Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

HERIBERT SMOLINSKY

Thomas Murner und die katholische Reform

Originalbeitrag erschienen in: Thomas Murner : Humaniste et théologien alsacien 1437-1537; Exposition de la Bibliothèque Nationale et Universitaire de et de la Badische Landesbibliothek de Karlsruhe. Karlsruhe: Verl. Badenia, 1987, S. 35-50 THOMAS MURN ER Humaniste et thologien alsacien 1475-1537

Exposition de la Biblioth6que nationale et universitaire de Strasbourg et de la Badische Landesbibliothek de Karlsruhe

Catalogue dexposition edite par la Badische Landesbibliothek de Karlsruhe en collaboration avec la Biblioth6lue nationale et universitaire de Strasbourg Verlag Badenia, Karlsruhe 1987 Thomas Murner und die katholische Reform Heribert Smolinsky, Bochum

„Ist es denn Gottes Wille, daß es jetzt zu einer Besserung kommt, und zwar in bezug auf alle Mißbräuche seiner Kirche, nicht nur in bezug auf die, die Du nennst, sondern in bezug auf alle anderen in allen Ständen auch, die Du nicht nennst, so geschehe sein göttlicher Wille im Himmel und auf Erden; wir wol- len untertänig gehorsam sein . . ."I Als der Franziskaner Thomas Murner im Dezember 1520 diesen Satz in seiner Schrift An den grosvnechtigsten und Durch- tüchtigsten adel tütscher nation . . . wyder . . . Martinuin Luther formulierte, war er schon in heftige Kontroversen mit dem Wittenberger Augustiner und des- sen Anhängern verwickelt, die auch in Straßburg immer zahlreicher wurden. Drei Traktate hatte er kurz vorher, im Abstand von nur wenigen Tagen, gegen Luther herausgebracht. Dieser vierte setzte sich mit dessen populärster und wirksamster Schrift An den christlichen Adel deutscher Nation auseinander. Lu- ther hatte in ihr neben seinen grundlegenden theologischen Überlegungen wie dem Priestertum aller Gläubigen auch Teile aus den bekannten Gravanzina, also den Forderungen der Beschwerdeschriften der weltlichen Stände gegen die Geistlichkeit und die Römische Kurie, aufgenommen und sie rhetorisch wirksam verwertet sowie seinen Intentionen dienstbar gemacht. Während Murner in den theologischen Fragen keine Kompromisse einging und in dem Reformator nur einen Zerstörer des alten katholischen Glaubens sah, verrät der oben zitierte Satz, daß die Situation sich für ihn anders darstellte, als es um die Reform der Mißbräuche ging. In diesem Punkte widersprach er nicht di- rekt, sondern begnügte sich damit, die Entscheidung dem Willen Gottes zu überlassen und im übrigen zu kritisieren, daß Luther nur die Geistlichkeit, nicht aber die weltlichen Stände angeklagt habe. Der Grund, weshalb Murner auf diese Weise reagierte, lag nicht allein darin, daß es so gut wie unmöglich war, die Reformbedürftigkeit der Kirche zu leug- nen. Es gab eine tiefere Ursache: Murner selbst vertrat den Gedanken einer Reform, die in seinem Leben und Werk eine wichtige Rolle spielte, und es war ihm deshalb nicht möglich, in diesem Punkte die Vorschläge Luthers einfach abzulehnen. Die Geschichtsschreibung hat dieses Faktum mit den verschie- densten Qualifikationen versehen. Das Spektrum reicht vom „Vorreforma- tor" über „Wetterzeichen der " 2 und dem überzogenen Vergleich mit Savonarola3 bis zu der ausgewogenen Darstellung seines Kampfes „um die Kontinuität der kirchlichen Lehre und die Identität des Christenmenschen in den Jahren 1511-1522". 4 Diesen verschiedenen Deutungen von Person und Werk Thomas Murners, welche u. a. durch die Komplexität seines Lebens be- dingt sind, soll hier keine neue umfassende Interpretation hinzugefügt wer- den. Es wird lediglich versucht, seine reformerische Kritik und ihre Eigenart zusammenfassend darzustellen und sie in den Gesamtkomplex „Katholische Reform der Frühen Neuzeit" einzuordnen. Ein erster Zugang zu dieser Problematik ergibt sich aus der historischen Situa- tion, in der Murner lebte. Aus der Fülle der Aspekte, die man nennen könnte, seien einige herausgegriffen. Murner wurde in einer Zeit des Oberganges und, der Neuaufbrüche geboren. Geistige Bewegungen wie Renaissance und Hu- manismus bestimmten große Teile des gebildeten Bürgertums und des Adels und hatten ein Klima geschaffen, das z. B. an den Klerus höhere Ansprüche als in früheren Zeiten stellte. Das Vordringen des komplizierten römischen Rechtes und der studierten Juristen beunruhigte weite Kreise, vor allem auch die Bauern, welche ohnehin durch Mißernten, hohe Abgaben etc. bedrängt waren und im Verbund mit den Handwerkern einen Herd sozialer Unruhen bildeten. Die Stärkung des Territorialfürstentums und die Schwäche des Hei- ligen Römischen Reiches ließen den Ruf nach einer umfassenden Reichs- und Kirchenreform laut werden, die sich z. B. in der anonymen Reformatio Sigis- mundi des 15. Jahrhunderts artikulierte. Systembedingt wandten sich in den Beschwerdepunkten (Gravamina) seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Reichstage und Städte ebenso gegen die Römische Kurie und die Geistlich- keit wie umgekehrt der Klerus seine Gravamina gegen Magistrate und Fürsten verfaßte. Es ist kein Wunder, daß auch in der Kirche des 15. und 16. Jahrhunderts das Wort „Reform" wie ein