Kirchendiebe und Ketzer

Medienöffentlichkeit und religiöser Konflikt in Luzern 1522-1529

Hans Jurt Kirchendiebe und Ketzer

Medienöffentlichkeit und religiöser Konflikt in Luzern 1522-1529

Lizenziatsarbeit

von

Hans Jurt

Museggstrasse 20 6004 Luzern [email protected]

15. Dezember 2010

bei Prof. Dr. Valentin Groebner

Universität Luzern Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät Historisches Seminar Inhaltsverzeichnis

1. Schwetzige Wortler1 1.1. Lutherische Narren...... 1 1.2. Von Strassburg nach Luzern...... 7 1.3. Der Lasszettel...... 9

2. Lobliche Statt Lucern 16 2.1. Pensionenwesen...... 17 2.2. Religiosität...... 19 2.3. Bildungssituation...... 20 2.4. Lutherschriften...... 22

3. Das Liecht goetliches Wortes in die Lucern gesetzt 25 3.1. Eine Prozession...... 25 3.2. Eine Predigt mit Nachspiel...... 28 3.3. Ein kurzer Briefwechsel...... 32

4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft 35 4.1. Lesemeister in Luzern...... 36 4.2. Reformator in Schaffhausen...... 38 4.3. Das Schmachbuechlin...... 39 4.4. Ich Adam Petri, der buchdrucker...... 45

5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern 52 5.1. Der Wirt als Richter...... 54 5.2. Der Lesemeister als Drucker...... 62 5.3. Der lutheranische Esel...... 65

6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender 73 6.1. Das Licht des Evangeliums...... 76 6.2. Du solt nit stelen...... 82 6.3. Ein schmäliches gedicht...... 87 7. Der Murner ist nider 93 7.1. Des alten Christlichen beern Testament...... 93 7.2. Ich binn nit Spangisch / binn nit Zwinglisch...... 98

8. Literatur 105 8.1. Quellen...... 105 8.2. Darstellungen...... 112

Sigel 121

A. Anhang 123 A.1. Sammelband II DD 381...... 123 A.2. Kalenderansichten...... 127

Abbildungsverzeichnis 144 Zusammenfassung

Als im Jahr 1525 der elsässische Franziskaner Thomas Murner aus konfessionellen Gründen seine Heimat verlassen musste, floh er nach Luzern. Der Doktor der Theo- logie und beider Rechte hatte bereits eine bewegte Vergangenheit als humanistischer Gelehrter, erfolgreicher Autor von Satiren und lautstarker Luthergegner hinter sich. Im Barfüsserkloster von Luzern richtete er kurz nach seiner Ankunft eine Drucke- rei ein, um den Kampf gegen die publizistisch weiterzuführen. Seine Schriften gaben Anlass zu einigen religionspolitischen Kontroversen und waren ver- schiedentlich Gegenstand von innereidgenössischen Auseinandersetzungen. Von den neugläubigen Orten wurde sein Kirchendieb- und Ketzerkalender aus dem Jahr 1527 als besonders beleidigend aufgenommen. Nach dem ersten Kappeler Landfrieden von 1529 forderten die reformierten Orte die Auslieferung des elsässischen - gegners. Murner konnte sich nur durch Flucht der drohenden Verhaftung entziehen. Medienpolitische Kontroversen gab es allerdings schon bevor Luzern mit Murner über eine eigene Druckerei verfügte. Anhand zweier reformatorischen Flugschriften, die sich direkt an Luzern wandten - eine Predigtflugschrift des reformierten Zürcher Komturs Konrad Schmid (1522) und eine Ermahnung des Schaffhauser Reformators Sebastian Hofmeister (1523) - sollen die Reaktionen von Luzern in der frühen Re- formation aufgezeigt werden. Neben dem ausgewählten Textkorpus werden für die Untersuchung vor allen die Aktensammlungen der Eidgenössischen Tagsatzungen und zeitgenössische Chroniken berücksichtigt.

Luzern, 15. Dezember 2010

Hans Jurt 1. Schwetzige Wortler

1.1. Lutherische Narren

Es gilt unter Historikern als unumstritten, dass zwischen der Reformation und dem Buchdruck ein Zusammenhang besteht. Der Ausspruch des deutschen Kirchenhi- storikers Bernd Moeller „Ohne Buchdruck keine Reformation“ ist regelrecht zu ei- ner stehenden Wendung geworden.1 Tatsächlich hat seit den technischen Innovatio- nen Gutenbergs in der Mitte des 15. Jahrhunderts eine sprunghafte Zunahme der Druckerzeugnisse eingesetzt. Neben den Nachdrucken von klassischen Werken und religiöser Literatur sowie von Schriften für die Weiterbildung, haben Kleinschrif- ten oder Tagesliteratur eine enorme Umsatzsteigerung erlebt. Unter Tagesliteratur sind etwa Ablassbriefe, Wandkalender und Einblattdrucke zu verstehen. Von allem Anfang an wurde die neue Informations- und Nachrichtentechnologie für ideologi- sche, politische und religiöse Zwecke eingesetzt.2 Für den propagandistischen Einsatz entstand ein neuer Typus von Druckerzeugnissen, die Flugschrift.3 Ein erster Hö- hepunkt in der Flugschriftenproduktion ist zu Beginn des dritten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts festzustellen. Die deutschsprachige Christenheit wurde von einer wahren Flut von Flugschriften, vor allem reformatorischer Herkunft überschwemmt. So sollen nach Moeller bereits Ende 1520 über eine halbe Million Luther-Schriften im Umlauf gewesen sein. Mehrere weitere Millionen Flugschriften kamen in den

1Dieser Ausspruch hat sich so sehr durchgesetzt, dass Moeller sich sogar selber zitiert. Zur Ver- stärkung zieht er eine ähnliche Exklusivaussage eines anderen bedeutenden Reformationshi- storikers, der ebenfalls durch prägnante Sätze bekannt ist, hinzu. Arthur G. Dickens: „The German Reformation was a book-event“. Bernd Moeller: Stadt und Buch. Bemerkungen zur Struktur der reformatorischen Bewegung in Deutschland, in: Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.): Stadtbürgertum und Adel in der Reformation, Stuttgart 1979, S. 25–39, hier S. 26. 2Michael Giesecke: Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, Frankfurt am Main 2006, S. 65. 3Vom bedeutenden Flugschriftenforscher Hans-Joachim Köhler stammt die präzise Definition: „Eine Flugschrift ist eine aus mehr als einem Blatt bestehende, selbständige, nichtperiodische und nicht gebundene Druckschrift, die sich mit dem Ziel der Agitation (d.h. der Beeinflus- sung des Handelns) und/oder der Propaganda (d.h. der Beeinflussung der Überzeugung) an die gesamte Öffentlichkeit wendet.“ Hans-Joachim Köhler: Die Flugschriften. Versuch ei- ner Präzisierung eines geläufigen Begriffs, in: Horst Rabe/Hansgeorg Molitor/Hans- Christoph Rublack (Hrsg.): Festgabe für Ernst Walter Zeeden zum 60. Geburtstag am 14. Mai 1976, Bd. 2 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte. Supplementband), Münster (Westf.) 1976, S. 36–61, hier S. 50.

1 1. Schwetzige Wortler

Abbildung 1.1.: Murner mit Drachenschwanz und Katzenkopf. Strassburg 1521 nächsten Jahren hinzu, sodass bis zum Jahr 1525 jeder lesefähige Deutsche meh- rere Exemplare besessen haben könnte.4 Eingeleitet wurde die enorme Steigerung der Flugschriftenproduktion durch die „drei reformatorischen Hauptschriften“, die Luther im Jahr 1520 in Wittenberg herausgab.5 Die Produktion von antireformato- rischen, altgläubigen Schriften war um ein Wesentliches geringer. Harry Oelke hat illustrierte Flugblätter des 16. Jahrhunderts nach ihrer konfessionellen Ausrichtung untersucht. In der Phase der frühen Reformation hat er ein Verhältnis von bis zu 95% reformatorischen gegenüber bloss 5% altkirchlichen Flugblättern festgestellt.6 Die wichtigsten Reformationsgegner, die sich in der Frühphase der Reformation publizistisch hervor taten, sind Hieronymous Emser, und Thomas Mur- ner. Von der Gegnerschaft wurden die drei oft mit abwertenden Tiernamen versehen: der Bock Emser, das Schwein Eck und der Kater Murner. Umgekehrt wurde etwa Luther von Emser als Stier zu Wittenberg tituliert. Der Franziskanermönch Tho- mas Murner aus Strassburg reagierte vorerst anonym und in einem gemässigten Ton auf die Schriften Luthers, die schon früh in seiner Stadt erschienen waren. Gegen Luthers Angriff auf die Messe (Ein Sermon von dem Neuen Testament, das ist von der hl. Messe) verfasst Murner im November 1520 eine christliche und brüderliche Ermahnung an den hochgelehrten Doktor .7 Bis Ende 1520 verlies-

4Bernd Moeller: Die frühe Reformation als Kommunikationsprozess, in: Bernd Moeller/ Johannes Schilling (Hrsg.): Luther-Rezeption, Göttingen 2001, S. 73–90, hier S. 77. Auf ähnliche Zahlen kommt Köhler, der für die Zeit zwischen 1501 und 1530 eine Zahl von bis zu 12’000 Drucken, hochgerechnet 12 Millionen Einzelexemplare, annimmt. Hans-Joachim Köh- ler: Erste Schritte zu einem Meinungsprofil der frühen Reformationszeit, in: Volker Press/ Dieter Stievermann (Hrsg.): Martin Luther, Bd. 16 (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit), Stuttgart 1986, S. 244–281, hier S. 249 f. 5Es handelt sich um: Von der Freiheit eines Christenmenschen, Von der babylonischen Gefan- genschaft der Kirche, An den Christlichen Adel deutscher Nation. Vgl. Giesecke: Buchdruck, S. 473. 6Harry Oelke: Die Konfessionsbildung des 16. Jahrhunderts im Spiegel illustrierter Flugblätter (Arbeiten zur Kirchengeschichte), Berlin, New York 1992, S. 28 ff. 7Der in einem versöhnlichen Ton abgefasste Titel lautet: Ein christliche und brüderliche ermanung zuo dem hochgelehrten doctor Martino luter Augustiner orden zuo Wittemburg (dz er etliche Reden von dem newe testament der heiligen messen gethon) abstande, und wider mit gemeiner

2 1. Schwetzige Wortler sen in kurzer Abfolge drei weitere anonyme Schriften Murners die Druckpresse von Johann Grüninger.8 Der Tonfall wurde nun hörbar polemischer. Aus dem hochge- lehrten Martin Luther ist jetzt „der Zerstörer des Glaubens Christi und Verführer der einfältigen Christen“ geworden.9 Durch Capito,10 der wie Murner in Strassburg lebte, war Luther von Anfang an über den Urheber der gegen ihn gerichteten anony- men Schriften informiert. Er hielt es jedoch vorerst nicht für nötig, diese Angriffe zu kontern. Erst 1521 ging er auf Murner ein. Luther betrachtete die Angriffe Murners allerdings als nicht sehr gewichtig. Gleichsam um die Geringschätzung gegenüber Murner zum Ausdruck zu bringen, verpackte Luther seine Antwort in ein Schreiben gegen Emser.11 Luther hielt sich allerdings nicht zurück und überschüttete Mur- ner und Emser mit Sarkasmen jeglicher Art.12 Er bezeichnete die beiden als arme flachgelerte Papisten. Emser schlug er vor, besser ein böses altes Weib als Murner zu Hilfe zu nehmen. Er solle den schwetzigen wortler Thomas Murner da heymen lassen. Murner forderte er auf, sich an die Heilige Schrift zu halten und ihn nicht weiter zu belästigen. Er habe Wichtigeres zu tun, als sich auf sein Geschwätz ein- zulassen. Schrifft, Murnarr; Murnarr schrifft, oder such eyn andern kempffer, ich hab mehr zu thun denn deines schrifftloßen geschwetzs zu warten.13 Zum Schluss be- merkte Luther, er sei auf dieses schrifftloßenn geschwetz Murners nur eingegangen, um zu zeigen, dass er ihn nicht verachte und fügte abschliessend ein Spottgedicht auf Murner an, in dem er seine ganze Verachtung zum Ausdruck brachte. Noch bevor Luther das erste (und einzige) Mal direkt auf Murners Schriften geantwortet hatte, war Murner aus der Anonymität herausgetreten. An zwölf Orten

christenheit sich vereinige (11. November 1520). 8Von Doctor Martinus luters leren vnd predigen. Das sie argwenig seint, vnd nit gentzlieh glaub- wirdig zuohalten (November 1520), Von dem babstenthum das ist von der hoechsten oberkeyt Christiichs glauben wyder doctor Martinum Luther (Dezember 1520), An den grossmechtigsten und durchlüchtigsten adel tütscher nation das sye den christlichen glauben beschirmen, wyder den zerstoerer des glauben christi, Martinum luther eine verfierer der einfeltigen christen (De- zember 1520). 9Die letzte der anonymen Schriften war eine Antwort auf Luthers „Adelsschrift“. Zur Chronologie der Herausgabe der Schriften siehe Badische Landesbibliothek (Hrsg.): Thomas Murner. Elsässischer Theologe und Humanist (1475 - 1537). Ausstellungskatalog, Karlsruhe 1987. All- gemein zu Murners frühen Flugschriftenproduktion siehe Adolf Laube: Einleitung, in: ders. (Hrsg.): Flugschriften gegen die Reformation (1525 - 1530), Berlin 2000, S. 17–64, hier S. 26 ff. 10Wolfgang Capito war neben der bedeutendste Reformator Strassburgs. 11Martin Luther: Auff dz überchristlich übergeystlich und überkünstlich buch Bocks Emszers zu Leyptzk Antwort Doctor Martin Luthers. Darinn auch Murnars seines gesellen gedocht würt. Ein „Doppelangriff“ ist laut Bremer in der reformatorischen Agitation eher selten. Luther wollte vermutlich damit ausdrücken, wie wenig ihn die Angriffe Murners berührten. Kai Bremer: Religionsstreitigkeiten. Volkssprachliche Kontroversen zwischen altgläubigen und evangelischen Theologen im 16. Jahrhundert, Bd. 104 (Frühe Neuzeit), Tübingen 2005, S. 88 ff. 12Badische Landesbibliothek (Hrsg.): Thomas Murner, S. 190. 13Die Lutherzitate sind der elektronischen Ausgabe der Werke Luthers entnommen. (Schriften, 7. Band, Schriften 1520/21: S. 621-687, Zu Murner: S. 681-687)Martin Luther: Luthers Werke im WWW. Weimarer Ausgabe, 2006, url: http://luther.chadwyck.co.uk/ (besucht am 12. 07. 2010).

3 1. Schwetzige Wortler

Abbildung 1.2.: Lutherischer Narr (Ausschnitt). Strassburg 1522 in Strassburg liess er eine antilutherische Flugschrift anschlagen mit dem Titel: Pro- testation D. Thome Murner das er wider Doc. Mar. Luther nichts unrecht gehandlet hab.14 So reagierte er auf die zahlreichen gegen ihn gerichteten Schmähschriften, die in der Stadt kursierten. Auf seine Klagen hin, verbot der Rat von Strassburg anti- murnerische Schriften. Die Flut der Flugschriften, in denen Murner mit Katzenkopf oder Drachenschwanz dargestellt wurde, war jedoch nicht aufzuhalten.15 Murner leg- te nun seinerseits die Zurückhaltung ab und besann sich auf seine literarische Stärke: auf das Schreiben von Satiren. In vorreformatorischer Zeit hatte er bewiesen, dass er mit seinen satirischen Schriften ein breites Publikum erreichen konnte. Seine in der Narrentradition von Sebastian Brand geschriebenen Satiren hatten zum Teil mehrere Auflagen erlebt. Die Schriften waren angriffig und unterhaltsam geschrieben und mit vielen Illustrationen versehen. Murner hielt dabei mit der Kritik an den Missstän- den der Zeit nicht zurück, unterliess es jedoch, die Kirche und ihre Institutionen als Ganzes in Frage zu stellen.16 Murner begann Ende 1522 sein antireformatorisches Meisterwerk zu verfassen. Er gab der Satire den Titel: Von dem grossen Lutheri- schen Narren wie in doctor Murner beschworen hat etc. Dieses Kampfgedicht, in drastisch derbem Stil abgefasst, geht in aller Schärfe mit Luther und seinen Anhän- gern ins Gericht. Die Schrift ist mit zahlreichen Holzschnitten, die vermutlich von Murner selber entworfen wurden, versehen. Der grosse Lutherische Narr ist in der Gestalt eines angeschwollenen Mönchs mit Narrenkappe dargestellt. Der Gegner des Lutherischen Narren ist ebenfalls eine Gestalt in Mönchskleider, jedoch mit einem

14Gedruckt am 8. März 1521. 15Vgl. Marc Lienhard: Thomas Murner und die Reformation, in: Badische Landesbibliothek (Hrsg.): Thomas Murner. Elsässischer Theologe und Humanist (1475 - 1537), Karlsruhe 1987, S. 69. 16Die Titel der vier grossen Satiren lauten: Narrenbeschwörung (1512), Schelmenzunft (1512), Mühle von Schwindelsheim (1515) und Geuchmatt (1519).

4 1. Schwetzige Wortler

Katzenkopf versehen (Abbildung 1.2); Murners selbstironische Quittung auf seinen Spottnamen Murrnarr.17 Am 12. Dezember 1522 sollte die umfangreiche Schrift (sie enthielt 160 Seiten) die Druckerei verlassen. Unterdessen hatte sich die Situation in Strassburg wesentlich verändert. Die Stadt hat sich auf die reformatorische Seite ge- stellt. Die Streitschrift wurde unmittelbar nach ihrem Erscheinen beschlagnahmt.18 Der Versuch, eine zweite Auflage ausserhalb der Stadt zu drucken, wurde offenbar verhindert.19 So blieb diese Schrift, in die Murner seine ganze Kraft gelegt hatte, fast ohne Wirkung. Nur wenige Zeitgenossen werden sie zu Gesicht bekommen haben. Trotzdem wird die Schrift in der neueren Literaturgeschichte als eine der wichtig- sten antireformatorischen Schriften aufgeführt.20 Ihre Rezeption hat jedoch erst im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert eingesetzt. Heute gilt die Schrift als das an- tilutherische Pamphlet schlechthin. Sicher auch wegen des eingängigen Titels und der ausdrucksstarken Illustrationen wird es oft und gerne erwähnt. Keinem anderen Werk Murners ist in der Forschung grössere Beachtung geschenkt worden.21 Trotz des Misserfolges bei dem Vertrieb seiner Schriften gab Murner seinen Kampf gegen Luther und die Reformation nicht auf. Als in Strassburg kein Drucker mehr bereit war, seine Schriften zu drucken, richtete sich Murner kurzerhand ei- ne eigene Druckerei im Barfüsserkloster von Strassburg ein. Nur so konnte er die Angriffe seiner Gegner kontern. Einer seiner stärksten Kritiker kam aus der Eidgenossenschaft. Der in Baslel an- sässige Drucker Pamphilus Gengenbach reagierte in seiner Schrift „Novella“ (Basel 1523) direkt auf den „grossen Lutherischen Narren“. In dieser Satire wird Murner von einem Pfarrer gerufen, einen Geist zu beschwören. Der Geist verwandelt sich in einen Narren und Murner wird von ihm geschluckt. Eine andere Schrift, die Gen- genbach zugeschrieben wird und gegen Murner gerichtet war, hat den Titel: Der gestryfft Schwitzer Baur. Disz büchlin hat gemacht ein Baur ausz dem Entlibuch.22 Der Titelholzschnitt stellt einen auf einem Esel reitenden Geistlichen dar, der mit

17Mur-nar = närrischer Kater. Die Verballhornung seines Namens stammt nicht erst aus der Re- formationszeit. Er wurde ihm bereits 1502 anlässlich einer Kontroverse mit dem Humanisten zu Teil. Vgl. Philipp Dollinger: Das Leben des Thomas Murners, in: Badische Landesbibliothek (Hrsg.): Thomas Murner. Elsässischer Theologe und Humanist (1475 - 1537), Karlsruhe 1987, S. 21–34, hier S. 24 f. 18Vgl. Lienhard: Thomas Murner und die Reformation, S. 71. 19Theodor von Liebenau: Der Franziskaner Dr. Thomas Murner (Erläuterungen und Ergän- zungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes), 1913 (im folgenden zit. als LIEBENAU), S. 192 f. 20Hans Rupprich: Die deutsche Literatur vom späten Mittelalter bis zum Barock. Das Zeitalter der Reformation 1520-1570, Bd. 2 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart (Beck)), München 1973, S. 90. 21Vgl. Dirk Jarosch: Thomas Murners satirische Schreibart. Studien aus thematischer, formaler und stilistischer Perspektive, Bd. 9 (Schriften zur Mediävistik), Hamburg 2006, S. 295. 22Pamphilus Gengenbach: Der gestryfft Schwitzer Baur. Disz büchlin hat gemacht ein Baur ausz dem Entlibuch, Wem es nit gefall der küsz im die bruch, Basel 1522. Siehe Abbildung 1.3 auf Seite6.

5 1. Schwetzige Wortler

Abbildung 1.3.: Der gestryfft Baur (Ausschnitt). Basel 1522 einem Bauern ein Gespräch führt. Einiges deutet daraufhin, dass es sich bei diesem Klosterbruder um Thomas Murner handeln könnte.23Niemand hätte zu diesem Zeit- punkt vermutet, dass Murner schon bald diesen Entlibucher Bauern treffen sollte, zwar nicht als eine allegorische Figur, sondern als leibhaftige Gestalt auf dem Markt in Luzern. Das Leben in Strassburg war für Murner immer ungemütlicher geworden. Ende 1524 wurde seine im Kloster installierte Druckerei von einer aufgebrachten Menge zerstört. Murner verliess Strassburg und floh in seine Geburtsstadt Oberehnheim.24 Während des Bauernkrieges von 1525 wurde Murner gezwungen, auch diese Stadt zu verlassen. Seine Flucht führte ihn in die Innerschweiz, ins Zentrum der antire- formatorischen Bewegung, nach Luzern. Mittellos und krank25 kam er im Sommer 1525 in Luzern an. Er wurde auf Stadtkosten neu eingekleidet und als Lesemeister im Franziskanerkloster angestellt. Eine seiner ersten Aktivitäten bestand darin, im Kloster eine Druckerei einzurichten. Bereits Ende 1525 verliess eine Schrift die neue Druckerpresse, es war der erste Druck, der in der Stadt Luzern entstanden war.26

23Verena Schmid Blumer hat sich ausgiebig mit dieser Flugschrift auseinander gesetzt. Verena Schmid Blumer: Ikonographie und Sprachbild. Zur reformatorischen Flugschrift ”Der gestryfft Schwitzer Baur”, Bd. 84 (Frühe Neuzeit), Tübingen 2004. 24Oberehnheim oder Obernai liegt etwa 30 Kilometer südwestlich von Strassburg. Vgl. Lienhard: Thomas Murner und die Reformation, S. 72 und LIEBENAU, S. 210 f. Der Ausstellungskatalog zur Murnerausstellung in Karlsruhe und Strassburg aus dem Jahre 1987 vermittelt einen guten Überblick über Murners Leben und Schriften und über Murners Wirkung. Die Biographie des ehemaligen Luzerner Staatsarchivar aus dem Jahre 1913 „Der Franziskaner Dr. Thomas Murner“ gilt immer noch als die wichtigste Arbeit über das Leben von Murner. 25ebd., S. 212. 26Vgl. Franz Joseph Schiffmann: Über Dr. Thomas Murners Flucht nach Lucern und speziell über eine bisher unbekannte, von ihm daselbst herausgegebene Schrift, in: Der Geschichtsfreund 27 (1872), S. 230–239, hier S. 29 und LIEBENAU, S. 216.

6 1. Schwetzige Wortler

Abbildung 1.4.: History Von den fier Ketzren Prediger (Ausschnitt). Strassburg 1521

1.2. Von Strassburg nach Luzern

Welch ein Wechsel für Thomas Murner. Von Strassburg, der zweitgrössten Reichs- stadt mit mehr als zwanzigtausend Einwohnern, mit einem reichen Kulturleben und mit einer regen Handelstätigkeit, wurde er in die Kleinstadt Luzern mit kaum 4000 Einwohnern verschlagen.27 Es war nicht das erste Mal, dass sich Murner in der Eidgenossenschaft aufhielt. 1509 war er als Lesemeister in den Barfüsserkonvent von Bern (straf)versetzt worden. In Bern war bei seiner Ankunft gerade der Jetzerhandel im Gange. Thomas Murner, der später drei Flugschriften zu diesen Vorkommnissen veröffentlichte, soll bei der Verbrennung der vier Dominikaner persönlich anwesend gewesen sein.28 Nach Aufenthalten in verschieden anderen Städten - er war Guar- dian in Speyer, Lesemeister in Frankfurt, Guardian in Strassburg, Lehrer in Trier - kehrte Murner 1518 in die Eidgenossenschaft zurück, um an der Universität von Basel das Studium mit dem Doktor in beiden Rechten abzuschliessen. Murner dürfte also mit den schweizerischen Verhältnissen vertraut gewesen sein, als er 1525 in der Innerschweiz Zuflucht suchte. Wesentliche Unterschiede zwischen Strassburg und Luzern bestanden vor al-

27Die Lage Strassburgs zu Beginn des 16. Jahrhunderts ist gut beschrieben bei Thomas Allan Brady: Zwischen Gott und Mammon. Protestantische Politik und deutsche Reformation, Ber- lin 1996 und Marc Lienhard/Jakob Willer: Strassburg und die Reformation, Kehl 1982. 28Im Jetzerhandel ging es um die vorgetäuschten Wunder des Dominikaner Bruders Hans Jet- zer, der alle Schuld auf vier Dominikanermönche abschob. Zum Hintergrund gehört der Streit zwischen den Dominikanern und den Franziskanern um die unbefleckte Empfängnis Mariens. Die Schrift Murners, History von den fier ketzren Prediger, eine Übersetzung von De quattuor heresiarchis wurde 1521 in Strassburg für die Protestanten neu aufgelegt, um die altkirchlichen Inquisitionsprozesse anzuprangern und um auf Thomas Murners Bösartigkeit hinzuweisen. Sie- he Abbildung 1.4. Vgl. Badische Landesbibliothek (Hrsg.): Thomas Murner, S. 228 ff. und LIEBENAU, S. 57-66. Neuedition und Kommentar mit weiteren Literaturangaben bei Thomas Murner: Von den vier Ketzern. Edition und Kommentar, Bd. 29 (Schweizer Texte), Zürich 2009.

7 1. Schwetzige Wortler lem in ökonomischer und kultureller Hinsicht. In Luzern bildeten die Erträge aus den fremden Diensten, die Pensionen, eine wesentliche Einnahmequelle, während in Strassburg das Gewerbe und der Handel im Mittelpunkt standen. Kulturell be- trachtet kann Strassburg, obwohl ohne Universität, neben Basel als ein wichtiger Ort von humanistischer Gelehrsamkeit im oberrheinischem Gebiet betrachtet wer- den. Hervorzuheben sind der Humanist Jakob Wimpfeling (1450-1528), der Prediger Geiler von Kaisersberg (1445-1510) und der Dichter Sebastian Brand (1457-1521); drei Personen, die auch für Murner von einiger Bedeutung waren. Anders sah die kulturelle Situation um 1525 in Luzern aus. Ende des 15. Jahrhunderts hatte zwar eine rege Ausbildungstätigkeit an fremden Universitäten eingesetzt. Die Mehrzahl der Rückkehrer hielt es jedoch nicht lange in Luzern aus. Zum Teil freiwillig, zum Teil unter Druck, verliessen die meisten von ihnen die Stadt und viele schlossen sich der reformatorischen Bewegung an; von ihnen wird später noch die Rede sein. Andere der humanistisch gebildeten Luzerner verloren ihr Leben auf den norditalie- nischen Schlachtfeldern. Ein grosser Unterschied zu Strassburg bestand zudem im Druckereiwesen. Strassburg hatte sich zu einem der bedeutendsten Druckereizentren des Reiches entwickelt und die Drucker waren zu einer treibenden Kraft der reforma- torischen Bewegung geworden.29 In Luzern jedoch existierte zur gleichen Zeit noch kein Druckereigewerbe. Wohl stammen die zwei ältesten gedruckten Chroniken der Schweiz aus Luzern30 und das älteste im Gebiet der heutigen Schweiz datierte Buch wurde in Beromünster gedruckt,31 doch eine permanente Druckerei konnte sich in Luzern nicht etablieren. So war es eine der ersten Aktivitäten von Thomas Murner, in Luzern eine Offizin einzurichten. Er hatte die Wichtigkeit dieser Institution im antireformatorischen Kampf erkannt. Nicht nur in Strassburg, sondern auch in Zü- rich und Basel gehörten die Drucker zu den treibenden Kräften der Reformation.32 Wie in Strassburg richtete Murner auch in Luzern die Druckerei im Barfüsserklo-

29Grüninger (1455-1533), der Drucker von Murners Schriften, war bald der einzige, der sich nicht der Reformation angeschlossen hatte. Das Druckereiwesen Strassburgs ist sehr gut erforscht, so etwa durch Miriam Usher Chrisman u.a. Vgl. Miriam Usher Chrisman: Bibliography of imprints, 1480-1599, New Haven, London 1982. Man nimmt an, dass im 16. Jahr- hundert an die 6000 Buchtitel in Strassburg gedruckt und in ganz Europa verbreitet wurden. Vgl. Lienhard/Willer: Strassburg und die Reformation, S. 75 f. 30Die Schwabenkrieg-Chronik von Niklaus Schradin, gedruckt 1500 in Sursee und die Kronica von der loblichen Eydtgnoschaft von Petermann Etterlin, gedruckt in Basel 1507. 31Es handelt sich dabei um den Mammotrectus super bibliam von Giovanni Marchesio, ein Hand- buch für Geistliche, das auf den 1. 11. 1470 datiert ist. Fritz Blaser/Gottfried Bösch/ Mattman Helene (Hrsg.): Erster datierter Schweizer Druck. Gedenkschrift zur 500-Jahr-Feier in Beromünster 1470-1970, Beromünster 1970, Vgl. Die früher in Basel gedruckten Bücher sind ohne Datumsangabe erschienen. 32Eine der ersten reformatorischen Schriften Zwinglis war auf Grund der Anklage des Fastenbruchs gegen den Zürcher Drucker Froschauer entstanden. Huldrych Zwingli: Von Erkiesen und Fryheit der Spysen. Von Ergernus und Verböserung; Ob man Gwalt hab die Spysen zuo etlichen Zyten verbieten, Zürich 1522.

8 1. Schwetzige Wortler ster ein und liess Druckergesellen aus Strassburg nachkommen.33 Die ersten Drucke, die seine Druckerei verliessen, waren in lateinischer Sprache abgefasst und demnach an Gelehrte und Geistliche gerichtet. Eine der Schriften war direkt an seinen Or- densbruder und Vorgänger im Amt des Lesemeisters Sebastian Hofmeister gerichtet und wandte sich gegen die Religionsgespräche von Ilanz.34 Die weiteren in Luzern entstandenen Schriften waren in der Folge mehrheitlich deutsch gehalten. Es waren meist Flugschriften, die in einem offiziellen Ton einerseits an die Obrigkeit gerich- tet waren oder die als Antwort auf die Angriffe der reformatorischen Seite gedacht waren. Zusätzlich hatte Murner 1526 nach der Disputation von Baden den Auftrag erhalten, die Disputationsakten zu Handen der Eidgenossenschaft zu drucken.35

1.3. Der Lasszettel

Von den insgesamt 21 in Luzern von Murner veröffentlichten Schriften sticht eine besonders hervor, sei es wegen des geringen Umfangs, sei es wegen dem Aufsehen, die sie bereits unmittelbar nach ihrem Erscheinen erregte: Der Kirchendieb- und Ketzerkalender aus dem Jahre 1527.36 Von der Form her ist dieser Kalender, auch Lasszettel, wie er manchmal bezeichnet wurde, den Wandkalendern nachempfunden. Solche Wandkalender erlebten seit der Entstehung des Buchdruckes weite Verbrei- tung. Sie waren mit astrologischen Symbolen und den Heiligennamen versehen. Im täglichen Leben dienten sie dazu, den Jahreslauf gemäss den beweglichen Festen, die sich nach dem Ostertermin richteten, und gemäss den übrigen verordneten Heilgen- festen, einteilen zu können. Die Darstellung der Tierkreiszeichen und die Einteilung nach dem siderischen Mond ermöglichte es, die für Aussaat und Aderlass günsti- gen Tage abzulesen.37 Formal war der Kirchendieb- und Ketzerkalender an einen solchen Wandallmanach angelehnt.38 Inhaltlich war es jedoch das reinste Pamphlet,

33Liebenau gibt in einer Separatschrift einen Einblick in das Luzerner Druckereiwesen und beson- ders in die Tätigkeit Murners. Theodor von Liebenau: Überblick über die Geschichte der Buchdruckerei der Stadt Luzern, Luzern 1900. 34Thomas Murner: Murneri responsio altera contu melioso cuidam libello confilato Sebastiani hoffmeyster in Schaffhusen expulso Colloquium in Vlaniis (vt nominat) Christianum adserentis, Luzern 1526. 35Ausführliche Murnerbibliographie bei Friedrich Eckel: Der Fremdwortschatz Thomas Mur- ners. Ein Beitrag zur Wortgeschichte des frühen 16. Jahrhunderts; mit einer vollständigen Murnerbibliographie, Göppingen 1978 und neuer bei Badische Landesbibliothek (Hrsg.): Thomas Murner. 36Thomas Murner: Der Lvtherischen Evangelischen Kirchen Dieb vnd Ketzer Kalender. Ge- truckt und besehen durch mich Thomam Murner Barfüsser Ordens Doctor der heiligen Schrift und beyder rechten, Pfarrer in der Christenlichen Stadt Lucern, Luzern 1527. 37Allgemein zur Entstehung und zum Charakter von Wandkalendern seit der Mitte des 15. Jahr- hunderts bei Karl Schottenloher: Flugblatt und Zeitung. Ein Wegweiser durch das ge- druckte Tagesschrifttum. Bd. 1, Von den Anfängen bis zum Jahr 1848 (Bibliothek für Kunst- und Antiquitätensammler), München 1985, S. 35-39 sowie Ludwig Rohner: Kalendergeschich- te und Kalender, Wiesbaden 1978, S. 23-26. 38Für ein Beispiel siehe Abbildung A.1 im Anhang.

9 1. Schwetzige Wortler

Abbildung 1.5.: Ausschnitt aus einem Wand-Kalender. Nürnberg 1554 das der Verunglimpfung der Reformation um Ulrich Zwingli dienen sollte. Wie weit er zur Zeit verbreitet war, lässt sich heute kaum mehr feststellen. Dass er sicher Beachtung fand, ist unter anderem an den Tagsatzungsberichten ablesbar, in denen der „Lasszettel“ mehrfach erwähnt ist. Bis heute wird dem Kalender, der sich in wenigen Exemplaren erhalten hat, rege Beachtung geschenkt. Er wird gerne bei Ge- samtdarstellungen zur Reformationszeit als Illustration beigezogen.39 Murner weist im Einführungstext zum Kalender ausdrücklich darauf hin, dass der Druck dieser Kampfschrift als Antwort auf einen evangelischen Kalender aus Zürich zustande ge- kommen sei. Er sei eine Replik auf den Evangelischen Kalender eines Dr. Johannes Kopp aus Zürich. So versuchte er von allem Anfang an, die zu befürchtenden An- griffe zu entkräften.40 Der Kalender war offenbar in erster Linie gegen die Zürcher gerichtet. Sie waren es denn auch, die den Murnerischen Lasszettel vor die Tagsat- zung brachten. Es wurde schliesslich beschlossen, dass Schmachschriften, namentlich

39Beispielsweise wurde er an der grossen Ausstellung zum 500. Geburtstag von Luther in den Kata- log aufgenommen Gerhard Bott (Hrsg.): Martin Luther und die Reformation in Deutschland. Ausstellung zum 500. Geburtstag Martin Luthers veranst. vom Germanischen Nationalmuse- um Nürnberg, Frankfurt a.M. 1983. Ebenfalls wurde er 2000 an der Bildersturmaustellung gezeigt Cecile Dupeux/Peter Jezler/Jean Wirth (Hrsg.): Bildersturm. Wahnsinn oder Gottes Wille?, Zürich 2000. Letztes Mal wurde dem Kalender einen gebührenden Platz in der Gedenkschrift zur 650jährigen Mitgliedschaft Zürichs in der Eidgenossenschaft gewährt. Mar- tin Leonhard: Ideologie und Zusammenleben. Zürich und die Eidgenossenschaft in der Frühen Neuzeit, in: Jean-Pierre Bodmer (Hrsg.): Zürich 650 Jahre eidgenössisch, Zürich 2001, S. 59– 89. 40Die beiden Kalender wurden 1865 erstmals vollständig veröffentlicht. Ernst Götzinger (Hrsg.): Zwei Kalender vom Jahre 1527. D. Joannes Copp evangelischer Kalender und D. Tho- mas Murner Kirchendieb- und Ketzerkalender, Schaffhausen 1865. Vgl. Abbildung A.9 und A.10 im Anhang.

10 1. Schwetzige Wortler solche wie sie Murner verfasste, verboten werden sollten.41 Ein Jahr danach weitete Murner seine Angriffe nach Bern aus, das auch im Begriff war, auf die reformatori- sche Seite zu wechseln. Im Berner Niklaus Manuel hatte er einen Gegner gefunden, der ihm künstlerisch und literarisch mehr als gewachsen war. Manuel bediente sich ähnlicher Mittel wie Murner: er setzte sarkastische Zeichnungen und satirische Texte in seiner proreformatorischen Polemik ein.42 Murners Antwort auf die reformatori- schen Schmachzettel waren zwei Flugschriften, die bereits im Titel den Adressaten direkt ansprachen: das Bärentestament und das Bärenzahnweh.43 Die Berner Ob- rigkeit wurde daraufhin in Luzern vorstellig und verlangten die Bestrafung Murners und die Konfiskation der Schrifen.44 Murner wurde tatsächlich zur Verantwortung gezogen, schliesslich war ja mehrere Male an der Tagsatzung ein Verbot des Vertriebs von Schmachbüchlein erlassen worden. Murner rechtfertigte sich damit, dass er ja nichts anderes mache, wie die reformatorische Seite auch. Die grosse Verachtung und Verspottung durch die Neugläubigen habe ihn bewegt, wie man in den wald gerueft, widerhall und antwurt ze geben.45 Diese Auseinandersetzungen aus den Jahren 1527 und 1528 zeigen deutlich, dass ein reger Austausch von Flugschriften und Flugblättern zwischen den reformierten und altgläubigen Gebieten stattgefunden hatte. Dies ist nicht immer im Einver- ständnis und noch weniger zur Freude der jeweiligen Obrigkeit geschehen. Das kann deutlich an Rats- und Tagsatzungsprotokollen abgelesen werden. Noch lange nicht alle Flugschriften und vor allem Flugblätter und Kalender, Schmachschriften, wie sie damals oft bezeichnet wurden, sind erhalten geblieben. Von Murner jedoch sind vermutlich die meisten in Luzern erschienen Schriften überliefert geblieben.46 Wel- che gegnerischen Schriften Murner dem Rat zu seiner Verteidigung vorgelegt hatte,

41Johannes Strickler (Hrsg.): Amtliche Sammlung der älteren Eidgenössischen Abschiede, Bd. 4, Abt. 1a: 1521-1528, Brugg 1873, S. 1049 ff. 42Paul Zinsli hat sich 1988 eingehend mit den Auseinandersetzungen der beiden Künstler befasst. Paul Zinsli: Manuel und Murner. Die Begegnung zweier doppelt begabter Glaubensstreiter in der Reformationszeit, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 50.3 (1988), S. 165–196. 43Thomas Murner: Des alten Christlichen beeren Testament, Luzern 1528 und ders.: Von des jungen Beeren zenvve im mundt, Luzern 1529. Neben diesen zwei Flugschriften in Versform hatte Murner auch in einer theologische Schrift auf das Messepamphlet Manuels reagiert. ders.: Die gots heylige meß von gott allein erstifft ein staedt und lebendigs opffer für die lebendigen und die dodten, die hoechste frucht der Christenheit. wider die fünffte schlußred zuo Bern disputiert in der Eidtgnoschafft den frommen alten Christlichen Bernern zuo trost vnd behilff gemacht, vnd zuo Lutzern offentlich durch doctor Thomas Murner geprediget, vnd mit dem woren gots wort befestiget. Luzern 1528. 44Rudolf Steck/Gustav Tobler (Hrsg.): Aktensammlung zur Geschichte der Berner- Reformation, 1521-1532, Bd. 1, Bern 1923 (im folgenden zit. als ABernerRef), S. 764 und Valerius Anshelm: Die Berner Chronik, Bern 1884-1901, S. 228. Band V. 45ABernerRef, S. 767. 46Ausser der Schrift Conclium, die vollständig verschollen ist und dem Bärenzahnweh, das nur in einer Abschrift vorhanden ist, scheinen alle Schriften aus der Luzerner Zeit auch im Original erhalten zu sein. Vgl. Eckel: Der Fremdwortschatz Thomas Murners, S. 189-195.

11 1. Schwetzige Wortler

Abbildung 1.6.: Murner mit dem Gauch auf der Schulter. Novella Basel 1521 darüber kann nur spekuliert werden. Verbürgt ist jedoch, dass Murner seine Flug- schriften fast immer als Antwort auf gegen ihn oder die altgläubige Sache gerichteten Angriffe sah. In acht von seinen Luzerner Schriften kommt dies bereits im Titel zum Ausdruck mit den Begriffen Murneri responsio, Murners Antwurt, worhaftiges ver- antworten, unfrüntliche antwurt, Ursach und verantwortungen oder wird im Text explizit angesprochen.47 Mit Bestimmtheit gelangten bereits vor Murners Anwesenheit in Luzern einige reformatorische Flugschriften in den Raum Luzern und in die Innerschweiz. Durch den Briefwechsel von reformatorisch eingestellten Geistlichen sind wir darüber in- formiert, dass bereits in der frühen Reformation Schriften von Luther und anderen Reformatoren in der Innerschweiz gelesen wurden. Abrechnungen im Kloster St. Urban belegen ebenfalls den Kauf reformatorischen Schriftgutes. Einen besonders guten Einblick darüber, welche Flugschriften in der Innerschweiz im Umlauf waren, gibt ein Sammelband in der Zentralbibliothek Zürich wieder. Un- ter der Signatur II DD 381 sind 35 Flugschriften zusammengebunden, die aus der Zeit zwischen 1521 und 1523 stammen.48 Aus den handschriftlichen Randnotizen

47Diese Strategie wandte Murner bereits in seinen Schriften gegen Luther an. Seinen Grossen Lutherischen Narren hat er bewusst seinen Angreifern, den vnzeliche büchlinschreiber mit ver- borgnem namen gewidmet und überschrieben mit Sicut fecerunt mihi sic feci eis, auf deutsch etwa: Wie du mir so ich dir. Thomas Murner: Von dem grossen Lutherischen Narren, Bd. IX (Thomas Murners Deutsche Schriften), Strassburg 1918, S. 90. 48Siehe das Verzeichnis aller im Sammelband II DD 381 zusammengebunden Schriften im Anhang.

12 1. Schwetzige Wortler geht hervor, dass diese Flugschriften von Werner Steiner, einem reformatorisch ge- sinnten Geistlichen aus Zug, erworben und später zusammengebunden aufbewahrt wurden.49 Neben Predigten und Abhandlungen von Erasmus, Luther, Zwingli und Vadian, hat es unter anderem auch einige Schriften des heute weitgehend unbe- kannten Lutherfreundes Hartmut von Cronberg. Daneben weist die Sammlung eine Reihe von Flugschriften des Pamphylus Gengenbach auf. Darunter auch die gegen Murner gerichteten Pamphlete Der gestryfft Baur aus dem Entlibuch und die No- vella. Die Novella ist ganz auf die Karikierung Murners ausgelegt. Auf einem Bild ist er mit Katzenkopf dargestellt, wie er sich auf dem Friedhof mit einem Geist trifft. Auf einem anderen Bild wird Murners Ende angezeigt, wie er vom Geist, dies- mal in Gestalt eines grossen Narren, verschluckt wird.50 Auch eines der ersten und berühmtesten gegen Murner gerichteten Pamphlete, Der Karsthans, ist im Sammel- band eingebunden. Die Flugschrift Der Karsthans war weit verbreitet und erlebte verschiedene Ausgaben, so erschien die Schrift 1521 auch bei Adam Petri in Basel.51 In der Schrift tauchen fünf Personen auf: Murner (als Kater karikiert), Karsthans (Bauer mit gesundem (reformatorischen) Menschenverstand), ein Student (der Sohn von Karsthans), Luther und Merkur. Die Schrift wurde später oft von Murnerkriti- kern beigezogen.52 Thomas Murner war also bereits ein paar Jahre vor seiner Flucht nach Luzern in der Innerschweiz wenigstens als Karikatur bekannt. Unter den 35 Flugschriften befindet sich keine einzige, welche die altgläubige Sache vertreten oder verteidigen würde, was weiter auch nicht verwunderlich ist. Die Flugschriften wa- ren ja nicht gratis und die Meinung scheint bereits gemacht gewesen zu sein. Wer will schon Geld ausgeben für Schriften des Gegners, dessen Ansichten man ohne- hin schon kennt.53 Zwei Flugschriften der Steiner’schen Sammelschrift sind für diese Arbeit von besonderem Interesse. Beide sind direkt an Luzern gewandt und waren

49Erstmals wurde dieser Umstand von Wilhelm Meyer in seiner Doktorarbeit zu Werner Stei- ner hingewiesen. Wilhelm Meyer: Der Chronist Werner Steiner 1492-1545. Ein Beitrag zur Reformationsgeschichte von Zug, in: Der Geschichtsfreund 65 (1910), S. 57–215. Wie aus den elektronischen Katalogen der Zentralbibliothek Zürich und der Universitätsbiblotheken Basel und Bern hervorgeht, sind offenbar noch weitere Flugschriften mit handschriftlichen Randbe- merkungen oder Widmungseinträgen Werner Steiners vorhanden. 50Pamphilus Gengenbach: Novella. Wär jemandtz der new mär begärt, Der wirt in disem büch- lin gwärt, Basel 1523. 51Anonym: Karsthans, Basel 1521. Ob sie, wie zum Teil vermutet wird, von an stammt, ist umstritten. 52Vgl. Karsthans als Flugschriftengestalt in: Schottenloher: Flugblatt und Zeitung, S. 81-86. Sie Abbildung 1.7. 53Werner Steiner (1492-1542) scheint noch nicht allzulange auf die neugläubige Seite gewechselt zu haben. Er war zwar schon seit einiger Zeit (sicher seit der Schlacht von Marignano von 1515) mit Zwingli bekannt. Meyer: Werner Steiner, S. 86. Er ging jedoch noch 1519 als Altgläubiger auf eine Jerusalem Wallfahrt. Anlässlich dieser Reise kaufte er sich in Venedig eine Bibel und einen Reiseführer („Descriptio terrae sanctae“), beide Bücher sind bis heute erhalten. Christian Sieber: Die gedruckten Bestände im Staatsarchiv des Kantons Zürich (Bibliothek, Druckschrif- tensammlung, Archiv, Plansammlung, Graphische Sammlung). Ein Beitrag zur Zürcher Buch-, Bibliotheks- und Archivgeschichte, Zürich 2007, S. 96.

