Erich Böhme Journalist Im Gespräch Mit Klaus Kastan
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BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks http://www.br-online.de/ alpha/forum/vor0502/20050208.shtml Sendung vom 08.02.2005, 20.15 Uhr Erich Böhme Journalist im Gespräch mit Klaus Kastan Kastan: Herzlich willkommen zu alpha-forum. Unser heutiger Gast hat verschiedene Kennzeichen und Merkmale. Eines ist die gepunktete Krawatte: Sie kennen sie vermutlich aus dem Fernsehen, denn er trägt sie wirklich in jeder Fernsehsendung. Sein anderes Merkmal ist seine Brille: Mit ihr spielt er entweder herum oder sie sitzt ihm meist sehr weit unten auf der Nase. Im Moment ist das aber gar nicht so, denn im Moment sitzt die Brille ganz normal auf seiner Nase. Böhme: Das war einmal. Heute habe ich eine Gleitsichtbrille und dafür stolpere ich nun den ganzen Tag. Kastan: Jetzt haben Sie ihn schon gehört. Also, die Brille ist ein wichtiges Kennzeichen von ihm. Meistens hat er sie unten auf der Nase sitzen gehabt und dann über die Brille hinweg seine Gesprächspartner sehr skeptisch angesehen. Böhme: Das war eine schöne Brille. Kastan: Denn Sie haben auch nicht immer alles geglaubt, was Ihnen Ihre Gesprächspartner so alles erzählt haben. Das dritte Merkmal wäre ein Rotweinglas. Aber so gute Rotweine, wie Sie sie trinken, haben wir hier im Bayerischen Rundfunk natürlich nicht. Außerdem ist es jetzt Vormittag, denn wir zeichnen diese Sendung am Morgen auf. Und da trinken wir einfach noch keinen Rotwein. Klar ist jedenfalls, unser Gast ist heute Erich Böhme. Was hat denn der Rotwein, was der Weißwein nicht hat? Böhme: Der Rotwein ist bei zunehmendem Genuss immer gesünder. Das haben Wissenschaftler längst erprobt. Insbesondere waren das Naturwissenschaftler der Universität Bordeaux, und denen glaube ich. Ein schöner Bordeaux, ein Pomerol ist etwas, das sediert, das ruhig macht und einem ein langes Leben garantiert. Und darauf muss ich ja jetzt auch schon ein wenig Acht geben, denn irgendwann kommt auch mein Ende. Kastan: Das ist klar und so, wie bei jedem anderen Menschen auch. Böhme: Wir schieben es allerdings noch etwas raus. Kastan: Sie sind Journalist mit Leib und Seele, wie man sagen kann. Ich hatte neulich eine Gesprächspartnerin, auch in dieser Sendereihe alpha-forum, die voller Stolz zu mir gesagt hat: "Ich bin keine Journalistin mehr, ich habe jetzt ein Buch geschrieben und bin daher jetzt Publizistin bzw. Autorin." Sie jedoch legen schon Wert auf den Begriff "Journalist", oder? Böhme: Ob man sich Publizist nennen kann, hängt einfach von der Auflage ab: Wenn sie mit ihrem Buch eine hohe Auflage hat, dann schenke ich ihr den Publizisten. Ansonsten ist das ein ordentlicher Beruf, der Journalist. Ich wollte schon von Kind an Journalist werden. Mein Vater wollte allerdings einen Kaufmann aus mir machen. Wir schlossen einen Kompromiss und er sagte zu mir: "Du studierst zuerst Nationalökonomie und danach darfst du diesen Larifari-Beruf machen." Damals hat man noch auf seine Eltern gehört. Und so habe ich eben von Anfang an Journalismus betrieben. Kastan: Ein Zitat von Ihnen lautet: "Ich bin ein unheilbarer Journalist, da schneidet man auch mit 70 keine Fingernägel und Hecken oder zählt Wolken, da geht's einfach weiter." Das heißt, Journalist ist man immer, oder? Böhme: Ja, es geht allerdings nicht ganz so weiter, es wird schon etwas weniger. Und das ist auch gut so. Denn man kann den Leuten einfach nicht