SABINE CHRISTIANSEN Powerfrau: Wer hat mehr Macht – der deutsche Bundespräsident oder Sabine Christiansen? Für Bundestagspräsident Wolfgang Thierse ist klar: die Zweitgenannte. Seit sieben Jahren moderiert die 48-jährige Journalistin die Politsendung “Sabine Christiansen”, welche mit fünf Millionen Zuschauern zu den erfolgreichsten Formaten des deutschen Fernsehens zählt. Gegenüber “persönlich” äussert sie sich über aufdringliche PR-Berater und den Versuch von Roger Schawinski, ihre Sendung zu konkurrenzieren. Interview: Matthias Ackeret Fotos: TV21/ TV21 Marcel Mettelsiefen

Frau Christiansen, soeben hat Ihnen Sat.1-Chef Roger Schawinski “Sabine Christiansen” ist zu einem medialen Nebenparlament den Kampf angesagt, indem er auf seinem Sender am geworden. Wann hat die Sendung diesen Stellenwert erreicht? Sonntagabend eine eigene Polit-Talkshow einführen will. Fürchten “Das erste halbe Jahr war sehr schwer, weil wir zuerst Sie sich davor? unseren Platz in der Fernsehlandschaft erobern muss- “Warum soll ich mich davor fürchten? Da er mit seiner ten. Der Sonntagabend war für Kultur reserviert. Sendung erstens eine dreiviertel Stunde später und Damals sind wir als Konkurrenz gegen die Sat.1- zweitens mit einem nicht wirklich erkennbaren Sendung ‘Talk im Turm’ angetreten, wobei wir am Ende Konzept daherkommt, darf er es gerne versuchen. Es die Sieger waren – auch noch, als ein Spiegel- wird für Sat.1 jedenfalls nicht ganz einfach; zum einen Chefredakteur die Moderation übernahm. Zweifellos muss er die Zuschauer auf seinen Sender rüberziehen, kam uns zugute, dass wir in einer äusserst spannenden zum andern muss er sie zu später Nachtstunde auch für Zeit gestartet sind. So wechselte nach 16 Jahren die Polit- und Wirtschaftsthemen begeistern. Nachdem Regierung, während der aufgeflogene CDU- Schawinski die Sendung bereits so früh angekündigt Spendenskandal ein halbes Jahr später die ganze hat, warten wir gespannt auf das Resultat. Schaun’mer Republik erschütterte und ein grosses Interesse an der mal!” Politik weckte, von welchem wir profitieren konnten. Dies war nicht immer so.” Sind Sie wirklich so gelassen, wie Sie sich geben? “Da diese Sendung nicht zu unserer Sendezeit läuft und Wie meinen Sie das? – wenn überhaupt – Interesse in der ganz anderen “Als wir erstmals unser Konzept ‘Politik am Sat.1-Zielgruppe wecken soll, will ich diese Sonntagabend’ präsentierten, verwarfen viele – bis auf Programmplanung nicht weiter kommentieren. Doch den ARD-Programmdirektor Struve und NDR- dieses Beispiel zeigt eines: Nicht nur in der Politik per- Direktor Kellermeier – die Hände. Ich sah es anders. sonalisiert man gerne, sondern auch in den Medien. Es Wer am Montagmorgen in aller Frühe zum Kiosk rennt, heisst heute nicht mehr nur Angie gegen Münte, son- um sich den Spiegel oder Focus zu kaufen, den kann dern Kerner gegen Christiansen – oder in diesem Fall man auch schon am Sonntagabend für Politik begeis- Schawinski gegen Christiansen. Damit verkaufen sich tern, so meine Argumentation – vor allem, wenn es im trockene Themen einfach besser.” schnelleren Medium, dem Fernsehen, präsentiert wird. Dies hat sich glücklicherweise bewahrheitet.” Aber gerade Sie personalisieren am meisten, indem Sie Ihrer Talk- Show Ihren eigenen Namen gegeben haben. Haben Sie wirklich keine Angst, dass Sie diese Leaderposition “Ich weiss nicht, ob man diese Frage auch einem Mann verlieren könnten? stellen würde. Es