13 1. Schwetzige Wortler

Abbildung 1.7.: Murner als Kater im Gespräch mit Karsthans. Strassburg 1521

Grund für spätere Auseinandersetzungen. Bei der einen handelt es sich um eine Predigtflugschrift des Zürcher Komtur Konrad Schmid, der seine 1522 in Luzern gehaltene Predigt noch im gleichen Jahr in Zürich veröffentlicht hatte.54 Die andere Flugschrift, die an die Eidgenossen im Allgemeinen und an Luzern im Besonderen gerichtet war, stammt aus dem Jahr 1523. Sie erschien anonym in Basel und in einer zweiten Auflage in Augsburg. Ihr Autor war Sebastian Hofmeister, der 1522 für eine kurze Zeit Lesemeister im Barfüsserkloster in Luzern war.55 Auf einige der Schriften, die in der Innerschweiz zweifellos kursierten, soll in die- ser Arbeit exemplarisch eingegangen werden.56 Dabei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Verbreitung von gedruckten Schriften auf eine zahlenmässig klei- ne Minderheit beschränkt war. Robert W. Scribner und die an ihn anschliessende Forschung hat in letzter Zeit mehr die Mündlichkeit in den Vordergrund gestellt.57

54Konrad Schmid: Antwurt Bruoder Conradt Schmids, Sant Johansen Ordens Commenthür zuo Küssnach am Zürich See, uff etlich Wyderred dero so die Predig durch jn gethon in der loblichen Statt Lucern geschmächt und kätzerisch gescholten habend, antreffend dz Christus ein einig, ewig Houpt syner Kilchen, Gwalthaber unnd für Bitter syge, Zürich 1522 (im folgenden zit. als Antwurt). 55Sebastian Hofmeister: Ein treüwe ermanung an die Strengen, Edlen, Festen, Fromen und weyszen Eidgnossen, das sy nit durch ire falschen propheten verfürt: sich wider die lere Christi setzend, Basel 1523 (im folgenden zit. als Ermanung). 56Eine weitere Schrift aus dem Jahr 1524, die direkt an die Luzerner, oder vielmehr an alle Eid- genössischen Priester, die schlecht über die Zürcher redeten, gerichtet war und die von einem Luzerner geschrieben wurde, wird in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Ein Grund dafür ist, dass dass die Schrift wenig Beachtung fand, respektive nicht in der öffentlichen Diskussion stand. Ein anderer Grund ist, dass sie an ein spezifisches Publikum Ad sacerdotes gewandt war und entsprechend in lateinischer Sprache etwas ausserhalb des gewählten Textkorpus steht. Oswald Myconius: Osvaldi Myconii Lucernani Ad sacerdotes Helvetiae, qui Tigurinis male loquuntur suasoria, ut male loqui desinant, Zürich 1524. 57Wegweisend für diesen Forschungsansatz ist ein Aufsatz von Bob Scribner aus dem Jahr 1984, Robert W. Scribner: Oral Culture and the Diffusion of Reformation Ideas, in: History of European Ideas 5.3 (1984), S. 237–256. Auf Deutsch: ders.: Flugblatt und Analphabetentum. Wie kam der gemeine Mann zu reformatorischen Ideen?, in: Hans-Joachim Köhler (Hrsg.): Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit, Stuttgart 1981, S. 65–76.

14 1. Schwetzige Wortler

Ausgehend davon, dass zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Alphabetisierungsgrad kaum 10 Prozent ausgemacht haben dürfte (in ländlicher Umgebung kann man von ein bis zwei Lesefähigen pro Dorf ausgehen, in der Stadt dürfte die Lesefähigkeit etwas höher gelegen haben),58 muss die Bedeutung der schriftlichen Kommunikation stark relativiert werden. Neben dem Buchdruck muss der visuellen und der münd- lichen Kommunikation ein grosser Stellenwert beigemessen werden. Unter visuellen Kommunikation sind neben Holzschnitten auch performative Ereignisse wie etwa geistliche Spiele, Volksfeste, Karneval und Prozessionen zu verstehen. Als mündli- che Kommunikation kann unter anderem die Mund-zu-Mund-Übertragung (privat, auf dem Marktplatz, in den Wirtshäusern), das Singen von (geistlichen) Liedern und vor allem die Predigt betrachtet werden.59

58Scribner: Oral Culture, S. 237, vgl. ders.: How Many Could Read? Comments on Bernd Moeller’s ”Stadt und Buch”, in: Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.): Stadtbürgertum und Adel in der Reformation, Stuttgart 1979, S. 44–45. 59ders.: Oral Culture, S. 238.

15 2. Lobliche Statt Lucern

Mit der Fertigstellung der Stadtbefestigung und den Eroberungen der letzten Habs- burgischen Gebiete zu Beginn des 15. Jahrhunderts, war die territoriale Entwicklung Luzerns weitgehend abgeschlossen.1 Die Regierungsform entsprach seit der Entwick- lung Luzerns zu einem Stadtstaat im 13. Jahrhundert einer aristokratischen Ge- schlechterregierung.2 Die Stadt mit ihren um die 4000 Einwohnern wurde von einer immer kleiner werdenden Oberschicht regiert. Die Rät und Hundert, wie der Kleine Rat (36 Mitglieder)3 und der Grosse Rat (64 Mitglieder) genannt wurde, bildete die Regierung. Die Bürgerschaft versammelte sich jährlich zweimal zum Schwurtag und zur Bestätigung der Ratsmitglieder. Ein aktives Wahlrecht bestand für die Bürger- schaft kaum noch, da sich die Räte selber erneuerten. Dies geschah vorwiegend durch Vererbung der Ämter innerhalb weniger Familien. Nur selten noch gelang einer Fa- milie der Aufstieg in den Kreis der regierungsfähigen Geschlechter, dem Patriziat.4 Die Mitglieder des Patriziats stammten meist aus Handwerk und Handel, wenige auch aus dem alten Adel. Berufsorganisationen und Zünfte waren anders als in an- deren Städten der Eidgenossenschaft im Rat nicht direkt vertreten. Die Herrschaft der Stadt über die ländlichen Untertanengebiete schien sich seit den Bauernunruhen von 1513 und den Zugeständnissen an die Ämter Willisau und Entlebuch konsolidiert zu haben. Mit Solothurn und Bern, die ebenfalls unter Unruhen litten, ist seit dieser Zeit eine Annäherung zu beachten, die darin zum Ausdruck kam, dass sie sich gegen- seitig vor Unruhen warnten. Zusammen mit anderen Orten war Luzern abwechselnd

1Als aktuelle Luzerner Geschichte gelten immer noch Wilhelm Schnyder/Karl Meyer/ Peter Xaver Weber: Geschichte des Kantons Luzern von der Urzeit bis zum Jahre 1500, Bd. 1 (Geschichte des Kantons Luzern), Luzern 1932 und Sebastian Grüter: Geschichte des Kantons Luzern im 16. und 17. Jahrhundert, Bd. 2 (Geschichte des Kantons Luzern), Luzern 1945. Eine Darstellung der Situation Luzerns in der reformatorischen Zeit bietet Zünd in An- dré Zünd: Gescheiterte Stadt- und Landreformationen des 16. und 17. Jahrhunderts in der Schweiz, Basel 1999, vor allem S. 37-41. 2Vgl. Hans Conrad Peyer: Die Anfänge der schweizerischen Aristokratie, in: Kurt Messmer/ Peter Hoppe (Hrsg.): Luzerner Patriziat, Bd. 5 (Luzerner historische Veröffentlichungen), Luzern, München 1976, S. 1–28. 3Der Kleine oder Innere Rat führte die täglichen Geschäfte, wobei sich die Hälfte der Gruppe alternierend im Sommer und Winter ablösten. Peter Hoppe: Zum Luzerner Patriziat im 17. Jahrhundert, in: Kurt Messmer/Peter Hoppe (Hrsg.): Luzerner Patriziat, Bd. 5 (Luzerner historische Veröffentlichungen), Luzern, München 1976, S. 215–512, hier S. 234. 4Zum Begriff des Patriziats vlg. Kurt Messmer/Peter Hoppe (Hrsg.): Luzerner Patriziat. Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Studien zur Entstehung und Entwicklung im 16. und 17. Jh. Bd. 5 (Luzerner historische Veröffentlichungen), Luzern, München 1976, S. 66.

16 2. Lobliche Statt Lucern zuständig für die Beherrschung der Untetanengebiete, der Gemeinen Herrschaften beteiligt (so etwa im Aargau, im Thurgau, im Sarganserland und in den Ennetbir- gischen Gebieten). Die Verwaltung der Gemeinen Vogteien wurde an gemeinsamen Zusammenkünften, den Tagsatzungen, geregelt. An den Tagsatzungen, die abwech- selnd an verschiedenen Orten stattfanden, wurde auch die Bündnispolitik mit den europäischen Mächten besprochen. In der Aussenpolitik waren die einzelnen Orte weitgehend selbständig. Sie war in den Jahren nach 1500 bestimmt durch die krie- gerischen Auseinandersetzungen in Oberitalien zwischen Frankreich, dem deutschen Reich und dem Papst. Diese europäischen Mächte waren bemüht, mit den einzelnen Orten Bündnisse und Soldverträge abzuschliessen, was ihnen mit wechselndem Er- folg gelang. So kämpften Luzerner Truppen einmal auf der Seite des französischen Königs und einmal auf der Seite des Papstes. Dies spiegelte sich auch innerhalb der Stadt in einer franzosenfreundlichen und in einer antifranzösichen Partei wieder. Im Jahr 1521 schloss Luzern, zusammen mit den anderen Orten, aber ohne Zürich, eine Allianz mit dem französischen König, die diesem erlaubte, eidgenössische Truppen aufzubieten. Im Gegenzug wurde die lokale Oberschicht mit jährlichen Zahlungen, den Pensionen, versorgt.

2.1. Pensionenwesen

Parallel zum Aufstieg des Patriziats ist an der Schwelle vom 15. zum 16. Jahrhundert der Ausbau des Söldner-, beziehungsweise des Pensionenwesen zu beobachten. Nach den Burgunderkriegen, an denen sich Luzern erfolgreich beteiligt hatte, war der Sold- dienst zu einem der einträglichsten Unternehmungen Luzerns geworden. Die Söld- ner kämpften im Solde Frankreichs, des Papstes und/oder des Kaisers und kamen so zu einem angenehmen Nebenverdienst. Mehr als die einzelnen Söldner profitier- ten die Pensionenherren von den Fremden Kriegsdiensten. Die Entgegennahme von (Bestechungs-)Geldern auswärtiger Mächte (Pensionen) spielte eine wichtige Rolle in der Eidgenössischen Bündnis- und Soldpolitik.5 Empfänger dieser Pensionen waren durchwegs Mitglieder der Oberschicht. So entwickelte sich in Luzern nicht ein Kauf- mannspatriziat, sondern ein Soldpatriziat, das ohne einer eigentlichen ökonomischen Beschäftigung nachzugehen, die Regierungsgeschäfte ausführte.6 Von den Einnah-

5Vgl. Valentin Groebner: Gefährliche Geschenke. Ritual, Politik und die Sprache der Kor- ruption in der Eidgenossenschaft im späten Mittelalter und am Beginn der Neuzeit, Konstanz 2000 und Christian Moser/Hans Rudolf Fuhrer: Der lange Schatten Zwinglis. Zürich, das französische Soldbündnis und eidgenössische Bündnispolitik, 1500-1650, Zürich 2009. 6Kurt Messmer: Zum Luzerner Patriziat im 16. Jahrhundert, in: Kurt Messmer/Peter Hop- pe (Hrsg.): Luzerner Patriziat, Bd. 5 (Luzerner historische Veröffentlichungen), Luzern, Mün- chen 1976, S. 29–214, hier S. 139. Eingehend hat sich Segesser mit dem Luzerner Pensionenwe- sen auseinandergesetzt. Philipp Anton Segesser: Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Lucern, Luzern 1850-1858, S. III/56-82.

17 2. Lobliche Statt Lucern

Abbildung 2.1.: Verteilung von Pensionengelder (Ausschnitt). Diebold Schilling 1513 men konnte indirekt die gesamte Bevölkerung der Stadt profitieren, da seit Ende des 15. Jahrhunderts keine Vermögenssteuern mehr erhoben wurden.7 Die Luzerner Landschaft, die den massgeblichen Teil der Luzerner Truppen stellte, war jedoch von einer Partizipation der Einnahmen aus fremden Diensten, abgesehen vom einfachen Sold und eigener Beute, weitgehend ausgeschlossen.8 Dieses Ungleichgewicht zwischen dem hohen Blutzoll, den die Landbevölkerung zahlen musste und den ausserordentlich hohen Einnahmen der Kronenfresser, wie die Pensionenherren zuweilen genannt wurden, führte mehrmals zu sozialen Unru- hen und Spannungen. Als 1513 nach der Schlacht von Novara das Gerücht umging, die Luzerner Truppen hätten empfindliche Verluste erlitten, kam es zu einem ei- gentlichen Aufstand der Landschaft gegen die Stadt. Massgebend waren die Ämter Entlebuch und Willisau an dem Aufstand beteiligt, der als Zwiebelnkrieg in die Lu- zerner Geschichte einging. Nach der erfolgreichen Belagerung der Stadt wurden ei- nige der Ratsherren zeitweise verhaftet. Einige von ihnen mussten eine Busse zahlen und einer der Pensionenenempfänger wurde sogar hingerichtet. Als Folge der Erhe- bung wurde der Landschaft mehr Rechte eingestanden, respektive die alten Rechte weiter garantiert. Eine eigentliche Änderung im Söldner- und Pensionenwesen trat längerfristig jedoch nicht ein.9

7Messmer: Patriziat, S. 77. 8Das Verhältnis der Truppen von Stadt und Land war seit dem 16. Jahrhundert etwa 1 zu 9. ebd., S. 67. 9Zum Zwiebelnkrieg vgl. Grüter: Geschichte des Kantons Luzern, S. 17-26 Peter Spettig: Der Zwiebelnkrieg: die Luzerner Unruhen von 1513-1515. (eine Transkription), 1994, ferner Hans Jurt: Zwiebeln in Luzern und Trauben in Dijon. Ein Stimmungsbild aus dem Jahr 1513. Seminararbeit, 20.10.2005.

18 2. Lobliche Statt Lucern

2.2. Religiosität

In den Bauernunruhen von 1513 spielte die religiöse Komponente kaum eine Rolle. Zwar waren zu Beginn der Unruhen einige antiklerikale Züge auszumachen, die in einem Angriff auf das Kloster St. Urban mündeten. Es schien jedoch mehr um die Ausbeutung der Fischenzen als um religiöse Fragen gegangen zu sein. Religiös un- termauerte Aussagen gegen den Solddienst, wie sie in Bern von Valerius Anshelm und in Zürich von Zwingli gemacht wurden, sind in Luzern keine zu beobachten. Die vom Luzerner Myconius geplante Antikriegsschrift Philrenus ist nie publiziert worden.10 Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts war in ganz Europa ein Ansteigen der Volksfrömmigkeit zu beobachten. Dies äusserte sich in einem eigentlichen Bauboom von Kirchen und Kapellen11 und in einen Ansteigen des Wahlfahrtswesen.12 Auch in Luzern entstanden im Verlauf des 15. Jahrhunderts einige neue Wallfahrtsorte: so etwa die Sakramentskapelle von Ettiswil (1452), St. Jost von Blatten (1495), die Heiligblutkapelle von Willisau (1497) und die Wallfahrtskirche von Hergiswald bei Kriens (1504), um nur die wichtigsten aufzuzählen.13 Die vertiefte Laienfrömmig- keit, die sehr auf das Äussere ausgerichtet war, kommt auch in der Ausgestaltung der Kirchenräume zum Ausdruck. Nie waren in Luzern so viele Maler und Bildschnit- zer tätig wie um die Wende zum 16. Jahrhundert.14 Nie wurden so viele Altäre und Heiligenstatuen gestiftet, wie in der vorreformatorischen Zeit.15 Neben dem Anstieg der Volksfrömmigkeit ist ein anderes Phänomen im spätmittelalterlichen Luzern zu beobachten: der Anstieg der Gelehrtenkultur. Noch nie hatten so viele Luzerner Scholaren eine Universität besucht, wie zu Beginn des 16. Jahrhunderts.16

10Willy Brändly: Geschichte des Protestantismus in Stadt und Land Luzern, Luzern 1956 (im folgenden zit. als BRÄNDLY), S. 24. 11Peter Jezler belegt für die Zürcher Landschaft, dass zwischen 1468 und 1523 jede zweite Kirche neu errichtet oder wesentlich erweitert worden ist. Ähnliche Bautätigkeit ist in der ganzen Schweiz zu beobachten. Peter Jezler: Spätmittelalterliche Frömmigkeit und reformatorischer Bilderstreit, in: Bernhard Schneider (Hrsg.): Alltag in der Schweiz seit 1300, Zürich 1991, S. 86–99. 12Eine Untersuchung über das Wallfahrtswesen im Elsass belegt, dass die Zahl der Wallfahrtsorte von fünf zum Ende des 13. Jahrhunderts auf 34 im Spätmittelalter angewachsen ist. Fran- cis Rapp: Zwischen Spätmittelalter und Neuzeit. Wallfahrten der ländlichen Bevölkerung im Elsass, in: Klaus Schreiner (Hrsg.): Laienfrömmigkeit im späten Mittelalter (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien), München 1992, S. 127–136. 13Zum Wallfahrtswesen in Luzern vgl. Hans Wicki: Staat, Kirche, Religiosität. Der Kanton Lu- zern zwischen barocker Tradition und Aufklärung (Luzerner historische Veröffentlichungen), Luzern, Stuttgart 1990, S. 242-260. 14Als ihre Zahl immer mehr anstieg,wurde im Jahre 1506 die St. Lukas-Bruderschaft gegründet, in der Maler, Bildschnitzer, Bildhauer, Goldschmiede und andere Kunsthandwerker organisiert waren. Eines der Mitglieder war auch Hans Holbein. Theodor von Liebenau: Hans Holbein d. J. Fresken am Hertenstein - Hause in Luzern, Luzern 1888, S. 126 f. 15Julius Baum/Peter Walliser/Josef Schmid: Die Luzerner Skulpturen bis zum Jahre 1600, Bd. 7 (Luzern, Geschichte und Kultur), Luzern 1965. 16Josef Sidler: Die Bildungsverhältnisse im Kanton Luzern. Mit besonderer Berücksichtgung des Klerus von ca. 1250 bis um 1530 (Geschichtsfreund. Beiheft), Stans 1970, S. 73.

19 2. Lobliche Statt Lucern

2.3. Bildungssituation

Die Bildungssituation in Luzern hat sich nur unwesentlich von den Verhältnissen in anderen vergleichbaren Städten in der Eidgenossenschaft wie etwa Zürich, Bern, Frei- burg, Solothurn und des Reiches unterschieden.17 Die Lesetauglichkeit beschränkte sich auf einen kleinen Kreis. Die Lesefähigen gehörten in der Mehrheit der Geist- lichkeit an. Daneben hat sich kontinuierlich ein Gruppe von gebildeten Laien heran gebildet, die etwa als Notare, Lehrer oder Schreiber tätig waren.18 Anfänglich war das Schulwesen in Luzern in erster Linie auf die Ausbildung für den geistlichen Beruf ausgerichtet. Die Bildungsorte waren um 1500 vorwiegend in religiösen Institutionen angesiedelt.19 In der Stadt Luzern waren das die Stiftschulen der Hofkirche sowie die Klosterschule des Barfüsserklosters, auf der Landschaft der Stift von Beromün- ster und das Kloster St. Urban.20 Vereinzelt gab es auch Lateinschulen in Dörfern und Landstädtchen. Josef Sidler erwähnt in seiner Untersuchung zu den hiesigen Bildungsverhältnissen Pfarrschulen in Hitzkirch, Hochdorf und Willisau, sowie eine Lateinschule in Sempach. Seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert sind neben den kirchlich geführten Anstalten in der Stadt auch Schulen entstanden, die den weltli- chen Behörden unterstanden.21 Gegen Ende des 15. Jahrhunderts nahm die Zahl derer, die sich nicht mit den lokalen Schulen begnügen wollten erheblich zu. Immer mehr Absolventen der La- teinschulen strebten eine Weiterbildung an Hochschulen an. Um 1490 und um 1520 war für lange Zeit die Spitze der Einschreibungen an Universitäten erreicht.22 Am beliebtesten (und auch am naheliegensten) war für die Luzerner Studenten die Uni-

17Eine vergleichende Studien zu Schweizer Verhältnisse in Urs Martin Zahnd: Chordienst und Schule in eidgenössischen Städten des Spätmittelalters. Eine Untersuchung auf Grund der Ver- hältnisse in Bern, Freiburg, Luzern und Solothurn, in: Zwingliana 22 (1995), S. 5–35. Allgemein vgl. die drei Sammelbände Bernd Moeller/Ludger Grenzmann (Hrsg.): Studien zum städ- tischen Bildungswesen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1978 bis 1981, Bd. 137 (Ab- handlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse), Göttingen 1983, Harald Dickerhof (Hrsg.): Bildungs- und schulgeschichtliche Studien zu Spätmittelalter, Reformation und konfessionellem Zeitalter, Bd. 19 (Wissensliteratur im Mit- telalter), Wiesbaden 1994 und Ludger Grenzmann/Karl Stackmann (Hrsg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981, Stuttgart 1984. 18Zu den Schreiben und Chronisten in Luzern vgl. Fritz Glauser: Die Schreiber der Luzerner Kanzlei vor 1798, in: Der Geschichtsfreund 114 (1961), S. 86–111 und Konrad Wanner: Schreiber, Chronisten und Frühhumanisten in der Luzerner Stadtkanzlei des 15. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 18 (2000), S. 2–44. 19Zur Bildungssituation in Luzern vgl. Peter Xaver Weber: Beiträge zur altern Luzerner Bildungs- und Schulgeschichte, in: Der Geschichtsfreund 79, (1924), S. 1–76 und neuer Sid- ler: Bildungsverhältnisse. 20Zu St. Urban vgl. Theodor von Liebenau: Beiträge zur Geschichte der Stiftsschule von St. Urban, in: Katholische Schweizerblätter 1898. 21Vgl. Zahnd: Chordienst und Schule, S. 10. 22Vgl. Kurve bei Sidler: Bildungsverhältnisse, S. 73.

20 2. Lobliche Statt Lucern

Abbildung 2.2.: Johannes Zimmermann oder Xylotectus (Ausschnitt). Hans Holbein um 1520 versität von Basel. Daneben erfreute sich aber auch und seit etwa 1500 auch Wien einer wachsenden Beliebtheit. Mit diesen drei Städten waren zugleich vier der für die Luzerner Scholaren so bedeutenden Humanisten verbunden: Clarean in Paris und Basel, Erasmus und Beatus Rhenanus in Basel, sowie Vadian in Wien. Der Einfluss dieser humanistischen Gelehrten dürfte bei einigen der Innerschweizer Studenten beträchtlich gewesen sein. Zudem blieben die in der Studienzeit gebilde- ten Netzwerke erhalten und wurden zum Teil weiter ausgebaut. Diese Netzwerke dienten nicht nur dem Meinungsaustausch, sondern wie aus verschiedenen Briefen hervorgeht, dem Austausch von Büchern.23 Der Luzerner Öffentlichkeit scheint es nicht entgangen zu sein, dass einige der humanistisch gebildeten Rückkehrer nicht nur die Klassiker, die Kirchenväter und die scholastische Literatur im Büchergestell stehen hatten. Myconius, ausgebildet an den Schulen von Rottweil und Bern und an der Universität in Basel, wurde schon bald nach seiner Einstellung als Lehrer in Luzern verdächtigt, er benütze seinen Unterricht, um mit den Schülern Luther zu lesen.24 Myconius klagte bereits 1520 in einem Brief an Zwingli, dass nach der Sonntagspredigt durch die ganze Stadt gerufen wurde, man solle Luther verbrennen und den Schulmeister dazu.25 Dabei versuche

23BRÄNDLY, S. 28 f., Sidler: Bildungsverhältnisse, S. 86 ff. 24Zu Myconius vgl. BRÄNDLY an verschiedenen Orten und neuer Markus Ries: Oswald My- conius in Luzern, in: Emidio Campi/Christian Moser (Hrsg.): Bewegung und Beharrung, Bd. 144 (Studies in the history of Christian traditions), Leiden 2009, S. 1–20. 25Clamatur hic per totam civitatem, Lutherum comburendum et ludimagistrum. Emil Egli (Hrsg.): Zwinglis Briefwechsel. Die Briefe von 1510-1522, Bd. VII (Huldreich Zwinglis sämtliche Werke), Leipzig 1911 (im folgenden zit. als ZwW VII), S. 366, Nr. 161. Vgl. Emil Egli/Georg Finsler: Schweizerische Reformationsgeschichte, Zürich 1910, S. 199.

21 2. Lobliche Statt Lucern er doch nichts anderes, als seinen Schülern das wahre Evangelium zu vermitteln.26

2.4. Lutherschriften

Es war in Luzern offensichtlich ein Bedürfnis vorhanden, über die neue Lehre aus Wittenberg informiert zu werden. Myconius war nicht der einzige Innerschweizer gewesen, der im Besitz einschlägiger Flugschriften war. So schrieb der Sempacher Frühmesser Wolfgang Schatzmann 1521 an seinen Freund Vadian, dass die Meinung über Luther geteilt sei. Sobald unter den Geistlichen und Laien die Rede auf Luther komme, bilden sich zwei Fraktionen. Die einen verurteilten und verhöhnten ihn und die anderen versuchten ihn zu rechtfertigen. Es entstehe jeweils ein so heftiger Streit, als ob der Höllenfürst alle drei Furien zur Zwietracht ausgesandt hätte.27 Ob diese Auseinandersetzungen im ländlichen Sempach nur auf Gerüchte und Hörensagen be- ruhten oder auf Lektüre von Lutherschriften, kann aus der Korrespondenz zwischen Schatzmann und Vadian nicht entnommen werden. Einige Informationen zu Luther hatte Schatzmann von Vadian selber erhalten. Es ist anzunehmen, dass auch unter anderen Geistlichen reformatorische Schrif- ten kursierten. Mit Sicherheit wissen wir es vom Kloster St. Urban. Zeitweise stand sogar der Abt selber unter Verdacht, den neuen Ideen zugeneigt zu sein.28 Auf eine Anklage hin eines Stadtluzerner Klosterangehörigen wurde schliesslich das Kloster 1524 nach „lutherischen“ Schriften untersucht. Die „Zenzurbehörde“ entpuppte sich als nicht sehr sachkundig. Neben lutherischen Schriften wurde kurzerhand alles kon- fisziert, was für sie nicht lesbar war, so etwa auch griechische Literatur. Als Begrün- dung galt: Was kritzis kretzis ist, das ist lutherisch.29 Welche Bücher namentlich

26BRÄNDLY, S. 29. 27Nam quotienscumque aliqua inter nos unctos pariter et saeculares oritur confabulatio ex parte praedicti Lutheri, tunc extemplo in ambiguas dividimur partes: una doctrinam suam refutat et subsannat, altera vero conservat et iustificat, et tanta inter nos consurgit controversia, non secus ac si, puto, infernalis princeps omnes tres furias emisisset cum foeda discordia. Brief Schatzmanns an Vadian vom 12. Mai 1521. Emil Arbenz: Die Vadianische Briefsammlung der Stadtbibliothek St. Gallen, St. Gallen 1890-1913, Nr. 76. Vgl. BRÄNDLY, S. 63. Zu Schatzmann vgl. Gottfried Bösch: Humanismus, Reformation, Barock in Sempach. Mit Verzeichnis der Leutpriester und Frühmesser sowie einem Lebensbild von Wolfgang Schatzmann, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 24 (1944), S. 161–198 und Willy Brändly: Sempach und seine Beziehungen zur Reformation, im besonderen zu Vadian, in: Zwingliana 8 (1944-1948), S. 78–88. 28Zwingli selber glaubte noch 1523, dass der Abt Erhard Kastler (wie auch der Abt des Klosters Kappel am Albis) evangelisch gesinnt seien. Emil Egli (Hrsg.): Zwinglis Briefwechsel. Die Brie- fe von 1523-1526, Bd. VIII (Huldreich Zwinglis sämtliche Werke), Leipzig 1911 (im folgenden zit. als ZwW VIII) Nr. 311. 29So beschrieb es Rudolf Ambühl (Collinus), der von 1521 bis 1524 Schulmeister in St. Urban war. Rudolf Collin/Friedrich Salomon Vögelin: Rudolf Collins Schilderung seines Lebens. Verdeutscht von Salomon Vögelin, in: Zürcher Taschenbuch 2 (1859), S. 179–220. Tatsächlich wurde später Griechisch und Hebräisch ganz aus dem Luzerner Lehrplan gestrichen. Der Schul- meister von Luzern wurde laut dem Ratsprotokoll von 1547 angehalten, er solle nüt anders,

22 2. Lobliche Statt Lucern

Abbildung 2.3.: Ein predig D. Martini Luthers. Adam Petri Basel 1522. Lutherschrift aus dem Sammelband II DD 381 konfisziert wurden, ist nicht im Einzelnen bekannt. In den Rechnungsberichten des Klosters ist jedoch säuberlich verzeichnet, wie viel Geld für welche Bücher ausgege- ben wurde. So sind etwa die Ausgaben für Schriften von Erasmus und Melanchton erwähnt, die in Basel eingekauft wurden. Noch 1523 wurden drei Batzen für Bru- der Peter Kapp verbucht, damit er die Werke von Luther und Jan Hus einbinden konnte.30 Besonders die Lehrer der Klosterschule von St. Urban scheinen sich für die Reformation interessiert zu haben. Von 1519 bis Februar 1522 hatte Melchior Macrinus (Dürr) die Stelle inne. Er versuchte später in Solothurn die reformatori- sche Bewegung in Gang zu bringen. Auf ihn folgte der Luzerner Collinus (Rudolf Ambühl). Wie Macrin war er Griechischlehrer am Kloster. Er wechselte später nach Zürich und wurde ein enger Vertrauter von Zwingli. Für gewisse Zeit lehrte auch der nachmalig so berühmte Basler Buchdrucker Oporin in St. Urban. Dieser freun-

dann latyn vnd tütsch leren vnd der hebräischen vnd kriechischen Sprach müssig gan. Zitiert nach Segesser: Rechtsgeschichte IV, S. 263. 30Fratri Petro Kapp inzebinden ein Buch Luteriana opera habens et Husseana. Aus der Wattamt- Rechnung von St. Urban. Zitiert in: Liebenau: Geschichte der Stiftsschule, S. 185 f.

23 2. Lobliche Statt Lucern dete sich hier mit dem evangelisch gesinnten Luzerner Chorherren Xylotectus an.31 Die Tradition von reformatorisch gesinnten Schulmeistern setzte sich zumindest bis 1525 fort.32 Als der Druck der Luzerner Regierung gegen die neue Lehre immer stärker wurde, verliessen einige der Konventsmitgliedern das Kloster und wichen in reformierte Gebiete aus. Einer unter ihnen war Heinrich Sickentaler, der später reformierter Pfarrer im Bernbiet wurde. Seine Schwester, Margareth Sickentaler, war ihrerseits Äbtissin im Zisterzienser- kloster Rathausen. Auch sie und einige ihrer Mitschwestern versuchten an lutheri- sches Schriftgut heranzukommen. 1524 wurden zwei Luzerner verhaftet, die heimlich vil sectischer büechern mitthin jns closter yngeschleickt hatten.33 Die obrigkeitliche Suche nach den Schriften blieb erfolglos. Die Äbtissin zog es jedoch vor, das Klo- ster zu verlassen. Sie heiratete noch im selben Jahr den zum reformierten Glauben übergetretenen Priester Johannes Wäber.34

31Xylotectus trat später zum reformierten Glauben über, heiratete und zog nach Basel, wo er schon bald starb. Oporinus heiratete später dessen Witwe. Vgl. BRÄNDLY, S. 67. 32Zu den Verhältnissen in St. Urban zur Reformationszeit vgl. Hans Wicki: Geschichte der Cisterzienser-Abtei St. Urban im Zeitalter der Reformation 1500-1550 (Zeitschrift für Schwei- zerische Kirchengeschichte. Beiheft), Freiburg/Schweiz 1945, Liebenau: Geschichte der Stifts- schule, BRÄNDLY, S. 73 f. 33Renward Cysat: Collectanea Chronica und denkwürdige Sachen zur Kirchengeschichte und zur kirchlichen Reform der Stadt Luzern, in: Joseph Schmid (Hrsg.): Collectanea chronica und denkwürdige Sachen pro chronica Lucernensi et Helvetiae, Bd. 2, Teil 1-2, Luzern 1961-1977 (im folgenden zit. als Collectanea), S. 23. 34BRÄNDLY, S. 61 f.

24 3. Das Liecht goetliches Wortes in die Lucern gesetzt

In der Anfangsphase der Reformation hatten die Lutherschriften, die in Luzern zir- kulierten, noch kaum Anlass zu grossen Auseinandersetzungen geboten. Zwar ver- langte bereits am 22. Oktober 1520 der päpstliche Gesandte, dass alle Schriften des boshaftigen bruder Martin Luther verbrannt werden und in der Eidgenossenschaft weder gedruckt noch verkauft werden.1 Myconius schrieb 1520 an Zwingli, dass er nur ungern seine Lutherschriften verbrennen würde, wie das von der Tagsatzung ge- fordert wurde. Es gehe ihm weniger um Luther, als um das gute Geld, das er für die Bücher ausgegeben habe.2 Die Forderung nach Unterdrückung der neuen Lehre lag zwar in der Luft, doch die antireformatorische Stimmung schien noch keineswegs die Oberhand gewonnen zu haben. Nur so ist zu erklären, dass für den Museggumgang, für einen der höchsten kirchlichen Anlässe im Luzerner Festkalender, ein Freund Zwinglis als Festprediger eingeladen wurde.3

3.1. Eine Prozession

Jeweils am 24. März, am Vortag vor Mariae Verkündigung, trug man die „Heiltümer“ mit Kreuz und Fahnen um die Grenzen der Stadt Luzern. Ursprünglich wird es sich um einen Bannumgang gehandelt haben. Ab dem 14. Jahrhundert wurde der Anlass mit einer grossen Feuersbrunst in Zusammenhang gebracht. Vom Rat verordnet, musste mindestens eine Person aus jedem Haushalt an der Prozession teilnehmen. Nach und nach entwickelte sich der Umzug zu einem überregionalen Ereignis. Im Jahr 1476 versah Papst Sixtus IV. die Prozession mit Ablässen. Um 1512 wurde für den Anlass der Ablasswert einer Romfahrt erneut bestätigt.4 Diese Ablässe galt es

1Philipp Anton Segesser (Hrsg.): Amtliche Sammlung der älteren Eidgenössischen Abschiede, Bd. 3, Abt. 2: 1500-1520, Luzern 1869 (im folgenden zit. als EA III), S. 1268. 2[...]non quod Luthero tam praetendam, sed quod pecuniam, quam pro libris exposui. ZwW VII, Nr. 161. 3Ausführlicher dazu Hans Jurt: Predigt auf Musegg 1522. Predigtpublizistik in der frühen Re- formationszeit. Seminararbeit, 29.03.2010. 4Die ältesten erhaltenen Ablassbriefe stammen aus den Jahren 1504 und 1512. 1504 ist die Re- de von hundert Tagen (centum dies de iniunctis eis penitenciis), 1512 wird bereits der Ab- lasswert einer Rom- und Santiago-Pilgerfahrt versprochen (visitationis liminum Apostolorum

25 3. Das Liecht goetliches Wortes in die Lucern gesetzt

Abbildung 3.1.: Auszug aus der Hofkirche (Ausschnitt). Diebold Schilling 1513 einzuziehen. Für die Landbevölkerung war es gleichzeitig ein willkommener Anlass, die Osterpflicht zu absolvieren. Beichtväter waren ja genügend vorhanden. Zwischen zwei- und fünftausend auswärtige Pilger und an die 160 Geistliche (laut Fischrodel von 1537) sollen jeweils anwesend gewesen sein.5 Dies ist eine imposante Zahl, wenn man davon ausgeht, dass die Stadtbevölkerung kaum mehr als 4000 Einwohner be- tragen hatte. Es ist beachtlich, mit welchen Mitteln die Stadt die Attraktivität des Museggumganges zu erhalten versuchte. Auswärtige Besucher lockte man mit feiner Speise, edlem Trank und ausgewählten Festrednern an. Die Einheimischen hinge- gen setzte man mit Androhung einer Geldbusse unter Druck. Die Teilnahme der ganzen Stadt und der Repräsentanten aus den Untertanengebieten gaben Gewähr für eine angemessene Machtdemonstration im Inneren. Die hohe Beteiligung von auswärtigen Besuchern verlieh dem Ereignis zusätzlich einen überregionalen Reprä- sentationsanspruch, ein Anspruch, der sich nach der Reformation noch verstärken sollte, als Luzern zum „Vorort“ der altgläubigen Orte wurde. Zur „Romfahrt“ von 1522 wurde für die Festpredigt Konrad Schmid, der amtie-

Petri et Pauli ac sanc Jacobi in Compostella). Zitiert nach: Die zwei ältesten bisdahin be- kannten Ablassbriefe, den Musegger-Umgang in Lucern betreffend, in: Der Geschichtsfreund 1 (1844), S. 384–388. In der Diebold Schilling Chronik von 1513 ist dargestellt, wie Propst Brunnenstein, begleitet vom päpstlichen Legaten, den Ablassbrief für die grosse Romfahrt zur Hofkirche bringt. Siehe Abbildung 3.1 auf Seite 26. Die Abbildung auf Folio 122v illustriert gleichzeitig einen Prozessionsauszug aus der Hofkirche. 5Peter Xaver Weber: Die Musegg zu Luzern, in: Der Geschichtsfreund 94 (1939), S. 1–36, hier S. 30.

26 3. Das Liecht goetliches Wortes in die Lucern gesetzt rende Vorsteher des Johanniterhauses von Küsnacht(ZH), eingeladen. Als Komtur war Schmid für die kirchlichen Aufgaben und für die Verwaltung des Ordenshauses zuständig.6 Zur gleichen Zeit als Schmid Komtur in Küsnacht wurde, begann der um acht Jahre jüngere Ulrich Zwingli seine Tätigkeit als Leutpriester in Zürich. Die bei- den scheinen sich von Beginn weg gekannt zu haben. So wird aus einem Briefwechsel von Beatus Rhenanus ersichtlich, dass Zwingli dem Komtur bereits 1519 eine refor- matorische Schrift zukommen liess.7 Das Einverständnis mit den reformatorischen Ideen kommt auch darin zum Ausdruck, dass Schmid seit 1520 Zwingli als Prediger in der Stadt vertrat. Alles das wird den Luzernern bekannt gewesen sein, als sie Schmid für die Romfahrt-Predigt von 1522 nach Luzern eingeladen hatten. Er hatte die idealen Voraussetzungen für einen angesehenen Prediger. Schmid war gelehrt, immerhin war er Magister der freien Künste und Baccalaureus der Theologie. Er war angesehen; als Komtur stand er in einer adelsähnlichen Position. Er war, wie Zeitgenossen bemerkten, ein glänzender Kanzelredner und er war der neuen Lehre zugetan. Der Umstand, dass er Lutheraner war, scheint einer Einladung nicht im Wege gestanden zu haben. Schon ein Jahr zuvor (1521) war ein Prediger zum Museggumgang eingeladen worden, der für seine Sympathien zur neuen Lehre bekannt gewesen sein dürfte. Es war der Chorherr Magister Werner Steiner aus Zug. Auch Steiner stand im Rufe, ein guter und geistreicher Prediger zu sein.8 Er war schon seit einiger Zeit mit Zwingli bekannt und soll ihn bereits anlässlich der Schlacht von Marignano kennengelernt haben. Selber erwähnt Steiner, dass er seit 1519 mit Zwingli in Briefkontakt stand.9 Noch 1519 hatte Steiner eine Wallfahrt nach Jerusalem unternommen und ansch- liessend Zuger Kirchen mit Reliquien beschenkt10 Im Jahr 1520 wurde er zum nicht residierenden Chorherren von Beromünster gewählt. Spätestens ab 1521 scheint er sich vermehrt mit reformatorischem Schriftgut beschäftigt zu haben.11 Seine Haltung

6In den Ritterkommenden war der Komtur meistens von aldliger Herkunft, in einer Priesterkom- mende wie Küsnacht war der Komtur jedoch in der Regel ein geweihter Priester. Vgl. Peter Ziegler: Die Johanniter im Stadtstaat Zürich, in: Felix Richner/Christoph Moergeli/ Peter Aerne (Hrsg.): ”Vom Luxus des Geistes”, Zürich 1994, S. 71–99, hier S. 80. 7ZwW VII, Nr. 75. Ob es sich beim erwähnten „Büchlein“ (libellum) um eine Schrift Luthers handelt, ist nicht erwiesen. Nach Egli könnte Schmid sich zu dieser Zeit eher mit Erasmus auseinander gesetzt haben. Emil Egli: Komtur Schmid von Küssnach, in: Zwingliana 2 (1906), S. 65–73, hier S. 71. 8Dass Steiner gut predigen konnte, soll sogar der päpstliche Legat Antonio Pucci (Nuntius 1517- 1521) bestätigt haben. Meyer: Werner Steiner, S. 86. 9In seiner Reformationschronik schrieb Steiner zum Jahr 1519: In dem jar fingg er [Zwingli] grad an wider den verwenten aplaß zu fechten, schrib mir davon. ebd., S. 86. 10Von einigen Seiten wird vermutet, dass Steiner die Wallfahrt aus schlechtem Gewissen oder als Sühne für seine Homosexualität unternommen hatte.Ursula Ganz-Blättler: Andacht und Abenteuer. Berichte europäischer Jerusalem- und Santiago-Pilger (1320-1520), Bd. 4 (Jakobus- Studien), Tübingen 1990, S. 223 f. Vgl. dazu auch Helmut Puff: Sodomy in Reformation and Switzerland, 1400-1600 (The Chicago series on sexuality, history, and society), Chicago 2003, S. 97 ff. 11Meyer: Werner Steiner, S. 94.

27 3. Das Liecht goetliches Wortes in die Lucern gesetzt zur reformatorischen Bewegung wird in Innerschweizer Kreisen, oder wenigstens den Anhängern der neuen Lehre, bekannt gewesen sein. Trotzdem oder gerade deswe- gen war er im Jahr 1521 zum Hauptprediger des Museggumgangs ernannt worden. Seine Tätigkeit als Prediger ist aus einer persönlichen Notitz überliefert. Eines der Exemplare der gedruckten Predigt von Konrad Schmid war in seinem Besitz. Er hat es mit Anmerkungen und Unterstreichungen versehen. Auf dem Schlussblatt hat Steiner den Vermerk hinterlassen, dass er ein Jahr zuvor, also 1521, selber in Luzern gepredigt habe: vnd waz ich auch by der selben predige / wan ich im andern iare dar vor ouch vf den selben tag hatt zuo lucern da selb geprediget vom ewigen wort gottes.12 Anders als bei Schmid ist der Text seiner Predigt nicht erhalten.

3.2. Eine Predigt mit Nachspiel

Wie im Vorjahr Werner Steiner, so stellte auch Schmid seine Predigt unter das The- ma vom Ewigen Wort Gottes. Ziel seiner Predigt war es, die Rechtfertigungslehre, wie er sie vermutlich von Luthers Schriften her kannte, den anwesenden Gläubigen nahe zu bringen. Er hatte die Predigt dreigeteilt. Im ersten Teil erklärte er, dass Gott mit dem Menschen mit Verheissungen und Zeichen handelt. Im zweiten Teil stellte er Glauben und Werkgerechtigkeit gegenüber. Und im dritten Teil wies er auf die Wichtigkeit des Evangeliums, des Wort Gottes hin.13 Unschwer sind aus dieser Pre- digt die Eckpunkte der lutherischen Theologie zu erkennen: sola gratia: Errettung nur durch Gnade, sola fide: Rechtfertigung allein aus dem Glauben, solus Christus: Christus als alleiniger Mittler, solo verbo: allein aus dem Wort, der Verheissung, kommt der Glaube und sola scriptura: die Bibel ist die einzige unfehlbare Lehrauto- rität. Schmid folgte genau den Argumentationslinien Luthers und dem Schriftprinzip sola scripura. In wenigen markanten Sätzen versuchte er die Quintessenz der neuen Lehre darzulegen. Belegt durch Bibelzitate trug er die reformatorische Heilsbotschaft vor: Gott hat die Erlösung versprochen. Seiner Gnade ist es zu verdanken, dass die Sünden vergeben werden. Nur der Glaube und nicht die Guten Werke führen zum ewigen Heil. Neben Christus braucht es weder Heilige noch den Papst. Alleinige Glaubensinstanz ist die Bibel. Die Reaktionen auf die Predigt von Schmid waren zwiespältig. Seine evangelisch gesinnten Freunde waren begeistert. Kurz nach der Predigt (raptim) teilte Myconius seine Begeisterung dem allerliebsten Zwingli (amantissime Huldriche) in einem Brief

12Exemplar der Predigtflugschrift eingebunden im Sammelband II DD 381 in der Zentrabibliothek Zürich. Abbildung A.13 und A.14 im Anhang. 13Hohenbeger, der verschiedene Predigtflugschriften auf ihre theologische Bezüge untersucht hat, sieht in Schmids Predig eindeutig das Profil lutherischer Rechtfertigungstheologie. Thomas Ho- henberger: Lutherische Rechtfertigungslehre in den reformatorischen Flugschriften der Jahre 1521 - 1522, Tübingen 1996, S. 352 ff.