Leitmotiv immer wieder aufklang. Im einzelnen konn- te sich allerdings dieser Gedanke sehr unterschiedlich ausprägen. So verstan- den sich die beiden großen Konzilien von Konstanz und Basel im 15. Jahrhun- dert sowie das Fünfte Laterankonzil (1512-1517) als Reformveranstaltungen und erließen entsprechende Dekrete gegen die Ämterkumulation, Dispens- praxis, ein überzogenes Fiskalsystem etc., ohne eine durchgreifende Wirkung zu erzielen. Immerhin hielten sie die Reformidee wach. Wirksamer waren Be- wegungen, die über eine reine Organisationsfrage hinausgingen und mit dem Schwerpunkt auf Spanien und Italien seit dem 19. Jahrhundert als die eigentli- che „katholische Reform" bezeichnet werden. Dazu gehörten die Observanz- bestrebungen der verschiedenen Orden, welche auf eine rigoristische Ausle- gung der Ordensregel drängten und die wachsende Diskrepanz zwischen Ide- al und Wirklichkeit beseitigen wollten. Auf der Ebene der Frömmigkeitspraxis entwickelte sich die „devotio moderna", eine sich auf die Bibel stützende, oft von Laien getragene und auf Verinnerlichung drängende Bewegung. Im bibel- orientierten „Evangelismus" setzte man in Frankreich, Spanien und Italien Sti Doe bat) !atm ea xtie gor f se i b 3ii babeit bat Kri fitvt (na 7 ;etc e,, Pattrin eicecurditilbigcn lie C9r prea. ee big ra offalke gelabett intrare eao Alk weit fice %veteii, tvitat. den Quellen) verstärkend wirkte. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts fand schließlich der Bibelhumanismus in Erasmus von Rotterdam seinen imponie- rendsten und wirkmächtigsten Vertreter, der die Schrift als Mittel der Kirchen- und Frömmigkeitskritik einsetzte und mit dem Ideal einer „philosophia chri- stiana" neue Maßstäbe setzte. Schon früher hatten Männer wie Nikolaus von Clemanges und der Universitätskanzler Jean Gerson (t 1429) in eine pra- xisnahe, für die Seelsorge brauchbare Theologie zu entwickeln versucht und die lebensfremde, übermäßig spekulative Spätscholastik kritisiert. Die Rezeption der Gersonschen Theologie und ihrer Reformbestrebungen führt direkt in die Reichsstadt Straßburg und damit zu dem konkreten Ort, wo Thomas Murner seine prägenden Erfahrungen mit Kirche, Reich und städti- scher Gesellschaft machte. Es waren Geiler von Kaysersberg, Jakob Wimphe- ling u. .a., welche editorisch die Werke des Pariser Kanzlers im deutschen Sprachraum bekanntmachten und selber von dessen Ideen ergriffen waren, ohne daß sie im strengen Sinne als „Reformatoren" bezeichnet werden kön- nen. Murner hatte mit ihnen Kontakte, und obwohl er 1502 eine harte Kontro- verse mit Wimpheling und dessen Freunden ausfocht, besteht kein Zweifel, daß seine eigene Idee von Kritik und Reform durch dessen Straßburger Kreis geprägt wurde. Die Predigten des berühmten Münsterpredigers Geiler hat er wahrscheinlich selbst gehört, wie ein Brief von ihm 1502 nahelegt, und sein Ordensbruder Johannes Pauli gab dessen Predigten heraus. Was später die Murnersche Predigt, ihre Form und ihre reformerische Absicht charakterisiert, konnte er hier lernen: den Sinn für das Konkrete, die Sittenpredigt, die emble- matische und allegorisch arbeitende Methode und die von Gerson übernom- mene Forderung nach einer an der Praxis orientierten Theologie. Aber noch ein dritter Straßburger beeinflußte ihn entscheidend: der Stadtschreiber und Dichter . Die literarische Form der Satire, in die Murner später seine Sittenkritik aller Stände kleidete, war im Narrenschiff Brants vorgebildet und wurde übernommen. Neben dieser Straßburger Atmosphäre bildete der Eintritt in das berühmte Franziskanerkloster der Stadt ein zweites Element, welches sein Leben und Werk bestimmte. Murner wurde damit in die Tradition einer lebendigen und intensiven franziskanischen Predigt hineingenommen, deren von der Regel vorgeschriebene moralisierende Tendenz und deren Volkstümlichkeit sich gut mit den städtischen Vorbildern traf, so daß sie die Ausgangsbasis für die eige- ne Kritik sein konnte. Sein Eintritt in das Kloster des nicht reformierten Zwei- ges der Franziskaner (Konventualen) bedeutete aber auch, daß er zeit seines Lebens die Ideen der Observanzbewegung strikt ablehnte, was mit dazu bei- getragen haben mag, daß sein Reformgeist immer sehr konservative Züge trug. In einer Widmung an den Ritter Hans Bock sprach er 1521 vom „Affen- spiel", und meinte wohl die Observanten, welche auf Äußerlichkeiten bezo- gen seien, was einem „frommen, aufrichtigen, redlichen christlichen Mann"5 nicht anstehe. In der Narrenbeschwerung stellte er der Observanz die Werke der Barmherzigkeit gegenüber, die wichtiger seien als eine genaue Beachtung äu- ßerer Regeln. Da in diesem Falle eine organisatorisch-spirituelle Reform des Ordens nicht im Blickfeld Murners lag, ergab sich die Predigt als der Raum, in dem er für die Besserung der Christenheit wirksam werden konnte. An diesem Punkte stößt allerdings die Forschung auf ein schwieriges Problem: Murner hat zwar in sei- ner Schrift De . . . reformatione poetarum, Straßburg 1509, eine Theorie der Pre- digt geschrieben, aber kaum Texte hinterlassen, die seine eigenen Ansprachen überliefern. Ein Brief