Das Jahrhundert Des Esperanto Internationale Sprache Esperanto Im 20

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Das Jahrhundert Des Esperanto Internationale Sprache Esperanto Im 20 Andreas Künzli Das Jahrhundert des Esperanto Internationale Sprache Esperanto im 20. Jahrhundert im Spannungsfeld von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft Die wahre Geschichte der Esperanto-Bewegung – eine Demythologisierung Eine unabhängige, kritische Fallstudie zu ausgewählten Ländern mit einem Ausblick ins 21. Jahrhundert Quelle: https://www.onb.ac.at/en/museums/esperanto-museum/about-the-esperanto-museum © Interslavica/Andreas Künzli. Bern. Unabhängige Schweizer Interlinguistische Studien, Nr. 8/2018 1 Vorwort Einleitung: Neutrale Universalsprachen als Alternative: Einige pragmatische Überlegungen und Anmerkungen zum Thema Esperanto-Weltbund Einzelne Länderstudien: Russland / Sowjetunion Schweiz Deutschland: Saarland, DDR Belgien: Neutral-Moresnet Spanien: Katalonien Polen Bulgarien Rumänien China Japan: Oomoto Südafrika Plansprachen und Esperanto heute 2 Polen Vorbemerkungen Die Geschichte der Esperanto-Bewegung in Polen lässt sich gemäss der historischen und politischen Entwicklung des Landes in vier Hauptperioden einteilen: Die erste Periode begann 1887 mit der Veröffentlichung des ‚Unua Libro’ des Esperanto und dauerte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914. Für diese Periode kann eine weitere drei- fache Unterteilung vorgenommen werden: 1887-1904 (Zeit ohne eigene Vereine, Zeitschriften und Kongresse), ab 1905/06 (Entstehung einer legalen Warschauer Esperantisten-Gesellschaft, Teilnahme L.L. Zamenhofs an Esperanto-Weltkongressen, Erscheinen der Zeitschrift Pola Esperantisto), ab 1908 (Tätigkeit unter der Führung der Polnischen Esperanto-Gesellschaft).1 Die zweite Periode umfasste die Zwischenkriegszeit ab 1922 (Durchführung des 1. Allpolnischen Esperanto-Kongresses in Warschau und Fortsetzung der Zeitschrift Pola Esperantisto, bis 1937). Die dritte Periode setzte nach dem Zweiten Weltkrieg ein, wobei es in der Zeit des Spätstali- nismus zwischen 1949 und 1954/55 einen Unterbruch gab, und dauerte bis zum Fall des Kommunismus im Jahr 1989. Eine vierte Periode begann mit der nachkommunistischen Phase der Geschichte Polens. L.L. Zamenhofs Beziehung zu Polen Die erste Periode der Geschichte der Esperanto-Bewegung auf polnischem Gebiet wird im allgemeinen mit dem Leben und Werk L.L. Zamenhofs (1859-1917) unmittelbar verknüpft. Ein Teil Polens war zu Zamenhofs Zeiten integraler Bestandteil des Russischen Reichs, der Rest des polnischen Landes (oder der polnischen Länder) gehörte nach den Polnischen Teilungen seit Ende des 18. Jahrhunderts entweder zu Preussen oder Österreich-Ungarn. Als Zamenhof 1859 in Białystok geboren wurde, lag diese Stadt, die seit dem 15. Jahrhundert im Besitz polnischer Magnaten, v.a. der Familie Branicki, gewesen war und sich im Grenzgebiet zwischen Polen, Litauen und Weissrussland befand, im Gouvernement Grodno ausserhalb (Kongress-)Polens. 