28 3. Das Liecht goetliches Wortes in die Lucern gesetzt mit.14 Nach der Predigt habe sich die Lage in Luzern beruhigt. Der Hauptgegner, gemeint ist Dekan Bodler (caput nostrum), habe an Ansehen verloren. Es sei nur schade, dass Zwingli nicht habe dabei sein können, als Konrad Schmid sich gegen den Papst als Oberhaupt der Kirche ausgesprochen hatte. Es hätte ihn sicher zum Lachen gebracht. Alles habe Schmid mit grösster Würde und mit viel Überzeugung vorgetragen, was nur jemand vermöge, der ganz mit Christi Geist beseelt sei (qui est Christi spiritu plenissimus).15 Äusserst heftig reagierte die Gegnerseite schon unmittelbar während oder nach der Predigt. Zwei gegnerische Priester bestiegen selber die Kanzel und konterten die Vorwürfe von Komtur Schmid.16 Zuerst meldet sich der Dekan Johannes Bodler zu Wort. Bodler amtete als Leutpriester in Luzern. Seine Herkunft ist kaum bekannt. Er scheint den üblichen Werdegang eines akademisch gebildeten Priesters gegangen zu sein. Er studierte ab 1484 in Paris, schloss dort mit dem Magister Artis ab und war sogar ein halbes Jahr Prokurator der deutschen Nation (Natio Alemanniae). Seit 1504 wird er als Pfarrer in Luzern erwähnt.17 Dieser bodenlaer priester goelicher kunst,18 wie ihn Schmid betitelte, ging in erster Linie auf den Angriff gegen das Papsttum ein. Er verwies, immer laut der Aussage von Schmid, auf die alten leerer und Kirchenväter. Diese und die vom Heiligen Geist beseelten Konzilien hätten

14ZwW VII, Nr. 201. Der Brief ist nicht datiert, dürfte aber Ende März 1522 geschrieben worden sein. 15Der Textausschnitt, der die Predigt Schmid betrifft, ist in der Geschichtsschreibung erstaunlich oft rezipiert und zum Teil wörtlich wiedergegeben worden. So in: Johann Heinrich Hot- tinger: Historiae ecclesiasticae Novi Testamenti. Tomus IX. Seculi XVI, Zürich; Hannover 1667, Ludwig Wirz: Helvetische Kirchengeschichte. Aus Joh. Jakob Hottingers älterem Wer- ke und andern Quellen neu bearbeitet, Zürich 1813, S. 443, Bernhard Fleischlin: Mag. Ulrich Zwinglis Person, Bildungsgang und Wirken. Die Glaubensneuerung in der deutschen Schweiz. 1484-1529, in: Studien und Beiträge zur schweizerischen Kirchengeschichte, Bd. III, Luzern 1902-1908, S. 81, ders.: Kirchenpolitische und religiöse Händel in den fünf Orten, Glarus, Freiburg und Solothurn 1519-1529, in: Studien und Beiträge zur schweizerischen Kir- chengeschichte, Bd. IV, Luzern 1902-1908, S. 135 f., Egli/Finsler: Reformationsgeschichte, S. 204 und BRÄNDLY, S. 38. Neustens ist die Übersetzung von Brändly auch bei Heidy Greco- Kaufmann abgedruckt, die daraus Brändlys „tendenziöse“ Geschichtsschreibung ableiten will. Heidy Greco-Kaufmann: Zuo der Eere Gottes, vfferbuwung dess mentschen vnd der Statt Lucern lob. Theater und szenische Vorgänge in der Stadt Luzern im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, Bd. 11 (Theatrum Helveticum), Zürich 2009, S. 285 f. 16Predigtstörungen waren zur Reformationszeit ein beliebtes Mittel, um Gegner zu einem Streit- gespräch aufzufordern. Dieses Vorgehen ist allerdings mehr von reformatorischer Seite bekannt. Vgl. Heinold Fast: Reformation durch Provokation. Predigtstörungen in den ersten Jahren der Reformation in der Schweiz, in: Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.): Umstrittenes Täufertum, 1525-1975, Göttingen 1977, S. 79–110. 17Bodler studierte in Paris gleichzeitig wie Ludwig Zukäs, der Bruder des späteren Schultheissen und wie Peter Holzrüti, später Arzt und Zwingligegner in Zürich. Bevor Bodler nach Luzern kam, war er Pfarrer in Weggis. Von 1531 bis zu seinem Tode 1539 war er Propst im Stift am Hof. Vgl. Karl Heinz Burmeister: der in fremden landen were uff der schuol. Die Baccalaurei und Magistri in artibus der Universität Paris aus dem Bistum Konstanz und dessen näherer Umgebung. 1329 bis 1499, in: Alemannia Studens 11 (2003), S. 23–90, hier S. 36 und Sidler: Bildungsverhältnisse, S. 185. 18Antwurt, S. XIV.

29 3. Das Liecht goetliches Wortes in die Lucern gesetzt den Papst als Oberhaupt bestätigt. Auf eine Begründung aus der Bibel hat Bodler offenbar verzichtet. Als nächstes habe Bodler sich vehement gegen den Angriff auf die Heiligenverehrung ausgesprochen. Diese Litanei habe er noch syben mal an der cantzel 19 wiederholt, ohne dass er die Aussage Schmids habe widerlegen können. Nach dem Auftritt Bodlers sei ein ungebildeter (vnwüssender) Priester auf die Kanzel gestiegen.20 Der war offensichtlich recht unflätig aufgetreten. Er habe den Zuhörern zugerufen, man solle einen Mönch, gemeint war Schmid, der solch eine ketzerische Predigt halte, am besten von der Kanzel werfen, sodass sein Hirn auf dem Kirchenboden aufspritze, vnd hat da geschruyen man soelle den münchen/ der Christum prediget/ als sich wol erfindt/ über die cantzel abwerffen/ das im das hyrne in der kilchen schwümme.21 Dieser Priester behauptete, Schmid habe gepredigt, dass alles Unheil für Luzern aus dem Pensionenwesen entstanden sei. Dabei seien doch die ketzerischen Lehren, die in der Stadt keimen (saeyen vnd gruonen), die Ursache aller Plagen.22 Mit diesem Wortwechsel am Tag der Predigt war die Auseinandersetzung noch nicht zu Ende. Die Widerred, die Schmid anlässlich seines Auftrittes in Luzern erfah- ren hatte, war für ihn eine willkommene Gelegenheit, seine Predigt als Flugschrift drucken zu lassen. Er konnte so seine Ausführungen den einstigen Zuhörern nochmals in Erinnerung rufen. Er hatte die Gelegenheit, das Gesagte zu fixieren und anhand der Angriffe weiter auszuführen und zu pointieren. Er wusste, dass die Flugschrift vermutlich nicht nur gelesen, sondern durch Vorlesen auch ein leseunkundiges Pu- blikum erreichen würde.23 Eine Predigtflugschrift war das geeignete Mittel, um die „Reformatorische Öffentlichkeit“24 der Stadt Luzern zu erreichen. So liess Schmid noch im Frühsommer 1522 seine Predigt in Zürich bei Christoph Froschauer unter dem Titel Antwurt Bruoder Conradt Schmids, Sant Johansen Ordens Comment- hür zuo Küssnach am Zürich See, uff etlich Wyderred dero so die Predig durch jn

19Antwurt, S. XIV. 20Darnach ist ein vnwüssender priester vff die cantzel gestigen. ebd., S. XXI. Der Name dieses Priesters ist nicht überliefert. 21ebd., S. XXI. 22ebd., S. XXI. 23Eingehend hat sich Bernd Moeller mit Predigtflugschriften auseinander gesetzt. Bernd Moel- ler: Einige Bemerkungen zum Thema Predigten in reformatorischen Flugschriften, in: Hans- Joachim Köhler (Hrsg.): Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit, Stuttgart 1981, S. 261–268. Moeller und Stackmann haben 35 Predigtschriften aus der frühen Refor- mationszeit untersucht. Die Mehrzahl dieser Predigten dokumentieren einen Konflikt, bei dem der Autor auf Grund seiner Predigttätigkeit einen Ort verlassen musste und deshalb die Pre- digt nachträglich drucken wollte. Von den untersuchten Predigten ist keine aus dem Gebiet der heutigen Schweiz enthalten. Bernd Moeller/Karl Stackmann: Städtische Predigt in der Frühzeit der Reformation. Eine Untersuchung deutscher Flugschriften der Jahre 1522 bis 1529 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Folge 3), Göttingen 1996. 24Zu diesem Begriff vgl. Rainer Wohlfeil: ”Reformatorische Öffentlichkeit”, in: Ludger Grenz- mann/Karl Stackmann (Hrsg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, Stuttgart 1984, S. 41–52.

30 3. Das Liecht goetliches Wortes in die Lucern gesetzt gethon in der loblichen Statt Lucern geschmächt und kätzerisch gescholten habend, antreffend dz Christus ein einig, ewig Houpt syner Kilchen, Gwalthaber unnd für Bitter syge drucken. Die Flugschrift enthielt neben der Predigt selber (S. IV-XII) eine Einführung und Grussadresse an alle frommem Christen einer loblichen statt lucern und eine kurze Begründung, wieso er das tolle vnsinnige menschliche geschrey antworten wolle (Seite I-III). Im letzten Teil erst gibt Schmid eine Antwort auf das Katzen gschrey, auf die Anschuldigungen, die auf der Musegg gegen ihn und seine Predigt vorgetragen wurden (S. XIV-XXII). Luzern verdiene nicht, dass das Licht Gottes in dieser Stadt verborgen bleibe. Christus wolle, dass in die Lucern gesetzt werde das heyter klar liecht Christenlicher leer vnd goetliches wortes/ damit alle menschen dar von sehend/ vnd svnders die frommen hertzen so in dem Lucern sind/ erlüchtet werden.25 Bereits David habe im Psalm gesagt: Herr din goetlich wort ist ein lucern miner fuessen/ vnd ein liecht minem fuoßweg. Ziel seiner Predigt sei, dass das liecht goetliches wortes in die Lucern gesetzt werd/ darinn gepflantzt vnd geschirmpt. Mit dem Druck der Predigt könne jeder selber beurteilen, ob seine Predigt ein Christenliche oder ein kaetzerschy leer syg. Zudem wolle er ein Antwort auf die groben/ tollen/ vnpaetigen possen die gegen ihn auf der Kanzel gerissen worden seien. Die Anschuldigungen, die Bodler und ein nicht namentlich bekannter Priester gegen Schmid erhoben hatte, betrafen weniger die Darstellung der neuen Lehre, sondern einige wenig zentrale Punkte der Predigt. Es sind dies die Ablehnung der Vorherrschaft des Papstes, der Heiligenverehrung, der Guten Werke und des Sold- dienstes. Schmid benutzte in der Flugschrift die Gelegenheit, ausführlich auf diese Punkte einzugehen und die biblizistischen Begründungen nachzuliefern. Die Legiti- mation des Papstes verwarf er damit, dass die Kirche nur über ein Haupt verfügen könne, es sei denn, die Kirche wäre ein meerwunder mit zweyen heuptern.26 Den Papst als Oberhaupt der Kirche zu betrachten verstosse nicht nur gegen das Evan- gelium, sondern gegen die christliche Lehre überhaupt. Zur Heiligenverehrung führte Schmid aus, in der Bibel stehe an mehr als 600(!) Stellen, dass man allein Gott an- rufen solle und nirgends stehe etwas von den Heiligenverehrung. Dann so meer der mensch hoffnung setzt in die heiligen/ so minder er in got hofft.27 Auch gegen die Guten Werke habe er nicht grundsätzlich etwas einzuwenden. Almosen für die Be- dürftigen finde er gut, doch Christus dürfe man nichts anderes geben als ein rüwig hertz. Nur kurz ging Schmid auf das Pensionenwesen ein. Er habe bloss gepredigt, dass es nicht im Sinne Gottes sei, Geld entgegen zu nehmen, um Leib und Gut von Mitmenschen zu schädigen. In der Bibel stehe: Jr soellen üch üwers solds lassen

25Antwurt, S. II f. 26ebd., S. XIV. 27ebd., S. XVII.

31 3. Das Liecht goetliches Wortes in die Lucern gesetzt benuegen vnd nieman da durch schedigen.28 Wenn jetzt, nach dem er alles in der Flugschrift verdeutlicht habe, seine Predigt immer noch als ketzerisch bezeichnet werde, so stehe er gerne zu einem Streitge- spräch zur Verfügung, sei das vor dem Rat der Stadt, vor dem Priesterkapitel oder vor jedem Christen, der ihn dazu auffordere. Falls ihn jemand seine Predigt aus der Bibel widerlegen könne, so lasse er sich gerne belehren. Wenn sie ihn aber nur mit menschlichem katzen geschrey belangten, so mache es ihm nichts aus, Ketzer ge- scholten zu werden. Zum Schluss bleibe ihm nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass Gott beiden Seiten den Geist und die göttliche Kunst verleihe, damit den gläubigen Christen nichts anderes verkündet werde, dann den waren Christum.29

3.3. Ein kurzer Briefwechsel

Die Aufforderung Schmids zu einer öffentlichen Disputation hatte keinen Erfolg. Es ist keine direkte Reaktion der Luzerner Obrigkeit, der Stadt, die ja eigentlicher Adressat war, bekannt. Wie viele Leser die Flugschrift überhaupt gefunden hat, kann nicht abgeschätzt werden. Weder Auflage noch Streuung, noch Vertriebskanäle sind uns bekannt. Waren es Buchführer und Krämer, welche die Schrift zum Kauf anbo- ten, oder fand eine gezielte Verteilung durch Myconius und seine Freunde statt? Wie viel kostete die Flugschrift, wer konnte sie sich leisten? Dies sind Fragen, die nur un- genügend beantwortet werden können. Heute sind noch mindestens zwölf Exemplare in Bibliotheken vorhanden, was auf eine relativ grosse Verbreitung schliessen lässt.30 Zwei der Leser sind jedoch namentlich bekannt. Der eine ist der bereits erwähnte Werner Steiner aus Zug, dessen Exemplar mit handschriftlichen Anmerkungen ver- sehen ist und ihn sogar als Augenzeuge der Predigt bestätigen. Der andere ist der Luzerner Leutpriester Johannes Bodler. Bodler, der in der Antwurt mehrfach, in der Verballhornung seines Namens, als bodenleerer Priester angesprochen war, reagierte bereits am 20. Juni 1522 mit einem Brief an Konrad Schmid auf die Flugschrift.31 Im lateinisch verfassten Brief nahm Bodler mehrfach Bezug auf die Flugschrift (libellus) und kam auf seine „ehrenhafte“ Erwähnung als bodenlär der Göttlichen Kunst, der da prediget zu sprechen. Er sei zwar nicht so eloquent wie Schmid, dafür aber auch nicht so langatmig. Er ging auf einige der strittigen Punkte (Primat des Papstes, Heiligenverehrung) ein. Er begründete seine Haltung in der Tradition und berief sich hauptsächlich auf die

28Antwurt, S. XXI. 29ebd., S. XXI-XXII. 30Eintrag im Verzeichnis der Drucke des 16. Jahrhunderts: VD 16 S 3106. Exemplare in Biliotheken: Bern(3), Zürich(2), Basel(2), Luzern(1), Chur(1), Dresden(1), Berlin(1), Halle(1). 31Orginal: Johannes Bodler: Brief an Konrad Schmid, Luzern, 1522, der Briefwechsel ist veröf- fentlicht bei Hottinger: Historiae ecclesiasticae, S. 26 ff. unter dem Titel: Apologetico Lucer- nensis, Conradi Fabricij, Kussenacensis, cum Plebano Lucerano.

32 3. Das Liecht goetliches Wortes in die Lucern gesetzt

Abbildung 3.2.: Briefkopf Johannes Bodler an Magister Conrad Schmid 1522

Kirchenväter. Er versuchte jedoch nicht, seine Ansichten mit Bibelstellen zu unter- mauern. Er bekenne sich als Sohn der römischen Kirche zum Papsttum und sehe keinen Grund, die apostolische Autorität anzuzweifeln. Bodler warf Schmid vor, sein Vorgehen sei zersetzerisch. Zudem bedauere er, dass er vor der Veröffentlichung der Predigt nicht versucht habe, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Konrad Schmid antwortete postwendend. Sein Antwortbrief an Bodler datiert vom 1. Juli 1522.32 Er habe nicht die Absicht, länger mit Bodler zu streiten. Ihn zu überzeugen sei etwa ähnlich sinnlos, wie wenn man versuchte, einen Schwarzen (Aetiopem) zu weisseln.33 Schmid unterstellte Bodler Unbelehrsamkeit und bezeich- net dessen Brief als verworren. Auf den Vorwurf, dass er die Veröffentlichung nicht zuerst mit ihm besprochen habe, antwortete er, Bodler hätte ja nach der Predigt in Luzern mit ihm reden können. Er habe jedoch die Gelegenheit zu einem Ge- spräch mit ihm nicht ergriffen. Offenbar sei er nicht imstande, seine Predigt mit Argumenten zu widerlegen. Er könne schreiben so viel er wolle, er (Schmid) erhoffe sich daraus keine Bereicherung. Mit gegenseitiger Geringschätzung endete der kurze Briefwechsel zwischen den Kontrahenten der Museggpredigt. Gute zwei Monate nach Schmids Auftritt in Luzern, wurden an der Tagsatzung die Predigten, die nun allenthalben gehalten wurden, thematisiert. Den Tagsatzungs- teilnehmern wurde aufgetragen, ihre Priester anzuhalten, von solchem Predigen ab- stehen, weil dadurch nur Zwietracht unter dem gemeinen Manne erwachse.34 Es war das erste Mal, dass an einer Eidgenössischen Tagsatzung über Glaubensangelegen- heiten beraten wurde. Ob der Antrag von Luzern ausging und allenfalls mit der Predigt von Schmid im Zusammenhang stand, ist aus dem Protokoll nicht ersicht- lich. Allem Anschein nach scheint sich eine Bewegung gegen die reformatorischen Predigten gebildet zu haben. Zusammen mit anderen Priestern reagierte Zwingli auf die Einschränkung des freien Predigens am 13. Juli 1522 mit der Schrift Ei-

32Konrad Schmid: Brief an Johannes Bodler, Küssnacht, 1522, veröffentlicht bei Hottinger: Historiae ecclesiasticae, S. 32 ff. Ein deutsche Übersetzung bei Christoph A. Schweiss: Die Johanniter-Komturei Küsnacht und ihr Komtur Konrad Schmid, in: Jahrheft der Ritterhaus- gesellschaft Bubikon 60 (1996), S. 12–35, hier S. 27 ff. 33Die Anspielung auf die bei Erasmus zitierte Mohrenwäsche, Aethiopem lavas: Aethiopem deal- bas, Erasmus: Adagia (Sprichwörtersammlung), 1.4.50 gibt Schmid die Gelegenheit auf seine Gelehrsamkeit hinzudeuten. 34Tagsatzung vom 27. Mai 1522 in Luzern. Johannes Strickler (Hrsg.): Amtliche Sammlung der älteren Eidgenössischen Abschiede, Bd. 4, Abt. 1a. 1521-1528, Brugg 1873 (im folgenden zit. als EA IV 1a), S. 194, Nr. 95c.

33 3. Das Liecht goetliches Wortes in die Lucern gesetzt ne früntlich Bitt und Ermanung etlicher Priesteren der Eidgnoschafft, das man das heylig Evangelium Predigen nit abschlahe.35 Die Schrift, eine Übersetzung und Er- weiterung der Supplicatio an den Bischof von Konstanz, in der die Abschaffung des Zölibates gefordert wurde,36 richtetete sich an die Obrigkeit, an die frommen, für- sichtigen, ersamen, wysen herren Eidgnossen on stetten, landen und zügewanten, unseren gnädigen, günstigen, lieben herren. Anders als in der lateinischen Version erschien diese Schrift ohne Angabe von Ort und Namen, habend wir willen ghebt unser namm underschriben und doch nit gton von vil Ursachen wegen.37 Am 19. Juli sandte Zwingli einen Stapel der deutschen Version nach Luzern, damit Myconi- us und Kilchmeyer sie vor Ort vertreiben konnten.38 Die Aufnahme der Flugschrift blieb hinter den Erwartungen zurück. Myconius schrieb am 28. Juli davon an Zwingli. Nur wenige hätten die Schrift gelesen und diese erachteten die Sache als aussichtslos, weil ja nicht der Bischof sondern höchstens ein Konzil über das Zölibat entscheiden könne. Die meisten der Leser enthielten sich jedoch eines Kommentars. Was das gemeine Volk davon halte, das wisse er, Myconius, nicht (quid iudicet vulgus, nes- cio). Die Kriegswut beschäftige hier sowieso alle mehr als das Evangelium.39 Ob die Bittschrift formell an die Eidgenössischen Orte eingereicht wurde ist nicht bekannt. Eine offizielle Antwort auf die Bitte und Ermahnung blieb aus.

35Bernd Moeller hat in verschiedenen Untersuchungen eine erstaunliche Homogenität in den refor- matorischen (Predigt-)Flugschriften festgestellt. Neben der Entfaltung der evangelischen Recht- fertigungslehre und der Kritik an der Werkgerechtigkeit seien Reformforderung enthalten. Diese beschränkten sich jedoch oft auf den kirchlich-institutionellen Bereich und verlangten die freie Predigt. Die Sozialkritik erschöpfe sich jedoch in Kleruskritik. Moeller: Stadt und Buch, S. 38 f. 36Huldrych Zwingli: Suplicatio quorundam apud Helvetios evangelittarum ad R. D. Hugonem episcopum Contantiensem ne se induci patiatur, ut quicquam in praeiudicium Evangelij pro- mulget neve scortationis scandalum ultra ferat, sed presbyiteris uxores ducere permittat aut saltem ad eorum nuptias conniveat, Zürich 1522. Die Supplicatio wurde am 2. Juli 1522 in Einsiedeln verfasst und enthält neben derjenigen von Zwingli noch elf weiter Unterschriften, darunter auch einige aus der Innerschweiz: die von Balthasar Trachsel aus Arth, Georg Stähelin aus Galgenen, Werner Steiner aus Zug und Jodok Kilchmeier aus Luzern. 37Eine freundliche Bitte und Ermahnung an die Eidgenossen, in: Emil Egli (Hrsg.): Huldreich Zwinglis sämtliche Werke. Band I, Berlin 1905 (im folgenden zit. als ZwW I), S. 210-248, hier S.248. 38Brief von Zwingli an Myconius. ZwW VII, Nr 217. 39Brief von Myconius an Zwingli. ebd., Nr 220.

34 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft

Es ist nicht leicht zu verstehen, was Myconius nach der Predigt von Schmid so zuver- sichtlich gestimmt hatte. Der Auftritt des Komturs muss ihm wie ein Sieg vorgekom- men sein. Es wird ein beeindruckendes Bild abgegeben haben, wie dieser evangelisch gesinnte Geistliche feierlich um die Stadt schritt. Flankiert von den höchsten Auto- ritäten der Stadt, auf der einen Seite der regierende Schultheiss und auf der anderen Seite ein Altschultheiss, schritt Schmid in voller Würde den Stadtmauern entlang. Und wie er dann in vollem Johanniterornat auf der Musegg das Wort ergriff! Mu- tig und selbstbewusst bereitete er vor der gesamten Innerschweizer Priesterschaft, vor den Ratsmitgliedern und der fast vollständig anwesenden Stadtbevölkerung die neue Lehre aus. Auch brisante Themen sprach er unverhüllt an. Offen kritisierte er die Heiligenverehrung und die Werkgerechtigkeit und schreckte auch nicht vor einem Angriff auf das Primat des Papstes zurück. Selbst das Pensionenwesen wagte er anzusprechen. Auch Angriffe auf die lokale Priesterschaft konnte er sich nicht enthalten.1 Wie stolz war da Myconius auf „unseren Konrad“ (Conhardus noster), welch schöner Mann und welch schöne Predigt, so schrieb er an Zwingli. Alles, was vor- her so verworren war, hatte sich beruhigt. Ach, lieber Ulrich, hättest du auch dabei sein können, du hättest dich so sehr mit uns gefreut.2 Glaubte Myconius wirklich, dass die Stimmung in Luzern nun zu Gunsten der neuen Lehre umgeschlagen hat- te? War das der Anfang der Reformation in Luzern? Hatte er vergessen, wie er im Winter zuvor noch aufgefordert wurde, seine Lutherschriften zu verbrennen? Hatte er vergessen, wie durch die ganze Stadt gerufen wurde, man solle nicht nur Luther, sondern auch den Schulmeister verbrennen?3 Hatte er vergessen, wie er vor den Rat zitiert wurde und ihm untersagt wurde, seinen Schülern etwas von Luther vorzu- lesen? Damals schon wurde öffentlich von der Kanzel (von Bodler?) gegen Luther und seine Anhänger gewettert und die ganze Stadt hatte gewusst, dass damit My-

1Vgl. dazu Kapitel 3.2 Eine Predigt mit Nachspiel. 2ZwW VII, Nr. 201. 3Clamatur hic per totam civitatem, Lutherum comburendum et ludimagistrum. ebd., S. 366, Nr. 161. Vgl. BRÄNDLY, S. 29.

35 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft

Abbildung 4.1.: Sebastian Hofmeister. Ausschnitt aus einem Flugblatt von 1650 conius und Xylotectus gemeint waren.4 Auch Xylotectus hatte sich noch 1521 in einem Brief an Rhenan beklagt, dass Bodler die Bevölkerung gegen die Anhänger der neuen Lehre aufgehetzt habe. Wir müssen schweigen, oder es geht uns schlecht, so hat unser Pfarrer das Volk gegen uns instruiert.5

4.1. Lesemeister in Luzern

Es macht den Eindruck, als ob sich zu Beginn des Jahres 1522 die Situation in Lu- zern und in der Innerschweiz verändert hätte. Bemerkenswert war auf jeden Fall, dass ausgerechnet für den wichtigsten kirchlichen Anlass Luzerns, dem Museggum- gang, ein lutheranisch gesinnter Prediger eingeladen wurde. Als weiteres Zeichen für einen gewissen Meinungsumschwung zu Gunsten der neuen Lehre konnte auch die Ernennung eines lutheranisch gesinnten Lesemeisters ans Barfüsserkloster gewer- tet werden. Zwar wurden die Lesemeisterstelle vom Barfüsserorden selber vergeben, doch ist davon auszugehen, dass die Stelle im stillen Einvernehmen mit dem Stadt- rat besetzt wurde. Seit dem Frühjahr war der Schaffhauser Sebastian Hofmeister in dieser Stellung tätig. Die klar evangelische Ausrichtung Hofmeisters wird in Luzern kaum verborgen geblieben sein. Er hatte in Paris Theologie studiert und promovierte dort zum Doktor der Theologie.6 In Paris hatte er unter dem „Vorreformator“ Jacques Lefèvre d’Étaples studiert und war vermutlich auch mit dem späteren Täuferführer

4Brief von Myconius an Zwingli vom 8. 1. 1521. ZwW VII, S. 423, Nr. 168. Vgl. BRÄNDLY, S. 28-30. 5At nobis silendum est aut male habendum, ita in nos omnem plebem instruit plebeianus noster. Brief von Xylotectus an Rhenan vom 7. 4. 1521. Zitiert nach ebd., S. 30. 6Sidler: Bildungsverhältnisse, S. 214.

36 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft

Konrad Grebel in Kontakt gekommen.7 Nach seinem Studium war er 1520 als Le- semeister im Barfüsserkloster von Zürich tätig, wurde aber noch im gleichen Jahr nach Konstanz versetzt. Zu seinen Korrespondenten gehörten unter anderen Zwingli, Luther, Vadian und Myconius. In einem Brief vom 15. März 1521 an Myconius lässt er den gesamten Kreis um ihn grüssen, im besonderen den Arzt Erhard, den Chor- herren Xylotectus und den Rittersohn Zurgilgen, allesamt evangelisch ausgerichtete Luzerner Humanisten.8 Hofmeister war demnach bereits gut in die reformerischen Kreise Luzerns eingeführt, als er im Frühjahr 1522 im Luzerner Barfüsserkloser zum Lesemeister ernannt wurde. Kaum angekommen, begann er im evangelischen Sinne zu predigen. Er habe daselbst nach minem höchsten vermögen und flyß geprediget, als ich hoff und weiß, nit anders denn das wort gottes der göttlichen geschrifft. Nach eigenen Aussagen griff er die Heiligigenverehrung, den Marienkult und ander meer vil unnützer gewonheiten an.9 So wurden zwei völlig gegensätzliche Lehrmeinungen von den beiden wichtigsten Predigern Luzerns vertreten. Leutpriester Bodler predig- te als der Verfechter der altgläubigen Tradition und Lesemeister Hofmeister äusserte sich als Reformtheologe. Ein Konflikt der beiden ehemaligen Pariser Studenten war abzusehen. Myconius vermutete, dass es Bodler war, der Hofmeister beim Bischof von Konstanz anzeigte und ihn der Ketzerei bezichtigte. Im Brief an Zwingli vom 28. Juli 1522 schrieb Myconius, dass der Dekan Bodler (ter canus: der dreifache Hund) und einige andere hinter der Denunzierung steckten.10 Offenbar hatten Kirchgänger die Ausführungen Hofmeisters aufgezeichnet und die Aufzeichnungen nach Konstanz gesandt. Trotz der von Hofmeister verfassten Rechtfertigungsschrift sei es zu diszi- plinarischen Schritten gegen ihn gekommen.11 Die Folge war, dass Hofmeister seine Lesemeisterstelle bei den Minoriten von Luzern schon nach wenigen Monaten aufge- ben musste. Voller Bedauern und mit Pathos kommentierte Myconius den Abgang von Hofmeister: Docuerat eos Sebastianus noster viam Christi; noluerunt eum - Un- ser Sebastian hatte sie den Weg Christ gelehrt; sie (die Luzerner) haben ihn nicht gewollt.12

7Jakob Wipf: Reformationsgeschichte der Stadt und Landschaft Schaffhausen, Zürich 1929, S. 109. Zu Hofmeister vgl. neuer Martin Haas: Sebastian Hofmeister. * um 1494 in Schaff- hausen † 9. Juni 1533 in Zofingen, in: Schaffhauser Beiträge zur Geschichte 68.V (1991), S. 87– 93. 8Kopie in Simmlersche Sammlung Zürich. Zitiert bei Wipf: Reformationsgeschichte, S. 116. 9Dies erklärte Hofmeister als Teilnehmer an der Zürcher Disputation vom Januar 1523. ZwW I, S. 526 f. 10ZwW VII, Nr. 220. 11Die von Myconius erwähnte Apologia ist nicht erhalten geblieben. 12ZwW VII, Nr. 220. Jakob Wipf hat den ersten Teil des Satzes seiner stark hagiographisch ge- färbten Darstellung Hofmeisters vorangestellt. Wipf: Reformationsgeschichte, S. 99-219.

37 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft

4.2. Reformator in Schaffhausen

Über Zürich kehrte Hofmeister in seine Heimatstadt zurück. Vom dortigen Barfüs- serkloster aus verkündete er nun in Schaffhausen die neue Lehre. Die Meinung der Bevölkerung in Glaubenssachen war ähnlich gespalten wie in Luzern. Nur fehlte hier ein ebenbürtiger Gegner, wie er ihm in Luzern in der Person von Dekan Bod- ler entgegen getreten war. Die Anhänger der Altgläubigen engagierten deshalb den aus Bayern stammenden Prediger Erasmus Ritter an die Hauptkirche von Schaff- hausen, um dem grossen zulouf entgegen zu wirken. Der neue Prediger gab sich schon nach kurzem Kanzelkrieg (Wipf) geschlagen und wurde nun seinerseits Ver- fechter des neuen Glaubens.13 Ende 1522 hatte sich die Reformation in Schaffhausen weitgehend durchgesetzt. Ähnlich wie in Zürich wurde am Dreikönigstag 1523 die Entscheidungsgewalt in religiösen Sachen in die Hände der Obrigkeit übertragen.14 Obwohl eine formelle Anerkennung der Reformation ausblieb, war der Durchbruch des neuen Glaubens geschafft und Schaffhausen stellte sich fortan in der Eidgenös- sischen Politik auf die Seite der Zürcher.15 Nach Ostern 1523 schrieb Hofmeister an Zwingli, dass Christus mit höchstem Verlangen aufgenommen werde und die früher so giftigen Feinde Vernunft angenommen hätten. Der Rat habe ihm sogar Schutz gegen die kirchliche Obrigkeit versprochen, und zwar ausdrücklich unter der Bedin- gung, dass seine Predigten schriftgemäss (sincere) seien.16 Diesen Schutz wird er ausdrücklich verlangt haben, damit er nicht ein weiteres Mal durch den Bischof von Konstanz aus Amt und Stadt vertrieben würde. Einem Exponenten des Bischofs von Konstanz, dem Generalvikar Johann Fa- bri, war Hofmeister an der Ersten Zürcher Disputation im Januar 1523 begegnet. Über 600 Geistliche, Gelehrte und Bürger nahmen an der Disputation in Zürich teil. Zwingli hatte 67 Thesen vorbereitet, über die diskutiert und die auf ihre Schriftge- mässheit überprüft werden sollten. Hans Salat erwähnt in seiner Reformationschro- nik unter den Teilnehmern des Glaubensgespräches an erster Stelle zwei Lesemeister: aus Bern den Lesemeister Sebastian Meier (1465-1545) und von Schafhusen doctor Bastion barfuesser ordens. An zweiter Stelle erwähnt er die zwei Vertreter des Bi- schofs: siner gnaden vicarium (Johannes Fabri) samptt eim doctor von Tübingen

13Erasmus Ritter (1495-1546) verliess Schaffhausen 1531 und zog nach Bern, von wo aus er sich für die Reformation der Waadt einsetzte. Winfied Hecht: Erasmus Ritter. Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), 2010, url: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10802.php (besucht am 10. 09. 2010). 14Wipf: Reformationsgeschichte, S. 127. 15So erklärten die Schaffhauser im Februar 1524 der Tagsatzung in Luzern schriftlich, dass sie nicht bereit seien, die Zürcher von ihrem Glauben abzuhalten. Dies wurde von den anderen Orten als Bekenntnis zur Reformation aufgefasst. EA IV 1a, S. 373q. 16Brief an Zwingli, Samstag nach Ostern 1523 ZwW VIII, S. 62 f. Übersetzung bei Wipf: Refor- mationsgeschichte, S. 132 f.

38 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft

(Martin Plantsch, 1460-1533).17 Eine Konfrontation zwischen Hofmeister und des- sem Kontrahenten aus der Luzerner Zeit, dem Generalvikar Fabri, war somit unum- gänglich. Hofmeister wollte von Fabri wissen, wie er sich zu den Fürbitten und zur Heiligenverehrung äussern wolle und sprach damit direkt seine Wegweisung aus Lu- zern an. Und redtt/ wie er vergangens jars zuo Lucern laesmeyster zun barfuossen gsin waer/ da er under andern misbrüchen ouch die fürbitt haete gewertt/ das jmm alls kaetzerisch gen Costentz gschriben und er des von Lucern kon waer.18 Nachdem Fabri seine Sicht der Heiligenverehrung dargelegt hatte, stand Hofmeister erneut auf und forderte den Rat eindringlich auf, weiterhin hinter dem Evangelium zu stehen und es zu beschützen. Aber er kundt nit ußreden, Generalvicar Fabri fiel ihm ins Wort und fragte ihn, ob er eigentlich vergessen habe, was er dem Bischof versprochen hatte. Er solle nicht so wankelmütig sein, wie ein Schilfrohr im Winde.19 Hofmeister gab zur Antwort, dass er trüwlich und redlich gehalten habe, was er dem Bischof verheyssen habe. Von Seiten des Bischofs seien jedoch die Versprechen nicht eingehalten wor- den. Diese seine Aussage wolle er öffentlich bezeugen.20 Dieses Gespräch zwischen Fabri und Hofmeister mag darauf hinweisen, warum der Lesemeister, trotz der An- schwärzung beim Bischof als Ketzer, relativ glimpflich davongekommen war. Welche Zusicherungen er dem Bischof genau gegeben hatte, ist nicht bekannt. Die von My- conius im Brief an Zwingli erwähnte Apologia,21 die über allfällige Versprechen des Lesemeisters Auskunft geben könnte, ist nicht mehr vorhanden.

4.3. Das Schmachbuechlin

Nicht grundlos wird Hofmeister deshalb beim Rat von Schaffhausen um Schutz vor dem Konstanzer Götzen, wie er den Bischof von Konstanz im oben erwähnten Brief an Zwingli bezeichnet hatte, ersucht haben. Die Auseinandersetzung um die Entlas- sung aus dem Lesemeisteramt in Luzern beschäftige Hofmeister offensichtlich immer noch stark. Nur so ist zu erklären, dass er im Februar 1523 das Thema in einer Flugschrift an die strengen, edlen, festen und weisen Eidgenossen erneut zur Spra- che brachte. Die Flugschrift, eine Warnung vor falschen Propheten, richtete sich direkt an die weltliche Obrigkeit und barg deshalb etliche Gefahren für den Ver- fasser. Hinter dem vordergründig unverfänglichen Titel versteckte sich ein massiver

17Ruth Jörg (Hrsg.): Hans Salat. Reformationschronik 1517-1534, Bd. 1 (Quellen zur Schweizer Geschichte. Neue Folge, Abt. 1, Chroniken 2), Zürich, Basel 1986 (im folgenden zit. als SALAT), S. 157. 18ebd., S. 169. 19Ir wissent wol, was ir minem gnädigen herren verheissen hand, es gebürt sich nitt eim man also beweglich ze sin, wie ein ror vom wind sich laßt bewegen. ZwW I, S. 540. 20Protokoll der Ersten Zürcher Disputation ebd., S. 442-569, hier S. 541 und bei Salats Reforma- tionschronik SALAT, S. 170. 21ZwW VII, Nr. 220.

39 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft

Abbildung 4.2.: Titel der Flugschrift Ein treüwe ermanung. Basel 1523

Angriff gegen die Verhältnisse an seinem letzten Wirkungsort Luzern. So ist es nicht verwunderlich, dass er die Schrift anonym veröffentlichte.22 Die „Treue Ermahnung“ umfasst 19 Seiten und kann in drei Abschnitte einge- teilt werden.23 Die ersten sieben Seiten können als Einleitung bezeichnet werden. Hofmeister führt allgemein das Problem der falschen Propheten aus und verlangt in der Betrachtung der Materie Unparteilichkeit. Nicht dass er die Weisheit der Eidge- nossen anzweifle, doch sollen sie sich vor den Wölfen im Schafpelz in Acht nehmen. Wenn sie sich immer auf ihre Vorfahren beriefen, sollen sie sich bewusst sein, dass wenn etwas hunderte Jahre falsch gewesen sei, es nicht allein durch die Zeitdauer richtiger werde. So versuchte Hofmeister das stärkste Argument der Altgläubigen, die Berufung auf die Tradition, zu entkräften. Die grösste Tugend der Vorfahren sei der Gerechtigkeitssinn gewesen und deshalb fordere er die Eidgenossen auf, die Neugläubigen gerecht zu behandeln und nicht auf die zu hören, die sie versuchten

22Die Flugschrift ist in zwei Versionen vorhanden: zuerst gedruckt in Basel Sebastian Hofmei- ster: Ein treüwe ermanung an die Strengen, Edlen, Festen, Fromen und weyszen Eidgnossen, das sy nit durch ire falschen propheten verfürt: sich wider die lere Christi setzend, Basel 1523 (VD 16H 4308) und gedruckt in Augsburg in orthographisch leicht veränderter Version. Se- bastian Hofmeister: Ain Treüe Ermanung an die strengen. Edlen, Festen, Frommen vnd weyßen Eidgnossen, das sy nit durch ire falschen propheten verfürt, sich wyder die lere Christi setzent, Augsburg 1523 (VD 16H 4307). In dieser Arbeit wird nach der Basler Version zitiert; eigene Paginierung. 23Auffallend ist die Ähnlichkeit des Titels mit dem Titel der Flugschrift, die Zwingli im Mai 1522 an die Eidgenossen von Schwyz gerichtet hatte. Huldrych Zwingli: Ein göttlich Vermanung an die ersamen, wysen, eerenvesten, eltisten Eydgnossen zuo Schwytz, das sy sich vor frömden Herren hütind und entladind, Zürich 1522. Ein Jahr zuvor wurde eine ähnlich lautendes Flug- schrift des deutschen Lutheraners Johann Eberlin in Basel veröffentlicht. Johann Eberlin von Günzburg: Ein zuversichtig ermanung an die redlichen erberen starcken und christlichen herren obern und underthon gemainer Eydgnoschafft (genant Schwitzer) das sy trewlich helffen handthaben Ewangelische leer und frumme christen. Der XIII. bundtsgnosz, Basel 1521. Vgl. auch die Schrift Murners gegen Luther. Thomas Murner: Ein christliche und brüderliche er- manung zuo dem hochgelerten doctor Martino luter Augustiner orden zu Wittemburg. (Dz er etlichen reden von dem newen testament der heiligen messen gethon) abstande, und wid mit gemeiner christenheit sich vereinige, Strassburg 1521.

40 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft mit glatten wort zuo kutzlen.24 Gemeint waren damit die altgläubigen Prediger. An- statt ihnen das Wort Gottes zu predigen, riefen diese falschen Propheten sie zur Gewalt (verbrennend, erstechend, ertrenckend) auf. Sie sollen selber beurteilen, ob diese das Wort Gottes oder des Menschen oder sogar des Teufels verbreiteten. Hof- meister fordert die erenfesten leütt auf, thuond auff die oren eüwer vernunfft vnd bruchend die augen eüwer weißheit/ vnd sehend für euch/ wann es vmb eüwer orten vil gar mißlich stat/ da ir den wolff im hauß/ die schlangen in der schoß zihend.25 Die Einleitung, die formell an alle Eidgenossen gerichtet ist, wendet sich in der Tat vor allem an die altgläubigen Orte und unter denen speziell an Luzern. Im Mittelteil, Seite acht bis Seite vierzehn, spricht er jeden der Eidgenössischen Orte einzeln an. Dabei beginnt er mit den evangelisch unbedenklichen Orte Zürich und Bern und schliesst mit Basel, Glarus, Solothurn und Schaffhausen ab. Zürich habe nicht auf den Gewaltaufruf des Papstes reagiert und habe die Situation fried- lich geklärt; Hofmeister spricht hier die Disputation vom Januar 1523 an. Zudem hätten die Zürcher sich um gelehrte Pfarrherren bemüht, denn kein boeser ding ist denn ein vngelerter pfarrer. Bern rühmt er wegen seiner Tapferkeit und weil es ge- schickt vnd gelerte prediger und ander des worts Christi verstendig in eren halte. Unter die Orte, die zwar noch widerspennig seien, aber in denen die neue Lehre frei sei, rechnet er neben seinem Heimatort Schaffhausen auch Appenzell und Basel, sowie erstaunlicherweise Solothurn. Basel erwähnt er im Speziellen wegen den vielen Druckern. In der ganzen Christenheit gebe es keine Stadt, da man mer goettlicher vnd Christenlicher buecher zuo merung vnd trost vseres glaubens trucke.26 Den Inner- schweizer Orten sowie Freiburg und Appenzell wendet er sich nur kurz zu, weil sie nicht so problematisch wie Luzern seien (do man der lere Christi widrig ist/ doch als ich verstan an keinem so fast als zuo Lucern). Die Leute seien zwar begierig nach der evangelischen Lehre, aber ihre Hirten seien blind (aber ir hirten sind blind vnnd blinden fürer).27 Das Hauptgewicht in der „Ermahnung“ der verschiedenen Orte legt Hofmeister auf Luzern. Zentral sind den Eidgenossen von Luzern ganze vier Seiten gewidmet. Wenn er an die frommen Eidgenossen von Luzern denke, möchte er am liebsten wei- nen. Nun o ir frommen Eidgenossen von Lucern/ so ich an euch gedench/ woelte ich lieber weinen vnnd beweinen eüwer ellend. Sie seien so hartmuetig vnd verstopfft, dass sie diejenigen verfolgen, die ihnen die Lehre Christi verkünden wollen.28 Hofmeister spricht damit seine eigene Zeit in Luzern an. Er habe vorerst nur gute Erfahrun-

24Ermanung, S. IV. 25ebd., S. IV f. 26ebd., S. XIV. Mit der Erwähnung Basels als Druckort weist Hofmeister indirekt auf den Drucker seiner Schrift hin. Mehr davon weiter unten. 27ebd., S. XII f. 28ebd., S. X.

41 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft gen in Luzern gemacht und zählt die verschieden guten Eigenschaften Luzerns auf: ere der geistlichen/ gerechtigkeit der obern/ dapfferkeit der eltern/ zucht der frau- wen/ gotesforcht der gemein/ vnnd was zuo einen guotten/ loeblichen regiment eines gemeinen nutzes erfordert wirt. Dass die Luzerner die neue Lehre abwiesen, sei den Predigern zu verdanken, die anstatt das Evangelium des teüfels bottschafft verkün- den. Anstatt Licht hätten sie stinkenden Rauch in die Stadt gebracht. O Lucerna Lucerna wie ist dein liecht so gar verloeschen/ wie hand dich die verfuert in abweg der finsterniß/ die dir das liecht ewiger klarheit gezeigt sollten haben.29 Sie hätten ihn mit erdichteten Lügen beim Bischof angeschwärzt und damit aus Luzern vertrieben. Neben seiner eigenen Vertreibung klagt Hofmeister auch über die Wegweisung des Luzerner Bürgers Myconius, der doch wie kein Anderer in der ganzen Eidgenossen- schaft berühmt sei.30 Er mag nicht aufhören, das Elend von Luzern zu beklagen, O iamer über iammer, wo sind die Priester, die das Evangelium verstehen? O Lucerna wie bistu so gar verstopft das du nit erkent hast die zeit deiner heimsuochung, dass du nicht bemerkt hast, dass dir ein so gelehrter Prediger zugesandt wurde. Erneut sprach er seine Wegweisung an. Am Ende seiner Jereminade lässt er doch noch etwas Hoffnung aufkommen. O du koestliche Lucerna wie wol werestu wirdig vnd nottürfftig einer koestlichen kertzen die dich mit dem glantz goettlicher warheyt erleuchte. Hof- meister wünscht, dass Gott sich Luzerns erbarme und einen Hirten schicke, der dich wider auff den rechten weg fürte/ deine zerstrauwerern samlete/ vnnd dir das wort gots allein verkündte.31 Nach diesen harten Angriffen auf Luzern und auf die vnwissend/ blind vnd vnge- lerten Prediger kommt Hofmeister zum Schlussteil. Auf etwas mehr als fünf Seiten breitet er die Kernpunkte des reformatorischen Gedankengutes aus. Als erstes er- mahnt er die Eidgenossen, niemanden nach der Prediger Geschrey zu beurteilen, sondern nur auf Grund der Heiligen Schrift. Nicht Papst, Konzil oder Tradition sei massgebend sondern einzig und alleine das Evangelium. Als zweites spricht er das Söldnerwesen an. Dieses sei gegen die Gesetze Gottes. Der Bapst gibt euch gelt/ dz ir jm helffen das Christen bluott vergiessen/ Gott spricht/ du solt nyemandt toedten. So offenbare der Papst seine wahre Natur als Wolf im Schaffell.32 Als weiteres greift er das Ablasswesen, die Fastengebote und das Zölibat an. Gott verbeütt alle vnkeu- scheyt ausser der ee, darum solle die Priesterehe erlaubt sein. Die Schrift endet mit einem Rundumangriff auf den Papst unter dem Motto das ist der bapst/ o blind- heit. Wenn Paulus von den falschen Propheten gesprochen habe, sei damit der Papst gemeint. Nun sehent ir frommen Christen wen er meine/ welchen er euch da vor

29Ermanung, S. X. 30Deins schuolmeisters beraubt/ der den rhuom hat in gantzer Eidgnossenschaft/ der dein bürger vnd kind ist. ebd., S. X. 31ebd., S. XII. 32ebd., S. XV f.