Jakob Wimphelings vom 26. Juli 1502 belegt, daß Murner in Straßburg gegen konkrete Mißstände eiferte, z. B. gegen die auch von Gei- ler von Kaysersberg kritisierte Unsitte, Tiere mit zur Kirche zu bringen. Wie ein Präludium zu seinen späteren Satiren klingt es auch, wenn er auf der Kan- zel von Frauen gesprochen haben soll, die Gelübde an den Gräbern der Heili- gen ablegten, damit ihre Männer bald stürben. Allzu hilfreich sind aber solche Einzelheiten nicht, wenn man den „Prediger Murner" historiographisch fas- sen will. Aus demselben Jahr ist noch eine predigtähnliche Quelle überliefert, und zwar dieses Mal im Wortlaut. Es handelt sich um die Rede Murners, die er 1502 vor dem Provinzkapitel der Franziskaner in Solothurn hielt. Sie ist aber zu rheto- risch gearbeitet, um ernsthafte Rückschlüsse auf seine Reformabsichten zie- hen zu können. In allgemeiner Weise wird das Ideal eines Ordensoberen vor- gestellt, der liebevoll, aber streng seine Kommunität leiten und die Tugenden fördern, die Fehler der Untergebenen bestrafen soll. Aus dem Jahre 1511 stammt schließlich das Konzept einer emblematischen Predigt, wie Murner sie bei Geiler von Kaysersberg lernen konnte. Es ist als Druck unter dem Titel Arma patientie contra omnes seculi adversitates erhalten und dürfte die Grundlage der Frankfurter Adventspredigten desselben Jahres ge- wesen sein. Inhaltlich legt Murner darin sein eigenes Wappen aus, das er seit seiner Dichterkrönung durch Kaiser Maximilian 1. führen durfte. Reformge- danken enthält der Text höchstens insofern, als er auf eine christliche Lebens- weise zielt, die im gelassenen und auf Christus vertrauenden Ertragen aller Widerwärtigkeiten der Welt besteht, also die Geduld als christliche Tugend proklamiert. In einem anderen Punkte ist dieser Text interessant. Ein beige- druckter Brief an den Frankfurter Philipp Keylbach, einen Freiburger Studien- freund Murners, belegt, daß der Franziskaner als Prediger großen Zulauf hat- te, aber wegen seines Stiles auch angegriffen wurde, weil er sich zu wenig an der Schrift orientierte. Daraus darf man den Schluß ziehen, daß Murner zu- mindest kein erkennbares bibeltheologisches Programm predigte, wenn auch die Anna patientie immer wieder Bezug auf die Schrift nehmen. Aber das ge- schieht in assoziativer, nicht in systematischer und aus einem vom Schrifttext vorgegebenen Zusammenhang argumentierender Form. Für Murners Idee ei- ner Kirchenreform wird sich diese Beobachtung als wichtig erweisen. Der bis jetzt abgeschrittene Weg von den allgemeinen historischen Bedingun- gen bis zur Predigt Murners und ihrer dürftigen Oberlieferung führt notwen- dig auf die eigentliche Quellengattung hin, in der sich die zeitgenössischen Verhältnisse niederschlugen und wo er seine Kritik an Klerus und Laien vor- trug: die Salisl, Ihr enger und grundlegender Zusammenhang mit der Predigt ist von Murner selbst immer wieder betont und von der Forschung als richtig bestätigt worden. Geht man davon aus, daß seine Predigt auf die individuelle Sittenverbesserung zielte, alle Stände kritisierte und nach dem Straßburger Vorbild als Moralpredigt die katholische Reform vortrug, so sind die Satiren ihre transponierte, verfremdete literarische Form, in der Murner seine Anlie- gen publikumswirksam formulierte. Ob sie vorher immer als Predigt aufgear- beitet und vorbereitet worden sind, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Murners Behauptung, er habe während seiner Tätigkeit in Frankfurt über die Schelmenzunfft gepredigt („Die Schelmenzunft mit ihrem Orden, zu Frankfurt ist gepredigt worden"6), könnte eine literarische Fiktion sein. Der enge Zu- sammenhang der Satiren mit der Konzeption einer Predigt ist dennoch beleg- bar: Man kann nachweisen, daß ihre Disposition nach den Regeln der mittelal- terlichen Ars praedicandi aufgebaut wurde. Es sind mehrere Gründe zu nennen, weshalb Thomas Murner sich seit 1512 des Stilmittels der Satire bedient hat. Sicherlich wirkte das Vorbild Sebastian Brants auf ihn ein, und es ist denkbar, daß die ersten Entwürfe Murners schon vor dem Jahre 1512 liegen. Das Narrenschiff wird bewußt in der Narrenbeschwe- rung fortgesetzt: Brant rief die Narren, Murner will sie beschwören. Einen zweiten Grund sieht der Franziskaner darin, daß die Effizienz der Strafpredig- ten sehr gering ist und keinerlei reformerische Kraft von ihnen ausgeht; im Ge- genteil, die Zuhörer bedrohen den Prediger, anstatt auf ihn zu hören. Anders ist es mit der Narrendichtung, die anziehend wirkt und jedem die Chance eröffnet, sich in einem der Narren wie in einem Spiegel zu erkennen, so daß er zur Besserung bereit ist. Ein dritter Grund darf nicht übersehen werden: Mur- ner versteht sich selbst als poetische Naturbegabung. Warum sollte et nicht in seiner Person eine Forderung wahrmachen, die er selbst aufgestellt hatte „Nemo poeta nisi theologus" („niemand kann ein Dichter sein, wenn er nicht ein Theologe ist")'? So traf sich in ihm der Poet und der Theologe, der in Rei- men und Bildern wirksam das ausdrückte, was eine Predigt auf Grund be- stimmter Kommunikationsschwierigkeiten nicht leisten konnte.