war der Entschluss des Senders, an “Es ist für uns eher ein Ansporn. So überlegen wir uns welchen ich mich auch gewöhnen musste. Mittlerweile ständig, wie wir die Sendung ausbauen können, um ist es unser Label.” diese Topposition zu halten. Es ist schwieriger, Marktführer zu bleiben, als Marktführer zu werden. Talkshows äussern als im Parlament. Ich finde es inte- Lange Zeit haben wir das Feld des Polittalks alleine ressant, wenn man dies ausgerechnet in einer Talkshow besetzt, bis das ZDF und die dritten Programme mit sagt.” ähnlichen Polittalks nachzogen. Glücklicherweise konnten wir unsere Leaderposition aber verteidigen.” Aber dies ist doch ein Kompliment ... “Es wäre vermessen zu glauben, dass alle Deutschen Es heisst immer so schön “Never change a winning team”. von 9 Uhr morgens bis 15 Uhr nachmittags vor dem Warum wollen Sie dann Ihre Sendung weiter ausbauen? Fernseher sitzen, um eine Bundestagsdebatte zu verfol- “Unsere Konkurrenz macht auch gute Sendungen, doch gen. Dies war übrigens früher auch nicht anders: Man wir wollen es weiterhin noch besser machen. Das ist der verfolgte abends lieber eine Fernsehsendung mit Strauss Unterschied. Rund drei Viertel unserer Sendungen und Wehner, die pointierter, deftiger und auch klarer beschäftigen sich mit tagespolitischen Themen, der Rest war, als eine mehrstündige Redeschlacht aus Bonn. sollten Überraschungen sein wie die Weihnachtssendung Diese Personalisierung ist – weiss Gott – kein neues mit Harry Belafonte zu unserer persönlichen Phänomen, nur erleben wir es in veränderter medialer Verantwortung für das Weltgeschehen wenige Tage vor Gestalt. Nicht zuletzt durch die Tatsache, dass es immer der Tsunami-Katastrophe. Dies war sehr beeindruckend. mehr Sender und Zielgruppen gibt, muss sich die Politik Wir hatten selten so viele positive Reak-tionen wie auf verstärkt Richtung Öffentlichkeit orientieren. Ein Belafonte. Dieser Mann hat wirklich etwas zu sagen. So Politiker ohne Kamera ist heute inexistent, mit dem überlegen wir uns beispielsweise, ob wir noch verstärkt Ortsverein allein kann man heute keine Karriere mehr derart aussagekräftige, prominente ausländische Gäste machen.” einladen sollen oder nicht. Ich glaube, dieser Mix ent- scheidet über den Erfolg einer Sendung. Mittlerweile Man erzählt sich in Berliner Politkreisen, dass eine Woche ohne wird ‘Sabine Christiansen’ in 14 Ländern gesehen. Vor Christiansen-Einladung eine verlorene Woche sei. Inwiefern und während des Irak-Kriegs waren sowohl Donald buhlen die Politiker bei Ihnen persönlich um einen Auftritt? Rumsfeld, Richard Pearl wie auch (Lacht.) “Das geht nicht so plump. Es wird vielmehr oder die Clintons bei uns zu Gast. Neben langen Vor- über die Bande gespielt, indem einem beiläufig mitge- bereitungszeiten benötigt man auch eine grosse teilt wird, dass dieser oder jener Politiker Interesse Beharrlichkeit, indem man bei den entsprechenden hätte, bei uns aufzutreten. Aber da wir oft zu wenig Stellen sein Anliegen vorbringt. Da in Deutschland 2006 komfortablen Themen einladen, sind auch Absagen der ein wichtiges Wahljahr ansteht, überlegen wir uns Betroffenen an der Tagesordnung. Andere versuchen, momentan, ob wir nach sechs Jahren auch unser über Mittler ein Thema und damit sich selber zu platzie- Erscheinungsbild verändern sollen. Ein Produkt muss ren ...” lebendig bleiben, sonst bleibt man nicht lange Marktführer.” Was bedeutet, dass der Einfluss der