42 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft gemaldt habe warlich den Bapst.33 Zum Schluss warnte Hofmeister mit Hinweis auf das letzte Gericht, eindringlich die Leser dieser Flugschrift, dass sie das Bibelzitat Man solle Gott mehr gehorsam sein als dem Menschen ernst nehmen sollen, sonst eüwer lob verkere in ewige schand.34 Die Reaktion Luzerns auf die anonyme Flugschrift war heftig. Anders als die Predigtflugschrift von Konrad Schmid vom Frühjahr 1522, die nur eine Reaktion des direkt angesprochenen Pfarrers Johann Bodler auslöste, wurde diese Flugschrift offenbar auch von der Obrigkeit gelesen. Die Einstellung gegenüber der neuen Lehre scheint sich im Verlaufe des Jahres 1522 in Luzern wesentlich verändert zu haben. Die Glaubensfragen wurden mehr und mehr zu einem Politikum. Die altgläubigen Orte, allen voran Luzern griffen das Thema vermehrt an der Tagsatzung auf. Wie Hofmeister in seiner Schrift erwähnt hatte, war an einer dieser Tagsatzungen ein Brief des Papstes verlesen worden, mit dem Inhalt, man solle abtrünnige Priester bestrafen. Der Sempacher Frühmesser Wolfgang Schatzmann schrieb an Vadian, kein Innerschweizer Priester wage es mehr, von Luther zu reden, ansonsten er alle Pfründe verliere.35 Der Zuger Bartolomäus Stocker schrieb an Zwingli, er erachte es als zu gefährlich, sich offen zur neuen Lehre zu bekennen. Er fürchtete wohl, die eben erst erworbenen Pfründe zu verlieren.36 Myconius, der Luzerner Schulmeister, war Ende 1522 entlassen worden. Die meisten anderen reformatorisch gesinnten Luzerner Humanisten verliessen die Stadt im Verlaufe der Jahre 1523 und 1524 ebenfalls. Die Stimmung in Luzern wurde für die Neugläubigen immer ungemütlicher. Die Tagsatzung vom 27. Mai 1522 in Luzern hatte sich nun erstmals mit Glau- bensfragen befasst. Es ist auch angezogen, wie die Priester jetzt allenthalben in der Eidgenossenschaft mancherlei Predigen, woraus unter dem gemeinen Mann Unwil- len, Zwietracht und Irrung im christlichen Glauben erwächst. Das sollen die Boten an ihre Herren und Obern bringen, und diese mit ihren Priestern reden, dass sie von solchen Predigen abstehen.37 An der Tagsatzung vom Dezember des gleichen Jahres in Baden wurden erneut Forderungen vorgebracht, man solle sölliche nüwen predigen unterbinden. Zusätzlich wurde neu auch der Druck der Flugschriften thematisiert. Besonders Zürich und Basel wurden aufgefordert, dass sy by inen das drucken söli- cher nuwen büechlin abstellen, denn es sei zu befürchten, dass darus grosse unruow und schad uferstand wurde.38 Selbst vom Reichsregiment wurde Druck ausgeübt, dass die Eidgenossen in ihrem Gebiete Zensur ausüben sollten. Am 21. Januar 1523 ging ein Brief des Kaisers an gemeine Eidgenossen ein, in dem beklagt wurde, dass

33Ermanung, S. XVIII f. 34ebd., S. XIX f. 35Brief an Vadian vom 19.01.1523. Arbenz: Vadianische Briefsammlung, Nr. 335, zitiert in Wipf: Reformationsgeschichte, S. 136. 36Brief an Zwingli vom 5. Juli 1522. ZwW VII, Nr 212. 37EA IV 1a, S. 194, Nr. 95c. 38ebd., S. 255, Nr. 120n.

43 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft ytzo in allen druckereyen one erlaubnus der oberkeit vil, darzu einem jeden nach sei- nem willen und gefallen leichtfertige, one zulessige nit allein schmeho, sonder auch andere schrift(en) zu ringerung und abbruch des hl. cristenlichen glaubens gedruckt ausgeen und verkauft werden. Dies solle verhindert werden. Auch solle der Vertrieb der Schriften unter Strafe gestellt werden, dass niemands solche unzugelassne bücher oder druck heimlich oder offentlich zu feilem kauf haben oder tragen soll etc.39 Die Einflussnahme der Tagsatzung auf gesamteidgenössische Glaubensangelegenheiten war jedoch gering. Um die Reformation nach innen zu konsolidieren und nach aussen den rechtlichen Anspruch geltend zu machen, hatte der Rat von Zürich zusammen mit Zwingli Ende Januar 1523 zu einer öffentlichen Disputation eingeladen.40 Der Bischof von Kon- stanz schickte einige offizielle Vertreter, die der neuen Lehre die Stirne bieten sollten, aus den Innerschweizer Orten jedoch waren keine Vertreter anwesend. Die Dispu- tation hatte die von Zwingli aufgestellten Thesen erwartungsgemäss bestätigt. Der Triumph war vorprogrammiert oder wie Salat schrieb hattend sj es jnen selbs schon gwunnen gen/ vor der sach/ und triumphiertt ee sy den strytt angfangen.41 So er- hielten nun Forderung, wie die nach schriftgemässen Predigt oder nach Abschaffung der Messe und der Klöster, im Gebiet von Zürich Rechtscharakter. Die freie Predigt, die Zwingli und andere reformiert gesinnte Priester in einer Flugschrift bereits 1522 von den Eidgenossen vergeblich gefordert hatten,42 wurde nach der Disputation in Zürich erneut bestätigt und sogar verschärft.43 Mit dem Abschluss der Disputation war die Einführung der Reformation gleichsam amtlich verfügt worden. Das Schrift- prinzip wurde als verbindlich erklärt, biß er eins besseren bericht werde. Gleichzeitig wurde verfügt, dass niemand einen Vertreter der neuen Richtung als Ketzer bezeich-

39Johannes Strickler (Hrsg.): Actensammlung zur schweizerischen Reformationsgeschichte in den Jahren 1521-1532 im Anschluss an die gleichzeitigen eidgenössischen Abschiede. 1521-1528, Bd. 1, Zürich 1878 (im folgenden zit. als ASchweizerRef), S. 193 f. Nr. 540. 40Zur rechtlichen Funktion von Disputationen vgl. Bernd Moeller: Die Ursprünge der reformier- ten Kirche, in: Johannes Schilling (Hrsg.): Die Reformation und das Mittelalter, Göttingen 1991, S. 138–150. 41SALAT, S. 157. 42Huldrych Zwingli: Ein früntlich Bitt und Ermanung etlicher Priesteren der Eidgnoschafft, das man das heylig Evangelium Predigen nit abschlahe, noch Unwillen darab empfach, ob die Predgenden Ergernus zuo vermiden sich eelich vermächlind, Zürich 1522. 43Das Predigtmandat war in Zürich bereist 1520 erlassen worden. Bullinger schreibt in seiner Reformationsgeschichte zum Jahr 1520: Die einfallt vnd warhafft leer Zwingli bracht Zuerych, wiewol vil widerstrytens was, so vil daß in dem 1520 iar ein Ersammer Radt Zuerych ein of- fen mandat in der Statt, vnd vff dem Land, an alle Luethpriester, Seelsorger vnd predicanten, ließ vßgan, vnd gebod, daß sy all gemeinlich, vnd fry die heyligen Evangelia, vnd der heyligen Aposteln Sendbrieff, glychfoermig, nach dem geist Gottes, vnd raechter goettlicher geschrifft bei- der testamenth, predigen soellind, vnd was sy mitt ermaellter geschrifft bewaeren vnd erhallten moegind, das sollind sy verkuenden vnd leeren. Was a aber Nuewerungen vnd von menschen er- funden Sachen vnd Satzungen syend, deß soellind sy geschwigen. Johann Jakob Hottinger/ Friedrich Salomon Vögelin (Hrsg.): Heinrich Bullingers Reformationsgeschichte, Bd. 1, Frauenfeld 1838 (im folgenden zit. als BULLINGER), S. 32.

44 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft nen dürfe.44 So gelang es dem Rat von Zürich allfällige Unruhen in ihrem Gebiet zu unterbinden und die übrigen Orte vor die vollendete Tatsache der Einführung der freien Predigt zu stellen. Forderungen der Tagsatzung nach Abstellung der neu- en Predigten oder nach Unterbindung der neugläubigen Flugschriften waren somit hinfällig geworden. Der Spalt zwischen altgläubigen und neugläubigen Orten war so zu Beginn des Jahres 1523 wesentlich vergrössert worden. Gemäss Hans Salat war die Folge der Religionsgespräche, dass je mehr die Irrungen zunahmen auch die An- griffe auf die Altgläubigen anstiegen. Er beklagte, dass die saecter ihre altgläubigen Gegner an glimpf/ wirde/ und eeren/ mit reden/ lichten/ schriben, singen/ sagen/ schmachbuechlin/ liedlj / rymen/ etc. angriffen (schultend/ schmechtend/ tratzend/ verletztend). In dieser aufgeladenen Stimmung des Frühjahrs 1523 traf ein solches Schmachbüchlein, die Flugschrift von Hofmeister mit den wüsten Beschimpfungen der Luzerner Predigern und der Lobpreisung der Basler Drucker, in Luzern ein. Dar- in sei Luzern, so Salat, gar hoch anzogen/ geschmaecht/ gelestert/ und eerverletzlich angeruert worden.45

4.4. Ich Adam Petri, der buchdrucker

Da die Schrift Hofmeisters jntituliertt was/ die trüw vermanung an gmein Eydgnos- sen ohne Nennung des Autors und ohne Druckermarke erschienen war (dan es waz des dichters und truckers namen darinn verhallten), sei man, gemäss Salat, allem flys der Sache nachgegangen und erst mit Anrufung der Tagsatzung sei wenigstens der Drucker ausfindig gemacht worden.46 Es war der Basler Drucker Adam Petri, der sich als Drucker von Lutherschriften einen Namen gemacht hatte.47 Luzern schickte unverzüglich ein Exemplar der trüw vermanung an gmein Eydgnossen an den Rat von Basel und verlangte die Bestrafung des Druckers. Die Basler, die zu diesem Zeit- punkt noch nicht oder nur zum Teil auf die reformatorische Seite gewechselt hatten, nahmen sich der Sache sofort an.48 Am 21. Februar bestätigte der Bürgermeister von

44Deßglichen einanderen hinfür dheins wegs schmutzen, ketzeren, noch andere schmachwortt zuo- reden. ZwW I, S. 471. 45SALAT, S. 207. Das Kapitel über die Auseinandersetzung um diese Flugschrift ist bei Salat überschrieben mit Wie die saecter mencklichen schmaechtend. 46mit anruoffung zuo tagen/ das der trucker funden. ebd., S. 207. 47Adam Petri (1454-1527) hatte seit 1507 eine eigene Offizin in Basel. Die Anzahl seiner Drucke liegt zwischen 200 und 300. Die ersten Basler Lutherdrucke stammen aus seiner Werkstatt Disputatio D. Martini Luther theologi, pro declaratione virtutis indulgentiarum (1517). Bei Petri erschienen auch die meisten anderen Frühdrucke Luthers. Bereits im Dezember 1522 druckte er die von Luther übersetzte Bibel (Das new Testament yetzund recht grüntlich teutscht). Zu Petri vgl. Frank Hieronymus: 1488 Petri - Schwabe 1988. Eine traditionsreiche Basler Offizin im Spiegel ihrer frühen Drucke, Basel 1997, E3-E6 und Josef Benzing: Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, Bd. 12 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen), Wiesbaden 1963, S. 31. 48Vgl. dazu: Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel, Bd. 3, Basel 1924, S. 330 f., BRÄNDLY, S. 47 ff.

45 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft

Abbildung 4.3.: Druckermarke von Adam Petri. Basel 1524

Basel den Empfang des Briefes und des Büchleins und zeigte volles Verständnis für Luzern. Sie hätten die Schrift ebenfalls widerwärtig und beleidigend empfunden und werden die Angelegenheit weiterverfolgen.49 Die Causa Petri sollte sich noch bis in den Sommer weiterziehen. Adam Petri wurde von der Basler Obrigkeit erstmals für ein paar Tage ins Gefängnis gesteckt. Am 14. März wurde er, auch angesichts seiner Verpflichtungen an der Frankfurter Buchmesse, gegen Schwur der Urfehde wieder entlassen.50 Luzern wurde darauf erneut in Basel vorstellig. Die Luzerner wollen nun endlich wissen, wer der Autor der Flugschrift sei. So wurde, wie Heinrich Mellinger, der Bürgermeister von Basel, am 18. April nach Luzern schrieb, Adam Petri erneut verhört und erneut sagte er unter Eid aus, er wisse nicht, wer ihm die Schrift in Auf- trag gegeben hätte.51 Ein fremder Mann in eim growen rock sei zu ihm gekommen und hätte ihm einen Brief übergeben. Als er den Brief utt tonn, hab er kein namen darin, wer im den brieff zugeschickt, funden, unnd sig das exemplar des biechlins drin gelegen. Wol wor, es sig darin geschribenn standen, er soll es trucken. Petri bestehe weiterhin auf dieser Aussage (sag). Man solle doch bedenken, dass Petri ein armer Geselle mit vielen kleinen Kindern sei und dass er solche kleine werckle zur Ernährung der Familie gedruckt habe.52 Im gleichen Brief machten die Basler Luzern darauf aufmerksam, wer der eigent- liche Autor sein könne. Dieser Hinweis gibt einen Einblick, wie ein Informations-

49Emil Dürr/Paul Roth (Hrsg.): Aktensammlung zur Geschichte der Basler Reformation in den Jahren 1519 bis Anfang 1534. 1519 bis Juni 1525, Bd. 1, Basel 1921 (im folgenden zit. als ABaslerRef), S. 52, Nr. 133. 50ebd., S. 59 f., Nr. 140. (Die „Urfehde“ ermöglichte, jemanden auf Bewährung zu entlassen) 51ebd., S. 59 f., Nr. 146. Auch in EA IV 1a, S. 292, Nr. 140, 2. 52Schon früher waren anonyme Drucke bei Petri erschienen. So druckte er im Jahr 1521 zwei Schriften unter dem Namen Judas Nazarei (Vom alten und nüen Gott, Glauben und Ler und Das Wolffgesang). Hinter dem Pseudonym soll sich Joachim Vadian, nach neueren Erkenntnis- sen Ulrich Hugwald, der damalige Korrektor bei Petri, versteckt haben. Vgl. Hohenberger: Rechtfertigungslehre, S. 226.

46 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft austausch ausserhalb der offiziellen Wege verlaufen konnte. Der Basler Bote habe anlässlich der Tagsatzung von Luzern zusammen mit dem Boten von Schaffhausen im hus zur Sonnen gegessen und die beiden seien auf das inkriminierte Büchlein zu sprechen gekommen. Der Schaffhauser Bote habe gesagt, er wisse, dass es bei Petri gedruckt worden sei. Auf die Frage des Basler Boten, ob er auch den Autor kenne, habe er zur Antwort gegeben jo, es habs ein Barfuessermuench, sig etwon predicant by uch (in Luzern) gwesen, halt sich yetzt by denen vonn Schaffhusen, dichtet. Deshalb forderte Basel die Luzerner auf, sie sollen doch den Schaffhauser Boten befragen.53 Der Hinweis auf Hofmeister war mehr als deutlich. Man könnte meinen, Luzern wür- de sich nun dem eigentlichen Verursacher des ganzen Aufwandes zuwenden. Dem war nicht so. Anstatt in Schaffhausen vorstellig zu werden, verlangte Luzern eine erneute Befragung Petris. Die Basler gingen auf die Forderungen Luzerns ein weiteres Mal ein. Am 7. Mai schrieben sie nach Luzern, dass Petri weiter seine Unschuld beteuere und angebe, den Verfasser nicht zu kennen. Selbst wenn man ihn folterte und ihm eine Blutader nach der andern ausrisse (ein ader nach der andernn uszug), er könn- te sich trotzdem nicht erinnern. Man habe Petri vorläufig in Haft genommen. Im selben Brief gaben die Basler zum Ausdruck, dass sie allmählich genug vom ganzen Handel hätten, das uns der handel leid ist.54 Luzern gab sich mit dieser Antwort immer noch nicht zufrieden. Man bestand darauf, dass Petri feierlich widerrufe und eine Busse von 200 Gulden bezahle. Zu- sätzlich müsse er das Widerrufungsschreiben auf eigene Kosten drucken und den anderen eidgenössischen Orten zukommen lassen. In einem Abschied teilte Basel am 8. Juni den Luzernern den Widerruf Petris im Wortlaut mit.55 Petri gestand, dass er jn mim hus zuo Basel hinderrugs minen herren das Büchlein gedruckt habe, worin der Rat und die Predikanten Luzerns so dargestellt seien, als ob sj nit fromm eerlich cristen waerend/ und uncristliche ding jn jr statt predyen liessend.56 Er, Petri möch- te sich dafür entschuldigen, dass er den Verfasser nicht nach dem Namen gefragt habe und selber seinen Namen nicht ins Büchlein gesetzt habe. Er sei nie gegen Luzern eingestellt gewesen und widerrufe öffentlich, was er gegen die Stadt und die Predikanten verlumbdet, geschenndt und geschmecht habe. Er wisse von den Luzer- nern nichts anderes, dann das sy from, erlich, redlich unnd guet cristennlut syent.57 Am Schluss des Abschiedes vermerkten die Basler, Luzern solle sich nun mit diesem Widerruf zufrieden geben. Dass Petri diesen Widerruf zusätzlich mit einem sweren- den eyd bestätigen solle, sei bei ihnen nicht üblich. Aber auch auf diesen letzten

53ABaslerRef, S. 60. 54ebd., S. 64, Nr. 148. 55Original im Staatsarchiv Luzern, gedruckt in ebd., S. 69 ff., Nr. 154 linke Kolonne. 56Zitiert nach Salat, der dem Widerruof Adam Peters von Basel/ der statt Lucern einen eigenen Abschnitt widmete. SALAT, S. 208 f. 57ABaslerRef, S. 71, linke Kolonne.

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Abbildung 4.4.: Widerruf von Adam Petri (Ausschnitt mit Randnotiz von Cysat). Basel 1523

Punkt bestand Luzern. Die Basler gaben erneut nach. Der Widerruf wurde in leicht veränderter Form auf ein Pergament geschrieben und mit einem Siegel versehen.58 Darauf liessen sie Petri schwören, damit ir gesettigot werdenn.59 Als weitere Ver- schärfung des Urteils hatte Luzern noch vierhundert weitere gedruckte Exemplare des Widerrufs verlangt; auch diese Bitte musste Petri erfüllen.60 Endlich gab sich Luzern zufrieden, obwohl man, wie Salat in seiner Reformationschronik schrieb, lie- ber gesehen hätte, wenn Petri an lyb und leben bestraft worden wäre. Um frieds/ wolfart und ruowen willen hätten sie sich schliesslich mit diesem Ausgang begnügt.61 Ein enormer Aufwand, den Luzern betrieben hatte, um einen Basler doch mas- siv (200 Gulden!) zu bestrafen, der schlussendlich nicht Verfasser der beanstandeten Schrift war.62 Enorm auch der Aufwand, wenn man bedenkt, dass mit der Verurtei-

58Original auf Pergament und hängendem Siegel im Staatsarchiv Luzern, siehe Abbildung 4.4. Ediert in ABaslerRef, S. 69 ff., Nr. 154 rechte Kolonne. 59Brief Basels an Luzern vom 26. Juni 1523 ebd., S. 73, Nr. 156. 60Brändly hat diese Aussage von den vierhundert copyenn diser gschrifft wohl falsch interpretiert, als er meinte Petri habe 400 Exemplare der Ermanung zur Vernichtung nach Luzern schicken müssen. BRÄNDLY, S. 48. 61SALAT, S. 209. 62Die Busse scheint auch den Zeitgenossen ausserordentlich erschienen zu sein. So wird sie etwa in der Chronik der Kartäuser unter dem Jahr 1523 speziell erwähnt Adam impressor gravi poena multatus est propter infamationem Lucernensium. Georgio Carpentarii de Brugg: Narra- tio rerum, quae reformationis tempore Basileae et in circumjacentibus regionibus gestae sunt, auctore fratre Georgio Carpentarii de Brugg Carthusiensi, 1518 (1499) - 1528, in: Historische

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Abbildung 4.5.: Titel der Flugschrift Ain treue Ermanung. Augsburg 1523 lung des Druckers und allenfalls der Vernichtung der noch vorhandenen Exemplare das Problem nicht aus der Welt geschafft war. Auch wenn Petri von der Schrift Ab- stand nahm und eine Aussage widerrief, die gar nicht von ihm stammte, so war die Schrift in orthographisch leicht veränderter Ausgabe nach wie vor greifbar. Noch im gleichen Jahr erschien in Augsburg eine leicht veränderte Ausgabe der Ermahnung unter dem Titel Ain Treüe Ermanung an die strengen. Edlen, Festen, Frommen vnd weyßen Eidgnossen, das sy nit durch ire falschen propheten verfürt, sich wyder die lere Christi setzent beim Drucker Melchior Ramminger.63 Erstaunlich ist auch, dass Luzern nicht versuchte den eigentlichen Autor Sebastian Hofmeister, der gemäss dem Wirthausgespräch der Tagsatzungsboten leicht hätte ausfindig gemacht werden können, zu bestrafen und vor Gericht zu stellen. Hofmeister war mittlerweile eine anerkannte Person in der Schweizer Reformation geworden. An der Zweiten Zürcher Disputation vom Oktober 1523 führte er sogar den Vorsitz.64 In Schaffhausen trieb er weiterhin die Reformation voran, dieses trutzlichs/ hoffertigs münchlj/ barfüsser ordens genantt doctor Bastion/ der von Lucern hievor vertriben, wie der Schaff- hauser Reformator in diesem Zusammenhang von Salat bezeichnet wurde.65 Richtig durchzusetzten vermochte er sich jedoch in Schaffhausen nicht. Seine offensichtliche

und antiquarische Gesellschaft (Hrsg.): Basler Chroniken, Bd. I, Leipzig 1872, S. 385. 63Melchior Ramminger druckte ähnlich wie Petri, jedoch in viel kleinerem Umfang, satirische und reformatorische Schriften. Bereits 1521 hatte er eine Schrift aus der Eidgenossenschaft in zweiter Auflage gedruckt: Das hond zwen schweytzer bauren gemacht, mit dem bekannten Titelholzschnitt Die göttliche Mühle. Vgl. Benzing: Buchdrucker. 64Salat zählt die Präsidenten auf: Jochemm von Watt von Sant Gallen (so der ersten anfenger ejner mit Zwinglin gsin) doctor Bastion barüsser predicant zu Schafhusen (den man zu Lutzern hinweg gbutzt hat) und doctor Stoffel Schappler/ ouch von Sant Gallen sottend presidenten sin. SALAT, S. 195. Zum Disputationsverlauf vgl. Emil Egli (Hrsg.): Huldreich Zwinglis sämtliche Werke. Band II, Leipzig 1908 (im folgenden zit. als ZwW II), S. 664-803. 65SALAT, S. 333.

49 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft

Nähe zu den Täufern und zu den aufständischen Rebleuten hatten zur Folge, dass er 1525 auch aus Schaffhausen verbannt wurde.66 Hofmeister blieb weiterhin ein ge- schätzter Teilnehmer an Religionsgesprächen. 1525 leitete er zusammen mit Komtur Schmid aus Küsnacht die Täuferdisputation von Zürich, 1526 war er massgeblich an den Ilanzer Religionsgesprächen beteiligt und 1528 war er ein wichtiger Teilnehmer an der Berner Disputation. Im Mai 1528 wurde er vom Berner Rat zum Pfarrer von Zofingen ernannt und lebte so bis zu seinem Tode (1533) in unmittelbarer Nähe der Luzerner Gebiete. Di- rekte Kontakte mit der Luzerner Herrschaft sind nicht bekannt. Mit Thomas Mur- ner, seinem Nachfolger als Lesemeister in Luzern, gab es allerdings hin und wieder Berührungspunkte. Ein erstes Mal, als Murner 1526 im Zusammenhang mit dem Re- ligionsgespräch von Ilanz eine Schrift gegen Sebastiani hoffmeyster in Schaffhusen expulso67 schrieb,68 ein weiteres Mal als Murner Hofmeister auf seinem Kirchendieb- und Ketzerkalender 1527 prominent nach Luther und vor Zwingli platzierte. Unter dem 15. Januar ist er eingetragen als Sebastianus ein hoffmeister etwa ein barfuosser aber jetz ein vatter Zacharie wie wol fil guter gsellen des nuwen testamentes doran gezimeret haben.69 Murner und Hofmeister standen vermutlich miteinander auch in brieflichem Kontakt. Dies geht aus einer eigenartigen Geschichte aus dem Pfarrhaus von Zofingen hervor. Konrad Tüby, der Stiftschaffner von Zofingen berichtet in ei- nem Brief vom 2. März 1529 an die Obrigkeit von Bern, dass er und Dr. Bastian einen Briefboten, der auf dem Weg nach Strassburg war, überlistet hätten und die- sem einen Brief entwendet hätten. Der Brief sei mitt faden zämen gnäit gsin alss ir wol sehend werdind dess murnarrs eigini Hangschrift. dann Doctor Bastian der bekennt sy.70 Die beiden Zofinger, die ihren Diebstahl mit höheren Interessen zu ver- teidigen suchten, schickten den gefundenen Murnerbrief umgehend nach Bern. Der Brief war an Murners Vetter in Strassburg gerichtet. Neben unverfänglichen Sätzen,

66Haas: Sebastian Hofmeister. 67Hofmeister bemühte sich mehrmals vergeblich darum, dass sein Bann aufgehoben würde und er als Prediger nach Schaffhausen zurückkehren könnte. So liess er Zürich und Bern Ende 1529 ein Gesuch an Schaffhausen stellen. Das Gesuch wurde abgelehnt, weil er in Schaffhausen immer noch als Unruhestifter galt. Philipp Anton Segesser (Hrsg.): Amtliche Sammlung der älteren Eidgenössischen Abschiede, Bd. 4, Abt. 1b. 1529-1532, Luzern 1839 (im folgenden zit. als EA IV 1b), S. 475 f., Nr. 240c. 68Thomas Murner: Murneri responsio altera contu melioso cuidam libello confilato Sebastiani hoffmeyster in Schaffhusen expulso Colloquium in Vlaniis (vt nominat) Christianum adserentis, Luzern 1526. 69ders.: Kirchendieb- und Ketzerkalender. 70Basilius Hidber: Doktor Thomas Murner’s Streithandel mit den Eidgenossen von Bern und Zürich, mit Urkunden. Ein Beitrag zur Geschichte der schweizerischen Glaubensstreitigkeiten im XVI. Jahrhundert, in: Archiv für schweizerische Geschichte 10 (1855), S. 272–304, hier S. 294. Fälschlicherweise wurde hier Doctor Bastian mit Sebastian Meyer, ebenfalls ein ehemaliger Lesemeister, interpretiert. Meyer war wohl mit Hofmeister befreundet, befand sich jedoch zum fraglichen Zeitpunkt anders als Hofmeister nicht in Zofingen. Diese Fehlinterpretation ist auch von Segesser in den EA übernommen worden. Korrekt jedoch in ABernerRef, S. 982, Nr. 2182.

50 4. O Lucerna wie bistu so gar verstopft die etwa einen Druckauftrag oder die Pflege von Murners Rebberg betrafen, waren auch einige brisante Aussagen über die Kriegsvorbereitungen der altgläubigen Or- te enthalten. Diese bekümmerten sich kein pfifferling um die Zürcher, Berner, die evangelischen sackpfifer. Er mache sich keine Sorgen, denn wir werdent bald louffen (ins Feld ziehen).71 Tatsächlich ging es nicht mehr lange, bis der Erste Kappeler Krieg ausbrach. Kampflos ging der Krieg im Sommer 1529 zu Ende. Für Murner sollte er jedoch entscheidende Auswirkungen haben. Ein Punkt des Ersten Kappe- ler Landfriedens verlangte nämlich, dass Murner ausgeliefert und vor ein Gericht gestellt werde. Er entzog sich seiner Auslieferung durch Flucht zurück ins Elsass. Hofmeister starb am 9. Mai 1533 in Zofingen, nach dem er am Tag zuvor bei seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Predigen, auf der Kanzel von einem Schlag getroffen worden war.72

71ABernerRef, S. 980, Nr. 2177; EA IV 1b, S. 72 f., Nr. 30. 72Haas: Sebastian Hofmeister, S. 87.

51 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern

Als Luzern 1523 vom Adam Petri 400 Exemplare des von ihm gedruckten Widerru- fungsschreibens verlangte, war das nicht nur als Strafe gedacht, sondern einfach eine Notwendigkeit, weil Luzern nach wie vor keine Druckerei besass. Der Luzerner Rat wird jedoch die Wichtigkeit der schriftlichen Kommunikation erkannt haben. Noch nie war die Verbreitung von Flugschriften, und zwar in ganz Europa, so hoch wie zu dieser unruhigen Zeit der Glaubenskämpfe. Wie sehr Luzern auch die Verbreitung zu unterbinden versuchte, sie konnten sich, wie die verschiedenen Interventionen an der Tagsatzung belegen, nicht durchsetzen. Die Situation in anderen Orten war ähnlich. Auch Bern oder Schaffhausen etwa verfügten zu diesem Zeitpunkt über keine eigenen Druckereien. In der Universitätsstadt Basel hingegen hatten sich schon früh solche etabliert. Die Stadt entwickelte sich neben Strassburg und Augsburg zu einem Zen- trum des Druckwesens im Oberrheinischen Reichsgebiet. Neben Basel war Zürich der zweite Ort mit beständigen Druckereien. Ablasszettel und andere Gebrauchsdrucke für die Innerschweiz wurden zum Teil in Zürich gedruckt. Die Druckerei Froschau- er hatte sich mit dem Auftreten Zwinglis in Zürich hauptsächlich auf den Druck von reformatorischer und erbaulicher Literatur spezialisiert und wirkte mit dem le- gendären Wurstessen in ihrer Offizin vom April 1522 sozusagen als Katalysator der Zürcher Reformation.1 Luzern hatte kaum eine Gelegenheit publizistisch gegen die reformatorische Flug- schriftenproduktion vorzugehen. Weder gab es eine Druckerei in ihrem Einflussbe- reich, noch waren genügend gewiefte Schriftsteller verfügbar. Von den wenigen hu- manistisch gebildeten Luzernern, die das Schreibhandwerk beherrschten, standen die meisten auf der „falschen“ Seite und hatten im Laufe der Jahre 1522 und 1523 Luzern verlassen oder übten sich in Selbstzensur. Den Geistlichen drohte zudem der Verlust ihrer Pfründe, falls sie neugläubige Ansichten vertraten. Die klar anti- reformatorische Haltung Luzerns trat erst Mitte 1522 zu Tage. Vorher schien man gegenüber den neuen Ideen noch durchwegs offen gewesen zu sein. Luzern gehör-

1Zwingli lieferte nachträglich in einer Predigt die theologische Begründung zum Fastenbruch. Die Predigt wurde unter dem Titel Huldrych Zwingli: Von Erkiesen und Fryheit der Spysen. Von Ergernus und Verböserung; Ob man Gwalt hab die Spysen zuo etlichen Zyten verbieten, Zürich 1522 bei Froschauer veröffentlicht und gilt als erste evangelische Schrift Zwinglis.

52 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern te vorerst zu den Orten wie Basel/ Glariß/ Soloturn vnnd Schaffhausen/ wie woll noch vil ior widerspennig sind.2 Zu diesen Orten kann bis 1520 auch Fribourg gezählt werden.3 Selbst in Bern war die religiöse Ausrichtung bis 1526 nicht klar festgelegt. In Luzern waren vorerst reformatorische Tendenzen erwünscht oder zumindest ge- duldet. So wurde 1519 mit Myconius ein Schulmeister in Luzern engagiert, dessen reformatorische oder zumindest erasmische Richtung bekannt gewesen war.4 Auch der Umstand, dass 1521 Chorherr Werner Steiner und 1522 Komtur Konrad Schmid, die vermutlich beide als Anhänger der neuen Lehre bekannt waren, als Festprediger an den Museggumgang eingeladen wurden, weist darauf hin, dass in Luzern durchaus neugläubige Tendenzen vorhanden waren. Ein weiteres Indiz für die neugläubigen Tendenzen dürfte sein, dass Sebastian Hofmeister im Frühjahr 1522 sein Amt als Lesemeister im Barfüsserkloster antreten konnte. Nach der Museggpredigt von Konrad Schmid scheint sich die Stimmung in Lu- zern wesentlich geändert zu haben. Ob es direkt mit der Predigt und der darauf- folgenden Auseinandersetzung zwischen Schmid und dem Luzerner Dekan Johannes Bodler zu tun hat, kann nicht ermittelt werden. Fast gleichzeitig sind entscheidende Veränderung in der Luzerner Oberschicht zu beobachten. So wurde um 1522 eine besonders hohe Zahl von Grossräten ersetzt.5 Die grosse Fluktuation kann zum Teil durch die Pest und durch Verluste auf fremden Schlachtfeldern erklärt werden. Ge- rade im Frühjahr 1522 war das Luzerner Patriziat auf dem Schlachtfeld von Bicocca entscheidend geschwächt worden. Unter den zwanzig Stadtluzerner Gefallenen be- fanden sich auch Johann Jakob zur Gilgen und Benedict Hertenstein, zwei junge aufstrebende Mitglieder der Luzerner Oberschicht.6 Nach dieser empfindlichen Nie- derlage wurde das Söldner- und Pensionenwesen in der Innerschweiz wiederum zu einem Thema. Nach den Erfahrungen während den Bauernunruhen von 1513 war es

2Ermanung, S. XIII. 3Vgl. dazu: Hans R. Guggisberg: The Problem of «Failure» in the Swiss Reformation. Some Preliminary Reflections, in: ders. (Hrsg.): Zusammenhänge in historischer Vielfalt: Humanis- mus, Spanien, Nordamerika, Basel, Frankfurt a.M. 1994, S. 115–133 und Zünd: Gescheiterte Stadt- und Landreformationen. 4Myconius beklagte sich 1521 in einem Brief an Zwingli, dass ihm vorgeworfen worden sei, er lese mit seinen Schüler Luthertexte, was er jedoch bestritt. Eher wahrscheinlich war, dass er die lateinische Ausgabe der „Lob der Torheit“ von Erasmus als Unterrichtsmaterial benützte. Randnotizen in seinem persönlichen Exemplar, das wegen der darin enthaltenen Zeichnung von Hans Holbein bekannt ist, weisen auf den Gebrauch im Unterricht hin. Ernst Gerhard Rüsch: Vom Humanismus zur Reformation. Aus den Randbemerkungen von Oswald Myconius zum ”Lob der Torheit” des Erasmus von Rotterdam, in: Theologische Zeitschrift Basel 39 (1983), S. 1–78. 5Liebenau spricht davon, dass im Jahr 1520 24 und 1522 sogar 29 Mitglieder des 64-köpfigen Grossen Rates ersetzt wurden. Theodor von Liebenau: Das Alte Luzern. Topographisch- kulturgeschichtlich geschildert, Luzern 1881, S. 188. Neuere Zahlen bei: Messmer/Hoppe (Hrsg.): Luzerner Patriziat. 6Die Schlacht fand am 27. April 1522 statt. Mehr als 5000 Eidgenossen sollen dabei umgekommen sein. Kasimir Pfyffer: Geschichte der Stadt und des Kantons Luzern. Vom Ursprunge bis zur Staatsumwälzung im Jahre 1798. Zürich 1850, S. 262.

53 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern wohl angebracht, alles zu verhindern, was Unruhe in die Bevölkerung bringen konn- te. Die Situation Mitte 1522 war nach dem Bekanntwerden der hohen Verluste bei der Schlacht von Bicocca durchaus vergleichbar mit der Situation nach der Schlacht von Novara 1513. Damals kam es in Bern, Solothurn und Luzern zu grossflächigen Aufständen der Landbevölkerung gegen die Kronenfresser, wie die Pensionenherren zuweilen benannt wurden. Im Bezug auf unliebsame Predigten wurde an den Tag- satzungen Handlungsfreiraum ausbedungen. Am 25. Mai 1522 wurde an der Tag- satzung von Luzern ein Breve des Papstes verlesen. Die Orte wurden angewiesen, gegen die Priester vorzugehen, die jetzt allenthalben mancherelei predigen, voraus beim gemeinen Mann Unwillen, Zwietracht und Irrung erwachse.7 Der Bischof von Konstanz hatte bereits am 2. Mai des selben Jahres in einem Brief seine unterge- bene Geistlichkeit zum Gehorsam aufgerufen.8 Für Decan Bodler war dieser Brief eine erneute Gelegenheit auf der Kanzel gegen die neue Lehre zu agitieren. Hof- meister, der evangelisch ausgerichtete Prediger vom Barfüsserkloster wurde beim Bischof als Ketzer denunziert und musste bevor er sich richtig am neuen Wirkungs- ort etablieren konnte, die Stadt wieder verlassen. Im Juli 1522 veröffentlichte Zwingli die Bittschrift an den Bischof von Konstanz betreffend der Aufhebung des Zölibats Ein früntlich Bitt und Ermanung etlicher Priesteren der Eidgnoschafft, das man das heylig Evangelium Predigen nit abschlahe, noch Unwillen darab empfach, ob die Predgenden Ergernus zuo vermiden sich eelich vermächlind in und legte wie schon aus dem Titel herausgeht das Hauptgewicht auf die freie Predigt. Dem wurde jedoch nicht stattgegeben, im Gegenteil: die altgläubigen Orte bewirkten im Dezember an der Tagsatzung noch eine Verschärfung der Verbote von neuen Predigten und insbe- sondere auch von „Schmachbüchlein“. Von Luzern war keine Gesprächsbereitschaft zu erkennen. Auf den Vorschlag von Komtur Schmid für ein Religionsgespräch wur- de gar nicht erst eingegangen. Luzern setzte nicht auf das Gespräch, sondern auf die Rechtsprechung. Nicht in der Disputation, sondern vor Gericht sollte fortan der Religionsstreit ausgetragen werden.

5.1. Der Wirt als Richter

Ein erster kleiner Gerichtsfall verursachte Aurelia Göldlin, eine Frau aus der Luzer- ner Oberschicht. Als sie mit der evangelischen Auffassung konfrontiert war, vielleicht ausgelöst durch die Predigten von Schmid oder Hofmeister, plagte sie ein schlechtes Gewissen bezüglich der Heiligenverehrung. Sie selber hatte eine Heiligenstatue in der Kapelle des Beginenklosters St. Anna im Bruch aufstellen lassen. Auf Grund ihrer

7EA IV 1a, S. 194. 8Joseph Schneller: Das ehemalige Lucerner- oder Vierwaldstätter-Capitel und seine älteren Briefschaften, in: Der Geschichtsfreund 24 (1869), S. 1–102, hier S. 91-94, Nr. 15.

54 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern nun reformatorischen Gesinnung entwendete sie kurzerhand die von ihr gestiftete Statue des St. Apollinaris und verbrannte sie. Die Schwestern des Klosters gingen darüber entrüstet vor den Rat. Dieser verurteilte die Frau zu einer Geldbusse, zur Restitution der Statue und zusätzlich zu einer Beichte beim Stadtpfarrer.9 Mit der Busse von 40 Gulden kam sie (als Oberschichtangehörige) relativ gnädig weg. Mit einer ähnlich „mässigen“ Busse kam der Laienprediger Thomas Zumgraben aus dem Entlebuch davon. Er wurde wegen seiner neugläubigen Agitation zu einer Busse von 25 Gulden verurteilt, zusätzlich musste er seine reformatorischen Äusse- rungen öffentlich zurücknehmen. Den Widerruf hatte er öffentlich in jeder Gemeinde des Entlebuchs an einem Sonntag ab der Kanzel zu verkünden und jeder dieser Ge- meinde musste er zusätzlich einen Gulden Strafgeld bezahlen.10 In einem Massenver- hör wurden im Frühjahr an die 23 Entlebucher nach Luzern geladen, die bezeugen mussten, wie Zumgraben sich öffentlich und vor allem in Wirtshäusern abschätzig über gewisse religiöse Bräuche geäussert hatte.11 In derber Sprache habe er sich ab- fällig über das Sakrament der letzten Ölung ausgelassen. Das sei nichts anderes als alter Schmalz, mit dem man sich in Rom die Schuhe einstreiche; der jüngst touff sye nüt anders dan allt schmer, ye feisser ye pesser, und zu Rom salbe man die schüch darmit. Das Ablasswesen sei unnütz, es gehe ja nur um Geld, ein stück speck wär jm lieber. Anstatt Bildstöcke oder Kapellen würde man besser ein schysshus aufstellen, dann gäbe es wenigstens Mist. Dem Weihwasser sprach er jede Wirkung ab; ein gell- ten vol käsmilch wäry jm lieber dan ein gellten voll wiewasser. Zu einer geplanten Renovation des Klosters St. Anna im Bruch meinte er, man würde besser ein Bordell daraus machen (es wäry wäger sy buwten ein huorhus daruss). Die Kundschaft der 23 Verhörten ist voll von derben, bäuerischen Angriffen auf kirchliche Missstände, die auf seine Kenntnisse der neuen Lehre hindeuten. Subtilere Aussagen etwa zum Schriftprinzip, zur inneren Kirche und zur Heiligenverehrung kommen im Verhör kaum zur Sprache, was auch mit der Art der Quelle zu tun hat. Zumgraben war nicht der Einzige, der sich 1522/23 im Entlebuch aufmüpfig ge- äussert hatte. Im Dezember 1522 wurde ein Geistlicher aus Escholzmatt von den Bernern in ihrem Hoheitsgebiet festgenommen. Auf deren Anfrage antwortete Lu- zern, dieser Geistliche habe sich zur Niederlage von Biccoca aufrührerisch geäussert. Zudem habe er sich als Lutheraner zu erkennen gegeben. Dem Pfarrer von Escholz-

9Dieser kleine private Bildersturm ist als ein Unikum in der Reformationsgeschichtsschreibung weit verbreitet. Ausführlich ist er etwa bei Charles Garside: Zwingli and the arts, New Haven 1966 und an verschiedenen anderen Orten dargestellt. Vgl. auch Hans Jurt: Aureola und der hl. Apollinaris: Ein privater Bildersturm. Luzern 1522. Seminararbeit, 12.10.2007. Bekannt ist das Ereignis durch den Briefwechsel zwischen Myconius und Zwingli vom Dezember 1522. ZwW VII, S. 246 ff., Nr. 261 und 263. 10Andreas Schmidiger: Das Entlebuch zur Zeit der Glaubensspaltung und der katholischen Reform, Schüpfheim 1972, S. 57 f. 11Das Verhörprotokoll ist editiert in ders.: Das Thomas-Zumgraben-Verhör von 1523, in: Blätter für Heimatkunde aus dem Entlebuch 42 (1969), S. 143–152.

