klar, daß ohne eine überterritoriale Zusammenarbeit die Gerichts- und Hoheitsrechte

313 Gustav Radbruch (Hrsg.) Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532 (Carolina), Stuttgart 1960, Artikel 126, S. 82. 314 Ebd. Artikel 159/162, S.101/103. 315 Ebd. Artikel 137, S. 87f. 316 Dabei scheint es wichtig zu erwähnen, dass allein das peinliche Strafrecht eine Auswirkung auf die Ehre des Verurteilten hatte. Wolfgang Schild, Alte Gerichtsbarkeit. Vom Gottesurteil bis zum Beginn der modernen Rechtsprechung, München 1980, S. 103f./106., sowie Wolfgang Seidenspinner, Mobilität, Unehrlichkeit und Kriminalisierung. Zur Marginalität der jaunerischen Subkultur und ihren Entwicklungsbedingungen, in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995, S. 157-170, hier S. 163. 317 Seidenspinner, Mobilität, Unehrlichkeit und Kriminalisierung, S. 163. 318 Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S. 103. 67

insbesondere der kleineren Stände kaum das Papier wert waren, auf dem sie geschrieben standen.319 Aufgrund dieser ‚unbefriedigenden Lage‘, versuchte Württemberg über die Maßnahmen des Kreises hinaus, mit etlichen Patenten und Edikten das Jauner- und Vagantenproblem zu lösen. 320

4.3.1.2. Jauneredikte und Patente des Schwäbischen Kreises

Nach dem 30-jährigen Krieg spielte die innere Sicherheit eine wichtige Rolle für die Kreiskonvente. Während des 18. Jahrhunderts kam es deshalb zu einem starken Ansteigen der Veröffentlichung verschiedener Gesetzestexte in Form von Patenten und Edikten.321 Württemberg veröffentlichte als kreisausschreibender Stand sämtliche Jauneredikte des Kreises auch im Rahmen seiner Generalreskripte. In der Regel wurde dem Kreisedikt ein begleitendes Reskript angehängt, beides wurde dann an die Beamten im Land verschickt. Während die Patente und Edikte öffentlich ausgehangen wurden, wurden die Reskripte verwaltungsintern weitergegeben. Besonders bekannt waren die eigens erfassten württembergische Reskripte im Zusammenhang mit den Jaunerstreifen, auch Generalreskripte, welche sich mit dem Jauner- und Vagantenproblem auseinandersetzten. Württemberg ist in diesem Zusammenhang ein Vorbild, denn fast alle Kreisstände handhabten die Gesetzgebung so. In kleineren Ständen wurden kaum eigene Edikte verfasst, aber es ist anzunehmen, dass zumindest die Kreisedikte der Öffentlichkeit zum Aushang übergeben wurden.322 Fritz fasst zusammen: „Die Rahmengesetzgebung des Schwäbischen Kreises in Jauner- und Vagantensachen war derart tonangebend, daß sich ihr meist sogar die Reichsritterschaft […] und Vorderösterreich zumindest in der Sache anschlossen.“323

Zur Gefangennahme der Vaganten beziehungsweise der ‚Ausrottung‘, wie es bei Ammerer heißt, wurden aber vor allem drei wichtige Instrumente verfeinert und vorangetrieben: die Steckbriefe, die Streifen sowie den Schub.324

319 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 647. 320 Ebd., S. 648. 321 Laut Fritz wurden zwischen dem Ende des 30-jährigen Krieges und dem Ende des Alten Reiches rund 38 Kreispatente veröffentlicht. Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 648. 322 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 648f. 323 Ebd., S. 649. 324 Ammerer, Heimat Straße, S. 191. 68

4.3.2. Vorbeugung und Fahndung 4.3.2.1. Sicherung der Landesgrenzen

Laut Stekl war für die Umsetzung der verschiedenen Verordnungen eine striktere Überwachung der Grenzen erforderlich.325 Doch die Abriegelung der Landesgrenzen scheint ein weit verbreitetes Problem in dieser Zeit der territorialen Zersplitterung gewesen zu sein. Die Grenzübertritte fremder Bettler und Vaganten blieb meist erfolglos. Maut- und Zollstationen wurden umgangen und Warntafeln wurden meist von der analphabetischen Bevölkerung nicht verstanden. Bettler- und Zigeunerstöcke erfüllten ihren Zweck schon deutlich besser, da die Strafen visuell dargestellt wurden und dennoch wurde ein Abriegeln des Territoriums nicht erreicht. Auch durch verstärkte Kontrollen konnte das gewünschte Ziel nicht umgesetzt werden, denn zu offen waren die Grenzen, zu sorglos oder überlastet die Polizeidiener.326 Zudem wurde die Verfolgung durch die schwach ausgebildete Kommunikation zwischen den einzelnen Ämtern und Gerichten zusätzlich gestört, denn jede interterritoriale Vereinbarung war bereits von einem enormen bürokratischen Aufwand geprägt. Nach einer Tat war es für einen Räuber ein leichtes zu entkommen, denn er musste nur die nächste Grenze überschreiten und war in Sicherheit.327

4.3.2.2. Das Streifwesen

Die Streifen in Südwestdeutschland lassen sich entweder nach der Art ihrer Teilnehmer oder nach dem Umfang ihrer Durchführung einteilen. Würde man eine Einteilung nach der Art der Teilnehmer vornehmen, so ließen sich die Streifen in fünf verschiedene Formen untergliedern328:

1. Zivilstreifen: So wurde die Streife genannt, an welcher die zivile männliche Bevölkerung teilnahm.

2. Streifen mit Forstpersonal

3. Militärstreifen: Streifen unter Heranziehung des Militärs, welche für die innere Sicherheit verantwortlich waren.

325 Hannes Stekl, Österreichs Zucht- und Arbeitshäuser 1671-1920. Institutionen zwischen Fürsorge und Strafvollzug (Sozial- und Wirtschaftshistorische Studien), Wien 1978, S. 29. 326 Ammerer, Heimat Straße, S. 190f. 327 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 85. 328 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 501f. 69

4. Landwacht oder Husarencorps: Bildete sich aus den Militärstreifen ab und kamen vorrangig ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor.

5. Streifen, die von Jauner- oder Zigeunerhatschieren geführt werden: Diese Streifen tauchten ab 1780 in Württemberg auf. Sie wurden meist von wenigen, manchmal sogar nur von einem einzelnen ehemaligen Jauner oder Zigeuner durchgeführt, der beste Kenntnisse über das Leben der Gauner besaß.

Würde man nun die Streifen nach dem Umfang ihrer Durchführung einteilen, dann würde man zwischen der Generalstreife (in Vorderösterreich besser bekannt als Generallandesvisitation) und der Partikularstreife unterscheiden. Während die Generalstreifen laut Gesetz monatlich oder aus aktuellem Anlass, eigens oder von den Lokalbehörden organisiert und durchgeführt wurden, wurden Partikularstreifen erst nach wiederholten Diebstahlsanzeigen oder lediglich bei konkreten Hinweisen auf eine Räuberbande oder verdächtige Person zusammengerufen. Generalstreifen waren zudem flächendeckend und gerichts- beziehungsweise länderübergreifend ausgerichtet und bestanden oft aus vielen hunderten Männern. Denn neben dem Amtspersonal musst auch jedes Haus einen wehrhaften Mann zur Verfügung stellen. Partikularstreifen hingegen galten meist als zahlenmäßig geringe und erfolgslose Gruppierung.329 Generalstreifen sollten landesweit am selben Tag und zur selben Zeit durchgeführt werden, sodass man eine durchschlagende Wirkung erwarten konnte. Gerhard Fritz stellt aber ernüchternd fest: „Was in den Planungen der Kreisdeputierten und der Generäle schlüssig aussehen mochte […] erwies sich in der Praxis als nicht durchführbar. Schon die Erfahrungen des Jahres 1710 zeigten, daß die Termine überall zerfledderten.“330 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass nicht nur die Partikularstreifen, sondern auch die Generalstreifen kaum Erfolg hatten. Besonders zwei Gründe für das häufige Scheitern werden dafür angegeben: In Erster Linie macht Fritz die Verweigerung der Bevölkerung für die erfolglosen Streifen verantwortlich.

„Die Angst der zivilen Streifer vor Repressalien der Jauner war, wie sich in einer beeindruckenden Linie nachweisen läßt, fast immer vorhanden, ja manchmal so groß, daß alle herrschaftlichen Befehle nichts fruchteten und keine Untertanen zum Einsatz gegen Jauner zu bewegen waren.“331

329 Ammerer, Heimat Straße, S. 202, 205. 330 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 523. 331 Ebd., S. 506. Wird auch bei Ammerer belegt: Ammerer, Heimat Straße, S. 206. 70

Als zweiten wesentlichen Grund nennt Ammerer die Zusammenarbeit der Bevölkerung und der Jauner. Denn die Vaganten und Jauner erfuhren oft schon im Vorhinein „von den Hauptvisitationen durch die Bevölkerung und verbargen sich. Vaganten selbst gaben an, dass sie sich auf ihren Wegen nach etwaigen Streifen erkundigten und auch bereitwillig Auskunft erhielten.“332 Deshalb wurden von den Streifen meist nur weniger gefährliche Vaganten aufgegriffen. Eben nur die, welche sich mit den Eigenheiten der funktionierenden Kommunikationssysteme der Landstraße noch nicht gut genug auskannten.

4.3.2.2.1 Weiterentwicklung der Sicherheitspolitik in Württemberg

Wie bereits besprochen, kam es aufgrund des ansteigenden Vagantenproblems im Süden Deutschlands zum Einsatz von überörtlich organisierten, im Landesinneren sowie an den Grenzen einsetzbare Sicherheitskräfte, die gegen landschädliche sowie verdächtige Personen vorgegangen sind. Da diese territoriale Sicherheitspolizei in ihrer Wirksamkeit aber nicht überzeugen konnte, wurde sie im Zuge der Modernisierung von Polizei und Militär wieder aufgehoben.333 Die Rheinbundstaaten strebten eine Reform der Sicherheitspolitik an, bei der sie die „Bildung eines staatlichen Gewalt- und Waffenmonopols als auch die zentral gesteuerte Organisation der Sicherheitskräfte intendierten“334.Vorbild war Frankreich, welches zwei verschiedene Vorgehensweisen darbot: die Bürgermiliz sowie die neu organisierte ‚Gendarmerie nationale‘ beziehungsweise ab 1804 ‚Gendarmerie impériale‘. Während sich Baden für die traditionelle Bürgermiliz begeistern konnte, entschieden sich Bayern und Württemberg für die moderne und militärisch organisierte Gendarmerie.335 Der Weg dorthin führte über die „Landreuter-Corps“, welche die alte Einrichtung der Hatschiere ablöste. Die Aufgabe der zweihundert Mann starken Corps lag darin, die staatlichen, aber vor allem die lokalen Polizeibehörden zu unterstützen. Obwohl der Bericht des Innenministers von Reischach 1809 zum Thema Landreiter ein Idealbild zeichnete, kommt Paul zu dem Schluss, dass die Realität ganz anders aussah:

332 Ammerer, Heimat Straße, S. 208. 333 Ina Ulrike Paul, Württemberg 1797-1816/19. Quellen und Studien zur Entstehung des modernen württembergischen Staates, Bd. 2 (Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten), München 2005, S. 647. 334 Ebd. 335 Ebd. 71

„Zu Beginn angelegte ‚Konstruktionsfehler‘ des Landreiter- beziehungsweise Landdragonerkorps waren zunächst die zu geringe Zahl der Offiziere, die wegen beschränkter Kontrollmöglichkeiten zu Disziplinarproblemen führte, und die Untauglichkeit des überwiegenden Teils der Mannschaftsdienstgrade, die ihre Eigeninteressen vor dem Gemeinnutz ihres Berufs verfolgten. Doch auch die Vorgesetzten gaben kein besseres Bild ab […].“336 Aufgrund des Ungehorsams des Sicherheitspersonals sowie des Verlusts des Ansehens in der Bevölkerung, sollte die Gendarmerie nun militärisch aufgebaut sein, sodass Organisation, Hierarchie und Disziplin reibungslos funktionieren sollte. Die 1811 erschienene ‚Instruktion für die Königliche Gendarmerie‘ schrieb den Gendarmen die gleichen Aufgaben vor wie zuvor schon den Landreitern, wobei nun den Sicherheitsaufgaben deutliche mehr Priorität eingeräumt wurde.337 Paul fasst zusammen:

„Insgesamt, so schien es aufgrund der seit 1812 eingehenden Erfolgsberichte über gestiegene Zahlen von Verhaftungen und Anzeigen, war in Württemberg mit der neuen Gendarmerie die Schaffung einer einsatzbereiten, wirksamen Landespolizeieinrichtung nach französischem Vorbild gelungen. Doch […] die regierungsinternen Beratungen zeigen, daß die alten Mißstände des Landreiter- bzw. Landdragonerkorps auch in der neuen Gendarmerie nicht zu beseitigen gewesen waren […]“338 Erst nach langem Ringen in der Regierung wurde den Missständen entgegengetreten. 1823 wurde mit den Landjägerkorps eine neue Landespolizeianstalt in Württemberg ins Leben gerufen.

4.3.2.3. Steckbriefe und Listen

Seit dem 17. vor allem aber ab dem 18. Jahrhundert sind Einzelsteckbriefe und durchwegs umfangreiche Listen gesuchter Personen überliefert. Andreas Blauert und Eva Wiebel machen mit ihrem Werk „Gauner- und Diebeslisten – Registrieren, Identifizieren und Fahnden im 18. Jahrhundert“339 auf eine Quellengruppe aufmerksam, mit welcher bis dahin meist nur punktuell als systematisch gearbeitet wurde: die sogenannten Gauner- und Diebeslisten. Diese entspringen auf den ersten Blick dem Fahndungsinstrument des Steckbriefes, doch der Zweck der Listen reicht weit über die Fahndung hinaus, und diente allgemein dazu, die obrigkeitlichen Maßnahmen gegen herumziehende Vaganten

336 Paul, Württemberg 1797-1816/19 (Bd.2), S. 654. 337 Ebd., S.655. 338 Ebd. 339 Blauert/Wiebel, Gauner- und Diebeslisten. Registrieren, Identifizieren und Fahnden im 18. Jahrhundert (Studien zu Policey und Policeywissenschaft), Frankfurt am Main 2001. 72 umzusetzen.340 Im Nachfolgenden werden die verschiedenen Funktionen von Steckbrief und Liste noch genauer besprochen.

4.3.2.3.1. Steckbriefe

Der Einzelsteckbrief fand in Österreich vor allem ab 1750 großen Anklang. Landesfürstliche Beamte begannen nach dem Vollzug der theresianischen Reformen Steckbriefe zu drucken, und dann in großem Umfang zu verbreiten. Zwischen 1780 und 1790 wurden österreichische Steckbriefe sogar an alle Verwaltungszentren des habsburgischen Reiches verschickt. Während also eine Fülle an Steckbriefen im Habsburgerreich bekannt ist, sind für den südwestdeutschen, nicht- vorderösterreichischen Raum auch aus späterer Zeit nur wenige Beispiele erhalten.341 Der Hauptzweck des Einzelsteckbriefs bestand darin, den flüchtigen Täter nach seiner Tat schnellstmöglich aufzugreifen. In der Regel fand sich im Steckbrief eine Beschreibung der Person, der Tat sowie gegebenenfalls der gestohlenen Beute. Die Beamten, welche den Steckbrief schrieben, machten keinen Unterschied zwischen ortsansässigen Tätern, vom Aussehen her bekannten oder völlig unbekannten Tätern. Denn jedem, der sich einer Untat schuldig machte, wurde schnellstmöglich ein Steckbrief ‚nachgeschickt‘. Im Gegensatz dazu machte man bei der Tat eine Unterscheidung, denn nur ab einer bestimmten Schwere des Delikts, wurde ein Steckbrief ausgestellt. Grund dafür waren die erheblichen Kosten, die ein Steckbrief mit sich brachte und der Mangel an Effektivität bei einem nicht gezielten Einsatz.342 Zur Erfassung von Vaganten und Jauner reichte der Steckbrief aber nicht aus. Deshalb wurde im 18. Jahrhundert ein anderes Instrument für die präventive Identifizierung entwickelt: die Diebes- und Gaunerlisten.

4.3.2.3.2. Diebes- und Gaunerlisten

Die ersten Listen erschienen im ausgehenden 17. Jahrhundert. Ausschlaggebend für die Erstellung einer solchen Liste war ein Strafverfahren gegen eine oder mehrere Angehörige der mobilen Randgruppe. Listen entstanden dann, wenn Angeklagte im Verhör Komplizen oder gar Familienangehörige beschrieben. Dazu wurden aus allen Verhörprotokollen sowie Untersuchungsakten Beschreibungen von „verdächtigen“ Personen aus dem Vagantenmilieu herausgesucht und dann zu einer Liste

340 Blauert/Wiebel, Gauner- und Diebeslisten, Vorwort. 341 Ebd., S. 25f. 342 Ebd., S. 30. 73 zusammengefügt.343 In der Regel beinhalteten die Beschreibungen neben Geburtsort, Alter, Beruf und äußeren Erscheinungsmerkmalen wie beispielsweise Narben oder Körpergröße auch die Kleidung der gesuchten Personen. Wie Blauert feststellt, war eine besonders wichtige Funktion der Listen, Gruppenzugehörigkeiten zu verstehen und zu erfassen. „Die Gauner- und Diebeslisten erlauben manchmal, Teile verzweigter Familienbaumstämme regelrechter Gaunerdynastien zu rekonstruieren.“344 Die Hauptfunktion der Listen wurde in der Basler Liste um 1781 in aller Kürze gut beschrieben: „Damit auf diese Kerl Acht gegeben werde […].“345 Die Listen waren in erster Linie für die zuständigen Beamten in der eigenen sowie in benachbarten Herrschaften gedacht. Die Weitergabe lässt sich einfach an einem Beispiel darstellen: München erwarb beispielsweise einhundert Exemplare von Schäffers Sulzer Liste und verteilte sie in ganz Bayern.346 Schäffer überzeugte zudem seine Regierung in Stuttgart, ebenfalls 100 Stück von der Oberdischinger Diebesliste anzuschaffen.347

4.3.2.4. Exkurs: Sulzer Liste von 1784

Schäffer erstellte eine umfangreiche Gauner- und Diebesliste, in der er Informationen über die jeweiligen Gauner und ihre Umgebung zusammengetragen hatte. Das Ergebnis, die Sulzer Liste, umfasst 146 Seiten, welche immer wieder für die besondere Qualität ihrer Beschreibungen gelobt wird.348 Wichtig zu erwähnen ist, dass es nicht alleine Schäffers Verdienst war. Denn für die Sulzer Liste waren vor allem die Informanten besonders wichtig. Schäffer hat ihre Aussagen, mit all ihren persönlichen Anmerkungen, in Form gebracht. Die acht Informanten, einer davon war der Konstanzer Hans, wurden detailreich auf den ersten Seiten der Liste beschrieben.349 Schäffer selbst beschreibt seine Arbeit als eine in Quantität und Qualität noch nie dagewesene Liste.350 Auch Blauert und Wiebel kommen zu dem Schluss, dass die Liste mit 666 beschriebenen Personen und ca. 100 angegeben Unterschlüpfen 1784 die umfangreichste Liste bis dahin war. Auch was den Aufbau der Liste angeht, gab es bis dato keine vergleichbare Liste, welche in der Transparenz so ähnlich war, wie die von Schäffer. Er hat eine Transparenz dadurch geschaffen, die Aussagen der Informanten mit seinen eigenen Anmerkungen so

343 Blauert/Wiebel, Gauner- und Diebeslisten, S. 30. 344 Blauert, Diebes- und Räuberbanden, S. 60. 345 StA Basel, Straf u. Polizei E 3, zit. n. Blauert/Wiebel, Gauner- und Diebeslisten, S. 157. 346 Küther, Räuber und Gauner, S. 137. 347 Blauert/Wiebel, Gauner- und Diebslisten, S. 52. 348 Ebd. S. 95/101. 349 Ebd., S. 96. 350 HStA Stuttgart, A 309, Bü 364, fol. 10r., zit. n. Blauert/Wiebel, Gauner- und Diebeslisten, S. 101. 74 zusammenzufügen, dass von vornherein klar war, welche Aussage von wem stammt. 351 Trotz der vielen positiven Aspekte neigt die Liste durch ihren konsequenten Aufbau auch zur Unübersichtlichkeit. Durch wiederholte Bezugnahme der bereits angegebenen Aussagen anderer Informanten, kommt es oftmals zu Wiederholungen beziehungsweise unzähligen Doppelnennungen. Schäffer erstellte ein Jahr später ein passendes Namensverzeichnis zur Liste, welche das Lesen erleichtern sollte.352 Alles in allem war die Sulzer Liste die Umfangreichste ihrer Zeit und Schäffers Lebenswerk.

4.3.3. Prozess der Carolina Nachdem die Stimmen gegen das zu brutale Vorgehen gegen landschädliche Leute immer größer wurde, beschloss der Reichstag das neue Gesetz der „Constitutio Criminalis Carolina“. Heute wäre ein Strafgesetz wie die Carolina unvorstellbar, denn aus heutiger Sicht ist sie barbarisch. Damals jedoch war die Reform des Strafrechts ein Fortschritt.353 Der Prozess der Carolina wurde mit einer Anzeige oder einer Anklage eingeläutet. Die Ermittlungen durch das Gericht wurden aber schon im Vorhinein mittels Vorverfahren durchgeführt. Es wurden nicht nur Angeklagte verhört, sondern es wurden auch Zeugen befragt und Augenscheinbeweise354 einvernommen. Für ein erfolgreiches Urteil brauchte man entweder das Geständnis des Angeklagten oder mindestens zwei Tatzeugen, die unabhängig voneinander übereinstimmend aussagten. Konnte ein Geständnis nicht eingeholt werden, so ließ die Carolina die Folter des Angeklagten zu. Nach zwei Tagen musste das Geständnis vom Angeklagten freiwillig noch einmal bestätigt werden, ohne jegliches zu tun von Gewalt. Wurde das Geständnis noch einmal verifiziert, konnte das Urteil gefällt werden. Wurde ein Angeklagter zum Tode verurteilt, wurden ihm drei weitere Tage zugestanden, in welchen er Zeit hatte, die Beichte abzulegen und Buße zu tun. Erst zu diesem Zeitpunkt erfolgt der offizielle und öffentliche Teil des Verfahrens.355 Am „endlichen Rechtstag“ versammelten sich alle im Rathaus oder Gerichtshaus, wo das Urteil schriftlich niedergeschrieben wurde. Der Angeklagte wurde zur Richtstätte geführt, der Beschuldigte bestätigte öffentlich seine Schuld, und das Urteil wurde der Öffentlichkeit verlesen. Bei einem Todesurteil wurde vom Richter ein Stab zerbrochen. Daraufhin wurde der Angeklagte dem Scharfrichter übergeben, welcher sich feierlich mit

351 Blauert/Wiebel, Gauner- und Diebeslisten, S. 101. 352 Ebd. 353 Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S. 166. 354 Beispielsweise die Besichtigung der Leiche. 355 Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S. 166. 75 dem Beschuldigten zur Hinrichtungsstätte begab, wo das Urteil vollstreckt wurde.356 Sogenannte „Gnadebitten“ konnten nach einer Verurteilung vom Angeklagten beim Gericht eingereicht werden und unter anderem eine mildere Strafe zur Folge haben. Dafür hätte sich das Gericht oder der Landesherr im Gnadenweg für eine Milderung des Urteils aussprechen müssen. „Gnadebitten“ konnten auch von anderen Personen eingereicht werden, welche für den Beschuldigten gebeten hatten. In diesem Fall konnte Gnade auch als ein Zeichen der Hochschätzung anderer Personen gewährt werden.357

4.3.3.1. Folter

Europaweit kam es zum Ende des 18. Jahrhunderts zu einer Welle von Gesamtreformen für das Straf- und Strafprozessrecht. Ein besonders wichtiger Punkt war der Umgang mit der Folter. Die Folter, so Fritz, werde auch heute oft noch falsch gedeutet. Denn die Folter war keine Strafe, sie war ein Teil des Ermittlungsverfahrens und war durch die Carolina geregelt.358 Die Carolina ließ also die Folter zu, bemühte sich aber, sie einzuschränken. So war es nur bei konkreten Verdachtsbeweisen erlaubt, die Folter anzuwenden.359 Auch wenn in Württemberg der Einsatz der Folter zur Erlangung eines Geständnisses am Ende des 18. Jahrhunderts schon abgenommen hatte, wurde erst 1809 schriftlich festgesetzt, dass die Folter abgeschafft wird.360 Ein großes Vorbild war sicherlich Preußen, wo bereits ab 1740 beziehungsweise ab 1754 keine Folter mehr vollzogen.361 Mit der Abschaffung der Folter ging aber auch eine Veränderung der alten gesetzlichen Beweistheorie einher. Der König verlangte einen Reskriptentwurf. Man versuchte sich zwar der freien richterlichen Beweisführung anzunähern, wollte aber gleichzeitig die Beweistheorie und die Verdachtsstrafen nicht aufgeben.362 Der von Oberjustizrat v. Georgii ausgearbeiteter Entwurf, beinhaltete Ungehorsams- oder Lügenstrafen, Verdachtsstrafen sowie sogenannte ‚Zwangsmittel‘, welche aber nicht willkürlich gegen Verdächtige eingesetzt werden durften, sondern unter ärztlicher Überwachung und einer Anordnung des Oberjustizkollegiums erfolgen sollte. Zudem entfiel eine Passage, die eine Strafverschärfung bei einer Aussageverweigerung eines Angeklagten vorsah. Der

356 Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S. 166, 168. 357 Ebd., S. 168 358 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 692. 359 Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S. 166. 360 Ina Ulrike Paul, Württemberg 1797-1816/19. Quellen und Studien zur Entstehung des modernen württembergischen Staates, Bd. 1 (Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten), München 2005, S. 554. 361 Schild, Alte Gerichtsbarkeit, S. 166, sowie Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 703f. 362 Paul, Württemberg 1797-1816/19 (Bd.1), S. 554. 76

Entwurf wurde weitgehend übernommen und am 23. April 1809 erlassen.363 In der Praxis wurden die sogenannten Zwangsmittel aber oftmals als Ersatz der Folter angesehen. Das Problem aber war, dass „auch ihre ‚Erstehung‘ zum völligen Freispruch des Angeklagten führte.“364 Der Justizminister wies aus diesem Grund das Kriminaltribunat 1811 an „beim Mißlingen sowohl des lückenlosen Indizienbeweises als auch der Erzwingung eines Geständnisses den […] Angeklagten nur der Instanz […], nicht aber der Sache zu entbinden […].“365 Trotz der Abschaffung der Folter und der gewünschten Reformen war nach wie vor das Geständnis des Angeklagten, ob verweigert oder abgelegt, unheimlich wichtig für den Prozessverlauf.

4.3.4. Disziplinierung Strafen bestanden in den meisten Fällen aus einer Vielzahl verschiedener Kombinationen mehrerer Teilstrafen. In diesem Kapitel werden daher nur die gängigsten Strafen für Vaganten aufgeführt, denn die Zahl der Kombinationsmöglichkeiten war beinahe unbeschränkt. Man kann generell aber für Jauner und Vaganten drei Leitstrafen366 angeben:

1. Landesverweisung: Diese Strafe führte zu einer Verweisung aus dem jeweiligen Amt, der jeweiligen Stadt oder dem betreffenden Land. Laut Fritz war dies, die am häufigsten verhängte Strafe gegen Vaganten.367

2. Freiheitsstrafen: Im 18. Jahrhundert stieg die Anzahl an verhängten Freiheitsstrafen stetig an. Darunter verstand man anfangs das Festhalten in Turm oder Gefängnis, später gewann die Zuchthausstrafe dann an Bedeutung.368

3. Todesstrafe: Die Hinrichtung des Delinquenten in all ihren verschiedenen Varianten.369

Generell kann gesagt werden, dass die Leitstrafen oft in Kombination mit Begleitstrafen, meist Ehrenstrafen, verhängt wurden. Der Pranger war in diesem Fall besonders bekannt und gängig. Die Prangerstrafe war eine schwere, ehrschädigende Strafe, welche in

363 Paul, Württemberg 1797-1816/19 (Bd.1), S. 554f. 364 Ebd., S. 555. 365 Ebd. 366 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 734. 367 Ebd., S. 735 368 Paul, Württemberg 1797-1816/19 (Bd.1), S. 555. Sowie Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 734. 369 Siehe dazu Kapitel „4.1.5.1 Gängigste Arten der Hinrichtung“. 77

Württemberg angeblich 1814 das letzte Mal verhängt wurde. Die Verurteilten wurden öffentlich angekettet und dem Spott der Bevölkerung ausgesetzt.370

Zudem konnten neben Ehrenstrafen auch Körperstrafen als Begleitstrafen eingesetzt werden. Unter die Körperstrafe fielen beispielsweise Schläge, Auspeitschung, Scheren sowie Brandmarkung.371

4.3.4.1. Zucht- und Arbeitshäuser

Bevor im 18 Jahrhundert in Süddeutschland Zuchthäuser errichtet und eingesetzt wurden, verstand man unter Gefängnis (beziehungsweise Turm) lediglich die Aufbewahrung und sichere Verwahrung des Gefangenen bis zum Ende seines Prozesses. Für längere Haftaufenthalte hätten zudem die Institutionen gefehlt.372 Dennoch geht aus zeitgenössischen Quellen hervor, dass es gerade bei Jaunern immer wieder zu sogenannten Festungsstrafen kam. So wurde beispielsweise die Tochter der Jaunerin Maria Spirianus zu einer vierwöchigen Kerkerstrafe verurteilt.373 Solch eine Strafe galt aber eher als eine milde Strafe, bedenkt man, dass Vaganten und Jauner Wohnkomfort auch sonst nicht kannten. Neben diesen „Festungsstrafen“ wurde dann aber im Laufe des 18. Jahrhunderts das Zuchthaus immer wichtiger. Denn im Gegensatz zu den Gefängnissen bisher, die kaum über Personal verfügten, waren Zuchthäuser „relativ große Körperschaften mit einem ausgeprägten Eigenleben“374. Im 18. Jahrhundert entstanden in kurzer Zeit viele Zuchthäuser im gesamten Reich. Das Buchloer Zuchthaus war das erste, vom Schwäbischen Kreis unter mithilfe von Vorderösterreich und dem Hochstift Augsburg errichtete Zuchthaus im Schwäbischen Kreis. 1785 wurde dann das Zuchthaus durch ein Arbeitshaus erweitert. Nach dem Bau des Buchloer Zuchthauses diente dieses als Vorbild für andere Standorte im Umkreis. Besonders ein Zuchthaus sticht jedoch deutlich aus der Masse hervor: das Zuchthaus von Oberdischingen. Dieser Umstand hat mehrere Gründe: Zum einen liegt dies an der Person des Grafen Schenk von Castell, besser bekannt unter „Malefizschenk“, zum anderen war das Zuchthaus deshalb so bedeutend, da die Verträge mit anderen Staaten im süddeutschen Raum sowie der Schweiz, eine effiziente Kriminalitätsbekämpfung förderten und erfolgreich waren.

370 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 741. 371 Ebd., S. 745-749. 372 Ebd., S. 752. 373 Fall Vaihingen 1728, zit. n. Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 769. 374 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 775. 78

Sogar unter den Zeitgenossen, wurden der „Malefizschenk“ sowie seine Aktivitäten als ungewöhnlich angesehen.375

4.3.4.1.1. Innere Struktur von Zucht- und Arbeitshäusern

Durch das rational-aufklärerische Denken im 18. Jahrhundert kam auch ein Umbruch in der bisherigen Strafgesetzgebung. Während nämlich die Todesstrafe sowie das Foltern eines Angeklagten viel Geld kostete, war die Strafe im Zuchthaus nicht nur menschlich, sondern auch wirtschaftlich gesehen eine deutliche Verbesserung zur bis dahin üblichen Strafpraxis. Die Insassen mussten im Zucht- oder Arbeitshaus ohne merkliche Entlohnung arbeiten und nutzten dadurch dem Staat im Allgemeinen. Zudem war die Zuchthausstrafe humaner, als die brutale Vorgehensweise bei Hinrichtungen oder Folterungen. Doch das Zucht- und Arbeitshaus war nicht nur Strafstätte, sondern auch Besserungsanstalt. Das jahrelange Absitzen einer Strafe ermöglichte so manchem Häftling eine religiöse Umkehr und eine damit einhergehende bessere Zukunft. Eine sogenannte „geistliche Anweisung“ war nämlich für die Insassen eines der zentralen Anliegen innerhalb der Zuchthausmauern.376 Doch das Leben im Zuchthaus war alles andere als einfach. Denn fast alle Zuchthäuser hatten mit Überfüllung zu kämpfen und auch die katastrophalen hygienischen Verhältnisse machten das Leben dort unerträglich. Das Essen war oft kärglich und die Arbeit für die Häftlinge war meist mit vielen Stunden pro Tag verbunden und der Schwere der Tat angepasst. Besonders berüchtigt für die unerträglichen Lebensbedingungen war das Zuchthaus in Ludwigsburg.377 Auch Oberdischingen stand keineswegs im Ruf der Milde, denn die dort verhängten Hinrichtungen wurden im Vergleich mit Württemberg, Vorderösterreich oder Baden, äußert brutal vollzogen. Bei einer Visitation des Ritterkantons Donau wurde auch die unverhältnismäßige Härte vieler Strafen in Oberdischingen kritisiert. Die Dauer der Zuchthausstrafe, so die Kritik, stünde bei manchen Insassen, die wegen kleiner Delikte eingeliefert wurden, in keinem Verhältnis zur Gerechtigkeit.378 Allgemein kann gesagt werden, dass neben lebenslänglichen Haftstrafen, Strafen in jeder Dauer vorkamen.