PR-Leute immer wichtiger wird ... Sie haben die Bundestagswahl 2006 angesprochen. Spüren Sie “Der Einfluss der PR-Leute ist kein ungefährlicher. einen Druck der politischen Parteien, die auf Ihre Sendung Wer ihn aber kennt, kann sich dagegen schützen. Einfluss nehmen wollen? Mittlerweile hat der Einfluss der PR-Branche bereits “Da wir solchem Druck nie nachgegeben haben, ist das wieder nachgelassen. Der Höhepunkt war vor drei kein Thema für uns. Gleichwohl müssen wir uns der Jahren, als Verteidigungsminister Rudolf Scharping Verantwortung allen Seiten gegenüber stellen.Aber die wegen seiner Verbindungen zu PR-Mann Hunzinger Nervosität der Parteien ist bereits vor der Nordrhein- zurücktreten musste. Vor der PR-Branche muss man Westfalen-Wahl sehr gross.” aber auf der Hut sein, weil sie ständig versucht, ihre Politiker und Wirtschaftsführer in unseren Sendungen Gab es in der Vergangenheit solche Druckversuche? zu platzieren.” “Selbstverständlich hat es die gegeben.Wer in einer sol- chen Situation als Redaktion keinen klaren Kurs fährt, Und das gelingt? bleibt nicht glaubwürdig. So versuchten die Parteien “Meistens schon. Aber die einschlägigen Agenturen immer bis kurz vor der Wahl, ihre Kandidaten in unse- versuchen immer wieder, sich ins öffentliche Spiel zu rer Sendung zu platzieren.” bringen. Auch wenn wir immer direkt in den Büros der Unternehmen anfragen, versuchen die ‘kreisenden PR- Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat einmal gesagt, dass Satelliten’, sich letztendlich in der Sendung zu zeigen Sie mehr Macht hätten als der deutsche Bundespräsident. Sind und eine vermeintliche Vermittlungsrolle hervorzuhe- Sie sich dieser Macht bewusst? ben oder gar ihren Kunden Zeichen geben zu können. “Herr Thierse hat in einer Talkshow auch einmal Das alles ist schon ohne unser Wissen vorgekommen. bemängelt, dass sich die Abgeordneten lieber in den Aber wir haben diese Einflussnahmen schnell registriert und unterbunden. Die PR-Gemengelage ist dennoch schen Schaumschlägern, Selbstdarstellern und Sach- eine sehr komplexe und will immer wieder neu, bei verständigen unterscheiden.” Medientreffs oder anderen Zusammenkünften, hinter- fragt werden.” Haben Sie mittlerweile eine leichte Aversion gegen Politiker entwickelt? Das heisst, Sie betreiben eine solche aufwändige Vor- “Nein, erstens leben wir miteinander und voneinander, recherche ... und zweitens gibt es sehr fähige und engagierte Kräfte “Natürlich bin ich auch auf die Vorrecherche meiner unter ihnen. Es ist wichtig, die direkt Betroffenen zu Kollegen angewiesen, damit man sicher ist, woher die einer Debatte einzuladen und weniger über andere, Gefahr droht.” nicht Anwesende zu talken. Das gelingt nicht immer, sollte aber das Bestreben sein. Denn die Zuschauer Sie haben vor anderthalb Jahren an der Verlegertagung in erwarten mehr denn je konkrete Antworten auf die Interlaken ein interessantes Geständnis gemacht, indem Sie Probleme im Land – nicht nur von der Politik, auch aus bekannten, dass Sie Ihre Sendung manchmal als langweilig emp- der Wirtschaft.” finden. “Das habe ich keinesfalls so gesagt, sondern bei einigen Spiegel-Reporter Jürgen Leinemann hat einmal gesagt, dass die Gästerunden die manchmal ausbleibende Verve, die deutschen Politiker immer mehr wie Guido Westerwelle werden, fehlende Leidenschaft und Zielsetzungen für die gros- was heisst, dass der Hintergrund immer mehr durch die Show ver- sen politischen