nski . Goby Kohl . Irmgord Ludewigt

In dem vorliegenden Bond wird zunächst der Mythos von der ,Jugend­ sprache" einer kritischen Prüfung unterzogen. Ausgehend von der' Tat­ sache, daß es weder eine einheitlichejugendsprache noch eine Jugend­ sprache im Gegensatz zur "Erwachsenensproehe" gibt, werden iugend­ liehe Sprechstile und SpracheinsteIlungen von Jugendlichen beschrie­ ben. In einer empirischen Untersuchung, die im Rahmen der Ethno­ graphie des Sprechens steht, werden in erster linie konkrete Sprech­ weisen von Jugendlichen und deren kulturelle Ressourcen analysiert.

ISBN 3-531-12268·1 Peter Schlobinski . Gaby Kohl· Irmgard Ludewigt

Jugendsprache Peter Schlobinski . Gaby Kohl· Irmgard Ludewigt

Jugendsprache

Fiktion und Wirklichkeit

Westdeutscher Verlag Inhalt

Vorwort 7 Legende 8

I ~asistJugendsprache? 9

1. Der Mythos von der ,Jugendsprache' 9 "Jugend und ihre Sprache" - zwei sprachwissenschaftliche Untersuchungen 22 Jugendsprachliche Merkmale 26 Ju­ gendsprache gleich Mediensprache? 33

2. Perspektiven einer realistischen Jugendsprachforschung' 38 Sprechstilanalyse 40 Ethnographischer Ansatz zur Ju­ gendsprachforschung 43 Spracheinstellungen 61 Fazit 64

II Das Projekt ,,Jugendsprache": Die Gruppen 65

1. Einleitende Zusammenfassung 65 Gruppe I: Jugendliche einer katholischen Kirchengruppe 65 Gruppe II: Schülerinnen und Schüler einer Gesamtschule Alle Rechte vorbehalten 66 Datenerhebung 67 © 1993 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 2_ Untersuchungsgruppe I: Jugendarbeit -Jugendheim - Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International. Jugendliche ffi Kirchliche Jugendarbeit 69 Der ,offene Nachmittag' im Jugendheim 71 Die Jugendlichen 73 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsv gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das 3. Untersuchungsgruppe lI: die Schule - der Kurs - die gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrover­ Jugendlichen 00 filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Schule und Freizeit 80 Der Kurs 83 Die Jugendlichen 88 Systemen.

Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt m Empirische Sprechstilanalysen 93 Druck und buchbinderische Verarbeitung: Langelüddecke, Braunschweig Gedruckt auf säurefreiem Papier 1. ,Jugendsprache'- Gruppensprache? 93 Printed in Germany "Rinni der Riporter" 94 "Nobel hier" 101

2. ,,Fürbitten" und das BricoIage-Prinzip 112

3. "Um tausend Joghurts" -Symbole in der Sprache ISBN 3-531-12268-1 Jugendlicher 121 4. Die Partikel ey 134 Vorwort 5. Fazit 144

Aus verschiedenen Motiven heraus haben sich Sprachwissenschaft­ IV Vom "A·Team", über ,,Herzblatt" zu ,,Rambo" oder: ,Jugendsprache' und Medien 149 ler, Soziologen, Journalisten und andere mit dem Thema Jugend­ sprache beschäftigt und an dem Mythos von der Jugendsprache ge­ 1. Medienkonsum der Untersuchungsgruppen 150 strickt. Dieser Mythos besteht zum einen darin, daß unterstellt wird, es gäbe eine Sprache, deren ,Besitzer' Jugendliche sind, wie schon der 2. Auswertung und Analyse der SprachaufnaIunen 154 Titel mit dem verführerischen Possessiv "Die Jugend und ihre Medienspots 155 Sprachspiele 159 "Cherry Merry Muppets" Sprache" (Henne 1986) vermuten läßt. Zum anderen wird der Mythos 160 "Ismarin . der Rächer" 162 "Die Wahlen sind vorbei gepflegt, als sprächen Jugendliche ununterbrochen echt, supermega, Jungs" 164 geil, würg. Daß die sprachliche Realität sich anders gestaltet, wird in diesem Buch aufgezeigt 3. ~t m Im ersten Teil wenden wir uns dem Mythos und der Fiktion von der Jugendsprache zu und entwerfen auf der Folie einer kritischen Darstellung bisheriger Arbeiten die Perspektive für eine pragma­ V ,,Ich glaub, diese Ausdrücke gibt es auf der ganzen Welt ". SpracheinsteIlungen Jugendlicher 169 und soziolinguistisch fundierte Herangehensweise an das Thema. In den Folgekapiteln wollen wir zeigen, daß und wie ,Jugendsprache' 1. Jugendliche und ,Jugendsprache' 171 im Rahmen einer Ethnographie des Sprechens zu behandeln ist. Bei Wie definieren Jugendliche ihre Sprache? 171 Wann der Vorstellung der Untersuchungsgruppen in Kapitel 11 haben wir sprechen Jugendliche ,Jugendsprache'? 174 Wie bewerten eine einleitende Zusammenfassung für diejenigen gegeben, die sich Jugendliche ihren Sprechstil? 179 mit der empirischen Basis nicht im einzelnen beschäftigen wollen. Wenn wir im folgenden auf Personengruppen verweisen, z.B. Schü• 2. Jugendliche und ,Erwachsenensprache' 188 ler, Kursteilnehmer usw., so verwenden wir aus Gründen der Ein­ Wie bewerten Jugendliche die Sprache der Erwachsenen? fachheit die maskuline Form, meinen jedoch damit Personen beider­ 188 Wie beschreiben Jugendliche die Sprache der Er· lei Geschlechts. wachsenen? 190 Wie schätzen Jugendliche den An· Die exemplarischen Analysen, die auf einer längeren teilneh­ wendungs- und Kontextbezug ein? 193 Wie reagieren menden Beobachtung beruhen, sind im Rahmen eines zweijährigen Lehrer und Eltern auf ,Jugendsprache'? 197 Akzeptieren Forschungsprojektes (1990-92) entstanden. Wir danken an dieser die Jugendlichen das Spracherziehungsverhalten der Er­ wachsenen? 200 Stelle der DFG und der Robert-Bosch-Stiftung für die finanzielle Unterstützung. Wir danken ferner Rosemarie Rigol, die uns bei der 3. Fazit 204 Entstehung des Projektes in vielen Punkten unterstützt hat, Frau Dorn für die umfangreiche Verschriftung der Tonaufzeichnungen und Martin Stahlmann für seine hilfreiche und anregende Kritik. VI Resümee 207 Unser Dank gilt ebenfalls den Jugendlichen, die uns offen in ihre Gruppen aufgenommen haben. Anhang 213 Literatur 233 Osnabrück, im November 1992 Gaby Kohl Über die Autorinnen und den Autor 241 Irmgard Ludewigt Peter Schlobinski Legende I Was ist ,Jugendsprache'?

Transkriptionskonventionen 1. Der Mythos von ,der Jugendsprache' (( )) Kommentare, nonverbale Signale C) kurze Pause (bis 0.5 Sek.) Wenn man den Äußerungen von Sprachwissenschaftlern vor weni­ (.2 sec) Pause, hier 2 Sekunden gen Jahrzehnten glauben darf, dann ist Jugendsprache ein "Jargon ( ) unverständliche Passage einer bestimmten Sondergruppe", der den "größeren und wertvolle­ (2.0) unverständliche Passage von 2 Sekunden Länge ren Teil der Jugend erniedrigt und beleidigt" (Küpper 1961: 188). (er) zweifelhafte Wiedergabe, unsicher gehörtes Wort, Nicht weniger schmeichelhaft äußert sich Hartrnut Engelmann in hier: er einer Sendung des Hessischen Rundfunks über das "Rotwelsch der Emphase Jugend": "Das Klotzige, Protzige und Brutale ist wohl eines der we­ = direkter Anschluß nach Sprecherwechsel sentlichen Charakteristika des Jargons" (Engelmann 1964: 6). Majuskel lauter gesprochen Joachim Stave schreibt im gleichen Jahr über die von ihm so be­ o 0 leiser gesprochen zeichnete "Halbstarkensprache", daß ihr "bei aller Unbekümmert• > < schneller gesprochen heit etwas Infantiles an[haftetl; daß sie darüber hinaus ruppig und [ 1 phonetische Wiedergabe pöbelhaft klingt, ist unüberhörbar" (Stave 1964: 196). Und in einem 11 IfD n-fache Wiederholung der in 11 eingeschlossenen Buch mit dem interessanten Titel "Teenager und Manager" heißt es: Sequenz "Die Witzigkeit des Jargons ist nur äußerlich, in Wahrheit spiegelt I Interviewerin er sprachliche Verwilderung und emotionale Verrohung wider" (Lamprecht 1965: 81). Gesprochene Sprache: Bis auf Personennamen in Kleinschreibung. Nun sind über zwanzig Jahre vergangen, und was mögen die Namen der Personen und Ortsangaben wurden geändert. Autoren wohl sagen, wenn sie Kriemhilds Traum aus den Nibe­ lungen in einem jugendsprachlichen Duktus lesen, der in erheb­ licher Weise von der noch heute an Kinder und Jugendliche meist verschenkten Version der Nibelungensage (11878) abweicht (vgl. S. 13-14). Doch nicht nur Sagen und Märchen, auch das Alte Testament liegt in Teilen in jugendsprachlicher Version vor. Genesis 1,3: "Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht" lautet dort: "Die Düsternis mißfällt dem GROSSEN BOSS. Man sieht ja nicht die Hand vor Augen! räsoniert er. Licht! Aber ein bißehen dalli! Prompt wird es hell" (Denger 1984: 17). So oder ähnlich sind Texte, die, mit dem Etikett ,Jugendsprache' versehen, nicht nur den Lesestoff von Jugendlichen bilden, sondern auch von Erwachsenen gelesen werden. Für die Beliebtheit solcher Texte zeugen die zahlreichen Publikationen zum Thema in den letzten Jahren. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Renner von Claus-Peter Müller-Thurau "Laß uns mal 'ne Schnecke angraben" (1983), der in kürzester Zeit in die Bestsellerlisten vorstieß und dem SPIEGEL einen Artikel wert war. Der stilisierte Slogan auf dem o f