375 Fritz, Eine Rotte von allerhandt rauberischem Gesindt, S. 775-788. 376 Ebd., S. 793f. 377 Ebd., S. 795 378 Ebd., S. 796f. 79

4.4. Der Schwarze Veri 4.4.1. Quellenmaterial von Max Planck und Johann Baptist Pflug Nachdem die großen Räuberhauptmänner wie Hannikel, Bayerischer Hiesel oder Konstanzer Hans im 18. Jahrhundert gefasst wurden, und sich auch das Sicherheitsnetz deutlich verbessert hatte, hätte man annehmen können, dass die Räuberbanden ausgestorben waren. Dem war allerdings nicht so, denn zu Beginn des 19 Jahrhunderts machten besonders drei Räuberbanden den Süden Deutschlands unsicher: Erstens, die Bande des ‚alten Bregenzer Seppel‘, zweitens, die Bande des ‚Schwarzen Veri‘, sowie zu guter Letzt die Bande des ‚Schleiferstoni‘.379 Für die vorliegende Arbeit spielt aber besonders ein Räuberhauptmann eine wichtige Rolle: der Schwarze Veri. Für die Untersuchung der Räuberbande des Schwarzen Veri wird vorwiegend ein zeitgenössisches Quellenmaterial herangezogen; das Werk von Max Planck. „Die letzten Räuberbanden in Oberschwaben in den Jahren 1818-1819“380, aus dem Jahr 1866. Der Maler Johann Baptist Pflug hat sich intensiv mit den oberschwäbischen Räuberbanden auseinandergesetzt. Seine ausführliche Recherche zu den Banden übergab er kurz vor seinem Tod 1866 dem Theologen und Philologen Max Planck381. Dieser wertete nicht nur die mündliche und schriftliche Überlieferungen Pflugs aus, sondern untersuchte in mehrjähriger Arbeit intensiv die offiziellen Akten.382

Demnach untersuchte er „den Hauptbericht des Untersuchungskommissärs Hörner in Biberach mit 1296 Seiten, das Untersuchungsprotokoll mit 16701 [sic] Fragen, die dazugehörigen Beilagen mit 1252 Nummern, dazu die Korrespondenzen des Untersuchungskommissärs mit dem Königlichen Gerichtshof sowie die Vorträge im Criminalsenat des Gerichtshofes.“383 Er fügte zur Unterstützung seiner Aussagen einige Quellenzitate ein, und vermerkt jedes Mal, wenn er einen Umstand einer mündlichen Überlieferung nicht verifizieren konnte. Dort wo „Pflug’s Darstellung von der auf Grund der Akten im Hauptbericht gegebenen wesentlich abwich“ hat sich Planck „natürlich, an die letztere als an die authentische Quelle gehalten“384. „Dadurch besticht das Werk Plancks durch Authentizität und ist auch

379 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 64f/76f. 380 Planck, Die letzten Räuberbanden in Oberschwaben in den Jahren 1818-1819. Ein Beitrag zu Sittengeschichte, Stuttgart 1866. 381 Max Planck (geb. 8. Juli 1822; gest. 8. April 1900) war ein deutscher Theologe und Philologe. Er strebte die Laufbahn als Lehrperson an, und erlangte in seinem Leben mehrere Berufstitel (Professor, Rektor, Oberstudienrat). Er stand in einem freundschaftlichen Verhältnis zum Genremaler J. B. Pflug. Er war maßgeblich daran beteiligt, die Geschichte, um die letzten oberschwäbischen Räuber aufzuarbeiten. 382 Machnicki, Die oberschwäbischen Räuberbanden des 19. Jahrhunderts, 111. 383 Ebd., S. 111f. 384 Planck, Die letzten Räuberbanden, XV. 80 heute noch „durch ihre Sachlichkeit eine […] gültige Darstellung und Grundlage nahezu sämtlicher späterer Bearbeitungen.“385

4.4.2. Herkunft und Weg in die Kriminalität Xaver Hohenleiter wuchs im bayerischen Rommelsried, dem Landgericht Zusmarshausen, in einer ärmlichen Familie auf. Seine Eltern waren bereits selbst aufgrund von Mundraubdelikten polizeibekannt. Xaver musste im Kindesalter oft dem Vater, welcher als Viehhirte Arbeit fand, helfen. Dadurch erhielt er kaum eine Schulbildung. Er war lediglich einen Winter lang in der Schule, „lernte soweit lesen, daß er mit Mühe Gedrucktes verstehen konnte, schreiben lernte er nicht.“386 Bald hatte er vom ärmlichen Leben, das ihm zu Hause geboten wurde, genug. Aus diesem Grund ließ er sich rund acht Jahre vor seiner Verhaftung zum Militär anwerben. So rückte er 1813 zu einem Reiterregiment in Augsburg ein, desertierte aber schon nach nur acht Tagen, und „bettelte sich, unter dem Deckmantel eines wandernden Handwerksburschen, durch Bayern, Baden, Sigmaringen, Württemberg, die Schweiz und Österreich.“387 Planck schreibt: „Nachdem er desertirt gewesen, so erzählte er nach seiner Verhaftung vor dem Oberamtsgericht zu Saulgau, sei er nach Oesterreich, weil man damals die Deserteure von da nicht ausgeliefert habe.“388 Nachdem er also mit falschen Pässen durch Österreich, die Schweiz, Baden und Württemberg gewandert war, vollzog er gemeinsam mit Friedrich Klump (vulgo „der schöne Fritz“) seine ersten kleineren Diebstähle. Klump sagte aus, sie hätten lediglich ein paar „Nastücher, ein Paar Bundstiefel und Schnallenschuhe“ sowie „einige Stücke geräuchertes Fleisch entwendet“389. Im Dezember 1817 beging Hohenleiter dann seinen ersten größeren Einbruch, welcher ihm auch nachgewiesen werden konnte. In der Nacht des 18./19. Dezember 1817 wurde die Oelmühle von Joseph Schaib in niedergebrannt. Planck berichtet, dass „zwischen 10 und 11 Uhr […] die Oelmühle des Joseph Schaib […] in vollen Flammen“390 stand. In derselben Nacht wurde zudem in ein Haus in dem nahegelegenen Neufra eingebrochen. Der Hausbesitzer überraschte die Einbrecher, die daraufhin fliehen konnten. Bei der Flucht ließen sie ein paar Säcke zurück, auf denen der Name Joseph Schaib von Betzenweiler abgedruckt war, sodass es keinen Zweifel geben konnte, dass es sich um dieselben Täter

385 Machnicki, Die oberschwäbischen Räuberbanden des 19. Jahrhunderts, S. 111. 386 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 54. 387 Alfred Kosean-Mokrau, Räuberleben-Räubersterben. Aus der Geschichte berühmt-berüchtigter Banden und Banditen, Bern 1972, S. 213. 388 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 55. 389 Ebd., S. 64f. 390 Ebd., S. 65. 81 handeln musste. Im April 1820 wurde von dem in Haft befindlichen Gauner Jacob Freudenmuth ausgesagt, dass der Schwarze Veri, der Friedrich Klump (vulgo ‚der Schöne Fritz‘) sowie Franz Merkle (vulgo ‚der Weberen-Franz‘) die Täter dieser oben beschriebenen Überfälle gewesen waren. Merkle hätte ihm dies selbst bestätigt.391 Nach dieser Nacht 1817 häuften sich die Einbrüche in den folgenden beiden Jahren deutlich. Um den Schwarzen Veri hatten sich dann einige andere Jauner gesammelt, mit welchen er in der folgenden Zeit die Gegend um Ostrach, den Pfullendorfer Wald sowie den Altdorfer Wald unsicher machten.

4.4.3. Bandenmitglieder der Schwarzen Veri Bande „Wer den Galgen nicht scheut, Den die Arbeit nicht freut, Der komme zu mir, Ich brauche Leut‘

Hauptmann einer Spitzbubenbande von 250 Mann.“392

Dieser Aufruf wurde 1819 in der Gegend bei Altshausen ausgehängt und soll vom Schwarzen Veri gewesen sein. Während in seinem Aufruf die Rede von 250 Mitgliedern war, bestand die Bande aber lediglich aus sechs Paaren393:

1. Xaver Hohenleiter (vulgo ‚Schwarzer Veri“) und Josepha Tochtermann (vulgo ‚Günzburger Sephe‘)

2. Friedrich Klump (vulgo ‚der schöne Fritz‘) und Theresia Jeppler (vulgo „Posamentierers Resel‘ oder kurz ‚Resel‘)

3. Ulrich Hohenleiter (vulgo ‚der Urle‘) und Agathe Gebhard

4. Fidelis Sohm (vulgo ‚der einäugige Fidele‘) und Crescentia Tochtermann (vuglo ‚die Günzburger Creszenz‘)

5. Sebastian Kellermann (vulgo ‚der Baste‘) und Agnes Gebhard

6. Joseph Anton Jung (vulgo ‚der Condeer‘) und Crescentia Gebhard

Zudem waren für eine kurze Zeit auch Christian Maucher (vulgo ‚das Bometshauser Schneiderle) sowie seine Freundin Ottilia Hunsinger (vulgo ‚das Ottile‘) ein Teil der

391 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 65f. 392 Ebd., S. 7. 393 Ebd., S. 54. Sowie Diemer, Der Tod des „Schwarzen Veri“, S. 3. 82

Bande.394 Auch Franz Merkle (vulgo ‚der Weberen-Franz‘)395 sowie Fidelis Gindele (vulgo ‚der große Metzger‘ oder ‚der dicke Metzger‘)396 waren für eine Zeit an Überfällen der Schwarzen Veri Bande beteiligt. Die Mutter der Gebhard-Schwestern, Katharina Gebhard (vulgo ‚die dreckete Mutter‘) soll auch der Bande angehört haben.397

4.4.3.1. Xaver Hohenleiter vulgo ‚Der Schwarze Veri‘

4.4.3.1.1. Aussehen des Schwarzen Veri

Plancks Beschreibung nach war der Schwarze Veri ein starker und muskulöser Mann.398 In seinem Steckbrief wird der Veri, welcher bei seiner Verhaftung 31 Jahre alt war, noch genauer beschrieben. Nach diesem soll er etwa 1,75m, also 6 Schuhe, 1 Zoll und 2 Linien, groß gewesen sein. Zudem wird er dort als schlank beschrieben.399 Sein Gang verriet, dass er einst beim Militär war, denn er hatte eine ungewöhnlich aufrechte Haltung.400 Sein Steckbrief deutet noch an, dass man aufgrund seiner geraden Beine darauf schließen könne, dass er als Kind keiner Mangelernährung ausgesetzt war und er gute Zähne hatte.401 Zudem schreibt Planck:

„Er hatte eine von der Sonne gebräunte Gesichtsfarbe, ein feuriges Auge und prachtvolle, blendend weiße Zähne. In den Partieen [sic] seines Gesichts war ein starker Zug von Sinnlichkeit ausgeprägt. Am meisten aber fielen Haar und Bart in’s Auge: sein dichter Backen= und Kinnbart und seine in langen Flechten herabhängenden Haare waren pechschwarz, daher sein Gaunername ‚der schwarze Veri.‘ Häufig kräuselte er auch nach Gaunerart die Haare in viele Locken, welche Kopf und Stirn umwallten.“402

394 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 79, sowie Diemer, Der Tod des „Schwarzen Veri“, S. 3, und Elke Knittel, Der Schwarze Veri. Eine wahre Räubergeschichte aus napoleonischer Zeit, Stuttgart 1995, S. 42. 395 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 92. 396 Ebd., S. 49f. 397 Diemer, Der Tod des „Schwarzen Veri“, S. 3, sowie Knittel, Der Schwarze Veri, S. 41f. 398 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 55. 399 Signalement des Xaver Hohenleiter vulgo Schwarzer Veri, Ludwigsburg Staatsarchiv, E 350 Bü 71/26b, zit. n. Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, S. 16. Siehe auch Monika Machnicki/Dagmar Lutz, Schinderhannes und Schwarzer Veri (Katalog), in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995, S. 307-331, hier S. 317. 400 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 55. 401 Signalement des Xaver Hohenleiter vulgo Schwarzer Veri, Ludwigsburg Staatsarchiv, E 350 Bü 71/26b, zit. n. Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, S. 16. Siehe auch Machnicki/Lutz, Schinderhannes und Schwarzer Veri (Katalog), S. 317. 402 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 55. 83

Abb. 5. Xaver Hohenleiter (Der Schwarze Veri)

Quelle: Elke Knittel, Der Schwarze Veri. Eine wahre Räubergeschichte aus napoleonischer Zeit, Stuttgart 1995, Titelseite. Ohne Angabe des Malers.

84

Abb. 6. Steckbrief des Schwarzen Veri 1819, mit Transkription

Quelle: Signalement des Xaver Hohenleiter vulgo Schwarzer Veri, Ludwigsburg Staatsarchiv, E 350 Bü 71/26b, zit. n. Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, in: Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 16.

85

4.4.3.1.2. Kleidung des Schwarzen Veri

Laut Planck war der Schwarze Veri meist mit einem bis zu den Knien reichenden schwarzen Rock bekleidet. Er hatte diesen oben normalerweise weit offengelassen, genauso wie das Hemd, sodass man seinen Hals sowie seine nackte Brust sehen konnte. Zudem trug er seinen schwarzen Hut meistens seitwärts auf dem Kopf. Während er und seine Freundin, die Günzburger Sephe goldene Ohrringe in Form eines Halbmondes trugen, waren die anderen Mitglieder mit silbernen ausgestattet.403 In seinem Steckbrief stand allerdings nichts von seinen goldenen Ohrringen, die ihn laut Planck von den anderen unterschied. Da in der Regel die Steckbriefe akribisch genau und detailreich angaben, ob ein Gauner Schmuck trug, kann davon ausgegangen werden, dass diese Angabe von Planck Teil der Schwarzen Veri Legende ist. Bei seiner Gefangennahme trug er jedoch eine grüne Jacke sowie eine hellblaue Weste, eine lange, stark verschmutze Zwilchhose, sowie den von Planck bereits beschriebenen runden Hut.404

4.4.3.2. Josepha Tochtermann vulgo ‚Günzburger Sephe‘

Viereinhalb Jahre vor ihrer Verhaftung lernte sie den Veri kennen, als sie gerade „im Dorfe umhergieng“405. Ursprünglich stammt die Sephe aus Eppishofen, dem Landgericht Zusmarshausen. Ihr Vater war schon früh gestorben, und ihre Mutter hatte einen jämmerlich kleinen Verdienst, den sie sich durch Stricken erarbeitete. Als sie sich dem Veri anschloss, verließ sie ihre Heimat und zog mit ihm und den anderen Kameraden umher. Zudem bettelte sie gemeinsam mit ihrer Schwester, der Günzburger Crescenz. Der Schwarze Veri fand in ihr eine fähige Begleiterin. „Sie bettelte meisterhaft und stahl geschickt. Als vorgebliche Wahrsagerin schlich sie sich in Häuser ein und legte den abergläubischen Bauern die Karten, um so Gelegenheiten auszuspionieren.“406 Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung war sie 26 Jahre alt und hatte ihren eineinhalb jährigen Sohn bei sich. Während der Befragung log und leugnete die Günzburger Sephe so hartnäckig, dass der Untersuchungskommissar im Nachhinein ihr Verhalten so darstellte: „Keiner der in diese Bande verwickelten Inquisiten hatte gleich von Anfang an ein freimüthiges Bekenntniß abgelegt. Mancher hatte hartnäckig geleugnet, aber bei keinem war das

403 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 55f. 404 Signalement des Xaver Hohenleiter vulgo Schwarzer Veri, Ludwigsburg Staatsarchiv, E 350 Bü 71/26b, zit. n. Machnicki/Lutz, Schinderhannes und Schwarzer Veri (Katalog), S. 317. 405 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 56. 406 Kosean-Mokrau, Räuberleben-Räubersterben, S. 213. 86

Leugnen so auffallend und bösartig, als bei dieser Inquisitin.“407 Allgemein gibt dieser bekannt, dass „die in diese Sache verwickelten Weibspersonen hartnäckiger, frecher und gegen Rührung verschlossener sind als die Männer.“408 Auch wenn sie in Befragungen leugnete, den Schwarzen Veri überhaupt zu kennen, war sie nach dessen Tod in furchtbarer Trauer. Planck fasst zusammen: „Ihm hieng sie wirklich in Liebe an.“409

Nach Plancks Angaben war die Günzburger Sephe von mittlerer Größe, hatte -genau wie der Veri- dunkles Haar und war schlank. Besonders auffallend war die eigene Reinlichkeit, auf die sie besonders achtete. Abb. 7. Josepha Tochtermann

Quelle: Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, in: Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 5.

4.4.3.3. Friedrich Klump vulgo ‚der schöne Fritz‘

Der schöne Fritz war wohl der gebildetste Gauner in der Bande des Schwarzen Veri. Sein Vater war Metzger und konnte seinem Sohn eine gute Erziehung und regelmäßige Bildung bieten. Nach der Schule erlernte er den Beruf des Bäckers. Auch nach seiner Zeit im Militär war er wieder in den ehrlichen Bäckerstand zurückgegangen. Als ihm aber nach geraumer Zeit der Verdienst zu spärlich wurde, verließ er seine Anstellung und rutschte dabei ins Vagantenleben. Denn nach einer Weile war seine Kleidung vom Wandern zerschlissen und niemand wollte ihm mehr eine Anstellung geben. In der Nähe von Waldsee traf er den Veri und beschloss, gemeinsam mit ihm weiterzuziehen. Mit ihm

407 Bericht des Untersuchungs-Commissär an den Gerichtshof, zit n. Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 58. 408 Ebd. 409 Ebd., S. 57. 87 beging Klump auch seinen ersten Diebstahl. Bis zur Verhaftung des Schwarzen Veri waren Klump und der Veri treue Kameraden.410 Besonders geschickt war er im Umgang mit dem Fälschen von Pässen und Wanderbüchern. Dafür schenkte man ihm unter Gaunergenossen Bewunderung.411 Klump war in etwa gleich groß wie Hohenleiter, und hatte eine ähnlich muskulöse Statur wie der Veri. Sein Spitzname verrät bereits seine äußere Erscheinung. „Die Schönheit seines Gesichts wurde nur durch die abgestumpfte Nase und die schmalen Wangen etwas beeinträchtigt.“412 Im Gegensatz zum Schwarzen Veri, der mit seiner Erscheinung oft Schrecken verbreitete, hatte der schöne Fritz eine offene und freundliche Art. Ihm hätte man auf den ersten Blick nicht zugetraut in einer Räuberbande zu sein.413

Abb. 8. Friedrich Klump, Johann Baptist Pflug 1821

Quelle: Farbtafeln, in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995, S. 241-256, hier S. 251.

410 Max Planck, Die letzten Räuberbanden in Oberschwaben, in: Heiner Boehncke/Hans Sarkowicz (Hrsg.), Im wilden Südwesten. Die Räuberbanden zwischen Neckar und Bodensee, Frankfurt am Main 1995, S. 299-361, hier S. 319f. 411 Kosean-Mokrau, Räuberleben-Räubersterben, S. 214. 412 Planck, Die letzten Räuberbamden in Oberschwaben, in Boehncke/Sarkowicz, Im Wilden Südwesten, S. 321 413 Ebd. 88

4.4.3.4. Theresia Jeppler, vulgo ‚die Resel‘

Theresia Jeppler wurde in Triest geboren. Heimatlos wuchs sie in einer vermögenslosen Familie und ohne Schulausbildung auf. Ihre Mutter starb früh, ihr Vater als sie ein jugendliches Mädchen war. Bis zu ihrer Verhaftung wanderte sie 15 Jahre bettelnd durch Württemberg, Baden und Bayern, wobei sie davon sechs Jahre mit ihrem Gefährten Friedrich Klump unterwegs war.414 Mit dem schönen Fritz durchstreifte sie meist die Gegend um den Bodensee. Planck beschreibt ihre Fähigkeiten wie folgt: „Sie war eine äußerst gewandte Diebin und besaß namentlich in Folge ihres Wanderlebens eine ungemeine Lokalkenntnis in den von ihr so oft durchstreiften Gegenden.“415

Die ‚Resel‘ wird bei Planck als „hübsche“ Gefährtin beschrieben, die von mittlerer Größe war und ein schönes ovales und blasses Gesicht hatte. Ihre Haare waren blond und ihre Augen hatten eine blaue Farbe. Ihre Kleidung kennzeichnete sich meist durch ein rot- weiß gestreiftes Kopftuch und ein rotes Halstuch.416

Abb. 9. Theresia Jeppler, Abb. 10. Ulrich Hohenleiter

Quelle für Abb.9-10: Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, in: Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 3, S.6.

414 Planck, Die letzten Räuberbanden in Oberschwaben, in Boehncke/Sarkowicz, Im Wilden Südwesten, S. 321 415 Ebd. 416 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 62. 89

4.4.3.5. Ulrich Hohenleiter vulgo ‚der Urle‘

Der Bruder des Schwarzen Veri war zur Zeit seiner Verhaftung erst 18 Jahre alt und dennoch galt er bereits zu den gefürchtetsten Gaunern in dieser Zeit. Seine Person wird bei Planck wie folgt beschrieben:

Er war „einer der unermüdetsten Räuber und Diebe […] ‚stets zum Verbrechen aufgelegt‘ und wirklich auch bei allen Vergehen als der thätigste betheiligt, namentlich erfinderisch in Quälereien, um von den Ueberfallenen Geld zu erpressen, und deßhalb der Schrecken der Bauern. […] Schon damals [als junger Bursche] fiel seine Bösartigkeit und tiefe Verdorbenheit auf.“417 Er war jedoch nicht nur der Schrecken der Bauern, sondern wurde auch für seine Grausamkeiten von seinen Genossen gefürchtet.418

Sein Äußeres war dem seines Bruders teils sehr ähnlich. Auch er hatte schwarzes gelocktes Haar, welches an den Seiten des Kopfes lang herabhängte. Zudem hatte er wie der Veri eine auffallend stark gebräunte Haut. Er war groß, schlank und hatte dunkelbraune Augen. Er trug zudem einen Schnurrbart und war wie auch der Veri mit einem runden Hut ausgestattet. Ihm wird nachgesagt, dass er stets eine spöttische Miene aufgesetzt hatte.419

4.4.3.6. Agathe Gebhard Abb. 11. Agathe Gebhard Agathe Gebhard war die Gefährtin von ‚Urle‘. Sie war 23 bis 24 Jahre alt, war klein und hatte eine kräftige Statur. Sie trug ihre dunklen Haare unter einer in Oberschwaben gebräuchlichen ‚Gimpenhaube‘ und hatte stark aufgeworfene Lippen sowie braune Augen.420 Sie hatte vier Geschwister sowie eine Mutter, die allesamt, außer einer Schwester, auch ein Vaganten- und Gaunerleben führten. Daher waren sie auf der Landstraße auch besser unter dem Namen ‚dreckete Partie‘ bekannt.421 Quelle: Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, in: Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 6.

417 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 62f. 418 Kosean-Mokrau, Räuberleben-Räubersterben, S. 214. 419 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 63. 420 Ebd., S. 28. 421 Ebd., S. 24. 90

4.4.3.7. Fidelis Sohm vulgo ‚der einäugige Fidele‘

Fidelis Sohm war bei seiner Verhaftung 26 Jahre alt, stammte aus Witzigmänn, und war eigentlich in ein ehrliches, wenn auch armes Zuhause hineingeboren. Während der Sommer arbeitete der junge Fidelis Sohm als Hütejunge, deshalb konnte er lediglich über den Winter die Schule besuchen. Er lernte lesen, konnte jedoch nicht schreiben. Er brach seine Ausbildung zum Maurer ab, erlernte daraufhin das Zimmermannshandwerk, rutschte nachdem er aber keine Arbeit mehr fand in das Vagantenleben ab.422 Sein Weg in die Kriminalität erklärte er im Verhör wie folgt:

„Armut und Gelegenheit brachten mich dazu. Ich hatte einmal Hunger und wollte in einem Hause ein Stücklein Brot betteln. Es war aber niemand darin zu sehen. Da bemerkte ich, daß an einem Kasten der Schlüssel steckte, ich schloß auf: es lagen 15 fl. Geld und eine Sackuhr darin. Ich nahm die Uhr und das Geld. Das war mein erstes Verbrechen.“423 Obwohl er vom Landgericht in Lindau als „sehr gefährlicher Mensch“ bezeichnet wurde, so fehlte ihm nach Planck doch der „entschlossene Muth“, weshalb er auch meist dazu beauftragt wurde, bei Verbrechen Wache zu stehen. 424

Fidelis Sohm erkrankte an einem Staphylom425 und konnte auf seinem rechten Auge nichts mehr sehen. Aus diesem Grunde wurde er auch der ‚einäugige Fidele‘ genannt.426

Er war von mittlerer Größe, war schlank und hatte blonde Haare. Fidelis hatte „ein volles, blühendes Angesicht und Zähne wie Elfenbein.“427 Zudem war er mit einem Besteckmesser mit Querbügel in einer Lederscheide, einem knotigen Birkenstock, der am unteren Ende mit Blei ausgegossen war, sowie einer kleinen aus Messing gefertigten Pistole bewaffnet.428

422 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 22f. 423 Verhör von Fidelis Sohm, zit. n. Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 23. 424 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 23. 425 Beerengeschwulst am Auge (durch Vorwölbung des Augeninhalts). 426 Schweizer, Ein freier Vogel sucht immer ein Loch, S. 10. 427 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 24. 428 Ebd. 91

4.4.3.8. Crescentia Tochtermann vulgo ‘Günzburger Crescenz’

Das Vagantenleben begann für die ältere Schwester der Günzburger Sephe ab dem Zeitpunkt, als sie gleichzeitig wie ihre Schwester die Heimat verließ. Sie schloss sich zwar nicht sofort Sephe und Veri an, doch ihre Wege kreuzten sich wieder und bald war sie dann Mitglied der Schwarzen Veri Bande. Sie war die Gefährtin von Fidelis Sohm. Sie hatte ein narbiges Gesicht, aufgrund einer früheren Pockenerkrankung, war kräftig gewachsen und hatte schwarzes Haar.429

Abb. 12. Fidelis Sohm Abb. 13. Crescentia Tochtermann

Quelle für Abb. 12.-13.: Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, in: Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 3., S. 6.

4.4.3.9. Sebastian Kellermann vulgo ‚der Baste‘ und Agnes Gebhard

Kellermann ist in eine vagierende Familie hineingeboren worden und hatte daher nie einen bestimmten Wohnsitz. Er war nie in der Schule, konnte daher auch weder lesen noch schreiben aber lernte schon früh das Betteln. Im Verhör schob er die Schuld auf seine fehlende Erziehung und Bildung. Er habe nicht gewusst was recht sei und was nicht. Kellermann war groß, schlank und hatte schwarze krause Haare.430 Seine Gefährtin war Agnes Gebhard, eine Schwester der ‚drecketen Partie‘. Bei der Verhaftung war Agnes 25 Jahre alt. Sie hatte ein mageres Gesicht und schwarze Haare. Planck beschreibt sie wie

429 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 58. 430 Ebd. S. 38f. 92 folgt: „Agnes […] hatte ein mageres, doch nicht farbloses Gesicht und feurige schwarze Augen, von starken Augenbrauen überwölbt.“431 Nach einem Streit mit anderen Gaunergenossen verließen im April 1819 Agnes und ‚Baste‘ die Bande des Schwarzen Veri.432 Abb. 15. Sebastian Abb. 14. Agnes Gebhardt Kellermann

Quelle für Abb. 14-15: Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, in: Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 3, S. 6.

4.4.3.10. Joseph Anton Jung vulgo ‚der Condeer‘ und Crescentia Gebhard

Jung stammte aus ähnlichen familiären Verhältnissen wie bereits Kellermann. Er war der Sohn eines wandernden Landkrämers, hatte nie eine Schule besucht und zog mit seiner Familie bettelnd umher. Während der Jugendzeit trat er dann in verschiedene Dienste wie beispielsweise in den Dienst des Hirtenknaben. Später erlernte er das Handwerk des Mauerers, wurde aber wieder entlassen, da Jung keinen Heimatschein besaß und auch keine anständige Kleidung besaß. Ab dann rutschte er ins Gaunerleben ab. Er lernte 1818 Crescentia Gebhard kennen und betrachtete sie von da an als seine Frau.433 Die älteste der Gebhard-Schwestern, welche der Bande des Schwarzen Veri zugehörig war, war bei ihrer Verhaftung 29 Jahre alt. Sie war schlank, hatte schwarze Haare, eine gebräunte Gesichtsfarbe. Planck gibt an, dass sie zwar einen schönen kleinen Mund hatte, jedoch eine unschöne Stumpfnase.

Jung war stark gebaut, hatte ein stark gebräuntes Gesicht, das von Pockennarben gezeichnet war. Er war mittelgroß, und seine dunklen Augen sowie seine wilde Miene

431 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 28. 432 Ebd., S. 91. 433 Ebd., S. 40f. 93 spiegelten seinen unbändigen Charakter wider. „Jung war eines der verwegensten Mitglieder […]. Das geladene Gewehr in der Faust dringt er kühn in die Häuser ein, entschlossen, jeden Wiederstand mit Gewalt zu überwältigen und den geängstigten Bewohnern das verborgene Geld zu erpressen.“434

Christian Maucher, Franz Merkle sowie Fidelis Gindele waren zwar zeitweise der Bande angehörig, da sie aber keine Hauptmitglieder waren, werden sie in diesem Kapitel nicht näher behandelt.