oder gesellschaftlichen Heraus- drängt wird. Wie haben Sie diese Westerwellerisierung erlebt? forderungen bemängelt. Sicher laden wir – anders als “Der FDP hat sicher der Spasswahlkampf zur letzten Personality-Shows – nicht immer zu den angenehmen Bundestagswahl enorm geschadet. Während die Bürger Themen ein, sondern dann, wenn die Topgäste eher in bereits mehr und mehr in die Arbeitslosigkeit wander- schwierigen Situationen sind oder die Themen eher ten, drang die FDP mit ihrer Hinwendung zum negative Vorzeichen tragen. Daher ist das Interesse, Zeitgeist nicht mehr durch. Dieser Trend ist den sich dem Gegner zu stellen, nicht immer ausgeprägt, Parteien gottlob abhanden gekommen. Nur, wo ist jetzt nach dem Motto: Wer sich als Erster bewegt, hat schon das Personal der jüngeren Generation mit eigenem verloren. Schade drum ...” Typus, ausreichendem Erfahrungshorizont und Glaubwürdigkeit für ein Ressort? Die Frage ist doch Dagegen sind Sie machtlos? bei uns falsch platziert, dass der Hintergrund immer “Im Endeffekt: Ja. Wenn ein Politiker nicht sprechen mehr durch Show verdrängt wird. Sie dürfen diese will, dann will er nicht. Man vermeidet konkrete Frage gern an heutige Boulevard-Personality-Shows Inhalte, um seine Wähler nicht zu verschrecken, was weiterreichen. Da ist sie gut aufgehoben. Das mag noch sich sogleich auf die Umfragewerte niederschlagen bei Böhmes Talkshow mit popozeigendem Publikum könnte. Viele Politiker befürchten mittlerweile, dass sie oder beim heissen Stuhl der Fall gewesen sein. Wer uns bereits am nächsten Tag mit der Halbwertzeit ihrer einschaltet, weiss um eine TV-Debatte pur.” Aussagen konfrontiert werden. Deswegen haben wir unsere Sendung auch geöffnet und laden nicht nur Und Westerwelle ist bereits auf dem Abstieg. Politiker, sondern auch Mittelständler, Anwälte oder “Derzeit haben wohl eher die Grünen Sorge um ihr andere Berufsgruppen ein. Innenleben. Es wird bei den potenziellen Dadurch wird das Ritual der politischen Diskussion Koalitionspartnern jedenfalls spannend bei der Wahl in durchbrochen, was es für die Politiker viel schwieriger NRW.” macht. Weniger politische Gäste, sondern mehr gesell- schaftlich engagierte Kräfte dabei zu haben, ist ein Ziel Ihre Thesen überraschen. Für einen Schweizer wirkt die deut- in jeder Woche. Aber nicht alle trauen sich ein offenes sche Politik viel spannender als die unsrige... Wort bei uns zu ...” “Ich weiss, Facts hat dies auch einmal geschrieben. Aus unserer Sicht überrascht dieser Eindruck eher ...” Hat dies Auswirkungen auf die Quote? “Nein, nicht unbedingt. Die Quote hängt von anderen Sie haben verschiedentlich auch Schweizer Gäste wie Jean Faktoren ab. Es ist wichtig, die Politik mit anderen Ziegler oder Kurt Felix eingeladen. Themen zu kombinieren. Am besten verläuft eine “Ja, wir möchten sogar vermehrt wieder Schweizer Sendung, wenn auf klare Fragen klare Lösungen prä- Gäste einladen, wo es doch unsere Unternehmen, das sentiert werden. Unsere Zuschauer goutieren reine deutsche Kapital und viele Persönlichkeiten in Ihr Show-Veranstaltungen nicht. Wird jeder Lösungs- Land zieht ...” ansatz durch lautes Durcheinandersprechen kaschiert, schlägt sich dies auch auf die Quote nieder. Unsere Blocher beispielsweise ... Zuschauer sind selbstständig und können ganz klar zwi- “Wir haben schon einige Male über Christoph Blocher gesprochen und würden ihn auch gerne einmal in unse- erwogen, ihn einzuladen. Dafür