Buchumschlag: "Ein affengeiles Buch, das echt anfetzt, wer es sich so stellt man leicht fest, daß aus dem fiktiven Text Elemente reinzieht, wird mehr Durchblick haben" gibt das Motto vor: Lerne die herausgegriffen und als authentisch jugendsprachlich klassifiziert Jugendsprache und du wirst die Jugend besser verstehen. Ein gutes werden. Nicht viel anders als Müller-Thurau verfährt Elke Rezept, wenn es funktionieren würde. Nicht anders das wohl in Heidenreich in einer NDR-Rundfunkglosse (vgl. S. 17); man sieht, Kürze zum neuen Renner avancierende Buch "affengeil. Ein Lexi­ der Text Disko-Deutsch hat Karriere gemacht. Helmut Henne kon der Jugendsprache" von Hermann Ehmann (1992a). Dort heißt es schreibt hierzu: Die "Parallelität erweist: Teile des jugendsprach­ auf dem Buchrücken: "Die Jugendsprache der neunziger Jahre ist um lichen Lexikons sind Versatzstücke der Medien. Jugendsprache wird einiges abgepfiffener als diejenige vergangen er Jahrzehnte _ und medial funktionalisiert, das soll heißen: Sie wird zu einem Spielzeug gleichzeitig auch um einiges geiler, heißer und cooler. Wer da der Medien" (Henne 1986: 198). bislang öfter mal tierisch ohne Durchblick da stand, der kann nun Daß dieses ,Spielzeug der Medien' nicht Jugendsprache, sondern nach Lektüre dieses Lexikons die Provo-kids radikalinski abfahren eine Stilisierung von Jugendsprache ist, dies sollte jedem klar sein, lassen und kräftig mitsülzen". Die Buchdeckel der Bücher von der mit Jugendlichen tatsächlich zu tun hat. Trotzdem geistern in den Müller-Thurau (1983) und Ehmann (1992a) spiegeln den Zeitgeist Köpfen von Eltern und teilweise auch Lehrern jene Vorstellungen, wider: Ziert ein zart gesprayter Graffity den Einband des ersteren, wie sie eingangs prägnant von dem Sprachwissenschaftler Heinz springt bei dem Buch von Ehmann eine zähnefletschende Comic­ Küpper formuliert worden sind. Jugendsprachlicher Sprachgebrauch Bulldogge aus einem Berliner Mauerbild auf den Betrachter zu. Eine ist zwar o.k., aber "nur solange er sauber bleibt"; was "ich an der Begründung wird in der Vorbemerkung mitgeliefert: Schließlich Jugendsprache hasse, das ist, wenn sie abgleitet in die Fäkalien• gibt es "Entwicklungstendenzen" in der Jugendsprache - "so vor sprache" (aus einem Lehrerinterview). Die Negativbilder werden allem die ständig zunehmende Quantität an aggressiven Bruta­ noch verstärkt, wenn Wörterbücher erscheinen wie das von Eike lismen, Grobianismen und vulgären Fäkalismen" (Ehmann 1992a: Schönfeld (1986), in dem "Jugend- und Knastsprache" in Zusammen­ 10). Liegt dem Wörterbuch zumindest eine sprachwissenschaftliche hang gebracht wird, was "damit zu tun [hat], daß beide Gruppen am Untersuchung zugrunde (Ehmann 1992b) - die allerdings auf einer Rande der ,normalen' Gesellschaft [stehen] ... und ihre RandsteIlung äußerst fragwürdigen Fragebogenerhebung basiert und zu grob auch in Worten, in einem anderen Sprachgebrauch, zum Ausdruck pauschalisierenden Urteilen kommt -, ordnet Müller-Thurau Wörter [bringen]" (Schönfeld 1986: 5). Die Aus- und Abgrenzung von und Wendungen hinsichtlich bestimmter Themenkomplexe an, z.B. Jugendlichen ist ein beliebter Modus, um jugendsprachlichen nach dem Thema Zweierkiste oder Betroffenheit, ohne jedoch Sprachgestus zu demonstrieren, wie Elke Heidenreich in ,Espresso', irgendeine Basis für diese Zuordnungen zu haben, mit der Konse­ NDR II, vom 12.12.1983 (vgl. S. 18). Der (vermeintliche) Gene­ quenz, "daß er einen entsprechenden Wesenszug von Jugendsprache rationenkonflikt artikuliert sich in zwei divergenten Sprachwelten, eher sucht als findet" (Januschek 1989: 137). In einer Rezension fragt die aber (!) zumindest kommunizieren können. Und: Die schrift­ Gabi WiIlenberg: "Woher hat Müller-Thurau seine Informationen?" liche Anrede seiner Großmutter mit "Liebe Oma" läßt noch einen und kommt zu dem Schluß, "daß diese Sammlung von der Funken Hoffnung aufglimmen, daß nicht alles "Bürgerscheiße" ist, Darstellung und von der empirischen Basis her äußerst zweifelhaft was So-long-Harry für solche hält. Nebenbei: Die Ab- und Ausgren­ [ist], so daß auch die Allgemeingültigkeit der angebotenen Daten in zung von Jugendlichen und ihres (devianten) Verhaltens durch Zweifel zu ziehen ist" (WiIlenberg 1984: 375). Der Stoff, aus dem sprachliche Merkmale ist nicht neu. Schon in dem 1956 erschienenen Bücher wie dieses und ähnliche fabriziert sind, stammt aus ,erhörten' Film "Die Halbstarken" mit Horst Buchholz in der Hauptrolle des Beispielen - wann, wo, unter welchen Bedingungen gehört? _ und Freddy wird eine Gleichung zwischen jugendlichen Peer-groups, fiktiven Texten, wie der Glosse ,Disko-Deutsch' aus der Frankfurter Rock'n Roll, Kriminalität und jugendspezifischen Sprechweisen Allgemeinen Zeitung vom 4.1.1979 (vgl. S. 15), die in der Schule hergestellt (vgl. S. 19-20). immer wieder gern als Materialie für Jugendsprache genommen Während Jugendsprache als Medienprodukt seinen Unterhal­ wird (z.B. Grimm/Sontheimer 1980). Vergleicht man den Anfang tungswert hat und "profitabel vermarktet [wird]" (Neuland 1987: 58), von Müller-Thuraus Buch (vgl. S. 16) mit der Glosse ,Disko-Deutsch' wird es nun geradezu peinlich, wenn sie in der politischen Werbung F t