4.4.4. Innere Struktur der Bande 4.4.4.1. Der „Anführer“

Eigentlich hatte die Bande des Schwarzen Veri keinen gewählten Anführer, es heißt, sie wären sich alle gleichwertig gegenübergestanden.435 Trotzdem stellt Planck fest: „[…] das meiste Ansehen genoßen Xaver Hohenleiter und Friedrich Klump als die ältesten und an Gestalt wie an Verwegenheit und Thatkraft hervorragendsten unter den Gaunern. Insbesondere der erstere.“436 Kellermann hat sich dazu wie folgt geäußert: „Den Veri hat jeder gefürchtet, […] so nämlich: wenn man nicht gethan hätte, was er wollte, hätte er einem Schläge gegeben.“437 Am Abend des 6. April 1819 hatten sich die Gauner in einem Wirtshaus eingefunden, um zu feiern, zu trinken und Karten zu spielen. Laut Planck sei die Gesellschaft bereits sehr gereizt gewesen. Es reichte also, dass Kellermann nicht mit den anderen Karten spielen wollte, um einen Streit zu provozieren. Es kam zu einem allgemeinen Tumult. „Veri’s mächtige Faust stellte indeß bald die Ruhe wieder her.“438

Xaver Wirthensohn von Benzenhause, einer, der der Bande Unterschlupf gewährte, zeichnete ein ganz anderes Bild des Schwarzen Veri: „Der Veri […] war der bravste Mensch. Er war so kurzweilig, man hat müssen lachen.“439 Zum Thema ‚Mord‘ zitierte er den Veri wie folgt: „[…] aber mordiren, hat er gesagt, thu‘ ich keinen; nur wenn ich kann in einen Kamin kommen (wo die Bauern ihr Rauchfleisch haben) da geht’s an.“440

434 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 42. 435 Machnicki, Die oberschwäbischen Räuberbanden des 19. Jahrhunderts, S. 116. 436 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 54. 437 Sebastian Kellermann über den Schwarzen Veri, zit. n. Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 54. 438 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 91. 439 Xaver Wirthensohn über den Schwarzen Veri, zit. n. Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 56. 440 Ebd. 94

Barczyk stellt jedenfalls fest: „War die Bandenstärke und -zugehörigkeit unklar, so war es auch die Hegemonie. Die Führereigenschaft des Xaver Hohenleiter beschränkte sich meist darauf, Streit zu schlichten.“441

4.4.4.2. Umgang mit Waffen

Die Bande war generell nicht sehr gut ausgestattet was die Waffen betraf. Insgesamt bestanden die Räuberwaffen aus zwei Messern, einem Besteckmesser, zwei Pistolen sowie einem verrosteten Gewehr. Zudem waren die Männer mit Knotenstöcken ausgestattet, die für vagierende Handwerksburschen üblich waren.442 Es wird mehrfach überliefert, dass diese Stöcke am Ende mit Blei ausgegossen waren, oder sogar mit Nägeln beschlagen waren.443 Eine der Pistolen war aber in einem so schlechten Zustand, dass der Eigentümer, dem die Pistole gestohlen wurde, angab, ihr Wert würde sich lediglich auf 24 kr. belaufen. „Da die Nuß am Hahne schadhaft war, so mußte man ihn beim Schießen, wenn er zurückgezogen war, festhalten, bis der Schuß abgefeuert wurde.“444 Doch der Veri gab den anderen Mitgliedern bestimmte Verhaltensregeln vor. So wurde überliefert, dass zwar die Waffen vor einem Überfall mit Blei geladen wurden, sie aber lediglich bei einer Verfolgung benützt werden sollten, um die Verfolger zu erschrecken. „[…] nur in der höchsten Noth, hattte der Veri gesagt, nur wenn man nicht mehr anders könne, solle man schießen, damit man nicht gefangen werde, aber nur auf die Füße, nicht anderswohin.“445 Kellermann verriet im Verhör: „Ohne daß der Veri es befohlen hätte […] hätte man nicht schießen dürfen, da wäre man übel angekommen.“446 Doch das Selbstbildnis, welches die Räuber versuchten von sich zu zeichnen war in vielerlei Hinsicht falsch. Bei ihren Verbrechen gingen sie auch ohne Schusswaffen mit aller Gewalt und Härte vor. Sie traktierten ihre Opfer mit Drohungen und Schlägen und misshandelten sie teilweise brutal.447

4.4.4.3. Aufenthaltsort und Aufgaben der Frauen

Die Bande hielt sich vorrangig im Pfullendorfer Wald auf. An einem Platz, eine halbe Stunde von Ostrach schlugen sie ihr Quartier auf. Aus Tannenzweigen hatten die Räuber

441 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 77. 442 Ebd. 443 Machnicki, Die oberschwäbischen Räuberbanden des 19. Jahrhunderts, S. 114. 444 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 53. 445 Ebd. 446 Sebastian Kellermann über den Schwarzen Veri, zit. n. Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 53. 447 Machnicki, Die oberschwäbischen Räuberbanden des 19. Jahrhunderts, S. 116. 95

Hütten erbaut. Diese hatten sie dann mit Moos ausgelegt, sodass sie darin schlafen konnten. Jedes Mitglied hatte eine Hütte für sich und seine Gefährtin gebaut.448 Nur der Veri und seine Sephe sowie der einäugige Fidele mit Sephes Schwester, der Günzburger Crescenz, führten laut Planck eine gemeinsame ‚Menage‘449. Planck überliefert zudem, was Kellermann über das Versteck der Bande verriet:

„Der Platz ist zwischen Ostrach und dem Schlößleshof, von diesem etwa einen Büchsenschuß, von Ostrach eine halbe Stunde entfernt, die Hütten waren in einem nicht gar dichten Wald, ganz nahe bei einander, wenn man von dem Hofe nach Ostrach geht, etwas links, an einem Weg, den die Holzmacher gehen, wenn sie in Ostrach die Kirche besuchen. Wir haben Moos in die Hütten gethan, und da haben wir gewohnt.“450 Die Hütten wurden mehrmals von den Ostracher Streifen entdeckt und in Folge zerstört. Die Streifmannschaften hatten aber außer ein paar Lebensmittel nie etwas gefunden.451 Wenn die Männer für ein Verbrechen fortgingen, dann schliefen die Frauen niemals allein in den erbauten Hütten im Wald. Die Gefahr, von einer Streife überrascht zu werden, war zu groß. In diesen Nächten gingen die Frauen zurück in die benachbarten Dörfer und suchten sich dort ein Nachtlager. Planck berichtet davon wie folgt:

„Da die Diebstähle immer bei Nacht verübt wurden, so verließen die Männer jedesmal Abends den Platz, indem sie den Weibern nichts weiter sagten, als sie sollten sich am andern Tage zu einer bestimmten Zeit wieder bei den Hütten einfinden. Diese übernachteten nämlich in einem solchen Falle nicht in den Hütten. […] Wenn sie dann am Morgen wieder auf den Sammelplatz kamen, so trafen sie die zurückgekehrten Gauner und sahen das Gestohlene, erfuhren auch wohl, daß es gestohlen sei, wer aber bei dem Diebstahl mitgewirkt habe, wurde ihnen nicht gesagt.“452 Mussten die Gauner für einen Diebstahl eine längere Zeit fort, dann begleiteten die Frauen meist die Männer in ein umliegendes Gebiet, wo sie sich versteckt hielten.453

Auch der Altdorfer Wald war bei den Gaunern sehr beliebt. Johann Baptist Pflug berichtet, von der großen Ausdehnung des Waldes sowie der Beliebtheit des Waldes für das fahrende Volk. „Da schwärmten fahnenflüchtige und entlassene Soldaten umher,

448 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 75. 449 Ebd., S. 76. 450 Ebd. 451 Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, S. 2. 452 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 76. 453 Ebd. 96

Zigeuner, Diebe und Mörder. Es war dies die Folge der Franzosenkriege. Die Bande des schwarzen Veri machte bis in unsere Tage hinein Wald und Gegend unsicher.“454

4.4.4.3.1. Weitere „Diebesnester“ in Oberschwaben

1. Das Benzenhaus: Das Benzenhaus gehörte Xaver Wirthensohn einem wandernden Kurpfuscher und ‚Viehdoktor‘. Er war genauso ‚verdächtig‘, wie auch die Spitzbuben, denen er die Türe öffnete.455

2. Das Storchenhäusle: Das strohgedeckte und vor allem gut versteckte Storchenhäusle gehörte einem ehemaligen Soldaten und seiner Familie. Xaver Feßler hieß der Besitzer des Storchenhäusles, welches im Altdorfer Wald lag.456

3. Das Rankenwirtshaus: Johann Kopf gehörte dieses Diebesnest, welches nur eine Stunde vom Storchenhäusle entfernt war. Auch das Rankenwirtshaus lag versteckt und beschirmt von einem Wald.457

4. Pfefferkorns Schenke in Roggenbeuren: Der Wirtshausbesitzer Pfefferkorn war einer der beliebtesten Gaunergehilfen in Oberschwaben. Nach getaner Arbeit fanden sich die Räuberbanden oft in seiner Schenke ein. Er verlieh manchmal sogar seine Gewehre an Räuber. 458 Die Räuber fanden dort nicht nur ein Ort wo sie feiern konnten, sondern auch ein Ort wo sie ihre gestohlenen Waren veräußern konnten.459

4.4.4.3.1.1. Exkurs: Eine trinkfeste Bande - Zu Gast in Pfefferkorns Wirtshaus

„Pfefferkorns Schenke dröhnte manchmal vom wüsten Singen, Schreien und Tanzen. Immer dann, wenn eine Gaunerbande bei einem Raub einmal zu ein paar Talern gekommen war und sie bei Pfefferkorn in Schnaps umsetzte.“460 Die Räuberbande des Schwarzen Veri war häufig zu Gast in Pfefferkorns Wirtshaus. Anhand eines kurzen Ausschnitts, aus dem Leben der Räuberbande, dem Zeitraum zwischen dem 06. April 1819 und dem 09. April 1819, wird aufgezeigt, welche Rolle der Alkohol im Leben der Räuberbande spielte. Am 06. April 1819, dem Abend, an welchem Kellermann sich mit den restlichen Gaunern zerstritt, war die Räuberbande zu Gast beim Bäcker und

454 Zengerle, Johann Baptist Pflug, S. 157. 455 Kosean-Mokrau, Räuberleben-Räubersterben, S. 207f. 456 Ebd., S. 208. 457 Ebd. 458 Ebd. 459 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 91. 460 Kosean-Mokrau, Räuberleben-Räubersterben, S. 208. 97

Wirtshausbesitzer Pfefferkorn. Die Bande spielte Karten und feierte einen erfolgreichen Einbruch bis spät in die Nacht hinein. Auch am darauffolgenden Tag waren sie wieder mit ihren Gefährtinnen und Genossen bei Pfefferkorn zu Gast. Sie feierten sehr ausgiebig, sodass einige dann im Wirtshaus übernachteten, und einige sich ein Nachtlager in benachbarten Häusern suchen mussten. Am nächsten Tag waren sie zwar bis zwei oder drei Uhr nachmittags im Wald, danach gingen sie aber wieder zurück ins Wirtshaus, um zu trinken. Später an diesem Abend trafen sie in der Schenke den Gauner Franz Merkle. Gemeinsam trank man ausgiebig und plante für dieselbe Nacht einen gemeinsamen Einbruch.461 Über diesen Einbruch berichtet Planck wie folgt:

„Da die Gauner den Nachmittag über unausgesetzt spielten und tranken, und zwar letzteres in der unmäßigsten Weise – der Fidele trank mit seiner Genossin, der Crescenz, 10 Schoppen Wein. ‚Das hätte nichts gethan‘, sagte er im Verhör, ‚aber als ich noch einen halben Schoppen Branntwein trank, das hat mich genommen‘, und der Condeer vom Morgen bis zum Abend 4 Maß –, so waren sie alle bei der Ausführung der That mehr oder weniger berauscht.“462 Auch ein paar Tage später waren die Gauner wieder zurück in Roggenbeuren und kehrten dort im Wirtshaus ein. Sie überließen Pfefferkorn einen gestohlenen Brennhut, dafür konnten sie ihm Ausmaß von zweieinhalb Gulden Wein bei ihm trinken.463

Das Trinken von Alkohol gehörte zur Lebenswelt der Gauner. Der einäugige Fidele bezeugt dies in einem Verhör: „In meiner Heimat da wächst genug Wein, und da habe ich das Weintrinken gelernt; dort weiß man erst seit fünf Jahren etwas vom Bier. Dann auch beim Handwerk, da lernte ich’s vollends recht.“464

4.4.4.3.2. Aufgaben der Frauen

Wie bereits besprochen, waren die Frauen von den eigentlichen Verbrechen ausgeschlossen. Sie hatten aber andere Aufgaben zu erfüllen. Sie kümmerten sich um die Wäsche der Gauner und waren für die Zubereitung der gestohlenen und sogleich gerecht verteilten Lebensmittel zuständig. Dazu benützten sie ein gestohlenes Kupfergeschirr. Außer dem Veri und dem Fidele führten alle anderen einen eigenen Haushalt. Der Veri, der Fidele, die Günzburger-Schwestern sowie der Maucher speisten für gewöhnlich alle zusammen. Katharina Gebhard, blieb meistens bei ihrer Tochter Agnes und ihrem Gefährten Kellermann. Die ‚dreckete Mutter‘ erbettelte untertags meist fehlende

461 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 92. 462 Ebd., S. 93. 463 Ebd., S. 97. 464 Ebd., S. 93. 98

Lebensmittel wie beispielsweise Kraut oder Mehl und speiste dafür auch von dem gestohlenen Fleisch der Veri-Bande. Die meisten Nächte verbrachte sie in umliegenden Dörfern, hin und wieder aber auch bei ihrer Tochter Agnes und Kellermann.465

4.4.4.4. Kommunikation

Auch die Räuberbande des Schwarzen Veri kommunizierte über das Rotwelsche Vokabular. Zudem benützten sie die allseits bekannten Gaunerzinken. Mit ihren Zeichen gaben sie anderen zu verstehen, wer sie waren, wie viele Begleiter sie bei sich hatten sowie den Weg beziehungsweise die Richtung, die sie eingeschlagen hatten. Manche Gauner der Bande hatten ganz bestimmte Zeichen. So war das Zeichen von Jung eine Maurerkelle, das Zeichen von Klump beispielsweise ein Bretzel, über den auch eine Bäckerschaufel und ein Besen kreuzweise gelegt waren. Dem Zeichen wurden dann die eigentlichen Zinken beigefügt. Ein Pfeil, der anzeigt in welche Richtung man sich bewegte sowie Striche, die zusätzlich zum Pfeil dazu gemalt wurden, um die Anzahl der Personen anzuzeigen. Manchmal war auch Tag und Stunde angegeben.466

Abb. 16. Friedrich Klumps Zeichen Abb. 17. Sebastian Kellermanns Zeichen

Quelle: Gerhard Fetscher, Der Schwarze Quelle: Gerhard Fetscher, Der Vere und Ostrach, in: Ostracher Blätter, Mai Schwarze Vere und Ostrach, in: 2018, S. 11. Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 11.

Sogar als die Bande des Schwarzen Veri in Haft war, hatten sie es geschafft, sich durch die offenen Fenster in jenischer Sprache auszutauschen, sodass die Wachen nicht verstehen konnten, was gesprochen wurde. Sie konnten sich so über die einzelnen Verhöre absprechen, wussten daher wer gestanden hatte und wer nicht.467

465 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 76. 466 Ebd., S. 77. 467 Ebd., S. 209f. 99

4.4.5. Die Delikte der Schwarzen Veri Bande 4.4.5.1. Vorgehensweise Die Bande legte bei der Ausübung sowie der Planung ihrer Verbrechen kein professionelles Verhalten an den Tag. Sie hatten keine spezielle Ausrüstung zur Verfügung, deshalb gingen sie bei den Einbrüchen meist mit brachialer Gewalt vor. Oft schlugen sie dabei Fenster ein, um durch diese in die Häuser zu gelangen. Bei Einbrüchen waren die Verbrecher niemals vermummt. Sie erbeuteten meist nur Lebensmittel, die sie sogleich verspeisten. Wenn sie einmal Bargeld ergaunerten, dann wurde es oft im Wirtshaus in Roggenbeuren für Wein oder Bier wieder ausgegeben. Bei der Auswahl ihrer Opfer gingen sie auch ohne jeglichen Plan vor. Der Zufall spielte dabei eine große Rolle, denn die Häuser wurden oft sehr spontan und zufällig ausgewählt.468 Hin und wieder kannte ein Gauner den Hof von einer früheren Arbeitsstelle oder hatte ihn bereits einmal ausspioniert, doch dies war die Ausnahme.469 Manchmal rächte sich aber diese planlose Vorgehensweise. Nicht immer gelang es ihnen den Einbruch erfolgreich durchzuführen, da sie Hausbewohner weckten oder von diesen auf frischer Tat ertappt wurden und fliehen mussten.470 Alles in allem kann gesagt werden, dass, verglichen mit anderen großen Räuberbanden aus dem 18. Jahrhundert, die oberschwäbische Räuberbande unter der Leitung des Schwarzen Veri, weder passend ausgerüstet noch gut organisiert, geschweige denn wirtschaftlich erfolgreich war. Im Vorwort zu Plancks Werk ist zu lesen, dass „die Handlungen, welche die […] Verbrecher verübten, nicht von der Art [sind], daß sie an und für sich als sehr großartig und bedeutend erscheinen […].“471 Ein anonymer Rezensent des von Planck erschienenen Werks stellt daher richtig fest:

„Ein Stück deutscher Brigantaggio, freilich nicht mehr vom großen Schlage; da ist kein bayerischer Hiesel, Konstanzer Hans, kein Hannikel, kein Schinderhannes mehr; es ist flacherer Nachwuchs, es sind keine Wölfe, Tiger, noch gar Löwen, es sind nur Marder.“472

468 Machnicki, Die oberschwäbischen Räuberbanden des 19. Jahrhunderts, 116. 469 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 92. 470 Ebd., S.65, S.94f. 471 Ebd., Vorwort. 472 o.V., Vaterländische Literatur, in: Schwäbische Kronik, des Schwäbischen Merkurs zweite Abtheilung (Nr. 18), 21.01.1866, S. 153. 100

4.4.5.2. Überlieferte Raubzüge des Schwarzen Veri und seiner Bande

Der Räuberbande des Schwarzen Veri kommen die Grenzen zwischen den einzelnen Gebieten sehr zugute. Das Gebiet, in dem sie vorrangig tätig waren, war das Königreich Württemberg. Um ihr Versteck an der badischen Grenze zu erhalten, verübten die Gauner kaum Verbrechen im badischen Gebiet. Zudem waren sie bei einem Rückzug nach Ostrach im Gebiet des Fürstentum Hohenzollern-Sigmaringen von polizeilicher Verfolgung geschützt. 473 In der nachfolgenden Karte (Abb. 18) sind mit Ausnahme von vier weiteren Verbrechen die meisten Raubzüge der Veri Bande abgebildet.

Abb. 18. Raubzüge der Schwarzen Veri Bande

Quelle: Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, in: Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 12. Zur besseren Übersicht werden nachfolgend alle von Planck überlieferten Diebstähle und Verbrechen in tabellarischer Form zusammengefasst.

473 Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, S. 1f. 101

Art sowie genauere K474 Zeit: Ort: Beute: Beschreibung: 18./19. 1. Ölmühle des 1. Brandstiftung: völliges -- Dezember Josef Schaib von Niederbrennen der Ölmühle 1817 Betzenweiler, Oberamt 2. Einbruch: fehlgeschlagener Riedlingen Einbruch; um nicht erwischt zu 1 werden, mussten sie das erbeutete 2. Haus des Fleisch (30 Pfund) zurücklassen. Schultheiß Holdenried in Beteiligt waren der Schwarze Veri, Neufra Friedrich Klump sowie Franz Merkle. 20./21. Einödhof Vorsee Einbruch: Neben dem Schwarzen Rauchfleisch Februar des Johann Veri und Friedrich Klump war und weitere 1818 Rümmele bei einmalig ein gewisser Ludwig Gegenstände 2 Wolpertswende, Wiesinger aus Moosheim am im Wert von Oberamt Einbruch beteiligt. 101 fl. 42 kr. Ravensburg März 1818 In Unterweiler, Einbruch: Beteiligt waren der Das Fleisch Oberamt Schwarze Veri, Friedrich Klump eines ganzen 3 Ravensburg, beim sowie einmalig Heinrich Amman von Schweins, Bauer Wendelin Geislingen (vulgo ‚Siechenheiner‘) Kleider, Nell Schuhe 18./19. Wohnung von Einbruch: Der Schwarze Veri und Kleider im März 1818 Johann Reuschen Friedrich Klump entwendeten Wert von 10 in Waldbeuren, Kleidungsstücke im Wert von 10 fl., fl. Bezirksamt Einen Rock, der sehr wertvoll war, 4 Pfullendorf erhielt Reuschen aber wieder. Denn der Veri wurde von einer Streife überrascht, als er flüchtete ließ er den Rock liegen. Anfang Haus von Vinzenz Einbruch: Einbruch durch den Fleisch April 1818 Dürr in Schwarzen Veri und Friedrich Klump 5 Oberessendorf, Oberamt Waldsee 10. April Bei Mittelbuch, Angriff auf den Polizeidiener Lorenz -- 1818 Oberamt Biberach Kopf durch den Veri und Friedrich Klump. Nachdem der Polizeidiener mehrere verdächtige Personen, darunter auch der Veri, festnehmen wollte, flüchtete der Veri. Die anderen -alles Frauen- wurden vom 6 Polizeidiener festgenommen. Auf dem Weg zurück nach Mittelbiberach taucht der Veri mit Friedrich Klump auf und überfielen den Polizeidiener. Alle Beteiligten konnten flüchten. Dem Polizeidiener wurde von Veri und Klump der linke Unterarm gebrochen.

474 K = Karte, vergleiche die angegebenen Nummern mit Abbildung 18. 102

26./27. 1. 1. Einbruch: Hier wurden Effekten Effekten und April 1818 Schneidermichels- gestohlen. Diebesgut im hof von Alois Wert von 132 Bulach bei 2. Einbruch: In derselben Nacht als fl. 52 kr. Haidgau, Oberamt im Schneidermichelshof 7 Waldsee eingebrochen wurde, wurde auch bei + Alois Bulach Sachen im Wert von 8 2. Haus von Anton 132 fl. 52 kr. entwendet. Hopp in Osterhofen, Gemeinsam mit Friedrich Klump, Oberamt Waldsee Franz Merkle und dem Urle entwendete der Schwarze Veri Effekten und weiteres Diebesgut. Herbst 1818 Hof von Benedikt Einbruch: Einbruch durch den Schmalz und Salzgeber, bei Schwarzen Veri und Friedrich Brot 9 Arnach, Oberamt Klump. Waldsee Herbst 1818 Im Wald (?) Viehdiebstahl: Der Schwarze Veri Ein Ochse und Franz Merkle entwendeten einem Bauer seinen 10 unbeaufsichtigten Ochsen, den er am Waldrand allein stehen ließ. Die Täter zogen dem Ochsen Stiefel an, um keine Spuren zu hinterlassen. 28./29. In der „Einöde“ Einbruch: Einbruch in einen 10 Maß Oktober Soldatenhaus von Einödhof durch den Veri, Urle, und Branntwein, 1818 Anton Behringer Friedrich Klump 70 Pfund 11 bei Bellamont, Schmalz und Oberamt Biberach Brot im Wert von 39 fl. 17 kr. 04. Beim Wirth Einbruch: Einbruch durch den einige Brote Dezember Michael Feßler Schwarzen Veri, Friedrich Klump 12 1818 zum Stadler, bei und Christian Maucher. Mattenhaus, Oberamt Waldsee 11./12. Langengassen, Einbruch: Eigentlich wollten die Zwei März 1819 badisches Gauner Schweine stehlen, doch da kupferne Bezirksamt sie keine finden konnten, und im Häfen und Pfullendorf Haus bereits Geräusche zu hören ein langes 13 waren, stahlen sie ein paar andere Messer Gegenstände aus dem Haus. An diesem Einbruch waren der Schwarze Veri, Urle sowie Christian Maucher beteiligt. 16./17. Hof von Joseph Einbruch: Beteiligt waren der Veri, Fleisch (35 März 1819 Rehm in Reute bei der Urle, der Condeer, Maucher, Braten) von Fleischwangen, Fidelis Gindele, Friedrich Klump und rund 100 Oberamt einmalig Carl Krain. Klump war Pfund, ein Ravensburg zudem mit einer Pistole bewaffnet, Oberbett, 14 die mit Blei geladen war. Maucher einige Häfen und Krain mussten Wache stehen. und Pfannen, Durch ein Fenster, welches in den sowie Stall führte, gelangen die Diebe ins verschiedenes Innere des Hauses. Weißzeug 103

Beim Diebstahl entwenden sie auch und ein Bett. Da Maucher dieses Oberbett Kleidungs- haben wollte, musste er die anderen stücke später dafür auszahlen. So bekam jeder von ihm 48 kr. Das Bett gab er . dann der Wirtin in Speck zur Verwahrung 20./21. Haus von Michael Einbruch: Einbruch durch den Fleisch im März 1819 Bosch in Schwarzen Veri, Friedrich Klump, Wert von 53 Hüttenreute bei Fidelis Sohm, Baste Kellermann und fl. 20 kr. Hoßkirch, Christian Maucher (Condeer u. Oberamt Saulgau Urle?). Der einäugige Fidele blieb draußen vor dem Haus als Wache stehen. Klump und Fidele waren 15 bewaffnet. Nach diesem Überfall konnte die Bande acht Tage von dem gestohlenen Fleisch leben, bis sie einen erneuten Einbruch planen mussten. Dieser Einbruch war der letzte, an dem der Maucher mit der Bande des Schwarzen Veri beteiligt war. 31. März Hof des Bauern Einbruch: Die Gauner stiegen erneut Mehl, 1819 Peter Büxler in durch ein Fenster in das Haus ein, Schmalz, 5 (Mittwoch Winterreute Fidele übernahm wieder den Zentner vor Palm- (Anm.:Wenden- Wachdienst vor dem Haus, im Haus Fleisch, sonntag) reute), in der Nähe (vor der Treppe) war Urle mit einer Kleider und von Riedhausen Waffe positioniert. Ein Zinnteller, einen Oberamt Saulgau welcher beim Einbruch entwendet Zinnteller im 16 wurde, wurde später eingeschmolzen, Wert von 140 um daraus Munition für die Waffen fl. 33 kr. zu machen. Am Einbruch beteiligt waren der Schwarze Veri, der Urle, der Fidele, der Condeer, Kellermann und Friedrich Klump. März 1819 zwischen Missglückter Überfall auf eine -- Stockach und Kutsche bei dem der Veri, Klump Tuttlingen und Kellermann beteiligt waren. 1./2. April Haus des Bauern Einbruch: Auf dem Weg in Richtung 15 Pfund 1819 Lorenz Keeser in Argenhardt Hof machen die Räuber Käse, Brot, Illwangen im einen Stopp in Illwangen bei Lorenz Branntwein, badischen Keeser. Einbruch durch den Urle, zwei Paar Bezirksamt den einäugigen Fidele, den Condeer Stiefel und Pfullendorf Kellermann und Klump. Der Veri ein Tischtuch blieb bei den Frauen. Fidele und Kellermann standen Wache, die anderen entwendeten einige Lebensmittel. 4. April Hof Argenhardt Einbruch und Misshandlung der Branntwein, 1819 (Palm- der Witwe Hofbesitzerin: Die Gauner warteten Betten, sonntag) Schmid, Oberamt bis die Hofleute um 09 Uhr morgens Weißzeug, 17 Tettnang das Haus verließen, um in die Kirche eine zu gehen. Dann stiegen sie ins Haus Leinwand, ein. Nur die Hofbesitzerin war noch drei große 104

im Haus. Diese wurde brutal Thaler und misshandelt (Schläge, Drohungen, zwei Gulden etc.) und in einem schlimmen und Zustand zurückgelassen. Kleidungs- Beteiligt waren der Schwarze Veri, stücke im der Condeer, der Fidele, der Urle Wert von sowie Klump und Kellermann. insgesamt 441 fl. 46 kr.

Zudem aßen die Gauner Käse und Brot vor Ort und tranken dazu Branntwein. 4./5. April Einsam gelegenes Einbruch: Auf dem Rückweg nach 100 Äpfel 1819 Haus bei dem Überfall des Hof Argenhardt Stadelhofen im kommen die Gauner bei einem Badischen einsam gelegenen Haus vorbei, brechen ein und stehlen Äpfel, die sie auch sofort verspeisten. Dies war der letzte Einbruch von Kellermann mit der Veri-Bande. 8./9. April 1. Haus von In der Nacht vom 8. auf den 9. April 1., 2. u. 3.: -- 1819 Baptist Rist in begingen der Schwarze Veri, der Weiler Condeer, Fidelis Sohm, der Urle, 4. Mehl, Brot, Firmetsweiler, Klump sowie Franz Merkle 160 Pfund Oberamt Rauchfleisch, Ravensburg 1. Missglückter Einbruchversuch: einige Säcke Die Hausbesitzer waren wach sowie einen 2. Hof Vogelsang geworden. Es entstand ein kupfernen von Sebastian Sachschaden am Haus Brennhut im Nonnenbacher, (eingeschlagenes Fenster, Gesamtwert Oberamt durchschlagene Bretterwand). von 53 fl. 10 Ravensburg kr. 2. Missglückter Einbruchversuch: 3. Hof des Auch hier entstand ein Sachschaden 18 Stephan Zuber, (eingeschlagenes Fenster) + Schwedenbühl, 19 Oberamt 3. Missglückter Einbruchversuch: Ravensburg Die Räuber gaben sich als eine „Landstreife“ aus. Der Bauer öffnete 4. Hof von daraufhin die Tür, konnte den Stephan Einbruchversuch der Räuber aber mit Grünvogel im Hilfe seines Sohnes abwehren. Es Weiler Welde, entstand ein Sachschaden im Wert Oberamt von 22 Gulden. Ravensburg 4. Einbruch: Der Fidele, Klump sowie der Condeer standen bewaffnet Wache, während die anderen durch den Keller ins Hausinnere gelangten. Der Diebstahl wurde erst am nächsten Morgen entdeckt.

105

Frühling ? Straßenraub: Missglückter -- 1819 Straßenraub auf Händler, welcher aber in den Untersuchungsakten nicht vorkommt. 16. April Laubbacher Einbruch: Einbruch durch den Fleisch und 1819 Mühle Schwarzen Veri, den Urle, den Brot Condeer, Friedrich Klump und Fidelis Sohm. In der Nacht vom 15. auf den 16. April wurde der Einbruch durch die Anwesenheit des Königsegger Forstpersonals vereitelt. Als diese jedoch am nächsten 20 Morgen abzogen, stürmten die Gauner die Mühle und entwendeten Lebensmittel. Als sie diese im nahegelegenen Wald verspeisen wollten, erfolgte die Festnahem des Schwarzen Veri und Friedrich Klump. Die anderen Gauner entkamen. Quelle: Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 49ff, S. 65-69, S.78f., S.81-90, S.93-98, S. 101-108, sowie Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, S. 12-15, sowie Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 66, S. 75f. Tabelle erstellt von der Verfasserin.

4.4.5.1. Der Überfall auf den Argenhardt-Hof

Während die Personen um den Schwarzen Veri von ihm behaupteten „er thu‘ den Bauern nichts“475, so zeigt die gefertigte Tabelle doch, dass er es meist auf die nicht sonderlich wohlhabenden Bewohner der vielen oberschwäbischen Einödshöfe abgesehen hatte. Das spricht gegen das Selbstbildnis, welches die Gauner versuchten von sich zu zeichnen. Besonders ein Raubzug der Veri-Bande sticht aus der Masse heraus. Der brutale Überfall auf die Witwe des Argenhardt-Hofes steht in keinem Verhältnis zu den anderen Einbrüchen der Bande.

Als die Bande am Morgen des 4. Aprils 1819 den Hof erreichte, warteten sie bis sich die Bewohner auf den Weg in die Kirche machten. Als sie ins Haus einstiegen, war nur noch die 55-jährige Witwe Schmid dort. Als diese gerade aus der Küche kam, entdeckte sie die Gauner. Da stürmten die bewaffneten Gauner Urle und Kellermann auf die Frau zu und drohten ihr mit vorgehaltener Waffe. Sie sollte das Geld, welches im Haus war, herausrücken oder sie würden auf sie schießen. Während es eigentlich üblich war, die Waffen bei einem Überfall immer nur zur Verteidigung einzusetzen, so drohten ihr die Gauner dieses Mal aber mit: „Wart‘, Alte, diesmal wollen wir dich morixeln476, diesmal

475 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 56. 476 morixeln = scherzhafter Ausdruck für Töten 106 mußt du hin sein“477. Als sie flehentlich meinte, sie habe nicht mehr Geld im Haus, als das, welches die Räuber schon gefunden hatten, wurden nun auch die anderen Gauner ungehalten. Allen voran der Urle. Sie wurde am Kopf gepackt, geschlagen und bedroht. Alle Gauner beteiligten sich an der Misshandlung der Witwe. Planck berichtet davon wie folgt:

„Er [Urle] faßte das Weib am Kopf, riß sie an den Haaren zurück und hielt ihr die gespannte Pistole auf die Brust […] gab […] ihr mit der flachen Hand 6 bis 7 Schläge an den Kopf. Und als die Mißhandelte trotzdem versicherte sie habe kein Geld, rief er ‚Alte, das lügst du!‘ und schlug sie […] mit dieser [Birkenrute] über Gesicht, Kopf, Hals und Hände. Sie weinte, bat mit aufgehobenen Händen flehentlich, man möchte sie gehen lassen […]. Der außen stehende Fidele meinte, man solle das Weib nur ‚recht traktiren‘, sie habe Geld genug, der Condeer schlug sie mit der flachen Hand an den Kopf, Kellermann aber gab ihr ‚Maulschellen‘ und nahm dann von dem Urle das große, […] Messer […] gieng auf das Weib zu, faßte sie mit der linken Hand am Arme, setzte ihr mit dem Drohruf: ‚Gib das Geld her, oder ich steche!‘ das Messer an die rechte Schulter an, gab ihm ‚ein wenig einen Nachdruck‘ und schlitzte ihr so, während sie flehend die Hände in die Höhe hob und betete, den Schoben (das Brustleibchen) über die Brust herunter auf. Dann stieß er sie mit dem Terzerol vor die Brust, so daß sie im Todesschrecken zu Boden sank.“478 Bevor sie schlussendlich im Keller zurückgelassen wurde, mit dem Gesicht zum Boden hin, an Händen und Füßen gefesselt und dem Ersticken nahe war, hatte sich noch eine grausam skurrile Szene in der unteren Stube zugetragen. Denn das Ausmaß dieser brutalen und skrupellosen Vorgehensweise wird besonders dort sichtbar, wo sie sich neben die fast bewusstlose Frau setzten, um ihren Hunger und Durst zu stillen, nachdem alles ausgeraubt war. Sie tranken „den gestohlenen Branntwein und aßen Käse und Brod dazu“ 479, während die Frau neben ihnen leidend und am Boden lag.