55 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern matt habe er unterschoben, dass dieser die Jungfräulichkeit Marias anzweifle, weil diese drei Kinder geboren hätte, von denen Jesus das mittlere gewesen sei. Der Geist- liche habe sich der Verhaftung durch Flucht entziehen können. Die Berner sollen ihn nach ihrem Gutdünken behandeln (des pfaffem missthat ermessen).12 Nach der etwas unruhigen frühreformatorischen Zeit sind im Gebiete von Luzern nur noch selten Leute wegen neugläubigen Äusserungen belangt worden. Luzern ver- legte, wie die Causa Adam Petri zeigt, die Verteidigung des alten Glaubens auch auf Gebiete ausserhalb ihres direkten Herrschaftsgebietes. Dies geschah dadurch, dass freundeidgenössische Orte zur Bestrafung ketzerischer Personen angehalten wurden. So erhielt Petri im Sommer 1523 mit 200 Gulden eine verhältnismässig hohe Busse und wenn es nach den Luzernern gegangen wäre, so hätte er sogar an Leib und Leben bestraft werden müssen. An Tagsatzungen wurden die Landvögte in den Untertanengebieten angehal- ten, neugläubige Personen festzunehmen. Anlässlich der Fastnacht in Luzern wurde Zwingli noch in effigie verbrannt.13 Aus dem Spiel sollte schon bald Ernst werden. Mitte des Jahres wurden die Landvögte des Thurgaus und von Baden angehalten, Zwingli zu verhaften, falls er die Gemeinen Herrschaften betreten sollte.14 Seit dem Juni 1523 war der Luzerner Wirt und Weinhändler Heinrich Fleckenstein für zwei Jahre Landvogt in Baden und er war gewillt, die Anordnungen gegen die Ketzer rigoros durchzuführen.15 Fleckenstein versuchte mehrmals reformatorisch gesinnte Personen festzunehmen, um sie anschliessend vor Gericht zu bringen. Ein erster be- kannter Fall wurde als Weininger Handel bezeichnet. An der Tagsatzung vom 13. Januar 1524 wurde der böse, schändliche und ketzerische Handel beklagt, der sich von Zürich aus auf die Grafschaft Baden ausweite. Der Landvogt wurde ausdrücklich aufgefordert, die Täter festzunehmen. Die Anklagepunkte dürften für altgläubige Katholiken unerhört gewesen sein. Zum ersten wurde der Pfarrer von Weiningen, Georg Stählin, und der Pfarrer von Höngg, Simon Stumpf, angeklagt, eine schänd- liche Doppelhochzeit gefeiert zu haben.16 Im zweiten Anklagepunkt ging es um den

12Der Brief Luzerns an Bern ist editiert bei Schmidiger: Entlebuch, S. 197-199. Der Pfarrer von Escholzmatt, der die Anschuldigungen des unbekannten Priesters zurückwies, war zu dieser Zeit der Johannes Comander (1484-1557), der später als Reformator Churs bezeichnet wurde. 13Der Vorfall wird in einem Briefwechsel von Zwingli und Myconius erwähnt. ZwW VII, Nr. 284. Die Verbrennung seines Bildnisses führte Zwingli später auch als einer der Gründe für sein Nichterscheinen an der Badener Disputation an, siehe unten 14Tagsatzung vom 7. Juli 1523 in Bern, EA IV 1a, S. 306, Nr. 144h. 15Fleckenstein war seit 1522 Mitglied des Kleinen Rates. Daneben betätigte er sich als Tuch- und Weinhändler. Ihm gehörte das Wirtshaus zur Sonne, in welchem wie oben erwähnt über den Fall Petri/Hofmeister diskutiert wurde (in Fleckensteins hus zur Sonnen). ABaslerRef, S. 63 Nr. 146. Hans Hug, ein anderer Luzerner Kleinrat, der bei den Evangelischen nicht minder unbeliebt war, der Kommandant der Luzerner Truppen in den Kappelerkriegen, stammte ebenfalls aus der Lebensmittelbranche. Er war von Beruf Metzger. Vgl. Messmer: Patriziat. 16Stähelin und Stumpf waren beide Mitunterzeichner der Supplicatio an den Bischof von Konstanz, in der die Aufhebung des Zölibats gefordert wurde; siehe oben

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Bildersturm in der Weininger Kirche. Eines Nachts seien etliche Bilder und Statuen von vier Weininger aus der Kirche entwendet worden. Am andern Tag hätten die Bilderstürmer die Bilder ins Wirtshaus gebracht und allerhand zum Teil obszönen Schabernack getrieben. So hätten sie die heilige Katharina auf den Tisch gelegt und den Johannes auf sie darauf und gerufen, si söllten junge machen. Ein anderer habe gesagt, er habe der Sant Katerinen an die fud wellen gryfen, sei jedoch wegen des Oberrocks nicht dazu gekommen. Anschliessend seien die Bilder verbrannt worden. Das sei noch nicht alles gewesen. Die Bilderschänder hatten eine Christusfigur vom Kreuz genommen, ihn am Bart gepackt und ausgerufen o du eierdieb, wie hast du uns so lang umb vil eyer beschissen und der Figur anschliessend den Kopf abge- hauen.17 Fleckenstein war bereit zu handeln. Stähelin hielt die Ereignisse in einer autobiograhischen Skizze fest. Also kam ein Vogt von Lucern gen Baden, der hieß Fleckenstein, dem was dz Wort Gottes gar ein Dorn in den Ougen, und brucht hie- mit alles syne Dück darwider.18 Er setzte vergeblich ein Kopfgeld von 40 Gulden auf den Pfarrer aus (Welcher mich nach Baden braecht, tod oder lebendig, der solte von ihm 40 fl zur Beuth empfangen) und als dies nichts half, stellte er einen 50köpfi- gen Hilfstrupp zusammen, um Stähelin zu verhaften. Der Anschlag wurde jedoch in Weiningen bekannt. Die Bauern läuteten die Sturmglocke und stellten nun ihrerseits eine Truppe zum Schutz ihres Pfarrers auf die Beine. So musste Fleckenstein von seinem Vorhaben absehen (Aber der Fleckenstein war ergrämt und kam nicht). Der Pfarrer soll in den folgenden Nächten, bewaffnet mit einer Flinte, im Unterholz un- weit des Pfarrhauses übernachtet haben. Das Unternehmen Fleckensteins endete als Misserfolg.19 Stählin blieb noch ein paar Jahre in Weiningen, ging später als Pfar- rer nach Biel und zog 1531 ganz in die Nähe der Luzerner Grenze. Wie Hofmeister nahm er eine Stelle in Zofingen an und beteiligte sich 1535 mit ihm an den Zofinger Täufergesprächen.20 Die Propaganda durch die Tat des Heinrich Fleckenstein war gründlich misslun- gen, dazu kam noch der Hohn auf Luzern, der durch die Eidgenossenschaft hallte. Die Erbitterung in den altgläubigen Orten war gross und richtete sich gegen die Zürcher. Diese schickten Botschafter in die übrigen Orte aus, um die Situation zu

17EA IV 1a, S. 359, Nr. 164. Zur Symbolik von bilderstürmerischen Verhaltens vgl. Sergi- us Michalski: Die protestantischen Bilderstürme. Versuch einer Übersicht, in: Robert W. Scribner (Hrsg.): Bilder und Bildersturm im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, Bd. 46 (Wolfenbütteler Forschungen), Wiesbaden 1990, S. 69–124. 18Georg Stäheli: Lebens-Beschreibung Hrn. Geörg Stähelins, eines Anfängers der Evangelischen Reformation, von ihm selbst verzeichnet, in: Johann Jakob Ulrich (Hrsg.): Miscellanea Tigurina, Bd. 2, Zürich 1723, S. 679–696, hier S. 684. 19Vgl. Peter Kamber: Reformation als bäuerliche Revolution. Bildersturm, Klosterbesetzungen und Kampf gegen die Leibeigenschaft in Zürich zur Zeit der Reformation (1522-1525), Zürich 2010, S. 234-236. 20Theodor Sieber: Georg Stäheli und die Reformation in Weiningen, in: Zwingliana 3.9; 10 (1917), S. 277–284; 296–305.

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Abbildung 5.1.: Druckermarke von Hans Hager. Zürich 1524 beruhigen und wohl auch um drohende Kriegsgefahr abzuwenden.21 Stammtischge- spräche wurden an der Tagsatzung als Politikum besprochen und die Orte wurden aufgefordert, gegen beschuldigte Wirte vorzugehen.22 Die Luzerner beklagten sich über einen Wirt aus Töss, der zu seinen Luzerner Gästen gesagt habe, dass die mei- sten Eidgenossen den rechten globen angenommen hätten, ausser die kuoschwänz und kuomüler in den grotzen und in den ländern da innen. Diese müsse man auch dazu anhalten, dass sie den rechten cristenglouben annemind. Zürich wusste vom Pfauenwirt in Einsiedeln, dass dieser gesagt habe, die Zürcher seien ketzer, buoben und des tüfels und dass er den spies in der Wirtstube bereit hielte, falls man wegen des Zwinglischen ketzerschen gloubens gegen Zürich ziehen sollte. Er würde auch gegen den nächsten luterschen pfaffen, der ihm begegnete, mit dem Spiess vorgehen. Aus Zug wurde ein Gespräch raportiert, in dem einer ausgerufen habe, man solle den luterschen die oren und baggen schlitzen und die hoden usbrennen und in das für werfen die ketzer und si verbrennen23 Der Rössliwirt von Luzern soll in Anwe- senheit von Zürchern gesagt haben, er wollte, dass jeder, der lutherischen sei eine

21EA IV 1a, Nr. 165i. 22An der Tagsatzung vom 27. Januar 1524 in Luzern wurden verschiedene Beschuldigungen, wie sie in den Wirtshäusern und ab den Kanzeln zu hören seien, vorgetragen. ebd., S. 363-365, Nr. 165. 23ebd., S. 363 f., Nr. 165.

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Mähre gehygt hätte.24 Der Wirt von Kappel am Albis wusste zu berichten, dass ein pfaff in Luzern gepredigt habe, daß min Herren von Zürich dem Crucifix den Kopf abgeschlagen und habint den demnach gesotten. Von Ägeri wurde berichtet, dass ein Priester an der kilchwichi die Zürcher öffentlich mit Türken verglichen habe, nu hette man jetz den Türken an der hand, als unser nachpuren von Zürich; darumb düechts in guot, daß alle die, so stab und stangen möchtind ertragen, über sy zu- gint.25 Am 21. Februar 1524 wurde unter der Federführung von Luzern26 eine Liste mit sechzehn Beschwerdepunkten zusammengestellt und zur Beantwortung an Zü- rich geschickt.27 Zürich wurde aufgefordert, zu den verschiedenen Vorfällen, die in letzter Zeit passiert waren, Stellung zu nehmen. Die erste Antwort von Zürich wurde am 9. März als ungenügend zurückgewiesen. Zusätzlich wurde nun für die ganze Eid- genossenschaft das Fleischessen an Fastentagen unter Androhung von Busen strikte verboten (pro Fastenbruch ein Tag und eine Nacht im Gefängnis bei Wasser und Brot und fünf Gulden Buse).28 An der Tagsatzung vom 21. März 1524 nahm Zürich ausführlich Punkt für Punkt zu der Protestnote Stellung und versuchte die Vorwürfe zu entkräften. Zusätzlich wurden die Antworten, die vermutlich in enger Absprache mit Zwingli verfasst wurden, in gedruckter Form an alle Eidgenössischen Orte und an andere ausgewählte Städte versandt.29 Dies wurde von einigen Orten nicht gerne gesehen, da dadurch auch Fremde Kenntniss von diesen Händeln erhalten. Zudem ärgerte man sich über die bossen, die in den Büchlein abgedruckt seien. Gemeint war damit die Druckmarke des Zürcher Druckers Johann Hager (Abbildung 5.1), auf der zwei Bauern dargestellt sind, die mit einander im Gespräch sind, wobei der eine sich die Ohren zuzuhalten scheint. Diese angebliche Karikatur sei vermutlich nur angefügt worden, um die Eidgenossen als Bauern zu verunglimpfen. Zürich wurde ersucht, diese Büchlein abzutun und die Verursacher zu bestrafen.30 Die Stimmung zwischen den altgläubigen und den evangelischen Orten wurde immer angespannter. Am 8. April 1524 kam es zur „Sondertagsatzung“ von Beckenried, bei welcher sich die fünf Innerschweizer altgläubigen Orte separat trafen und sich in eindeutiger Form gegen den neuen Glauben aussprachen.31 Sie beschlossen, dass sie by cristenlicher

24gehygt war der gängige Wort für Sodomie (mit Tieren). 25EA IV 1a, S. 364, Nr. 165. 26Basel schrieb später an Zürich, die schryber zuo Luzern haben die feder etwas wyter dann im rat beschlossen (als ir selb wissen, zun zyten zuo tagen geschicht) loufen lassen. ebd., S. 421 27ebd., S. 376-379, Nr. 168. 28ebd., S. 384, Nr. 171. 29Zürich (Hrsg.): Antwurten so ein Burgermeister, Radt und der gross Radt, die man nempt die zwey hundert der Statt Zürich, jren getrüwen lieben Eydgnossen, der einliff Orten, über etlich Artickel, jnen Inhalt einer Instruction fürgehalten geben habend. Und beschehen ist uff den xxj. Tag des Monats Mertzen, Anno. &c. M.D. xxiiij, Zürich 1524. 30EA IV 1a, S. 413. Ein identischer Druck ohne die beanstandene Druckmarke (ohne bossen) erschien im gleichen Jahr bei Christoph Froschauer. 31Vgl. Hans Dommann: Das Gemeinschaftsbewusstsein der V Orte in der Alten Eidgenossen- schaft, in: Der Geschichtsfreund 96 (1943), S. 115–229.

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Abbildung 5.2.: Niklaus Hottingers Enthauptung in Luzern 1524. Heinrich Thomann Zürich 1605 kirchen ordnung, wie von alter har, und by dem alten waren cristen rechten glouben ze bliben, ouch dise luterische, zwinglische, hussische, irrige, verkerte leer in allen unsern bieten und oberkeiten uszerrüten, ze weren, ze strafen und niderzetrucken, so wyt und fer unser vermögen stat.32 Mit dieser Sondertagsatzung war die religiöse Spaltung der Eidgenossenschaft entgültig eingeleitet. Unter Luzern als Vorort der altgläubigen Orte war die Ausrottung der Irrlehre nicht nur in den eigenen, sondern auch in der ganzen Eidgenossenschaft zum politischen Ziel gesetzt worden. In der Folge kam es in den Gemeinen Herrschaften, sofern sie unter der Herr- schaft eines Innerschweizer Vogtes standen, zu weiteren Verhaftungen, respektive Entführungen. In Burg bei Stein am Rhein wurde der Pfarrer Johannes Oechsli ent- führt und nach Luzern geführt. Die Folge war ein regelrechter Bauernaufstand und die Zerstörung der Kartause Ittingen. An der anschliessenden Bestrafung (Enthaup- tung) der drei angeblichen Rädelsführer durch das Badener Gericht war der Vogt Fleckenstein massgeblich beteiligt.33 Zuvor schon war es Fleckenstein gelungen, den Zolliker Schumacher Niklaus Hottinger, der als Bilderstürmer für zwei Jahre aus Zürich verbannt war, in der Grafschaft Baden zu verhaften und nach Luzern zu entführen. Hier wurde er am 9. März 1524 trotz Protesten aus Zürich durch das

32EA IV 1a, S. 410 f., Nr. 175. 33Peter Kamber: Der Ittinger Sturm. Eine historische Reportage; wie und warum die aufstän- dischen Bauern im Sommer 1524 die Kartause Ittingen besetzten und in Brand steckten, Bd. 6 (Ittinger Schriftenreihe), Warth 1997.

60 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern

Abbildung 5.3.: Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen (Ausschnitt). Thomas Murner 1532

Schwert hingerichtet und gilt seither als der erste evangelische Märtyrer der Eid- genossenschaft.34 Im Sommer 1525 wurde schliesslich der St. Galler Laienprediger Hans Krüsi von Melchior Degen, dem zuständigen Schwyzer Schutzhauptmann des Klosters St. Gallen, verhaftet. Auch er wurde nach Luzern entführt und am 27. Juli wie ein kätzer des hellgen christlichen glöubens zuo pulver und äschen verbrannt. So kam Luzern zu dem zweifelhaften Ruhm, nicht nur für den ersten reformierten sondern auch für einen der ersten täuferischen Märtyrer verantwortlich gewesen zu sein.35 Mit ihren Aktionen in den Gemeinen Herrschaften lösten die Luzerner mehr Un- mut aus, als dass sie jemanden zur Abkehr vom neuen Glauben bewegen konnten. In den eigenen Gebieten, vor allem in der Stadt Luzern werden die öffentlichen Hinrichtungen der beiden neugläubigen Ketzer ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Zum einem werden sie die Bevölkerung eingeschüchtert haben, zum anderen werden diese Märtyrer wegen ihrer Glaubenstreue auch Bewunderung eingetragen haben.36

34Thomas Schärli: Die bewegten letzten zwei Jahre im Leben des Niklaus Hottinger, Schuhma- cher von Zollikon, enthauptet zu Luzern 1524, in: Zolliker Jahrheft 26 (1984), S. 26–40. 35Heinold Fast: Hans Krüsis Büchlein über Glauben und Taufe, in: Zwingliana 11 (1962), S. 456– 475; ferner Hans Jurt: Widertöuffery, Ungloub und Ketzery. Hans Krüsi: Hingerichtet 1525 in Luzern. Seminararbeit, 22.04.2006. 36Zur gesellschaftlichen Funktion der Hinrichtungen vgl. Richard van Dülmen: Theater des Schreckens. Gerichtspraxis und Strafrituale der frühen Neuzeit, München 1988, besonders die

61 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern

Bullinger vermerkt zur Hinrichtung von Hottinger in seiner Reformationsgeschich- te: Vil volcks volget imm nach, ouch ettlich der gwalltigen. Dann man verwundert sich ab sinem reden, vnd ab siner dappfferkeit. Vil lüthen weynetend. 37 Als sich trotzdem auch auf der Luzerner Landschaft diss gift schon wytter anfieng umb sich fressen und sich ussbreiten, wurden die Ämter aufgefordert die Freiheisturkunden, die ihnen nach dem Zwiebelnkrieg von 1513 ausgestellt wurden, zurückzubringen. So wurden die Briefe uff Sanct Johansen des heiligen Evangelisten tag A◦ 1525 uff das rathuse gebracht, wo sie entwertet wurden.38 Während in anderen Teilen des Reiches sich unter den Bauern eine grosse Erhebung anbahnte und mehr Freiheit gefordert wurde, waren die bäuerischen Untertanen Luzerns bereit, auf verbriefte Freiheitsrechte zu verzichten. Die Stadt Luzern jedoch war bereit mit Thomas Mur- ner in diesem Sommer ein Opfer des Deutschen Bauernkrieges bei sich aufzunehmen. Die Ankunft des grossen Luthergegners fand fast gleichzeitig mit der Hinrichtung des St. Galler Täuferpredigers Hans Krüsi statt.

5.2. Der Lesemeister als Drucker

Die aufständischen Elsässer Bauern belagerten die Stadt Oberehnheim im April 1525 und stellten die Forderung, es sollen alle in die Stadt geflohenen Priester ausgelie- fert werden. Damit war in erster Linie Thomas Murner gemeint. Noch bevor die Stadt kapitulierte, entzog sich Murner einer drohenden Auslieferung durch Flucht. Im Sommer 1525 traf Murner in lejisch unordentlicher Kleidung, mittellos (an bet- telstab) und krank in Luzern ein und wurde auf Staatskosten neu eingekleidet.39 Es kann durchaus sein, dass er dem erbärmlichen Schauspiel der Hinrichtung des Täuferpredigers Krüsi beigewohnt hatte. Krüsi war unter anderem deshalb zum To- de verurteilt worden, weil er trotz Urfehde gepredigt und aus der Bibel vorgelesen habe, weil er dazu aufgerufen habe, die Götzen und Schelmenbeine aus der Kirche zu werfen, weil er die Erwachsenentaufe durchgeführt habe und gesagt habe, wer an die mess glob, der globe an tüffel, und wer an das sacrament globe, die sygent all käczer.40 Erbärmlich war die Hinrichtung auch deshalb, weil sie zusätzlich mit wenig Würde vollzogen wurde. Der St. Galler Johannes Rütiner hinterliess dazu in seinem Diarium eine eigenartige Notiz. Krüsi, der nicht gut genug gefesselt war, sei aus dem brennenden Scheiterhaufen gesprungen, sodass der Henker ihn mit einer Gabel wie-

Kapitel VI. Hinrichtungsrituale: Von der Reinigung zur Abschreckung und VII. Volk und Ge- richt, S. 121-160. 37BULLINGER, S. 150. Abbildung 5.2. 38Collectanea, S. 858 f. 39Eintrag im Umgeldbuch vom 8. Juli 1525 Iten III £ dem Niklaus Sidler um tuch dem Doctor Murner. Zitiert nach LIEBENAU, S. 212. 40Geständnis Krüsis in Heinold Fast (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz. Band 2. Ostschweiz, Zürich 1973, S. 262-265.

62 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern

Abbildung 5.4.: Murners Emblem für Ketzerverbrennung. Luzern 1527 der ins Feuer zurück treiben musste.41 Eine Hinrichtung, eine Ketzerverbrennung in einer Stadt um 1525 scheint kaum etwas ausserordenliches gewesen zu sein. Murner erwähnt in seinen in Luzern entstandenen Schriften kein der hier vollzogenen To- desurteile. Er selber wird aber den Feuertod schon bald in seinem Kirchendieb- und Ketzerkalender fordern und bildlich darstellen.42 Vorerst war er in Luzern noch mit anderem beschäftigt als mit dem Gestalten von Kalendern. Er musste eine Druckerei einrichten, denn schon bald wird ihn der Ruf des Reformationsgegners auch in der Eidgenossenschaft eingeholt haben und den daraus resultierenden Angriffen musste er publizistisch entgegen halten können. Nachdem ihn die Stadt reichlich uß unserm seckel eingekleidet hatte wie einem Doc- tor gepürt und er mit der Prädikatur versehen ins Barfüsserkloster aufgenommen wurde,43 konnte er sich an die Arbeit machen und seine Druckerei im Kloster ein- richten. Vermutlich war er immer noch im Besitz der benötigten Ausstattung aus der Zeit, als er in Strassburg für kurze Zeit ebenfalls im Kloster gedruckt hatte. Wann er die Druckergesellen aus Strassburg nach Luzern kommen liess, ist nicht bekannt, vermutlich jedoch erst als er den Druckauftrag für die Akten der Badener Dispu- tation für seine Druckerei gesichert hatte.44 Der erste Druck verliess bereits Ende 1525 Murners Offizin. Es war eine auf lateinisch gehaltene Antwort an jenen luther- anischen Esel (cuidam insigniter asino lutherano) und war, da lateinisch verfasst, an ein gelehrtes Publikum gerichtet.45 Mit dem lutheranischen Esel meinte Mur-

41ubi misere cruciatus, quia ex igne male ligatus evasit; executor furca iterum itruisit. Fast (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Täufer, S. 583. 42Vgl. auch seine Darstellung einer Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen in seiner Sabelliusüberset- zung von 1533. Thomas Murner: Marcii Antonii Sabellici Hystory von anbeschaffener Welt. Übersetzung der Enneades des Marcus Antonius Sabellicus; vollständige Faksimile-Ausgabe der Handschriften K 15 und K 3117 der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe sowie der Handschrift Ms. 268 der Humanistenbibliothek in Schlettstadt, Karlsruhe 1987. Ausschnitt in Abbildung 5.3. 43Die Stadt Luzern beschrieb die Aufnahme Murners in einem Brief an die Stadt Strassburg vom Mai 1526. Zitiert nach LIEBENAU, S. 213. 44Zur frühen Geschichte des Luzerner Druckereiwesen vgl. Liebenau: Überblick, Franz Joseph Schiffmann: Zu den Anfängen des Buchdrucks und des Buchhandels in der Stadt Luzern, in: Der Geschichtsfreund 44 (1889), S. 257–273 und Benzing: Buchdrucker, S. 288 ff. 45Thomas Murner: Murnerus in Lutheranorum perfidiam / ut infamiam, Quam sibimet contra ius gentium et nature irrogarunt / purgent / et vera non fucata spangia abstergant. Murneri

63 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern ner den Verfasser der Flugschrift Concilium, die im Spätherbst 1525 bei Froschauer in einer ersten Auflage anonym erschienen war. Es war die erste spezifisch schwei- zerische Schrift, in der Murner als handelnde Person auftrat.46 Murner vermutete, hinter dem Autor stehe Ulrich Zwingli. Tatsächlich stammte die Flugschrift von Utz Eckstein, einem schwäbischen Wanderprädikanten, der erstmals als Frühmesser in Weesen (heute Kanton St. Gallen) erwähnt ist. In den Jahren 1525 bis 1527 erschie- nen von ihm verschiedene Flugschriften, in denen er sich zum Teil in angriffiger und unzimperlicher Form für die evangelischen Anliegen aussprach.47 In der Anfangszeit seiner publizistischen Tätigkeit kann er dem radikalen Flügel der Reformation zu- geordnet werden, insbesondere was die Bauern-, respektive die Zehntenfrage betraf. Diese Haltung kommt auch in seiner Schrift Concilum zum Ausdruck. Entstanden ist diese Schrift nachdem bekannt wurde, dass die altgläubigen Orte in Baden eine Disputation durchführen wollten, Zwingli jedoch Zürich als Ort ausbedungen hatte. Um diesen Konflikt zu lösen, wird in der Schrift ein Streitgespräch zwischen sie- ben Doktoren, darunter Johannes Eck, Johannes Fabri und Thomas Murner auf der einen Seite und einer Schar von Bauern auf der anderen Seite, durchgeführt. Dispu- tiert werden sollten die gängigen Punkte der evangelischen Kritik, wie sie etwa in der Predigt von Konrad Schmid oder in der Ermahnung des Sebastian Hofmeisters angesprochen wurden: die Stellung des Papstes, die Heiligenverehrung, das Fegefeu- er, die Sakramente, aber auch das Zehntenwesen.48 Jeder der Doktoren hatte einen Schwerpunkt zu verteidigen. Murren Thomma gekleidet jn grawer kutten vollen lüß, hatte das Sakrament der Messe zu verteidigen. Die Messe sei von den Pfaffen bloss als bschissz und list erdacht, um die Bauen zu betrügen und sie durch Zehnten und den Verkauf von Ablässen um huß, aecker und matten zu bringen. Der Autor wirkt sehr belesen und zitierte einige Male ältere Werke Murners, vermutlich bezog er sei- ne kritischen Informationen aber aus dem weit verbreiteten Antimurner-Pamphlet Der Karsthans.49 Angelehnt an diese Schrift ging die Kritik an Murner stark in

responsio, cuidam insigniter asino lutherano / in nugas ludibria . sannas et scomata . barbariem atque sentes / que hic nequam et impudens bestia, in septem Christianos doctores quodam fa- moso. Thuregii expresso fabre / consuit, colo confilavit, exquisita imperitia constercovit. Luzern 1525. 46Frida Humbel: Ulrich Zwingli und seine Reformation im Spiegel der gleichzeitigen, schweizeri- schen volkstümlichen Literatur (Quellen und Abhandlungen zur schweizerischen Reformations- geschichte), Leipzig 1912, S. 216. 47Zum Leben von Eckstein vgl. Hans Ulrich Bächtold: Utz Eckstein. Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), 2010, url: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D11764.php (besucht am 16. 10. 2010), Paul Zinsli: Notvolles Prädikantenschicksal, in: Reformatio 9 (1960), S. 366–373 und immer noch Friedrich Salomon Vögelin: Utz Eckstein, Zürich 1882. 48Die Programmpunkte des Doktoren-Bauernkonzils sind bereits aus dem Titel der Schrift ables- bar: Utz Eckstein: Concilium. Hje in dem Buoch wirt disputiert, das Puren lang zyt hat verfürt, Heilgenfürbit, ouch dess Bapsts Gwalt vom Fägfhür, ouch wz dMaessz inn halt, desgly- chen von dem Sacrament, von Zinss, Zaehenden, Gült und Rennt, von Byht, was die vor Gott nützt, darumb hie Pur gen Doctor sitzt. Cum privilegio Danhusers, Zürich 1525. 49Anonym: Karsthans, Basel 1521.

64 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern persönliche Angriffe über. Nachdem Murner die Schrift gelesen hatte, reagierte er umgehend. Wohl in der Annahme, dass sich hinter dem Autor Ulrich Zwingli verstecke, antwortete er in Latein, aber äusserst scharf.50 Er gedenke nicht auf die Anschuldigungen einzugehen; das liege unter seiner Würde. Einem ehrlichen offenen Kampf weiche er nicht aus, doch mit Schelmen und Lügnern wolle er nichts zu tun haben.51

5.3. Der lutheranische Esel

Murners Antwortschreiben an den lutheranischen Esel fand schon bald nach dessen Druck Beachtung. Als Erster reagierte Sebastian Hofmeister, sein Vorgänger als Le- semeister im Barfüsserkloster Luzern und ehemaliger Ordensbruder, auf die Schrift. Im Protokoll zum Ilanzer Religionsgespräch, das am 22. Januar 1526 abgeschlossen wurde, erwähnt er Murners Schrift bereits auf der zweiten Seite. Man wisse ja, was dise vögel für einen gesang singen, wenn sy vmb iren hanffsomen kybend. Eck und Fabri (Fabler) könnten nichts anders, als unentwegt schreien Ketzer, Ketzer und Murner schreibe in dem Zusammenhang von Schölm, Buob, Mörder, Dieb, dabei ge- be es wohl keine grösseren Gotzdiebe als diejenigen, die so schrieen. Wenn es jedoch an die Gschrift gadt, so seien sie so gesprächig, wie die Fische im Wasser.52 Mit dieser letzten Bemerkung vom fehlenden Schriftbeweis wird Murner die Bemerkung Luthers nachgehallt haben, als dieser ihm vor nicht zu langer Zeit geschrieben hatte Schrifft, Murnarr; Murnarr schrifft und so seine Argumentation als schrifftloßen geschwetzs abtat.53 Murner liess den Angriff Hofmeisters nicht auf sich beruhen und antwortete ihm bereits im März oder April 1526 in einem Sammelband, in welchem er neben einem Text von Erasmus von Rotterdam und einem Brief von Papst Klemenz VII. gleich zwei Responsien beifügte. Die eine Antwort ging an den ausserordentlich verehrten Dummkopf, Apostaten und Erzketzer Ulriche Zwingli.54 Die zweite Antwort bezog sich auf das von Sebastian Hofmeister herausgegebene Buch über das Religionsge- spräch von Ilanz.55 Wieder waren alle Schriften in Latein geschrieben, also nur für

50Auch Liebenau vertrat die Ansicht, Eckstein sei vermutlich ein Strohmann, hinter dem niemand anderes steckte als der leidenschaftliche Reformator Ulrich Zwingli. LIEBENAU, S. 215. Diese Aussage sagt mehr über die konfessionelle Haltung von Liebenau aus, als dass sie belegt ist. 51Humbel: Ulrich Zwingli, S. 226. 52vnredender dann die fisch im wasser. Sebastian Hofmeister: Acta und Handlung des Ge- sprächs, so von allen Priesteren der Tryen Pündten im M.D.XXVI. Jar uff Mentag und Zynstag nach der heyligen III Künigen Tag zuo Jnlantz im Grawen Pundt uss Ansehung der Pundtsher- ren geschehen, Zürich 1526. 53Siehe oben. 54Thomas Murner: Murneri responsio libello cuidam insigniter et egregie stulto Vlrici Zvuyn- gel apostate, heresiarche, ostendens Lutheranam doctrinam infamiam irrogare, et verbum dei humanum iudicem pati posse, Luzern 1526. 55ders.: Murneri responsio altera.

65 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern

Abbildung 5.5.: Personal beim Rychsstag. Froschauer Zürich 1526 ein gezieltes, eingeschränktes Publikum gedacht. Die gelehrte Zielleserschaft hinderte Murner allerdings nicht, die Schriften in einem zum Teil unflätigen Ton abzufassen, was bereits in der Titelgestaltung zum Ausdruck kam. Die Schrift gegen Zwingli war als Antwort auf dessen Naachhuot von dem Nachtmal oder Dancksagung Christi ge- dacht. Zwingli verhielt sich gegenüber Murner ähnlich wie zuvor Luther: er versuchte ihn zu ignorieren. Obwohl Murner lange vermutete, Zwingli antworte anonym oder eben unter dem Pseudonym Eckstein, so ist keine direkte Antwort an ihn überliefert. Gegenüber Vadian sprach Zwingli offen darüber, dass er Murner nur verachten, aber nie an ihn schreiben würde.56 Auch von Hofmeister ist keine weitere Reaktion auf den Angriff auf ihn und die Thesenfassung der Ilanzer Religionsgespräche bekannt. Anders verhielt sich Utz Eckstein. Der „Lutheranische Esel“ antwortete auf die Angriffe Murners gegen sein Consilium mit einem neuem satirischen Dialog, mit dem Rychsstag. In der mehr als 80-seitigen Schrift war das Personal gegenüber dem Consilium etwas verändert. Es traten wiederum die Bauern auf, dazu neu eine Schar von Adligen und als einziger Vertreter der Geistlichkeit Murner.57 Das Hauptanlie- gen der Flugschrift - ein Gespräch in Versform - war, dass Eckstein seine Stellung zu den Bauern korrigieren wollte. Stand er im Concilium noch vorbehaltlos hinter den bäurischen Anliegen, so versuchte er diese Unterstützung nach den Bauernunru- hen auf der Zürcher Landschaft zu relativieren und betonte nun die Wichtigkeit der Gehorsams- und Zinspflicht gegenüber der Obrigkeit.58 Die Einfügung Murners und

56Brief vom 5. August 1526. Arbenz: Vadianische Briefsammlung IV, Nr. 37. 57Utz Eckstein: Rychsstag. der Edlen und Pauren Bricht und Klag, zFridberg ghandlet auff dem Rychsstag, Zürich 1526. 58Zum Thema Bauer in den Flugschriftenliteratur vgl. Hans-Joachim Köhler: ”Der Bauer wird witzig”. Der Bauer in den Flugschriften der Reformationszeit, in: Peter Blickle (Hrsg.): Zugänge zur bäuerlichen Reformation, Bd. 1 (Bauer und Reformation), Zürich 1987, S. 187–

66 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern

Abbildung 5.6.: Karsthans, der witzige Bauer. Adam Petri Basel 1521. von Balaams Esel59 wirkt etwas aufgesetzt und war vermutlich erst nach Murners Antwortschreiben in den Text eingefügt worden. Eckstein wendete die übliche Argu- mentation an. Er liess zuerst Murner auftreten und ihn in derber Sprache gegen den Esel wettern, der in kurtzer zyt ein buechlin gschissen habe. Er sei ein Lutrisch keyb, ein kaetzer in der hut, ein Lutrisch hippenbuob. ein dieb vnd roeuber, ein wild thier on vernufft, der das Volk mit falschen Lehren verführe, damit sie nicht mehr zur Messe gehen, die Heiligen vergessen, Bilder stürmten und Kirchenzierde verkauften; das ist aller Kaetzer art. Die Antwort des Esels ist wie immer ähnlich. Es wird Murner vor- geworfen, er begründe seine Angriffe nicht mit Bibelzitaten (So weiß ich wol es ist vmb sust / du hast zum gotswort keinen lust). Daneben werden wie schon in anderen Schriften, einige persönliche Angriffe Murners Vergangenheit betreffend wiederholt. Erstaunlicherweise wird er auch angegriffen, weil er sein Antwortschreiben auf La- tein verfasst habe. Du schribst ein schantlich responsion / waer waeger du hettist in tütsch thon / So hette der gmein man verstanden / du giengist taapen an der wande / All din ding ist nüt denn gschrey / du gaggest vil / und leyst kein Ey. Und weiter Din respons ist nun schyssen vnd draeck / ich gloub das ein Apotecker in dir staeck. So hatte Eckstein die Beschimpfung als Esel mehr als gebührend heimgezahlt.60 Vermutlich noch bevor Murner die Aufforderung Ecksteins nach deutscher Spra- che zu Gesicht bekommen hatte, war er diesem Anliegen bereits nachgekommen.

218, hier S. 204 f. 59Der Prophet Baalmam und dessen Esel sind Figuren im Alten Testament (Num 22-24). 60Alle Zitate sind der bei Froschauer 1526 gedruckten Ausgabe entnommen. Eckstein: Rychstag.

67 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern

Am 30. April 1526 setzte er einen offenen Brief an die Eidgenössische Tagsatzung auf, ein brieff den Strengen eren notfesten Fursuhtigen Ersamen wysen der xij oerter einer löblichen eydtgnoschafft gesandten botten.61 An dieser Tagsatzung, die am 2. Mai 1526 in Einsiedeln begann, sollten die letzten Vorbereitungen für die am 16. Mai geplante Badener Disputation getroffen werden.62 Murners Brief soll dort mit Jubel aufgenommen worden sein63 und hat wohl bewirkt, dass Zwingli aufgefordert wur- de, dass er uns Eidgenossen in sinen trücken ungeschmützt und ungeschmecht lass, darzuo uns und die unseren mit sinen truckten büechlinen unbesuocht und rüewig lass.64 Das Hauptanliegen in Murners Brief war die Verurteilung der gegen ihn und andere Doktoren gerichteten Schmachbüchlein. Als erstes erwähnt er die Eckstein Schrift Concilium, die on nammen des dichters vnd druckers zuo zürich vßgangen vnd gedruckt, dorin siben christliche doctores vff das höchst gelestert sint vnd geschendet. Danach klagt er die Schrift Hofmeisters an, darin wir für gross gotzdieb gescholten werden.65 Am ausführlichsten geht Murner auf die Schrift Zwinglis vom 21. April 1525 ein, in welcher dieser zu erklären versuchte, wieso er nicht an der Disputation in Baden teilnehmen werde.66 Sogar mit Bibelzitaten arbeitete Murner diesmal. An elff ort der heiligen geschrifft habe er die Berechtigung der Disputation aufgezeigt. Was die Reformierten im Namen der Schrift tun, lasse sich jedoch weder im Alten noch im Neuen Testament finden. Damit zählt er seinen gesamten Katalog der Vor- würfe auf, die er an der Disputation aus der Bibel belegen wolle.67 Der Katalog der Vorwürfe an Zwingli ist lange und detailliert: - Diebstahl: stelen, rauben, brennen - Kirchendiebstahl: kelch, monstrantzen, sacrament büchßli, rouch fas, siberinne bil- de, kreutz, meßgwender, vnd andere gotz zierden - Vertragsbruch: gülten vß zuo wischen vnd mit diebs neglen zuo kratzen

61Thomas Murner: Ein brieff den Strengen eren notfesten Fursuhtigen Ersamen wysen der xij oerter einer löblichen eydtgnoschafft gesandten botten. Thome Murner der heiligen gschrifften vnd beider rechten Doctor barfuosser orden, vff dem tag zuo Einsidlen. In dem iar, Christi vnsers herren. M.D xxvi vff Philippi vnd Jacobi gehalten, wider die lesterlich flucht, vnd dz verzwifflet abschreiben Vlrich Zwinglins, worum er vff der disputation zuo Baden von den xij oerteren ersetzet nit wil erschinen, so er doch frey geleit hat dar vnd dannen zuo reien. Luzern 1526. 62EA IV 1a, S. 880-889, Nr. 359. 63Dies wenigsten berichtet Johannes Stumpf. LIEBENAU, S. 218 f. 64EA IV 1a, S. 887. 65Zitate aus der Neuedition des Briefes. Thomas Murner: Ein brieff den Strengen eren not festen Fursuhtigen Ersamen wysen der XII örter einer löblichen eydtgnoschafft (1526), in: Wolfgang Pfeiffer-Belli (Hrsg.): Thomas Murner im Schweizer Glaubenskampf (Corpus catholicorum), Münster in Westfalen 1939, S. 1–6, hier S. 2. 66Huldrych Zwingli: Ejn früntliche Geschrift an gemein Eydgnossen der xij. Orten und zuog- wandten die Disputation gen Baden, uff den xvj. Tag Mey angeschlagen, betreffende, Zürich 1526. 67Das ich alles vff disser disputation vß dem goetlichen wort beweren wil. Murner: Ein brieff den Strengen, S. 5.

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- Unruhestiftung: vf ruoren die einigkeit der eidgnossenschaft - Erbbetrug: testament ab zuo thuon, die selbigen gieter an sich zuo ziehen - Zerstörung alter Urkunden mit naßwasser vnd gens dreck, sigil mit pfeffer fressen - Diebstahl: meien da si nie geseiget haben, ire hend in frembde kisten zuo stossen - kloester zerstoeren, oerter in weltlichen bruch zuo verendren - schmach biechlin vß lassen - Mit Laien diputieren: gerberen, koechen, karten maleren - Unzucht: gotz jungkfrauwen zuo schwechen, priesteren ire huorerey zuo lassen - Grabschändung: der heiligen greber vff zuo thuon vnd ire gebein enteren - inwonende burger vnd hindersassen das ire zuo nemen mit gewalt - ire eigne kinder in das ellend zuo verteiben

Noch bevor die Disputation in Baden begonnen hatte, hatte Murner fast seine ganze Munition verschossen. An den Religionsgesprächen, die vom 19. Mai bis zum 8. Juni 1526 in der Badener Pfarrkirche durchgeführt wurden, trat Murner aller- dings nicht gross in Erscheinung. Es waren vor allem Eck und Fabri, die auf der altgläubigen Seite das Wort ergriffen. Auf der neugläubigen Seite fehlte Zwingli. Ne- ben theologischen Bedenken gegen die Disputation befürchtet Zwingli offensichtlich, dass er, sobald er sich in Baden befände, vom altgläubigen Vogt festgenommen wür- de. Das Versprechen auf freies Geleit schien ihm nicht zu genügen. Seine Angst sei nicht unbegründet, stellten die Zürcher Boten fest, sei er doch in Luzern bereits in effigie verbrannt.68 Oekolampad aus Basel und Haller aus Bern vermochten den bei- den beschlagenen Disputierern aus Deutschland kaum wirksam entgegen zu treten. Zudem war die Disputation so angelegt, dass ein Sieg der Altgläubigen vorgegeben war. Murner beteiligte sich kaum an den Gesprächen, die vom 21. Mai bis 3. Juni die Thesen von Eck und vom 3. bis 5. Juni die Thesen von Fabri behandelten. Erst bald am Schluss, als die Versammlung schon ermüdet war,69 trat Murner auf den Plan. Nicht wie angekündigt 40, sondern bloss zwei Thesen hatte er an die Kirchentü- re anschlagen lassen. Erstens: Anbetung und Verehrung des Altarssakrament ist in der Bibel begründet und darf deshalb nicht als Götzendienst (abgöttery) bezeichnet werden. Zweitens: Aneignung von fremden Gut kann nicht durch die Bibel belegt werden und ist verwerflich, auch wenn sie aus religiösen oder mildtätigen Gründen geschieht.70 Am 6. und 7. Juni konnte Murner seine im Brief an die Tagsatzung angekündigten Angriffe vortragen. Unter dem Titel einer 40-fachen Ehrloserklärung

68zum vierten sig offenlich und menklichem zuo wüssen, wie unser Eidgnossen von Luzern M. Uol- rich Zwinglis biltnuß mit offner schmach, schand und tratzlichem hochmuot verbrennt habent. EA IV 1a, S. 893, Nr. 361. 69LIEBENAU, S. 220. Liebenau hat in seinem Murner-Buch der Disputation das 21. Kapitel gewidmet. S. 219-228. 70EA IV 1a, S. 927. Nr 362.

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Ulrich Zwinglis sollte es ein Effektstück werden. Erneut nahm er Bezug auf die Schrif- ten Ecksteins, hinter denen er nach wie vor Zwingli vermutete, und griff in seinem gewohnten derben Stil Zwingli an und bezichtigte ihn in erster Linie des Diebstahls. Nachdem Murner Zwingli offentlich mit siner leren vierzig mal erlos usgerüeft hat- te, fragte der Präsident, ob jemand den Schlussreden Murners widersprechen wolle. Doch niemand meldete sich zur Widerrede, sei es, dass die Teilnehmer der Disputa- tion oder der stereotypen Argumenten Murners müde waren. Der gewünschte Effekt war ausgeblieben. Die Disputation hatte, wie zu erwarten war, mit einem Sieg der altgläubigen geendet. Nach Johannes Stumpf hatte sie nichts anderes gebracht, als geltpractick, mieten, bestechen und all untrüw, ist nit zuo gedenken, das das liecht des goettlichen worts uff den lüchter gesetzt, sonder mit allem vermogen der papisten verdeckt und under das meß menschlicher satzung verborgen worden sy.71 Wenn die Thesen Murners in Baden auch keine direkte Reaktion hervorriefen, so wurden sie dem nicht anwesenden Adressaten zugetragen und dieser reagierte heftig. Bereits am 14. Juni schickte Zwingli einen Brief an die eidgenössischen Boten.72 Auf Murner den so unerbaren münch geht Zwingli scharf und mit persönlichen Angriffen auf dessen Vergangenheit ein. Den Luzernern wirft er vor, dass sie ihn so schantlich gschriften in ihrer Stadt drucken liesen; sie, die doch erst noch den Drucker aus Ba- sel mit so grosser Strafe belegt hätten und spricht somit den Petri Handel an. Zwei Tage nach Zwinglis Brief verschickte Zürich einen Brief zur Badener Disputation an die Eidgenössischen Orte, um ihr grösstes Befremden und Bedauern auszudrücken.73 Auch in diesem Brief wird auf Murner Bezug genommen. Der fremd münch Doctor Murner zuo Luzern habe sie in einem schantlichs erlognen gedruckts büechli be- leidigt. In Baden habe Murner nichts als gelogen. Zürich gibt den anderen Orten zu bedenken, dass sie sich nicht durch frömbd oder ußländisch lüt aufhetzten las- sen und sich nicht um überflüssiges geschwatz kümmern sollten. Zu den persönlichen Angriffen auf Murners Vergangenheit haben die Zürcher nun auch fremdenfeindliche Argumente hinzugefügt. Murner liess mit der Antwort auf diese zwei Schreiben nicht lange auf sich warten. Mitte Juli 1526 erschien ein worhaftes verantwurten gegen das schentlich, erstun- cken, vnd erlogen anklagen Vlrich Zwinglyns.74 Unter dem Vorwand auf Zwinglis

71Ernst Gagliardi/Hans Müller/Fritz Büsser (Hrsg.): Johannes Stumpfs Schweizer- und Reformationschronik. 2. Teil, Bd. VI (Quellen zur Schweizer Geschichte. Neue Folge, Abt. 1, Chroniken), Basel 1955, S. 330. In der Handschrift von Stumpf ist auf Seite 151 der Holzschnitt Das Licht des Evangeliums von Holbein eingeklebt.Frank Hieronymus: Basler Buchillustra- tion 1500-1545, Bd. 2 (Oberrheinische Buchillustration), Basel 1984. Zur Metaphorik dieses Holzschnittes siehe weiter unten. 72EA IV 1a, S. 915-918, Nr. 361. 73ebd., S. 919 f. 74Thomas Murner: Ein worhafftigs verantworten der hochgelorten doctores vnd herren, die zuo Baden vff der disputation gewesen sint vor den.xij. ortern einer loblichen eidtgenosschafft wider das schentlich, erstuncken, vnd erlogen anklagen gen Vlrich Zwinglyns, das der fiertzig mal

70 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern

Antwortschreiben75 auf Ecks Thesen von Baden zu antworten, holte Murner zu ei- nem Rundumschlag gegen Zwingli aus. Mit einer Aneinanderreihung der üblichen Vorwürfen und gespickt mit wüsten Schimpfwörtern antwortete er auf Zwinglis Brief an die Eidgenossen. Als Vorwand nahm er wieder auf die beiden schmachbiechlein Ecksteins (Concilium und Rychsstag) Bezug, auf die er jedoch nicht näher eingehen wolle. Gerne wurde von katholischer Geschichtsschreibung darauf hingewiesen, dass auch unter den Reformierten der Gebrauch von Schimpfwörtern in der Reformati- onszeit durchaus üblich war, eine solche Häufung wie sie Murner in dieser Schrift gegen Zwingli gebrauchte, darf aber als ungewöhnlich bezeichnet werden.76 So be- zeichnet er Zwingli als ertz schelmen, ertzlügner, stotzer feigen fresse, meineidiger erloser dieb, rauber vnd vnderdrucker der vnschuldigen, erloser boeswicht und immer wieder als Kirchendieb. Zwingli passe besser auf einen Galgen als auf die Kanzel. Vnd hastu die einfeltigen verfieret das sy der kirchen guot frummen leuten das ire gestolen, vnd geraubet haben wie der Murner dich beklagt, so zierest du ein galgen fil bas dan ein kanzel.77 Der zweite Teil des Verantworten ist an den Ersamen weisen Rat der Stadt Zürich gerichtet. In diesem Abschnitt wandte Murner einen völlig anderen Ton an. Er gab sich versöhnlich und unschuldig. Eingedenk, dass noch lange nicht alle Zürcher zum neuen Glauben abgefallen seien, behauptete Murner, dass er nie etwas gegen Zürich sondern nur gegen des zwinglyns erelose leren gedruckt habe. Was das schantlich erlogen gedruckt biechlein betreffe, wisse er nicht was sie meinten; von keinem solchen biechlein weiß ich in worheit, habt ir eins so beger ich das von vweren genaden zuo sehen.78 Nicht er, sondern Zwingli sei es, der ihn in einem Schmachbuoch on nammen

eerloss diebisch boesswicht vff die frummen herren geredt hat vnd in den druck hat lassen kummen. Vom Doctor Thoma. Murner gemacht, ob der Zwingly luestig wurde das er im das überig auch hin vss gebe nach dem rechten winckel mess. Luzern 1527. Eine moderne Edition bei Thomas Murner: Ein worhafftigs verantwurten der hochgelorten doctores und herren (1526), in: Wolfgang Pfeiffer-Belli (Hrsg.): Thomas Murner im Schweizer Glaubenskampf (Corpus catholicorum), Münster in Westfalen 1939, S. 7–38. Die Schrift erschien in einer zweiten Auflage in Landshut ders.: Ein wahrhaftiges Verantworten der hochgelehrten Doctores, die zu Baden auf der Disputation gewesen sind, in: Adolf Laube (Hrsg.): Flugschriften gegen die Reformation (1525 - 1530), Berlin 2000, S. 284–309. 75Huldrych Zwingli: Die ander Antwurt über etlich unwahrhaft, unchristenlich Antwurtten, die Egg uff der Disputation ze Baden ggeben hat mit einer Vorred an ein lobliche Eydgnoschaft, Zürich 1526. 76Liebenau erwähnt, dass auch Luther Zwingli nicht anständiger behandelt habe und macht zu- sätzlich Murners Krankheit für dessen Gereitztheit verantwortlich. LIEBENAU, S. 217. Zum Gebrauch von Schimpfwörtern in der Reformationszeit vgl. Gabriel Meier: Phrasen, Schlag- und Scheltwörter in der schweizerischen Reformationszeit, in: Zeitschrift für Schweizerische Kir- chengeschichte 11 (1917), S. 81–102, 221–236. Pater Meier hat eine eindrückliche Sammlung von Schimpfwörtern aus verschiedensten Quellen zusammengestellt. Dabei sind es in überwie- gender Zahl Schimpfwörter gegen die Neugläubigen, die er aufzählt. Ähnliches Verhalten der Altgläubigen wird zum Teil als blosse Reaktion gewertet (In der Folge haben die Altgläubigen den Stiel umgekehrt[. . . ]ebd., S. 95). 77Murner: Ein worhafftigs verantwurten, S. 19. 78ebd., S. 22.