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D6 Ehe die Murnerschen Satiren Narrenbeschwerung, Schelmenzunfft, Mühle von Schwyndelszheym, Geuchmat nach ihrer Aussagekraft für die Reform befragt werden, ist im Vorfeld noch vor zwei Fehlschlüssen zu warnen. Der erste be- steht darin, daß man einen erschöpfenden Überblick über die Reformforde- rungen der Zeit erwartete. Murner hat weder systematisch noch umfassend gearbeitet. Daran hinderte ihn sowohl sein Drang zur Volkstümlichkeit, die auf Wirkung bedacht sein mußte, als auch das Stilmittel der Satire, die kein sy- stematischer Traktat sein will. Damit zusammenhängend sollte man sich zwei- tens davor hüten, die verfremdende Stilform der Narrenliteratur für ein ge- naues Abbild der Realität zu halten und daraus vorschnell absolut gültige Rückschlüsse auf die historische Situation der Kirche vor der Reformation zu ziehen, wie das in der Literatur öfter geschehen ist.' Die sogenannte „Pulver- faßtheorie", also die Ansammlung von Zündstoff vor der Reformation in Form eines allgemeinen Niederganges, kann aus den Satiren Murners trotz aller Kri- tik nicht bewiesen werden. Gerade die verallgemeinernde Aussage der Texte sollte davor warnen. Unter Berücksichtigung dieser Vorbehalte ergibt die Analyse folgendes Bild. Murner teilt die zeitgenössische Vorstellung, daß die ganze Christenheit bes- serungsbedürftig sei und schon deshalb so gut wie niemand geschont werden dürfe. In der Narrenbeschwerung, dem umfassendsten Stück, ist eine Sozialkri- tik zugunsten der kleinen Leute und der Bauern ebenso vorhanden wie die bit- tere Ironie über das geldgierige Verhalten derÄrzte, die Kniffe der Advokaten, die Fehler des Klerus und die Lächerlichkeiten verliebter Frauen und Männer. Das letztere Thema wird in der Mühle von Schwyndelszheym und in der Geuchmat weiter ausgefaltet. Ebenso erfaßt die Schelmenzunfft alle Stände und Berufe mit ihren Fehlern und Lastern, so daß sich Parallelen mit Erasmus von Rotterdam nahelegen, der fast zeitgleich in seinem Narrenbuch „Moriae Encomium" (Laus stultitiae; Lob der Torheit) subtil, geistreich und ironisch eine ähnliche Kritik vortrug. Aber Murner ist in seinen Satiren popularisierender, direkter und vereinfachender; es fehlt der doppelsinnige Hintergrund, welcher das Werk des großen Humanisten auszeichnet, dessen letzte Tiefe nur wenige Le- ser verstanden haben. In einer für das durchschnittliche Publikum geschriebenen, durch Holzschnit- te unterstützten, veranschaulichten und einprägsam dargebotenen Form prä- sentieren sich auch die Stücke, welche im engeren Sinn auf die Besserung der Kirche und damit auf eine katholische Reform zielen. Was für das Ganze gilt, bleibt bestehen: ein Programm fehlt. Aber in lebendiger Weise bietet Murner ein Sittenbild und eine Kritik, die bei näherem Zusehen in vielen Punkten mit den Forderungen übereinstimmt, wie sie in den Gravamina, den Konzilsbe- schlüssen und zahlreichen zeitgenössischen Gutachten erhoben werden. Die Formung der christlichen Frömmigkeit ist ein erster wichtiger Punkt, der in diesem Zusammenhang genannt werden kann. Grundsätzlich hat Murner die Linie durchgehalten, welche er bei seiner Kritik der franziskanischen Obser- vantenbewegung einschlug: der- fromme Christ unterscheidet sich von seiner Umwelt nicht durch eine besondere Kleidung und ein übermaß an Bußübun- gen, sondern durch sein sozial-karitatives Verhalten und die Fähigkeit, wahre Sündhaftigkeit, z. B. subtile Verstöße gegen das Gebot der Nächstenliebe, zu entlarven. So verwirft er eine skrupulante Frömmigkeit, die sich nicht mit ei- ner maßvollen Buße begnügt, sondern ständig neue religiöse Obungen unter- nimmt, um die Sünden zu tilgen. Er argumentiert mit dem Apostel Paulus und weist auf die Barmherzigkeit Gottes hin. Bei dem schwierigen Problem, das Verhältnis zwischen Buße und Vergebung, frei geschenkter Gnade und eige- nem Werk zu bestimmen, sucht Murner eine Mittelstellung einzunehmen, in- dem er die