hatten wir bestimmte re Sendung einladen. Aber im Gegensatz zu einer Vorstellungen der anderen Gäste, die namhafte und Personality-Show braucht es dazu einen richtigen aktive Persönlichkeiten aus unserem politischen Bezugspunkt.” Spektrum umfassen sollten. Den realpolitischen Anforderungen und Debatten – so meinten wir damals – Greifen Sie selbst in den Themenmix ein? hält ein Haider am wenigsten glaubwürdig stand. Das hat ”Ja, sicher! Ich nehme jeweils an den Haupt- aber zu unseren Bedingungen nicht geklappt, und daher themensitzungen teil. Gegen Ende der Woche gehts dann nahm er dann eine Einladung zu einer anderen da- um Abstimmungen en detail mit den Kollegen und dem maligen Talk-Sendung auf Sat.1 an, was eine nicht Redaktionsleiter. Es gibt Themen und Gäste, die bis zur ‘unproblematische’ Sendung wurde.” letzten Minute schwieriger zu realisieren sind als ande- re.” Wer wäre Ihr Lieblingsgast? “Gibt es nicht. Bei uns ist dies – im Gegensatz zu einer Aber am Ende kommen doch alle gerne zu “Sabine Chris- Personality-Show – immer zeit- und themenabhängig. tiansen”... Salman Rushdie als Ersten wieder der Öffentlichkeit zu “Oh, das täuscht! Zu den nächtlichen Personality-Talks präsentieren, zum Vergleich geht jeder gerne, weil er mit seiner Familiengeschichte Deutschland Lybien, Condoleezza Rice zu Abu Ghraib, schön punkten kann. Wir hingegen melden uns, wenn als letzter Gegenkandidat zu Gerhard es nicht so gut läuft. Ein Politiker kommt nur gerne, Schröder, Oskar Lafontaines erster Auftritt nach sei- wenn er eine positive Message zu verkünden hat. nem Rücktritt – das sind nur wenige Beispiele unserer Schwieriger noch als mit der Politik ist es, vielen Exklusiv-Auftritte – vom Zeitpunkt hängt es ab.” Wirtschaftsbosse einzuladen. Im Gegensatz zu den Amerikanern, die sich auch in schwierigen Zeiten ihres Zu hatten Sie nicht so einen guten Draht ... Unternehmens den Fernsehzuschauern stellen, ist man “Sagen wir einmal so, Bill Clinton ist sich – abgesehen bei uns – vornehm ausgedrückt – doch sehr zurückhal- von den amerikanischen und britischen Medien – tend. Die PR-Chefs der grossen Betriebe folgen gewohnt, dass man ihn mit Samthandschuhen anfasst. immer noch der Maxime, dass man ihre Vorstände am Möglicherweise war er bei der einen oder anderen liebsten zur vorbereiteten Bilanzpressekonferenz Frage ein bisschen überrascht. Aber anders als in der schickt und anschliessend wieder abtauchen lässt. Es Presse dargestellt, gab es kaum Lewinsky-Fragen, die wäre doch interessant, wenn sich der Vorstands- ihn aufmerken liessen, sondern einige schwierigere vorsitzende der Deutschen Bank einmal öffentlich äus- nach seinem politischen Wirken, überschattet eben von sern würde, warum er am gleichen Tag, an welchem er dieser Affäre. Aber er war keineswegs – wie öffentlich ein Rekordergebnis verkündet, auch Massenent- dargestellt – früher abgeflogen oder Ähnliches, sondern lassungen vornehmen muss. Dies wäre eine glaubwür- unterhielt sich angeregt noch eine dreiviertel Stunde digere Öffentlichkeitsarbeit und stünde möglicherwei- mit dem Publikum und flog dann – wie lange vor der se besser an als ein Victory-Zeichen.” Sendung angekündigt – am Abend weiter nach London. Ein weiterhin viel beschäftigter und hochinteressanter Ist dies nicht ein Widerspruch? Gerade die PR-Berater verkün- Politiker!” den doch, dass jeder Fernsehauftritt auch eine Chance dar- stellt, um sich und seine Anliegen zu