Die Witwe wurde in sehr schlechtem Zustand von den Gaunern zurückgelassen. Es wurde überliefert, dass die Frau durch das erlittene Trauma von Depressionen480 und schlimmen Albträumen geplagt wurde. Sie fing zudem an zu „kränkeln, klagte über allgemeine Mattigkeit, über Schmerzen im Rücken, konnte nicht mehr aufrecht gehen, sondern nur mit vorwärts gebogenem Oberleib, und deßhalb auch keine Feldgeschäfte mehr verrichten […].“481

477 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 86. 478 Ebd., S. 87f. 479 Ebd., 88. 480 Bei Planck heißt es, sie war „im beständigen Nachdenken über die erlittenen Mißhandlungen in tiefe Schwermuth“ gefallen. Ebd., S. 89f. 481 Ebd., S. 89 107

Trotz dem brutalen Überfall auf den Argenhardt-Hof muss klargestellt werden, dass die Delikte der Bande des Schwarzen Veri tendenziell Bagatellcharakter hatten. Meist waren es Lebensmittel, die die Bande erbeutete. Das allgemein herrschende Elend, wie etwa die Hungerkrise, sowie auch die allgemeine materielle Not nach den Kriegswirren, schlug sich in der Kriminalität nieder.482

4.4.6. Das Ende des Schwarzen Veri und seiner Bande 4.4.6.1. Gefangennahme des Schwarzen Veri und des schönen Fritz

Der Einbruch in der Laubbachmühle am 16. April 1819 war der Anfang vom Ende der Schwarzen Veri Bande. Obwohl die Gauner wussten, dass Forstpersonal die Wälder durchstreiften, blieben sie in der Gegend und vollzogen den Plan, in die Mühle einzubrechen. Forstpersonal positionierte sich in der Nacht vom 15. auf den 16. April im Gebüsch um die Laubbachmühle. Der Condeer schlich sich an und hörte dabei das Forstpersonal miteinander sprechen. Daraufhin beschlossen die Räuber, es am nächsten Tag noch einmal zu versuchen. Als sich das Forstpersonal am nächsten Tag zurückzog, beauftragte Forstpraktikant H. Langen, einen Müllerburschen, die Mühle von einem Versteck aus zu beobachten und Alarm zu schlagen, falls die Räuber auftauchen würden. Als das Forstpersonal weg war, stürmten die Räuber die Mühle und stahlen ein paar Lebensmittel. Währenddessen wurde Langen davon in Kenntnis gesetzt, und machte sich sofort auf den Weg. Als er bei der Mühle ankam, sah er, dass er zu spät war. Doch die Bestohlenen erklärten ihm, dass die Räuber noch vor einer Viertelstunde da gewesen waren. Auf der Suche nach den Gaunern, kam er dann an einem Acker vorbei. Die Leute, die auf dem Feld arbeiteten, konnten ihm genau zeigen, in welche Richtung die Gauner gingen. Als er der Spur folgte, erreichte er endlich die Räuber und forderte diese auf, ihm nach Königseggwald zu folgen. Als er einen Moment unachtsam war, fielen die Gauner jedoch über ihn her. Langen feuerte daraufhin sein Gewehr ab und traf den Condeer, der aber trotzdem flüchten konnte. Auch Fidelis Sohm sowie der Urle hatten ihre Flucht geschafft. Nach ein paar verzweifelten Fluchtversuchen des Schwarzen Veri und des schönen Fritz, konnten die beiden Gauner nach dem Eintreffen der Verstärkung gestellt werden.483 Friedrich Klump gab sogleich seinen wahren Namen an, während der Schwarze Veri sich für den Bierbrauer Heinrich Kraus ausgab. Beide leugneten, einer Räuberbande anzugehören, dennoch erschienen sie so verdächtig, dass sie dem

482 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 255. 483 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 102-106. 108

Oberamtsgericht in Saulgau übergeben wurden. Dort erklärte der Veri anscheinend schon im ersten Verhör, dass er Xaver Hohenleiter sei und nicht wie zuvor angegeben Heinrich Kraus. Der Veri sowie der schöne Fritz blieben daraufhin in Haft, leugneten ihre Taten aber hartnäckig. Die entkommenen Mitglieder schlossen sich, nachdem der Veri geschnappt wurde, der Bande des Anton Rosenberger an, konnten aber nach einiger Zeit auch geschnappt werden. Ihre Geständnisse überführten dann auch die beiden Gauner Klump und Hohenleiter.484

Anfang Mai 1819 wurden Theresia Jeppler sowie Josepha und Crescentia Tochtermann festgenommen. Nach weiteren Vergehen mit der Nachfolger Bande des Anton Rosenberger wurden am 29. Mai 1819 Fidelis Sohm, der Condeer und der Urle in der Nähe des Storchenhaus, einem Hehlerwirtshaus geschnappt. Nur sechs Tage später wurden dann auch Sebastian Kellermann sowie Agnes Gebhard in Ostrach gefasst. Am 14. September 1819 erfolgte die Festnahme der letzten Mitglieder der Veri Bande. Katharina Gebhard, ‚die dreckete Mutter‘, wurde mit ihren Töchtern Crescentia und Agathe in Stolzensee festgenommen.485

4.4.6.2. Gefängnisleben in Biberach

In Biberach erwachte das Gefängnis in der Nacht zum Leben. Es gab einen großen Notstand an genügend Zellen für die Häftlinge. Die Zellen waren oft so nah bei einander, dass sich die Häftlinge durch die Fenster unterhalten konnten. Täglich hörte man die Gauner in Rotwelsch miteinander kommunizieren. Besonders schwer hatten es die, die beispielsweis gestanden. Denn dies wurde unter den Gaunern über die offenen Fenster in jenischer Sprache kommuniziert, sodass es alle wussten. Der Blasius Gebhardt, der Sohn der ‚drecketen Mutter‘ und Bruder der Gebhard-Schwestern war beispielsweise einer, der durch sein offenes Geständnis half, die Wahrheit zu Tage zu treten. Er gab an, dass die Gauner miteinander kommunizieren würden und berichtet von den anderen Gaunern wie folgt: „Sie [Günzburger Sephe] thut den ganzen Tag wüst und sagt, sie gebe die Wahrheit nicht an, und wenn sie auch müsse auf den Stuhl hinliegen. Der Urle, der über ihr ist, schwatzt auch den ganzen Tag mit ihr. Sie sagt, er und die andern haben alles wieder zurückgenommen, was sie gestanden haben.“486 Da die Untersuchung zwei Jahre dauerte, wurden die Gauner in den Zellen ungehalten, sodass man sie oft bis auf die Straße singen,

484 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 107f. 485 Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, S. 17. 486 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 210. 109 schreien und pfeifen hörte. Die Biberacher Bevölkerung ärgerte sich über den Lärm, den die Häftlinge verursachten.487 Als sich die Situation nicht besserte, und die Gefängnisse immer noch überfüllt waren, entschied man sich, einen Teil der Gauner in andere Zuchthäuser zu überstellen. So wurden beispielsweise Kellermann, Sohm sowie Klump auf die Festung Hohenasperg versetzt. Später als man ihre Gefährlichkeit erkannte, wurden sie in das Zuchthaus in Gotteszell überstellt.488

Abb. 19. Der Schwarze Veri im Zuchthaus

Quelle: Anonym nach Vorlage von J.B. Pflug, in: Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 234.

Abb. 20. Das Ehinger Tor in Abb. 21. Das Ehinger Tor in Biberach Biberach

Quelle: Gerhard Fetscher, Der Quelle: Uwe Degreif, Veduten, in: Uwe Degreif (Hrsg.), J. B. Schwarze Vere und Ostrach, in: Pflug, Johann Baptist Pflug (1785-1866), Lindenberg i. Allgäu Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 18. 2016, S. 118-137, hier S. 124.

487 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 210. 488 Ebd., S. 213. 110

4.4.6.3. Strafen der weiblichen Mitglieder der Veri Bande489

1. Josepha Tochtermann: Die Günzburger Sephe wurde zu einer zweieinhalb jährigen Zuchthausstrafe mit ‚Abschied‘ verurteilt. Einen ‚Abschied‘ nannte man eine körperliche Züchtigung, welche der Verurteilte/die Verurteilte erhielt, bevor er/sie aus dem Zuchthaus entlassen wurde.

2. Crescentia Tochtermann: Die Günzburger Cresenz wurde zu drei Jahren Zuchthaus mit ‚Abschied‘ verurteilt.

3. Theresia Jeppler: Die Resel erhielt zweieinhalb Jahre Zuchthaus.

4. Katharina Gebhard: Die ‚dreckete Mutter‘ wurde für zwei Jahre in das Zuchthaus gesperrt.

5. Agnes Gebhard: Sie erhielt eine Strafe von drei Jahren Zuchthaus sowie eine körperliche Züchtigung von 15 Streichen.

6. Agathe Gebhard: Sie wurde zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Sie erhielt die gleiche Züchtigung wie ihre Schwester Agnes.

7. Crescentia Gebhard: Sie erhielt die gleiche Strafe wie ihre Schwester Agathe Gebhard.

4.4.6.4. Strafen der Gauner der Veri Bande490

1. Friedrich Klump: Der schöne Fritz erhielt eine 20-jährige Zuchthausstrafe und wurde für die ersten 4 Jahre, immer am 4. April (zum Jahrestag des schwersten Verbrechens, dem Überfall auf den Argenhardt Hof) mit 20 Stockstreichen gezüchtigt. Er verstarb am 28. März 1827 im Zuchthaus.

2. Sebastian Kellermann: Der Baste wurde zu einer 18-jährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Er erhielt zudem die gleiche Züchtigungsstrafe wie auch Klump.

3. Joseph Anton Jung: Der Condeer wurde zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe verurteilt. Er bekam für die ersten 6 Jahre, immer am 4. April (zum Jahrestag des schwersten Verbrechens, dem Überfall auf den Argenhardt Hof) eine Züchtigung von 25 Stockstreichen.

489 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 242f. 490 Ebd., S. 239ff. sowie Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, S. 18. 111

4. Fidelis Sohm: Der einäugige Fidele wurde genau gleich wie der Condeer, zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe verurteilt und bekam die gleiche Züchtigung auferlegt.

5. Ulrich Hohenleiter: Der Urle verstarb 1820, noch bevor er verurteilt wurde, an der Schwindsucht491.

6. Xaver Hohenleiter: Der Schwarze Veri verstarb bereits 1819 im Ehinger Turm in Biberach. Er verstarb bevor er sein Urteil erhielt.

Am 20. Juli 1819, rund zwei Monate nach der Verhaftung des Schwarzen Veri ereignete sich die fürchterliche Katastrophe, die alle Gauner im Gefängnis tief erschütterte: der frühe Tod des Xaver Hohenleiter.

4.4.6.5. Tod des Schwarzen Veri

Am 20. Juli 1819 zog ein Gewitter über Biberach, welches von starkem Regen begleitet wurde, als plötzlich ein Blitz in den Ehinger Turm einschlug. Es bestand eine Verordnung die besagte, dass bei herannahendem Gewitter die Gefängnistüren geöffnet und die Gefangenen den Wärtern übergeben werden müssen. Im Protokoll, das über den Vorfall, der sich in dieser Nacht ereignete, berichtet, heißt es:

Der Verordnung „zu Folge wurde der Turm sogleich durch die Verfügung des Gefangenenwärters geöffnet und die Gefängnisse aufgeschlossen. Er selbst zog dann unter eigener Lebensgefahr den in dem Gefängnis Nr. 2 befindlichen Inquisiten Xaver Hohenleiter, […] aus dem mit Rauch und Dampfe angefüllten Kerker heraus.“492 Ein etwas anderes Bild zeichnet Planck in dem er das Zuchthaus beschuldigt, die Türen zu spät geöffnet zu haben.

„Das Gewitter […] war zwar von heftigen Regengüssen begleitet, erregte aber keine Besorgnisse, da der Donner sich nur aus der Ferne hören ließ. Man hatte sich deßhalb auch nicht beeilt, wie es für einen solchen Fall verordnet war, die Gefängnisthüren aufzuschließen und außerordentliche Wachen aufzustellen.“493 Jedenfalls waren der Dachstuhl sowie die Mauern des Ehinger Turms zerstört. Laut Protokoll hatte der Blitz über die Wetterfahne eingeschlagen und das Dach zertrümmert. Im vierten Stock war die Zwischenwand der Gefängnisse durchgeschlagen, auch die

491 Lungenentzündung 492 Protokoll vom 21. Juli 1819 von Oberamtsrichter Hörner, zit. n. Diemer, Der Tod des „Schwarzen Veri“, S. 4. 493 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 233. 112

Kamine waren zerstört. Im dritten Stock war der Blitz dann durch die Feuerwand gedrungen und hatte den oberen Teil des Ofens abgeworfen. Im zweiten Stock verlor sich aber die Spur. Es ist jedoch aufgrund der erfolgten Untersuchungen möglich, den Tod des Veri so zu erklären, dass der Blitz über die durch die Wand laufende Kette, mit welcher der Veri an der Wand festgemacht war, gefahren war und ihn so erschlagen hatte.494

Über den Zustand des Schwarzen Veri verriet das Protokoll lediglich, dass der Inquisit „an der Seite verletzt wurde, an welcher die Kette festgemacht wurde“ und dass „der Strohsack des Inquisiten […] entzündet und das Hemd beim Herausziehen des Körpers entbrannt“495 war.

Planck ist in seiner Beschreibung zum Zustand des Schwarzen Veri schon deutlich genauer:

„Der Verbrecher lag auf seiner Britsche hingestreckt ohne eine Spur von Leben, sein Fuß hieng schlaff auf den Boden herab, der Strohsack glimmte. […] Sobald dieser [der Veri] an die Luft kam, fiengen die Kleider an zu brennen. Alle zur Wiederbelebung angewandten Mittel waren umsonst; die rechte Seite der Brust von der Schulter bis zu den Lenden war wie gebraten, der innere Theil des rechten Oberarms ganz zerrissen, der Vorderarm überall von der Oberhaut entblößt, der übrige Körper war unverletzt.“496 Die anderen Insassen waren erschüttert und entrüstet, dass man die Gefängnisse nicht schon vorher aufgeschlossen hatte. Planck berichtet davon, dass das Gefängnis fortan unter den Gaunern als ein unheimlicher Ort galt, den sie wünschten, so schnell wie möglich verlassen zu können. Kellermann beispielsweise bat an einen anderen Ort versetzt zu werden, da er seit dem Vorfall nicht mehr schlafen könne.497

Am Tag nach dem Unglück wurde der Veri im Beisein eines Geistlichen und eines Mesmers auf dem Friedhof für Fremde in Biberach beigesetzt. Sein Grab wurde in der Ecke des Gartens des früheren Armenhauses, welches neben der katholischen Gottesackerkappelle in Biberach stand, ausgehoben.498

494 Protokoll vom 21. Juli 1819 von Oberamtsrichter Hörner, zit. n. Diemer, Der Tod des „Schwarzen Veri“, S. 4. Sowie Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 233f. 495 Ebd. 496 Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 234. 497 Ebd., S. 235. 498 Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, S. 18. 113

Abb. 22. Übernahme des Leichnams des Schwarzen Veri zur vorschriftsmäßigen Beerdigung

Quelle: Gerhard Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, in: Ostracher Blätter, Mai 2018, S. 19. Transkription der linken Spalte (Abb. 22) „Antw: Da die äußeren Merkmale schon hinreichend beweisen, daß der Xaver Hohenleiter nur durch den Blitz sein Leben verloren hat v: folglich weder von Selbstmord noch von einer gewaltsamen Ermordung durch einen anderen die Rede sein kann, auch solten bei Menschen, die vom Blitz getödtet worden Spuren innerl: Verletzungen, die diese Todesart bestätigen könnten, angetroffen werden, so glaube ich, daß die Section ohne Anstand unterlassen werden kann. Biberach d. 21. Jul. 19. D. Tritschler Oberamtsarzt“499

499 Fetscher, Der Schwarze Vere und Ostrach, S. 19. 114

5. Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des Schwarzen Veri

Die Legende von „Robin Hood“, dem „edlen Räuber“, reicht zurück bis ins 14. Jahrhundert nach England. Die Legende um den Schwarzen Veri mag zwar nicht so umfangreich sein, wie die von Robin Hood, und dennoch ist die Folklorisierung und Kommerzialisierung, die die Person des Schwarzen Veri in Oberschwaben mit sich bringt, bis heute sichtbar. Egal ob Schnaps, Wirtshäuser oder Musikbands, die Marke „Schwarzer Veri“ lässt sich bis heute in Oberschwaben gut verkaufen. Auch bei Volksfesten darf der Schwarze Veri nicht fehlen, so spielt er beispielsweise jedes Jahr beim Biberacher Schützenfest eine wichtige Rolle, und auch im Fasching wird er von der ‚Ravensburger Schwarzen Veri Zunft‘ gut repräsentiert.500 Die Website „Dreiländereck in Räuberhand“, welche vom Europäischen Landwirtschaftsfond, sowie dem baden- württembergischen Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz gefördert wird, macht auf sämtliche Veranstaltungen um die Person Xaver Hohenleiter aufmerksam. Zudem bieten sie für Touristen Tagestouren, ausgewählte Wirtshäuser sowie Übernachtungsmöglichkeiten an. Zum 200-jährigen Todestag im Juli 2019, werden in Oberschwaben einige große Veranstaltungen geplant. So veranstaltet Riedhausen ein großes Freilichttheater, es finden sogenannte „Räubertreffen“ statt und auch einige Vorträge zur Räuberbande des Schwarzen Veri werden im Jahr 2019 stattfinden.501

Während das 18. Jahrhundert in der Literatur als „Jahrhundert der Bettler und Gauner“502 bezeichnet wird, bot das 19. Jahrhundert immer weniger Platz für einen solchen Lebensstil. Dass die Legende um den Schwarzen Veri bis heute Bestand hat, lässt sich eventuell auch so erklären, dass er einer der letzten deutschen Räuberhauptmänner war. „So hält er sich als der letzte Vertreter des typischen Räubertums in der Erinnerung der Menschen und wird mit einer Aura des Sagenhaften umgeben, gleich anderen letzten Repräsentanten eines Systems, einer Institution oder einer Epoche.“503

Das spektakuläre Ende, welches den Schwarzen Veri ereilte, heizte die Mythisierung um seine Person weiter an. Theateraufführungen wurden um die Person des Schwarzen Veri aufgeführt, Romane, Gedichte sowie Räuberbilder angefertigt. Diese vielfältige

500 Machnicki, Die oberschwäbischen Räuberbanden des 19. Jahrhunderts, S. 120. 501 Gemeinde Ostrach, o. D., [https://www.schwarzervere.de/], eingesehen am 28.03.2019. 502 Seidenspinner, Offensive der Ausgegrenzten?, S. 77 503 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 12. 115

Konzentration auf seine Person, hat das Image eines Sozialrebellen gefördert, auch wenn die Realität anders aussah. Besonders in der Kunst sowie in der Literatur wird der idealisierte Räuber, welcher die pure Freiheit lebt und keinen Zwängen unterworfen ist, dargestellt. Die sogenannte ‚Räuberromantik‘ spiegelt die Sehnsucht menschlicher Freiheit wider. Die harten Lebensbedingungen der Vaganten und Räuber hatten in der Realität jedoch nichts mit dieser romantisch verklärten Lebensweise gemeinsam.

5.1. Gemälde von Johann Baptist Pflug Johann Baptist Pflug stammte aus Biberach, wo er 1785 geboren wurde. Er verstarb 1866. Im 19. Jahrhundert war er in Schwaben als Genremaler sehr beliebt. Seine Werke waren von den niederländischen Kleinmalern des 17. Jahrhunderts und der Münchner Landschafts- und Genremalerei des 19. Jahrhunderts beeinflusst.504

„In neuerer Zeit wurden Pflugs Gemälde und Gouachen häufig in der volkskundlichen und kulturwissenschaftlichen Forschung als Quelle benutzt. Dabei wurden seine Genredarstellungen allerdings zum Teil als direkte Widerspiegelung der tatsächlichen Lebensverhältnisse mißverstanden und häufig illustrativ eingesetzt.“505 Seine Darstellungen dürfen allerdings nicht als exakte Spiegelung realer Verhältnisse angesehen werden. In seinen Bildern stehen vielmehr bürgerliche Sichtweisen, Werturteile, Sehnsüchte und Projektionen im Vordergrund. 506

Er beschäftigte sich zeitlebens mit dem Thema der oberschwäbischen Räuberbanden. Pflug persönlich, sowie andere Autoren beschreiben mindestens zwölf Räuberdarstellungen, deren Verbleib heute aber nicht bekannt ist. Man geht also von insgesamt mehr als 30 Räuberbildern, welche in verschiedenen Schaffensphasen entstanden sind, aus. Erhalten sind bis heute 24 Werke, welche in drei unterschiedliche Gruppen unterteilt werden können: Erstens Einzelporträts, zweitens Gruppenbildnisse sowie drittens Ereignisdarstellungen. Besonders von der Bande des Schwarzen Veri war er sehr angetan. Ohne Pflug hätten wir heute keine genaue Vorstellung davon, wie die Bande des Schwarzen Veri ausgesehen hat. Pflug war sichtlich beeindruckt von den Räubern, denn Gauner waren in dieser Epoche kein gängiges Motiv.507 Er berichtete sogar

504 Eichhorn, „Die wilden Gesellen in ihrem grünen Theater“, S. 203. 505 Ebd. 506 Ebd. 507 Frank Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, in: Uwe Degreif (Hrsg.), J. B. Pflug, Johann Baptist Pflug (1785-1866), Lindenberg i. Allgäu 2016, S. 161-181, hier S. 161. 116 von seiner Enttäuschung, als er bei seinen vielen Wanderungen durch den Altdorfer Wald nie den Schwarzen Veri traf.

„Oft genug lief ich durch den großen Altdorfer Forst, ebenso besorgt als neugierig. Erschrocken fuhr ich zusammen, wenn aus einer Schlucht ein Waldvogel emporhuschte, […] hintendrein ärgerte mich’s aber auch, daß es nicht der Veri in eigener Person war, mit dem ich für mein Leben gern oder auch mit einem andern der wilden Gesellen in ihrem grünen Theater Bekanntschaft gemacht hätte.“508 Der Maler Johann Baptist Pflug kann als gut informiert gelten. Er hat seinerzeit äußerst gründlich recherchiert. Er besuchte 1819 beispielsweise den Schwarzen Veri und andere Räuber im Ehinger Turm in Biberach. Bei dieser Gelegenheit porträtierte er ihn und machte sich zusätzlich Gesprächsnotizen. Außerdem suchte er die meisten Tatorte auf und sprach dabei auch mit einigen Opfern der Räuberbande. Überdies konnte er die Untersuchungsakten und Verhörprotokolle einsehen. Seine Erkenntnisse flossen nicht nur in seine Bilder ein. Er veröffentlichte auch mehrere Artikel zu diesem Thema.509

5.1.1. Die Räuberbande des Schwarzen Veri im Mederwald von 1822

Abb. 23. Die Räuberbande des Schwarzen Veri im Mederwald, Johann Baptist Pflug 1822

Quelle: Frank Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, in: Uwe Degreif (Hrsg.), J. B. Pflug, Johann Baptist Pflug (1785-1866), Lindenberg i. Allgäu 2016, S. 161-181, hier S. 165.

508 Zengerle, Johann Baptist Pflug, S. 157. 509 Eichhorn, „Die wilden Gesellen in ihrem grünen Theater“, S. 203/S. 205. 117

Xaver Hohenleiter ist für Pflug kein verabscheuungswürdiger Verbrecher, er löst in ihm eine Faszination aus. Auch in seinen Motiven lässt sich diese Begeisterung für den Schwarzen Veri feststellen. Für die Anfertigung seiner Gemälde stellt er sich vor, wie sich die Gauner im Wald gemeinsam eingefunden haben, denn in Freiheit hatte der Maler die Räuber nie gesehen.510

Das Aquarell-Bild (Abb. 23) zeigt die Räuber im Frühjahr 1819. Es soll die Räuber wahrscheinlich noch vor dem 7. April 1819 darstellen, denn rechts neben dem Schwarzen Veri, welcher in der Mitte des Bildes als Hauptfigur dargestellt wurde, steht nämlich Sebastian Kellermann, welcher im April die Bande des Schwarzen Veri verließ. Die Räuber stehen im Vordergrund des Bildes vor den selbsterbauten Hütten, welche sie aus Tannenzweigen gefertigt hatten. Rechts unten im Bild sitzt die Günzburger Sephe und strickt. Neben ihr kniet der Sohn der Sephe und des Veri am Boden und spielt. Dem ersten Anschein nach würde man die Räuberbande gar nicht als eine solche erkennen, doch bei genauerem Hinsehen, erkennt man das Gewehr, welches einer der Räuber in der Hand hält. Das Versteck mitten im Wald wird in einer idyllischen Stimmung eingefangen und gezeichnet. Im Bildzentrum steht der Schwarze Veri mit einem offenen Hemd, seinen dunklen Locken und seinem schwarzen Hut. Links neben ihm steht sein treuer Begleiter, der schöne Fritz, gut zu erkennen aufgrund seiner langen blonden Haare. Allgemein lässt sich feststellen, dass Pflugs Gruppenporträt eine ganz andere Wirkung beim Betrachter erzeugt, als man dies, wenn es um das Thema Gauner geht, eigentlich vermuten würde. Denn es zeigt keine brutalen Räuber, sondern zeigt vielmehr das Bild einer ‚Großfamilie‘. Ein Kind, welches spielend am Boden sitzt, eine Mutter die strickt, auf der linken Seite sitzt ein Liebespaar, dass sich im Arm hält und etwas trinkt, im Hintergrund besprechen sich zwei Männer während einer dem anderen den Arm um den Schulter legt und in der linken, hinteren Bildhälfte, kümmern sich zwei Personen wohl gerade um das Essen.

Eine ähnliche Wirkung hat auch das nächste Bild (Abb. 24.), eines der wohl bekanntesten Räuberbilder des Schwarzen Veri. Es wurde auf das Jahr 1824 datiert und „ist das zentrale Motiv in der Werkgruppe der Räuber, das vielfach abgedruckt und beschreiben wurde und das – trotz seiner Theatralik – das Bild von den oberschwäbischen Räubern bis heute geprägt hat.“511

510 Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, S. 162. 511 Ebd., S. 165. 118

5.1.2. Die Räuberbande des Schwarzen Veri von 1824

Abb. 24. Die Räuberbande des Schwarzen Veri von 1824, Johann Baptist Pflug

Quelle: Frank Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, in: Uwe Degreif (Hrsg.), J. B. Pflug, Johann Baptist Pflug (1785-1866), Lindenberg i. Allgäu 2016, S. 161-181, hier S. 173.

In diesem Bild vermittelt Pflug den Eindruck, dass die Räuber im Wald gerade ein Fest feiern. Doch auch hier ist, wie schon bei Abbildung 23, auf den ersten Blick nicht sofort klar, dass es sich um eine Räuberbande handelt. „Besonders aus heutiger Sicht ist auf den ersten Blick bloß eine ausgelassene dem Trunke zusprechende, ansonsten freundliche Gesellschaft im Wald zu sehen.“512 Auf diesem Räuberbild verzichtete Pflug gänzlich darauf, Waffen zu zeigen. Doch Pflug gibt den Betrachtern zumindest ein paar Hinweise, dass die dargestellten Personen keine bürgerliche Herkunft besitzen. Die ‚dreckete Mutter‘ trinkt eifrig aus einem Becher, sodass ihr der Schnaps über die Wangen läuft. Im Vordergrund liegt zudem eine betrunkene Frau, die der Maler als Cresentia Gebhard zu erkennen gibt. Brunecker kommentiert diese Szene auf dem Bild wie folgt: „Keine Bürgersfrau hätte sich so gezeigt. Sie hätte nicht einmal ein Kleid mit Dekolleté und kurzen Ärmeln in der Öffentlichkeit getragen.“513 Genauso verhält es sich auch bei den

512 Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, S. 165. 513 Ebd. 119

Männern. Kein ehrlicher Bürger würde seine Brust so entblößen, wie der Schwarze Veri in den Gemälden von Pflug. Auch passt es nicht zum bürgerlichen Aussehen, einen Hut schief auf den Kopf zu setzen.514 Während in Abbildung 23 alle Personen in ordentlicher Kleidung dargestellt wurden, zeigt Pflug hier den Condeer mit einem zerrissenen Hemd ganz vorne, angelehnt an den Fidele, welcher sich auf seinen Stock aufstützt. Neben dem Schwarzen Veri steht die Günzburger Sephe, welche eine Kaffeemühle in der Hand hält. Wichtig zu wissen ist, dass Kaffee zur damaligen Zeit ein wahres Luxusgut war und es daher wahrscheinlich erscheint, dass es von der Bande geraubt wurde. Ganz vorne, dort wo auch die Cresenz Gebhard liegt, hat der Maler noch weitere Räuberbeute gezeichnet. Auffallend dabei ist, dass Pflug hier eindeutig von der historischen Wirklichkeit abweicht, wenn er Kerzenständer und Kelche, also Kirchengut, als Beute darstellt. Denn die Bande des Schwarzen Veri hatte nie einen Kirchenraub ausgeführt. Zudem liegen allerlei verschiedene Beutestücke am Boden, obwohl die Bande hauptsächlich Lebensmittel oder Kleidung gestohlen hatte.

Pflug präsentiert mit diesem Gemälde seine ambivalente Haltung, welche er gegenüber den Räubern hat. Während er in der Bildunterschrift den Schwarzen Veri als „rohe, teuflische Seele“515 bezeichnet, und nach seinen Aussagen eine Räuberbande darstellt, welche „die scheußlichsten Mißhandlungen“516 verübt hatte, zeigt das Bild lediglich eine fröhliche, gesellige Gruppe von Männern, Frauen und Kindern. Eine Mutter, die ihr Kind liebevoll auf dem Arm trägt, Frauen, die nicht zaghaft am Bildrand platziert wurden, sondern in die Gruppe integriert sind, indem sie an der Seite ihrer Männer stehen. Auch die Landschaft ist wie bei Abbildung 23 sehr idyllisch gestaltet. Pflug selbst gibt an, die Aussicht sei auf den Bodensee gerichtet.517 Links unter einer großen Tanne ist zudem eine der selbstgebauten Hütten zu erkennen. Die Bande steht in einer bühnenreifen Kulisse; die wilden Gesellen, eingebettet in ihrem „grünen Theater“518. Nachdem die Räuberdarstellungen im 16. Jahrhundert noch von einer düsteren Stimmung geprägt waren, ändert sich ab dem 18. Jahrhundert nach und nach das Räubermotiv. „Im Unterschied zu den hochdramatischen barocken Darstellungen des Raubüberfalls stehen hier die – so möchte man sagen – friedlichen Seiten des Räuberlebens im

514 Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, S. 165. 515 Ebd., S. 173. 516 Ebd. 517 Ebd. 518 Eichhorn, „Die wilden Gesellen in ihrem grünen Theater“, S. 203. 120

Vordergrund.“519 Das rastlose Leben, das provisorische Hausen im Wald, außerhalb der funktionierenden und geordneten Gesellschaft wird mit romantischen Details ausgestattet. Themen wie lustige Geselligkeit, häusliche Fürsorge oder Erotik werden in stereotypen Motiven, wie beispielsweise der Mutter, die sich um ihr Kind kümmert, dargestellt.520 Obwohl das Leben der Gauner als Gegenwelt zur idealisierten bürgerlichen Welt verstanden werden kann, werden die Räuber durch diese Details aber auch mit bürgerlichen Wertvorstellungen ausgestattet. Denn es spiegeln sich „gerade darin die durch die Aufklärung beeinflußten bürgerlichen Idealvorstellungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts wie Natürlichkeit und Einfachheit, die sich vor allem gegen die höfische Kultur richten.“521 Es lässt sich eine romantische und verklärende, aber dennoch positive Umwandlung des Räubermotivs feststellen, welches besonders im 19. Jahrhundert durch die Darstellung des ‚edlen Wilden‘ weiter fortgesetzt wird.

Das letzte Bild, welches im Zusammenhang mit Pflug analysiert wird, zeigt die Gefangennahme der nachfolgenden Räuberbande des Anton Rosenberger. Nach der Festnahme des Schwarzen Veri waren einige der entkommenen Gauner (wie beispielsweise der Fidele und der Condeer) in die Bande von Rosenberger übergegangen. Aus diesem Grund wird die Gefangennahme der letzten Räuber aus der Schwarzen Veri Bande in diese Analyse mit hineingenommen. Während die Abbildungen 23 und 24 sehr ähnlich, sehr idyllisch und sehr romantisch dargestellt wurden, so zeigt das Motiv der Gefangennahme ein anderes Bild.

519 Katrin Boskamp-Priever, Mordgewohnte Blicke. Der Räuber in der Malerei, in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Schurke oder Held? Historische Räuber und Räuberbanden (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums 3), Sigmaringen 1995, S. 213-226, hier S. 220. 520 Ebd. 521 Ebd. 121

5.1.3. Gefangennahme der Räuber von 1822

Abb. 25. Gefangennahme der Räuber von 1822, Johann Baptist Pflug

Quelle: Frank Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, in: Uwe Degreif (Hrsg.), J. B. Pflug, Johann Baptist Pflug (1785-1866), Lindenberg i. Allgäu 2016, S. 161-181, hier S. 171.

Die dramatische Szene der Gefangennahme am 29. Mai 1819 kann an Theatralik kaum überboten werden. Während der Räuberhauptmann Rosenberger aufgeschreckt mit geballter Faust und nackter Brust in der Bildmitte dargestellt wurde, steht im Gegensatz dazu, die leidende Miene und pathetische Geste seiner Gefährtin, welche am Boden sitzend, mit ausgestreckter Hand nach Rosenberger reicht. Dieses Bild, im Vergleich zu den anderen beiden, lässt keine Zweifel zu, dass es sich um eine Räuberbande handelt. Fast jeder Mann ist mit einer Waffe ausgestattet, und steht zum Kampf bereit. Dennoch weicht in dieser Darstellung der Maler von der historischen Wirklichkeit ab. Denn der Anführer Rosenberger mit seiner Gefährtin, sowie der Fidele mit seiner Partnerin wurden bereits einen Tag zuvor festgenommen. Da der Maler aber alle Gauner auf einem Bild darstellen wollte, wich er von der Realität ab.522 Die Wirklichkeit zeichnete nämlich ein

522 Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, S. 163. 122 ganz anderes Bild, denn die restlichen Räuber hatten sich ohne große Gegenwehr dem Militär ergeben.