Bußleistung nicht ablehnt, aber zugleich das Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit betont. Wie sehr es ihm am Herzen lag, dem einfachen Volk anschaulich den Prozeß der Rechtfertigung und der Buße darzustellen, belegt seine erbauliche Dichtung Baden faxt. Man könnte die Frage stellen, ob sich Murner nicht teilweise in die Nähe der Sola-gratia-Lehre Luthers begeben hat. Die literarische Form und die dahinterstehende Predigtintention verbieten es, vorschnelle theologische Schlüsse zu ziehen, die unserem Satiriker sei- nen Platz auf dem schwierigen Gebiet der spätmittelalterlichen Gnadenlehre zuweisen. Man wird seinen Absichten viel besser gerecht, wenn man dahinter seine eigenen Erfahrungen als Seelsorger vermutet, die ihm einen Mittelweg zwischen einer nutzlosen Leistungsfrömmigkeit und einem leichtfertigen Ver- trauen auf Gottes Barmherzigkeit nahelegten. Damit korrespondiert das in- tensive Drängen auf Werke der Barmherzigkeit, welches wie ein roter Faden seine Texte durchzieht. Die Hilfe für die einfachen Leute, die Armen und Be- nachteiligten gehört zu den zentralen Anliegen Murners. Selbst seine deut- sche Übersetzung des kaiserlichen Rechtes hat er als Dienst am Nächsten ver- standen, wie die Widmung an Hans Bock, welche er dem Druck voranstellte, verrät (Der kaiserlichen statrechten ein ingang und wares fundament, Straßburg 1521). Obwohl Thomas Murner selbst ein Bettelmönch war, machte er sich bis zu ei- nem gewissen Grade die im Humanismus beliebte Kritik an den Mönchen zu eigen. Das betrifft nicht nur die Observanzbewegung oder die Angriffe auf die Dominikaner im Berner Jetzerprozeß, den er in seiner Schrift beschrieben hat Von den fier ketzeren. Ganz in der Linie, die schon bei Sebastian Brant zu finden ist, bemängelt er auch die bettelnden Mönche und Nonnen, denen es in Wahr- heit an Geld nicht fehle. Generell sieht er die Gefahr, daß die Klöster Leute an- ziehen, die nicht arbeiten wollten. Die Frauenklöster seien oft . zu Versor- gungsanstalten des Adels degeneriert, was sich auf die Lebensführung der Schwestern negativ auswirke. Ohne Geld könne man auch im Kloster keine Karriere machen und werde nicht geehrt. „Arm dem armen Christus folgen" war ein Ideal, das der mittelalterlichen Ar- mutsbewegung vor Augen stand und dem sich vor allem die ersten Franziska- ner verpflichtet fühlten, die auf dem Boden dieser Bewegung entstanden. Die Observanten bemühten sich, diesem Vorbild wieder gerecht zu werden und die Franziskusregel voll und ganz zu leben. Murner als Konventuale stand, wie wir sahen, diesen Versuchen skeptisch gegenüber. Er drängte zwar auf die Armut in den Klöstern, setzte aber das eindrucksvolle und publikumswirksa- me Bild des besitzlosen und bettelnden Christus vor allem gegen eine durch Stiftungen und eine kluge Wirtschaftspraxis reich gewordene Kirche ein und dichtete in der Narrenbeschwerung: „Christus ging am Bettelstab, hatte) weder Gold noch zeitlich Hab"9, um die Geldgier der Prälaten und ihren großen Be- sitz zu entlarven. Man hätte dieses Bild weiter entfalten und auf das Ideal der Urkirche ausdehnen können, wie es Erasmus von Rotterdam versuchte. Mur- ner hat auf eine derartige theologisch ausgearbeitete Begründung verzichtet und brachte statt dessen die traditionelle Klage über die spätmittelalterliche Benefizien- und Fiskalpraxis, die Pfründenjagd, das Zehntwesen, die vielfa- chen Geldleistungen für geistliche Dienste und die Geldgeschäfte des Klerus. All das hatte zu einem wirtschaftlich bedingten Antiklerikalismus geführt, dessen Ausmaße die Forschung immer deutlicher erkennt. Es ist heute auch sichtbar geworden, daß diese Entwicklung nicht einfach einer sinkenden Mo- ral des Klerus zuzuschreiben ist, sondern systembedingte Faktoren eine große Rolle spielten, weil das alte Benefizialwesen an seine wirtschaftlichen Grenzen gestoßen und zum Teil schon überfordert war. Murner moralisiert das Pro- blem, aber er spürt etwas von den strukturellen Fragen, wenn