funktionalisiert wird. "Unser Typ heißt: Rolf Koltzsch" lautet die Erleuchtung einer SPD-Werbung (vgl. S. 21), die von befragten Eines Nachts kann Hildchen nicht ordentlich Jugendlichen als "anbiedernd, aufgesetzt" abgelehnt wurde. Ein 15- pennen, weil Vollmond ist. Vielleicht hat sie sich jähriger Schüler meint dazu: "Und das ist auch ein Fehler vieler aber auch nur zu viel Wildschweinbraten reinge­ Erwachsener, zum Beispiel Politiker, daß die glauben, sie könnten pfiffen. Jedenfalls hat sie einen Alptraum, der die Jugendlichen nur für sich interessieren, wenn sie sich sprachlich glatt bei Freudi geklaut sein könr.'te: sie ha~ eir.'en anpassen. Das wirkt dann aber total lächerlich. Jugendliche blocken Falken hochgepäppelt, auf den SIe total spItz 1St, dann sofort ab." läßt ihn eines Tages in Richtung Himmel starten Gegenüber eher vorurteilsbeladenen Vorstellungen und Fiktionen und sieht, wie zwei Adler auf ihn losdüsen und ihn wird Jugendsprache von Sprachwissenschaftlern heute als ein allernachen. komplexes sprachliches Register angesehen. Aber auch hier wird Morgens ist der Teenie dann völlig geschafft Jugendsprache unter dem Titel "Jugend und ihre Sprache" (Henne und sprintet zu ihrer Mami, die übrigens Ute 1986) mit der Signalwirkung verkauft, als gäbe es eine Sprache, heißt. Die kramt das große Traumdeutungsbuch deren Besitzer die Jugend sei. Insofern ist es auch nicht verwun­ raus guckt unter »F« nach und verklart ihrem derlich - und schon gar nicht beklagenswert - wenn die Medien auf Spro'ß, daß der Falke ein Typ ist, mit. dem einen gleichnamigen Vortrag von Henne im Jahre 1983 anspringen Hildchen 'ne Beziehungskiste aufmachen wIrd. und als Folge das Thema durch den deutschen Blätterwald rauscht (vgl. Henne 1986: 185f.). Daß hierbei gewisse Verzerrungen ent­ Die beiden schlabbern gerade noch an ihrem stehen, die den Intentionen des Autors zuwiderlaufen, dies ist täg• Frühstücksei herum, da geht auch schon die liche Praxis in den Medien und gehört zum Geschäft. Aber: Es nährt Alarmanlage los, weil 'ne Fuhre Rocker in sich der Mythos von der Jugendsprache nicht nur deshalb, weil Worms angerast kommt. Die drei Kings kriegen irreführende Buchtitel eine durchschlagende Wirkung haben, erstmal brutal die Muffe, aber ihr Onkel, der sondern auch deshalb, weil trotz detaillierter Einsichten in das Hagen von Tronje heißt und ein ziemlic~er Zombie mit einem hopsgegangenem Auge 1st, Phänomen ,Jugend sprache' sprachwissenschaftliche Untersuchun­ kennt Siggi aus der Illustrierten und gibt Entwar- gen zu dem Thema immer wieder die Fiktion bestätigt haben, anstatt nung. das Phänomen mit der sprachlichen Realität zu konfrontieren. Es ist Aus: Claus & Kutschera 1986: 23-24 ein - bei genauerem Hinsehen gar nicht so verwunderliches _ Paradox, daß Sprachwissenschaftler trotz tiefer Einsichten in das komplexe Phänomen der Jugendsprache wiederum jenes Material zu Tage förderten, aus dem die Fiktion von der Jugendsprache gebaut ist. Klassisches Beispiel hierfür ist die bereits zitierte und bislang umfangreichste empirische Untersuchung zum Thema von Henne (1986). Einmal trat Mutter Ute früh am Morgen in ihr Gemach und Disko-Deutsch fand sie verstört und traurig. Sie forschte nach der Ursache ihrer Betrübnis. Da erzählte ihr die Maid, es habe ihr ge­ Als ich neulich mit Peter in die City drückte, macht der träumt, daß sie einen edlen Falken aufgezogen, der ihr gar mich unheimlich an auf Tilbury. Na, schon bohren wir da­ lieb geworden sei, als er aber aufgeflogen, hätten ihn zwei hin, obwohl ich eigentlich aufs Lollipop stand. Ich Chaot tückische Adler, aus einer Felsenkluft hervorbrechend, vor hatte keine Matte mit, weil ich meinen Kaftan vergessen ihren Augen erwürgt. "Mein Kind", sagte die Mutter ernst, hatte, und sagte zu Peter, er solle mal ausklinken. In dem "der Falke ist der edle Held, dem du einstmals deine Minne Schuppen zogen ein paar People schon eine heiße Show ab. zuwendest. Die Adler aber bedeuten zwei mordsüchtige Wir machten eine kurze Fleischbeschauung, und Peter Recken, die ihn mit arger List zu töten suchen. Möge Gott dir machte sich sofort daran, eine riesige Tussi anzugraben. seinen Beistand leihen, daß du die mörderischen Die war echt einsam, aber ich hatte einfach keinen Schlag Anschläge vereitelst. bei ihr. Peter schafft sich da also mächtig rein und wollte wahrscheinlich 'nen kleinen Wuschermann machen, "Mutter", sagte Kriemhild, "rede mir nicht von Männern. blickt aber nicht durch, daß die Tussy einen Typ hat. Der Es ängstigt mich, wenn ich unter sie treten muß. Gäbe es hing zu dem Zeitpunkt allerdings schon völlig durch. doch nur gar keine Männer in der Welt, da würde man Vielleicht zog er auch, jedenfalls konnte die Tussi darauf nichts von Streiten, Krieg und Blutvergießen hören." nicht. Aber als Peter so ordentlich aufs Blech haut und mächtig mit seinem Busch wedelt, spannt der beknackte "Wer weiß", versetzte Frau Ute lächelnd, "Weiber vergie­ Gent seinen Glimmer, was läuft, und sagt Peter einen Satz ßen oft durch ihre Zungen mehr Blut und schlagen tiefere heiße Ohren an. "Ich glaub', mich streift ein Bus", tönt Peter Wunden als Männer mit ihren Schwertern. Aber auch für daraufhin, "paß lieber auf, daß du hier keine Taucherbrille dich wird die Stunde kommen, da du einem edlen Recken erbst." Na, ich hatte keinerlei Bock auf Terror, vor allem, die Hand zum Bunde reichst." weil der halbe Laden inzwischen zu war, weil jeder schon ein paar Wutsc!)is und Lämmis drin hatte, und ich sagte zu "Niemals", rief die Jungfrau. "Mutter, du ängstigst mich Peter: "Laß uns die Fliege machen." Das konnte Peter nicht mehr als der schlimme Traum." recht ab, logo, die Schnecke hat ihn voll angeturnt. Also hob ich leicht angesäuert allein ab und rief Heimat ab, denn Beide Frauen sprachen noch viel miteinander und gingen draußen war's mächtig schattig, obwohl der Planet den dann in den Garten, wo Kriemhild ihre Blumen pflegte und ganzen Tag gestochen hatte wie irr. ihre weißen Tauben fütterte. Gegen Mittag entstand ein un­ Aus: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.1.1979 gewöhnliches Hin- und Herlaufen im Palast, man hörte Hörner schmettern und Hufschlag von Rossen. Die Königin ging eilends hin, sich zu befragen, was die Ursache des Getümmels sei. Aus dem "Sagenkreis der Nibelungen", Hrsg. von Wilhelm Wägner, 11878, "Deutsche Heldensagen". Schlupfwinkel der Sprache Haben sie schon einmal versucht, mit einer Sechzehnjährigen zu reden in Zeit? Verstehen sie da was? Passen sie auf: Ich will ihnen das schildern, wie das bei uns geht. Des Menschen Wort ist wie eine gesprungene Pauke, auf der Also da steht man als Mutter und denkt, das ist jetzt mein eigen wir eine Melodie heraustrommeln, nach der kaum ein Bär Fleisch und Blut oder ist das ein Chinese, wo ich mich mit tanzt, während wir die Sterne bewegen möchten. unterhalte. Sage ich gestern: "Ingelein, willst du nicht mal dein Gustave Flaubert Zimmer wieder aufräumen, da sieht es ja drin aus, wie nach einem Bornbenangriff?" Wissen sie, was sie sagt? "Mama", sagt sie, "easy, Wenn Pimo in die Disco geht, um eine Alte aufzureißen, ist easy", ich hab jetzt keinen Bock auf Aufräumen, wo der Planet wie er sprachlich auf der Höhe seiner Zeit und Clique - sein irre sticht". Ich sage: "Was denn für einen Bock, was für einen Wünschen und Wollen freilich ist so zeitlos wie Essen und Planet, wer sticht denn? Kannst du deiner Mutter vielleicht einmal Trinken. erklären, was das heißt?" "Ja", sagt sie, was das heißt, hab ich Pimo aber ist die Vorstellung ein Greuel, den fußspuren keinen Bock drauf, das zu erklären, wo der Planet heute so am seiner Eltern zu folgen, und genauso geht es der Schnecke, stechen ist". Ich sage: "Ingelein, gleich fängst du dir eine, aber hast die ihn angetörnt hat: du 'nen Stich, oder wer sticht, oder was ist?" "Ja mein Gott", sagt sie, Mach mich nicht an, Alter! Auf Deinen Typ steh' ich nicht! "du bist vielleicht schrill heute, immer hast du die alten Kleber Pimo - nur nicht ausklinken - geht flippern. Danach wird er drauf. Ist das nicht vielleicht ein schöner Sonnenschein und da soll versuchen, eine andere Tussi anzugraben. Schließlich ist ich noch in dem Zimmer rumwurschteIn, da hab ich kein Bock drauf Pimo kein Schlaffi. Er wird seinen kleinen Wuschermann und fertig." Der Planet, das war die Sonne und wenn der sticht, heißt schon machen. Und wenn dann eine Gretel voll auf ihn ab­ das, daß es schönes Wetter ist. Aber das muß man erst mal lernen. fährt - Pimo ist zum Troste seiner Eltern wachsam: Er wird Ich sage: "Gut. Wenn dir das zu schönes Wetter heute ist, das ihr keinen Braten in die Röhre schieben. In der Verhütung verstehe ich. Dann läßt du es und machst es heute Abend, wenn es kennt er sich aus - also keine