„Pflug verstärkt den realistischen Anstrich des Bildes durch eine ausführliche Bildlegende auf dem Passepartout und erweckt damit den Eindruck, sein Bild entspräche der historischen Situation. Doch eigentlich verbrämt er eine theaterhafte Szene mit dem Anschein von Authentizität.“523 Die Kombination aus einem authentisch scheinenden, informativen Text und der bildlichen Darstellung erinnert stark an die Druckgraphik, welche früher auch für die Verbreitung von aufsehenerregenden Nachrichten verwendet wurden.524 Eichhorn bestätigt: „Tatsächlich scheint Pflug das Grundschema der seiner Gouachen mit der unterhalb des Bildfeldes eingefügten Bildlegenden aus der Druckgraphik übernommen zu haben.“525 Allgemein lässt sich aber in den Gruppenporträts der Räuber der Schwarzen Veri Bande, eine idyllische Stimmung finden. Pflug stellt in seinen Werken einen idealisierten Räuber dar, welcher in einer malerischen Umgebung agiert. „Im Mittelalter und auch während der […] Neuzeit fürchteten sich die Menschen vor dem tiefen Wald, der für sie ein Symbol für Gefahren und Chaos war. Der idealisierte Räuber dagegen ist der Natur verbunden und liebt mitsamt seiner Bande deren Schönheit.“526 Eine solche romantische Darstellung der Motive ist in den Bildern Pflugs feststellen. Weitaus romantischer, als es in der historischen Realität auch nur jemals wirklich war. „Es liegt darin ein mit den Mitteln der Zeit stilisierter Vorschlag, in diesen ausgegrenzten und chancenlosen Vagabunden Mitmenschen zu sehen, die um ihr Leben kämpfen. Es sind dies in ihrer Zeit gewagte und innovative Bildideen.“527 Ganz bestimmt spielte aber auch die eigene Faszination und Bewunderung Pflugs eine große Rolle in der Erstellung der Räuberbilder. Pflug, welcher 1785 in Biberach geboren und 1866 gestorben war, war die Räuberbande des Schwarzen Veri natürlich bekannt. Er gilt bis heute als einer der wichtigsten Maler in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Württemberg.528 Während seinerzeit die Kunst vom klassizistischen Zeitstil dominiert war, hält er sich persönlich von diesem fern. „Er fühlt sich durchaus einer Darstellungsweise verbunden, die auf Sauberkeit, Aufgeräumtheit und eine gewisse bürgerliche Anständigkeit Wert legt und

523 Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, S. 164. 524 Eichhorn, „Die wilden Gesellen in ihrem grünen Theater“, S. 209. 525 Ebd. 526 Reitz, Schinderhannes und Spießgesellen, S. 156f. 527 Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, S. 166. 528 Uwe Degreif, Die glücklichen Einfälle des Malers Johann Baptist Pflug, in: Uwe Degreif (Hrsg.), Johann Baptist Pflug (1785-1866), Lindenberg i. Allgäu 2016, S. S. 8-23, hier S. 9. 123 sich kleinen romantischen Fantasien hingibt.“529 Eine Ambivalenz, die besonders in seinen Werken der Räuberbande zu finden sind. Einerseits stattet er die Räuber mit bürgerlichen Werten wie beispielsweise Mutterliebe aus, andererseits kann die Welt der Gauner als Gegenwelt zur bürgerlichen Welt verstanden werden, die romantisch verklärt dargestellt wird.

Abschließend fasst Eichhorn, welcher sich mit den Gemälden von Pflug intensiv auseinandergesetzt hat, zusammen:

„Historische Fakten und Projektionen sind unlösbar verquickt. Die Lebensverhältnisse der Räuber erscheinen zum einen als gefährliche, zum Teil dämonisierte Gegenwelt zur biedermeierlichen Vorstellung vom privaten Glück in den vernünftig geregelten Strukturen von Familie, Haus und Staat; daneben werden auf die Räuber aber offensichtlich auch die Sehnsucht nach einem naturgemäßen, unverbildeten Leben und der in einer Epoche erzwungener politischer Abstinenz besonders brisante Traum vom Aufbegehren gegen die Obrigkeit projiziert.“530 Die Räuberromantik macht es den Lesern möglich, Träume zu träumen und in Szenen zu schlüpfen, die das zivilisierte Leben eigentlich vorenthält.531

5.2. Wanderlegende des Schwarzen Veri Man kann sich den Schwarzen Veri nur schwer als zuvorkommenden Beschützer vorstellen. Während in den Akten beispielsweise von den Gräueltaten und dem brutalen Überfall auf die Witwe Schmid berichtet wird, entstehen um den Schwarzen Veri Wanderlegenden, welche die angebliche Persönlichkeit Hohenleiters veranschaulichen sollen.

„Eine Frau mußte noch des Nachts zu Fuß von Ochsenhausen nach Rottum gehen. Sie hatte große Angst vor der berüchtigten Räuberbande. Glücklicherweise jedoch war noch ein Mann auf der selben Straße unterwegs. Diesen sprach sie an, ob er an ihrer Seite bleiben könne, solange der Weg durch den Wald führe, denn sie habe große Angst vor dem ‚Schwaaza Vere‘. Der freundliche Mann erfüllte der Dame den Wunsch und es entwickelte sich während des Marsches ein reges Gespräch. Als der Wald durchquert war, blieb sie stehen und fragte: ‚Danke daß sie mich durch den Wald geführt haben, doch möchte ich jetzt gerne wissen, wer mich denn eigentlich begleitet hat?‘ ‚Wer ich bin? ... Ich bin der 'Schwaaze Vere'!‘ antwortete lachend der Mann. Darauf sank die Frau in Ohnmacht. 532

529 Degreif, Die glücklichen Einfälle des Malers Johann Baptist Pflug, S. 14. 530 Eichhorn, „Die wilden Gesellen in ihrem grünen Theater“, S. 210. 531 Danker, Die Geschichte der Räuber und Gauner, S. 293. 532 Peter Engelhardt, Brauchtum, Sagen und Anekdoten aus der Region. Erzählungen des Großvaters: Dr Schwaaze Vere, 05.2017, [https://www.ochsenhausen.net/geschichte/brauchtum-sagen-anekdoten.php], eingesehen 29.03.2019. 124

Die gleiche Legende findet sich bei Hans Nagengast noch einmal, in einer ähnlichen doch deutlich romantischeren Form wieder:

„Je mehr sich Maria [ein junges Bauernmädchen] nun dem Waldrand näherte, umso stärker spürte sie ihr Herz klopfen. […] Maria entschloß sich, umzukehren […], da sah sie, wie ein junger Mann aus dem Wald trat […]. Ihre Angst war schnell verflogen, eilends lief sie zu dem Burschen. ‚Gut, daß Sie gekommen sind, ich hatte solche Angst‘, sagte Maria außer Atem. Der Bursche betrachtete belustigt das hübsche Mädchen mit den vor Aufregung geröteten Wangen. ‚Vor wem hast Du denn solche Angst‘? ‚Vor dem Schwarzen Veri und seiner gefährlichen Bande. Man sagt, daß sie hier im Wald hausen sollen‘. Der junge Mann lachte kurz auf, dann sagte er beruhigend zu dem Mädchen: ‚Wenn ich hier bin, brauchst Du vor dem Schwarzen Veri keine Angst haben. […] Der Schwarze Veri soll es nicht wagen, Dir auch nur ein Haar zu krümmen‘. Dankbar sah Maria zu dem großen kräftigen Burschen auf. […] Unauffällig betrachtete das Mädchen seinen Beschützer. […] Sein Anzug war aus bestem Wollstoff. Dazu trug er Stiefel aus feinem Leder und einen Hut nach der neuesten Mode. Seine Augen blickten sympathisch und doch entschlossen zugleich. […] Als er seine Begleiterin anlächelte, sah sie seine prachtvollen, blendendweißen Zähne im Sonnenlicht aufblitzen. […] Sie betrachtete bewundernd den gutaussehenden, sympathischen jungen Mann mit einem langen Seitenblick. […] Marias Begleiter blieb stehen. ‚Nun bist du wohlbehalten in Berg angekommen, ich gehe wieder zurück‘. ‚Ich danke ihnen recht herzlich, daß Sie mich begleitet und vor dem Schwarzen Veri beschützt haben‘. Über das Gesicht des Burschen huschte ein Lächeln. Mit leiser Stimme antwortete er dem Mädchen: ‚Der Schwarze Veri, vor dem Du so Angst hast, der bin ich selbst.‘ Maria riß vor Schreck und Erstaunen den Mund auf. Sie wollte ihm sagen, daß sie ihn nicht für einen bösen Räuber, sondern für einen guten Menschen hielt, brachte aber keinen Ton hervor. […] Der Schwarze Veri eilte mit langen Schritten zurück. Er drehte sich noch einmal nach dem Mädchen um, das immer noch wie angewurzelt dastand, winkte ihm freundschaftlich zu, bevor er in dem weitläufigen Wald untertauchte.“533 Dieser Überraschungseffekt, beziehungsweise solche Erzählmuster mit austauschbaren Figuren lassen sich auch in anderen Räuberlegenden finden. Barczyk erklärt, dass solche Legenden „längst einen festen Platz in der Literatur erobert haben“.534

Der von der Gesellschaft verachtete Räuber „verkleidet“ sich, setzt sozusagen für eine gewisse Zeit eine Maske auf, um in die Gesellschaft zurückzukehren. Bald wird von der Gesellschaft oder einzelnen Personen auf das eigentliche Thema gelenkt. Dabei ist nicht entscheidend, dass über den Räuberhauptmann gesprochen wird, sondern wichtig ist dabei, dass es in seiner Gegenwart passiert, ohne dass es die anderen Beteiligten wissen. Es bleibt natürlich nicht aus, dass der Räuber schließlich ins Gespräch hineingezogen

533 Hans Nagengast, Der Schwarze Veri. Roman nach wahren Begebenheiten in Oberschwaben zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Wangen im Allgäu o.D., S. 8f. Siehe auch Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 8f. 534 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S.9. 125 wird. Das hat zur Folge, dass er über sich selbst in der dritten Person spricht, und so tut, als ob der Räuber ein Fremder sei.535 Ähnlich verhält es sich bei der Legende des Schwarzen Veri. Hätte das junge Mädchen von Beginn an gewusst, welche Person sich wirklich hinter ihrem Beschützer versteckte, dann wäre sie niemals mit ihm durch den Wald gegangen. Doch der Schwarze Veri schlüpft in die Rolle des Beschützers, und kann somit beweisen, dass die schlimmen Geschichten, die man über ihn erzählt, gar nicht wahr sein können, wenn er doch so freundlich und zuvorkommend ist. Die Legende jedenfalls malt das Bild eines idealisierten Räubers, welcher von der Gesellschaft missverstanden wird. Von einem Räuber, vor dem man sich nicht fürchten muss. In beiden Überlieferungen finden sich einige positive Textstellen, die man mit einem skrupellosen Räuber nicht in Verbindung bringen würde: „der freundliche Mann erfüllte der Dame den Wunsch“, „Seine Augen blickten sympathisch […].“, „Als er seine Begleiterin anlächelte, sah sie seine prachtvollen, blendendweißen Zähne im Sonnenlicht aufblitzen.“, „Über das Gesicht des Burschen huschte ein Lächeln.“, oder „Sie wollte ihm sagen, daß sie ihn […] für einen guten Menschen hielt“. Adjektive wie ‚freundlich‘ ‚sympathisch‘ oder ‚gut‘ finden sich normalerweise nicht in den Beschreibungen der Charaktereigenschaften eines Räubers. Während die Räuber in Wirklichkeit meist eine gewisse Verachtung gegenüber ihren Mitmenschen entwickelten, so verkörpert der idealisierte Gauner, wie auch in den beiden oben genannten Legenden, „eine Art von ‚Anti-Räuber‘, der zwar als Räuber bezeichnet werden kann, aber in seinem Inneren von edlen Eigenschaften dominiert wird“536.

5.3. Gustav Schwab, Psalm 104,4. Nach dem spektakulären Tod des Schwarzen Veri, veröffentliche der bekannte schwäbische Dichter Gustav Schwab 1840/41 ein Gedicht über die Nacht, als der Blitz in den Schwarzen Veri gefahren war. Seine Ballade traf den Zeitgeist der Menschen, denn sie hatten den Tod des Schwarzen Veri als Gottesgericht interpretiert. „Der Himmel selbst hatte mit rächender Hand zugeschlagen. Überall wurde Buße gepredigt und Gottes Gerechtigkeit ehrfürchtig gelobt.“537

Der Legende nach hatte der Schwarze Veri kurz vor seinem Tod, der Ursel (einer Gefangenen, die über ihm eingesperrt war) zugerufen: „Wenn nur der Blitz einmal in das

535 Holger Dainat, Abaellino, Rinaldini, und Konsorten. Zur Geschichte der Räuberromane in Deutschland, Tübingen 1996, S. 243-245. 536 Reitz, Schinderhannes und Spießgesellen, S. 155. 537 Kosean-Mokrau, Räuberleben-Räubersterben, S. 218f. 126 verfluchte und vermaledeite Loch da schlagen tät.“538 Bevor die Ursel antworten konnte, soll der Schwarze Veri schon vom Blitz getroffen worden sein. Die Biberacher sahen daher in dem jähen Tod ein Gottesurteil. Das schreckliche Ende des Schwarzen Veri wurde dann von Gustav Schwab in seiner Ballade verewigt, und trägt bis heute zur Legendenbildung bei.

Während der Schwarze Veri in den nachfolgenden Jahren meist als missverstandene, idealisierte und romantisierte Räuberfigur dargestellt wurde, wird bei Schwab das andere Extrem dargestellt: ein gotteslästernder Mörder. Genau darin liegt aber das Problem, denn auch das Gedicht von Schwab enthält zwei Unwahrheiten, die von Bedeutung sind. Erstens, der Schwarze Veri war kein Mörder. Er war zwar wegen anderen Vergehen zu Recht in Haft, jedoch hatte er nie einen Mord begangen. Zweitens hatte der Schwarze Veri nie einen Ausbruchversuch aus dem Ehinger Turm gewagt. Trotz der verfälschten Darstellung des Schwarzen Veri, war Schwabs Ballade, welche mit einer gehörigen Portion Pathos ausgestattet ist, bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts noch in den württembergischen Schulbüchern abgedruckt.539 „Xaver Hohenleiter war nach der württembergischen Schulbuchtradition ein gefährlicher Verbrecher und Mörder und hat heute das Image eines Sozialrevolutionärs.“540

Dieser Widerspruch erzeugt ein bestimmtes Spannungsfeld zwischen ‚Verdammung und Verherrlichung‘. Während sich Schwab an das frühe und düstere Räuberbild klammert, wird der Schwarze Veri heute ganz im Zeichen des ‚edlen Räubers‘ gesehen. Mit dem frühen Räuberbild versuchte, besonders die Obrigkeit, den rechten Weg zu weisen. „Gefährlichkeit und Ausmaß des Banditenwesens werden deshalb überzeichnet, um die Leistungen der guten, noch von Gott eingesetzten Obrigkeit im vollen Licht erscheinen zu lassen […].“541 Das Gedicht von Schwab besitzt diesen erzieherischen Unterton, wurde deshalb auch in den Schulbüchern so lange beibehalten. „Erbauliche und moralische Vermittlungsziele werden realisiert im höchst attraktiven, verkaufssteigernden Spiegel der Amoral.“542

538 Karlheinz Schaaf, Sagen und Schwänke aus Oberschwaben, Konstanz 1993, S. 87. Siehe auch Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 1. 539 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 10. Siehe auch Kosean-Mokrau, Räuberleben-Räubersterben, S. 219. 540 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 13. 541 Danker, Die Geschichte der Räuber und Gauner, S. 276f. 542 Ebd., S. 280. 127

Psalm 104, 4.543

Anklopft das Wetter unter Sturm Dem Richter, dem Gesetz zum Spott! Zu Biberach am Sünderthurm. Noch einen Strich – – dann Trotz dir, Gott! Die Wölbung bebt vom Wiederhall, Ja wettre nur, ich feil’, ich feil’! – –“ Die Eisenstäbe zittern all. Da fliegt der Blitz, der Flammenpfeil.

Es blitzt so hell, es kracht so schnell: Da feilt der Strahl den Ring durchein, Da liegt auf Stroh kein Diebsgesell, Er feilt bis in das Herz hinein, Dem in der schwarzen Feuernacht Der Mörder krümmt sich wie ein Wurm, Nicht das Gewissen lodernd wacht. Der Donner schüttelt an dem Thurm.

Ein jeder Blitz weckt eine Tück’, Die andern hat verschont der Schlag, Ein jeder Knall ein Bubenstück, Und nur als schwarze Schlacke lag, Sie werfen auf die Kniee sich Mit Ketten und mit Eisenband Und fleh’n und weinen bitterlich. Verschmolzen Einer an der Wand.

Ein Mörder nur ohn’ all’s Gebet In Ketten angeschmiedet steht, Ein eisern Band den Leib umflicht, Er kann nicht knien, er thät’s auch nicht.

Er rasselt an der Wand voll Wuth, Wie wohl eine Wolf im Käfig thut; Er flüstert: Bald bin ich befreit! Blitz Element, jetzt ist es Zeit!“

Aus einer Falte seiner Haut Schlüpft eine Feil’, eh’s einer schaut: „Jetzt feil’ ich in der dunklen Nacht, Ich feile, weil das Wetter kracht.

Ihr Narren, betet nur und heult, Derweil mein Ring wird durchgefeilt! Eu’r Winseln bittet euch nicht los, Doch ich, bald wandl’ ich kettenbloß.

543 Gustav Schwab, Psalm 104, 4, zit. n. Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 10f. 128

5.4. Dokumentation „Der Sagenhafte Südwesten“ Barczyk stellt sich die Frage, inwieweit die historisch nicht haltbaren Berichte über den Schwarzen Veri dessen Legendenbildung gefördert haben. Schulkinder, so Barczyk, würden in dem Schwarzen Veri lediglich einen oberschwäbischen Robin Hood erkennen. „Für sie ist er ein klasse Typ, der ganz Oberschwaben in Schach hielt, die Reichen bestahl und die Armen beschenkte.“544 Diese Aussage zum Schwarzen Veri bestätigt die erst kürzlich erschienene Dokumentation „Oberschwaben – Glaube, Betrug und böse Gerüchte“ der Dokumentationsreihe „Sagenhafter Südwesten“.545 Dort heißt es: „So wie man als kleiner Bub gerne Pirat wäre, oder Cowboy, so wäre man in Biberach gern Schwarz Vere.“546

Barczyk schreibt, dass er den Veri auch noch aus seiner eigenen Kindheit in Erinnerung hat, dort wurde ihnen, wenn sie nicht brav waren, mit dem Schwarzen Veri gedroht.547 Auch in der Dokumentation des SWR wird davon berichtet, inwiefern in Oberschwaben der Schwarze Veri bei der Kindererziehung zum Einsatz kommt:

„Der Schwarz Vere ist bei uns der Schwarze Mann der Kinder, sprich die […] Eltern sagen den in Biberach Aufwachsenden immer wieder, oder die Oma sagt immer wieder: ‚Pass auf, wenn du net brav bischt, kommt der Schwarz Vere und holt dich.‘ Und natürlich hat […] der historische Hintergrund da sein Schäufchen dazu beigetragen, weil dieser sehr romantisch-dramatisch verklärte Tod des Schwarzen Vere ihn letztendlich im Geiste weiter hat leben lassen.“548 Doch obwohl die Dokumentation versucht einen sachlichen Überblick zu geben, wechselt sie sich damit ab, den Fernsehbeitrag entweder zu dramatisieren oder romantisieren. Der Schwarze Veri wird auf der einen Seite als „teuflischer Räuber“549 und „brutaler Zeitgenosse“550 betitelt, dem, als er starb, Gottes Segen verwehrt blieb551. Auf der anderen Seite war er „ein armer Hirtenjunge, der in seiner Not zum Räuber geworden ist“552 und gleichzeitig als „legendärer“553 Räuber und „Repräsentant einer ausgehenden Epoche“554 gefeiert wird. Zu der in Kapitel 5.2. beschriebenen Wanderlegende äußert sich die

544 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 9. 545 SWR Fernsehen BW, Sagenhafter Südwesten. Oberschwaben - Glaube, Betrug und böse Gerüchte, Fernsehprogramm, 44:50 min, Deutschland 20.1.2018. 546 Ebd., 31:45-31:51 min. 547 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 8. 548 SWR Fernsehen BW, Sagenhafter Südwesten, 28:07-28:39 min. 549 Ebd., 27:12-27:14 min. 550 Ebd., 30:17-30:20 min. 551 Ebd., 32:34-32:38 min. 552 Ebd., 32:44-32:48 min. 553 Ebd., 27:14-27:17 min. 554 Ebd., 32:20-32:22 min. 129

Dokumentation wie folgt: „Der Schwarze Vere ist in der Sage auch ein Beschützer. In Wahrheit setzt er ganze Höfe in Brand.“555 Abgesehen davon, dass es nicht mehrere Höfe, sondern eine einzige Ölmühle war, die der Schwarze Veri in Brand setzte, ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass der Schwarzen Veri als zuvorkommender ‚Beschützer‘ einem jungen Mädchen Geleitschutz durch den Wald gebot.

5.5. Historische Romane zum Schwarzen Veri 5.5.1. Literarische Bilder Fast jedes Kind hat bereits eine Vorstellung von Räubern und Räuberbanden, „vor allem die Darstellung einer scheinbaren Räuberwirklichkeit in Film und Fernsehen haben die historische Wahrheit über die Räuberbanden stark verzerrt und entstellt. 556

Doch auch in der Literatur finden wir solche verfälschten Bilder, denn seit rund zwei Jahrhunderten hält sich ganz kontant ein romantisches Räuberbild, welches nur wenig mit der historischen Wirklichkeit zu tun hat. Die Darstellung von Räubern in der Literatur und Kunst vollzog aber zuvor einen Wandel. Während man für lange Zeit den Räuber als das personifizierte Böse dargestellt hatte, konzentrierte man sich ab dem 18. Jahrhundert vermehrt auf den Angeklagten selbst. Die Räuberromantik erlebte in den späten 90er Jahren des 18 Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland dann eine erste Blüte. Auch in der zweiten Welle der Räuberromantik zwischen 1820 und 1840 erscheinen nach glaubhafter Zählung sogar 200 Räuberromane. Diese Romantik veränderte die Sicht auf den deutschsprachigen Räuber.557 Von nun an wird nämlich der Räuber als romantischer Held dargestellt:

„Räuber tragen Schlapphüte und Pistolen, hausen in Wäldern und einsamen Wirtshäusern, und sie dienen einem Räuberhauptmann, der zumeist trotz des Raubens und Mordens kein richtiger ‚Verbrecher‘ ist. Statt dessen gilt er als edel, er gibt den Armen, erobert Frauenherzen, rächt sich an der Gesellschaft für erlittenes Unrecht. Allenfalls übertreibt er die Genußsucht, gilt als lebensgierig […]. Immer endet ‚der Räuber‘ als reumütiger, armer Sünder […]; er muß sterben, sei es tragisch oder auf der Hinrichtungsstätte.“558 Doch während in der Literatur ein solches Bild gezeichnet wird, sollte nicht vergessen werden, dass dieses mit der Realität nur in seltenen Fällen übereinstimmt. Ein solches Bild verrät oft mehr über den Verfasser und seine Wünsche, als über die Abgebildeten.

555 SWR Fernsehen BW, Sagenhafter Südwesten, 31:35-31:42 min. 556 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 28. 557 Danker, Die Geschichte der Räuber und Gauner, S. 275f., S. 280, S. 290, S.292. 558 Danker, Räuberbanden im Alten Reich, S. 451. 130

Solche gezeichneten Bilder, ob literarisch, oder in Form von Filmen oder Gemälden, dienen immer einem bestimmten Ziel. Egal welches Ziel, ob Abschreckung, Eintauchen in Sehnsüchte oder Rechtfertigungen, die scheinbare Wirklichkeit deckte sich keineswegs mit der Realität.559

Einer der wohl bekanntesten Räuberromane im 18. Jahrhundert war Christian August Vulpius560 „Rinaldo Rinaldini“. Während, wie oben beschrieben, 200 weitere Räuberromane auf dem Buchmarkt erschienen, konnte keines mit der Beliebtheit des Werks ‚Rinaldo Rinaldini‘ mithalten. Danker gibt an: „‚Dies war ein Buch, das alle kannten, das Buch der Zeit.‘“561 Der Roman stellte die Liebe, die Erotik, unerschrockene und kühne Taten in den Vordergrund. „Eine bewegte Handlung bietet dem bürgerlichen Leser mit erkennbarer Lust Schilderungen von Gewalt und freier Sexualität, Aspekte also, die das zivilisierte Leben eigentlich vorenthält.“562 Dieser abenteuerlichen und aufregenden Räuberwelt wurde eine „triebreduzierte, saubere und ordentliche sowie patriarchale bürgerliche“563 Welt gegenübergestellt, welche als Ideal fungierte.

Im nachfolgenden Kapitel möchte ich zwei unterschiedliche Werke analysieren. Zuerst das erst vor 6 Jahren erschienene Werk von Wiltrud Ziegler „Der Mond war ihre Sonne“564, danach der Roman „Der Schwarze Veri“ von Hans Nagengast565. Dabei wird besonders darauf geachtet, welches Bild vom Schwarzen Veri vermittelt wird. Beschützer, Rächer, oberschwäbischer Robin Hood oder brutaler Dieb und skrupelloser Zeitgenosse.

5.5.2. Der Mond war ihre Sonne – Wiltrud Ziegler Der Roman von Wiltrud Ziegler zeichnet ein romantisch verklärtes Bild der Räuberbande des Schwarzen Veri. Obwohl Ziegler den ‚schönen Fritz‘ zur Hauptperson ihres Werkes gemacht hat, dreht sich die zweite Hälfte ihres Werkes um die gemeinsam erlebte Zeit in der Räuberbande. Dabei vermittelt sie vom Veri, sowie der Bande allgemein, ein äußerst

559 Danker, Räuberbanden im Alten Reich, S. 451. 560 Christian August Vulpius (geb. 1762 in Weimar; gest. 1827 in Weimar) war der Bruder von Christiane Sophie Vulpius, der Ehefrau von Johann Wolfgang von Goethe. Der Schwager Goethes war besonders für seinen Räuberroman ‚Rinaldo Rinaldini‘ bekannt. 561 Kurt Elwenspoek, Rinaldo Rinaldini, S.102, zit.n. Danker, Die Geschichte der Räuber und Gauner, S. 292. 562 Danker, Die Geschichte der Räuber und Gauner, S. 293. 563 Ebd. 564 Wiltrud Ziegler, Der Mond war ihre Sonne. Ein packender Roman nach der wahren Geschichte des schönen Fritz und der Räuberbande des schwarzen Veri, Bretten 2013. 565 Hans Nagengast, Der Schwarze Veri, Wangen im Allgäu o.D.. 131 romantisches Bild, wobei sie den Schwarze Veri nicht nur einmal mit dem englischen Sozialrebellen ‚Robin Hood‘ vergleicht.

5.5.2.1. Darstellung des Vaganten- und Räuberleben bei Ziegler

Als der schöne Fritz aufgrund der Hungerkrise 1816/17 zu einem vagierenden Lebensstil gezwungen wurde, wanderte er allein durch Süddeutschland. Bereits das Vagantenleben wird bei Ziegler deutlich romantischer dargestellt, als es in der Realität war. Der schöne Fritz beispielsweise fühlte sich in seinem Vagantenleben, obwohl er weder Unterkunft noch Geld hatte, „frei wie ein Vogel im Wind.“566 Die Vaganten wurden laut Ziegler oft „zu Unrecht einer schlechten Tat“ beschuldigt, oder „zu Sündenböcken abgestempelt“567. Sie waren trotz allem Menschen mit „viel Seele“ und besaßen „echtes Mitleid“.568

Oft vermittelt die dargestellte Räuberwirklichkeit in Film und Literatur, wie auch in diesem Werk, eine überzogene Räuberromantik. Dabei ist der idealisierte Räuber „eine Kunstfigur und eine Projektionsfläche für Wünsche und Träume der Leser und Zuschauer von Räubergeschichten.“569 Denn mit den damaligen Räuberbanden verbinden heute viele so etwas wie ‚Abenteuer‘ und ‚Freiheit‘. Begriffe, welche in der heutigen Gesellschaft oft sehnsüchtig ausgesprochen werden. Es sind eben genau diese Wünsche der Leser, die auf das Leben der damaligen Räuber projiziert werden, obwohl die Realität für die gesellschaftlich Ausgestoßenen oft hart war.570 Auch bei Ziegler finden wir diese Räuberromantik wieder, wenn sie beispielsweise das Leben untern den Räubern mit einem sorglosen Zusammenleben in einer Großfamilie vergleicht.

„Man konnte ihr Leben als unbeschwert bezeichnen. Alles schien im Lot. […] Mehr und mehr glich das Räuberdasein dem ganz normalen Leben einer Großfamilie, wenn man einmal von den nächtlichen Diebestouren absah. Der neue Lagerplatz […] erwies sich als ideal. Der Teich hatte genau die richtige Größe und Temperatur, um sich […] zu waschen. Und gar nicht weit entfernt fand sich sogar eine Quelle. Die Freude war unermesslich und spornte die Räuber zu großen Taten an.“571 Die Natur spielt, wie auch in den Gemälden von Pflug eine wichtige Rolle. Durch die idyllischen Beschreibungen agiert die Räuberbande „wie auf einer Bühne, und die

566 Ziegler, Der Mond war ihre Sonne, S. 157. 567 Ebd., S. 160. 568 Ebd. 569 Reitz, Schinderhannes und Spießgesellen, S. 156. 570 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 28. Siehe auch SWR Fernsehen BW, Sagenhafter Südwesten, 29:46-30:12 min. 571 Ziegler, Der Mond war ihre Sonne, S. 275f. 132

Kulissen dieser Bühne bilden eine höchst malerische Umgebung, in der es sich gut leben und wohnen läßt.“572 So beschreibt Theresia Jeppler auch das Versteck der Räuberbande wie folgt: „Ist das schön hier. Schaut doch, wie die Luft flirrt und wie es nach Holunderblüten riecht. Grad wie im Paradies.“573

Besonders auffallend ist das Bild, welches Ziegler vom Schwarzen Veri und der Räuberbande versucht zu vermitteln. Der Schwarze Veri wird an insgesamt drei verschiedenen Textstellen namentlich mit Robin Hood verglichen.574 Als der schöne Fritz den Veri kennenlernt, fragt er diesen: „Dann bist du so etwas wie der Rächer der Geächteten?“, woraufhin der Schwarze Veri antwortete: „Den Robin Hood meinst. Ja, das ist gar nicht so falsch, Fritz. Der hat mir schon immer imponiert. Auch hausen wir wie jener in gut getarnten Verstecken im Wald.“575 Weiter im Gespräch erklärt Hohenleiter: „Einen Teil machen wir zu Geld, alles Essbare verteilen wir an die Armen und behalten auch etwas für uns.“576 Auch als der schöne Fritz ganz bestürzt vom Tod des Veri in Kenntnis gesetzt wird, erklärt er einem Mitgefangenen: „Der schwarze Verre war einer von der guten Sorte […]. Er war so etwas wie der legendäre Robin Hood.“577 Doch noch viel öfter erzählt Ziegler von den angeblichen Heldentaten des Schwarzen Veri. Als dieser beispielsweise mitbekommt, dass ein junges Mädchen in einem Wirtshaus arbeiten muss, um die eigene Familie zu versorgen, welche in einer Armensiedlung unter schlimmen Bedingungen lebt, ist er erzürnt. Sogleich entschied sich der Veri, dem armen Mädchen zu helfen. „[…] heute Nacht noch soll der kleinen Frieda geholfen werden. Das schwör ich hiermit feierlich.“578 Nachdem die Bande daraufhin von einem Bäcker einige Lebensmittel erbettelte, bringt er diese in die Armensiedlung und gibt sie dem kleinen Mädchen. Dafür will er aber keinen Ruhm oder Dank, denn er legt die Gaben nur vor die Tür, klopft an, und versteckt sich sogleich. Doch auch in anderen Armensiedlungen hilft der Schwarze Veri wo er nur kann.

„Dann nahm der schwarze Verre die Säcke, in denen sich Wurst, Fleisch, Brot und Mehl befanden. Diese stellte er gut sichtbar auf eine Plattform und machte heftige Gesten. Als er wahrgenommen wurde, rief der Verre: ‚Essen für euch, Leut‘, und gehabt euch wohl. Wir kommen bald wieder.‘“579

572 Reitz, Schinderhannes und Spießgesellen, S. 156. 573 Ziegler, Der Mond war ihre Sonne, S. 215. 574 Ebd., S. 195, S.198, S. 329. 575 Ebd., S. 198. 576 Ebd. S. 198. 577 Ebd., S. 329. 578 Ebd., S. 198. 579 Ebd., S. 244. 133

Der schöne Fritz hatte nach dieser Tat ein gutes Gefühl: „Ich bin richtig stolz darauf, dass wir die Not dieser armen Menschen etwas lindern können.“580

Als es den Räubern jedoch nach einer gewissen Zeit materiell an nichts mehr fehlte, und sich manche sogar nach einem ehrlichen Leben sehnten, ermahnte der Veri sie, dass sie das Räuberleben nicht aufgeben dürfen, da man auf die Armen nicht vergessen dürfe.