er zugleich die Versorgungs- und Sachzwänge des Adels sieht, der seinen Kindern die Bene- fizien verschafft, aber nicht bereit ist, die geistlichen Funktionen wahrzuneh- men. Die Kirche und vor allem die Nonnenklöster sind zum „Spital des Adels" geworden. Diese Diskrepanz zwischen dem mit einem geistlichen Amt gegebenen Auftrag und seiner Erfüllung bedeutet eine Umkehrung der von. Gott gewollten Ordnung, die dem Klerus eine vorbildhafte Funktion übertra- gen hat, aber keine äußerliche Prachtentfaltung. Dazu kommt, daß der Klerus oft unfähig und ungebildet ist sowie seine durch die Jurisdiktion begründete Leitungsfunktion nicht zum Wohle, sondern zum Schaden der Untergebenen ausübt. Murners satirische Komposition bewegt sich damit im Rahmen der zeitgenössischen Kritik, die auch die leichtfertige Anwendung der Exkommu- nikation tadelte, was der durch sein Interesse am Recht besonders motivierte Franziskaner gerne aufgriff. Noch in einem weiteren Punkte zeigt sich seine Einbindung in die Tradition. Es gehörte zur herkömmlichen Predigttheorie, daß der Prediger mit seinem eigenen Leben belegen sollte, was er inhaltlich vortrug. Zum Beispiel hat der Basler Ulrich Surgant in einem einflußreichen Handbuch für die pastorale Praxis zu Beginn des 16. Jahrhunderts dieses Ideal eindringlich betont. Dem konnte der Franziskaner, selbst Prediger in verschie- denen Reichsstädten, nicht ausweichen. Er greift diese Forderung dezidiert auf und trägt sie wirksam vor, indem er darauf hinweist, daß sogar die Bot- schaft des Evangeliums unglaubwürdig werde, wenn ihre Verkünder sich nicht selbst danach richteten. Wieviel Sprengstoff in der Kritik an der zeitgenössischen Exgese, dem Stu- dienbetrieb und den Gelehrten lag, der sich in der Reformation entlud, hat Murner sicher nicht gewußt, als er in der Narrenbeschwerung die entsprechen- den Passagen dichtete. Den Gelehrten wird ihr Wissensdünkel vorgehalten, der sie hinderte, ihre eigenen Grenzen zu erkennen und Selbstkritik zu üben. Zentraler ist der Vorwurf, daß sie sich zum Herren der Heiligen Schrift aufge- worfen haben und nicht mehr in der Lage sind, deren Sinn zu verstehen und ihren Zuhörern zu erläutern. Statt dessen legen sie in den Kommentaren das Gotteswort nach Belieben aus. Die Berufung auf das formale Recht, man habe „die Schlüssel Petri", ist nach Murner noch keine Garantie dafür, daß man den Menschen wirklich den Schatz der Offenbarung öffnet. Was für den Pre- diger galt, hat auch für den Gelehrten seinen Wert: Wer die Worte des Glau- bens verkündet und nicht selbst davon erfüllt ist, so daß er danach handelt, macht sich und die Theologie unglaubwürdig. Man bedauert es, daß Murners literarische Form und seine Intention es verhindern, nähere Hintergründe der Kritik zu nennen. Die aufgeblähte, durch riesige Kommentare und endlose Di- stinktionen ermüdende spätmittelalterliche Exegese und ihre Unfähigkeit, einfach und klar die Schrift zu deuten, hat ihm vermutlich vor Augen gestan- den, als er die gelehrten Narren beschwor. Manches erinnert an die Anliegen Jean Gersons, welche in Straßburg so vehement vertreten wurden und die Murner kannte. In der Badenfart hat er Gerson benutzt und zeigt eine gute Kenntnis der älteren Scholastik und der Kirchenväter, unter denen er Augu- stinus besonders schätzte. Mit aller Vorsicht kann man von hier her seine Kri- tik präzisieren: Sie zielte nicht auf das später in der Reformation beliebte Mo- tiv, der einfache Mann verstehe die Schrift besser als der Gelehrte, und sie plä- dierte vermutlich auch nicht für die neue humanistische Methode der Schrift- auslegung. Viel eher denkt Murner an die Hinwendung zu den Kirchenvätern und einer einfachen Scholastik, der die spätmittelalterlichen Subtilitäten noch fehlen, und welche deshalb geeignet schien, eine Theologie zu betreiben, die wieder demütig auf Gottes Wort hinhörte. Diese Liste ließe sich weiterführen; Stichworte wie Wunder- und Reliquiensucht sowie moralisch bedenkliche