präsentieren? Sie haben in St. Moritz einen Vortrag unter dem Titel “Die insze- “Ja, ich habe manchmal den Eindruck, dass nierte Republik” gehalten. Dies überrascht, eigentlich sind Sie sich ganze Heerscharen von PR-Beratern überlegen, die Inkarnation der inszenierten Republik. welche kritischen Fragen in einer Bilanzpresse- “Sie haben Recht, dies ist ein wahnsinnig komplizierter konferenz gestellt werden könnten und wie man diese Titel, den wir nur gewählt haben, weil er aufs Plakat beantworten sollte. Bei einer Talkshow können aber passte. Die Politik mag Events inszenieren, wir wohl Momente eintreten, welche unvorhersehbar sind. kaum.” Davor fürchten sich die Berater – oftmals nicht mal die Chefs selber. Insofern sollten sie sich mehr auf den Weil sich ein Grossteil der deutschen Politik in Ihrer Sendung gesunden Menschenverstand und die eigenen Überzeu- abspielt ... gungen verlassen. Ich finde diese Entwicklung äusserst “Inszeniert wäre, wenn alles aufgezeichnet und bedauerlich, vielleicht sollte doch der Mensch wieder anschliessend geschnitten würde. Gerade das ist bei uns mehr Mensch sein.” nicht der Fall. Wir strahlen unsere Sendung immer authentisch aus. Ich habe mich schon als Volontärin Haben Sie Berührungsängste zu Rechtspopulisten wie Jörg gegen gekünstelte Sprachausbildung gewehrt, da werde Haider? ich 20 Jahre später kaum mit irgendeiner Form der “Wir haben nach seiner gewonnenen Wahl einmal Inszenierung beginnen.” Was verstehen Sie dann unter diesem Begriff? Auf-der-Stelle-Treten mancher Medienkritiker, die “Es sind viele Themen, über die wir bereits gesprochen schon seit 20 Jahren immer zur gleichen Zeit in die glei- haben. Glücklicherweise lässt sich aber in der Politik che Kantine schlurfen.” nicht alles inszenieren, was auch unser Kanzler nach dem Jobgipfel feststellen musste. Schröder wollte das Reagieren Politiker anders auf Frauen als auf Männer? Resultat dieser Besprechung direkt auf die “Ich glaube, dies bezieht sich nicht nur auf Politiker, Nachrichtensendungen getimt verkünden, doch dann sondern auf alle Menschen. Wir führen eine andere kam ihm die Abwahl von Heide Simonis dazwischen Kommunikationsart, indem wir viel direkter kommuni- und stahl ihm die ganze Aufmerksamkeit. Interessant, zieren, bessere Zuhörer sind und wohl auch sensitiver. wie hier eine Inszenierung von einer Sekunde auf die In einem Punkt sind wir den Männern ganz sicher über- andere zerstört wurde.” legen, indem wir auch unseren Charme einsetzen kön- nen.” Wie nah sind Sie bei den Politikern? “Ich bin nicht so nah bei der Politik wie viele meiner Die italienische Opernsängerin Cecilia Bartoli meinte in einem Printkollegen. Ich würde diese Nähe auch nicht so gut Weltwoche-Interview, dass es für berühmte Frauen schwierig sei, aushalten.” Männer kennen zu lernen. Haben Sie die gleichen Erfahrungen gemacht? Wir haben vorhin von der Ego-Gesellschaft gesprochen. Wie (Lacht.) “Eigentlich kenne ich bereits sehr viele konnten Sie sich als Frau auf diesem äusserst schwierigen Männer und habe mich immer auf mehr Frauen in mei- Terrain durchsetzen? ner Sendung gefreut. Ich kann dies nicht unterschrei- “Sie sehen ja, wie bis heute selbst oder gerade bei einer ben.” Marktführerin im TV-Diskussions-geschäft an jedem und allem herumkritisiert wird. Bei uns Frauen findet Aber wenn Sie in diesen Bundestag gehen, spüren Sie keine hingegen eine sonderbare Mischung zwischen Inhalt Berührungsängste