Panik auf der Titanic! dunkel ist." "Nee", sagt sie, "heute Abend drück ich ja mit Bobby in Pimos rhetorische Grundausstattung ist für Feministinnen die City." "Was machst du?" sage ich, "in der Stadt rumstehen und zum (Auf-)Heulen, und seinen Eltern würde sie, falls ihr knutschen?" Aber "drücken" sagen die für gehen. Gehör mitmacht, die Sprache verschlagen. Vielleicht wird Ich habe so ein kleines Heftehen, wO ich das alles reinschreibe, der eine oder andere aber auch an etwas erinnert, was er für damit ich nicht durcheinanderkomme. Also abends "drückt" sie in sich schon längst verloren gegeben hat. die City, weil sie "auf Disko stehen". Also, das verstehst du ja noch. Angraben - anmachen - aufreißen - in der einschlägigen Aber wissen sie was "Matte" ist? Ja "Matte" brauchst du in der Disko, Literatur von Sprachwissenschaftlern, Sprach philosophen sonst läuft nichts. Und das ist keine Matte zum drauf rumturnen, und -kritikern gibt es für Pimo wenig Schmeichelhaftes... das ist Geld, wo wir früher schon mal "Moneten" zu gesagt haben, Aus: Müller-Thurau 1983: 15 das heißt heute "Matte". Und wenn man ein Dussel ist, und seine Matte vergißt, wo man das Geld drinnen hat, dann heißt das, "ich Chaot habe meinen Kaftan mit der Matte vergessen. Aber da finde ich dann schon einen Kumpel, der ausklinkt". "Ausklinken" heißt zahlen, müssen sie wissen, wenn sie kein Hinterweltler sein wollen und wer will das schon. Tja, da sehen sie mal, so ist das auf der Welt. Da sagen die IGnder für ein "Fräulein schöne Augen machen" die "Tussi angraben". Und du hast als Mutter, wie sie klein waren, dich bemüht, daß sie schönes Deutsch lernen. Mit der Jugend von heute und der Diskosprache kannst du als Mutter nur noch angesäuert abheben. Elke Heidenreich als Else Stratmann in "NDR Ir am Vormittag" Oma bekam dieser Tage wieder Post von Harry: "Liebe Freddy: Na, was ist denn nu mit heute abend, Junge? Mmh? Oma", schrieb er, "ich bin schottermäßig nicht gut drauf Wie steh's, heh? dies Jahr, da will ich gar nicht lange rumsülzen, und wenn Klaus: Mensch, aber ich kann doch nicht. Er läßt mich doch jetzt Christmas in die Gänge kommt, Oma, is von mir aus nicht weg. gesehen, rein geschenkmäßig nuU Erwartung angezeigt. Freddy: Ach, quatsch nicht! Du stehst Punkt 7 da wie 'ne 1 Hoffe, das säuert dich nicht an, Weihnachten is für mich und aus. sowieso out - totalo fatalo, Himbeerpudding für die Bür• Klaus: Freddy, ich kann doch den Job hier nicht verlieren. gerfraktion. Wünsche dir trotzdem frohes, ähm, dingns, Garezzo zahlt prima und ist großzügig. Fest: Liebem Freak als Krieg, Freiheit für Nicaragua, so Freddy: Ach, kein Arsch interessiert sich für deine lang, Harry!" lumpigen Pfennige! Große Dinger mußte machen, nicht unter 'ner MiIlion. Nach elmgem Grübeln schrieb Oma zurück: "Mein lieber Günther: Dann kannste ihm den Laden abkaufen. Harald! Vielen Dank für Deine schöne Weihnachtskarte Garezzo: Dio mio! Was ist hier los?! Klaus?! mit dem Gewehr drauf. Da ich weiß, wie beschäftigt Deine Freddy: Wer ist der Scheich? Mir hat er sich noch nicht Eltern immer sind, möchte ich Dich einladen, die Feiertage vorgesteUt. doch bei mir in Wuppertal zu verbringen. Kannst auf dem Günther: Sagen sie bloß, sie sind hier der Boss?! Sofa im Wohnzimmer schlafen. Es gibt Gänsebraten mit Garezzo: Si, Signor! Ich bin der Boss. Und weil ich bin Boss Rotkohl, ich backe natürlich einen StoUen, und Onkel Otto von Klaus, will ich nicht haben, daß er ist weiter in bringt mir einen Baum, den Tante Grete dann schön schlechter Gesellschaft wie immer früher, capito?! schmücken will. Du brauchst kein Geschenk mitzubringen, Günther: Schlechte was? Sagen sie das doch bitte nochmal, lieber Harald, nur wenn Du vieUeicht die grünen Haare ... Herr äh ...... aber ich wiI1 Dir nicht reinreden, lieber Junge, Deine Oma Garezzo: Mein Name ist Garezzo, Signor! Antonio Garezzo, freut sich immer, wenn Du kommst, auch mit grünen verstanden? Haha, ich will nicht sagen was Schlechtes Haaren. Bitte antworte mir bald, immer Deine Omi." gegen Signori. Ich bin froh, zu haben Klaus. Ich möchte, daß er hat Interesse für Geschäft wie sein eigenes. Und nicht Schon nach zwei Tagen war die Antwort da: "Liebe Oma, haben in Kopf Autos, Uhren in Gold, schöne Signorinas und StoUen, Baum, Gänsebraten (würg!), die ganze alte Bürger• diese, diese Quatsch. Oh, ich weiß Bescheid von Klaus. Ich scheiße, Du bist doch total out, bei Dir läuft der falsche Film, weiß, sie sind gegangen zusammen zur Schule. Sie sind Oma! Aber gut, komme also am vierundzwanzigsten, und Freunde. Und Klaus hat schon gemacht Gefängnis. Nur ein bringe Pinky, Zomby, Schleimi und Fuzzy mit, haben aUe paar Tage. Kann vorkommen. Aber Mutter von Klaus hat Schlafsäcke, mach also null Extra-action! Die Fete ist dann gesagt mir alles. Aber Klaus für mich eine gute Junge. zwar übermackert, aber vieUeicht reißen wir irgendwo noch Freddy: Na, ist doch aUes okay, Mister Spaghetti. Bräute auf - sonst bist Du ja da - Omi, du bist echt geil! Wir Garezzo: Garezzo! Antonio Garezzo! Prego, Signor! werden Weihnachten tierisch abheben! Gänsebraten - au Freddy: Also, ich geb' jetzt 'ne PuUe Sekt aus und dann ist Mann! Enkel, Oma, Opa woUen Frieden in Europa - no gut, heh?! Atomkraft in my Apfelsaft, ich steh auf Dich! So long, Garezzo: Hoho! Prego, Signor. Klaus, presto, presto! Harry. Champagner! Elke Heydenreich in 'Espresso', NDR Ir, 12.12.1983 Klaus: Hausmarke? Garezzo: Eh Hausmarke. Was besseres für Signori, hahah! Prego, Signor. Freddy: Na los, Mister Prego! Fahr mal das Rülpswasser In der Politik sind alle gleich. Oder? an. Garezzo: Bitte? Freddy: Na, 'ne Splitte! Gluck gluck! Durscht! Heh?! Garezzo: Haha! Gluck gluck! Bene! Freddy: Ja, für uns bede! Mmh. Freunde: Was denn?! Geht wohl schon los! Ach, nur 'ne kleine Vorfeier. Ach, hier gibt's Sekt. Freddy: Komm, das trinkt Vater. Garezzo: Gute Marke! Prima, was?! Freddy: Nun laß uns mal 'n bißchen allein, Väterchen. Hopp! Garezzo: Hoho, si si. Hab sowieso in Küche zu tun. Pardon. Freddy: Hey, ihr Pinsel! Schwingt die Keulen! Die Miezen Eben nicht. Denn: Auf den Typen kommt es an ! wollen bewegt werden. Sissy: Hey! Günther: Hey, was is'n los?! Und unser Typ heißt: Rolf Koltzsch. Freddy: Hat wohl 'ne Mattscheibe, oder was. Warum? • Ha. weil Roll Koltzsch weiß. was los Isl. Er macht sieb rur unsero Sacbe stark: Günther: Nicht nur 'n bißchen, du. Freddy: Na, du guter Junge. Klaus: Ausgeschlossen! Ich komm' heute abend nicht weg. IgZ,Viä4f;iJu Ni Da läßt er einfach nicht mit sich reden. Günther: Was heißt reden? ~ ES.nervt Roll Kollzscb ziemlich. daß viele von uns keine eigene Buds findeD: Freddy: Vom Reden wird nichts, du Flaschenkopp! Hart "WaRnungen sind Manuelware. Und wir hben Mieten. dia In den Himmal"Wachsen. Die sein mußte. Tough. können gerade jungu Leuts nicht mehr bezahlen." Klaus: Und wenn's schief geht? Günther: Ha, schief gehen. Freddy: Ach Quatsch! Bei mir geht nichts schief. Bei mir [$&117 /l:eht alles mit Köpfchen. Mußte langsam gemerkt haben. Ubrigens, hab' jetzt 'n Verbindungsmann da sitzen, mmh! ~ Ralf Kollzscb sagt. wla dis SPD uns unter dis Annu groilen will: "Wir wollon ein BAFöG Klaus: Wo? für Studierende. das der Sache gerscht Wird. Und das heiß!: Anhebuog des BAFöGs auf Freddy: Erfährste alles heute abend. dis tatsächnchen Lebenshaltungskosten. Wir sind aucb (ur die WiederoinfUhrung des Günther: Gläser putzen! SChüler·BAFÖGs. Und Ducb etwas: "Das Kindergeld sull bel2UD DM liegen.' Das Isl gerade aucb für junge Ellern eine eehts Hilfe." Freddy: Hey! Also ein für alle mal: entweder du bist heute abend da, oder du kannst dir deine Knochen nummerieren lassen. Klaus: Au! Günther: Falls du noch 'n Doktor findest, der sich die Mühe mach t. Pfeife! Szene aus "Die Halbstarken", 1956 "Jugend und .ihre Sprache" - zwei sprachwissenschaftliche Unter­ (4) Welchen Namen gebt ihr anderen Schülern (Spitznamen)? suchungen (5) Erkläre bitte (wenn Du kannst) die Bedeutung folgender Wörter: Tussi, ... Hennes Untersuchung, die bekannteste und die erste, die breit empi­ (6) Kennst Du ,jugendliche" Ausdrücke für jugendliche Kleidungs­ risch fundiert ist, beleuchtet das Phänomen Jugendsprache unter ver­ stücke? schiedenen Gesichtspunkten und geht davon aus bzw. kommt zu dem Schluß, daß Jugendsprache nicht eine homogene Varietät des Deut­ Die gestellten Fragen lassen sich in vier Typen zusammenfassen. schen ist, sondern ein "spielerisches Sekundärgefüge", das folgende Im Fragetyp I (z.B. Frage 3) wird speziell die Kenntnis ~ines sprach­ strukturelle Formen "favorisiert" (Henne 1986: 208f.): lichen Phänomens erfragt, in Fragetyp II wird eine "Ubersetzung" (1) Grüße, Anreden und Partnerbezeichnungen (Tussi); von der Jugendsprache in das Standarddeutsche (Frage 5) bzw. um­ (2) griffige Namen und Sprüche (Mach'n Abgang); gekehrt (Frage 6) gefordertl . Typ III erfragt Bezeichnungen (Frage (3) flotte Redensarten und stereotype Floskeln (Ganz cool bleiben); 1,4) und im letzten Typ wird auf fiktive Situationen und sprachliche (4) metaphorische, zumeist hyperbolische Sprechweisen (Obermacker Formen abgehoben, die Schüler in diesen Situationen meinen zu = Direktor); gebrauchen (Frage 2). Die Auswertung des Fragebogens ergibt den (5) Repliken mit Entzückungs- und Verdammungswörtern (saugeil); oben definierten "Jugendton", der noch weiter nach regionalen und (6) prosodische Sprachspielereien, Lautverkürzungen und Laut sozialen Faktoren differenziert wird. Während Januschek (1989: schwächungen sowie graphostilistische Mittel (wAhnsinnig); 138) die Validität der Ergebnisse schlechthin bezweifelt, zeigen (7) Lautwörterkommunikation (bäh, würg); Brandmeier und Wüller (1989) im einzelnen die Schwachpunkte der (8) Wortbildung: Neuwörter, Neubedeutung, Neubildung (ätzend, "Fragebogenjugendsprache" (Wachau 1990: 10) auf: Macke); Worterweiterung: Präfix- und Suffixbildung, (1) Die Sprechsprache "wird mit einem Fragebogen nicht oder nur in­ Kurzwörter (abfahren, Schleimi). direkt erfaßt ... Letztlich untersucht Henne nur Sprachwissensstruk­ turen" (Brandmeier & Wüller 1989: 149); Die Gesamtheit dieser "Sprechformen" ergibt einen Sprach stil, den (2) aufgrund der Tatsache, daß der Kontext nicht bekannt ist, ist ein Henne sprachlichen "Jugendton" (ibid.) nennt. Wie kommt nun Teil der sprachlichen Formen nicht interpretierbar oder wird falsch Henne zu solch einer "die jugendlichen Gruppenstile übergrei• interpretiert (vgl. auch Neuland 1987: 60); fendern] Spielart des Sprechens (und, weniger, des Schreibens)" (3) aufgrund der gewählten Herangehensweise fehlen Belege und (ibid., S. 211)? Im Zentrum der Untersuchung von Henne steht _ neben deshalb weitgehend Analysen zu Partikeln wie ey; der Auswertung einzelner Gruppeninterviews - die Auswertung einer (4) die Untersuchung ist altersspezifisch zu sehr eingeschränkt. schriftlichen Befragung von 536 Schülern und Jugendlichen in Braunschweig, Neuss, Mannheim und Melsungen. Bei der Datener­ Indern aufgrund der empirischen Vorgehensweise der präferierte hebung verwendet Henne einen halboffenen Fragebogen, der an zehn sprachliche Jugendton primär an Identitätsbildung und -findung so­ Gymnasial-, vier Real-, vier Hauptschul- und eine Berufsschul­ wie Gruppen gebunden wird2, ohne daß die tatsächlichen kommuni­ klasse verteilt und in einer Unterrichtsstunde bearbeitet wurde. Der kativen Funktionen einzelner Formen in Peer-groups aufgezeigt Einstieg erfolgte über den Text ,Disko-Deutsch' (vgl. S. 18); neben biographischen, sozialen Daten und Fragen zu Musik und Literatur 1 Vgl. hierzu auch Januschek (1989: 13Of.). wurden siebzehn spezifische Fragen zur Jugendsprache gestellt (ibid., S. 66f.), unter anderem: 2 Die prägnanteste Definition von Henne findet sich in einem Beitrag aus dem Jahre 1981: ,,Jugendsprache bezeichnet spezifische Sprech­ (1) Mit welchen Worten "Deiner" Sprache bezeichnest Du eine und Schreibweisen, mit denen Jugendliche u.a. ihre Sprachpro­ Platte/Cassette, die Dir gefällt? filierung und damit ein Stück Identitätsfindung betreiben. Eine der (2) Wie drückst Du Deinen Ärger aus (wie fluchst Du)? Möglichkeiten dieser Profilierung besteht nun darin, einen eigenen (3) Kennst Du Klangwörter (z.B. peng, ächz, lechz, usw.)? Jugendton in der jugendlichen Gruppe zu pflegen" (Henne 1981: 373). werden, bleibt der Ansatz von Henne fragmentarisch und letztlich sein sollten. Mit dieser Vorgehensweise hätten wir uns allerdings an eine Sammlung sprachlicher Formen, deren Gebrauchsfunktionen der Konstitution dessen, was Studentensprache sein soll, beteiligt. ausgeblendet bleiben. Von daher liegt es nahe, wenn es auch vom Tatsächlich aber meinen wir, daß das, was in der Sprachwissen­ Autor nicht beabsichtigt ist, daß der Jugendton als ein strukturelles schaft unter "Studentensprache" firmiert, nichts anderes als eine Register begriffen wird, das mit der - wie auch immer zu definie­ Projektion derjenigen ist, die sie mit ihrer Beschreibung als Stu­ renden Gruppe - Jugend3 assoziiert wird. Die Konsequenz sind dentensprache erst konstituieren. Unter diesem Gesichtspunkt ist es Fiktionen, wie sie oben dargestellt wurden. Die Suche nach der auch nicht mehr verblüffend, daß das Produkt der Beschreibung mit Fiktion scheint System zu haben, wenn man dem glauben darf, was studentischer Praxis nicht allzuviel zu tun hat" (Bredehöft/Sing• BredehöftiSingmann (1989: 119) zur historischen Studentensprache, mann 1989: 119). die als "historische Station deutscher Jugend und ihrer Sprache" Auffällige Widersprüche zwischen Empirie, Theorie und Inter­ (Henne 1986: 25) angesehen wird, schreiben: "Am Anfang der pretation finden sich auch in den Arbeiten von Margot Heinemann Untersuchung zur historischen Studentensprache stand eine Über• (1989, 1990), die in der DDR entstanden sind. Bei den einschlägig raschung: Wir waren erstaunt über die Menge an Sekundärliteratur bekannten Arbeiten von Heinemann handelt es sich um ein "Kleines und an studenten sprachlichen Wörterbüchern, wie etwa die Bände Wörterbuch der Jugendsprache", das "als eine Art Querschnitt von von Henne/Objartel 1984. Dort haben die Autoren, wie sie stolz im Jugendspezifika in der DDR anzusehen [ist]" (Heinemann 1989: 7); Vorwort verkünden, nicht weniger als 16.500 studenten sprachliche und um eine Dissertation-B-Schrift mit dem Titel "Jugendsprache. Ausdrücke gefunden und abgedruckt. 150 Jahre Studentensprache in Ein Beitrag zur Varietätenproblematik" (Heinemann 1990). Wäh• einem, naja, zwei Handgriffen parat - Herz, was willst Du mehr! rend bei Henne (1986) sowohl die empirische Basis offengelegt ist als Unser andächtiges Staunen wich jedoch einer ratlosen Verwunde­ auch die Auswertungsmethode, ist bei Heinemann (1990) die rung, als wir uns der öffentlich zugänglichen Primärliteratur empirische Grundlage schwer einzusehen. Wie einer Fußnote zu zuwandten. Dort zeigte sich nämlich ein ganz anderes Ergebnis, als entnehmen ist (ibid., S. 196, Fußnote 143), ist "die Gesamtheit des wir es erwartet hatten: Wie schon erwähnt, waren in den Antwort­ untersuchten Materials" umfangreich: ,,1000 Fragebögen, 60 weitere schreiben auf die Einladung zum Wartburgfest kaum 'studenten­ Befragungen, 300 Leserbriefe, 250 Stunden Kassettenaufnahmen von sprachliche' Ausdrücke zu finden, von einer Ausnahme (Rostock) Gesprächen mit und zwischen Jugendlichen." Daraus ausgewählt abgesehen. Dasselbe zeigte sich auch im Tagebuch Wedekinds: werden ein kurzer Gesprächsausschnitt, ein privater Brief, 174 innerhalb eines Semesters wurden insgesamt 90 studentensprach­ Leserbriefe an die Zeitschrift "Neues Leben" und 100 der Zeitung liche Ausdrücke benutzt, davon 54 unterschiedliche. Weiter: Eine "Neue Welt" und Fragebögen -wieviele?, welche? - aus einer Untersu­ Sammlung studentischer Stammbuchblätter - sie haben etwa die chung aus den Jahren 1965-67 (vgl. ibid., S. 148) und den SOer Jahren gleiche Funktion wie das Poesiealbum - zeigen ebenfalls, daß die (ibid., S. 152). Die Kriterien der Auswahl aus dem Gesamtkorpus Studenten keinesfalls die in Henne/Objartel aufgeführte Be­ bleiben offen, die fragmentarischen Analysen scheinen zufällig. So grifflichkeit verwandten, bis auf eine Ausnahme - einen Friseur (Lo­ verwundert es auch nicht, daß der Anspruch einer "Neuorientierung metsch 1958). Der hatte offensichtlich dieselben Vorstellungen dar­ der Jugendsprachforschung, für einen soziologisch und pragmatisch über, wie Studenten sprechen, wie die Verfasser studenten sprach­ orientierten Neuansatz" (ibid., S. 38), nicht eingelöst wird. Als Iicher Wörterbücher. Ein irritierender Widerspruch, der uns zu­ Resultat ihrer Untersuchung kommt Heinemann letztlich ebenfalls nächst dazu verlockte, der Sekundärliteratur mehr Glauben zu zu einem jugendsprachlichen Register (vgl. ibid., S. 174f.), das dem schenken als dem empirischen Material und dieses dann eben gezielt ihres Wörterbuches entspricht und hier wie dort als ,jugendspe­ nach den Ausdrücken abzusuchen, die angeblich Studentensprache zifische Sprechweise" (Heinemann 1989: 28) klassifiziert wird, wobei folgende "sprachliche[n] Mittel bevorzugt angewandt [werden]" (ibid., S.29): 3 Henne definiert die Kategorie "Jugendlicher" wie folgt: "Jugend­ (1) Umdeutungen (Hirsch = Motorrad); licher ist also, wer die biologische Reife erlangt hat, aber noch nicht (2) Polysemie (Asche = 1. Rückstand verbrannter Materie 2. Geld); die soziale Reife" (Henne 1986: 203). (3) Bedeutungsveränderte Wörter in festgefügten Wort- und 2. den Lautwörtern. Interessanterweise werden erstere von Henne Satzformen (einen im Tee haben); nicht als zum Jugendton gehörig klassifiziert und nur im Zusam­ (4) Analogiebildungen (auf den Docht / den Keks gehen); menhang mit der Musikszene erwähnt (Henne 1986: 54), aber von (5) Sonderwortschätze (jem. einen Scheitel ziehen); Heinemann (1990: 178) hervorgehoben wie auch von Beneke (1982). (6) Regionalismen; Die Lautwörter spielen bei Henne eine wichtige Rolle (vgl. Henne (7) Archaismen (Klampfe); 1986: 104f.), werden indes von Heinemann (1989, 1990) nicht erwähnt. (8) Fremdwörter, speziell Anglizismen (Freak); Anglizismen spielen im Deutschen zunächst einmal generell eine (9) bestimmte Wortbildungsmodelle und grammatische Umdeu wichtige Rolle, die Linguisten können ein Lied davon singen: Die tungen (rummotzen, 'ne sahne Gruppe). Tatsache, daß Raising, Dative shift, Intensifier oder Split ergativity Wie auch Henne geht Heinemann davon aus, daß bestimmte sprach­ zum Standardrepertoire des Sprachwissenschaftlers gehören, qualifi­ liche Merkmale bzw. Strukturmuster präferiert von Jugendlichen zieren ihn allerdings noch nicht als Jugendlichen. Offensichtlich ist angewandt werden. Wie auch bei Henne fehlt indes eine Überpüfung, entscheidender, aus welchen Bereichen entlehnt wird und welche Se­ ob Jugendliebe tatsächlich entsprechende Präferenzen gebrauchen. mantik die Wörter haben. So ist die Sammlung einzelner Wörter und Wendungen - wenn auch Englische Wörter werden ohne Schwierigkeiten in das deutsche sprachwissenschaftlich fundierter - dem Wörterbuch von Müller• Grammatiksystem integriert. Verben werden gebildet, indem engli­ Thurau vergleichbar und zeitigt einen ähnlichen Effekt. Schlägt sche Verben, aber auch Nomina, einfach das Infinitivsuffix erhalten; man unter der Überschrift "Jugendliche halten nicht gern maß" ein­ die so gebildeten Verben können durch Affixe erweitert werden: zelne Wörter nach4, so wird der Eindruck erweckt, dies sei repräsen• tativ für die Sprache Jugendlicher in der DDR der 80er Jahre. ab power Bevor nun auf einzelne Merkmale der Jugendsprache genauer rein + move + (e)n eingegangen werden soll, halten wir folgendes fest: In den bisher los (t) prominentesten Untersuchungen zum Thema von Henne und Heine­ mann wird aufgrund der gewählten empirisch-methodischen Heran­ Adjektive auf -ig können sowohl von englischen Entsprechungen auf gehensweise und wider bessere theoretische Einsichten und Postulate _y oder von Nomina abgeleitet sein: z.B. speedig oder poppig. In attri­ ein Register formuliert und mit Jugend assoziiert, das letztlich den butiver Funktion kongruieren eingedeutschte Adjektive natürlich gängigen Stereotypen nicht nur entspricht, sondern diese auch mit dem Bezugsnomen: sprachwissenschaftlich fundiert. eine coole Sache die coolen Sachen Jugendsprachliche Merkmale eine geswitchte Äußerung die geswitchten Äußerungen Ist also das, was als Jugendsprache klassifiziert wird, tatsächlich Jugendsprache? Sind die Merkmale der Jugendsprache, auch w,enn Ebenso problemlos geht die Partizipialbildung: 'n total abgefuckter keine Untersuchungen zum Sprachgebrauch und zu Präferenzen vor­ Typ, eine geraiste NP. liegen, trotzdem als Spezifika für die ,,Jugend und ihre Sprache" an­ Bei der Pluralbildung wird das deutsche Paradigma gewählt, z.B. zusehen? Prüfen wir dies kursorisch an zwei gemeinhin als typisch Punk-er; es findet sich ebenso das englische Plural-s, z.B. jugendsprachlich eingestuften Merkmalen: 1. den Anglizismen und Millionenseller-s, aber auch Punk-so Die Genusbildung ist schwan­ kend und hängt von grammatischen und semantischen Faktoren ab. Die Differenzierung in die Power und der Power hängt damit zusam­ 4 Interessant ist die Tatsache, daß spezifische Wörter, die sich auf men, daß im Femininum Power gebraucht wird im Sinne von Kraft, Lehrer, Jugendclubs und die Armee bezogen, aus dem Buchmanus­ kript gestrichen wurden (persönliche Mitteilung der Autorin). Macht: der hat echt die Power, während im Maskulinum die d wie gebraucht werden und welchen kulturellen Zusammen­ Bedeutung von ,Sound' gemeint ist: er brachte den vollen Power. ~~ngen sie entstammen. Nicht die Tatsache, daß Anglizismen Die Übernahme von Anglizismen bei Jugendlichen ist auf den' gebraucbt werden, wäre jugendspezifisch, sondern - wenn überhaupt - starken Einfluß der anglopbonen Musikwelt auf den deutschen ihr Gebrauchswert. Und: Im Korpus ~us der vorl.iegenden.l!nter­ Markt zurückzuführen (vgl. auch Henne 1986: 54), was sich in den suchung (vgl. Schlobinski/KohllLudewlgt 1992) smd Anghzlsmen Bezeichnungen von Musikinstrumenten niederschlägt: Drums, Hi· kaum belegt. Hat, Percussion, Woodwinds, die die Voraussetzungen für good vi­ Im Rahmen der "Lautwörterkommunikation" (Henne 1986: 209), brations sind. Geht man Anglizismen in Zeitschriften wie BRAVO auch als "Päng-Sprache" (Künnemann 1976) bezeichnet, unt~rschei­ oder MÄDCHEN durch, so wird man schnell feststellen, daß diese det Henne zwei Typen: (a) die lautnachahmenden und (b) dle l.aut­ aus den Wortfeldern Unterhaltung, Musik, Mode, Freizeit und Sport harakterisierenden Wörter (ibid., S. 75). Erstere umfassen Worter entstammen: Touch, Leggins, Show, Fashion, Styling, Look, Sound, :ne knacks und peng, letztere .wie ächz und würg. Die Lautwörter las­ Freak, Feeling, Fun, Body, Power, die auch die Basis für Komposita sen sich wie folgt 'typologisieren' (ibid., S. 105): bilden: Shirt-Styling, Seventies-Look oder - als Kombination von (1) sie treten als Verstärkungsparti~eln auf; . englischem Bestimmungswort und französischem Grundwort - Sty­ (2) sie treten an die Stelle von Satztellen und ,,~e?e.n somlt ~:r. . ling-Accessoire. Einen besonderen Stellenwert bei der Verbreitung Äußerung einen sinnlichen, aber auch pnmltlVen Zug (lbld.J; von Anglizismen haben Rocktexte - nicht nur von englischen (3) sie treten an die Stelle von Äußerungen (Einwortkommentare); Gruppen. In den deutschsprachigen Texten des 'Berufsjugendlichen' (4) sie stellen Begleitkommentare dar, wobei der lautliche ~spekt der Udo Lindenberg haben Anglizismen einen festen Platz (vgl. Meik bezeichneten Handlung begleitet bzw. hervorgehoben wlTd. 1984): Zurückhaltefeeling ("Fliesenlied"), Liebe ist wie'n Karten­ Aufgrund der im Fragebogen angegebenen Lautwörter unterscheidet haus, wenn's tagether bricht, knackt mich das aus ("I love me selber") Henne ferner zwischen "Innenollpos6" und "Außenonpos" (ibid., S. uSw. Aber auch in den Werbeanzeigen spielen Anglizismen eine 110), also danach, ob ein Lautwort in erster Linie die innere Einstel­ wichtige Rolle. Beispiel: Uhrenreklame5 . "Just imagine ... lung des Sprecher wiedergibt, "ich"-bezogen ist, oder ob es sich eher Swatch ... there are no limits." Nach dem Motto ,Anglizismen und er-sie-es"-bezogene "Außenwörter" sind. Jugend sind in' wird eine futuristische Szene aufgebaut. Im Vorder­ " Woher kommen nun die Lautwörter und welche Funktion haben grund eine Hängematte: darin ein mit Badehose und Sonnenhut be­ sie? Die Lautwörter sind über die Comics in die Jugendsprache inte­ kleideter Mann, der sich genüßlich räkelt. Im Hintergrund: griert worden. Sie haben die Funktion, die "visuelle Welt der Comic­ Mondlandschaft und der blaue Planet. Quer über das Bild eine mit Szenen lautlich zu belegen" (ibid., S. 106). bunten galaktischen Graffities besprenkelte Armbanduhr. Darüber Lautwörter haben aus den Comics den Weg bis in die Umgangs­ die Schlagzeile: "Just Imagine". Diesen Anglizismus versteht jeder sprache gefunden: "Ähnlich wie im Falle der Redensarten und BRAVO-Leser, denn wer kennt nicht die Stücke von John Lennon? metaphorischen Wendungen handelt es sich dabei oft um Sprachgags Oder auf der Rückseite derselben Ausgabe die Reklame für West von ursprünglich singulärem Charakter, die allmählich zum selbst­ fashion mit der Schlagzeile: "My papa was a rolling stone". Die verständlichen Bestandteil konventionalisierter Comic-Sprache englischen Versatzstücke sind Chiffren einer Kultur, die der jugend­ wurden und teilweise über den Jargon Jugendlicher in die Umgangs­ liche BRAVO-Leser als Norm angeboten bekommt. Greift er auf sprache Eingang fanden" (Dolle-Weinkauff 1990: 70). Interessant ist einzelne Symbole zurück und übernimmt diese in seinen Sprachge­ hier, daß die "Wurzelwörter" (SchlobinskilBiank 1990), die allein brauch, spricht er dann Jugendsprache oder reproduziert er Jugend­ durch den Verbstamm gebildet werden (meditier), Erfindungen von zeitschriftensprache oder gar Werbesprache? Redakteuren von "Micky Maus" und MAD sind, die in den 50er Wenn wir unterstellen, daß Anglizismen zur jugendspezifischen Jahren vor dem Problem standen, die englischen ,sound words' ins Sprechweise gehören, dann wäre zu prüfen, welche Anglizismen wo Deutsche zu übersetzen. So entwickelte Erika Fuchs einen spezi-