71 5. Gedruckt in der alt christlichen Stat Lutzern

Abbildung 5.7.: Zwingli am Galgen. Randnotiz aus Die gots heylige meß. Luzern 1528 beleidigt hätte. Dass er ein weiteres Mal Ecksteins Flugschriften ansprach, zeigt, wie stark ihn die beiden Schwänke getroffen hatten. Zum Abschluss der Schrift fügte Murner noch unter dem Titel Von erdichten vnd geferbten vrsachen zuo rauben vnd zuo stelen der kirchen gieter seine vierzigfache Erloserklärung Zwinglis bei, wie er sie in Baden vorgetragen hatte.79 Die von Murner angekündigte Belegung durch die Schrift fehlt allerdings auch in der schriftlichen Ausgabe seiner Schlußreden. Eine Antwort Zwinglis (und Zürichs) auf diese Schrift blieb aus. Johannes Eck schrieb später anlässlich seiner Ablehnung der Teilnahme an der Berner Disputation, Zwingli, der sonst über Nacht Bücher ausspucken könne, habe alles geschluckt: deßgleichen Doctor Thomam Mürner XL mal jn erloß ain dieb, ain rauber gescholten, als verschlickt hatt, der sunst iber nacht büecher speien kan.80

79Murner: Ein worhafftigs verantwurten, S. 27-33. 80Johannes Eck: Eck an die Eidgenossen. Brief vom 18.12.1527, 1527, url: http://ivv7srv15. uni-muenster.de/mnkg/pfnuer/Eckbriefe/N218.html (besucht am 22. 10. 2010).

72 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

Das hatte Murner wohl nicht erwartet, dass aus Zürich keine weiteren Reaktionen zu seiner „vierzigfachen Erloserklärung“ Zwinglis folgten. Wie er an der Badener Dispu- tation hinter Eck und Fabri nur eine untergeordnete Rolle einnahm, so wurde auch seinem Auftritt in der anschliessenden Literatur kaum Beachtung geschenkt. Wohl beklagte sich Murner noch 1529, dass in Bern fünf Spottlieder über die Badener Dis- putation im Umlauf gewesen seien.1 Doch selbst in den Spottliedern seiner beiden „Lieblingsgegner“ Utz Eckstein und Niklaus Manuel wurde Murner nur am Rande erwähnt. Manuel meinte Murner sei ietz hön, dass er so wit hinten tanzet. Eckstein wies ihm in seinem Spottgedicht nur einen Platz am Blasbalg in der Schmiede zu.2 Wenn Murner während der Disputation keine grosse Rolle einnahm, so beschäftig- ten ihn und seine Druckergesellen die Disputation doch nachhaltig. Er hatte nämlich den Auftrag, die Disputationsakten zu drucken, an sich gezogen. Die Redaktion der Protokolle und die zusätzliche Übersetzung ins Lateinische wird ihn vorläufig voll absorbiert haben. Murner begann mit der Drucklegung am 1. Dezember 1526 und seine Arbeit war der dauernden Beargwöhnung durch die reformierten Orte ausge- setzt.3 Besonders das Vorwort, das vom Bischof von Konstanz verlangt wurde, gab Anlass zu verschiedenen Diskussionen vor der Tagsatzung. Insbesondere wurde eine generelle Verurteilung aller Neugläubigen als Fehler betrachtet, was nachtheils und schadens gemeiner Eidgnoschaft, namentlich im Ausland zur Folge haben könnte.4 Im Dezember verlangte Bern, dass ihr Name im Vor- und Nachwort nicht erwähnt werde, ansonsten sie nicht mehr an der Tagsatzung teilnehmen werden; diesem An-

1Thomas Murner: Ein send brieff der acht Christlichen ort einer loblichen Eidtgnoschafft mit namen Lutzern, Ury, Schwytz, Underwalden, Zug, Friburg, Solathorn, Glariß, an ein lobliche herschafft von Bern flehelich, und uff höchst bittend und ermanendt, by dem alten waren Christlichen glauben zuo beliben, und sich der evangelischen und Lutherischen ketzerien nit beladen noch enteren sollen. Sin spötliche und unfrüntliche antwurt der loblichen herschafft von Bern den obgenanten acht christlichen örtern gethon: und durch den druck uszgespreitet. Luzern 1529. Die fünf Lieder sind erwähnt bei Humbel: Ulrich Zwingli, S. 220 ff. 2ebd., S. 227. 3Vgl. LIEBENAU, S. 225 ff. 427. Oktober 1526. EA IV 1a, S. 1008.

73 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender liegen schlossen sich Basel und Schaffhausen an.5 Höchst misstrauisch standen die Neugläubigen der Druckausgabe der Disputationsakten gegenüber und verdächtigten Murner schon zum Voraus der Fälschung.6 In dieser Zeit, im Dezember 1526, als Murner und seine beiden Setzer unter Hoch- druck an der Herausgabe der Disputationsakten arbeiteten, standen andere Drucke- reien ebenfalls unter Hochdruck, waren sie doch mit einem einträglichen Geschäft in Arbeit, mit dem Drucken von Almanachen, Praktiken, Wandkalender und Aderlas- stabellen, wie sie zu jedem Jahresbeginn äusserst gefragt waren.7 In den reformierten Gebieten war der Druck von liturgischen Büchern völlig zurückgegangen, Kalender mit den Heiligennamen erfreuten sich jedoch nach wie vor grosser Beliebtheit. Mit der Ablehnung der Heiligenverehrung ging wohl eine Forderung nach Reduktion der kirchlich verordneten Festtage einher. Das Thema wurde bereits an der Ersten Zür- cher Disputation angesprochen, als Zwingli in dieser Hinsicht mehr Freiheit in der Praxis verlangte. Am 28. März 1526 erliess der Rat von Zürich ein Mandat mit der neuen Feiertagsordnung.8 Offensichtlich war in dieser Frage eine grosse Unsicher- heit entstanden und es erhuob sich ouch vil zanggs vnd spanns vnder den burgern vnd landluethen.9 In der neuen Regelung wurde die Anzahl der Festtage erheblich reduziert. Neben den wichtigen Feiertagen wie Ostern, Pfingsten, Allerheiligen und Weihnachten, blieben einige wenige Marientage sowie der Stefanstag und der Tag Johannes des Täufers. Von den nicht biblisch begründeten Heiligentagen wurde nur der Gedenktag an Felix und Regula, den Stadtheiligen von Zürich, beibehalten. Der Jahresablauf erfuhr zwar keine wesentlichen Änderungen gegenüber den Vorgaben des kanonischen Rechts, aber es wurdend alle andre Bäpstische fyrteg, deren sunst noch durch das gantz Jar vil warend, aller dingen abgethan. Gleichzeitig mit der Einschränkung der kirchlichen Festtage erliess der Rat von Zürich auch eine Ver- schärfung der Feiertagsordnung. Kraemer, buochfuerer, gleserfuerrer, Handtwerckslueth wurden angehalten, ire laeden an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten. Zu- dem wurden die Leute aufgefordert an den Festtagen und insbesondere während der

5EA IV 1a, S. 1026, Nr. 413. 6Tatsächlich konnten Murner in der deutschen Version kaum Fälschungen gegenüber den Ori- ginalprotokollen nachgewiesen werden. Seine Veränderungen des Textes waren in erster Linie orthographischer Natur. Anders verhielt es sich mit der lateinischen Übersetzung. Diese hatte er auf eigene Kosten fertig gestellt, ergänzt und gekürzt und insbesondere mit einem zusätzlichen Angriff gegen Oekolampad versehen. Thomas Murner: Caussa Helvetica orthodoxae fidei. Disputatio Helvetiorum in Baden superiori, coram duodecim cantonum oratoribus & nuntiis, pro sanctae fidei catholica veritate, & divinarum literarum defensione, habita co(n)tra Martini Lutheri, Ulrichi Zwinglii, & Oecolampadii perversa & famosa dogmata, Luzern 1528. 7Was für den Geistlichen Breviere und Sakramentare, waren für die Laien des ausgehenden Mit- telalters die Stundenbücher und die volkssprachlichen Kalender. Giesecke: Buchdruck, S. 240. 8Emil Egli (Hrsg.): Actensammlung zur Geschichte der Zürcher Reformation in den Jahren 1519-1533, Zürich 1879 (im folgenden zit. als AZürcherRef), Nr. 946. 9Bullinger widmet dem Festagsmandat ein eigenes Kapitel unter dem Titel: Wie man in Zürych von den fyrtagen erckendt ward. BULLINGER, S. 328-330.

74 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

Predigt, das Jagen, vogeln, schuessen vnd derglychen zu unterlassen.10 Ein ähnliches Feiertagsmandat erliess der Rat von Bern am 24. Oktober des gleichen Jahres.11 Auch hier fand eine gewisse Reduktion statt, doch blieben ähnlich wie in Zürich neben hohen Festtagen wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten, einige Marienfest- tage (all unser lieben frouwen tag und fest) und das Fest des Stadtheiligen sant Vincentzen unangetastet. Ausdrücklich wurde in Bern darauf hingewiesen, dass es jedermann frei stehe, eigene firtage ze halten und crützgang ze thuond.12 Für die Gestaltung von gedruckten Kalendern scheint jedoch nie ein entsprechen- der Beschluss gefasst worden zu sein. Die alten kalendarischen Grundlagen wurden beibehalten und unterschieden sich nicht von der vorreformatorischen Praxis.13 Seit der Einführung des Buchdruckes war die Produktion von Kalendern ein wichtiger Teil des Tagesschrifttums. Zu den ältesten erhaltenen Gutenbergdrucken gehört der Aderlass- oder Laxierkalender von 1456 und der Cisianus von 1457. Gisecke stellt die neu enstandene Kalenderproduktion unter den Titel: Die Technisierung der priva- ten Informationsverarbeitung.14 Wegen der hohen Auflagezahlen und dem sicheren Verkaufserfolg war der Kalendedruck in den Druckereien ein beliebtes und wohl einträgliches Geschäft.15 Auch bei den Zürcher Buchdruckern war der Druck von Wandkalendern und (Ader-)Laßbüchlin sehr beliebt. Im 16. Jahrhundert sind aus Zürcher Druckereien 154 Einblatt-Kalender nachgewiesen.16 Da die Wandkalender, noch mehr als die Flugblätter, reine Gebrauchsgrafik waren, ist trotz der grossen Auflagezahlen lange nicht von allen Kalender-Drucken ein Exemplar erhalten ge- blieben. Wie eine Untersuchung aus Basel zeigt, überlebten Wandkalender oft bloss, weil sie als Makulatur zur Verstärkung von Bucheinbänden Verwendung gefunden hatten.17 Ähnlich wie Flugblätter und Flugschriften wandten sich die Wandkalender an die Öffentlichkeit des Gemeinen Mannes. Sie bedienten sich der gleichen Distribu-

10BULLINGER, S. 329. 11ABernerRef, S. 346 f., Nr. 1021. 12ebd., S. 347. 13Mit einigen Bedauern wurde diese Tatsache von der reformatorischen Geschichtsschreibung fest- gestellt. Largiadèr etwa schreibt Es ist der reformierten Kirche der deutschen Schweiz nie gelungen, das mittelalterliche Kalendergut auszumerzen. Anton Largiadèr: Das reformier- te Zürich und die Fest- und Heiligentage, in: Zwingliana 9 (1953), S. 497–525, hier S. 498. Vgl. auch ders.: Natal- und Circumcisionsstil in Zürich vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 3 (1950), S. 426–466. 14Giesecke: Buchdruck, S. 293-297. 15Welche Ausmasse die Produktion angenommen hatte, beweist das Beispiel eines Augsburger Buchhändlers, der im Jahr 1558 36’000 Aderlasszettel bestellt hatte. Angeführt bei Rohner: Kalendergeschichte und Kalender, S. 24. 16Vgl. Urs B. Leu: Die Zürcher Buch- und Lesekultur 1520 bis 1575, in: Zwingliana 31 (2004), S. 61–90, hier S. 63 und Ursula Baurmeister: Einblattkalender aus der Offizin Froschauer in Zürich. Versuch einer Übersicht, in: Gutenberg-Jahrbuch 1975, S. 122–135. 17Hans Koegler: Einige Basler Kalender des 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde NF XI (1909), S. 153–169,235–246,330–349.

75 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender tionsformen über den Hausiererhandel und die Jahrmärkte. Sie waren kaum für die Verbreitung einer Botschaft, wenn man von der Sichtbarmachung des liturgischen Jahresablaufes absieht, bestimmt, sondern erfüllten wichtige Funktionen im Alltag des bäuerlichen und städtischen Lebens. Die Verwendung eines Kalenders erfüllte zwei Hauptfunktionen: den Umgang mit der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit und den Umgang mit den kosmischen Kräften. Wichtiges Ordnungselement im Ka- lender war die Sonntagszahl für die Bestimmung der Wochentage und die Goldene Zahl, mit welcher das Osterdatum errechnet werden konnte. Das Osterdatum, an dem sich die anderen beweglichen Festtermine richten, war auch wichtig für das Errechnen der Herrenfasnacht, bzw. für den Beginn der Fastenzeit. Da amtliche Dokumente und Verträge bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts meist nach den Hei- ligentagen datiert waren, blieb ein Kalender mit Heiligennamen auch unabhängig von der Heiligenverehrung ein wichtiges Nachschlagemittel. Zinstage, Abgabedaten von Zehnten, Beginn eines Arbeitsverhältnisses, aber auch die Sistierung von Ge- richtsvehandlungen (Rechtsstillstand), die Abhaltung von dörflichen Festen (Kilbi) und der Jahrmärkte waren nach wie vor an die überlieferten Heiligentage gebunden. Wichtige Zäsuren im Jahresablauf markierten traditionell Maria Lichtmesse (2. Fe- bruar) und der Martinstag (11. November). Neben den Angaben zum Kirchenjahr erfüllte ein Kalender eine zweite, nicht weniger wichtige Funktion im Umgang mit den kosmischen Kräften. Oft waren im Kalender die astronomischen-spekulativen Prognosen für das kommende Jahr abgedruckt. Einen noch wichtigeren Teil bil- dete jedoch die Abbildung der Wirkkräfte, die mit dem Mond in Zusammenhang gebracht wurden. Am Kalender konnten die Mondphasen (Vollmond-Leermond), die Bahnhöhe des Mondes (obsigend-nidsigend) und dessen Stellung zu den Stern- kreiszeichen (siderischer Mond) abgelesen werden.18 Diese Angaben hatten grosse Wichtigkeit im Alltagsleben. Nach ihnen richtete sich die medizinische Versorgung (günstige Tage für Aderlass, Schröpfen, Purgieren, usw.) aber auch private Versor- gung wie Haareschneiden, Nagelpflege, Kleinkinderversorgung und anderes mehr. Im landwirschaftlichen Leben kam den Mondzeichen eine grosse Bedeutung sowohl in der Tierversorgung wie auch in der Fruchtgewinnung (Sähen, Ernten, Düngen, Haltbarmachung, usw.) zu.19

6.1. Das Licht des Evangeliums

Die vielfältige Anwendung und der weite Gebrauch des Mediums Wandkalender wird reformatorische Kreise in Zürich bewogen haben, für das Jahr 1527 einen etwas

18Vgl. das Kalenderfragment aus dem Jahr 1518 im Anhang, Abbildung A.1. 19Vgl. Hellmut Rosenfeld: Kalender, Einblattkalender, Bauernkalender und Bauernpraktik, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1962, S. 7–24.

76 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

Abbildung 6.1.: Christus das wahre Licht. Hans Holbein 1526 anders gestalteten Kalender bei Froschauer drucken zu lassen. Auf den ersten Blick hat der Kalender das Aussehen eines üblichen Wandkalenders. Im Kopfbereich ist ein Holzschnitt mit einer religiösen Szenerie plaziert, darunter eine kurze Einleitung (So man zellt nach der geburt Christi M D. vnd XXVII Jar) mit Nennung des Autors (Ich D. Joannes Copp) und daran anschliessend in drei Kolonnen unterteilt der eigentliche Kalender mit den einzelnen Jahrestagen. Abgeschlossen wird der Wandkalender mit dem Impressum Gedruckt zuo Zürich im Wyngarten by Christoffel Froschauer.20 Beim genaueren Hinsehen werden wesentliche Unterschiede zum üblichen Kalen- der sichtbar. Zum einen fehlen jegliche astronomische Angaben und zum anderen stehen anstelle der üblichen Heiligennamen Ereignisse und Personen aus dem Alten und Neuen Testament. Nur wenige Tage sind mit den im Kirchenjahr festgelegten Einträge identisch. Sie korrespondieren im Wesentlichen mit dem Feiertagsmandat vom März 1526 (Neujahr, Drei Könige, Ostern, Pfingsten, Auffahrt, Weihnachten, die Apostel, einige Marienfeste). Nachbiblische Heilige fehlen komplett. In den Ti- telzeilen wird eine entsprechende Gebrauchsanweisung gegeben. Die aufgeführten Personen seien nicht wie im päpstlichen Kalender dazu da, dass man sie eeren, fy- ren, oder anruffen solle, sunder allein darumb, daß du dardurch die heiligen Bibel ze lesen gereytzt werdist. Der Kalender hatte somit die Funktion als Arbeitshilfe im Alltag weitgehend verloren und sollte in erster Linie der religiösen Vertiefung dienen, indem auf entsprechende Bibelstellen hingewiesen wird. Gleichzeitig war der Kalender ein Lese- und Verkaufshinweis auf die eben erst (1525) bei Froschauer er- schienene Übersetzung des Neuen und der drei Teilen des Alten Testamentes. Im Einführungstext zum Kalender wird zwar klar der Gegensatz zur altgläubigen Hei-

20Der Kalender ist ediert bei Ernst Götzinger: D. Joannes Copp evangelischer Kalender, in: ders. (Hrsg.): Zwei Kalender vom Jahre 1527, Schaffhausen 1865, S. 1–27. Eine Abbildung des Kalenders und eine Beschreibung des grossen Kalenderstreites von 1527 bei Leonhard: Ideologie und Zusammenleben, S. 64-70. Eine frühere Abbildung des Kalenders und des Gegen- stücks vom Murners Kalender in Zentralbibliothek Zürich (Hrsg.): Ulrich Zwingli. Zum Gedächtnis der Zürcher Reformation 1519-1919, Zürich 1919. Tafel 160. Siehe Abbildung A.10 im Anhang.

77 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

Abbildung 6.2.: Christus vera lux. Pieter Cornelisz Kunst um 1530 ligenverehrung festgestellt, auf eine Polemik wird jedoch verzichtet. Hans Salat, der sich in seiner Reformationschronik zur Herausgabe des Kalenders äusserte, hatte den Zürcher Kalender offensichtlich nie gesehen. So schrieb er, dass anstelle der ausge- musterten Heiligen vil schanttlicher namen/ alls der todschleger/ eebrecher/ rouber/ moerder und buoben21 eingesetzt worden seien, was abgesehen von der Erwähnung Kains als Lesehinweis in keiner Weise gesagt werden kann. Mehr als der Text dürfte die Darstellung im Kopf des Kalenders Aufsehen er- regt haben (Abbildung 6.1).22 Im streifenförmigen Holzschnitt, der die ganze Breite des Kalenders einnimmt, wird eine biblisch wirkende Szene dargestellt, die stark den Darstellungen des Jüngsten Gerichtes nachempfunden scheint. In der Mitte des Bildes steht mannshoch ein Leuchter mit einer brennenden und übers ganze Bild leuchtenden Kerze. Links neben dem Leuchter, an dessen Füssen die Symbole der vier Evangelisten zu sehen sind, steht Christus, hingewendet zu einer Gruppe von Zuhörern. In der ersten Reihe dieser Gruppe sind vier, den Aposteln ähnliche, Män- ner dargestellt. Hinter ihnen stehen Vertreter des Gemeinen Volkes, darunter auch

21SALAT, S. 416. 22Der kolorierte Holzschnitt ist dem Ausstellungskatalog Christian Müller (Hrsg.): Hans Hol- bein d.J. Die Druckgraphik im Kupferstichkabinett Basel, Basel 1997, S. 16 entnommen. Her- kunft Stadtbibliothek Zürich.

78 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

Abbildung 6.3.: Geistliche, Philosophen und Gelehrte. Hans Holbein 1526

Frauen und ein dem Karsthans ähnlicher Bauer mit einem Dreschflegel auf der Schul- ter. Auf der rechten Seite des Bildes ist eine Gruppe von Geistlichen und Gelehrten zu sehen, die alle dem Leuchter und Christus den Rücken zukehren. Blind, mit ge- schlossenen Augen bewegen sie sich unter der Führung von Platon und Aristoteles, beide durch einen Text erkennbar, einem Loch in der Erde zu. Aristoteles ist an seiner Kleidung als Heide erkennbar.23 Ihm folgen in der ersten Reihe der Papst und ein Bischof, dahinter erkennbar mehrere Mönche. Den Abschluss der Gruppe bil- den zwei Gelehrte, von denen einer deutlich das Profil des Erasmus von Rotterdam aufzuweisen scheint. Der Holzschnitt stammt von Hans Holbein und gilt als eine sei- ner letzten Arbeiten vor seiner Abreise aus Basel nach England.24 In der Forschung wurde verschiedentlich über die Entstehungsgeschichte des Holzschnittes diskutiert. Früher nahm man an, dass die Arbeit ursprünglich für ein Basler Flugblatt zu- sammen mit einer ähnlich gegliederten Darstellung Von der wahren und falschen Vergebung der Sünden (Abbildung A.12) entstanden sei und erst als Zweitverwen- dung für den Kalender in Zürich gebraucht wurde.25 Neuerdings scheint sich die Ansicht durchgesetzt zu haben, dass der Holzschnitt speziell für den evangelischen Kalender von Froschauer oder von Zwingli selber in Auftrag gegeben wurde.26 Der Holzschnitt wird entweder als Christus das „wahre Licht“ (Christus vera lux) im Bezug auf verschiedene Bibelstellen27 oder als Christus das Licht des Evangeliums

23Auch auf seinem Flugblatt Hercules Germanicus hatte Holbein den Aristoteles am Boden liegend in ähnlich orientalischer Kleidung ausgeführt. Siehe Abbildung A.2 im Anhang. 24Der Holzschnitt ist in der Sammlung von Basilius Amerbach (1533-1591) unter dem Titel Chri- stus Vera lux, philosophi et papa in foveam caentes. Holb. Schmal aufgeführt. Christian Mül- ler (Hrsg.): Hans Holbein d.J. Die Druckgraphik im Kupferstichkabinett Basel, Basel 1997, S. 235. 25Bott (Hrsg.): Martin Luther. Vgl. auch Robert W. Scribner: For the sake of simple folk. Popular propaganda for the German reformation, Cambridge 1981, S. 45-47. 26Diese Ansicht vertrat als erster Hieroynus, der sich eingehend mit der Entstehungsgeschichte dieses Holzschnittes befasst hat. Hieronymus: Basler Buchillustration, S. 362-366, vgl. auch Leonhard: Ideologie und Zusammenleben, S. 66 und Müller (Hrsg.): Hans Holbein, S. 235. 27Eine zentrale Bibelstelle in Joh 8, 12 Jch bin das Liecht der Welt / wer mir nachfolget / der wird nicht wandeln im Finsternis / sondern wird das Liecht des Lebens haben (Luther-Bibel 1545). Andere Stellen Lk 2, 32; Mt 4, 16 und Jes 9, l.

79 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender im Bezug auf das reformatorische Schriftprinzip betitelt. Der Licht-Topos nimmt denn auch in der zwinglianischen Theologie einen breiten Platz ein.28 In der Predigt Von der Klarheit und Gewissheit des Wortes Gottes, die Zwingli im Sommer 1522 vor den Dominikanerinnen des Klosters Oetenbach hielt, war die Metapher vom Evangelium als das Licht Gottes ein zentrales Element für die Darstellung seines Schriftverständnisses.29 Zwingli spricht von einer Selbstauslegung der Schrift durch das Licht Gottes und nicht durch den Verstand.30

O der frölichen botschafft, denn sy bringt mit ir ein liecht, das wir das wort war erkennend und gloubend, wie da oben vilvaltiklich bewärt ist; dann der es geredet hat, ist ein liecht der welt; er ist der weg, die warheit und das leben.31

Erleuchtung geschieht nur durch die Gnade Gottes und nicht durch die Philosophie, denn die philosophy ist nit ein sölich liecht. Diese Ablehnung der Philosophen und Kleriker und die Zuwendung zu einer Volkskirche und zum allgemeinen Priestertum wird durch den Holzschnitt deutlich zum Ausdruck gebracht. Eine ähnliche Christusfigur verwendete Froschauer bei De vera et falsa religione, einem der zentralen Werken Zwinglis (Abbildung 6.4).32 Unter der Überschrift venite ad me omnes qui laborati, in der verdeutschen Version Kummen zuo mir alle die arbeitend vnd beladen sind/ vnd ich will uech ruow geben, ist Jesus in ähnlicher Pose dargestellt. Begleitet von den Aposteln, wendet er sich einer Schar von Leuten aus dem einfachen Volk, Bauern, Bettlern und Behinderten zu und streckt ihnen die Arme entgegen, um gleichsam den zentralen Gedanken in Zwinglis Christologie, die Barmherzigkeit, darzustellen. Im Zusammenhang mit Luzern wurde der Licht-Topos in Anspielung auf den Namen ebenfalls gerne angewendet.33 Gerade in der Reformationszeit wurde die Finsternis, die in der „Leuchtestadt“ herrsche, mehrfach beklagt. Sowohl Konrad Schmid wie auch Sebastian Hofmeister gebrauchten die Lichtmetapher in ihren Lu- zerner Schriften verschiedentlich und zentral.34 Schmid schrieb in der Einleitung zu

28Vgl. Hieronymus: Basler Buchillustration, S. 363. 29Huldrych Zwingli: Von Clarheit unnd Gewüsse oder unbetrogliche des Worts Gottes, Zürich 1522, ZwW I, S. 328-384. 30[. . . ]nit das der verstand des menschen sye, sunder des liechts und geists gottes, der in sinen werten also erlüchtet und atmet, das man das liecht siner meinung sieht in sinem liecht, wie im 35. psalmen stat: By dir, herr, ist der brunn des lebens, und in dinem liecht werdend wir das liecht sehen. ebd., S. 365. 31ebd., S. 372. 32 Die Schrift mit der Darstellung der wichtigsten Grundsätze der neuen Glaubenslehre war dem französischen König Franz I. gewidmet. Huldrych Zwingli: De vera et falsa religione. Huldry- chi Zuinglij Comentarius, Zürich 1525. 33Heinrich Glarean führt in seiner Helvetiae Descriptio Panegyricum (1514) aus, dass der Namen Luzern von Lux=Licht herrühre. 34siehe oben.

80 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

Abbildung 6.4.: Kommet zu mir aus De vera et falsa religione. Zürich 1525 seiner Predigtflugschrift, er habe versucht, das heyter klar liecht Christenlicher leer vnd goetliches wortes mit seiner Predigt nach Luzern zu bringen, damit alle men- schen dar von sehend erlüchtet werden. Er wünsche sich, dass der Bibelspruch Herr din goetlich wort ist ein lucern miner fuessen/ vnd ein liecht minem fuoßweg in Lu- zern in Erfüllung gehe.35 Sebastian Hofmeister, der die Predigt Schmids in Luzern persönlich angehört hatte, beklagte sich in seiner Ermahnung ebenfalls bitter über die Blindheit und Finsternis von Luzern: O Lucerna Lucerna wie ist dein liecht so gar verloeschen. Wie hand dich die verfuert in abweg der finsterniß/ die dir das liecht ewiger klarheit gezeigt sollten haben. Anstatt einer leuchtenden Kerze sei in Luzern nur ein stümpli irliecht geblieben, das bald im finsteren Rauch zu erlöschen drohe.36 Es liege nicht am Gemeinen Volk, dass das Wort Gottes in Luzern nicht angenom- men werde, sondern an den blinden Predigern, aber ir hirten sind blind vnnd blinden fürer.37 Als ob Hofmeister das Bild Holbeins vor Augen gehabt hätte, rief er aus: das ist der Bapst/ o blindheit. Ähnlich wie 1523 der Angriff Hofmeisters die „mit Blindheit geschlagenen“ Lu- zerner in Rage brachte, so war auch diesmal eine Reaktion auf den Kalender zu erwarten. Luzern war zwar darin nicht direkt angesprochen, doch er konnte als gene- reller Angriff gegen die altgläubigen Orte betrachtet werden, denn der Kalender war, wie Salat schrieb, gantz unfrüntlich/ tratzlich/ und lasterlich gegem allten glouben/ und sinen bystenden.38 Anders als beim Fall Hofmeister/Petri konnte Luzern dies- mal publizistisch reagieren, hatte man jetzt doch eine Druckerei und einen Drucker. Die Reaktion Murners auf den evangelischen Kalender erfolgte schnell und mit einer Heftigkeit, die wohl niemand so erwartete hatte.

35Antwurt, S. II-III. 36Ermanung, S. X. 37ebd., S. XIII. 38SALAT, S. 416.

81 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

6.2. Du solt nit stelen

Kaum bekam Murner den Zürcher Kalender zu Gesicht, reagierte er aufgebracht. Für ihn war von allem Anfang an klar, dass sich hinter dem Namen des Verfassers des Kalenders, Doktor Johann Copp, nur ein Pseudonym verbarg. Dass Johannes Copp (1490-1558) der Autor des Zürcher Kalenders war, gilt eher als unwahrschein- lich. Copp hatte als Arzt und Astronom zwar einige Kalender verfasst und hatte sich auch verschiedentlich als reformatorischer Autor betätigt. Zum fraglichen Zeit- punkt hielt er sich jedoch nicht Zürich, sondern in Böhmen auf. Zudem wäre es erstaunlich, dass Copp, als dessen Hauptwerk die Beschreibung eines Astrolabiums gilt, ausgerechnet auf jeglichen astrologisch-kosmischen Hinweis verzichtet hätte.39 Ohne Zweifel stecke Zwingli dahinter; es sei on zwyfal des erlosen diebschen Zvinglys bubentandt ynd dichtung.40 Er, Thomas Murner, Doctor, Diener der loblichen Herr- schaft von Luzern, Prediger und Verkünder des Wort Gottes, Hirt der christlichen Schäflein, er habe den schändlichen Kalender gesehen. Es sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als selber einen Gegenkalender herauszugeben, minen christlichen scheflin zuo warnung sich vor denen wölfen dorin ersetzt zuo hieten. Hauptvorwurf an den Coppschen Kalender war, dass neben den frommen, vnd vsserwelten des alten testaments, vnd weniger des nüwen auch grosser dieb, schelmen, bößwicht, lecker vnd buoben angedruckt seien. Unter die Bösewichte, die die heilige gots geberin Ma- riam und alle Märtyrer aus dem Menschengedächtnis verdrängen sollen, zählte Mur- ner den Mörder Kain, die Hure Betseba, die Lügnerin Saphyra, Judas, Simon und Herodes. Dies sind denn die einzigen Namen, die in beiden Kalendern gemeinsam aufgeführt sind: im evangelischen Kalender als Lesehinweise und in Murners Kalen- der als Ketzer und Bösewichte. Die zweite Gemeinsamkeit der beiden Kalender ist die fast identische Christusfigur, die im Zentrum des Titelbildes steht.41

39Copp zog später von Böhmen über Prag nach Stockholm und wurde Leibarzt von König Gu- satv Vasa. Er starb im heutigen Finnland und ist deshalb vor allem in Skandinavien bekannt geblieben. Otto Walde: Doktor Johann Copp. En astrolog och läkare från reformationstiden i svensk tjänst, Uppsala 1937. Vgl. Leonhard: Ideologie und Zusammenleben, S. 66. 40Ernst Götzinger: D. Thomas Murner Kirchendieb- und Ketzerkalender, in: ders. (Hrsg.): Zwei Kalender vom Jahre 1527, Schaffhausen 1865, S. 29–47 (im folgenden zit. als KKKal), hier S. 31. 41Zusammen mit dem Kalender von Copp wurde auch Murners Kalender von Goetzinger 1865 ediert. Grundlage für die Edition der beiden Kalender waren die Originale, die in Kesslers Sab- bata eingeklebt sind. Emil Egli/Rudolf Schoch (Hrsg.): Johannes Kesslers Sabbata mit kleineren Schriften und Briefen, St. Gallen 1902. Auch Salat muss ein Original des Murner- kalenders für seine Abschrift in der Reformationschronik zur Verfügung gestanden haben. SA- LAT, S. 418-423. Ein weiteres Original war in Bullingers Autograph der Reformationsgeschich- te eingeheftet. Angeführt bei Vögelin: Utz Eckstein, S. 203. Murners abscheuliche Pasquill (Waldau) wurde ein erstes Mal im Jahr 1804 ediert in Georg Ernst Waldau (Hrsg.): Der er- ste teutsche Kirchen- und Ketzer-Almanach mit erläuternden Anmerkungen als kleiner Beitrag zur Reformationsgeschichte, Nürnberg 1804 und ein weiteres Mal mit vereinfachter Wiederga- be der Zeichnungen 1848 in Thomas Murner: Der Lutherischen Evangelischen Kirchendieb- und Ketzterkalender, in: Johann Scheible (Hrsg.): Johann Fischart’s Flöhhatz, Weibertratz,

82 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

Nachdem Murner im Besitze des Zürcher Kalenders war, kopierte er die Figur Christi (seitenverkehrt, wie auch die Jahreszahl 1527) und gestaltet damit ein Ge- genbild zum Holzschnitt von Holbein (Abbildung 6.5).42 Auch bei Murner steht Christus mit dem Leuchter im Mittelpunkt der biblisch anmutenden Darstellung.43 Die Kerze auf dem Leuchter ist allerdings zerbrochen, die Flamme ausgelöscht. Jesus zeigt nicht auf ein Licht, sondern auf Moses, erkennbar an den Zornhörnern, der die Gesetzestafeln hoch hält und auf die Banderole am Himmel zeigt Du solt nit stelen. Deutro V.44 Weiter ist zu Jesus Rechten, auf der Seite des Rechts und des Gesetzes, ein Galgen abgebildet, an dem, an der Tonsur erkennbar, ein Mönch baumelt. Man könnte vermuten, dass Murner mit dem gehängten Mönch seinen Erzfeind Luther, den er unten im Kalender als ketzer, vnd uß geloffener münch bezeichnete, dargestellt hätte. Tatsächlich war jedoch Ulrich Zwingli gemeint, Zwingly in person vnd namen da henckt.45 Den Tod am Galgen, die Hinrichtungsart für Diebe, und nicht die Ketzerhinrichtung auf dem Scheiterhaufen, wünschte Murner seinem neuen Erzfeind Zwingli. In einer späteren Schrift über die Messe schrieb Murner: Dorumb hab ich den Zwingel an ein galgen gehenckt, das sich gott widerköre zuo denen, die er in dem fal diepschlich verfiert hat.46 Die linke Seite von Jesus aus gesehen ist die Seite des Unrechts, die Seite der Reformation, die Seite der Ketzer und der Kirchen- diebe. Diese stehen an der Stelle der blinden Philosophen und Theologen, die im Vorbild von Holbein in die Grube stürzen. Eine ganze Schar von reformatorisch ge-

Ehezuchtbüchlein, Podagrammisch Trostbüchlein : sammt zehen kleineren Schriften. Thomas Murner’s Vom Lutherischen Narren, Kirchendieb- und Ketzerkalender: und sieben Satyren wi- der ihn: Karsthans, Murnarus Leviathan usw. Bd. 10 (Das Kloster), Leipzig 1848, S. 201–215. Abbildung A.9 im Anhang. 42Es wird angenommen, dass Murner den Kalender selber zeichnerisch gestaltet hatte. Franck Hieronymus, ein Kenner der Oberrheinischen Druckgrafik, sieht eine Ähnlichkeit zu Murners Strassburger Stil von etwa 1513/15. Hieronymus: Basler Buchillustration, S. 366. Vgl. Zinsli: Manuel und Murner, S. 175 f. 43Murner war nicht der einzige, der Holbeins Holzschnitt zum Vorbild für eine eigene Version vom Christus vera lux verwendete. Der Niederländische Künstler Pieter Cornelisz, genannt Kunst, (1489-1560) fertigte um 1530 eine eigene Version nach der Vorlage von Holbein an (Abbildung 6.2). Er stellte Kerze und Kerzenständer überdimensioniert gross in den Mittelpunkt, daneben ist Christus in der gleichen Pose wie bei Holbein und Murner dargestellt. Um Jesus drängen sich Figuren, die voller Inbrunst und zum Teil kniend, das Wahre Licht anschauen. Die Gruppe der Personen, die sich in den Abgrund stürzen, ist nur schemenhaft in Hintergrund angedeutet. Vgl. Karel Gerard Boon (Hrsg.): L’époque de Lucas de Leyde et Pierre Bruegel. Dessins des anciens Pays-Bas. Collection Frits Lugt, Institut Néerlandais, Paris, Florence 1981, S. 139 ff. 44Fünftes Buch Moses (Dtn 5, 19). 1525 war bei Froschauer ein als Wandschmuck gedachter Ein- blattdruck mit den Zehn Geboten erschienen, auf dem der Kopf Moses und die zwei Gesetzes- tafeln abgebildet sind. Unter VII steht Du solt nit stälen. Adolf Fluri: Der Zürcher Wand- katechismus von 1525, in: Zwingliana 11 (1902), S. 265–271. Abbildung A.3 im Anhang. 45KKKal, S. 33. 46Thomas Murner: Die gots heylige meß von gott allein erstifft ein staedt und lebendigs opffer für die lebendigen und die dodten, die hoechste frucht der Christenheit. wider die fünffte schlußred zuo Bern disputiert in der Eidtgnoschafft den frommen alten Christlichen Bernern zuo trost vnd behilff gemacht, vnd zuo Lutzern offentlich durch doctor Thomas Murner geprediget, vnd mit dem woren gots wort befestiget. Luzern 1528. Vgl. Abbildung 5.7.

83 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

Abbildung 6.5.: Du solt nit stelen. Luzern 1527 sinnten Leuten wendet sich Jesus zu, alle schwer beladen mit Diebesgut wie Kelche, Kreuze, Messgewänder, Geldbeutel, Monstranzen und andere kirchliche Gerätschaf- ten. Sie hören scheinbar erstaunt zu, wie Christus ihnen die zwei Gebote Du solt nicht stelen und Du solt keinis frembden guots begeren erklärt. Die Figuren, die bei Holbein als Gruppe ergebener Nachfolger Christi dargestellt sind, stellte Murner leicht verfremdet und seitenverkehrt als beutebeladene Diebe dar. Unterhalb des Bildes und des Einleitungstextes, die zusammen mehr als ein Drit- tel des Wandkalenders einnehmen, liefert Murner eine Bilderklärung nach: Wie man die Zeichen veston sol (Abbildung A.6 im Anhang und eine Auswahl in Abbil- dung 6.6). Mit Hilfe von 27 emblemhaften Zeichnungen werden die Vorwürfe an die Reformierten dargestellt und mit Texten versehen. Hier eine Auswahl der Zeichen- erklärungen:

• Galgen: Disses zeichen bedüt guot stelen den pfaffen vnd miinchen.

• Totenkopf: Disses zeichen bedüt guot der doten heiligen greber zerbrechen als sant felix vnd regula beschenen

• Messgewand: Disses zeichen bedüt guot vß meßgewaender den huoren goelderlin vnd nadelbein, ouch seckely zuo machen.

• Geldsack: Disses zeichen bedüt guot den pfaffen vnd münchen ir zinß vnd gülten stelen.

84 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

Abbildung 6.6.: Zeichenerklärungen (Auswahl). Luzern 1527

• Kelch: Disses zeichen bedüt gut kelch, monstrantzen, rauchfaß, krütz vnd andre silbrene gotszierden den kirchen stelen.

• Münze: Disses zeichen bedüt gut müntze schlagen vß kelchen, monstrantzen, krützen, rauchfassen vnd andren silbrenem kirchengschir.

• Schaufel: Disses zeichen bedüt gut schetz graben in den sacristien. Alß Vlrich Zwingly der kirchen dieb, lernet.

• Schwert: Disses zeichen bedüt guot denn geistlichen vnd kirchen das ire mit gewalt raubenn.47

Die Zeichenerklärungen sind formal stark an die herkömmlichen Wandalmanache angepasst, bei welchen die sich wiederholenden Symbole erklärt sind. Es handelt sich dann etwa um die Symbole für Voll- oder Leermond oder für die Tierkreiszeichen. In Murners Kalender sind in der Zeichenerklärung die Kernpunkte der Angriffe gegen Zwingli und seine Anhänger symbolisiert. In prägnanten Sätzen und zum Teil der- ben Zeichnungen (Galgen, Zungenstrecker, Totenschädel, Fickhand, Scheisshaufen) wiederholte Murner etwa die gleichen Vorwürfe, wie er sie schon früher in seinem Brief an die Eidgenossen, an der Badener Disputation und im Text Ein wahrhaftes Verantworten immer wieder aufgezählt hatte. Murner erwähnt denn auch in der Ein- leitung zum Kalender, dass er bereits in Baden erklärt habe, Zwingli sei ein fiertzig mal meineidiger, erloser diebscher bößwicht, ein verleugneter christ, ynd verfierer der armen christenlüt.48 Neu ist, dass er jetzt zusätzlich den Basler Reformator Oe- kolampad heftig angriff. Der sei ein verlogen man, ein lugenhafftiger schender Marie der muter gottes. An die Orte Basel und Zürich gewandt schrieb er, dass tiefes Mit- leid mit den verführten Christen ihn bewogen habe, den Kalender gegen die zwen

47KKKal, S. 37-41. 48ebd., S. 34.

85 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender ertzdiebschen ketzerischen lecker vnd schelmen on alles gots wort, on alle warheit, on alle gschrifft zu verfassen.49 Als letzten Grund (oder Entschuldigung) für die Anfertigung des Kalenders wählte er wie immer die gleiche Argumentation, der Ka- lender sei bloss eine Antwort auf Angriffe gegen ihn. Die omechtigen erlosen dieb londt, mir kein ruow noch rast, mit schmachbiechlin laßbrieffen liedlin vnd andren mer bösen stücken. Dieser Kalender sei somit der Lohn für alle diese Sänger (Aa so habents inen dissen Kalender für den singer lon).50 Unterhalb der „Zeichenerklärung“, im letzten Drittel des Kalenders, beginnt Mur- ners eigentlicher Kalenderteil. Auf drei Spalten aufgeteilt sind eine Auswahl von Da- ten der einzelnen Monate vom Jenner bis zum Wuolffmon (Dezember) aufgeführt. Die unvollständige Auswahl der Tage und das Fehlen der Wochentagsbezeichnungen machten den Kalender im eigentlichen Sinne unbrauchbar. Erklärtes Ziel war, alle Ketzer, die ie die christenheit angefochten handt, in alten vnd gegenwurtigen ziten, aufzuführen. An erster Stelle, am 1. Januar, ist Judas, der Verräter, gleichsam sinn- gebend für den ganzen Rest der Liste aufgeführt. Ihm folgt an zweiter Stelle, am 6. Januar, Martin Luther, der uß geloffener münch. Danach folgen Manicheus ein vnflat, Nero ein wieterich und Bersabea ein huor vnd bülerin. Noch vor Zwingli wird Sebastianus ein hoffmeister aufgeführt. Am 20. Januar steht Ulrich Zwingli, der kir- chen dieb vnd ein stoltzer figen fresser in der heiligen gschrifft ein giger des heiligen euangelions vnde ein lutenschlaher des alten vnd nuwen testaments, vnd magister artium in Theologia. Bunt gemischt und scheinbar willkürlich werden über alle Mo- nate verteilt weitere angebliche und anerkannte Ketzer aufgeführt. Die Liste der frühen Ketzer entspricht dem gängigen Kanon. So zählt er etwa Nestorius, Arrius, Julianus, Wykleff, Tertulianus und Heliodorus auf. Von den bekannteren Reforma- toren erwähnt er Balthasar Hubmaier ein widertauffer vnd burger im wellenberg 51, den Luthergegner Karlstadt, der vß dem hochwürdigen sacrament des waren libs vnd blutes Christi Jhesu ein becken brot gemacht hat, den Bibelübersetzer Konrad Pe- likan, ein ebseruantischer abtriniger ketzer vnd ein apostata in dryen sprachenden, den Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer, ein diener des verlognen nuw vßgeris- senen vnd zerzerrten euangelions, Leo Jud, ein iud vnd ein euangelischer sackpfiffer des nuwen testaments, den Luzerner Oswald Myconius, ein geißhüser vnd ein leser der alten wyber vnd beginen vnd der schwangeren frauwen sowie Oekolampad, ein schender Marie, ein beckenbrotbacher vnd ein lügner der christenheit. Daneben sind praktisch alle reformierten Teilnehmer der Badener Disputation mit passenden At- tributen aufgeführt. Unter ihnen natürlich auch der Berner Reformator Haller, der in Baden sich nur selten zu Wort gemeldet hatte und von Murner entsprechend als

49KKKal, S. 35. 50ebd., S. 36. 51Wellenberg ist der Gefängnisturm mitten in der Limmat, in welchem Balthasar Hubmaaier und andere Wiedertäufer eingekerkert waren.

86 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender vßerweleteer stilschwiger sins glaubens bezeichnet wurde. Allen Ketzern gemeinsam widmete er analog von Allerheiligen einen Allerketzertag: Aller schelmen lecker, buoben bößwicht vnd ketzer tag die vff erden ie kummen sint vnd die christenheit widerfochten handt.52 Der Druck des Kalenders erfolgte am 10. Februar 1527, Gedruckt vnd bschen durch mich Thomam Murner barfusser ordens doctor der heiligen gschrifft vnd bei- der rechten. Pfarrer in der christlichen stat Lutzern Sampstag nach Agathe in dem Jar MDXXYII,53 also knapp einen Monat vor der Fastnacht.54 Bereits zwei Wo- chen nach dessen Erscheinen wurde Murners Kalender an der Tagsatzung zu einem Diskussionspunkt, was auf die schnelle Verbreitung schliessen lässt.