1873 zog die Familie Zamenhofs nach Warschau, dem Zentrum von Russisch-Polen, wo Vater Marko erhöhten Chancen für seine Berufskarriere als Beamter der zaristischen Verwaltung entgegensehen konnte.2 Obwohl L.L. Zamenhof bekanntlich kein Pole, weder in ethnischer noch in staatsbürgerlicher noch in kultureller Hinsicht, sondern ein (russländischer bzw. litauischer) Jude und als solcher ein Unter- tan des Zaren gewesen war,3 sind sein Leben und seine Arbeit unmittelbar und eng mit der Erde des dama- ligen Polens verbunden, das von 1815 bis 1918 ein Protektorat des russischen Zaren war. Seit 1795 hatten die Polen nicht nur die staatliche Unabhängigkeit verloren, sondern 1867 gingen sie auch noch des Namens ihres Landes verlustig, obwohl es vom Wiener Kongress (1815) als „Polnisches Königreich“ (daher der Name „Kongresspolen“4) mit eigener Verfassung konstituiert worden war. Wegen zahlreicher Aufstände und zivilen Ungehorsams seitens des polnischen Volkes schränkte der Zar die Freiheiten im „Weichselland“ (wie er Polen respektlos nannte) immer mehr ein. So hörte Polen zu Lebzeiten Zamenhofs ganz auf zu existieren, bis es (mit Litauen) 1918 die staatliche Unabhängigkeit wieder erlangte. Wegen ihres eigenständigen Charakters werden die Geschichte L.L. Zamenhofs im Kontext Polens und die Entwicklung der Esperanto-Bewegung in Białystok in einem gesonderten Kapitel abgehandelt. 1 Die vorhandenen Jahreskollektionen des Pola Esperantisto können auf http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno- plus?apm=0&aid=e1c der Österreichischen Nationalbibliothek eingesehen werden. 2 Ausführlich zu diesem Thema s. die Zamenhof-Biographie von A. Künzli, Wiesbaden 2010. 3 Mit Zamenhofs Identitäten habe ich mich in diesen Beiträgen ausführlich befasst: http://www.planlingvoj.ch/Zamenhof_identeco.pdf, http://www.planlingvoj.ch/Esperanto_pola_heredajo.pdf. 4 Ab März 1867 als russisches Generalgouvernement Warschau, Weichselgouvernement oder Provinz Weichselland degradiert, auch Russisch-Polen genannt. 3 Teil I Esperanto-Bewegung in Polen (1904-1916) Anfänge des Esperanto-Vereinslebens in Warschau Nach der Veröffentlichung des Esperanto im Juli 18875 in Warschau wurde die Hauptstadt Kongress- polens mit der Zeit auch eine Art ‚Mekka’ der Esperanto-Bewegung, wo sich Esperanto-Koryphäen aus der ganzen Welt trafen und bei ihrem Stelldichein ihrer Konversationsübungen frönten und meisterhafte Reden in Esperanto zum Besten gaben. Noch in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts entstand in Warschau eine Gruppierung von Esperantisten, die sich aus engsten Freunden und Mitstreitern Zamen- hofs zusammensetzte: Im wesentlichen handelte es sich dabei um Antoni Grabowski (1857-1921),6 Leo Belmont (eigtl. Leopold Blumental, 1865-1941),7 Alexander Brzostowski (1848-1920), Józef Waśniewski (1859-1897), Adam Zakrzewski (1856-1921), Kazimierz Bein (1872-1959)8 und andere. Auch Feliks (Felix) und Henryk Zamenhof nahmen an der Esperanto-Arbeit ihres Bruders aktiven Anteil, so wie auch Bruder Leo(n) sich eine Zeit lang als Redaktor des Organs Pola Esperantisto zur Verfügung stellte. Diese jüdischen und polnischen Esperantisten gehörten zur allerersten Generation von Esperantisten, die sich als Journalisten, Redakteure, Historiker, Literaten oder Übersetzer profilierten, die Familie Zamenhofs erweiterten und für den Gründer des Esperanto eine unverzichtbare Stütze darstellten. So traf man sich im Rahmen eines am 1. Dezember 1893 illegal gegründeten Esperanto-Zirkels in Warschau. Der Gründungsakt erfolgte in der Privatwohnung des