„‚Wir dürfen jetzt nicht ungerecht werden, Männer‘, mahnte der schwarze Verre. ‚Nur weil es uns einigermaßen gut geht, dürfen wir die Ärmsten nicht vergessen. Sie sind verloren ohne unsere Hilfe. Niemand kümmert sich um sie. Niemand fühlt sich verantwortlich, weil von den hohen Herrschaften niemand deren Elend kennt oder sieht. […] Wir wissen, wie hart und ungerecht das Leben ist. Wie es sich anfühlt, wenn man mit einem leeren Bauch schlafen gehen muss. Und dass man keine Möglichkeit hat, in Lumpen […] eine anständige Arbeit zu finden. Schlimmer als Dreck wird man behandelt.“581 Die Bande fühlte sich, laut Ziegler, für die Gerechtigkeit unter den Armen zuständig. Sie selbst sahen sich nicht als ‚Gesindel‘ an.582 Zudem stellt Ziegler klar, dass die Bande des schwarzen Veri niemals von den Armen raubte, sondern nur von den Reichen nahm, und auch nur das, was sie brauchten um zu überleben. Der Schwarze Veri erklärt dies dem Fritz beim ersten Kennenlernen wie folgt: „Keine Sorge, wir tun niemand etwas zuleide, mein Freund. Doch den Reichen, den Pfaffen und den geizigen Gutsbesitzern rauben wir bei Nacht und Nebel, was nicht angebunden ist.“583 An einer anderen Stelle rechtfertigt sich der Veri und erklärt: „Man kann gar nicht genug Gutes tun in diesen Zeiten, mein Freund.“584 Und setzt an andere Stelle seine Rechtfertigung fort, wenn er sagt: „Außerdem tun wir ja nichts wirklich Böses. Wir morden und schänden nicht […].“585 Allgemein vermittelt Ziegler ein typisch romantisches Bild eines oberschwäbischen Robin Hood, der von den Reichen nimmt und den Armen gibt. Auch der Zusammenhalt innerhalb der Räuberbande wird sehr familiär dargestellt.

„‚Es ist sehr schön, in so einer lustigen Gemeinschaft zu leben. Und schlecht geht es denen wirklich nicht. Sie scheinen auch nach dem Musketiermotto zu leben: Einer für alle, alle für einen. Da braucht man sich nicht mit Ängsten zu plagen‘, flüsterte Resel dem Fritz ins Ohr.“586

580 Ziegler, Der Mond war ihre Sonne, S. 244. 581 Ebd., S. 296. 582 Ebd., S. 222. 583 Ebd., S. 198. 584 Ebd., S. 205. 585 Ebd., S. 239. 586 Ebd., S. 212. 134

Im Nachwort schreibt Wiltrud Ziegler, dass sie sich bei der Erstellung des Romans einige künstlerische Freiheiten herausgenommen hat. Im Vergleich mit der historischen Wirklichkeit wird Zieglers Werk von einer überzogenen Räuberromantik dominiert. Der Schwarze Veri wurde zwar aufgrund von fehlender Schulbildung und der Flucht aus dem Militär zum Vaganten und Räuber, dennoch ist nirgends überliefert, dass er den Armen half oder sich für diese einsetzte. Ein zweiter Robin Hood war im Schwarzen Veri nicht zu finden.

5.5.3. Der Schwarze Veri – Hans Nagengast Der Roman von Hans Nagengast beginnt mit der Wanderlegende des Schwarzen Veri und zeichnet damit schon von Beginn an eine romantische Stimmung. Ähnlich wie auch bei Ziegler, erzählt Nagengast nicht nur die Geschichte des Schwarzen Veri, sondern auch die des schönen Fritz und seiner Theresia. Der Veri, ein armer Soldat, welcher in seinem ehrlich geführten Leben viel Schikane und Ungerechtigkeit ertragen musste, und deshalb in einen vagierenden Lebensstil hineinrutschte. Während er zuerst seine Arbeit als Pferdeknecht aufgeben musste, da er ungerechterweise mit dem Sohn des Bauern aneinandergeraten war, desertierte er nur wenige Tage nach seiner Einberufung beim Militär, da ihn der Unteroffizier schlecht behandelte.587 Als der Veri einen jungen Knecht vor den Schlägen des nichtsnutzigen Sohnes ihres Brotherren Egger beschützen will, kommt es zu einer Schlägerei.

„Zwölf Jahre hatte Veri als Roßknecht bei dem alten Egger geschuftet, während sich der Herr Sohn nur in den Wirtshäusern herumtrieb und zu keiner Arbeit zu gebrauchen war. […] Egger holte, den zackigen, scharfkantigen Griff in der Faust, weit aus, da sprang Veri, einem Panther gleich, sich dabei drehend, in die Höhe und schlug blitzschnell seine Faust wuchtig in das feiste Gesicht des Bauernburschen.“588 Der junge Knecht war daraufhin zwar dankbar doch auch um den Schwarzen Veri besorgt und meinte:

„‚Hoffentlich bekommst Du mit dem alten Egger keinen Ärger. Sein Sohn ist ein ganz hinterhältiger Kerl, der wird die ganze Geschichte andersherum erzählen‘, sagte besorgt der junge Bursche, den Veri vor dem Angriff des jungen Eggerbauern beschützt hatte.“589

587 Nagengast, Der Schwarze Veri, S. 18-20. 588 Ebd., S. 18. 589 Ebd., S. 19. 135

Doch der Veri antwortet sofort: „Mach Dir wegen mir keine Sorgen, Max. Ich hol‘ heut noch meine Sachen vom Egger-Hof und hau’ ab.“ Und verabschiedet sich mit den Worten: „‚Macht’s gut, Freunde, laßt euch nicht unterkriegen‘!“590

Doch auch im Militär ist es ihm nicht besser ergangen. Denn der Umstand, dass der Unteroffizier ihn täglich schikanierte, verdarb dem Veri die Lust am Soldatenleben.591

In beiden Fällen stellt Nagengast klar, dass der Schwarze Veri auf ungerechte Art und Weise in die Arbeitslosigkeit gezwungen wurde. Gleichzeitig zeichnet er das Bild eines furchtlosen Mannes, der sich durch keine Schikane unterwerfen lässt und stets seine eigenen Entscheidungen trifft, um sich gegen die Ungerechtigkeit, die ihm Wiederfahren ist, zu stellen. „Ein idealisierter Räuber empfängt keine Befehle, sondern alle seine Entscheidungen werden allein von ihm gefällt.“592 Zudem setzt sich der idealisierte Räuber immer durch und „fürchtet sich nie“593.

5.5.3.1. Darstellung des Vaganten- und Räuberleben bei Nagengast

Genau wie bei Ziegler, stiehlt auch der Schwarze Veri bei Nagengast nur von den Reichen, sodass er keine Armen schädigt. „‚Heute nacht holen wir uns, was wir brauchen, damit wir wieder wie Menschen aussehen‘. […] ‚Natürlich nur bei einem Reichen. Dem tut das nicht weh und uns ist geholfen‘ ergänzte der Veri.“594 Der Fritz antwortet dem Schwarzen Veri daraufhin: „Ja du hast recht. […] Ein großer Hof muß es sein, da gibt es sicher was zu holen und wir schädigen keinen Armen.“595 Solche Aussagen findet man noch öfters im Roman von Nagengast. Ob es um die Wilderei im Wald des Fürsten geht, oder um die „reichen Bauern im Oberschwäbischen, die man ohne große Mühe erleichtern konnte. Da sie ja so reich seien, tat es ihnen auch gar nicht so weh.“596 Zudem stellt Nagengast klar, dass es nicht allen während der Krisenzeit 1817 schlecht ging. „Die Bauern erzielten für ihre Produkte hohe Gewinne.“597

Während zwar deutlich wird, dass der Schwarze Veri „keinen Mord dulde“598, begeht er vermehrt Wilddiebstahl. Dies deckt sich zwar keineswegs mit der historischen Realität,

590 Nagengast, Der Schwarze Veri, S. 19. 591 Ebd. 592 Reitz, Schinderhannes und Spießgesellen, S. 155. 593 Ebd., S. 156. 594 Nagengast, Der schwarze Veri, S. 24. 595 Ebd. 596 Ebd., S. 33. 597 Ebd. 598 Ebd., S. 45. 136 soll aber veranschaulichen, wie sehr die Leute nach dem „Jahr ohne Sommer“ an Hunger litten.

„Fleisch war teuer, das wußte Veri nur zu gut. Einfache Leute konnten sich Fleisch höchstens nur zweimal im Jahr leisten. Sein Blick schweifte durch das Fenster hinaus zum Waldrand. Da kam ihm eine Idee. Er wandte sich an Xaver Fessler. ‚In dem großen, dichten Wald muß es doch Wild geben‘?“599 Während die Ehefrau von Xaver Fessler geängstigt von der Idee ihres Mannes und dessen zwei neuen Kumpanen war, so versuchte sie sich mit den folgenden Gedanken zu beruhigen: „Die drei würden sich bestimmt nicht erwischen lassen. Außerdem tat ein Stück frischen Fleisches ihren beiden heranwachsenden Kindern auch gut.“600 Der Schwarze Veri erkundigt sich noch zuvor wem der Wald gehört, doch als ihm versichert wird, dass die Jagd dem Fürst gehöre, sagt der Veri lachend: „Dann trifft es ja keinen Armen“601, und mit Fesslers Bestätigung „Dem Fürst tut das bestimmt nicht weh“602, war der Wilddiebstahl besiegelte Sache. Dennoch versucht sich auch Xaver Fessler für den Wilddiebstahl zu rechtfertigen: „Tät‘ mich der Fürst besser zahlen, hätt‘ ich es gar nicht nötig, zu wildern. Man will halt auch als armer Mann einmal ein Stück Fleisch essen. Bei meinem Hungerlohn und den heutigen Preisen wär‘ das gar nicht möglich.“603

Doch auch anderen Leuten, denen es nicht gut geht, hilft die Räuberbande des Schwarzen Veri gerne.

„Veri bemerkt die abgerissene Kleidung der Kinder, ihre mageren Ärmchen. Schnellentschlossen zog er seinen Geldbeutel, nahm vier Goldstücke heraus und dürckte jedem der Kinder eines in die Hand. ‚Verliert es nicht, Kinder, bringt es Eurer Mutter, die kann Euch dafür viel zum Essen kaufen‘. […] Fritz, dem die armen Kinder auch leid taten, gab auch jedem ein Goldstück. Der Wirtin fielen fast die Augen aus dem Kopf, als sie die Freigiebigkeit der beiden Fremden sah. Freudestrahlend sprangen die Kinder davon.“604 Auch an einer anderen Stelle im Text wird von der großen Hilfsbereitschaft der Gauner berichtet. Als der Schwarze Veri und der schöne Fritz verhaftet wurden, schloss sich Theresia Jeppler der Bande des Anton Rosenberger an. Die folgende Textstelle zeigt, dass es allgemein unter den Räubern üblich war, den Armen zu helfen.

599 Nagengast, Der Schwarze Veri, S. 28. 600 Ebd. 601 Ebd., S. 29. 602 Ebd. 603 Ebd., S. 36. 604 Ebd., S. 54. 137

„Eine junge, in Lumpen gehüllte Frau, mit Säugling im Arm, trat scheu an den Straßenrand, als Theresia, Ursula und Rosenberger vorbeikamen. ‚Für mein armes Kind bitt‘ ich um eine kleine Gabe‘, bettelte die junge Frau, ‚nur ein paar Pfennige, Herr‘! ‚Ein paar Pfennige sind zuwenig für das Kindlein‘, sagte Rosenberger, der in seine Taschen griff und eine Handvoll Geldstücke herauszog und der Frau hinreichte. […] Auch Theresia griff in ihre Geldbörse und reichte der Bettlerin eine Handvoll blanker Geldstücke. Voll Mitleid blickte sie auf den in Lumpen gewickelten Säugling. ‚Nimm dies für Dein Kind‘, sagte Theresia. Die junge Frau war über soviel Hilfsbereitschaft so gerührt, daß sie kein Wort des Dankes mehr sagen konnte.“605 Während sich Ziegler, lediglich auf die Heldentaten oder kleineren Einbrüche der Bande konzentriert, wird von Nagengast auch der Einbruch bei der Witwe Schmid behandelt. Das ist aber auch das einzige Mal, dass im Roman von Nagengast die brutale Seite der Räuber gezeigt wird. Doch auch diese Szene wird sofort entschärft, indem Nagengast ergänzt: „Merkle verließ die Veri’sche Bande, weil sie seiner Meinung nach viel zu human sei. Niemand solle ermordet, und nur reiche Leute beraubt werden.“606

Das Räuberleben wird aber allgemein, wie auch schon bei Ziegler, als „ein lustiges und faules Leben“607 bezeichnet. Nagengast ergänzt noch: „An nichts fehlte es ihnen.“608 Zudem stellt er klar, dass sie „nur aus Not gestohlen“609 haben „und nur bei reichen Bauern, denen dies ohnehin nicht wehtat. Auch hätten sie von den gestohlenen Lebensmitteln einen Teil an die Armen verteilt.“610

Besonders interessant ist, wie Nagengast mit dem Tod des Schwarzen Veri umgegangen ist und sogar das Gedicht von Gustav Schwab mit in die Geschichte integriert hat. Als Theresia Jeppler nämlich aus dem Gefängnis entlassen wurde, hört sie Kinder vor einer Schule ein Gedicht aufsagen; das Gedicht von Schwab.

„Der Lehrer trat lächelnd zu Theresia, die stehengeblieben war. ‚Wie hat Ihnen das Gedicht gefallen‘? ‚Eine Lüge ist das‘! Erschrocken blickte der Lehrer in das entsetzte Gesicht der Frau. ‚Eine Lüge, sagen Sie‘? ‚Ja, eine gemeine Lüge. Niemals war der Schwarze Veri ein Mörder‘. […] ‚Er und seine Freunde waren keine schlechten Menschen. Sie stahlen Lebensmittel, weil sie Hunger hatten, und Kleider, weil sie nicht in Lumpen herumlaufen wollten. Sie stahlen es bei denen, die genug davon hatten, und gaben den Ärmsten davon einen Teil‘.“611

605 Nagengast, Der Schwarze Veri, S. 97. 606 Ebd., S. 68. 607 Ebd., S. 49. 608 Ebd. 609 Ebd., S. 120. 610 Ebd. 611 Ebd., S. 145. 138

Der Lehrer war von dieser Aussage betroffen. Er versicherte ihr: „Ich verspreche es Ihnen, das Gedicht lasse ich meine Kinder nicht mehr aufsagen. Ich erzähle den Kindern, daß der Schwarze Veri kein Mörder war und auch den Armen zu essen gegeben hat.“612

So endet der Roman von Nagengast genauso romantisch wie er begonnen hatte. Interessant ist auch, dass er die Wanderlegende sowie das Gedicht von Schwab in seinen Roman eingefügt hat. Obwohl sowohl Hans Nagengast als auch Ziegler in ihren Untertiteln ankündigen, nach „wahrer“ Geschichte zu erzählen, sind doch beide Werke von einer realitätsfernen Räuberromantik eingenommen. Das literarische Hauptmotiv in beiden Werken ist das in der literarischen Produktion613 allgemein sehr populäre Räuberthema des „edlen“ Räuber.

„Diese neue, romantische Dichtung entaktualisiert die gesellschaftskritische französische Brigantenliteratur und bringt im deutschen Kulturraum endlich die fantastische Kriminalliteratur zum Leben, die es den Lesern und Leserinnen ermöglicht, ihre wichtigen Träume zu träumen.“614 5.6. Theaterstück „Wenn der Schwarze Vere kommt…“ Die Gemeinde Ostrach hat im Juni 2018 ein großes Freilichttheater mit dem Titel „Wenn der Schwarze Vere kommt…“615 aufgeführt. Autor war Ewald Reichle, der auf humorvolle Weise das Räuberleben nachzeichnete. Während aber die Räuberbande des schwarzen Veri nur selten im Vordergrund steht, beleuchtet Reichle eher den Alltag der Menschen damals im Ostrachtal. Die Handlung beinhaltet die Geschichte eins jungen Liebespaars, welches, wie Romeo und Julia, aufgrund ihrer Herkunft nicht zusammen sein dürfen. Reichle erklärt:

„Wichtig war […], eine Liebesgeschichte einzuflechten. Liebe kennt nun mal keine Grenzen und dass elterliche Einwände entstanden, ist durchaus begreifbar. Schließlich sollte ein stolzer württembergischer Bauernsohn aus Laubbach kein badisches ‚Mensch‘ aus Burgweiler heiraten.“616 Dabei wird auf humorvolle Art und Weise die Rivalitäten zwischen dem Großherzogtum Baden und dem Königreich Württemberg veranschaulicht.

612 Nagengast, Der Schwarze Veri, S. 145. 613 Beispielsweise Rinaldo Rinaldini, Angelo Duca, Tommaso Renaldini etc. 614 Danker, Die Geschichte der Räuber und Gauner, S. 290. 615 Ewald Reichle u.a., „Wenn der Schwarze Vere kommt…“, DVD, 188 min, Ostrach. 616 Ewald Reichle, Grußwort des Autors, in: Dreiländereck in Räuberhand (Hrsg.), „Wenn der Schwarze Veri kommt…“, Festschrift, S. 3-4, hier S. 4. 139

5.6.1. Darstellung des Räuberlebens und des Schwarzen Veri bei Reichle Das Werk von Reichle ist in insgesamt 13 Szenen aufgeteilt, in nur 4 Szenen kommen jedoch die Räuber tatsächlich vor.617 In den anderen Szenen wird teilweise über sie gesprochen, teilweise spielt aber auch eine ganz andere Handlung eine Rolle. In den wenigen Szenen, in denen die Räuberbande des Schwarzen Veri im Vordergrund steht, wird auf der einen Seite der Unmut der Bevölkerung gezeigt und auf der anderen Seite ein romantisches Bild des Räubers gezeichnet.

Als ein Schulkind zu Beginn des Theaterstücks fragt, ob der Schwarze Veri ein böser Mensch gewesen sei, antwortet die Lehrerin: „An Engel war er ganz sicher it, aber ob er so beas war, wie die Leit heit immer sagad, des weiß bloß der liebe Gott. Jedenfalls warad dia Räuber oft arme Hund, und was tuat jemand in seiner Not wenn er nix zum Essa hat?“618 Daraufhin antwortet die ganze Schulklasse: „stehla!“619

Die Handlung springt daraufhin in die Vergangenheit, in die Zeit, in welche der Schwarze Veri sein Unwesen trieb. Einerseits veranschaulicht der Autor den Unmut der damaligen Bevölkerung, vor allem den der Bauern: „So kas it weiter goh! Mir Baura vom Ostrachtal mir lond uns vo dera Reiberbagage nimmer länger rumdrangsaliera! Entweder dia Obrigkeit tuat ez do endlich mol was dagega, oder mir fangad dia Kerle selber, und hängats alle auf!“620

Andererseits bringt man dem Veri eine große Portion Mitleid entgegen, wenn man ihn im Stück „als armen Hund“ betitelt. Besonders eine Szene veranschaulicht auch in diesem Werk die romantische Darstellung des Räuberhauptmanns. Als nämlich der Schwarze Veri das obengenannte Liebespaar überfallen will, ist er von der Liebe der Beiden so ergriffen, dass er sie laufen lässt. „I han mir als Kind au immer gwunscha, dass mi jemand gstreichlat und gern ket hätt. Aber so isch es hald, wenn ma als arme Sau auf d’Welt kumma isch. I glaub i loss euch nomol renna […].“621 Als das Liebespaar daraufhin wieder allein ist, sagt der junge Mann zu seiner Freundin: „Siehsch, der Vere das muass

617 o.V. Szenenfolge. Mit Fotos aus der Probenarbeit, in: Dreiländereck in Räuberhand (Hrsg.), „Wenn der Schwarze Veri kommt…“, Festschrift, S. 15-24. 618 Reichle u.a., ‚Wenn der Schwarze Vere kommt…‘, 15:54-16:10 min. 619 Ebd., 16:11-16:13 min. 620 Ebd., 23:37-24:02 min. 621 Ebd., 1:04:41-1:05:02 min. 140 doch a an armer Hund sei, wenn er als brotloser Reiber wia an reidiger Hund in da Gegend rumrenna musch. Wa machsch it alls, wenn du nix meh zum beißa hosch.“622

Der Tod des Schwarzen Veri wird ihm Theaterstück von einer Wahrsagerin vorausgesagt, wird jedoch nicht gezeigt. In der letzten Szene, in welcher der Veri zu sehen ist, schreit er nach der Verkündung der Wahrsagerin ganz dramatisch gegen Himmel: „Schicksal, Schicksal was hast du mit mir vor?“623 Das Theaterstück endet dann mit der Versöhnung der beiden Familien des jungen Liebespaares und mit deren Hochzeit.

Zur Darstellung des Räubers im Theaterstück „Wenn der Schwarze Vere kommt…“ und den Machenschaften der Räuber ergänzt der Autor:

„Als Theatermacher wollten wir diese Machenschaften persiflierend einarbeiten, um unseren Besuchern auf humorvolle Weise beide Gesichter unseres Alltags aufzuzeigen. Dabei mussten wir teils fiktiv vorgehen, auch manchmal zur leichten Übertreibung neigen. Wir wollten aber damit andeuten, dass der Geist des ‚Schwarzen Vere‘ immer noch in unseren Köpfen lebendig ist. Das Räubervolk wollten wir nicht als Furcht erregende, Knüppel schwingende Monster darstellen. Wir versprechen, dass Sie die Räuberbande durchaus auch sympathisch finden werden.“624 So wird auch in diesem Theaterstück der Schwarze Veri als sympathischer junger Mann dargestellt, der schlussendlich das Schicksal, welches ihn ereilte, nicht verdient hat.

622 Reichle u.a., ‚Wenn der Schwarze Vere kommt…‘, 1:05:28-1:05:49 min. 623 Ebd., 2:41:49-2:42:01 min. 624 Reichle, Grußwort des Autors, S. 4. 141

6. Ausblick

Durch die effektivere Strafverfolgung, die Unterbringung ins Zuchthaus, sowie die zentralisierte Ausbildung von Sicherheitspersonal, wie etwa der Polizei, wurde das ländliche Räuberwesen mit beginnendem 19. Jahrhundert immer mehr verdrängt. Zugleich verlagerte sich die organisierte Kriminalität zunehmend in die Städte. Ferner veränderte sich das Strafwesen deutlich. Nach und nach wurde die Todesstrafe abgeschafft und durch Freiheitsstrafen ersetzt. „Zucht- und Arbeitshäuser sollten anstelle der Todesstrafe sozialdisziplinierend mittels Arbeit und religiöser Unterweisung durch Anstaltsgeistliche die drakonische Erziehung dieser fehlgeleiteten Menschen übernehmen.“625 Nach dem Ende der Napoleonischen Kriegswirren kam es zu einer Stabilisierung der Verwaltung sowie zur Entstehung des modernen Beamtentums. Somit war die zunehmende Koordination der Strafverfolgung wohl eine der wichtigsten Gründe, warum im 19. Jahrhundert das ländliche Gaunertum besiegt wurde.

„Je weiter das neunzehnte Jahrhundert fortschritt, desto deutlicher ließ sich ein Niedergang hinsichtlich der ‚Qualität‘ der räuberischen Unternehmungen, ihrer ‚Klasse‘, der Waghalsigkeit und Intelligenz, die ein Vorgehen kennzeichneten, feststellen. Die politischen Änderungen, die Bereinigung der europäischen Landkarte, die strukturelle Modernisierung der Staaten, damit auch der Polizeibehörden, verhinderten das Entstehen neuer, großer, gefährlicher Banden.“626 Auch im Armenwesen hat sich einiges verändert. Dem Staat, der im 19. Jahrhundert immer noch unzureichende Armenfürsorge leistete, stand dann eine vermehrte Privatwohltätigkeit gegenüber. Auch die Kirche war in der Armenfürsorge tätig. Nachdem die Kirche durch die Säkularisation einen Verlust wichtiger Ressourcen verkraften musste, wendete sie sich jedoch neuer Wohltätigkeitsaufgaben zu.627 „Ihre Organisationen widmeten sich vor allem der Krankenpflege, der Erziehung verwahrloster Jugendlicher, der Fürsorge für Wandernde, Gefährdete und Gefallene, der Volksbildung, Kinderpflege und der öffentlichen Mission.“628 Trotz aller Bemühungen blieb die Armenfürsorge unzureichend. Grund dafür war das Massenelend im Vormärz aufgrund eines strukturellen Wandels.

625 Martin Scheutz, „Galgenvögel“, Randständige oder bewunderte Helden?, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (Bd. 112), Wien/München 2004, 316-346, hier S. 338. 626 Küther, Räuber und Gauner in Deutschland, S. 51. 627 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 207. 628 Ebd. 142

Auch bemühte sich der Staat immer mehr, Randgruppen in die Gesellschaft zu integrieren. Gleichzeitig darf man aber die Veränderungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, welche durch Reformen herbeigeführt wurden, nicht überschätzen. „Typisch blieb vielmehr eine Überlagerung von Altem und Neuem, ‚von Resten der alten Ständegesellschaft und neuen Klassengrenzen,‘ die sich besonders deutlich in der Lebenssphäre der Unterschichten zeigte.“629

Alles in allem lässt sich aber feststellen, dass die Diskriminierung von Vaganten und kleineren Dieben so schnell nicht nachgelassen hatte. Modernen Ideen standen oft unüberwindbare Hindernisse im Weg, wodurch sich neue Reformen und neue Vorschläge nur schwer verwirklichen ließen. Resozialisierungsvorschläge spielten daher in der Verbrechenskontrolle für eine lange Zeit nur eine marginale Rolle. Lang gibt als größtes Hindernis an, dass Reformen zur inneren Struktur von Gefängnissen und Zuchthäusern ausblieben. Grund für das Scheitern waren die Kosten, welche Neubauten von Strafvollzugsanstalten mit sich gebracht hätten.630

Die Kriminalität hat sich dahingehend verändert, dass nach der Zeit der großen Räuberbanden, die kleine, alltägliche Kriminalität im Vormärz eine immer größere Rolle spielte. Dem Mundraub verwandte Delikte, Holzdiebstahl, Körperverletzung und Steuervergehen zählten zu der sogenannten „petite délinquance“. Das deutsche Bürgertum verstand die Unterschichtenkriminalität nun als „Gesamtphänomen und empfand sie als eine Bedrohung der eigenen Klassenlage sowie des bestehenden gesellschaftlichen Ordnungsgefüges, gegen die der Staat vorgehen sollte.“631 Grund für die Unterschichtenkriminalität war die durch den Pauperismus bedingte materielle Not.632 Der Bagatellcharakter der Delikte kann als Fortsetzung an die Delikte der letzten Räuberbanden im 19. Jahrhundert angesehen werden (wie auch der, des Schwarzen Veri).633

629 Lange, Gesellschaft und Kriminalität, S. 210. 630 Ebd., S. 224. 631 Ebd., S. 246. 632 Ebd., S. 247. 633 Ebd., S. 255. 143

7. Zusammenfassung

Das bewegte kurze Leben und das tragische Ende des Schwarze Veri, zieht eine lange Rezeptions- und Wirkungsgeschichte nach sich. Während man aber vergeblich nach einer historisch korrekten Rezeption sucht, findet man etliche Werke, die den Schwarzen Veri als oberschwäbischen Held in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellten. Eine solche Romantisierung machte vor keinem Räuberhauptmann in Deutschland Halt. Egal ob der Räuberhauptmann Schinderhannes, Räuber wie List und Tullian oder der Schwarze Veri. Dabei ist der Räuber „meist ein Mensch mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitsgefühl, der, und darin liegt eine Art von Widerspruch, für das Gute streitet. Kriminelle Absichten sind bei ihm kaum zu finden, denn er dient der ausgleichenden Gerechtigkeit.“634 Auch die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte des Schwarzen Veri war vom Motiv des „edlen“ Räubers geprägt. Es geht dabei um Projektionen, Träume und Übertragungen der Leser und Betrachter. „Die Räuberromantik spiegelt heute wie früher die menschliche Sehnsucht nach Freiheit und Losgelöstheit von allen Zwängen wider – mit dem wirklich harten Räuberleben hat sie allerdings nichts zu tun.“635 Während die Rezeptionsgeschichte des Schwarzen Veri eine romantisch verklärte Realität darstellt, führten die Vaganten und Räuber des 18. und 19. Jahrhunderts in Wirklichkeit ein hartes Leben. Denn die Lebenswelt der Vaganten war stets von Verfolgung und gesellschaftlicher Ausgrenzung geprägt. Die Sicherheitspolitik wurde im Laufe der Jahre zwar kontinuierlich „humaner“, Folter und Todesstrafe wurden abgeschafft, dennoch hatte das Zuchthaus am Ende des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts nur wenig mit einem heutigen Gefängnis zu tun. Es herrschten oft katastrophale hygienische Verhältnisse und die zu verrichtende Arbeit war körperlich extrem anstrengend. Auch verbesserte sich die Strafverfolgung immer weiter. So wurden neue Fahndungsinstrumente wie Listen und Steckbriefe bewusst eingesetzt und auch Landesgrenzen wurden durch Streifen bewacht.

Trotzdem hielt sich die Räuberproblematik besonders in Oberschwaben sehr lange. Grund dafür war die oberschwäbische Landkarte, ein ‚Fleckerlteppich‘, der es den Gaunern sehr einfach machte, Landesgrenzen zu überqueren und sich so von der drohenden Verfolgung zu schützen. Die politischen Gegebenheiten der damaligen Zeit begünstigten somit die Gaunerproblematik. Die territoriale Zersplitterung des Gebiets

634 Reitz, Schinderhannes und Spießgesellen, S. 155. 635 Ebd., S. 157. 144 kann dafür als Nährboden angesehen werden. Allgemein herrschte zu dieser Zeit in Süddeutschland eine politische Umbruchsituation. Württemberg stand vor einer neuen Ära; dem ‚modernen Württemberg‘. So entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein moderner Staat mit autoritärer Ausprägung. Gleichzeitig waren die Kriegsfolgen, insbesondere die der Koalitionskriege, aber verheerend. Das Ergebnis, verwüstete Landstriche und eine immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich. Die schwierigen Verhältnisse und die drückende Last des Alltags, wurden durch Naturkatastrophen sowie der immer problematischer werdenden Konfessionsfrage im Königreich Württemberg noch zusätzlich verstärkt. Besonders die Hungerkrise 1816/17 stürzte viele Familien ins Elend. Viele verloren ihre Arbeit, und mussten betteln. Die Folgen waren soziale Diskriminierung und gesellschaftliche Ächtung.

Auch wenn der Schwarze Veri heute oft als oberschwäbischer Robin Hood bezeichnet wird, so gilt er nach Hobsbawms These dennoch nicht als Sozialbandit oder „edler“ Räuber. Der Schwarze Veri hat, ungleich eines edlen Räubers, seine Räuberkarriere mit etlichen Einbrüchen begonnen, bevor sich um ihn eine Räuberbande versammelte. Er hatte sich zudem weder für die Armen eingesetzt, noch begangenes Unrecht versucht wiedergutzumachen. Im Gegenteil, er hat die Armen bestohlen. Seine Opfer waren fast immer Mitglieder der ländlichen Bevölkerungsschicht. Außerdem bestand keinerlei Chance für den Veri, schlussendlich als geläuterter Mann wieder in die ehrliche Gesellschaft aufgenommen zu werden. Auch brachte ihm das Volk keine Bewunderung entgegen. Im Gegenteil, eher Angst und Wut. Unterstützung konnte er sich von ihm auch nicht erwarten. Die einzige Unterstützung, die er bekam, erhielt er von anderen „verdächtigen“ Personen. Auch wenn die Delikte des Schwarzen Veri tendenziell eher Bagatellcharakter annahmen, so zeigt der Einbruch im Argenhardt-Hof trotzdem, dass der Schwarze Veri und seine Räuberbande keineswegs die oberschwäbischen Robin Hoods sind, die man bis heute aus ihnen versucht zu machen.

Die vorliegende Arbeit soll einen detaillierten Einblick in das Leben der vagierenden Bevölkerung und der Gauner, im Speziellen der Räuberbande des Schwarzen Veri, geben. Weitere Aufschlüsse zur Person des Schwarzen Veri würden sich vor allem im „Staatsarchiv Ludwigsburg“ in Baden Württemberg finden lassen. Während die Arbeit als Ganzes, ein Gegenbeleg zur romantisch verzerrten Räubervorstellung darstellen soll, so soll die Analyse der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte, die Schwierigkeiten der Re-

145 und Dekonstruktion von Geschichte aufzeigen. Quellen- und Textkritik auszuüben, ist eine fundamentale Aufgabe eines Historikers/einer Historikerin.

146

II. Fachdidaktischer Teil 1. Theoretische Grundlagen der Geschichtsdidaktik

Historisches und politisches Lernen hat sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt. Der Unterricht soll nicht mehr bloß auf reine Wissensreproduktion beschränkt sein, denn es geht nicht mehr nur um „scheinbar gesicherte Daten und Fakten über die Vergangenheit und Gegenwart hersagen zu können oder um fixierte Erzählungen über die Vergangenheit zu reproduzieren […].“636 Die Schüler und Schülerinnen sollen vielmehr Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, „um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“637 Der Kompetenzbegriff ist aus der heutigen Bildungslandschaft nicht mehr wegzudenken.