zumuten, dass man zum Schluss mit 75 Jahren immer noch den Opa spielt, der alles besser weiß. Aber meine Kolumne beispielsweise, ich denke, ich darf diese Reklame hier machen, in der "Abendzeitung" aus München läuft noch jede Woche. Das macht mir großen Spaß, denn man ist einfach durch und durch Journalist. Jetzt, bei diesem Parteitag der CSU juckt einen natürlich das Fell, sich das anzuschauen und zu sehen, wie Stoiber aus der Schlinge herauskommt. So etwas bekommt man nie wieder los, das ist einfach diese Journalistenkrankheit. Kastan: Das hat man einfach. Sie sagten schon, Sie wollten von Kindheit an Journalist werden. Sie sind Jahrgang 1930 und damit sind Sie aufgewachsen in der Nazizeit und in der Kriegszeit. Wie haben Sie das heute in Erinnerung? Böhme: Ich habe in Erinnerung, dass wir in die Schule gegangen sind; ich habe in Erinnerung, dass wir als Pimpfe Uniform tragen mussten. Und ich habe die Erinnerung, dass 1945, als die Amerikaner den Westen Deutschlands eroberten, wir zu den Kiosken gestürzt sind, als die ersten Zeitungen rauskamen, um dort zu lesen: Die Welt ist ja größer, als wir dachten. Wir sind befreit worden – gut, es gab auch welche, die gesagt haben, wir seien besiegt worden... Kastan: Was haben Sie gedacht? Böhme: Ich hatte das Gefühl, wir sind befreit worden. Ja, ich bin so ein Individualist, wissen Sie: Das ist eine unangenehme Eigenschaft, man eckt nämlich immer an. Von da an hatte ich jedenfalls die Idee, selbst auch Journalist werden zu wollen: "Ich will den Leuten etwas vermitteln können, was ich selbst in meiner Jugend nicht vermittelt bekommen habe, weil ich als Pimpf nur für den 'großen Führer' da sein musste." Kastan: Sie haben einmal geschrieben, Sie seien in einem liberalen Elternhaus aufgewachsen. So habe ich das zumindest nachgelesen. Böhme: Ja, das stimmt. Mein Vater war allerdings ein kleiner Mitläufer, wie man nicht verschweigen darf. Das war einfach die Zeit! Aber an sich waren meine Eltern sehr liberal. Wie gesagt, nach dem Krieg meinte mein Vater zu mir, ich sollte es eines Tages besser haben als er und deshalb Kaufmann werden. Das war für mich jedoch die abscheulichste Aussicht überhaupt. Als ich ganz klein gewesen bin, wollte ich natürlich wie jedes Kind Müllmann werden. Nur Kaufmann wollte ich nie werden. Kastan: Aber vielleicht hätten Sie als Müllmann auch Karriere gemacht. Böhme: Ja, beispielsweise in Köln. Kastan: Warum in Köln? Böhme: Ach, Köln ist von der Müllmafia doch geradezu durchseucht. Kastan: Richtig. Aber aufgewachsen sind Sie ja in Frankfurt. Dort ist es mit der Müllmafia wohl nicht ganz so schlimm. Böhme: Ja, ich habe auch in Frankfurt studiert und bin dann zu einer Nachrichtenagentur gekommen. Denn das war damals eine Zeit, in der man keine Volontäre genommen hat. Da war einfach nichts zu machen in Richtung Volontariat: Die Zeitungen hatten kein Geld – wahrscheinlich war es damals schon so wie heute. Kastan: Sie sind also zu den Vereinigten Wirtschaftsdiensten gegangen. Böhme: Ja, ich hatte mir zunächst einmal die Fußsohlen platt gelaufen: von Zeitung zu Zeitung zu Zeitung, aber es war nichts zu machen. Und dann bin ich eben Agenturjournalist geworden. Ich hatte Nationalökonomie studiert und wurde dann Journalist: Da war klar, dass ich für Wirtschaftsdinge zuständig war. Ich habe also Börsenkurse gesammelt und Börsenberichte geschrieben usw. Und so ging das dann langsam ein bisschen bergauf. Kastan: Sie haben sich jedenfalls in Ihrem Leben immer