5 BRAVO Nr. 51, S. 13. 6 Onpos als Kurzform für Onomatopoetikon. fischen Donald-Duck-Stil (vgl. Dolle-Weinkauff 1990: 70), und Herbert Feuerstein, ehemals Chefredakteur der satirischen Zeit­ schrift MAD, bekannte kürzlich in einer Talkshow, daß er die 0 L deutsche Sprache um eben die Wurzel wörter erheblich bereichert : "3 1. I\ .• habe. Doch nicht in jedem Comic findet man Lautwörter, allerdings häufig bei dem weit verbreiteten Cornic Clever & Smart, wo sich auf 5·· O\-HU. einer Seite im Durchschnitt 13 Lautwörter finden, sowie beim belieb­ ten Werner-Comic (s. S. 31). . ~:HN Wenn man davon ausgeht, daß die Comicsprache den Fundus für den Gebrauch von Lautwörtern Jugendlicher bildet, so liegt es nahe, den Gebrauch der Lautwörter in Comics zu untersuchen und mit dem Gebrauch der Lautwörter bei Jugendlichen zu vergleichen. Eine sol­ che Analyse steht noch aus. Und: Liegt es nicht nahe, zu vermuten, daß auf die von Henne gestellte Frage "Kennst Du Lautwörter", die befragten Jugendlichen ganz einfach ihre Comic-Erfahrungen wiedergaben, und vielleicht die 22 bedeutsamen, in Form eines "kleinen Wörterbuches" angegebenen Lautwörter selbst überhaupt nicht gebrauchen? Liegt die Vermutung nicht insbesondere dann nahe, wenn Henne (1986: 114) selbst einen Zusammenhang zwischen Comic-Konsum und Lautwörtern aufzeigt? Sehen wir uns die Lautwörter genauer an. Der Werner-Comic ist einer der beliebtesten Comics und liegt bei einer Gesamtauflage von über dreieinhalb Millionen Exemplaren. Die Sprache in diesem Comic ist eine Umgangssprache mit norddeutschen Verschleifungen und vielen Lautwörtern. In dem Comic "Sekten quatsch und Eiermatsch" bei­ spielsweise sind nahezu die Hälfte aller Panels durch Lautwörter gekennzeichnet. Innerhalb der Sprechblasen treten elfmal Laut­ wörter auf, von denen die lautmalenden Wörter expressive Sprech­ handlungen markieren (MMPFF, GAA ... AGA, Hi Hi HIHI,), während die Wurzel wörter (MEDITIER, KICHER, JAPS) Hand­ lungen bzw. Kommentare geben. Wesentlich häufiger treten Laut­ wörter außerhalb der Sprechblasen a.uf. In den meisten Fällen (82 von 234 Panels) werden Geräusche imitiert, wobei fast ausschließlich lautnachahmende Wörter gebraucht werden: (1) Öffnen bzw. vergebliches Öffnen von Bierflaschen: (a) FUMP, PLÖP, PÖP, POP, PLOP, PLOPS und (b) GRITSCH, BLÄRK, GLORK, BLORK, BLERKS, BLOBS, BLUNSCH, BLURBS, BLONTSCH, SMÄRL, GRONT, KARST, NIÄRK, GARSCH, FRIMP, © .:e"ö , GL. FLONSCH, KNIRKS, SABSCH; (2) Bier trinken: ZOSCH, GLORK, GLOK, LUNK; Aus dem Werner-Comic "Sektenquatsch und Eiermatsch" (3) Maschinengeräusche: BRABBELBRAB, BRÜLL, BRUDDEL, leicht wegrutscht. Neben den in der Alltagssprache häufig vorkom­ BRAP, BLUBBER,BRAT,FARZ,FLAP,FLAP,GABR~LL,GRINT, menden Interjektionen, die expressive und kommunikative Funk­ HURR, KASCHUMPF, KICK, KLICKER, KNATTER, OTTEL, PAF, tionen haben, treten in beiden Untersuchungsgruppen systematisch PLOUF, PHOON, PIFF, SCHNARR, SCHIGGER, SPIFF, SCHNARZ, zwei Lautwörter auf, nämlich wau in "englischer" Aussprache, das in TIC, VROAPROOOAR. Comics benutzt wird und im Kontext von Rockmusik eine Rolle spielt, Wurzelwörter (31 Fälle) werden ebenfalls benutzt, um Geräusche zu und baah, das elfmal belegt ist. baah tritt als Einwortäußerung oder bezeichnen (ZISCH,KNIRSCH,BRÜLL,SPLITTER,SCHNARR), ha­ nach einem bewertenden Kopulasatz auf (M: mechthild is daaf (.) ben aber auch andere, nicht-lautcharakterisierende Funktionen. boah), hat expressive bzw. emphatische Funktion und wird mit mehr Eine schnelle Bewegung wird durch GRABSCH, WEDEL, SCHÜTT, oder weniger offenem und gedehntem 0 gesprochen. baah hat in der SCHÜTTEL, SCHÖPF kommentiert, eine Anstrengung durch ÄCHZ, Sprache der zur Zeit kursierenden Manta-Witze spezifische Funk­ ein übler Geruch durch STINK, Ratlosigkeit durch KRATZ, eine tionen 7 und ist populär geworden durch den Kabarettisten Tom Überlegung durch GRÜBEL, SCHMOR, ein übler Zustand durch Gerhard. Der Gebrauch von baah ist eindeutig auf einen medialen SABBER, LABBER, Schmerzen durch MATSCH. Einfluß zurückzuführen; inwieweit das Lautwort durch Comics Lautnachahmende Wörter haben im Comic die primäre Funktion, vorstrukturiert ist, wäre zu prüfen. Insgesamt läßt sich jedoch ein Erlebnis, eine Emotion auszudrücken, haben also expressiven festhalten, daß der Großteil der in unserem Korpus vorkommenden Sprechhandlungscharakter. Wurzelwörter fungieren in gleicher Lautwörter solche sind, die in der gesprochenen Alltagssprache Weise und haben darüber hinaus die Funktion, spezifische Hand­ schlechthin vorkommen. Ob die Jugendlichen diese häufiger ge­ lungen auszudrücken, und sie werden eingesetzt, um Handlungs­ brauchen als Erwachsene, wäre zu überprüfen; ein oberflächlicher kommentare und -bewertungen zu geben. Vergleich mit anderen Korpora (Schlobinski 1992) legt diesen Schluß Vergleichen wir die Comic-Analyse mit dem Vorkommen von nicht nahe. Daß aber der Gebrauch und das Vorkommen von Lautwörtern im Korpus der gesprochenen Sprache (Schlobinski/­ Interjektionen nach verschiedenen außersprachlichen Faktoren Kohl/Ludewigt 1992) so fällt zweierlei auf: Im Vergleich zu den variiert, ist selbstverständlich. Comics und zu den Belegen von Henne spielen Wurzelwörter prak­ tisch keine Rolle, andererseits tritt eine Reihe von Interjektionen auf, die im DUDEN (1984: 381f.) als typisch sprechsprachlich belegt sind, ,Jugendsprache' gleich Mediensprache? insbesondere ah, ah, au, ih, aha, ähm, bäh, brr, hu. Nur an einer Stelle im Gesamtkorpus sind Wurzelwörter belegt: Wenn Jugendsprache - wie behauptet - ein spezifisches Register um­ faßt, so läßt sich für einzelne Lautwörter, insbesondere für die B: ... und denn (.) ist das überhaupt fürn typ jesus nennt der sich Wurzelwörter, zweifelsfrei sagen, daß diese auf einem spezifischen und so ich habe mich schlapp gelacht Medium basieren, nämlich dem Comic. In den Comics finden sich A: aua indes auch andere Merkmale der Jugendsprache. Im gleichen S: jetzt schön glitsch Werner-Comic tritt häufig die Gesprächspartikel ey auf (Näheres I: mhm hierzu in Kap. 3), es gibt eine spezifische Lexik, z.B. Staff = Bier, pik­ S: schlädder (.) da hab ich immer schiß bei. ken = essen, Blase = Meute, und spezifische Begrüßungsformeln: He, (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 145) Hey und plattdeutsches Main plus Namensnennung. Bei den Angli­ zismen ist im Gegensatz zu den Lautwörtern die mediale Ressource Das Wort glitsch ist abgleitet von glitschen = schlittern und schlädder nicht so eindeutig festzustellen, da Anglizismen generell im vermutlich von norddeutsch schliddern = schlittern. Die Wurzel­ Deutschen eine große Rolle spielen. Aber: Die Anglizismen, die im wörter haben - wie oben erwähnt - die Funktion, ein spezifisches jugendspezifischen Register eine Rolle spielen - so wurde kurz ange- Ereignis zu kommentieren: Die Schülerinnen fahren mit einer Autorin im Wagen und die Straße ist sehr glatt, so daß der Wagen 7 Vgl. hierzu die 1991 veröffentlichte Manta-Witze-MC "Ey, boah, ey". rissen -, entstammen spezifischen medialen Ressourcen. Ist es nun 46/1990) zeigt: "Ich bin 33 Jahre alt und eigentlich noch ganz gut drauf vielleicht so, daß sich das, was als Jugendsprache angesehen wird, _ dachte ich ... Die Probleme der Kids sind die gleichen geblieben." auf eine geborgte sprachliche Realität aus den Medien reduzieren Als Hauptmerkmale der Jugendsprache finden wir in