45 Heiligenbilder und Kirchenlieder gehören dazu. Sie bilden die üblichen Punk- te der damaligen kirchenkritischen Literatur und belegen eine problematische Seite der intensivierten Frömmigkeit kurz vor der Reformation. Für das Thema „Murner und die katholische Reform" spielen die Einzelheiten keine entschei- dende Rolle. Zentraler sind die Zielvorstellungen und damit der Reformbe- griff, an denen er die Kirche gemessen hat, sowie seine Vorstellungen, auf welche Weise er sich die Besserung vorstellte. Wenn man sich mit diesen Fragestellungen dem Werk Murners nähert, erge- ben sich allerdings einige Schwierigkeiten. Die erste liegt in der Gattung der Quelle, mit der die Kritik formuliert wird. Satire und Dichtung sind weder ein theologischer Traktat noch ein Reformgutachten. Murners Stil wollte volks- tümlich sein, verarbeitete Sprichwörter und Redensarten, verallgemeinerte und stilisierte, stand unter bestimmten literarischen Gesetzmäßigkeiten, die sich aus der gewählten Darstellungsweise ergaben und zielte auf Wirkung. Die Darstellungsformen verhindern geradezu einen positiven Reformvor- schlag, in dem gesagt würde, mit welchen Mitteln und in welchen Schritten man vorgehen müsse, um eine Besserung der Mißstände zu erreichen. Ober diese Schwächen ist sich die Forschung im klaren. Es ist auch allgemein aner- kannt, daß Murner nicht auf eine strukturelle Veränderung der Kirche dräng- te, sondern in den Predigten und Satiren eine moralische Besserung des Indi- viduums anstrebte. Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß der einzelne sein Ver- halten an übergeordneten Standesnormen ausrichten muß; so z. B. der Klerus an den Aufgaben, die ihm sein geistliches Amt auferlegt. Die übergreifende Norm, die sich aus Murners Texten erschließen läßt, ist die alte und bewährte Ordnung der Christianitas mit den beiden tragenden Pfeilern Papst und Kai- ser, Reich und Kirche. Daher zielt seine Kritik auch nie nur auf einen Stand, et- wa den Klerus, sondern umgreift alle Gruppierungen. Kaiser und Papst aber sind als Grundlagen der Ordnung von Kritik ausgenommen. Murner appel- liert an ihre Ordnungsfunktion, stellt sie selbst aber nie in Frage. Eine derartige konservative, dem bewährten Alten verpflichtete Konzeption brauchte kein Reformprinzip im strengen Sinne. Wenn man daher die katholi- sche Reform historiographisch sehr eng faßt und unter ihr eine grundlegende neue Reflexion auf die zentralen Werte des christlichen Lebens oder auf Schrift und Urkirche in der Weise versteht, daß daraus eine strukturelle Ordnung oder ein spirituelles Programm abgeleitet wird, dann war ihr Murner nur im sehr lockeren Zusammenhang verpflichtet. Es ist daher auch problematisch, ihn in die Nähe des Erasmianismus, dessen Bibelhumanismus und religiösen Verinnerlichungstendenzen zu rücken, denn trotz seiner auf das Ethische aus- gerichteten Frömmigkeit, die ihn mit Erasmus und dem Humanismus verbin- det, läßt sich das Ideal des „pius et doctus" und der „philosophia christiana" /ab) batet WardX11 'Wenn ler leib gcbaba 0" et hie, tv4 im Nig fuerunt d Mit tmeett Ilkeeer; nert5 capt Verriee Nanu? le eopt begab ti fuo. 9a fett kir gang WG fobmietet bei ihni.nicht belegen. So sehr er in Einzelteilen es verstand, Elemente der zeit- genössischen Kritik aufzunehmen, die Gesamtatmosphäre seines Zeitalters einzufangen und den Zusammenhang zwischen der Reformation und den Mängeln in der Kirche zu erkennen, so wenig war ihm klar, daß die neue Zeit andere Mittel brauchte als die einfache Rückbesinnung und moralische Appel- le. Es fehlte ihm die Durchschlagskraft einer zündenden Idee, und Murner selbst kennt resignative Töne, wenn er entscheiden will, ob es jemals zu einer Besserung der Christenheit kommen werde. Man kann sich fragen, woher die- se Haltung kam. Auf die verschiedenartigen Einflüsse in Straßburg und im Or- den wurde schon hingewiesen. Ein Faktor, der in der Forschung zu wenig be- achtet wird, soll hinzugefügt werden: Murner war zeit seines Lebens an der Rechtswissenschaft interessiert und erwarb noch 1519 in Basel den juristi- schen Doktorgrad. Wäre es nicht möglich, daß er stark von einem konservativ rechtlichen Denken beeinflußt war, das im Rückgriff auf die alten Normen ein Heilmittel für die übel der Zeit sah? Murner wäre nicht der einzige, der so dachte: Ähnlich argumentierte 1523 auch Johannes Eck, der berühmte Gegner Luthers, als er Reformentwürfe für Papst Hadrian VI. ausarbeitete. Zu diesem Bilde paßt es, daß Murner 1520 gegenüber Luther die Position be- zog, nur Kaiser und Konzil, also die rechtmäßigen Instanzen, dürften bei den Mißständen ordnend eingreifen. Dem päpstlichen Durchsetzungsvermögen mißtraute er scheinbar, aber das Konzil lag in diesem Falle ganz auf der Ebene der alten Ordnung. Der Rechtsweg sei zu beschreiten, sonst komme es zu Auf- ruhr und Zerstörung. Murner wollte Reform, aber keine Reformation; letztere paßte nicht in sein Weltbild. Die historischen Ereignisse überholten den „Re- former", und der Strom verzweigte sich bald in zwei Arme: Reformation und katholische Reform/Gegenreformation. Die innere Dynamik, welche von Lu- thers aus der Mitte der Schrift argumentierendem Prinzip ausging, war faszi- nierender als Murners moralisierender Ansatz, und schuf eine Entschei- dungssituation, die auch der streitbare Franziskaner spürte und der er mit der beginnenden Reformation nicht ausgewichen ist.