ein gutes Netzwerk an Informanten aufgebaut und gesichert. Das heißt, Sie sind nicht immer nur vor den Türen gestanden und haben gewartet, bis von irgendeinem Offiziellen irgendetwas erklärt wird. Stattdessen... Böhme: Der beste Journalist sitzt mit hinter dieser Tür, ohne dass es die anderen merken. Kastan: Sie hatten jedenfalls immer Ihre guten Quellen. Und eines Tages hat das dann auch der "Spiegel" gemerkt und gesagt: "Den holen wir uns!" Denn 1958 sind Sie zum "Spiegel" gegangen. Böhme: Ich bin über die "Deutsche Zeitung" zum "Spiegel" gekommen. Die "Deutsche Zeitung" war eine liberale Zeitung, die damals in Stuttgart erschienen ist. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat jedoch diese Zeitung aufgekauft – und dann ist der Böhme von dort weggegangen als Individualist. Ich wollte nämlich nicht nur für eine Seite schreiben. Ich ging also zum "Spiegel": zunächst einmal als Wirtschaftskorrespondent in Bonn und dann als Bürochef in Bonn. So bin ich schön langsam, ohne viel dafür zu tun, die Treppe raufgestolpert. Kastan: Wie wichtig war der "Spiegel" für Deutschland in den fünfziger Jahren? Böhme: Ungeheuer wichtig, ganz ungeheuer wichtig. Denn das war eine Zeit, in der man wirklich das Bedürfnis hatte, hinter die Kulissen zu kucken. Der Spiegel hat da halt eine amerikanisch-englische Tradition aufgegriffen: Das ist ein Journalismus, der mehr sehen will als nur das, was bei einer Pressekonferenz verlautbart oder bei einem offiziellen Statement verlesen wird. Investigativer Journalismus: Das war was Neues und das hat eben auch den eigentlichen Charme des "Spiegels" ausgemacht. Kastan: In den sechziger Jahren waren Sie dann natürlich auch beim Spiegel. 1962 gab es ja die berühmte Spiegel-Affäre. Böhme: Ja, das waren "lustige Ereignisse". Kastan: Wenn man mal so ins Nachkriegsdeutschland zurückschaut, dann kann man durchaus sagen, dass das eines der ganz wichtigen Ereignisse gewesen ist. Denn dieses Ereignis hat Deutschland geprägt und man findet es inzwischen auch in allen Geschichtsbüchern wieder. Wenn ich richtig informiert bin, dann ist damals auch Ihre Wohnung durchsucht worden. Böhme: Ja, mein Büro, meine Wohnung. Man hatte einen generellen Zugriff auf alles und jeden. Obwohl ich selbst damit ja überhaupt nichts zu tun hatte. Denn ich war zu der Zeit ja noch reiner Wirtschaftsjournalist. Das war aber wurst. Es wurde wirklich alles durchsucht, es wurde zerniert. Strauß, der damalige Verteidigungsminister, hat natürlich im Hintergrund gestochert: "Legt Sie lahm, sie nützen uns nichts!" Dass das alles so positiv für uns ausgegangen ist, wurde dann wirklich zu einem Wiegenlied für die deutsche Demokratie. Kastan: Der Anlass für diese "Spiegel"-Affäre, also für die Tatsache, dass Polizei und Staatsanwaltschaft Redaktionsräume und Wohnungen durchsucht haben - der Herausgeber Augstein und der Chefredakteur Conny Ahlers wurden sogar festgenommen -, bestand darin, dass man im "Spiegel" über atomare Planungen der Bundeswehr berichtet hatte. Böhme: Ja, und zwar gerade über die schlecht gerüstete Bundeswehr. "Bedingt abwehrbereit", so hieß damals der Titel dieses Artikels. Kastan: Darin ging es auch um das Natomanöver Fallex. Böhme: Richtig. Kastan: Diese ganze Affäre war jedenfalls unglaublich spektakulär. Später hat sich das alles jedoch völlig in Nichts aufgelöst, weil man von der Staatsanwaltschaft aus zugegeben musste, dass der "Spiegel" nicht wie unterstellt Geheimnisverrat betrieben hätte.