6.3. Ein schmäliches gedicht

Schnell hatte Murner auf den evangelischen Kalender reagiert und er übertrumpfte den Kalender sofort, er stach den Zürcher calender mit der su, wie es Salat mit ei- nem Spruch aus der Kartenspielsprache ausdrückte.55 Aus dieser Feststellung spricht sowohl der Spass wie die Schadenfreude, die Salat, und mit ihm wohl auch einige andere Gegner der Zürcher Reformation, empfunden hatten. Murner liess für einmal wieder sein Können als Satiriker aufblitzen. Trotz der Schärfe und Aggressivität kam auch sein Witz und seine Spielfreude im Kalender zum Ausdruck.56 Selbst seine Geg- ner konnten sich eines Lachens nicht enthalten. Oekolampad schrieb am 2. Februar an Zwingli, dass der Kalender ihn eines Teils zum Lachen gebracht habe, dass er sich anderen Teils sehr geärgert habe über die Bösartigkeit, die er da angetroffen habe.57

52KKKal, S. 42-47. 53Gemäss Liebenau war bereits im Dezember 1526 eine erste Auflage erfolgt. Zumindest sind im Umgeldbuch der Stadt Luzern am 29. Dezember der Kauf von zwei Almanachen eingetragen. LIEBENAU, S. 229. Unter dem Datum 2. Januar 1527 schrieb Capito von Strassburg an Blarer nach Konstanz, dass er den Kalender Murners gesehen habe (Vidimus kalendarium Murnari [. . . ]). Traugott Schiess (Hrsg.): Briefwechsel der Brüder Ambrosius und Thomas Blaurer 1509-1548, Freiburg i. Br. 1908, S. 141 Nr. 112. Das kann als einen weiteren Hinweis auf eine frühere Auflage des Kalenders gedeutet werden und weist gleichzeitig auf die weite Verbrei- tung hin. Ein Kalender vom Dezember 1526 hat sich jedoch nirgends erhalten. Zudem sind in den Eidgenössischen Abschieden erst Reaktionen nach dem angegebenen Druckdatum vom 10. Februar 1527 überliefert. 54Der Hinweis auf die Fastnacht stammt von Hieronymus, des damit vermutliche den karnavalesken Charakter des Wandkalenders ansprechen will. Hieronymus: Basler Buchillustration, S. 366. 55SALAT, S. 417. 56Jean Wirth charakterisierte Murner so: Mit seinem komischen, mit Rablais vergleichbaren Talent und einer Beredsamkeit, die niemanden verschont, sieht der franziskanische Schriftsteller die revolutionären Folgen der lutherischen Lehre voraus. Und spricht so auch dessen humoristischen Fähigkeiten an. Jean Wirth: Der Strassburger Franziskaner Thomas Murner beschreibt mit prophetischem Eifer die Reformation als eine religiöse und politische Revolution und inszeniert den Bildersturm, in: Cecile Dupeux/Peter Jezler/Jean Wirth (Hrsg.): Bildersturm, Zü- rich 2000, S. 304–305, hier S. 301. 57Quum nudiustercius Murneri calendarium legissem, partim ridendo hominis stultissimam im- pudentiam partim dolendo tantam ad excitanda multa mala licentiam, censebam nihil ab illis

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Doch wenn er die Angriffe mit denjenigen von Pirckheimer vergleiche, so sei Murner bloss ein Knabe. Auch Capito schrieb aus Strassburg an Zwingli, dass er Murners Kalender unter grossem Gelächter gelesen habe. Von Murner habe er nichts besseres erwartet. Er sei allerdings erstaunt, dass dessen Verhalten von einem benachbarten und verbündeten Ort wie Luzern geduldet werde.58 Der Kalender hatte also grosse Verbreitung gefunden. Selbst im fernen Augsburg tauchte Murners Kalender auf, wie ein Brief von Urbanus Regius an Zwingli belegt.59 Niemand hatte sein Votum beachtet, als er an der Disputation seinen Auftritt gegen Zwingli mit seiner 40fachen Ehrloserklärung inszeniert hatte. Nicht einmal in den von ihm im Kalender angesprochenen Schandliedern war er gross beachtet worden. Utz Eckstein und Niklaus Manuel, die beide mit ähnlichen Mittel kämpften wie Murner, mit der Satire, hatten je ein Spottlied zur „Badenfahrt“ von Eck und Faber verfasst, liessen Murner dabei aber weitgehend unbeachtet. Frida Humbel und schon vor ihr Salomon Vögelin meinten, dass gerade dies Murner zu seinem giftigsten Pamphlete, das an Masslosigkeit alles früher Geschriebene hinter sich zurückliess, reizte.60 Die schnelle Verbreitung des Kalenders geschah vermutlich über die gleichen Wege, wie die sectischen Schriften in die Innerschweiz kamen durch baettler/ land- farer/ tuocheltrager/ kessler/ kraemer/ und der glychen.61 An der Tagsatzung vom 3.-5. Februar 1527 in Zürich hatten die Neugläubigen Orte einen Beschwerdenka- talog verfasst, in dem sie sich unter anderem beklagten, dass sie immer wieder als Ketzer betitelt und mit schandsprüch und lieder und mit scherz und faßnachtspil beleidigt würden. Namentlich die Luzerner hätten den münch Murner, den sy by inen in ir statt in grossem wert und eeren enthalten, etliche schmach und schand- biechle drucken lassen.62 Diese Beschwerden sollten an der nächsten Tagsatzung der reformierten Orte am 26. Februar 1527 in Bern vorgetragen werden. Unterdes- sen war Murners Kalender erschienen und der scheint die anderen für die Tagsat- zung vorgesehenen Punkte in den Hintergrund gerückt zu haben. Nach Erscheinen des Kalenders hatten die Zürcher sofort einen dieser Lasszeddel, wie der Kalender auch genannt wurde, nach Basel, das am meisten mitbetroffen sei, geschickt.63 Basel mahnte daraufhin, man solle nichts überstürzen und den Bernern ebenfalls einen

nostris adversariis vanius et malignius posse excogitari. Emil Egli (Hrsg.): Zwinglis Briefwech- sel. Die Briefe von 1527-1528, Bd. IX (Huldreich Zwinglis sämtliche Werke), Leipzig 1925 (im folgenden zit. als ZwW IX), S. 43, Nr. 568. 58Vidimus Murnari fedissimum kalendarium, quod sane cum ingenti risu excepimus. Nihil ex homi- nis ingenio melius expectandum, tametsi dolet vestram rempublicam perstrictam in urbe vicina et confederata. Brief vom 28. Februar 1527. ebd., S. 60, Nr. 595. 59Brief vom 1. April 1527. ebd., S. 84, Nr. 603. 60Vögelin: Utz Eckstein, S. 200 und Humbel: Ulrich Zwingli, S. 228. Erstaunlich ist denn auch, dass weder Manuel noch Eckstein in seinem Kalender als Ketzer namentlich aufgeführt sind. 61SALAT, S. 415. 62EA IV 1a, S. 1043, Nr. 418. 63ebd., S. 1050.

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Abbildung 6.7.: Kirchenraub, Grabschändung und Bildersturm. Luzern 1527

Kalender zukommen lassen. So wurden nun alle evangelischen Orte über den Mur- nerkalender informiert. Die Tagsatzung vom 26. Februar in Bern mit Vertretern aus Zürich, Bern, Glarus, Basel, Schaffhausen, Appenzell und der Stadt St. Gallen war ganz der Anhörung der Beschwerdeschrift der Zürcher, sowie dem Calender oder Lasszeddel Dr. Murner’s gewidmet. 64 Eigentlich sei der Kalender es gar nicht wert, dass darauf eingegangen werde, denn er zeige nichts anderes, als das lichtfertige und uncristliche herz und gmüet des dichters. Murner wolle nichts anderes als die Eid- genossen zu zerrütten und sie gegeneinander aufzubringen. Ziel von Thoma Murner und sin huf sei die zerstörung unsers vatterlands. Obwohl der Kalender inhaltliche keine Antwort verdiene, wurde dann doch auf drei Punkte eingegangen. Es stehe darin, dass wir die sin söllen, die der heiligen gräber zerbrechend, uß meßgewändern den huoren göllerin machend, uß kelchen, munstranzen, crützen, rauchfassen und derglichen münz schlahen lassen. Der Bildersturm und das Ausräumen der Kirchen durch die Zürcher Reformier- ten, wie es 1526 stattgefunden hatte, war selbst bei einigen Zürchern mehr als um- stritten. Gerold Edlibach berichtete in seiner Chronik zum Jahr 1526, alls man die kilchen vnd closter enplündert vns zü der stat handen genomen ward, gerade von diesen Ereignissen, von den Kirchen- und Grabplünderungen, von den kelich pattenen mustrantzen von silbrinnen krützen särchen vnd mostrantzen dess uil uon edlem gestein, das aus den Sakristeien geholt wurde. Er zählte all die Textilien auf, messgwand, corkapen, corröcken, Altartüchern und alle anderen Stoffe, die dann im köffhuss jn den kamren und vndrem helmhuss zum Kauf angeboten und zu manns- wamslen und für die Frauen zu halss geleren vnd uerbrämt vff die röck vnd schuben verwender worden seien.65 Die Anschuldigungen Murners waren für die Zürcher Be- hörden nicht neu und man versuchte die Vorkommnisse theologisch zu begründen.

64EA IV 1a, S. 1049-1053, Nr. 420. 65Johann Martin Usteri (Hrsg.): Gerold Edlibach’s Chronik. Mit Sorgfalt nach dem Original copirt und mit einer gleichzeitig verfertigten Abschrift genau verglichen und aus derselben vermehrt und ergänzt, Bd. 4 (Mittheilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich), Zürich 1847, S. 275. Georg Edlibach (1454-1530) gehörte als Kleinrat der Zürcher Oberschicht an. Als Gegner der Reformation war er 1524 von seinen Ämtern zurückgetreten.

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Man wolle die Religiosität, die nur auf dem äusseren Schein beruhe, bekämpfen. Frömmigkeit müsse im Herzen liegen und bestehe nicht im ußwendigen kirchengon, vil blapperens, fastens und derglichen. Deshalb habe man solch usserliche und on- nütze ding hinweg gethon, und der ougen begird und menschen lust, ouch übermuot der pfaffen, münchen und nonnen abgestellt und das eingezogene Gut als Almosen verwendet. Die Angriffe Murners seien haltlos. Ein ähnliches Schmachwerk sei, an- ders als Murner behaupte, noch nie in Zürich gedruckt worden. Murner tobe und wüte wider gott und sin ewig wort zur zerrüttung brüederlicher einigkeit der Eidge- nossenschaft.66 Mit der freundeidgnössischen Einigkeit stand es allerdings schon seit längerem nicht mehr zum Besten. Seit der Sondertagsatzung von Beckenried wurde es üblich, dass die Zusammenkünfte der Orte oft konfessionell getrennt stattfanden. Am glei- chen Tag, am 26. Februar 1527, als sich die reformierten Orte in Bern wegen der Causa Murner trafen, kamen die altgläubigen Orte in Einsiedeln zusammen. Wie- der einmal stand der Ittingerhandel auf der Tagesordnung. Murners Kalender kam natürlich auch kurz zur Sprache. Den Tagsatzungsboten wurde aufgetragen abzu- klären, welche Massnahmen gegen die Pamphlete (ze machen, ze trucken oder feil ze halten) ergriffen werden sollen.67 Mit dem 26. Februar war Murners Kirchendieb- und Ketzerkalender mit einem Schlag in der ganzen Eidgenossenschaft bekannt. Ei- ne bessere Werbung für ein einfaches, aber witziges Flugblatt hatte Murner sich wohl kaum vorstellen können. Die Aktion war voll und ganz gelungen. In Bern wur- de Dr. Murners kallender und hüppenbrieff verlesen und rief die grösste Aufregung hervor.68 In allen anderen Orten wurde ebenfalls über den Kalender und allgemein über das (erneute) Verbot von Schmachbüchlein gesprochen. Es kam zu hoechstemm verdruß und unwillen. Es ging sogar das Gerücht um, Bern plane eine gewaltsame Ergreifung Murners samt dem Schultheissen Hug.69. Schon früher ging die Rede um, dass im Rat von Zürich nur zwei Stimmen zum Beschluss gefehlt hätten (nit mehr dann umb ij händ gefält), um mit 6000 Mann die von Lucern zuo überzüchen und den Murner mit gwalt hinus ze füeren.70 Wie Salat berichtet, verursachte Murners Kalendern auch in Luzern selber Un- ruhe. Auf der Landschaft sei der Unwille gegen Murner unmessig angewachsen. Es sei verlangt worden, man solle Murner beurlauben und wegweisen, jnn von der statt verwysen/ und us tryben/ er richdte unruow/ unfrid/ ufruor/ und offen landskrieg zuo/ mit sjnem handlen/ jn trucken / und predyen.71 Zum Aufruhr in der ganzen

66Das Schreiben Zürichs an die reformierten Orte in EA IV 1a, S. 1051-1053, Nr. 420. 67ebd., S. 1055, Nr. 421. 68LIEBENAU, S. 231. 69ASchweizerRef, S. 542, Nr 1716. 70ebd., S. 538, Nr 1706. 71SALAT, S. 424.

90 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

Eidgenossenschaft war nun auch die Ablehnung in der Luzerner Landschaft dazu gekommen. Murner musste reagieren. Um die Stimmung in den Ämtern zu besänf- tigen und die jngeblasnen gifftlügen zu beseitigen, sah sich Murner gezwungen, eine Entschuldigung zuhanden der Fürsuchtigen ersamen wysenn und frommen standt- hafftigen christen des alten woren und ungezwiffleten glauben zu verfassen.72 Von einer eigentlichen Entschuldigung kann jedoch bei diesem Schreiben kaum gespro- chen werden. Er weist darauf hin, dass er ja nichts anderes geschrieben habe, als was er bereits in Baden gesagt habe. Der Kalender sei allein zuo warnung den armen von Zwingly verfierten christen verfasst. Und so fährt er in seiner „Entschuldigung“ unentwegt fort, Zwingli als erlosen boeßwicht vnd kirchendieb zu beschimpfen. Er sei jederzeit bereit sich ihm zu stellen und Rede und Antwort zu stehen. Wie von Mur- ner hinlänglich bekannt, führt er an, dass sein Kalender schliesslich nur eine Antwort auf die schmachbiechlin on namen der dichter mit liedlin kalenderen/ geworffenen zettelen vnd andren mer leckerischen stücken sei. Aus eigener Initiative sei er den lugenhaften schendern mit einem eigenen Kalender entgegen getreten, um die Ehre derer zu verteidigen, deren muoß vnd brot er esse. Offenbar war es Murner mit seiner „Entschuldigung“ gelungen, die Lage in Luzern zu entschärfen. So war, wie Salat schreibt, jr gmein und landschaft zuo friden / und eins teyls beruowigett.73 In einem Brief an Zürich übernahm Luzern die Strategie von Murner, dass seine Schriften nur eine Antwort auf die anonymen neugläubigen Pamphlete seien. Schon mehrmals sei erfolglos die Abstellung derda schmach und schandbüechli verlangt worden. Murner habe in eigener Verantwortung on unser heißen und wissen den Druck des Kalenders veranlasst und immerhin habe er seinen Namen immer unter seine Schriften gesetzt. Wenn Zürich und die anderen Orte bereit seien, den Druck einschlägiger Schriften zu unterbinden, so werde Luzern auch dazu bereit sein.74 Man war bemüht, die Angelegenheit zu beruhigen. Auch Zürich schien die Si- tuation nicht weiter anheizen zu wollen und schränkte seinerseits die Produktion von Flugschriften ein. Dies kann wenigsten daraus geschlossen werden, dass Utz Ecksteins Antwort Vff Doctor Thomas Murners Calender, Ein Hübsch Lied nicht veröffentlicht wurde. Ähnlich wie Murner die Luzerner Ehre retten wollte, so sah Eckstein sich veranlasst, die Zürcher Ehre zu retten und mit gleicher Münze den Angriff zurückzuzahlen. Salomon Vögelin, der erste Biograph Ecksteins, hatte den Text in Bullingers Schriften gefunden, und bemerkte noch 1882, dass er es nur mit Widerwillen seiner verdienten Vergessenheit entreissen wolle.75 Eckstein scheint zu

72Thomas Murner: An die Fürsuchtigen ersamen vuysenn und frommen standthafftigen christen des alten woren und ungezwiffleten glaubens der gemeinen christenheit alle underthon und verwanten der löblichen herschafft von Lutzern ein entschuldigung Doctor Murners, Luzern 1527. 73SALAT, S. 426. 74Brief von Luzern an Zürich vom 27. Mai 1527. EA IV 1a, S. 1096, Nr. 445. 75Vögelin: Utz Eckstein, S. 211 f. Das Lied gegen Murners Kalender umfasst 30 Strophen à 9

91 6. Der Lutherischen Evangelischen Kirchen Dieb und Ketzer Kalender

Murner nicht viel Neues eingefallen zu sein. Wie in seinen früheren Schriften verlegte er sich wieder auf persönliche Angriffe gegen Murner und berief sich auf Vorwürfe, die Murners Vergangenheit betrafen. Diese Vorwürfe, die Murner immer wieder begleite- ten, bezogen sich auf kaum belegte Ereignisse aus Murners früherem Studenten- und Klosterleben. Bereits in Krakau sei er des Diebstahls angeklagt gewesen, in Freiburg sei er beim Stehlen von Fischen ertappt worden. Er habe Klostergut hinterzogen, um sein Hurenleben zu finanzieren. Der Galgen im Kalender könne ja kaum Zwingli gelten, der im Gegensatz zu ihm, nie kein dieb ward gscholten. Ein weiteres Mal be- zeichnete er Murner als Kater: Ist din gröster kumber/ vm Römscher kylchen gsatz/ dass du ietz nit mer vmher/ magst rammeln wie ein katz. Ausser der Abschrift bei Bullinger hat sich keine weitere Version von Ecksteins Pamphlet erhalten. Daraus lässt sich schliessen, das Ecksteins Lied nie gedruckt wurde. Offenbar war es in der Zürcher Zensur hängen geblieben.76 Das Hübsch Lied auf Murners Kalender ist das letzte literarische Werk, das von Eckstein erhalten geblieben ist. Für Murner jedoch war die Zeit der Produktion von Schmachbüchlein vorläufig noch nicht zu Ende. Eck- stein hatte er als literarischen Gegner verloren, doch im Westen war ihm eine neue Gegnerschaft entstanden. In Bern hatte bei den Ratswahlen an Ostern 1527 die re- formatorische Seite die Mehrheit gewonnen. Mit der Einberufung einer Disputation sollte der Übertritt auf die reformatorische Seite durch die Anrufung des Schrift- prinzipes formell besiegelt werden. An der Einsiedler Tagsatzung vom 27. Dezember 1527 beschlossen die altgläubigen Orte, die Einladung zu den Religionsgesprächen abzulehnen und auch niemandem zu erlauben, daran teilzunehmen.77 Für Murner begann eine letzte Phase antireformatorischer Publizistik. Erste Drucke, die gegen den Übertritt Berns zur Reformation und gegen die Abhaltung der Disputation gerichtet waren, verliessen ab Dezember 1527 seine Druckerei. Gleichzeitig wurden auch wieder in der Eidgenossenschaft die Klagen über solicher schmechlicher schrift, schmutz- und schältworte laut.78 Bern und Zürich planten nun gemeinsam, sich des unbeliebten Barfüsser-Lesemeisters aus dem Elsass zu entledigen.

Zeilen. Vögelin: Utz Eckstein, S. 212-222. 76ebd., S. 222 f. und Humbel: Ulrich Zwingli, S. 235-237. 77EA IV 1a, S. 1205, Nr. 494. 78ABernerRef, S. 557.

92 7. Der Murner ist nider

Der Murner ist nider, diese Bemerkung schrieb Niklaus Manuel während den Frie- densverhandlungen in Baden im Sommer 1529 an den Rat von Bern. Schultheiss Golder aus Luzern habe unter Gelächter erklärt, Murner befinde sich nicht mehr in Luzern und habe sich so der drohenden Auslieferung entzogen.1 Der Fall Murner war zu einem Bestandteil des Ersten Kappeler Landfriedens geworden, der nach zähen Verhandlungen im Juni 1529 in Steinhausen geschlos- sen wurde. Eine offene Schlacht zwischen den konfessionell gespaltenen Eidgenossen konnte noch einmal vermieden werden. In zähen Verhandlungen wurde um einen Landfrieden gerungen, der beide Konfliktparteien nicht ganz befriedigen konnte. Obwohl der Vertrag eher zu Gunsten der reformierten Orte ausfiel, wurden Zwinglis Hauptforderungen: die freie Predigt in den altgläubigen Orten und das Verbot des Pensionenwesens nicht erfüllt. Auch im Bezug auf Murner konnten sich die refor- mierten Orte vorerst nicht durchsetzen.2 Murner sollte nicht bestraft, sondern bloss ausgewiesen werden. In einem ersten Entwurf stand: Zum zwölften, von wegen des Murners, da ist miner herren der schuldlüten willen und begeren, daß mine herren von Luzern den selben Murner von ir statt und uß einer Eidgnoschaft verwisen, die- wyl er doch ein ußländischer man ist.3 Im eigentliche Vertrag wurde dann allerdings beschlossen, dass Murner auf Begehren Berns und Zürichs in Baden vor Gericht zu erscheinen habe und on widersagen von denen von Luzern darzuo gehalten und nach sinen verschulden gestraft werde.4

7.1. Des alten Christlichen beern Testament

Tatsächlich hatte Murner mit seinem Kirchendieb- und Ketzerkalender die Stim- mung und den Glaubenszwist enorm angeheizt. Als nun Bern 1528 formell zur Re-

1Alß wir den murner gefordret vnnd Ernstlich angezogenn/ Hatt Schultheis golder geanttwurtt / Ersyge ane mencklichs jn Luczern wüsßenn Hinweg gezogen/ wir sölend jnn vnnß Nüt laßen rüwen[. . . ]Das alles hat er mitt guoten wortenn vnnd Lachen’n wellenn veranttwurten. Der Brief entstand Ende Juli oder Anfang August 1529. Niklaus Manuel: Briefe und Beigaben, in: Paul Zinsli/Thomas Hengartner (Hrsg.): Werke und Briefe, Bern 1999, S. 639–778, hier S. 716. Vgl. ABernerRef, S. 1109, Nr. 2456; EA IV 1b, S. 304, Nr. 146. 2Martin Haas: Zwingli und der Erste Kappelerkrieg, Zürich 1965, S. 177. 3EA IV 1b, S. 278, Nr. 136. 4ebd., S. 283, Nr. 136.

93 7. Der Murner ist nider

Abbildung 7.1.: König Josias zerstört die Götzen (Ausschnitt). Niklaus Manuel 1527 formation übertrat und zum Glaubensgespräch einlud, wurde Murner sofort publi- zistisch aktiv. Als erstes bestritt er die Rechtmässigkeit der Einberufung der Dispu- tation und bezichtigte Bern des Meineides, weil die Berner noch 1526 gelobt hatten, beim alten Glauben zu bleiben.5 Des weiteren versuchte er zu begründen, wieso er und auch Eck und Faber auf eine Teilnahme an der Disputation verzichteten.6 Aus- gerechnet er, der Zwingli in seinen Schriften immer und immer wieder vorgeworfen hatte, dass er nicht auf der Disputation in Baden erschienen sei, ausgerechnet Mur- ner wagte nun nicht, trotz Zusicherung des freien Geleits, in Bern mit Zwingli und den anderen Reformatoren zu disputieren. An seine Strassburger Bekannten Capito und Bucer gewandt, sagt er, sie hätten ja in Baden mit ihm disputieren können. Er

5Eine erste Schrift mit dem Titel Concilium aus dem Jahr 1527 ist nicht mehr erhalten. Es folgten Thomas Murner: Hie würt angezeigt dz unchristlich frevel, ungelört und unrechtlich uss rieffen und fürnemen einer loblichen herrschafft von Bern ein disputation zuo halten in irer gnaden statt, wider die gemein Christenheit, wider das heylig gots wort ... im jar so man zalt 1528 uff den achten tag des Wolffmonds, Luzern 1528 und Thomas Murner: Ein send brieff der acht Christlichen ort einer loblichen Eidtgnoschafft mit namen Lutzern, Ury, Schwytz, Underwalden, Zug, Friburg, Solathorn, Glariß, an ein lobliche herschafft von Bern flehelich, und uff höchst bittend und ermanendt, by dem alten waren Christlichen glauben zuo beliben, und sich der evangelischen und Lutherischen ketzerien nit beladen noch enteren sollen. Sin spötliche und unfrüntliche antwurt der loblichen herschafft von Bern den obgenanten acht christlichen örtern gethon: und durch den druck uszgespreitet. Luzern 1529. 6Thomas Murner: Ursach und verantwortung, warum doktor Thomas Murner, kilchherr zuo Lutzern nit ist vff der disputation zuo Bern gehalten erschinen, Luzern 1527 und ders.: Appel- lation und beruoff der hochgelerten herren und doctores Johannis Ecken, Johannis Fabri und Thome Murner, für die xij. ort einer loblichen Eydtgnoschafft wider die vermeinte disputati- on zuo Bern gehalten. Beschehen vor den kleinen raedten vnd hunderten einer loblichen stadt Lutzern vnd durch doctor Thomas Murner exquiert montag nach Nicolaj / in dem jar Christi MDXXVII. Luzern 1528.

94 7. Der Murner ist nider denke nicht daran, zu ihnen in die Winkel der Kaetzer kunkelstubeten zu schlüpfen.7 Stattdessen fuhr er fort, Zwingli aus der Ferne mit den gewohnten Anschuldigun- gen zu beleidigen. Zu Zwingli und Oekolampad waren nun allerdings zwei weitere Feindbilder hinzugekommen: die beiden Schwäbischen Reformatoren Berns Haller und Kolb. Den wohl stärksten Berner Widersacher, Niklaus Manuel, erwähnte er jedoch nie namentlich. Manuel und Murner dürften sich schon seit längerem über ihre Werke gekannt haben.8 Der Scheibenriss König Josia lässt die Götzen zerstören (Abbilung 7.1 und A.4), den Manuel 1527 als Entwurf für ein Kirchenfenster erstell- te, wird zuweilen als Antwort auf Murners Kalender interpretiert.9 In Vorwegnahme des ein Jahr später stattfindenden Berner Bildersturms, stellte Manuel eine biblische Szene dar, in der ein Scharfrichter mit einer Axt Götzenbilder zerschlägt und diese ins Feuer wirft. Ob er mit der katzenählichen im Feuer liegenden Figur auf den ihm bekannten Murnarr anspielte, ist reine Vermutung.10 Zur Zeit der Berner Disputati- on veröffentlichte Manuel seine Doppelsatire von der tödlichen Krankheit der Messe und von ihrem Testament.11 Neben Doctor Lügegk alias Schryegk (Eck) und Doctor Heioho (Faber) treten in dieser Satire auch zwei bekannte Luzerner ans Kranken- bett der Messe. Ein kurzer Auftritt hat der Schultheiss und Metzgermeister Hug als Hug Schneepfeffer und natürlich Thomas Murner als Doctor Thoman Katzenlied und als Doctor Murnar.12 Manuels Krankheit der Messe war äusserst erfolgreich, so dass Murner sich gezwungen sah, den Angriff zu kontern. Es entstanden seine zwei

7Zitiert bei Bullinger, der dazu ein eigenes Kapitel widmete: Wie die 6 ort im vnwillen wider die Berner disputation verhartend, vnd die von Luzern gestattetend Doctor Thoman Murner schmächlich vnd schantlich ding, wider Bern zuo schriben vnd trucken.BULLINGER, S. 413-417. 8In der Basler Ausgabe von Murners Geuchmatt, die 1519 bei Adam Petri erschien, sind zahlrei- che Randleisten mit NMD (Niklaus Manuel Deutsch) signiert. Badische Landesbibliothek (Hrsg.): Thomas Murner, S. 183 Vgl. Zinsli: Manuel und Murner, S. 171. Anderseits verweist Manuel in seinem Krankheit und Testament der Messe auf die mädren, die dem doctor Mur- nar[. . . ]die gouchmatten mäjent. ebd., S. 178. 9Vgl. ebd., S. 176. 10Über den Scheibenriss sind schon verschiedentlich Spekulationen und Interpretationen angestellt worden, zuletzt in Lucas Marco Gisi: Niklaus Manuel und der Berner Bildersturm 1528, in: Peter Blickle u. a. (Hrsg.): Macht und Ohnmacht der Bilder, Bd. 33 (Historische Zeitschrift Beihefte), München 2002, S. 143–164. Für Gisi ist der Zusammenhang Murner-Manuel, bzw. Josia-Katzenfigur evident. Nur wenn das Bild im Kontext einer (polemischen) Auseinanderset- zung zwischen Alt- und Neugläubigen „gelesen“ werde, könne es als reformatorisches Programm entschlüsselt werden. ebd., S. 155 f. Gisi erweitert die Interpretation mit einem Hinweis auf Murners Darstellung einer Götzenzerstörung in dessem Sabellius-Manuskript. Vgl. Abbildung 7.3 und A.5. Auf dem nach Manuels Entwurf 1530 für die Kirche Jegensdorf ausgeführten Glasgemälde, ist die „Katzenfigur“ verschwunden. Vgl. Abbildung 1 in Rudolf Dellsber- ger (Hrsg.): 450 Jahre Berner Reformation. Beiträge zur Geschichte der Berner Reformation und zu Niklaus Manuel, Bd. 64/65 (Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern), Bern 1980/1981, S. 23. 11Paul Zinsli: Niklaus Manuels Satire von der ”Krankheit der Messe”. Verwandlungen eines früh- neuhochdeutschen Textes, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 59.1 (1992), S. 3–58 und Niklaus Manuel: Krankheit und Testament der Messe, in: Paul Zinsli/Thomas Hengartner (Hrsg.): Werke und Briefe, Bern 1999, S. 429–517. 12Zinsli: Manuel und Murner, S. 178.

95 7. Der Murner ist nider

Abbildung 7.2.: Des alten Christlichen beern Testament. Luzern 1528

Bären-Satiren das Bärentestament und das Bärenzahnweh13 sowie seine Schrift von der gottheiligen Messe.14 Bern fühlte sich empfindlich getroffen durch die schmachbüchlin und kalender und verlangte von Luzern Massnahmen, dass man sollich schmach- und schand- büchlin abstellen sollt.15 Die Luzerner antworteten umgehend und versteckten sich hinter der Behauptung, Murner habe die Schriften ohne unser wissen und willen gedruckt. Sie hätten ihn jedoch zur Rede gestellt. Murner habe ihnen darauf geant- wortet, dass er sich an das Verbot gehalten habe. Doch habe er nur eine Antwort auf andere Flugschriften geben wollen. Er habe den Rat darauf etliche buechli und lieder gezeigt, die zuo grosser verachtung und verspottung gemacht sind. Er fühle sich berechtigt, wie man in den wald geruoft, widerhall und antwurt ze geben.16 Auf diesen Bescheid hin erliess Bern einen heimlichen Haftbefehl gegen Murner. Luzern wolle nichts gegen Murner unternehmen, darumb wir ander mittel suochen müssen,

13Thomas Murner: Des alten Christlichen beeren Testament, Luzern 1528, ediert in Max Scherrer: Des alten christlichen Bären Testament. Eine Kampfschrift Thomas Murners, in: Anzeiger für schweizerische Geschichte 50 (1919), S. 6–38 und Thomas Murner: Von des jungen Beeren zenvve im mundt, Luzern 1529, ediert in Joseph Lefftz: Des jungen Bären Zahnweh: Eine verschollene Streitschrift Thomas Murners, in: Archiv für elsässische Kirchen- geschichte 1 (1926), S. 141–167. 14Thomas Murner: Die gots heylige meß von gott allein erstifft ein staedt und lebendigs opffer für die lebendigen und die dodten, die hoechste frucht der Christenheit. wider die fünffte schlußred zuo Bern disputiert in der Eidtgnoschafft den frommen alten Christlichen Bernern zuo trost vnd behilff gemacht, vnd zuo Lutzern offentlich durch doctor Thomas Murner geprediget, vnd mit dem woren gots wort befestiget. Luzern 1528. 15Brief Berns an Luzern, 16. Juli 1528. ABernerRef, S. 764, Nr. 1776. 16Brief Luzern an Bern, 21. Juli 1528. ebd., S. 766 f., Nr. 1781.

96 7. Der Murner ist nider in ze paschken. Den Amtsleuten wurde aufgetragen, gut auf Murner zu achten und wo du in uf unserm ertrich ergrifen magst, in venckch [Gefangenschaft] annemen.17 Als fast gleichzeitig mit einem erneuten Verbot von Schmachbüchlein an der Tagsat- zung vom 14. Dezember 152818 weitere Schriften Murners erschienen, reagierte Bern heftig und bat Zürich in dieser Angelegenheit um Unterstützung.19 Mit Vermittlung von Konstanz kam man noch Ende Dezember 1528 überein, Murner vor Gericht zu ziehen, wobei man aufpassen müsse, dass daraus kein Landkrieg erwachse.20 Offen- bar zur grossen Überraschung Zürichs und Berns kam Luzern dem Begehren nach und lud die beiden Städte zu einem Gerichtstag nach Luzern ein. Luzern hoffte den „Murnerhandel“ voll zu ihrem Vorteil ausnützen zu können und lud sogar die Landschaft zu den Verhandlungen ein.21 Da Bern und Zürich einen Erfolg Luzerns befürchteten und die Richter als befan- gen betrachteten, beschlossen sie, den Prozess abzubrechen. Es war ein voller Erfolg auch für Murner, der dies mit einigem Genuss seinem Vetter in Strassburg mitteilte. Mit vielen Worten hätten die Anwälte gegen ihn geklagt, aber seien dann auf seine Antworten völlig ratlos gewesen. Zudem seien sich die Zürcher und Berner nicht einig gewesen. Die ganze Angelegenheit habe bloss grosse Kosten verursacht. Er glaube, die Kläger seien froh gewesen, dass sy ein ursach handt funden, mich nit zu berech- ten, es ist luter lurery und lumpenwerk, womit sy umbgand. Wenn er, sein Vetter, die vier beigelegten biechly anschaue, könne er verstehen, dass ich iren zorn wol verdient hab. Dies erfuhren die Berner aus dem Brief Murners vom 27. Februar 1528 an seinen Vetter in Strassburg, der wie weiter oben erwähnt, in Zofingen abgefangen und an den Rat weitergeleitet wurde.22 Anstatt Murner verhaften zu können, kamen die Berner nur in den Besitz seines Briefes, in dem sie ein weiteres Mal aufs Gröbste verhöhnt wurden. Es war also nicht verwunderlich, dass vor allem die Berner in den Friedensverhandlungen zum ersten Kappeler Landfrieden so sehr auf die Ausliefe- rung Murners bestanden. Wohlwissend, was ihn in Baden erwartete, suchte Murner rechtzeitig das Weite. Vermutlich über das Wallis,23 damit er „feindliches“ Gebiet umgehen konnte, floh Murner vorerst nach Heidelberg und kehrte später (1532) nach Oberehnheim zurück. Publizistisch war er nicht mehr aktiv. Neben seiner Tätigkeit an der Pfarrei St. Johannes arbeitete er an einer Übersetzung der Weltgeschichte des Sabellicus aus dem Latein und versah sie mit Entwürfen für spätere Holzschnit- te.24 Von Luzern erhielt er mehrmals Post, in welcher ihm eine Schulmeisterstelle

17ABernerRef, S. 780, Nr. 1809. 18EA IV 1a, S. 1466, Nr. 608. 19ABernerRef, S. 932 f., Nr. 2079. 20EA IV 1a, S. 1484, Nr. 615. 21Zum Murnerhandel vgl. EA IV 1b, S. 65-73, Nr. 30. und Haas: Erste Kappelerkrieg, S. 28-32. 22ABernerRef, S. 979 f., Nr. 2177. 23Liebenau bezieht sich in dieser Annahme auf eine Aussage von Myconius. LIEBENAU, S. 250. 24Thomas Murner: Marcii Antonii Sabellici Hystory von anbeschaffener Welt. Übersetzung der

97 7. Der Murner ist nider angeboten wurde. Am 1. April 1535 lehnte er das Angebot in einem Brief an die Strengen eeren-, notfesten, From, fürsichtigen, ersamen, wysen, lieben Schultheitzen vnd radt der stat Lutzern ab.25 Es ist der letzte von ihm bekannte Brief. Zwei Jahre später verstarb er 1537 im Alter von nicht einmal 62 Jahren in seiner Geburtsstadt Oberehnheim.

7.2. Ich binn nit Spangisch / binn nit Zwinglisch

Kaum vier Jahre verfügte Luzern über eine eigene Druckerei. Es war publizistisch gesehen eine hektische Zeit. Die Produktion, respektive das Verbot von religiösem Probaganda-Schriftgut war zu einem Dauerthema an den Eidgenössischen Tagsat- zungen geworden. Dass Luzern bzw. Murner sich um den Druck der Akten der Ba- dener Disputation bemüht hatte und den Auftrag schliesslich auch bekam, zog viele Unannehmlichkeiten nach sich. Zum Vornherein wurde von reformatorischer Seite dem Drucker Parteilichkeit vorgeworfen. Zudem gelang es Murner nicht, die Termi- ne einzuhalten.26 Noch bevor der Druck der Disputationsakten beendet war, hatte Murner die reformatorischen Orte mit seinem Kirchendieb- und Ketzerkalender mas- siv verärgert. Am 23. Mai 1527 war der Druck endlich abgeschlossen und Murner konnte die Rechnung präsentieren. Insgesamt 275 Gulden wurden in Rechnung ge- stellt für kost, so über den truck der disputantz gangen ist, angefangen uf Sampstag nach Andree Ao 1526.27 In den Kosten waren miteingeschlossen Anschaffungen aller Art, Löhne, Geschenke, Verpflegung (Zehrung), Läuferlöhne, Buchbinderkosten und anderes mehr. Die Kosten wurden so hoch erachtet, dass die meisten Orte an der Tagsatzung ernstlich erwogen, die Bücher den Luzernern zu überlassen und sich gar nicht an der Entlöhnung Murners und der anderen Mitarbeiter zu beteiligen.28 Wenn man die Kosten mit den 200 Gulden Busse, die Adam Petri 1523 für den anonymen Druck der Flugschrift von Hofmeister vergleicht, kann man erst recht ermessen, wie schmerzlich hoch die Strafe für Petri damals ausgefallen war. Viele Kosten aber auch viel Ärger hatte Murner den Luzernern in den vier Jahren seines Aufenthaltes verursacht. Dazu verärgerte er in erster Linie die alten Bundes- genossen aus Zürich und Bern. Aber auch die anderen eher reformiert gesinnten Orte zeigte immer offener ihren Unwillen gegenüber dem Verhalten Murners. Basel war

Enneades des Marcus Antonius Sabellicus; vollständige Faksimile-Ausgabe der Handschriften K 15 und K 3117 der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe sowie der Handschrift Ms. 268 der Humanistenbibliothek in Schlettstadt, Karlsruhe 1987. Vgl. Abbildungen 5.3, 7.3 und A.4. 25LIEBENAU, S. 255. Vgl. Hedwig Heger: Thomas Murners Absage an die Luzerner Stadtväter aus dem Jahre 1535, in: Bibliothek und Wissenschaft 27 (1994), S. 48–55. 26Liebenau bezeichnet es als eine unglückliche Idee, das Buch unter Murners Leitung in Luzern erscheinen zu lassen, wo nur eine höchst primitive Offizin existierte. LIEBENAU, S. 225. 27EA IV 1a, S. 1098. 28ebd., S. 1094.

98 7. Der Murner ist nider

Abbildung 7.3.: König Ezechias zersört die Götzen (Ausschnitt). Thomas Murner 1532-1535

1523 noch zu einer Kooperation mit den Luzernern bereit, als diese ultimativ die Bestrafung Petris verlangten. Die Stimmung hatte sich jedoch vor allem nach dem Kalenderdruck massiv verschlechtert. Erstaunlich ist allerdings, dass Murner selbst auf der Luzerner Landschaft für Unwillen sorgte, und das offenbar nicht nur bei einer kleinen Minderheit, sondern wie Salat betonte, bei verschiedensten Personen: zuo roß und fuoß/ rych und armm/ achtbar und schlecht. Dass diese Leute aus den Ämtern sogar die Absicht zeigten, sich zusammenzurotten und vor die Stadt zu zie- hen, jrn herren fürd statt zezüchen/ den Murner und sine anhenger harus zefordern/ und durch zuo tuon.29 Das wird der Obrigkeit wohl Sorgen bereitet haben und sie an den letzten Bauernaufstand von 1513 erinnert haben. Wenn die daraufhin verfasste Entschuldigung Murners auch nur halbherzig ausfiel, so vermochte sie doch unsere lieben getrüwen amptslüt etwas zu beruhigen. Ja es gelang sogar diese zuerst beun- ruhigten Landbewohner beim „Murner-Handel“ voll auf die Seite der Stadt zu ziehen und erst noch zu bewirken, dass Bern und Zürich sich aus dem gerichtlichen Handel zurückzogen. Murner hatte in seiner „Entschuldigung“ an die Obrigkeit geschrieben, er habe mit einem von mir gemachten kalender keineswegs einen landkrieg zuo er- weckenn gedacht. Im Gegenteil rufe er zuo christlicher einigkeit ruow vnd friden auf. Dazu brauche es weder hallenparthen/ noch spieß und er berief sich dabei auf die hilff des barmherzigen gots vnd der hochgelobten iungkfrauwen Maria.30 Bloss zwei

29SALAT, S. 424. 30Murner: An die Fürsuchtigen ersamen, S. 6 f.

99 7. Der Murner ist nider

Jahre waren seit dieser Entschuldigung vergangen, als Zürich den fünf Innerschwei- zer Orten den Krieg erklärte und die Luzerner am 9. Juni 1529 ins Feld zogen. Mit keinem Wort versuchte Murner diesen Krieg zu verhindern. Zweimal am Tage hielt er nun eine Predigt und rief die Zurückgebliebenen und vor allem die Frauen auf, Gott und die heilige Mutter Gottes vor Augen zu halten und für einen Sieg gegen die verruchten Häretiker zu beten. Er forderte sie auf, mit ihm zur heiligen Maria von Ebikon (beatissimam Virginem Mariam Ebicenam) zu pilgern, damit diese ih- nen Segen, den Feinden jedoch Verdammnis bringe und diese von ihrem Irrglauben befreie. Darauf kniete er nieder, zog seine Sandalen aus, hielt das goldene Kreuz vor die Brust und rief aus: jeder nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. So zog er mit den Gläubigen nach Ebikon, wo er die Messe hielt. So ungefähr schilderte Myconius den letzten grossen Auftritt Murners als Leutpriester in Luzern.31 Theatralisch, wie es die Stunde offenbar gebot und wie es zu Murner passte - er hatte in Strassburg mit den berühmten Prediger Geiler von Kaisersberg ein ent- sprechendes Vorbild -, inszenierte er den Auftritt beim Bittgang nach Ebikon. Sein Publikum bestand allerdings, wie Myconius überlieferte, in erster Linie aus Frauen, so dass ihm nicht die grosse Rolle als Kriegstreiber vorgeworfen werden kann. Die Beurteilung der Wirkung von Murners Satiren ist denn auch unterschiedlich und stark konfessionell geprägt. So wurde etwa 1919 im Jubiläumsband zum 400. Ge- dächtnis der Zürcher Reformation in einem Kommentar zur Abbildung von Murners Kalender geschrieben, dass er und sein Kalender tatsächlich mit zu den Ursachen des ersten Kappelerkrieges gehörten. Diese maßlose Verketzerung der Andersgläubi- gen, deren Verfasser trotz Zürichs Klage von Luzern nicht bestraft wurde, gehört mit zu den Ursachen des ersten Kappelerkrieges.32 Der reformierte Historiker Johannes Dierauer jedoch bemerkte 1909 in seiner Schweizer Geschichte, dass man die Wir- kung der Satiren Murners nicht allzu hoch anschlagen dürfe.33 In einem Punkt sind sich die meisten Historiker einig, Murner führte eine ausserordentlich derbe Sprache. Von der katholischen Geschichtsschreibung wird Murners Grobheit oft mit einem gewissen Unbehagen und mit Zurückhaltung beschrieben. Der katholische Luzerner Historiker Sebastian Grüter etwa stellte 1945 Murners Kalender als verständliche Antwort auf den Zürcher Kalender dar, die allerdings an Unglimpf kaum überboten werden konnte und er versuchte Murners Verhalten mit der maßlosen Aufgeregtheit

31Oswald Myconius: Commentarius de tumultu Bernensium intestino 1528, in: Johann Jacob Bodmer/Johann Jacob Breitinger (Hrsg.): Historische und Critische Beytraege zu der Historie der Eidsgenossen, Zuerich 1739, S. 1–163, hier S. 117-118. Vgl. die ebenfalls freien Teilübersetzungen in LIEBENAU, S. 246 und BRÄNDLY, S. 91. 32Zentralbibliothek Zürich (Hrsg.): Ulrich Zwingli. Zum Gedächtnis der Zürcher Reformation 1519-1919, Zürich 1919. 33Johannes Dierauer: Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft. Band 3: 1516-1648, Gotha 1907, S. 94.

100 7. Der Murner ist nider jener Zeit zu entschuldigen.34 Willy Brändly, der 1956 die Geschichte des Luzerner Protestantismus schrieb, bemerkte zum Inhalt von Murners Kalender, es sei wohl etwas vom Ungeschlachtesten, das in der schweizerischen Reformationsgeschichte - die katholische und die evangelische Polemik zusammengenommen - herausgekom- men sei.35 Von Zeitgenossen wurde Murners Meinung durchaus ernst genommen und sein Einfluss auf die Eidgenössische Politik wurde als beachtlich eingeschätzt. Dies zei- gen nicht nur die zahlreichen Interventionen gegen seine publizistische Tätigkeit an den Tagsatzungen, sondern auch die Reaktionen in Luzern selber. Der Rat von Luzern stellte sich jedoch meist hinter ihr antireformatorisches Sprachrohr und ver- langte lediglich einmal eine Entschuldigung von ihm, vermutlich nur um die eigenen Untertanen zu beruhigen. Ansonsten ging Luzern gegen den eigenen Verfasser von Schmachbüchlein kaum je einschränkend vor. Dass die Luzerner, ganz anders als vordem Petri, der die vergleichsweise gemässigte Schrift von Hofmeister druckte, Murner gewähren liessen, wird denn auch von Zwingli vorgeworfen.36 Murner veröffentlichte in Luzern etwas mehr als zwanzig Schriften, die meisten davon waren bewusst als Provokation gedacht. Stereotyp zählte er immer wieder die gleichen Vorwürfe gegen Zwingli auf, er sei ein ehrloser Ketzer und Kirchendieb. Nur schwach war die theologische Begründung seiner Argumente. Wie es bei der altgläu- bigen Seite der Innerschweiz üblich war, versteckte er sich auch hinter dem offenbar besten und einfachsten Argument: die Berufung auf die Tradition. Von neugläubiger Seite wurde denn auch wenig auf seine religiös begründeten Angriffe eingegangen. Der Haupvorwurf gegen Murner betraf seinen Angriff auf die Einheit der Eidgenos- senschaft. Murner wolle nichts anderes als Zwietracht sähen und arbeite bewusst auf eine Spaltung unter den Eidgenossen hin. Die Provokationen wurden offensichtlich von gewissen Regierungskreisen der Innerschweiz und im Speziellen Luzerns bewusst geschützt und in den Dienst ihrer politischen Ziele gestellt. Es waren keinesfalls nur religiöse Gründe, die Luzern gegen die Reformation ankämpfen liess. Es ging auch um die politische Vormacht gegenüber Zürich und es ging um die Bewahrung des Pensionenwesens, das von reformatorischen Kreisen aufs heftigste angegriffen wurde. Murner hatte dazu nicht eigentlich Begründungen zu liefern, sondern nur die nötigen Provokationen. Gerüchte wie die, dass die Berner oder Zürcher einen Einmarsch in Luzern planten, um Murner aufzubringen, waren die geeigneten Katalysatoren, um für eine kriegerische Auseinandersetzung aufzurüsten. Die eigentliche religiöse Auseinandersetzung war in Luzern wohl schon Mitte 1522 abgeschlossen. Der Aufbruch in Europa hatte zu Beginn des 16. Jahrhunderts auch

34Grüter: Geschichte des Kantons Luzern, S. 73 f. 35BRÄNDLY, S. 80. 36EA IV 1a, S. 917, Nr. 361.