Anmerkungen

I Thomas Murner, An den großmechtigsten und durchlüchtigsten adel deutscher Nation, in: Ders., Kleine Schriften It. Hg. von W. Pfeiffer-Belli (Thomas Murners Deutsche Schriften Bd. 7), Berlin—Leipzig 1928, S. 95. 2 Cf. Georg Schuhmann, Wetterzeichen der Reformation nach Murners Satiren aus der vorluthe- rischen Zeit, in: Römische Quartalschrift 25 (1911)162'-184*. 3 Ebd. 172*. 4 Frauke Büchner, Thomas Murner. Sein Kampf um die Kontinuität der kirchlichen Lehre und die Identität des Christenmenschen in den Jahren 1511-1522. Diss. theol. Berlin 1974.

48 3 Thomas Murner, Der kaiserlichen stat rechten ein ingang und wares fundament, Straßburg 1521, zit. bei Florenz Landmann, Thomas Murner als Prediger, in: Archiv für Elsässische Kir- chengeschichte 10 (1935), 296, Anm. 2. 6 Thomas Murner, Die Schelmenzunft. Hg. von M. Spanier (Thomas Murners Deutsche Schrifter Bd. 3), Berlin—Leipzig 1925, S. 146. 7 Cf. Paul Scherrer, Thomas Murners Verhältnis zum Humanismus, Basel 1929, S. 33. 8 Cf. Georg Schuhmann, Wetterzeichen (wie Anm. 2). 9 Thomas Murner, Narrenbeschwörung. Hg. von M. Spanier (Thomas Murners Deutsche Schrif- ten Bd. 2), Berlin—Leipzig 1926, S. 160.

Sommaire

Murner reconnaissait que l'Eglise, ä la fin du moyen äge, avait grand besoin d'etre reforme. Il ne pouvait pas ignorer que les abus avaient suscitd, depuis t&s longtemps, de nombreuses dolances. Le thrne de la reformatio etait trait par des &rits fort divers; il animait des mouvements de pensde, tels que la de- votio moderna, d'une part, et l'vanülisme dont Erasme devait devenir le plus illustre reprsentant. Une impulsion d&isive avait 6te donn& par Jean Gerson que les humanistes strasbourgeois, ä la suite de Geiler de Kaysersberg, v&i&aient profoncl&nent. L'appartenance de Murner ä la branche conventuelle de l'ordre franciscain l'opposait ä la stricte observance mais, s'il estimait que la reforme des religieux ne dependait pas du respect ext&ieur des coutumes, il ne la jugeait pas pour autant superflue. Dans ses sermons Murner vilipendait les abus mais ce que nous savons de ses predications nous en apprend moins sur les conceptions du Cordelier dans ce domaine que ses pomes satiriques. D'ailleurs, il est gen&alement admis qu'entre ces deux genres d'action, la parole et le livre, les relations etaient etroites. 11 affirmait que personne n'est poste s'il n'est aussi theologien. Mur- ner s'engagea resolument dans la voie que Brant avait ouverte; il exorcisa les fous que l'auteur du Narrenschiff avait appels. Le tableau qu'il fait n'exclut aucun groupe social, ni les clercs, ni les laics, qu'ils soient medecins, avocats, hommes ou femmes. II d&rit les maux mais il ne re- commande pas l'application d'un programme de redressement. Les remMes, il les cherche principalement dans fflucation des chr&iens. Une conduite gui- cMe par le souci du prochain lui importe plus que les pratiques de la clvotion exterieure. 11 essaye de clefinir une voie moyenne entre deux positions extre- mes: ne compter que sur des rites repets mais steriles, d'une part, et, de l'autre, se confier tout bonnement ä la misericorde de Dieu. Murner devine les

49 pesanteurs institutionnelles et sociologiques qui freinent le r&ablissement; il sertt que le syst&ne Mnacial ne sert souvent qu'ä caser les cadets de la nobles- se. Il voit que les savants agissent comme s'ils etaient les maitres de l'&riture. Mais il ne veut pas toucher ä l'ordre social dont l'empereur et le pape sont les piliers. Murner, peut-etre parce (lull est tres marqu6 par le droit, a des concep- tions fonci&ement conservatrices. 11 redoute les effets destructeurs de la r&- volte. 11 veut des reformes, il ne veut pas de la Reformation. Les e venements lui donneront tort: il sera clpass6 par un courant qui se divisera par la suite en deux bras, la Reformation et la Contre-reforme catholique.

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