1.1. Kompetenzbereiche des historischen Lernens Ausgangssituation eines jeden historischen Denkprozesses ist eine bestimmte Verunsicherung in der Gegenwart. Durch diese Verunsicherung entsteht ein zeitliches Orientierungs- bzw. Handlungsproblem. Dem Problem liegt das menschliche Bedürfnis nach Orientierung zu Grunde.638 Hasberg und Körber haben mit ihrem Modell zum Geschichtsbewusstsein einen Regelkreis historischen Denkens in den Vordergrund gestellt.639 Auch Jörn Rüsen geht auf diese Thematik ein und ergänzt, „dass Menschen ihre Gegenwart nur dann erschließen und ihre Zukunft nur entwerfen können, wenn sie sich der Vergangenheit zuwenden.“640 Von diesem Prozessmodell können dann vier Kompetenzbereiche abgeleitet werden, die nachfolgenden genauer beschrieben werden.

636 Christoph Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen. Methodische und didaktische Annäherung für Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung, Innsbruck 2015, S. 11. 637 Franz E. Weinart, zit. n. Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 13 638 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 19. 639 Ebd. 640 Ebd. 147

1.1.1. Kompetenzmodell FUER641

Abb. 26. Die historischen Kompetenzen des FUER-Modells

Quelle: Waltraud Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, [http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/lernmaterial-unterricht/methodik-didaktik-1/schreiber-ein- kompetenz-strukturmodell-historischen-denkens.pdf], eingesehen am 15.04.2019, S. 203.

1.1.1.1. Historische Fragekompetenz

Wie bereits oben beschrieben, basiert jeder historische Denkprozess auf einer historischen Frage, die aufgrund einer Verunsicherung oder eines Orientierungsbedürfnisses auf Vergangenes zielt. Bei der historischen Fragekompetenz ist jedoch zu unterscheiden, ob man von der Kernkompetenz „eigene historische Fragen zu stellen“642 spricht, oder ob man die „Fähigkeit, Fertigkeit und Bereitschaft, die Fragestellungen, die in vorliegenden historischen Narrationen verfolgt wurden, zu erkennen und zu verstehen und die Antworten ggf. auf eigene Fragestellungen zu

641 Vgl. Waltraud Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, [http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/lernmaterial-unterricht/methodik-didaktik-1/schreiber- ein-kompetenz-strukturmodell-historischen-denkens.pdf], eingesehen am 15.04.2019., S. 202-206. Sowie Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 20-25. 642 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 204. 148 beziehen“643 meint. Die Schüler und Schülerinnen üben sich also darin, eigene historische Fragen an Quellen der Vergangenheit zu stellen, andererseits aber auch die zugrundeliegenden Fragen in Geschichtsdarstellungen zu erkennen. Die Fragekompetenz ist deshalb so wichtig, da nur derjenige den Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart kennt, der versteht, dass Geschichte immer die Antwort auf Fragen an die Vergangenheit ist.644

1.1.1.2. Historische Methodenkompetenz

Die historische Methodenkompetenz wird in zwei wichtige Teilkompetenzen unterteilt: die Re-Konstruktionskompetenz und die De-Konstruktionskompetenz. Dabei ist idealerweise die Re-Konstruktion ein synthetischer und die De-Konstruktion ein analytischer Akt.645 Die Schüler und Schülerinnen sollen also in der Lage sein, historische Narrationen und Darstellungen kritisch zu hinterfragen und diese zu dekonstruieren. Auf der anderen Seite soll es den SuS möglich sein, anhand von historischen Quellen die Vergangenheit selbst zu rekonstruieren. Beide Fähigkeiten bedingen sich aber gegenseitig.646

1.1.1.3. Historische Orientierungskompetenz

Diese Kompetenz dient dazu, „sowohl die unmittelbaren, eigenen Zeiterfahrungen als auch die mittelbaren, nicht selbst gemachten, einzubinden in Zeit und Sinnkontinua, die ein Sich-zurecht-Finden in der Welt und im eigenen Leben ermöglichen“647. Diese Sinnbildungen umfassen die drei Zeitdimensionen Vergangenheit, Gegenwart sowie Zukunft.648

1.1.1.4. Historische Sachkompetenz Es geht bei der Sachkompetenz nicht bloß um reines Faktenwissen. Die Fähigkeit, sich mit bestimmten Begriffen, Prinzipien und Konzepten auseinanderzusetzen ist für die Sachkompetenz besonders wichtig, denn ohne dies wäre eine Kommunikation beziehungsweise ein Diskurs nicht möglich.649 Die Schüler und Schülerinnen sollen befähigt werden, Konzepte, welche sich im Laufe der Zeit immer wieder verändern, zu

643 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 204. 644 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 20. 645 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 204. 646 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 21. 647 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 205. 648 Ebd. 649 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 22. 149 verstehen. Denn beispielsweise können bestimmte Begriffe einen historischen Wandel vollzogen haben und dadurch in einer anderen Zeit etwas anderes bedeuten haben, als heute in der Gegenwart.650

Das Unterrichtsfach „Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung“ beinhaltet -wie sein Name bereits verrät- nicht nur die Beschäftigung mit Geschichte, sondern auch mit politischer Bildung. Dafür wurde ein pragmatisches politisches Kompetenzmodell herausgebracht, welches wie das oben beschriebene Kompetenzmodell auch in vier Teilkompetenzen gegliedert wurde: politische Urteilskompetenz, politikbezogene Methodenkompetenz, politische Sachkompetenz und politische Handlungskompetenz.651

1.2. Der Schwarze Veri und die Schule 1.2.1. Der Schwarze Veri und der neue AHS Lehrplan Das Themengebiet um den „Schwarzen Veri“, vor allem auch die Arbeit mit seiner Rezeptionsgeschichte, findet ihren Platz im neuen AHS Oberstufenplan für die 6. Klasse. Die Kompetenzmodule des neuen Lehrplanes geben einen angemessenen Rahmen für die Auseinandersetzung in folgenden Punkten vor:

Kompetenzmodul 3

Historische Methodenkompetenz (Re- und De-Konstruktionskompetenz)

– Quellen und Darstellungen hinsichtlich ihrer Charakteristika unterscheiden

– Quellenbezüge in Darstellungen der Vergangenheit herausarbeiten

Themenbereiche: Vom Beginn der Neuzeit bis zum ersten Weltkrieg unter Berücksichtigung von Gegenwartsphänomenen – die sozioökonomischen und geistig-kulturellen Umbrüche in der frühen Neuzeit in verschiedenen sozialen Schichten – die soziale, politische und wirtschaftliche Dynamik in und zwischen neuzeitlichen Herrschaftsgebieten – Herrschafts- und Staatsformen und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Kultur

650 Schreiber, Ein Kompetenz-Strukturmodell historischen Denkens, S. 205. 651 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 129f. 150

Kompetenzmodul 4 Historische Methodenkompetenz (Re- und De-Konstruktionskompetenz) – Gattungsspezifik von Darstellungen der Vergangenheit (zB Spielfilm, Comic, Roman, Internetseite) erkennen – Die in Darstellungen der Vergangenheit verwendeten Quellenaussagen mit historischen Originalquellen vergleichen Themenbereiche Vom Beginn der Neuzeit bis zum ersten Weltkrieg unter Berücksichtigung von Gegenwartsphänomenen – die Ideen der Aufklärung, Menschenrechte und Revolutionen sowie deren Beitrag für die Entwicklung des modernen Verfassungsstaates […] – Instrumentalisierungen von Kultur und Ideologie in Politik und Gesellschaft über Geschichtsbilder und -mythen sowie historische Legitimationsversuche in Gegenwart und Vergangenheit

Nach dem AHS Oberstufenlehrplan soll der Unterricht zudem „Einblicke in die Geschichte und Politik unterschiedlicher räumlicher Dimensionen (lokale, regionale, nationale, kontinentale und globale Ebene) sowie zu ihren Vernetzungen geben.“652 Mit der Behandlung des Themas „Schwarzer Veri“ gelingt es besonders gut, dieser Forderung nachzukommen. Denn die Thematik liefert einen wichtigen Beitrag zur Regionalgeschichte. Gleichzeitig können mittels der Aufarbeitung der Räuberbande und ihrer Geschichte, Querverweise zur globalen Ebene gezogen werden. Geschichte kann also anhand von diesem Thema in ihrer universalen Dimension, aber auch in ihrer regionalen Auswirkung verstanden werden. „Die Schülerinnen und Schüler sollen ein reflektiertes und (selbst)reflexives historisches und politisches Bewusstsein entwickeln, das von regionalen Bezügen bis zur weltumspannenden Dimension reicht.“653

652 Lehrplan AHS-Oberstufe BMBWF, [https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung/Bundesnormen/10008568/Lehrpläne%20– %20allgemeinbildende%20höhere%20Schulen%2c%20Fassung%20vom%2004.01.2019.pdf], eingesehen am 16.04.2019, S. 63. 653 Ebd., S. 150. 151

1.2.2. Regionalgeschichte 1.2.2.1. Was ist Regionalgeschichte?

Die Regionalgeschichte fand ihren Ursprung in der Annales-Schule in Frankreich in den 1960er Jahren. Dabei wurde versucht von der rein traditionellen Geschichtsschreibung auf möglichst alle menschlichen Lebensbereiche überzugehen. Dabei wurde neuen Disziplinen Platz eingeräumt, wie beispielsweise der Alltagsgeschichte, Geschichte von ‚unten‘ oder der Mentalitätsgeschichte.654 Die Regionalgeschichte steht daher in einer engen Verbindung mit den „methodischen Implikationen einer modernen Sozialgeschichte“655. Ein kleiner Untersuchungsraum macht es dem Historiker möglich, „die Gesamtheit der historischen Prozesse zu betrachten, den netzartigen Verknüpfungen […] nachzuspüren und deren Zusammenhänge aufzudecken.“656 Während die Heimatgeschichte sich vorrangig für die eigene ‚Glorifizierung‘ ihrer Geschichte interessiert, ermöglicht die Regionalgeschichte einen Einblick in die „Verknüpfungen von Politik, Ökonomie, Kultur und sozialer Struktur“657.

Der Begriff Region ist aber allgemein nicht leicht zu fassen, da sich eine Definition eigentlich immer dem Verständnis des Forschers anpasst. Denn Region ist ein äußerst flexibler Begriff.

„Wie in der Sprache des Alltags das Wort ‚Region‘ in einem weiteren oder engeren Sinne benutzt wird – man spricht von Weltregionen, vom Europa der Regionen ebenso wie von kleinräumigen Regionen und meint damit Landkreise oder Stadtviertel -, so ist dieses Wort in der Wissenschaft weitgehend dem jeweils besonderen Verständnis des Forschers ausgesetzt.“658 Trotz der Problematik mit dem Begriff „Region“ ist man sich in der Forschung aber weitgehend einig, dass sich die Regionalgeschichte zwischen der Gesamtstaats- und Länderebene sowie des lokalen Bereiches bewegt.659

654 Irmgard Plattner, Regionalgeschichte, in: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.), Wörterbuch. Geschichtsdidaktik, Schwalbach 2014, S. 165-166, hier: S. 165 655 Ebd., S. 166. 656 Ebd. 657 Ebd. 658 Horst Kuss, Landesgeschichte oder Regionalgeschichte? Über den Zusammenhang von geschichtswissenschaftlicher Theorie, geschichtsdidaktischer Konzeption und praktischer Anwendung im Unterricht, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 51 (2000), Heft 7/8, S. 388-405, hier: S. 394. 659 Ebd., S. 395. 152

1.2.2.2. Regionalgeschichte und Schule

Der regionalgeschichtliche Unterricht verfolgt zwei verschiedene Ziele. Erstens, dass die Schüler und Schülerinnen die Zusammenhänge der eigenen Lebensgeschichte sowie der allgemeinen Geschichte in der Region, in welcher sie leben, verstehen und erkennen.660 Zweitens, dass die Schüler und Schülerinnen lernen, Ereignisse und Vorgänge der Landesgeschichte aus einer regionalen Perspektive zu betrachten.661

Plattner gibt ein paar wichtige Tipps für eine sinnvolle Einbeziehung der Regionalgeschichte in den Geschichtsunterricht an:

1. Zeitdimensionen: Die regionalgeschichtliche Aufarbeitung sollte sich nicht nur mit der historischen Rekonstruktion der Vergangenheit befassen, sondern auch die gegenwarts- und zukunftsbezogene Dimension mit einbeziehen.662

2. Exploratives Lernen: Die didaktische Umsetzung sollte sich besonders an explorativen Methoden sowie der Handlungsorientierung der Schüler und Schülerinnen ausrichten.663

3. Nationale Bezüge: Der regionalgeschichtliche Unterricht sollte sich nicht nur auf die angegebene Region beschränken, sondern auch „über den ‚regionalen Tellerrand‘ hinausblicken und eine transregionale und auch transnationale Position einnehmen.“664

Da das ‚Fremde’ jedoch meist mehr Anziehungskraft besitzt, ergänzt Anke John, dass es gerade bei einem regionalgeschichtlichen Thema besonders auf die Umsetzung ankommt. Sie erklärt, dass für das Lernen und Behalten der Informationen oftmals eine räumliche Verankerung wertvoll sein kann.665 Dafür würde sich das Lernen an außerschulischen Lernorten sehr anbieten.

1.2.2.2.1. Exploratives Lernen

Exploratives Lernen verlangt ein Wissen über methodische Kompetenzen und ist daher nicht einfach von heute auf morgen in der Schule anwendbar. Zudem lässt sich das explorative Lernen bei einigen Themen besser anwenden als bei anderen. Es gibt Themen,

660 Kuss, Landesgeschichte oder Regionalgeschichte?, S. 404. 661 Ebd., S. 397. 662 Plattner, Regionalgeschichte, S: 166. 663 Ebd. 664 Ebd. 665 Anke John, Lokal- und Regionalgeschichte, Frankfurt 2018, S. 102f. 153 wie beispielsweise Schwerpunkte aus der Kultur- und Alltagsgeschichte, die sich besonders gut für diese Art des Lernens eignen.666

„Aus heuristischen und pragmatischen Gründen werden zudem oft lokal- und regionalgeschichtliche Themen bevorzugt, ermöglichen sie es doch, von dem Bekannt-Geläufigen auszugehen, außerschulische Lernorte wie Museen, Gedenkstätten […] etc. zu benutzen, Quellen über Zeitungs-, Gemeinde- und Stadtarchive zu erschließen oder auch Zeitzeugen zu befragen.“667 Dabei ist es wichtig, Geschichte als (Re-)Konstruktion „einer bis auf einige Überreste vergangenen Realität in unserer Vorstellung“668 zu verstehen. Wie geht man aber nun damit im Schulunterricht richtig um? Das entdeckende Lernen zielt nicht nur darauf ab, eine Zeit für sich zu entdecken, sondern auch darauf, eigens gestellte Fragen über diese Zeit eigenständig zu beantworten. Bei diesem „entdecken“ geht es aber auch darum, eigene Wahrnehmungs- und Beurteilungsmuster zu erkennen. 669

Beim explorativen Lernen ist es wichtig, den Schülern und Schülerinnen zu zeigen, welche Informationen aus Quellen, Texten, Bildern etc. gezogen werden können und was dadurch über die Vergangenheit erschlossen werden kann. Dabei ist es aber auch Aufgabe der Lehrperson den Schülern und Schülerinnen aufzuzeigen, „wie vorsichtig man sein muss, wie wenig man sich darauf verlassen kann, dass die Quellen ‚stimmen‘ […].“670 Die Auswahl der Materialien ist zudem nicht zu unterschätzen. Einerseits sollten Materialien ausgesucht werden, welche die Schüler und Schülerinnen verwirren, provozieren oder erstaunen, sodass sie nämlich bei den Schülern und Schülerinnen Interesse und Neugierde wecken. Andererseits sollten die Materialien reich an Details sein, sodass man an diese viele Fragen formulieren kann. Viele Schulbücher bieten eine solche Auswahl leider nicht an. Deshalb sollte man schülergerecht „auch auf Medien zurückgreifen […], die den strengen Quellenbegriff der Historiker vielleicht nicht standhalten […].“671 Beispielsweise würden sich speziell für Kinder und Jugendliche verfasste historische Romane für den Unterricht anbieten, aber auch auf „künstlerisch- ästhetische Verarbeitungen historischer Veränderungsprozesse“672 könnte zurückgegriffen werden. Auch neue Medien eröffnen es, im Unterricht vermehrt auf das

666 Gerhard Henke-Bockschatz, Forschend-entdeckendes Lernen, in: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.), Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht (Forum Historisches Lernen), Schwalbach/Ts. 2013, S. 15-29, hier S. 17, S. 19. 667 Ebd., S. 19f. 668 Ebd., S. 20. 669 Ebd., S.21f. 670 Ebd., S. 23. 671 Ebd., S. 25. 672 Ebd. 154 entdeckende Lernen zu setzen. Von der gewöhnlichen Recherchearbeit mittels Suchmaschinen bis hin zu virtuellen Lernumgebungen, bietet das Internet eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten an. Das eigene Erforschen und Entdecken ist dabei immer handlungsorientiert ausgelegt und soll die Neugierde der Lernenden wecken.

1.2.2.3. Regionalgeschichte und Kompetenzvermittlung

Der regionalgeschichtliche Unterricht, das bewusste Hinwenden zum ‚Raum‘, bringt in der Schule viele Vorteile mit sich und kann in vielen Kompetenzbereichen profitieren. Dietmar Schiersner geht besonders auf diese Vorteile in seiner Arbeit ein. Er gibt an, dass vor allem die Motivation der Lernenden steigt. Für gewöhnlich können die Schüler und Schülerinnen mit den genannten Namen und Orten Vorwissen abrufen oder haben bereits gewisse Vorstellungen zum Thema. Vorwissen gilt als einer der größten Motivatoren im Bildungsprozess, daher bietet es sich an, regionalgeschichtlicher Unterricht in der Schule anzubieten.673 Auch die Methodenkompetenz kann beim regionalgeschichtlichen Unterricht verbessert werden. „Im lokalen und regionalen Kontext lässt sich, etwa durch die Benutzung von Archiven und Museen […], wissenschaftliche Methodik im Ansatz erproben.“674 Auch die Sachkompetenz sowie die Fragekompetenz werden in diesem Zusammenhang weiter verbessert. Die Schüler und Schülerinnen lernen, Mikro- und Makroeben kritisch miteinander zu vergleichen und anhand dieser Beobachtung eine auf der einen Ebene getroffene Aussage zu hinterfragen. Ein solcher Unterricht schafft es, gängige Erzähl- und Erklärungsmuster zu durchkreuzen und gibt damit den Schülerinnen und Schülern ein Instrument zur Verifizierung beziehungsweise zur Falsifizierung an die Hand.675 Zudem profitieren die Schüler und Schülerinnen von einem regionalgeschichtlichen Unterricht, da sie aufgrund dessen eine bessere Orientierung erlangen.

„Insbesondere eine metahistorische Perspektive vermittelt Einsichten in die Entstehung von Räumen und Regionen, in ihrer Veränderlichkeit und Formbarkeit, ein Bewusstsein also, das auf die Gestaltung der Zukunft gerichtet ist. In diesem Sinne ist Regionalgeschichte als Metahistorie für den Geschichtsunterricht nicht komplizierte Kür, sondern demokratische Pflicht.“676

673 Dietmar Schiersner, Alter Zopf oder neue Chance? Regionalgeschichte in Historiographie und Geschichtsunterricht, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 62 (2011), Heft 1/2, S. 50-60, hier S. 55. 674 Ebd., S. 56. 675 Ebd. 676 Ebd., S. 57. 155

Insbesondere heute, wo durch die neuen Kommunikationstechnologien sowie die zunehmende Mobilität und Migration nach und nach von einem „Schwinden der Raum- Zeit-Bezüge“677 gesprochen werden kann, ist der regionalgeschichtliche Unterricht besonders wichtig.

1.2.2.4. Der Schwarze Veri und die Regionalgeschichte

Wenn der AHS Lehrplan von ‚regionalen Bezügen‘ spricht, dann finden wir genau einen solchen Bezug in der Geschichte des Schwarzen Veri, insbesondere in seiner Rezeptionsgeschichte, welche eine starke regionalgeschichtliche Komponente besitzt. Wie bereits in Kapitel 5 beschrieben, ist die Legende um den Schwarzen Veri bis heute in den Köpfen vieler Oberschwaben. Sie mag zwar nicht so umfangreich sein, wie die von so manch anderem Räuberhauptmann, und dennoch ist die Folklorisierung und Kommerzialisierung, die die Person des Schwarzen Veri in Oberschwaben mit sich bringt, bis heute deutlich sichtbar. Egal ob Schnaps, Wirtshäuser oder Musikbands, die Marke „Schwarzer Veri“ lässt sich bis heute in Oberschwaben gut vermarkten. Auch bei Volksfesten ist der Schwarze Veri bis heute präsent.678 Zum 200-jährigen Todestag im Juli 2019, werden zudem in Oberschwaben einige große Veranstaltungen geplant. So veranstaltet Riedhausen ein Freilichttheater, es finden zudem sogenannte „Räubertreffen“ statt und auch einige Vorträge zur Räuberbande des Schwarzen Veri werden veranstaltet.679 Der Schwarze Veri hat es als eher unbedeutende Persönlichkeit geschafft, bis ins 21. Jahrhundert in der Alltagskultur in Erinnerung gehalten zu werden. Grund dafür dürfte auch der dramatische Tod des Schwarzen Veri gewesen sein, welcher die Mythisierung um seine Person weiter anheizte. In diversen Theateraufführungen, Romane, Gedichte sowie Räuberbildern wurde die Person Xaver Hohenleiter mittels verschiedener Stile und Elemente unterschiedlich dargestellt. Besonders in Kapitel 5 der vorliegenden Arbeit werden diese Werke analysiert und interpretiert. Diese vielfältige Konzentration auf seine Person, hat das Image eines Sozialrebellen gefördert, auch wenn die Realität ganz anders aussah. Während nämlich die sogenannte ‚Räuberromantik‘ die Sehnsucht menschlicher Freiheit widerspiegelt, waren die harten Lebensbedingungen der oberschwäbischen Räuber und Vaganten alles andere als romantisch. Der Schwarze Veri, ein Gauner, der vorrangig Mundraubdelikte beging, wurde in seiner Rezeptionsgeschichte so hochstilisiert, dass die Gefangennahme von Xaver Hohenleiter

677 Schiersner, Alter Zopf oder neue Chance?, S. 57. 678 Machnicki, Die oberschwäbischen Räuberbanden des 19. Jahrhunderts, S. 120. 679 Gemeinde Ostrach, o. D., [https://www.schwarzervere.de/], eingesehen am 28.03.2019. 156 zu einer enormen Leistung des württembergischen Staats- und Sicherheitsapparats gemacht wurde. Über verschiedene Kanäle, wie auch beispielsweise über die Schulbildung, versuchte man lange Zeit, die Regierungskompetenz des württembergischen Königs zu demonstrieren. So war beispielsweise bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts, Gustav Schwabs Ballade „Anklopft das Wetter unter Sturm Zu Biberach am Sünderthurm“ in den württembergischen Schulbüchern zu finden.680 Zudem kann, wie in Kapitel 3 behandelt wurde, anhand der Zuspitzung der Konfessionsfrage, sowie der Zersplitterung der einzelnen Gebiete des „oberschwäbischen Fleckerlteppichs“, welche es den Räubern ermöglichte, die Grenzen zu wechseln und sich so schnellstmöglich in Sicherheit zu begeben, die regionale Komponente im Schulunterricht aufgezeigt werden. Andererseits waren es aber besonders die universalhistorischen Begebenheiten, die wiederrum das Gaunertum in Süddeutschland begünstigten. Beispielsweise die Folgen der napoleonischen Kriege sowie auch insbesondere die Klimakrise 1816/17. Das Thema des Schwarzen Veri ist für den Geschichtsunterricht geradezu ein Paradebeispiel, wenn es darum geht, Einblicke in die Geschichte unterschiedlicher räumlicher Dimensionen und ihren Vernetzungen aufzuzeigen. Zudem bietet sich aufgrund der regionalen Nähe zwischen dem Bodenseeraum und Oberschwaben auch die Möglichkeit einer Exkursion an. So können die Schüler und Schülerinnen Informationen räumlich verankern und Gelerntes festigen. Wenn man bedenkt, dass, wie in Kapitel 5.4. beschrieben, Schulkinder noch heute für den Schwarzen Veri schwärmen, dann hat ein solcher Unterricht auch einen motivationalen und emotionalen Charakter. „Für sie [die Schulkinder] ist er ein klasse Typ, der ganz Oberschwaben in Schach hielt, die Reichen bestahl und die Armen beschenkte.“681 Diese Aussage zum Schwarzen Veri bestätigt die, in Kapitel 5.4. behandelte, Dokumentation „Oberschwaben – Glaube, Betrug und böse Gerüchte“ der Dokumentationsreihe „Sagenhafter Südwesten“.682 Dort heißt es nämlich: „So wie man als kleiner Bub gerne Pirat wäre, oder Cowboy, so wäre man in Biberach gern Schwarz Vere.“683 Selbst wenn man den Faktor der emotionalen Bindung zum Nahraum einmal außen vor lässt, so bleibt immer noch der motivationale Charakter, der vor allem durch das Vorwissen, über die

680 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 10., Siehe auch Kosean-Mokrau, Räuberleben-Räubersterben, S. 219. 681 Barczyk, Die Spitzbubenchronik, S. 9. 682 SWR Fernsehen BW, Sagenhafter Südwesten. Oberschwaben - Glaube, Betrug und böse Gerüchte, Fernsehprogramm, 44:50 min, Deutschland 20.1.2018. 683 Ebd., 31:45-31:51 min. 157

Region oder die behandelte Person, ausgelöst wird.684 Die Schülerinnen und Schüler können ihr Vorwissen weiter ausbauen, indem sie eine, ihnen vom ‚Hörensagen‘ bekannte Persönlichkeit, weiter erforschen und durch exploratives Lernen neu ‚entdecken‘. So ist es möglich, anhand eines regionalgeschichtlichen Themas, das Wirklichkeitsbewusstseins der Schüler und Schülerinnen zu schärfen. „Kinder gehen im Laufe ihrer Entwicklung zuerst davon aus, dass es die Personen tatsächlich gibt, von denen sie hören oder die sie sehen, sei dies im Film, auf Fotos oder auf Bildern.“685 Auch für Jugendliche ist diese Abgrenzung nicht einfach, noch schwieriger wird diese bei der Arbeit mit Deutungen der Vergangenheit. In Filmen, Comics und Romanen werden Fakten mit Fiktion gemischt und erschweren die Arbeit mit der historischen Wirklichkeit. Besonders gut gelingt es aber, wenn man Legenden den historischen Fakten gegenüberstellt. Die Neugierde, sein Vorwissen weiter auszubauen und Fragen wie „Was stimmt nun?“ zu beantworten, animiert die Schüler und Schülerinnen und hilft dabei, das Wirklichkeitsbewusstsein der Lernenden zu schärfen.686 Die Arbeit mit Quellen und Darstellungen in Kombination mit einem regionalgeschichtlichen Thema, welches zudem eine emotionalen Bindung besitzt, fördert das Eigeninteresse der Schüler und Schülerinnen und motiviert sie, explorative Schritte im Unterricht zu setzen.

1.2.3. Methodischer Zugang 1.2.3.1. Arbeiten mit Quellen und Darstellungen Während der neue AHS-Oberstufenlehrplan vorgibt, dass alle obengenannten Kompetenzen (FUER Modell) im Schulalltag zum Einsatz kommen müssen, so bietet es sich für das Thema des Schwarzen Veri aber besonders an, die Historische Methodenkompetenz (Re- und Dekonstruktion) in den Vordergrund zu stellen. Aus diesem Grund werde ich mich nachfolgend mit dieser etwas genauer auseinandersetzen.

Im Lehrplan wird die Historische Methodenkompetenz wie folgt beschrieben:

„Die Eigenständigkeit im kritischen Umgang mit historischen Quellen (Quellenkritik) zum Aufbau einer Darstellung der Vergangenheit (Re- Konstruktion) sowie ein kritisches Hinterfragen von historischen Darstellungen bzw. geschichtskulturellen Produkte (zB Dokumentationen über die Vergangenheit, Schul- und Fachbücher, Filme, Comics, Computerspiele) sind zu

684 Schiersner, Alter Zopf oder neue Chance?, S. 55. 685 Peter Gautschi, Geschichte lehren. Lernwege und Lernsituationen für Jugendliche, Buchs 2000, S. 26. 686 Ebd., S. 26f. 158

fördern (De-Konstruktion). Dazu sind fachspezifische Methoden zu vermitteln, um Analysen und Interpretationen vornehmen zu können.“687 Doch bevor in der Schule die obengenannte Quellenkritik angewandt werden kann, müssen die Schüler und Schülerinnen zuerst den Unterschied zwischen Quellen und Darstellungen kennen. Dazu sollten die beiden Begriffe definiert werden:

Quellen: Quellen sind laut Paul Kirn, „alle Texte, Gegenstände oder Tatsachen, aus denen Kenntnis über die Vergangenheit gewonnen werden kann“688. Für Pandel war diese Definition allerdings unzulänglich, denn nach Kirns Definition könnte auch ein heutiger Zeitungsartikel als Quelle angesehen werden. Daraufhin definierte Pandel den Begriff „Quelle“ neu. Demnach sind sie „Objektivationen und Materialisierungen vergangenen menschlichen Handelns und Leidens. Sie sind in der Vergangenheit entstanden und liegen einer ihr nachfolgenden Gegenwart vor.“689 Allgemein können Quellen in „Tradition“ und „Überrest“ unterteilt werden.690

Darstellungen: Darstellungen fassen „die Kenntnisse einer Zeit über eine andere zusammen“691. Eine gute Darstellung sollte zudem „den aktuellen Stand der Forschung“ sowie „den Konsens der Wissenschaft“ zu einem bestimmten Thema präsentieren.692

Die Quellenarbeit ist ein Grundprinzip eines gelingenden Geschichtsunterrichts. „Nur mit ihrer Hilfe können sich Historiker ein Bild von der Vergangenheit machen.“693 Die Schüler und Schülerinnen profitieren von einem quellengestützten Unterricht. Denn laut Sauer und Grosch bringt die Quellenarbeit einige Vorteile mit in den Unterricht:

1.) Authentizität: Quellen sind Überbleibsel einer vergangenen Zeit und ermöglichen einen direkten Zugang, „der so […] unverstellt ist wie irgend möglich.“694

2.) Eigene, kritische Reflexion: Die Schüler und Schülerinnen „werden nicht […] mit fertigen Darstellungen der Vergangenheit konfrontiert, sondern zur eigenen

687 Lehrplan AHS-Oberstufe BMBWF, [https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung/Bundesnormen/10008568/Lehrpläne%20– %20allgemeinbildende%20höhere%20Schulen%2c%20Fassung%20vom%2004.01.2019.pdf], eingesehen am 16.04.2019, S. 152. 688 Paul Kirn, zit. n. Christian Spieß, Quellenarbeit im Geschichtsunterricht. Die empirische Rekonstruktion von Kompetenzerwerb im Umgang mit Quellen, Göttingen 2014, S. 15f. 689 Hans-Jürgen Pandel, zit n. Spieß, Quellenarbeit im Geschichtsunterricht, S. 16. 690 Spieß, Quellenarbeit im Geschichtsunterricht, S. 691 Waldemar Grosch, Schriftliche Quellen und Darstellungen, in: Hilke Günther-Arndt (Hrsg.), Geschichts-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2011, S. 63-91, hier S. 63. 692 Ebd. 693 Michael Sauer, Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Seelze-Velber 2010, S. 109. 694 Grosch, Schriftliche Quellen und Darstellungen, S. 77. 159

Urteilsbildung angeregt“695, was wiederum „eine kritische Informationsaneignung“696 möglich macht.

3.) Selbstständigkeit: Quellenarbeit im Schulunterricht fördert „die Selbstständigkeit der Lernenden und bewirkt eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Lernstoff.“697 Die Schüler und Schülerinnen werden im quellengestützten Arbeitsunterricht zum „eigenem Denken ermuntert“698.

4.) Fachspezifische Methoden: Durch den vermehrten Einsatz von Quellen im Unterricht lernen die Schüler und Schülerinnen den Unterschied zwischen Quelle und Darstellung kennen. Sie erleben die Vergangenheit nicht nur besonders anschaulich, sondern lernen auch „fachspezifische Voraussetzungen und Methoden der Erkenntnisgewinnung kennen“699.

5.) Motivation: Quellenarbeit kann motivierend im Schulalltag wirken. Laut Grosch belegen Untersuchungen, dass „sich die Quellenarbeit insgesamt großer Beliebtheit bei den Lernenden erfreut“700.

6.) Interpretationsfähigkeit: Der Umgang mit Quellen fördert „die Einübung von Interpretationsmethoden“701 und schafft „damit die Voraussetzung für einen kritischen Umgang mit Informationen aller Art […].“702 Eine kritische Haltung ist in der heutigen Mediengesellschaft eine der zentralen Fähigkeiten.

7.) Wissenschaftlichkeit: Die Schüler und Schülerinnen erlernen im quellengestützten Unterricht wichtige Verfahren zur Erkenntnisgewinnung. Dabei bekommen die Schüler und Schülerinnen einen „Einblick in die Arbeitsweisen der Forschung“703. Zudem werden sie zwangsläufig mit Darstellungs- und Umsetzungsproblemen konfrontiert.