Studenten Stanisław Goldberg. Als ‚Gründungsmitglieder’ waren ausser Józef Waśniewski auch Jan Janowski, Wilhelm Róbin9 und Alexander Blumental (der Bruder von Leopold Blumental alias Leo Belmont) zugegen. Nach der Abreise Alexander Blumentals nach Pinsk hörte der Zirkel auf zu existieren. Nach Angaben der Zeitung Rund um die Welt, Nr. 4/1905, und der Gazeta Polska, Nr. 76/1905, wurde durch den Generalgouverneur die Erlaubnis erteilt, eine legale Warschauer Esperanto-Gesellschaft (Varsovia Societo Esperantista) zu errichten. Die Gründung der Gesellschaft sei möglich geworden, nachdem sich die politische Situation etwas beruhigt habe, hiess es. Zu Vorstandsmitgliedern wurden Dr. L.L. Zamenhof, A. Grabowski und A.B. Brzostowski ernannt. Gleich nach dieser Ernennung trat Zamenhof das Präsidentenamt an Grabowski ab, blieb dem Verein aber als Ehrenpräsident erhalten. Die rege Tätigkeit dieses Vereins führte am 16. Mai 1908 immerhin zur Errichtung der Polni- schen Esperanto-Gesellschaft (Pola Esperantista Societo), in der vor allem Antoni Grabowski die herausragende Rolle spielen sollte. Zu jener Zeit gelang es auch den Esperantisten des österreichischen Teils Polens in Lemberg und Krakau, sich zu organisieren. In den Jahren 1906-7 erschien in Lem- berg/Lwów auch das Organ der polnischen Esperantisten, Pola Esperantisto, bevor es Anfang 1908 von einer Warschauer Redaktion übernommen wurde. Pola Esperantisto „Jede neue Idee, vor allem diejenige, die die Welt, die ganze Menschheit ausserhalb der engen Grenzen des Dörfchens“ erobert hat, diese grosse Idee habe zuerst stets gegen Vorurteile, Dunkelheit, Schläfrigkeit und Konservativismus zu kämpfen. Dies waren die ersten Worte auf Polnisch und Esperanto, die auf den Seiten der Zeitschrift Pola Esperantisto im Juli 1906 in Lemberg (Lwów)10 zu lesen waren, wo das neue Organ der polnischen Esperantisten herauskam. Diese „grosse, herausragende Idee der internationalen Sprache, dieser einfachen, klaren Sprache ‚Esperanto’“ werde bei der zivilisierten Menschheit siegreich eingeführt werden, hiess es weiter im einleitenden Artikel. Während die Wissenschaftler und 5 Als ‚Geburtsdatum’ des Esperanto gilt der 26. Juli 1887. 6 Einige weiterführende Angaben zu A. Grabowski s. unter https://de.wikipedia.org/wiki/Antoni_Grabowski. 7 Einige weiterführende Angaben zu L. Belmont s. unter https://de.wikipedia.org/wiki/Leo_Belmont. 8 Einige weiterführende Angaben zu Kabe s. unter S. https://eo.wikipedia.org/wiki/Kabe. 9 Einige weiterführende Angaben zu W. Róbin s. unter S. https://eo.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_RÓBIN. 10 Lemberg, in der ersten polnischen Teilung von 1772 an Österreich gefallen, war Hauptstadt des Königreichs Galizien und Lodomerien und nach Wien, Prag und Krakau damals die viertgrösste Stadt des Herrschaftsbereichs von Kaiser Franz Joseph I. 4 Intelligenzler aller Länder und Nationen, die Professoren, Publizisten, Journalisten, Philosophen, Politiker, Ingenieure, Industriellen, Akademiker usw. die Idee der internationalen Sprache beklatscht und die Genialität ihres Erfinders, L.L. Zamenhofs, anerkannt hätten, würden die Kleinen, Kurzsichtigen und Unwissenden demjenigen Weltkreis angehören, der sich mit geistlosen Augen auszeichnet. Unter
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