gegenüber der berühmten Sabine und Äusserem statt. Obwohl in unserer Sendung Christiansen? manchmal mehr herauskommt als bei derjenigen eines “Ach was! Ganz normales geschäftliches Journalisten- männlichen Kollegen, registriert man immer noch die Politiker-Geschäftsgebaren. Ich bin ja nichts Farbe meiner Ohrringe. Besonderes, nur weil die Sendung meinen Namen trägt. Das passiert keinem Mann, nur komischerweise sind So ist die Art und Weise auch sehr angenehm, in der die die schneller wieder vom Bildschirm verschwunden als Zuschauer meist auf mich zukommen, da sie über die Frauen in dem Business. Sie müssen nur einen Themen, Vorschläge und Kritik an Gästen in unserer investigativen Blick aufsetzen, schon glaubt man Ihnen Sendung reden wollen und weniger – wie bei den kritischen Journalisten. In der Politik ist es genau- Showkollegen – über Blabla. Es ist mir viel lieber, wenn so: Das Beispiel von zeigt, dass es für die Leute auf der Strasse das Gefühl haben, dass ich ein eine Frau immer noch sehr schwierig ist, sich in der völlig normaler Mensch bin, als wenn ich irgendwo mit obersten Führung klar durchzusetzen. Leider sind in grossem Handkuss empfangen werde.” den Medien wie in der Wirtschaft überhaupt die Frauen in Führungsetagen oder gar an der Spitze die Trotzdem geht von Ihnen ein bisschen die Aura der Unnahbaren Seltenheit.” aus. “Oh Gott. Das mag vielleicht auf Thomas Gottschalk Wie spüren Sie das konkret? zutreffen. Ich freue mich als Journalistin über den gros- “Männer glauben, mit einer unqualifizierten Kritik an sen Zuspruch bei politischen Kontroversen und als der Beinstellung einer Moderatorin oder ihrer Bluse Produzentin über den Erfolg dieser und anderer nicht auf die Inhalte eingehen zu müssen ( Das können Informations-Formate, die aus unserer Firma TV21 doch nur Sie als Mann wirklich!) Das kann doch ein Ex- kommen.” Taxifahrer Fischer sicher besser als eine Ex-Stewardess Christiansen (lacht). Sie müssen als Frau in der männ- Sind Sie stolz auf das Erreichte? lich-chauvinistischen Medien- und Politikwelt immer “Ja. Erreichen Sie mal heute das siebente Jahr einer mit noch eine Menge aushalten können.” Abstand erfolgreichsten Sendung – da muss irgendet- was dahinterstecken ...” Das muss Sie gewaltig nerven ... “Nein, überhaupt nicht. Ich stehe zu allem, was ich in Was war Ihr schönstes Ergebnis? meinem Leben gemacht habe, die vielen “Wenn ich an etwas glaube, kann ich sehr beharrlich Schulaufenthalte im Ausland, die Fliegerei, die sein. Wenn wir durch eine sehr qualifizierte Redaktion Gewerkschaftsarbeit, die Zeit als freie Autorin und vie- manch ausweglos erscheinende Dinge dennoch ange- les mehr. Es hat mich jedes Mal weitergebracht als das gangen sind, ist es, weil wir gesagt haben: Lass es uns versuchen, mehr als ein NEIN kann es nicht geben. Und Monate später wurde daraus oft genug ein JA: bei oder der Runde der Aussenminister der deut- schen Einheit.”

Noch eine private Frage: In der Zeitung konnte man lesen, dass Sie seit jüngstem einen Hundesalon betreiben. Wie läuft die- ser? (Lacht.) “Eine grosse Boulevard-Zeitung wollte es unbedingt so darstellen, dabei wusste sie genau um die Tatsache, dass mein Anteil komplett den Beitrag für einen Tierschutzverein in darstellt. Heute habe ich damit nichts mehr zu tun, sondern ein Steuerbüro ist dafür zuständig. Halt – ich lasse natürlich als Kundin meinen Hund dort trimmen und tue etwas für einen guten Zweck.”