Es besteht heute keinen Zweifel mehr, dass Quellenarbeit die Basis eines guten Geschichtsunterrichts sein sollte. Und trotzdem gibt es in der Praxis eine Reihe von Problemen und Schwierigkeiten:

695 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 109. 696 Grosch, Schriftliche Quellen und Darstellungen, S. 79. 697 Ebd. 698 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 109. 699 Ebd. 700 Gerhard Schneider, zit. n. Grosch, Schriftliche Quellen und Darstellungen, S. 78. 701 Grosch, Schriftliche Quellen und Darstellungen, S. 78. 702 Ebd. 703 Ebd. 160

1. Überforderung durch Quellenarbeit: Es besteht eine Chance, dass die Schüler durch Originaldokumente überfordert werden. Quellen sind oft von der Sprachgestalt und den geistigen Operationen her zu schwierig für die Schüler.704 Gerade Anfänger, welche die passenden Kompetenzen erst erlernen müssen, werden oftmals mit zu schwierigen Originaldokumenten überfordert.705

2. Unterforderung durch Quellenarbeit: Werden allerdings verkürzte oder vereinfachte Quellen im Unterricht verwendet, dann fehlt diesen oft der Herausforderungscharakter. Die Schüler und Schülerinnen können dadurch keine eigene Deutung der Quelle mehr vornehmen, da diese Quellen „oft nur noch den Charakter von Belegen für Deutungen, die im Kontext schon angelegt sind“706 besitzen.

3. Übermäßiger Zeitaufwand für den Geschichteunterricht: Dem Vorwurf, dass Quellenarbeit zu aufwändig und zeitintensiv sei, kann nur teilweise zugestimmt werden. Nicht überall, doch dort wo es Sinn macht mit Quellen zu arbeiten, sollte man diese Zeit auch investieren. Dafür gibt Sauer eine Empfehlung ab: „Weniger, aber intensivere Quellenarbeit ist besser als häufigere, flüchtige und lieblose, die das Wesen der Sache verfehlt.“707 Grosch ergänzt wie folgt: „Sie [Quellenarbeit] muss einen Erkenntniswert besitzen, also etwas Neues bieten; dann lohnt sich auch der erhöhte Aufwand.“708

4. Geeignete Quellen finden: Nicht für jedes Thema bietet es sich an, Quellenarbeit im Unterricht durchzuführen. In manchen Fällen ist es besser, auf Darstellungen auszuweichen, da die authentische, zur Verfügung stehende Quelle für den Unterricht zu schwierig oder zu unpassend wäre.709

1.2.3.1.1. Umgang mit Quellen

Quellen werden im Unterricht in zwei unterschiedlichen Phasen bearbeitet. Die erste Phase, die Quellenkritik, gibt über den Aussagewert einer Quelle Auskunft. Die zweite Phase, die Quelleninterpretation, „versucht Verständnis und Aussagegehalt der Quelle zu bestimmen und die gewonnenen Informationen zu bewerten.“710 Die Quellenkritik, welche bereits oft schon eine Deutung beinhaltet, lässt sich nur schwer von der

704 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 110. 705 Grosch, Schriftliche Quellen und Darstellungen, S. 80. 706 Sauer, Geschichte unterrichten, S. 110. 707 Ebd., S. 111. 708 Grosch, Schriftliche Quellen und Darstellungen, S. 80. 709 Ebd. 710 Gautschi, Geschichte lehren, S. 119. 161

Quelleninterpretation trennen.711 Die Quellenkritik beschäftigt sich dabei mit Fragen zu der Entstehungsgeschichte der Quelle. Ist die Quelle echt? Von wem stammt die Quelle und wann ist sie entstanden? Quellen die in Schulbüchern abgedruckt wurden, wurden meist schon quellenkritisch betrachtet. Für die Schüler bedeutet dies aber nicht, dass sie keine Quellenkritik leisten müssen. „Notwendig bleibt eine kritische Untersuchung von Ideologien und Standpunkten als Bestandteil der Interpretation.“712

1.2.3.2. Dekonstruktionskompetenz

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich vor allem mit der Analyse der Rezeptionsgeschichte des Schwarzen Veri. Dabei ist es besonders wichtig, die Rezeptionen kritisch zu betrachten und zu hinterfragen. Die Schüler und Schülerinnen vor Darstellungen der Vergangenheit (beispielsweise Comics, Historische Romane etc.) abzuschirmen, beziehungsweise sie vor den manchmal qualitativ minderwertigen Darstellungen zu bewahren, gilt schon lange als überholt. Die Schule soll als eine Institution der Geschichtskultur verstanden werden, in welcher eine sogenannte schulische ‚Bewahrdidaktik‘ nicht unterstützt werden soll.713

„Es ist daher die Aufgabe eines systematisch betriebenen Geschichtsunterrichts, Lernenden mit Denkwerkzeugen auszustatten, um Manifestationen der Geschichtskultur hinterfragen zu können, zumal sie auch nach ihrer Schulzeit vermehrt mit geschichtskulturellen Produkten in Kontakt treten werden.“714 Deshalb ist es besonders wichtig, dass sich die Schüler und Schülerinnen im Geschichtsunterricht eine Dekonstruktionskompetenz aneignen, um auch im späteren Leben Darstellungen kritisch reflektieren zu können.

„Bei einer De-Konstruktion werden historische Narrationen in ihrer (Tiefen- )Struktur erfasst, die in ganz unterschiedlicher Qualität und medialer Form vorliegen können. Ziel ist es dabei, narrative Konstruktionen, normative Ausrichtung und empirische Bezüge zu analysieren und zu hinterfragen.“715 Ziel eines auf Methodenkompetenzen orientierten Unterricht ist es, den Schülern und Schülerinnen ein prozedurales Wissen, also ein Handlungswissen beizubringen, sodass sie die historischen Rahmenbedingungen und Intentionen, welche die Darstellung

711 Gautschi, Geschichte lehren, S. 119. 712 Hans-Jürgen Pandel, Textquellen, in: Michael Sauer (Hrsg.), Lernbox Geschichte. Das Methodenbuch, Seelze/Velber 2000, S. 75-78, hier: S. 75. 713 Christoph Kühberger u.a., Umgang mit Darstellungen der Vergangenheit. Historische De- Konstruktionskompetenz empirisch messen, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 69 (2018), Heft 7/8, S. 418-434, hier: S. 418f. 714 Ebd., S. 418. 715 Ebd., S. 420. 162 beeinflussen, herausarbeiten und gut begründet beurteilen können. „Bezugnahme auf Vergangenheit sowie Gegenwart bzw. Zukunft werden dabei ebenso fokussiert wie Kontextualisierungen, normative Folien, Erzählstränge, Interpretationen o.ä.“716 Durch den Erwerb dieser Kompetenz können die Schülerinnen und Schüler unterscheiden, was eine Quelle und was eine Darstellung ist, was fiktionale Elemente enthält und was wirklich einer historischen Rekonstruktion standhält.

1.2.3.3. Fakt und Fiktion

Schon 1996 unterschied Pandel für den geschichtskulturellen Diskursraum „zwischen Legenden, Mythen und Lügen im historischen Sinne, basierend auf einer idealtypischen Unterscheidung zwischen Realem/Wirklichem und Fiktivem/Fiktion.“717 Köster unterstützt diese Aussage Pandels wenn er erklärt, dass Darstellungen erzähltheoretisch in fiktionale und faktuale Erzählungen unterschieden werden können.718 Während bei der faktualen Erzählung der Rezipient von einem Text mit Wahrheitsanspruch ausgeht, beinhaltet eine fiktionale Erzählung neben der realen noch eine weitere erfundene Kommunikationssituation. Bei historiographischen Erzählungen hingegen besteht zwischen dem Autor und der Leserschaft ein ‚Wahrhaftigkeitspakt‘. Dabei geht der Leser davon aus, „dass der Historiker nach bestem Wissen und Gewissen historische Wirklichkeit darzustellen versucht.“719 Die Schüler und Schülerinnen sollten dahingehend Kompetenzen erwerben, dass sie verstehen, dass ein grundlegendes Charakteristikum von Geschichtsschreibung darin besteht, „dass historische Darstellungen beanspruchen, nicht bloß unterhaltsame oder lehrreiche Geschichten darzustellen, sondern vergangene Wirklichkeit zu repräsentieren – darin besteht ein zentraler Unterschied zu literarischen Erzählungen.“720

716 Kühberger, Umgang mit Darstellungen der Vergangenheit, S. 420. 717 Tobias Hasenberg, Konventionalisierte Signale. Geschichtsdidaktische Systematisierung der Formen im Spektrum zwischen Fakt, Fehler, Fälschung und Fiktion, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 17 (2018), o. Nr., S. 87-100, hier S. 89. 718 Manuel Köster, Echt wahr! Geschichtskulturelle Medien als sprachliche Konstruktionen mit Anspruch auf ‚Authentizität‘, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 16 (2017), o. Nr., S. 32-47, hier S. 34. 719 Ebd. 720 Ebd., S. 33. 163

2. Konkrete Umsetzung im Geschichtsunterricht

Das Thema des Schwarzen Veri lässt sich gut im Geschichtsunterricht umsetzen. Nachfolgend werden ein paar Unterrichtsvorschläge für die Schule ausgearbeitet, die so im Unterricht eingesetzt werden können, und mittels welcher die oben besprochenen Kompetenzen Eingang in den Unterricht finden können.

2.1. Exkursion In der geschichtsdidaktischen Auseinandersetzung wird mit dem Thema ‚Exkursion‘, das historische Lernen und Arbeiten mit (möglichst) originellen Zeugnissen außerhalb der Schule bezeichnet.721

„Als pädagogisch besonders erstrebenswert gelten Exkursionen zu ‚authentischen‘ Orten. Sie scheinen nicht nur zu garantieren, dass historische Vorstellungen echt sind, sondern verkörpern zugleich eine Kontinuität und Dauer, die über das individuelle Gedächtnis hinausgeht.“722 2.1.1. Historische Orte als Lernorte Aufgrund der eigenen Struktur sowie der eigenen Möglichkeit der Geschichtsvermittlung werden institutionalisierte Lernorte wie das Museum oder das Archiv als eigener Punkt diskutiert. Als historische Lernorte versteht Mayer723:

- historische Orte an denen sich große Geschichte ereignete, wie beispielsweise die Prager Burg (Zweiter Prager Fenstersturz 1618) - ‚historische Stätten‘, an denen sich Ergebnisse menschlichen Handelns in realen Zeugnissen manifestierten, wie beispielsweise Rathäuser, Kirchen, Bahnhöfe, etc. - Orte, die zudem für die Lokal- oder Regionalgeschichte von Bedeutung sind, und zur regionalgeschichtlichen Entwicklung beigetragen haben. - Orte, ohne wahrnehmbare Überreste, welche aber einen wichtigen historischen Hintergrund haben. Beispielsweise Schlachtfelder oder Straßenverläufe.724

Zur leichteren Verständlichkeit und Verortung eines historischen Phänomens wäre es für die Schüler und Schülerinnen ideal, würde man eine Rekonstruktion direkt vor Ort mit ihnen durchführen. Durch Erzählungen, Quellenbezügen oder anderen medialen Veranschaulichungen wäre es einfach, eine solche Rekonstruktion vor Ort

721 Ulrich Mayer, Historische Orte als Lernorte, in: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.), Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht (Forum Historisches Lernen), Schwalbach/Ts. 2013, S. 389-407, hier S. 389. 722 John, Lokal- und Regionalgeschichte, S. 103. 723 Mayer, Historische Orte als Lernorte, S. 390. 724 Ebd. 164 vorzunehmen.725 Je nach Ziel der Arbeit oder den regionalen Gegebenheiten, kann die Exkursion zu einem historischen Lernort, durch den Besuch im Museum oder Archiv ergänzt werden.

2.1.1.1. Der Schwarze Veri und mögliche historische Lernorte

-Wanderrundweg Oberschwaben: Die Rundtour führt von Riedhausen zum Ort, an dem der Schwarze Veri festgenommen wurde. Dort erinnert zudem noch eine Stele an die Festnahme der Räuber. Der Weg führt am Bannwaldturm im Pfrunger-Burgweiler Ried vorbei, bis hin zur Laubbachmühle, die vom Veri und seinen Kollegen überfallen wurde. Zudem erlangt man vom Kreuzweg einen herrlichen Blick auf Königseggwald. Danach führt der Weg zum Schloss Königseggwald, wo man anschließend entlang des Parks weiterwandert. Nach dem Durchqueren der Ortschaft, führt der Weg wieder zurück nach Riedhausen.726

Abb. 27. Stele zur Erinnerung an die Festnahme des Schwarzen Veri, Riedhausen

Quelle: o.V., Schwarzer Vere. Räuberhauptmann & seine Orte, o.D., [https://www.oberschwaben-tipps.de/schwarzer-vere-raeuberhauptmann-seine- orte/#lightbox/2/], eingesehen am 05.05.2019.

725 Mayer, Historische Orte als Lernorte, S. 400. 726 o.V., Schwarzer Vere. Räuberhauptmann & seine Orte, o.D., [https://www.oberschwaben- tipps.de/schwarzer-vere-raeuberhauptmann-seine-orte/#lightbox/2/], eingesehen am 05.05.2019. 165

-Biberach (Ehinger Turm): Das ehemalige Gefängnis gibt es in Biberach an der Riß leider nicht mehr. Heute befindet sich dort nur noch eine Straße. Das Ehinger Tor mit seinem Gefängnisturm war früher am nordwestlichen Ende der Innenstadt Biberachs positioniert. Allerdings erinnert heute nur mehr der Name der Straße an das mittelalterliche Tor: Ehinger-Tor-Straße. Wenn man auf dem Platz steht, kann man aufgrund seiner runden Form den Turm beziehungsweise das Tor erahnen.727

2.1.2. Museum Neben dem Bewahren und Erforschen von vergangenen Materialien gehört es zu den wichtigsten Aufgaben eines jeden Museum, das Vergangenheitsmaterial an ein Publikum zu vermitteln. Die Vermittlungsmethode durch Führung eines Experten oder mit Hilfe eines Audioguides gehört zwar zur klassischen Vermittlungsmethode, dennoch bietet es sich an, die Schülern und Schülerinnen mit Arbeitsblättern oder Erkundungsbögen durch das Museums gehen zu lassen.728

„Um den Entdeckertrieb und somit die Motivation der Kinder und Jugendlichen zur Bearbeitung der Arbeitsblätter bzw. Erkundungsbögen zu steigern, werden häufig Elemente wie die Verrätselung von Suchhinweisen, die Verfremdung von Abbildungen der Exponate und Anreiz zum Nachdenken berücksichtigt.“729 Sogenannte Erkundungstouren können aber auch außerhalb des Museums stattfinden. Auch im Stadtraum gibt es viele Überlieferungsreste, deren Deutung als Ergänzung zum Museumsbesuch wertvoll sein können.

2.1.2.1. Der Schwarze Veri und der Museumsbesuch

-Heimatmuseum Ostrach: Vor genau 200 Jahren wurde der Räuberhauptmann, der Schwarze Veri, in Ostrach festgenommen. Heute kann man sich im dortigen Heimatmuseum über die Geschichte der Räuberbande informieren. Auf Nachfrage kann man auch Führungen für Schulklassen organisieren.

-Museum Biberach: Das Museum in Biberach bietet sich für einen Besuch mit einer Schulklasse besonders an, da nicht nur eine Ausstellung zum Schwarzen Veri gezeigt wird, sondern auch Gemälde von Johann Baptist Pflug ausgestellt sind. Zudem präsentiert

727 o.V., Ehinger Tor-Platz in Biberach, o.D., [https://www.oberschwaben-tipps.de/ehinger-tor-platz-in- biberach-riss/], eingesehen am 05.05.2019. 728 Andreas Urban, Geschichtsvermittlung im Museum, in: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.), Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht (Forum Historisches Lernen), Schwalbach/Ts. 2013, S. 370-388, hier S. 370, S. 372, S. 374, S. 378. 729 Ebd., S. 378. 166 das Museum die geschichtliche Entwicklung der Region. Das Museum bietet auch museumspädagogische Aktionen für Schulen an, sodass die Schüler und Schülerinnen ein bestmögliches Lernerlebnis bekommen.730

2.1.3. Archiv Während im Museum die Ausstellungsstücke bereits auf das Publikum warten, können die Besucher des Archivs, die Archivalien nur mit Hilfe des Archivpersonals benützen731. Das Arbeiten im Archiv verfolgt einige wichtige Lernziele732:

1. Kennenlernen der Funktionen und der Arbeitsweisen von Archiven

2. Nutzen der Informationsmöglichkeiten in Archiven

3. exploratives Lernen: Lesen und Bewerten von Archivalien

4. selbstorganisiertes Zusammenarbeiten im Team

5. Präsentieren der Ergebnisse733

Durch die Arbeit im Archiv ist es den Schülern und Schülerinnen möglich „Geschichte sinnlich und persönlich erfahrbar zu machen.“734 Die Archivarbeit bietet den Lernenden genügend Freiraum für selbstständiges Lernen ohne bereits ausformulierte Fragestellungen. Archivarbeit besitzt aufgrund seines detektivischen Charakters einen besonderen Reiz für Schüler und Schülerinnen. „Das originale Zeugnis wirkt zugleich als detektivisch ausfindig gemachtes Indiz, hat Beweischarakter und belegt Nachprüfbarkeit jenseits der bloßen Beglaubigung durch den Lehrer.“735

2.1.3.1. Der Schwarze Veri und Archivarbeit

Das meiste Material zum Schwarzen Veri findet man im Staatsarchiv in Ludwigsburg. Auch dort bietet man besondere Angebote für Schulen an.

730 Stadt Biberach, o.D., [https://biberach-riss.de/Tourismus-Kultur-Freizeit/Kultur/Museum- Biberach/%C3%9Cber-das-Museum], eingesehen am 06.05.2019. 731 Thomas Lange, Archivarbeit, in: Ulrich Mayer u.a. (Hrsg.), Handbuch Methoden im Geschichtsunterricht (Forum Historisches Lernen), Schwalbach/Ts. 2013, S. 446-460, hier S. 446. 732 Ebd., S. 449. 733 Ebd. 734 Ebd., S. 448. 735 Ebd. 167

2.2. Arbeiten mit Darstellungen (Dekonstruktion) Nachfolgend habe ich ein paar Aufgaben und Ideen für die Bearbeitung der Schwarzen Veri-Darstellungen erstellt, die als eine Anregung zu verstehen sein sollen. Voraussetzung dafür ist, dass die Schüler und Schülerinnen bereits den historischen Kontext im Unterricht durchgenommen haben, auch die regionalgeschichtlichen Entwicklungen und Besonderheiten kennen und nun zur Rezeptionsgeschichte des Schwarzen Veri übergehen können.

Das heißt, die SuS

- wissen, wer Xaver Hohenleiter ist

- können den Schwarzen Veri und seine Räuberbande zeitlich einordnen

- kennen die regionalgeschichtlichen Besonderheiten Oberschwabens

- verstehen, dass die Zeit, in welcher der Schwarze Veri tätig war, eine Zeit war, die von großen Umbrüchen geprägt war (regional- und universalhistorisch)

- können mit Fachbegriffen wie „Rotwelsch“, „Hehler“, „Vagant“ oder „Jauner“ operieren

-können Auskunft geben, welche Folgen eine Mitgliedschaft in einer Räuberbande hatte, also wie die Strafverfolgung und Prozessführung von Räubern erfolgte

- kennen die restlichen Mitglieder der Bande des Schwarzen Veri

Für die Bearbeitung der Rezeptionsgeschichte habe ich dann folgende Lernziele ausgearbeitet.

Die SuS sollen

- den Unterschied zwischen einer Quelle und einer Darstellung kennen

- mit Bild- und Textquellen sowie verschiedenen Darstellungen umgehen können

- wissen, wer Johann Baptist Pflug war und was er mit dem Schwarzen Veri zu tun hat

- das Konzept „edler Räuber“ bzw. „Sozialrebell“ verstehen

- wissen, was man unter „Romantisierung“ oder „Räuberromantik“ versteht 168

- lernen, selbstständig schriftliche und bildliche Quellen und Darstellungen zu analysieren und zu interpretieren

- den Aussagegehalt einer historischen Darstellung hinterfragen können

- das Räuberleben moralisch beurteilen und dazu Stellung nehmen können

- das Räuberleben des Schwarzen Veri, wo es hauptsächlich um die Beschaffung von Nahrungsmittel und Kleidung ging, mit dem heutigen Begriff „Raub“ vergleichen können.

2.2.1. Dekonstruktion mittels Bildinterpretation Im nachfolgenden Kapitel habe ich eine Dekonstruktionssituation für die Schule ausgearbeitet. Die Aufgabe konzentriert sich dabei aber besonders auf die Bildinterpretation.

Darstellungen geben nicht die historische Wirklichkeit wieder, sondern zeigen eine konstruierte historische Welt des Künstlers beziehungsweise Autors. Sie haben aber „großen Einfluss darauf, welche Vorstellungen wir uns von geschichtlichen Ereignissen und Persönlichkeiten machen.“736 Für die Schüler und Schülerinnen ist es wichtig, Darstellungen nicht mit der historischen Wirklichkeit zu verwechseln. Die intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Darstellungen hilft ihnen dabei.

Bevor die Schüler und Schülerinnen mit dem Dekonstruieren der historischen Darstellungen beginnen, erhalten sie eine Anleitung, welche sie auffordert, mit gezielten Fragen die Darstellung zu dekonstruieren.737

2.2.1.1. Anleitung zur Bildinterpretation

Schritt 1: Beschreibung der Darstellung

- Was beziehungsweise wer ist dargestellt? - Welche Personen, Gegenstände oder Szenen werden gezeigt? - Aus welchen Elementen besteht die Darstellung? - Wie ist das Bild aufgebaut? - Was steht im Zentrum der Darstellung? - Was wird sonst noch alles dargestellt?

736 Franz Melichar u.a., GO! (Geschichte Oberstufe 5), Wien 2013, S. 40 737 Ebd., S. 41. 169

Schritt 2: Analyse der Darstellung

- Aus welcher Zeit stammt die Darstellung? - Welche Hinweise gibt das Bild auf die Zeit, aus der es stammt? - Lebte der Künstler bzw. die Künstlerin zur gleichen Zeit wie die dargestellten Personen/die dargestellte Person? Kannte der Künstler/die Künstlerin die abgebildeten Personen? - Ist die Darstellung realistisch, verklärt, oder verfälscht gezeichnet? - An wen richtet sich die Darstellung? - Wer könnte den Auftrag für die Darstellung gegeben haben?

Schritt 3: Bedeutung der Darstellung

- Wie viel zeitlicher Abstand liegt zwischen der Entstehungszeit des Werkes und der darin dargestellten Zeit? - Welche Botschaft vermittelt die Darstellung? - Welche Funktion hatte die Darstellung? Welchen Zweck hatte sie und wofür wurde sie verwendet?

Schritt 4: Vergleich der Darstellung mit anderen Darstellungen oder des gleichen Ereignisses

- Benenne Gemeinsamkeiten und Unterschiede. - Was wird in welcher der Darstellungen gezeigt, ins Zentrum gestellt bzw. was wird nicht gezeigt? - Beschreiben und analysieren sie die Darstellung indem sie die genannten Fragen bearbeiten.

Für eine Bildinterpretation würden sich besonders die Gemälde von Pflug anbieten. (Abb. 8., 19., 23., 24 oder 25.) Eine verklärte inszenierte Gruppendarstellung (Abb. 23 oder 24), die Zeichnung des Schwarzen Veri im Gefängnis (Abb. 19) und die dramatisch dargestellte Gefangennahme einiger Räuber (Abb. 25) ließen sich gut gegenüberstellen.

170

Zu den einzelnen Gemälden müssen zudem noch Einzelfragen ausgearbeitet werden, denn „ein Vergleich setzt die Einzelbildinterpretation voraus.“738 Anschließend sollten die Schülerinnen und Schüler mithilfe des Fragenkatalogs (4-Schritte-Dekonstruktion) die Gemälde vergleichend dekonstruieren.739

2.2.1.2. Ausgearbeitete Einzelfragen zur Bilddekonstruktion

M1 Räuber im Wald

Abb. 28. Die Räuberbande des Schwarzen Veri von 1824, Johann Baptist Pflug

Quelle: Frank Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, in: Uwe Degreif (Hrsg.), J. B. Pflug, Johann Baptist Pflug (1785-1866), Lindenberg i. Allgäu 2016, S. 161-181, hier S. 173.

- Woran lässt sich die Räuberbande als eine solche identifizieren? - Nennen sie fünf Begriffe, die Ihnen zum Bild einfallen? - Handelt es sich um eine wirklichkeitsgetreue oder inszenierte Darstellung? - Wie wirkt die Gruppe der dargestellten Personen auf Sie? - Nennen Sie ein paar auffällige Details.

738 Hans-Jürgen Pandel, Bildinterpretation. Die Bildquelle im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 2008, S. 173. 739 Melichar, GO! (Geschichte Oberstufe 5), S. 42. 171

M2 Der Schwarze Veri im Zuchthaus

Abb. 29. Der Schwarze Veri im Zuchthaus

Quelle: Anonym nach Vorlage von J.B. Pflug, in: Planck, Die letzten Räuberbanden, S. 234.

- Beschreiben sie die Darstellung in ein bis zwei Sätzen. - Was denken Sie sollte die Darstellung bewirken? - Wie wirkt die abgebildete Person auf dem Bild auf Sie? - Was ist der größte Unterschied zu den beiden anderen Gemälden von Pflug?

M3 Gefangennahme der Räuber

Abb. 30. Gefangennahme der Räuber von 1822, Johann Baptist Pflug

Quelle: Frank Brunecker, Bildnisse der oberschwäbischen Räuber, in: Uwe Degreif (Hrsg.), J. B. Pflug, Johann Baptist Pflug (1785-1866), Lindenberg i. Allgäu 2016, S. 161-181, hier S. 171. 172

- Welchen Augenblick fängt Johann Baptist Pflug mit dieser Darstellung ein? - Wie wirken die Personen auf Sie? - Welche Unterscheidung der Szenerie besteht zwischen Abbildung 1 und Abbildung 3? - Nennen Sie ein paar auffällige Details.

Der Vergleich von verschiedenen Darstellungen, macht den Konstruktcharakter für Schülerinnen und Schüler besonders deutlich. „Aufgrund des Vergleiches lassen sich die Bilder wechselseitig befragen.“740

2.2.2. Arbeiten mit Texten (Historischer Roman, Gedicht, Legende) Obwohl hier lediglich eine Übung für die Arbeit mit den Gemälden von Pflug ausgearbeitet wurde, können trotzdem Parallelen zur Arbeit mit anderen Darstellungen wie Text, Gedicht oder Legende gezogen werden. Falls man nämlich in der Schule lieber mit Texten arbeiten möchte, würde sich das Gedicht von Schwab, ein Textauszug von Nagengasts Roman sowie die Wanderlegende des Schwarzen Veri zu einer Gegenüberstellung anbieten. Während der Schwarze Veri nämlich bei Schwab zu Unrecht als Mörder betitelt wird, zeichnet Nagengast das Bild eines Sozialrebellen, während die Wanderlegende den Schwarzen Veri als missverstandene und märchenhafte Figur darstellt. Auf die Frage, warum man sich im Geschichtsunterricht mit Romanen oder fiktionalen Erzählungen auseinandersetzen sollte, gibt es eine einfache Antwort: Belletristik gehört zu unserer Geschichtskultur und sollte deshalb auch Beachtung im Geschichtsunterricht finden.741 Das Element der fiktionalen Devianz wird verwendet, um beim Leser Interesse und Spannung zu erzeugen. Bei der Arbeit mit fiktiven Texten beziehungsweise Darstellungen ist es wichtig, dass die Schüler verstehen, dass es in erster Linie nicht um den Inhalt der Erzählung geht, sondern vielmehr darum, weshalb ein Erzähler ein bestimmtes Ereignis darstellt und auf welche Weise er dies tut? Die Schüler und Schülerinnen sollen verstehen, dass es besonders darum geht, welche Botschaft der Erzähler mit seinem Werk vermittelt.742

740 Pandel, Bildinterpretation, S. 173. 741 Hans-Jürgen Pandel, Historisches Erzählen. Narrativität im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts. 2010, S. 109. 742 Ebd., S. 110. 173

3. Fazit

Im Geschichtsunterricht sollte es ein wichtiges Anliegen sein, Geschichte nicht nur „lernen zu müssen“, sondern sie auch in all ihren vielseitigen Facetten zu verstehen. Geschichte ist das Erzählen der Vergangenheit sowie das Arbeiten mit der Vergangenheit und bei diesem Arbeiten, steht schon seit langer Zeit nicht mehr nur das reine Faktenwissen im Vordergrund. Das Thema meiner vorliegenden Diplomarbeit beschäftigt sich ja auch nicht nur mit historischen Fakten zum Vaganten- und Jaunertum in der Frühen Neuzeit, sondern fordert auf beziehungsweise ladet dazu ein, dass man sich zudem kritisch mit den vorliegenden Quellen und Darstellungen auseinandersetzt. Im Geschichtsunterricht sollten die Schüler nicht nur befähigt werden Vergangenes mithilfe von Quellen zu rekonstruieren, sondern sich auch einen adäquaten Umgang mit ‚fertigen Geschichten‘ anzueignen.743

„Historische Erzählungen treten in vielerlei Gestalt auf und sind in der Lage, das Geschichtsbewusstsein in unterschiedlicher Art und Weise zu beeinflussen. Sie lassen bildlich, multimedial, haptisch oder schriftlich Vergangenheitswelten im Jetzt lebendig werden.“744 Mittels lebendigen und explorativen Unterrichtes ist es möglich, diese Vergangenheitswelten den Schülern näher zu bringen, sie gleichzeitig zu einem kritischen Umgang aufzufordern, und sie auf den Konstruktionscharakter von Geschichtsdarstellungen vorzubereiten. Ein gelingender Geschichtsunterricht befähigt Schüler zu kritischem Denken und Handeln, befähigt sie Vergangenes zu analysieren, die Gegenwart besser zu verstehen, um für die Zukunft gut vorbereitet zu sein.

Mit einem Zitat von Ulrike Rohr würde ich demnach meinen fachdidaktischen Teil gerne abschließen:

„Eine Unterrichtseinheit kann nicht die Welt verändern, sie kann aber einer von vielen Schritten sein, um ein Bewusstsein zu schärfen für das, was in einer Gemeinschaft oder Gesellschaft passiert, um zu erkennen, welche Bedingungen förderlich sind für ein gelungenes Leben aller Menschen, und um nicht zu schweigen, sondern den Mut aufzubringen, zu helfen, wenn Ungerechtigkeit passiert.“745

743 Kühberger, Kompetenzorientiertes historisches und politisches Lernen, S. 59. 744 Ebd., S. 60. 745 Ulrike Rohr, Literatur-Kartei Plus. Lehrerhandreichung „Der Junge im gestreiften Pyjama“, Frankfurt am Main 2007, S. 1. 174

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1. Lebensmittelpreise im Januar 1817, Vincenz Zanna, Augsburg 1817 ...... 28 Abb. 2. Zinken - Nachtlager ...... 54 Abb. 3. Zinken - Diebstahl ...... 54 Abb. 4. Zinken - Gefängnis ...... 54 Abb. 5. Xaver Hohenleiter (Der Schwarze Veri) ...... 84 Abb. 6. Steckbrief des Schwarzen Veri 1819, mit Transkription ...... 85 Abb. 7. Josepha Tochtermann ...... 87 Abb. 8. Friedrich Klump, Johann Baptist Pflug 1821 ...... 88 Abb. 9. Theresia Jeppler, ...... 89 Abb. 10. Ulrich Hohenleiter ...... 89 Abb. 11. Agathe Gebhard ...... 90 Abb. 12. Fidelis Sohm ...... 92 Abb. 13. Crescentia Tochtermann ...... 92 Abb. 14. Agnes Gebhardt ...... 93 Abb. 15. Sebastian Kellermann ...... 93 Abb. 16. Friedrich Klumps Zeichen ...... 99 Abb. 17. Sebastian Kellermanns Zeichen ...... 99 Abb. 18. Raubzüge der Schwarzen Veri Bande ...... 101 Abb. 19. Der Schwarze Veri im Zuchthaus ...... 110 Abb. 20. Das Ehinger Tor in Biberach ...... 110 Abb. 21. Das Ehinger Tor in Biberach ...... 110 Abb. 22. Übernahme des Leichnams des Schwarzen Veri zur vorschriftsmäßigen Beerdigung ...... 114 Abb. 23. Die Räuberbande des Schwarzen Veri im Mederwald, Johann Baptist Pflug 1822 ...... 117 Abb. 24. Die Räuberbande des Schwarzen Veri von 1824, Johann Baptist Pflug ...... 119 Abb. 25. Gefangennahme der Räuber von 1822, Johann Baptist Pflug ...... 122 Abb. 26. Die historischen Kompetenzen des FUER-Modells ...... 148 Abb. 27. Stele zur Erinnerung an die Festnahme des Schwarzen Veri, Riedhausen .... 165 Abb. 28. Die Räuberbande des Schwarzen Veri von 1824, Johann Baptist Pflug ...... 171 Abb. 29. Der Schwarze Veri im Zuchthaus ...... 172 Abb. 30. Gefangennahme der Räuber von 1822, Johann Baptist Pflug ...... 172

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Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre hiermit an Eides statt durch meine eigenhändige Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht.

Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Magister-/Master-/Diplomarbeit/Dissertation eingereicht.

Datum Unterschrift

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