101 7. Der Murner ist nider

Abbildung 7.4.: Ich binn nit Spangisch / binn nit Zwinglisch. Luzern 1528 in Luzern ihren Niederschlag gefunden. Die neuen Ideen waren unter den Gelehr- ten durch ihren Aufenthalt an verschiedenen europäischen Universitäten verbreitet worden. Es entstand ein grosses Bedürfnis nach neuer Literatur. Lutherschriften konnten mehr oder weniger frei zirkulieren. In den Klöstern und Pfarrhöfen Luzerns fand ein ähnlicher Diskurs wie andernorts statt. Dass in Luzern zu dieser Zeit keine Druckerei existierte, scheint dabei nicht von grosser Bedeutung gewesen zu sein. Die Distribution war gewährleistet durch fliegende Händler und humanistische Netzwer- ke. Auch in Luzern schien sich der neue Geist durchzusetzen. An den wichtigsten Bildungsinstituten, an der Stiftschule in Luzern, im Barfüsserkloster und im Kloster St. Urban, waren um 1522 reformfreudige Lehrer tätig. Dies weist darauf hin, dass in den politischen Entscheidungsgremien ähnliche Tendenzen herrschten. Als ein Höhepunkt der proreformatorischen Stimmung Luzerns kann der Mu- seggumgang von 24. März 1522 betrachtet werden, als mit Konrad Schmid ein Ex- ponent der Zürcher Reformation als Festprediger engagiert wurde und dieser offen Luthers Rechtfertigungslehre und das neue Schriftverständtnis darlegen konnte. Die tumultartige Predigtstörung, die noch an diesem Tag stattfand, kann dann auch als Beginn des Rückganges der reformatorischen Strömung in Luzern betrachtet werden. Die Predigtflugschrift, die Schmid anschliessend veröffentlicht hatte, löste, ausser der brieflichen Entgegnung des Stadtpfarrer Bodlers, keine sichtbaren Reaktionen

102 7. Der Murner ist nider aus. Dieser wurde schliesslich zu einer entscheidenden Person im Kampf gegen die Reformation. Er war es, der Hofmeisters Absetzung als Lesemeister im Barfüsserklo- ster bewirkt hatte. Hofmeister war einer der ersten, die Luzern aus konfessionellen Gründen verlassen musste. Nach ihm verliess ein Grossteil der evangelisch gesinnten Gebildeten und Priester Luzern. Als im Frühjahr die anonyme Schrift Hofmeisters mit der Ermahnung an das „ver- stopfte“ Luzern erschien, war die Meinung zur Reformation in Luzern und in Zürich wohl weitgehend gemacht. An der Tagsatzung war im Dezember 1522 de facto ein Verbot für reformatorische Predigt ausgegangen und im Januar 1523 war in Zürich mit den Religionsgesprächen die Reformation sozusagen obrigkeitlich sanktioniert worden. Luzern hatte gegenüber Zürich erheblich an politischer Stellung eingebüsst. Und nun dieser heftige Angriff durch das anonyme Schmachbüchlein aus Schaffhau- sen! Wenn Luzern wenigstens seine Vormachtstellung unter den altgläubigen Orten bewahren wollte, durfte es sich diesen Angriff nicht gefallen lassen. Die exemplari- sche und harte Bestrafung des Basler Buchdruckers Petri sollte ein Signal setzen, das mit der Öffentlichmachung des Widerrufes in der ganzen Eidgenossenschaft noch verstärkt werden sollte. Die Verhaftung und Bestrafung des Bilderstürmers Niklaus Hottingers von 1524 und des Täuferpredigers Hans Krüsi von 1525 zielten in die gleiche Richtung. Diesmal ging es zusätzlich darum, die Vormacht in den Gemeinen Herrschaften zu bekräftigen. Beide Verurteilten waren nie im Gebiet Luzerns religi- ös tätig. Ihre Verurteilung darf deshalb als ein politischer Akt bezeichnet werden. Dadurch, dass die Hinrichtungen öffentlich und in Luzern selber stattfanden, hatten sie die nützliche Nebenwirkung, die eigenen Untertanen einzuschüchtern und vor heterodoxem Verhalten abzuschrecken. Murner traf 1525 in Luzern ein, als die Reformation bereits abgewehrt war und die Ämter aufgefordert wurden, ihre Freiheitsbriefe von 1513 zur Kassierung in die Stadt zu bringen. Die Druckerei, die er im Barfüsserkloster einrichtete, musste nie den Zweck erfüllen, die lokale Bevölkerung mit gegenreformatorischen Schriften zu versorgen. Murners Schriften waren fast ausschliesslich an die reformatorische Sei- te gerichtet. Mit seinem provokativen Stil wird er wohl niemandem von der neuen Konfession abgehalten, doch nicht wenige massiv beleidigt haben. Die Badener Dis- putation, an der er sich massgeblich beteiligt hatte, wurde nicht eigentlich ein Erfolg für ihn. Seine Thesen fanden kaum Beachtung und der Druck der Disputationsak- ten entwickelte sich zu einem Ärgernis. Zudem wurde der angebliche Sieg in Baden schon bald durch die Berner Disputation in Frage gestellt. Wenn Salat meinte, Mur- ner habe den Zürcher Kalender mit der su gestochen, so kann das nur als Teilerfolg betrachtet werden. Murner brachte zwar die Lacher auf seine Seite, bewirkte jedoch, dass sich die evangelisch gesinnten Orte umso mehr solidarisierten und die Spaltung innerhalb der Eidgenossenschaft sich noch vertiefte. So schien es für alle das Beste

103 7. Der Murner ist nider zu sein, wenn Murner die Eidgenossenschaft verlassen konnte. Eine neue Druckerei wurde vorläufig in Luzern nicht wieder eingerichtet. Mit einigem Wehmut trauerte Renward Cysat noch 1607 der Zeit nach, als in Luzern noch eine Druckerei vorhan- den war. Die Luzernische truckery hat ein klaine Zyt gewärt, Ist umb bessers fridens willen yngestellt worden, Aber der gegentheil Ist mit siner vngebür nütt destminder fortgfaren wie auch noch hütt by tag.37 Sozusagen als Abschiedsgeschenk hat Murner die zwei Holzschnitte vom Bären- testament hinterlassen. Der Narr auf dem Schlussblatt mit dem Rosenkranz in der Hand (Abbildung 7.4) steht gleichsam sinnbildlich für den Murnarr und seinen der- ben Spass: Ich binn nit Spangisch / binn nit Zwinglisch, Ich schiß in der Zwingel.38

Des alten Christlichen beeren Testament Ach lieben kind, hoe rt noch ein bitt, Vergeß mir doctor Murners nit, Kert er zuo vch in gastung jn, So schenkt jm doch den eeren win. Denn er an minem letsten endt Mir schreib vß bitt diß testament.39

40

37Zitiert in Schiffmann: Zu den Anfängen, S. 261. 38Mit Zwingel kann der Raum zwischen Stadtmauer und dem Graben gemeint sein, in welchen oft Abfall geworfen wurde. Murner wird den Ausdruck als Alliteration zum Wort zwinglisch,das sowohl als zwinglianisch wie als zwängerisch gedeutet werden kann. Spangisch ist der Ausdruck für Spanisch, kann ähnlich wie Welsch auch die Bedeutung vom fremd annehmen. Scherrer: Bären Testament, S. 38. Vgl. ebd., S. 38. 39Thomas Murner: Des alten Christlichen beeren Testament, Luzern 1528 40Zungenstrecker: Emblem für Ablehnung der Heiligenverehrung in Thomas Murner: Der Lv- therischen Evangelischen Kirchen Dieb vnd Ketzer Kalender. Getruckt und besehen durch mich Thomam Murner Barfüsser Ordens Doctor der heiligen Schrift und beyder rechten, Pfarrer in der Christenlichen Stadt Lucern, Luzern 1527.

104 8. Literatur

8.1. Quellen

Anonym: Karsthans, Basel 1521. Anshelm, Valerius: Die Berner Chronik, Bern 1884-1901. Arbenz, Emil: Die Vadianische Briefsammlung der Stadtbibliothek St. Gallen, St. Gallen 1890-1913. Bodler, Johannes: Brief an Konrad Schmid, Luzern, 1522. Collin, Rudolf und Friedrich Salomon Vögelin: Rudolf Collins Schilde- rung seines Lebens. Verdeutscht von Salomon Vögelin, in: Zürcher Taschenbuch 2 (1859), S. 179–220. Cysat, Renward: Collectanea Chronica und denkwürdige Sachen zur Kirchen- geschichte und zur kirchlichen Reform der Stadt Luzern, in: Joseph Schmid (Hrsg.): Collectanea chronica und denkwürdige Sachen pro chronica Lucernensi et Helvetiae, Bd. 2, Teil 1-2, Luzern 1961-1977. Die zwei ältesten bisdahin bekannten Ablassbriefe, den Musegger-Umgang in Lucern betreffend, in: Der Geschichtsfreund 1 (1844), S. 384–388. Dürr, Emil und Paul Roth (Hrsg.): Aktensammlung zur Geschichte der Basler Reformation in den Jahren 1519 bis Anfang 1534. 1519 bis Juni 1525, Bd. 1, Basel 1921. Eck, Johannes: Eck an die Eidgenossen. Brief vom 18.12.1527, 1527, url: http: //ivv7srv15.uni-muenster.de/mnkg/pfnuer/Eckbriefe/N218.html (besucht am 22. 10. 2010). Eckstein, Utz: Concilium. Hje in dem Buoch wirt disputiert, das Puren lang zyt hat verfürt, Heilgenfürbit, ouch dess Bapsts Gwalt vom Fägfhür, ouch wz dMaessz inn halt, desglychen von dem Sacrament, von Zinss, Zaehenden, Gült und Rennt, von Byht, was die vor Gott nützt, darumb hie Pur gen Doctor sitzt. Cum privilegio Danhusers, Zürich 1525. Ders.: Rychsstag. der Edlen und Pauren Bricht und Klag, zFridberg ghandlet auff dem Rychsstag, Zürich 1526. Egli, Emil (Hrsg.): Actensammlung zur Geschichte der Zürcher Reformation in den Jahren 1519-1533, Zürich 1879. Ders. (Hrsg.): Huldreich Zwinglis sämtliche Werke. Band I, Berlin 1905.

105 8. Literatur

Egli, Emil (Hrsg.): Huldreich Zwinglis sämtliche Werke. Band II, Leipzig 1908. Ders. (Hrsg.): Zwinglis Briefwechsel. Die Briefe von 1510-1522, Bd. VII (Huldreich Zwinglis sämtliche Werke), Leipzig 1911. Ders. (Hrsg.): Zwinglis Briefwechsel. Die Briefe von 1523-1526, Bd. VIII (Huldreich Zwinglis sämtliche Werke), Leipzig 1911. Ders. (Hrsg.): Zwinglis Briefwechsel. Die Briefe von 1527-1528, Bd. IX (Huldreich Zwinglis sämtliche Werke), Leipzig 1925. Egli, Emil und Rudolf Schoch (Hrsg.): Johannes Kesslers Sabbata mit kleineren Schriften und Briefen, St. Gallen 1902. Fast, Heinold (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz. Band 2. Ostschweiz, Zürich 1973. Gagliardi, Ernst, Hans Müller und Fritz Büsser (Hrsg.): Johannes Stumpfs Schweizer- und Reformationschronik. 2. Teil, Bd. VI (Quellen zur Schweizer Ge- schichte. Neue Folge, Abt. 1, Chroniken), Basel 1955. Gengenbach, Pamphilus: Der gestryfft Schwitzer Baur. Disz büchlin hat gemacht ein Baur ausz dem Entlibuch, Wem es nit gefall der küsz im die bruch, Basel 1522. Ders.: Novella. Wär jemandtz der new mär begärt, Der wirt in disem büchlin gwärt, Basel 1523. Georgio Carpentarii de Brugg: Narratio rerum, quae reformationis tempore Basileae et in circumjacentibus regionibus gestae sunt, auctore fratre Georgio Carpentarii de Brugg Carthusiensi, 1518 (1499) - 1528, in: Historische und antiquarische Gesellschaft (Hrsg.): Basler Chroniken, Bd. I, Leipzig 1872. Götzinger, Ernst: D. Joannes Copp evangelischer Kalender, in: ders. (Hrsg.): Zwei Kalender vom Jahre 1527, Schaffhausen 1865, S. 1–27. Ders.: D. Thomas Murner Kirchendieb- und Ketzerkalender, in: ders. (Hrsg.): Zwei Kalender vom Jahre 1527, Schaffhausen 1865, S. 29–47. Ders. (Hrsg.): Zwei Kalender vom Jahre 1527. D. Joannes Copp evangelischer Ka- lender und D. Thomas Murner Kirchendieb- und Ketzerkalender, Schaffhausen 1865. Günzburg, Johann Eberlin von: Ein zuversichtig ermanung an die redlichen erberen starcken und christlichen herren obern und underthon gemainer Eydgno- schafft (genant Schwitzer) das sy trewlich helffen handthaben Ewangelische leer und frumme christen. Der XIII. bundtsgnosz, Basel 1521. Hofmeister, Sebastian: Acta und Handlung des Gesprächs, so von allen Prieste- ren der Tryen Pündten im M.D.XXVI. Jar uff Mentag und Zynstag nach der hey- ligen III Künigen Tag zuo Jnlantz im Grawen Pundt uss Ansehung der Pundtsher- ren geschehen, Zürich 1526.

106 8. Literatur

Hofmeister, Sebastian: Ain Treüe Ermanung an die strengen. Edlen, Festen, Frommen vnd weyßen Eidgnossen, das sy nit durch ire falschen propheten verfürt, sich wyder die lere Christi setzent, Augsburg 1523. Ders.: Ein treüwe ermanung an die Strengen, Edlen, Festen, Fromen und weyszen Eidgnossen, das sy nit durch ire falschen propheten verfürt: sich wider die lere Christi setzend, Basel 1523. Hottinger, Johann Heinrich: Historiae ecclesiasticae Novi Testamenti. Tomus IX. Seculi XVI, Zürich; Hannover 1667. Hottinger, Johann Jakob und Friedrich Salomon Vögelin (Hrsg.): Hein- rich Bullingers Reformationsgeschichte, Bd. 1, Frauenfeld 1838. Jörg, Ruth (Hrsg.): Hans Salat. Reformationschronik 1517-1534, Bd. 1 (Quellen zur Schweizer Geschichte. Neue Folge, Abt. 1, Chroniken 2), Zürich, Basel 1986. Laube, Adolf (Hrsg.): Flugschriften gegen die Reformation (1525 - 1530), Berlin 2000. Lefftz, Joseph: Des jungen Bären Zahnweh: Eine verschollene Streitschrift Tho- mas Murners, in: Archiv für elsässische Kirchengeschichte 1 (1926), S. 141–167. Luther, Martin: Luthers Werke im WWW. Weimarer Ausgabe, 2006, url: http: //luther.chadwyck.co.uk/ (besucht am 12. 07. 2010). Manuel, Niklaus: Briefe und Beigaben, in: Paul Zinsli und Thomas Hengart- ner (Hrsg.): Werke und Briefe, Bern 1999, S. 639–778. Ders.: Krankheit und Testament der Messe, in: Paul Zinsli und Thomas Hen- gartner (Hrsg.): Werke und Briefe, Bern 1999, S. 429–517. Ders.: Werke und Briefe. Vollständige Neuedition, Bern 1999. Murner, Thomas: An die Fürsuchtigen ersamen vuysenn und frommen standt- hafftigen christen des alten woren und ungezwiffleten glaubens der gemeinen chri- stenheit alle underthon und verwanten der löblichen herschafft von Lutzern ein entschuldigung Doctor Murners, Luzern 1527. Ders.: Appellation und beruoff der hochgelerten herren und doctores Johannis Ecken, Johannis Fabri und Thome Murner, für die xij. ort einer loblichen Eydt- gnoschafft wider die vermeinte disputation zuo Bern gehalten. Beschehen vor den kleinen raedten vnd hunderten einer loblichen stadt Lutzern vnd durch doctor Thomas Murner exquiert montag nach Nicolaj / in dem jar Christi MDXXVII. Luzern 1528. Ders.: Caussa Helvetica orthodoxae fidei. Disputatio Helvetiorum in Baden supe- riori, coram duodecim cantonum oratoribus & nuntiis, pro sanctae fidei catholica veritate, & divinarum literarum defensione, habita co(n)tra Martini Lutheri, Ul- richi Zwinglii, & Oecolampadii perversa & famosa dogmata, Luzern 1528. Ders.: Der Lutherischen Evangelischen Kirchendieb- und Ketzterkalender, in: Jo- hann Scheible (Hrsg.): Johann Fischart’s Flöhhatz, Weibertratz, Ehezucht-

107 8. Literatur

büchlein, Podagrammisch Trostbüchlein : sammt zehen kleineren Schriften. Tho- mas Murner’s Vom Lutherischen Narren, Kirchendieb- und Ketzerkalender: und sieben Satyren wider ihn: Karsthans, Murnarus Leviathan usw. Bd. 10 (Das Klo- ster), Leipzig 1848, S. 201–215. Murner, Thomas: Der Lvtherischen Evangelischen Kirchen Dieb vnd Ketzer Ka- lender. Getruckt und besehen durch mich Thomam Murner Barfüsser Ordens Doc- tor der heiligen Schrift und beyder rechten, Pfarrer in der Christenlichen Stadt Lucern, Luzern 1527. Ders.: Des alten Christlichen beeren Testament, Luzern 1528. Ders.: Die gots heylige meß von gott allein erstifft ein staedt und lebendigs opffer für die lebendigen und die dodten, die hoechste frucht der Christenheit. wider die fünffte schlußred zuo Bern disputiert in der Eidtgnoschafft den frommen alten Christlichen Bernern zuo trost vnd behilff gemacht, vnd zuo Lutzern offentlich durch doctor Thomas Murner geprediget, vnd mit dem woren gots wort befestiget. Luzern 1528. Ders.: Ein brieff den Strengen eren not festen Fursuhtigen Ersamen wysen der XII örter einer löblichen eydtgnoschafft (1526), in: Wolfgang Pfeiffer-Belli (Hrsg.): Thomas Murner im Schweizer Glaubenskampf (Corpus catholicorum), Münster in Westfalen 1939, S. 1–6. Ders.: Ein brieff den Strengen eren notfesten Fursuhtigen Ersamen wysen der xij oerter einer löblichen eydtgnoschafft gesandten botten. Thome Murner der hei- ligen gschrifften vnd beider rechten Doctor barfuosser orden, vff dem tag zuo Einsidlen. In dem iar, Christi vnsers herren. M.D xxvi vff Philippi vnd Jacobi gehalten, wider die lesterlich flucht, vnd dz verzwifflet abschreiben Vlrich Zwing- lins, worum er vff der disputation zuo Baden von den xij oerteren ersetzet nit wil erschinen, so er doch frey geleit hat dar vnd dannen zuo reien. Luzern 1526. Ders.: Ein christliche und brüderliche ermanung zuo dem hochgelerten doctor Mar- tino luter Augustiner orden zu Wittemburg. (Dz er etlichen reden von dem newen testament der heiligen messen gethon) abstande, und wid mit gemeiner christen- heit sich vereinige, Strassburg 1521. Ders.: Ein send brieff der acht Christlichen ort einer loblichen Eidtgnoschafft mit namen Lutzern, Ury, Schwytz, Underwalden, Zug, Friburg, Solathorn, Glariß, an ein lobliche herschafft von Bern flehelich, und uff höchst bittend und ermanendt, by dem alten waren Christlichen glauben zuo beliben, und sich der evangelischen und Lutherischen ketzerien nit beladen noch enteren sollen. Sin spötliche und un- früntliche antwurt der loblichen herschafft von Bern den obgenanten acht christ- lichen örtern gethon: und durch den druck uszgespreitet. Luzern 1529.

108 8. Literatur

Murner, Thomas: Ein wahrhaftiges Verantworten der hochgelehrten Doctores, die zu Baden auf der Disputation gewesen sind, in: Adolf Laube (Hrsg.): Flug- schriften gegen die Reformation (1525 - 1530), Berlin 2000, S. 284–309. Ders.: Ein worhafftigs verantworten der hochgelorten doctores vnd herren, die zuo Baden vff der disputation gewesen sint vor den.xij. ortern einer loblichen eidt- genosschafft wider das schentlich, erstuncken, vnd erlogen anklagen gen Vlrich Zwinglyns, das der fiertzig mal eerloss diebisch boesswicht vff die frummen herren geredt hat vnd in den druck hat lassen kummen. Vom Doctor Thoma. Murner gemacht, ob der Zwingly luestig wurde das er im das überig auch hin vss gebe nach dem rechten winckel mess. Luzern 1527. Ders.: Ein worhafftigs verantwurten der hochgelorten doctores und herren (1526), in: Wolfgang Pfeiffer-Belli (Hrsg.): Thomas Murner im Schweizer Glau- benskampf (Corpus catholicorum), Münster in Westfalen 1939, S. 7–38. Ders.: Hie würt angezeigt dz unchristlich frevel, ungelört und unrechtlich uss rieffen und fürnemen einer loblichen herrschafft von Bern ein disputation zuo halten in irer gnaden statt, wider die gemein Christenheit, wider das heylig gots wort ... im jar so man zalt 1528 uff den achten tag des Wolffmonds, Luzern 1528. Ders.: Marcii Antonii Sabellici Hystory von anbeschaffener Welt. Übersetzung der Enneades des Marcus Antonius Sabellicus; vollständige Faksimile-Ausgabe der Handschriften K 15 und K 3117 der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe so- wie der Handschrift Ms. 268 der Humanistenbibliothek in Schlettstadt, Karlsruhe 1987. Ders.: Murneri responsio altera contu melioso cuidam libello confilato Sebastiani hoffmeyster in Schaffhusen expulso Colloquium in Vlaniis (vt nominat) Christia- num adserentis, Luzern 1526. Ders.: Murneri responsio libello cuidam insigniter et egregie stulto Vlrici Zvuyn- gel apostate, heresiarche, ostendens Lutheranam doctrinam infamiam irrogare, et verbum dei humanum iudicem pati posse, Luzern 1526. Ders.: Murnerus in Lutheranorum perfidiam / ut infamiam, Quam sibimet contra ius gentium et nature irrogarunt / purgent / et vera non fucata spangia abstergant. Murneri responsio, cuidam insigniter asino lutherano / in nugas ludibria . sannas et scomata . barbariem atque sentes / que hic nequam et impudens bestia, in septem Christianos doctores quodam famoso. Thuregii expresso fabre / consuit, colo confilavit, exquisita imperitia constercovit. Luzern 1525. Ders.: Ursach und verantwortung, warum doktor Thomas Murner, kilchherr zuo Lutzern nit ist vff der disputation zuo Bern gehalten erschinen, Luzern 1527. Ders.: Von dem grossen Lutherischen Narren, Bd. IX (Thomas Murners Deutsche Schriften), Strassburg 1918.

109 8. Literatur

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110 8. Literatur

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111 8. Literatur

8.2. Darstellungen

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119 8. Literatur

Wanner, Konrad: Schreiber, Chronisten und Frühhumanisten in der Luzerner Stadtkanzlei des 15. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Lu- zern 18 (2000), S. 2–44. Weber, Peter Xaver: Beiträge zur altern Luzerner Bildungs- und Schulgeschich- te, in: Der Geschichtsfreund 79, (1924), S. 1–76. Ders.: Die Musegg zu Luzern, in: Der Geschichtsfreund 94 (1939), S. 1–36. Wicki, Hans: Geschichte der Cisterzienser-Abtei St. Urban im Zeitalter der Re- formation 1500-1550 (Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte. Beiheft), Freiburg/Schweiz 1945. Ders.: Staat, Kirche, Religiosität. Der Kanton Luzern zwischen barocker Tradition und Aufklärung (Luzerner historische Veröffentlichungen), Luzern, Stuttgart 1990. Wipf, Jakob: Reformationsgeschichte der Stadt und Landschaft Schaffhausen, Zü- rich 1929. Wirth, Jean: Der Strassburger Franziskaner Thomas Murner beschreibt mit pro- phetischem Eifer die Reformation als eine religiöse und politische Revolution und inszeniert den Bildersturm, in: Cecile Dupeux, Peter Jezler und Jean Wirth (Hrsg.): Bildersturm, Zürich 2000, S. 304–305. Wirz, Ludwig: Helvetische Kirchengeschichte. Aus Joh. Jakob Hottingers älterem Werke und andern Quellen neu bearbeitet, Zürich 1813. Wohlfeil, Rainer: ”Reformatorische Öffentlichkeit”, in: Ludger Grenzmann und Karl Stackmann (Hrsg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, Stuttgart 1984, S. 41–52. Zahnd, Urs Martin: Chordienst und Schule in eidgenössischen Städten des Spät- mittelalters. Eine Untersuchung auf Grund der Verhältnisse in Bern, Freiburg, Luzern und Solothurn, in: Zwingliana 22 (1995), S. 5–35. Zentralbibliothek Zürich (Hrsg.): Ulrich Zwingli. Zum Gedächtnis der Zürcher Reformation 1519-1919, Zürich 1919. Ziegler, Peter: Die Johanniter im Stadtstaat Zürich, in: Felix Richner, Chri- stoph Moergeli und Peter Aerne (Hrsg.): ”Vom Luxus des Geistes”, Zürich 1994, S. 71–99. Zinsli, Paul: Manuel und Murner. Die Begegnung zweier doppelt begabter Glau- bensstreiter in der Reformationszeit, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 50.3 (1988), S. 165–196. Ders.: Niklaus Manuels Satire von der ”Krankheit der Messe”. Verwandlungen eines frühneuhochdeutschen Textes, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimat- kunde 59.1 (1992), S. 3–58. Ders.: Notvolles Prädikantenschicksal, in: Reformatio 9 (1960), S. 366–373. Zünd, André: Gescheiterte Stadt- und Landreformationen des 16. und 17. Jahr- hunderts in der Schweiz, Basel 1999.

120 Sigel

ABaslerRef Dürr, Emil und Paul Roth (Hrsg.): Aktensammlung zur Ge- schichte der Basler Reformation in den Jahren 1519 bis Anfang 1534. 1519 bis Juni 1525. ABernerRef Steck, Rudolf und Gustav Tobler (Hrsg.): Aktensammlung zur Geschichte der Berner-Reformation, 1521-1532. ASchweizerRef Strickler, Johannes (Hrsg.): Actensammlung zur schweizeri- schen Reformationsgeschichte in den Jahren 1521-1532 im An- schluss an die gleichzeitigen eidgenössischen Abschiede. 1521-1528. AZürcherRef Egli, Emil (Hrsg.): Actensammlung zur Geschichte der Zürcher Reformation in den Jahren 1519-1533. Antwurt Schmid, Konrad: Antwurt Bruoder Conradt Schmids, Sant Jo- hansen Ordens Commenthür zuo Küssnach am Zürich See, uff etlich Wyderred dero so die Predig durch jn gethon in der loblichen Statt Lucern geschmächt und kätzerisch gescholten habend, antreffend dz Christus ein einig, ewig Houpt syner Kilchen, Gwalthaber unnd für Bitter syge. BRÄNDLY Brändly, Willy: Geschichte des Protestantismus in Stadt und Land Luzern. BULLINGER Hottinger, Johann Jakob und Friedrich Salomon Vöge- lin (Hrsg.): Heinrich Bullingers Reformationsgeschichte. Collectanea Cysat, Renward: Collectanea Chronica und denkwürdige Sachen zur Kirchengeschichte und zur kirchlichen Reform der Stadt Lu- zern, in: Collectanea chronica und denkwürdige Sachen pro chro- nica Lucernensi et Helvetiae. EA III Segesser, Philipp Anton (Hrsg.): Amtliche Sammlung der äl- teren Eidgenössischen Abschiede, Bd. 3, Abt. 2: 1500-1520. EA IV 1a Strickler, Johannes (Hrsg.): Amtliche Sammlung der älteren Eidgenössischen Abschiede, Bd. 4, Abt. 1a. 1521-1528. EA IV 1b Segesser, Philipp Anton (Hrsg.): Amtliche Sammlung der äl- teren Eidgenössischen Abschiede, Bd. 4, Abt. 1b. 1529-1532.

121 Sigel

Ermanung Hofmeister, Sebastian: Ein treüwe ermanung an die Strengen, Edlen, Festen, Fromen und weyszen Eidgnossen, das sy nit durch ire falschen propheten verfürt: sich wider die lere Christi setzend. KKKal Götzinger, Ernst: D. Thomas Murner Kirchendieb- und Ket- zerkalender, in: Zwei Kalender vom Jahre 1527. LIEBENAU Liebenau, Theodor von: Der Franziskaner Dr. Thomas Murner. SALAT Jörg, Ruth (Hrsg.): Hans Salat. Reformationschronik 1517-1534. ZwW I Egli, Emil (Hrsg.): Huldreich Zwinglis sämtliche Werke. Band I. ZwW II Egli, Emil (Hrsg.): Huldreich Zwinglis sämtliche Werke. Band II. ZwW IX Egli, Emil (Hrsg.): Zwinglis Briefwechsel. Die Briefe von 1527- 1528. ZwW VII Egli, Emil (Hrsg.): Zwinglis Briefwechsel. Die Briefe von 1510- 1522. ZwW VIII Egli, Emil (Hrsg.): Zwinglis Briefwechsel. Die Briefe von 1523- 1526.

122 A. Anhang

A.1. Sammelband II DD 381

1. Beclagung Tütscher Nation. Diß zeychen bedüt den text des propheten Hiere- mie. Diß zeychen bedüt die vßlegung des texts. Gedruckt zuo Schnerszheym an dem Kocherßberg in dem iar. M.D.XXVI. Schlettstadt: Küffer Nikolaus 1521.

2. Die beschwerungen des hayligen Rö. Rey. und besonderlich gatz Teutscher Na- tion vom Stul zu Rom in seiner anhagende Gaystlichait zu Worms im Reychsz- tag des 1521 jars Roe. Kay. May. von den Churfürsten Fürste vn Stende des Reychs ernstlich fürpracht. Augsburg: Sig. Grimm und Max Wirsung 1521.

3. Ein kurtz Gedicht so nüwlich ein thurgowischer Pur Docter Martin Lutrer unnd siner Leer zuo Lob und synen Widerwerttigenn zuo Spott gemacht hat. Zürich: Christoph Froschauer d. Ä. 1521.

4. Der Ritterschafft Brüderliche verainigung, gesellschaft od[er] verstentnuss jung- st zuo Landaw, fürnemlich Got zu lob. Vnd dann folgendt merung gemainen nutz, auch fürderung Fridens vnnd Rechtens auffgericht. Augsburg: Steiner 1522.

5. Die hungerisch botschaft zuo Norimberg in versamlung der fürsten vnd ständ des hailigen Römischen reichs, Am XXIX. tag des wintermonendts, beschehen Anno c. M.D.XXIJ. Augsburg: Sigmund Grimm 1522.

6. Eyn lobliche vnd Christliche Ordnung der hochberümpten stat Nürmberg / von dem hussarmer vnd ander Bettellüt Almuosen. Welche wydrig vnd vastnützlich were einen yeden land / stat oder gemainden/mit allem fleiss anzenemen vnd nachzefolgen. Nürnberg 1522.

7. Von gaistlich gevalt und würdigkhait, Warer und rechter gehorsam, unnd wievil der Prelaten gepott unnd gesatz die underthon verpinden. Augsburg: Sigmund Grimm 1522.

8. Marx Bongnol: Ain Sendbrief. So der Cantzler von Rodis mit namen Marx Bongnol. Aim Edelman In Candia zü geschriben hat, newe zeytung von Rodis Wie sych der Türck darfür gelegert hat. Augsburg: Ramminger 1522.

123 A. Anhang

9. Francesco Cheregato: Die verteutscht Oration vnd werbung so Bäpstlich heilig- keit, durch iren Legaten, vnd Orator vor K. M. vnsers aller gnedigsten herren Statthalter, Churfürsten, Fürsten, vnd gemeinen stenden des heiligen Römi- schen Reichs zuo Nürnberg auff den neunzehenden tag Nouembris, Anno xxij. hat thuon lassen. Basel: Adam Petri 1522.

10. Hartmut von Cronberg: Ein trewe vermanung an alle stende unn geschickten auff dem Reichstage jetzundt zu Nürnberg von einem armen verjagten vom Adel mit beger solich vermanung unn treüwen radt zu hüren die keinen standt im Reich haben. Strassburg: Johann Schott 1522.

11. Hartmut von Cronberg: Eyn hüpsch Cristenliche und Götliche erinnerung und warnung, so Kayserlicher Maiestat vö eynem jren Kayserlichen Maiestat armen Reüterlyn, und underthenigem diener beschicht. Strassburg 1522.

12. Hartmut von Cronberg: Ableynung des vermeinlichen unglimpffs so dem An- dechtigen Hochgelerten und Christenlichen fatter Doctor Martin Luther An- gustiner ordens. u[sw] von vielen zuogelegt jn dem das er vnsern vatter den bapst ein Vicari des Teüfels vnd Antecrist u[sw] genant hat. Strassburg: Jo- hann Schwan 1524.

13. Hartmuth von Cronberg: Ein kurtz treüwe Christliche vermanung an die Eyd- gnossen. Basel: Adam Petri 1522.

14. Erasmus: Ratschlag eins der von hertzen begerdt das gnug besche des Römi- schen stuls wirdickeit und dar zu des Christenlichen stands frid. Basel: Adam Petri 1521.

15. Desiderius Erasmus: Ein schön Epistel Erasmi von Roterdam, das die Evange- lisch ler von yederman sol gelesen und verstanden werden. Basel: Adam Petri 1522.

16. Pamphilus Gengenbach: Der gestryfft Schwitzer Baur. Disz büchlin hat ge- macht ein Baur ausz dem Entlibuch, Wem es nit gefall der küsz im die bruch. Basel: Pamphilus Gengenbach 1522.

17. Pamphilus Gengenbach: Ein cleglichs gesprech geschähen nit weit von Trient uff der Römer strass von einem Apt Curtisanen und dem Teüfel wider den frommen Pabst Adrianum. Basel: Pamphilus Gengenbach 1522.

18. Pamphilus Gengenbach: Der Ewangelisch burger. Basel: Pamphilus Gengen- bach 1523.

124 A. Anhang

19. Pamphilus Gengenbach: Novella. Wär jemandtz der new mär begärt Der wirt in disem büchlin gwärt. Er wirt hören gross obenthür Die do kurztlich ist gangen für. Basel: Pamphilus Gengenbach 1523.

20. Pamphilus Gengenbach: Von drien Christen. Dem Römischen Christen;Dem Böhemschen Christen;Dem Thürckischen Christen. Basel: Pamphilus Gengen- bach 1523.

21. Erhard Hegenwald: Handlung der versamlung in der loeblichäe statt Zürich vff den xxix tag Jenners vonn wegen des heyligen Euangelij zwischäe der ersamen treffenlichen bottschafft von Costentz: Huldrichen Zwinglij predigers des Eu- angelij Christi: und gemeiner priesterschafft des gantzen gebiets der egenanten statt Zürich vor geseßnem radt beschehäe. Zürich: Christoph Froschauer d. Ä. 1523.

22. Charles de Lannoy: Translation uss hispanischer sprach zuo Frantzösisch ge- macht, so durch den Vice Rey in Neapols, Fraw Margareten Hertzoginn inn Burgundi zu geschriben. Basel: Pamphilus Gengenbach 1522.

23. Martin Luther: Das Magnificat verteutschet vnd vszgelegt durch D. Marti- nu(m) Luther Augustiner. Basel: Adam Petri 1521.

24. Martin Luther: An die Kirchen zuo Erdtfurt in got versamlet, Epistel unnd underricht von den heyligen. Basel: Adam Petri 1522.

25. Martin Luther: Ein predig D. Martini Luthers uff sant Johannes tag von feyren und ere erbietung den heiligen Wittemberg, M.D.XXij. Basel: Adam Petri 1522.

26. Martin Luther: Vom Eelichen Leben. Martinus Luther. Da zu(o) dz er auch ytzt newlich gemacht hat/ welche person verpotte(n) seyen zu(o) eeliche(n)/ früntschafft vnd mogschafft halb. Basel: Adam Petri 1522.

27. Martin Luther: Von menschen leren zu(o) meiden. D. Martinus Luther. Basel: Adam Petri 1522.

28. Marcellus; Hermann dem von Busche: Passion D. Martins Luthers oder seyn lydung. Strassburg: Prüss 1521.

29. Johann von Raidbach Feldkirch: Ain christliche Mainung von den Wercken der Menschen, wie man die vor Got nutzlich und verdienstlich machen sol. Allen christglaubigen Menschen nutzlich zuo wissen. Zürich: Christoph Froschauer d. Ä. 1523.

125 A. Anhang

30. Urbanus Rhegius: Ain predig Von der hailigen junckfrauwen Catharina/ Doc- toris Vrbani Regij Thu(o)mpredigers zu Augspurg/ gepredigt im M.D.XXI. Iar. Augsburg: Otmar Silvan 1521.

31. Konrad Schmid: Antwurt Bruoder Conradt Schmids, Sant Johansen Ordens Commenthür zuo Küssnach am Zürich See, uff etlich Wyderred dero so die Predig durch jn gethon in der loblichen Statt Lucern geschmächt und kätzerisch gescholten habend, antreffend dz Christus ein einig, ewig Houpt syner Kilchen, Gwalthaber unnd für Bitter syge. getruckt jm Jar nach der Geburt Christi do man zalt 1522. Zürich: Christoph Froschauer d. Ä. 1522.

32. Jacob Schorr: Etlich Artickel gottes lob und des heilige[n] Roemischen Reichs und der gantzen Teutschen nation ere und gemeynen nutz belangend. Ein Christliche verwarung zu allen Christen, wie man sich gegen dem heiligen Evangelio halten sol. Strassburg: Prüss 1521.

33. Joachim Vadianus(?): Karsthans. Basel: Adam Petri 1521.

34. Joachim Vadianus: Der schlüssel Dauid. Ich schleüß auff die finsterniss Egypt, Tröst meine freündt, nach dem sichs begibt Zu den die Sonne ir krafft mag han. Basel: Adam Petri 1523.

35. Huldrych Zwingli: Ein predig von der Ewigreinen magt Maria der muter Jesu Christi vnsers erlösers Zürich gethon vonn Huldrychen Zwingli im[m]. M.D.xxij. Jar Christus Mathei. xi. Zürich: Christoph Froschauer d. Ä. 1522.

126 A. Anhang

A.2. Kalenderansichten

Abbildung A.1.: Kalenderfragment. Augsburg 1518

127 A. Anhang

Abbildung A.2.: Hercules Germanicus. Hans Holbein 1522

128 A. Anhang

Abbildung A.3.: Wandkatechismus. Froschauer 1525

129 A. Anhang

Abbildung A.4.: König Josias lässt die Götzen zerstören. Scheibenriss von Niklaus Manuel 1527

130 A. Anhang

Abbildung A.5.: König Ezechias lässt die Götzen zerstören. Federzeichnung von Thomas Murner 1532-1535

131 A. Anhang

Abbildung A.6.: Wie man die Zeichen verston sol. Luzern 1527

132 A. Anhang Du solt nit stehlen. Lithographie 1848 Abbildung A.7.:

133 A. Anhang Du solt nit stelen. Luzern 1527 Abbildung A.8.:

134 A. Anhang Kirchendieb- und Ketzerkalender. Luzern 1527 Abbildung A.9.:

135 A. Anhang Evangelischer Kalender von Johann Copp. Zürich 1526/27 Abbildung A.10.:

136 A. Anhang Christus vera lux. Hans Holbein 1526 Abbildung A.11.:

137 A. Anhang Ablasshandel. Hans Holbein 1526 Abbildung A.12.:

138 A. Anhang

Abbildung A.13.: Titelblatt Antwurt. Conrad Schmid Zürich 1522

139 A. Anhang

Abbildung A.14.: Schlussblatt Antwurt mit Notizen von Werner Steiner 1522

140 A. Anhang

Abbildung A.15.: Titelblatt Ermanung. Sebastian Hofmeister Basel 1523

141 A. Anhang

Abbildung A.16.: Titelblatt Beerentestament. Luzern 1528

142 A. Anhang

Abbildung A.17.: Schlussblatt Beerentestament. Luzern 1528

143 Abbildungsverzeichnis

1.1. Murner mit Drachenschwanz und Katzenkopf. Strassburg 1521....2 1.2. Lutherischer Narr (Ausschnitt). Strassburg 1522...... 4 1.3. Der gestryfft Baur (Ausschnitt). Basel 1522...... 6 1.4. History Von den fier Ketzren Prediger (Ausschnitt). Strassburg 1521.7 1.5. Ausschnitt aus einem Wand-Kalender. Nürnberg 1554...... 10 1.6. Murner mit dem Gauch auf der Schulter. Novella Basel 1521..... 12 1.7. Murner als Kater im Gespräch mit Karsthans. Strassburg 1521.... 14

2.1. Verteilung von Pensionengelder (Ausschnitt). Diebold Schilling 1513. 18 2.2. Johannes Zimmermann oder Xylotectus (Ausschnitt). Hans Holbein um 1520...... 21 2.3. Ein predig D. Martini Luthers. Adam Petri Basel 1522. Lutherschrift aus dem Sammelband II DD 381...... 23

3.1. Auszug aus der Hofkirche (Ausschnitt). Diebold Schilling 1513.... 26 3.2. Briefkopf Johannes Bodler an Magister Conrad Schmid 1522..... 33

4.1. Sebastian Hofmeister. Ausschnitt aus einem Flugblatt von 1650... 36 4.2. Titel der Flugschrift Ein treüwe ermanung. Basel 1523...... 40 4.3. Druckermarke von Adam Petri. Basel 1524...... 46 4.4. Widerruf von Adam Petri (Ausschnitt mit Randnotiz von Cysat). Basel 1523...... 48 4.5. Titel der Flugschrift Ain treue Ermanung. Augsburg 1523...... 49

5.1. Druckermarke von Hans Hager. Zürich 1524...... 58 5.2. Niklaus Hottingers Enthauptung in Luzern 1524. Heinrich Thomann Zürich 1605...... 60 5.3. Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen (Ausschnitt). Thomas Murner 1532...... 61 5.4. Murners Emblem für Ketzerverbrennung. Luzern 1527...... 63 5.5. Personal beim Rychsstag. Froschauer Zürich 1526...... 66 5.6. Karsthans, der witzige Bauer. Adam Petri Basel 1521...... 67 5.7. Zwingli am Galgen. Randnotiz aus Die gots heylige meß. Luzern 1528 72

144 Abbildungsverzeichnis

6.1. Christus das wahre Licht. Hans Holbein 1526...... 77 6.2. Christus vera lux. Pieter Cornelisz Kunst um 1530...... 78 6.3. Geistliche, Philosophen und Gelehrte. Hans Holbein 1526...... 79 6.4. Kommet zu mir aus De vera et falsa religione. Zürich 1525...... 81 6.5. Du solt nit stelen. Luzern 1527...... 84 6.6. Zeichenerklärungen (Auswahl). Luzern 1527...... 85 6.7. Kirchenraub, Grabschändung und Bildersturm. Luzern 1527..... 89

7.1. König Josias zerstört die Götzen (Ausschnitt). Niklaus Manuel 1527. 94 7.2. Des alten Christlichen beern Testament. Luzern 1528...... 96 7.3. König Ezechias zersört die Götzen (Ausschnitt). Thomas Murner 1532- 1535...... 99 7.4. Ich binn nit Spangisch / binn nit Zwinglisch. Luzern 1528...... 102

A.1. Kalenderfragment. Augsburg 1518...... 127 A.2. Hercules Germanicus. Hans Holbein 1522...... 128 A.3. Wandkatechismus. Froschauer 1525...... 129 A.4. König Josias lässt die Götzen zerstören. Scheibenriss von Niklaus Ma- nuel 1527...... 130 A.5. König Ezechias lässt die Götzen zerstören. Federzeichnung von Tho- mas Murner 1532-1535...... 131 A.6. Wie man die Zeichen verston sol. Luzern 1527...... 132 A.7. Du solt nit stehlen. Lithographie 1848...... 133 A.8. Du solt nit stelen. Luzern 1527...... 134 A.9. Kirchendieb- und Ketzerkalender. Luzern 1527...... 135 A.10.Evangelischer Kalender von Johann Copp. Zürich 1526/27...... 136 A.11.Christus vera lux. Hans Holbein 1526...... 137 A.12.Ablasshandel. Hans Holbein 1526...... 138 A.13.Titelblatt Antwurt. Conrad Schmid Zürich 1522...... 139 A.14.Schlussblatt Antwurt mit Notizen von Werner Steiner 1522...... 140 A.15.Titelblatt Ermanung. Sebastian Hofmeister Basel 1523...... 141 A.16.Titelblatt Beerentestament. Luzern 1528...... 142 A.17.Schlussblatt Beerentestament. Luzern 1528...... 143

145 Danksagung

Ein besonderen Dank gilt Professor Dr. Valentin Groebner, der mich in der Aus- wahl des Themas unterstützte und mir für die Gestaltung und Ausführung freie Hand liess. Vielen Dank auch an Professor Dr. Markus Ries, der mich vor allem in der Anfangsphase beriet und mir eine heliografische Kopie des Kirchendieb- und Ketzerkalenders zukommen liess. Herzlichen Dank an meine Lektoren, vor allem an Pius Wiprächtiger und Anna Jurt, denen ich viele Anregungen und Verbesserungen verdanke.

Luzern, 15. Dezember 2010

Hans Jurt