BRAVO läßt? Oder reproduzieren die Medien jugendsprachliche Formen Anglizismen und Hyperbeln/lntensifier, und zwar besonders in fol­ zwecks verkaufsfördernder Strategien, wie Schurian (1989) vermu­ genden, von BRAVO-Redakteuren gemachten Rubriken: Musik und tet? "Bezogen auf den allgemeinen Stellenwert der Jugendlichen in Stars, FilmlTV und Mode/Kosmetik. In der Foto-Love-Story, in der der heutigen Gesellschaft läßt sich gerade an der Sprache von fotographierte Jugendliche in Sprechblasen ,wirklich' sprechen, Jugendlichen ein besonderes Phänomen beobachten: Man treten die bekannten jugendsprachlichen Merkmale hingegen prak­ sich in der Werbung und den Medien dann gern der typischen ju­ tisch nicht auf, sondern es wird den Jugendlichen eine gehobene Um­ gendspezifischen Sprache, wenn damit eine gewisse Mitteilung gangssprache, ja, gesprochenes Schriftdeutsch in den Mund gelegt. (message) verbunden ist" (Schurian 1989: 83). Die Werbung auf der anderen Seite zieht dagegen alle Register des Ohne die Frage nach der Henne oder dem Ei beantworten zu kön• zuvor beschriebenen ,Jugendtons'. "Heiße Jacken für kalte Tage" - nen - eines ist sicher: Es besteht ein Zusammenhang zwischen der· "super stark, toll": "Gen au das richtige für City-Cats", "Chilly-Time" Medienwelt und der Jugendsprache. Nicht zufällig wird der Anfang und "Flower-Power-Look" - "Das ist ein echter Hingucker". Diese Art des Booms der Jugendsprache immer wieder zu Beginn der Nach­ der Werbesprache findet man ebenfalls in Erwachsenenzeitschriften kriegszeit, zur Zeit des Wirtschaftswunders und des Rock und Pop und auf Werbezetteln, aber auch im Fernsehen. Ist die Sprache der lokalisiert, während davor Jugendsprache eher als marginales Werbung Jugendsprache oder die Jugendsprache Werbesprache? Ist Phänomen behandelt wurde. die BRA VO-Jugendsprache gleich Jugendsprache oder ist es die Sehen wir uns den Zusammenhang zwischen dem jugendspezifi­ Sprache der katholischen Jugendzeitschrift ,,Junge Zeit", in der die schen Register und dem Sprachgebrauch in bestimmten Medien etwas behandelten Merkmale nur vereinzelt auftreten? Eine endgültige genauer an. Die am weitesten verbreitete Jugendzeitschrift ist die seit Beantwortung der Frage nach dem Zusammenhang von Medien und ungefähr 30 Jahren marktführende Zeitschrift BRAVO, die wöchent• Jugendsprache setzt eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen lich in der Auflage von 1,7 Millionen Exemplaren erscheint. Der tat­ und theoretischen Vorklärungen voraus. Soviel scheint uns jedoch sächliche Leserkreis ist doppelt so hoch. Die Zeitschrift wird vor­ sicher: "Die Sprache der Jugendlichen ist kein Produkt der Medien wiegend von 14- bis 18jährigen gelesen. Wir finden in der Zeitschrift im Sinne eines Reiz-Reaktions-Mechanismus. Ihre Sprache ist aber Anglizismen, Lautwörter/Partikeln, Grußformen, Derivationen, in Abhängigkeit von Medienerfahrungen entstanden, wobei Medien­ hyperbolische Schreibweisen und Phraseologismen, so wie es weiter erfahrungen als Teil von Alltagserfahrungen zu definieren sind" oben beschrieben wurde, allerdings nicht in gleichem Maße und (Rogge 1985: 180) und insofern sich auch im Alltag und in der All­ abhängig von der Rubrik. Die Merkmale sind sämtlich vertreten in tagssprache niederschlagen können. Aufschlußreich ist in diesem der Rubrik Musik/Stars, insbesondere Anglizismen und Hyper­ Zusammenhang die Verbreitung des sog. "Wayne-speak". Es han­ beln/lntensifier, wobei die "Plattennews" hier besonders hervor­ delt sich hierbei um jenen in dem jüngsten Kinohit "Wayne's World" treten. Auch in den Bereichen Mode/Kosmetik sind Anglizismen und gesprochenen Slang, der in den USA durch Paramount profitabel Hyperbeln von besonderer Bedeutung. In der Rubrik Lebensberatung vermarktet wird. Für die deutsche Version wurden als Übersetzungs• hingegen treten jugendsprachliche Merkmale nicht auf; die sonst vorlagen gängige Jugendzeitschriften und Lexika der Jugendsprache üblicherweise bezeichneten boys und girls werden interessanterweise herangezogen. Vielleicht erklärt sich daher, daß ein Idiom wie "And hier als Jungen und Mädchen bezeichnet. In den von Leserinnen und monkeys might fly out of my butt" übersetzt wird mit "Und eh ich mich Lesern geschriebenen Kontaktanzeigen finden sich spezifische versehe fliegen mir Affen aus dem Hintern". Vielleicht eine (ju­ Begrüßungsfloskeln, z.B. Hi, Hey, Dear Friends, und weitere gendsprachliche) Wendung, die demnächst in der Umgangssprache Anglizismen, während in den Leserbriefen insbesondere hyper­ zu finden ist? bolische Formulierungen, aber auch Anglizismen auftreten. Dieser Die Medien zum einen Folien, auf die schablonenartig zu­ Stil ist offensichtlich prägend, wie der folgende Leserbrief (BRAVO rückgegriffen werden kann, wesentlich scheint uns aber die all- gemein stilstrukturierende Funktion einzelner Medienbereiche zu henden Homogenität der deutschen Sprachgemeinschaft und der dar­ sein. Welche dies im einzelnen sind, hängt vom Rezeptionsverhalten aus resultierenden Uniformität der Sprache basieren, die einzelnen Jugendlicher bzw. jugendlicher Gruppen ab. Für den amerikani­ gruppen- und rollen spezifischen Sprechhandlungs- und Sprach­ schen "college slang" hat Eble (1985) aufgezeigt, daß Studenten auf verhaltensformen aber nicht berücksichtigen" (Pape 1970: 368). Eine die kulturellen Bereiche Musik, Film, TV und Sport zurückgreifen. kritische Reflexion und die Entwicklung neuer Perspektiven zeigt Daß "der Jugendton" sich aus spezifischen medialen Quellen sich auch in dem von Ermert (1985) herausgegebenen Band zum speist, die einen stilprägenden Unterbau für den Sprachgebrauch bil­ Thema Jugendsprache. Dort wurden in einem Beitrag folgende den, dafür scheint auch zu sprechen, daß in der Literatur für Jugend­ Thesen aufgestellt (vgl. Gloy, Bucher & Cailleux 1985: 115): liche, der Jugendliteratur, die jugendspezifischen Merkmale nur (1) Es gibt nicht die (eine) Jugendsprache. eine untergeordnete Rolle spielen, auch wenn in der Literaturwis­ (2) Es gibt nicht die Jugendsprache (im Gegensatz zur Erwachsenen­ senschaft angenommen wird, daß in der Jugendliteratur "der Jargon sprache). der Jugend eine bedeutsame Rolle [spielt]" (Krüger 1980: 181). Vorwie­ (3) Es gibt nicht die Jugendsprache, sondern das Sprechen von Ju- gend in der sog. "Jeansliteratur" (Ulrich Plenzdorf, Rolf , gendlichen. John Donovan) sind jugendsprachliche Merkmale vertreten, alltags­ These 1 und 2 haben wir versucht zu fundieren. Interessant ist in sprachlich funktional und als Gegensprache zur Erwachsenen­ diesem Zusammenhang, daß es im anglophonen Kontext einen Be­ sprache, insbesondere in dem Buch "Ich bin eine Wolke" von Dagmar griff wie ,language of youth' oder ,speech of adolescents' nicht gibt, Kekule (1990). Zum Beispiel: sondern statt dessen von ,slang' gesprochen wird. In dem Heine­ "Ich bin unheimlich cool." (ibid., S. 15); mann (1989) vergleichbaren Lexikon "Slang U." von Pamela Munro "Quietsch, prall, schepper, klirr. Da hat's gekracht." (ibid., S. 10); (1989), in dem der Slang von amerikanischen Studenten beschrieben "Bei dem Lärm hab ich total die Tür überhört... " (ibid., S. 46). wird, heißt es, "that slang is language whose use serves to mark the Es gibt jedoch wesentlich mehr Jugendbücher, die keinen jugendspe­ users as part of a distinct social group" (Munro 1989: 4). Hierauf zielt zifischen Stil aufweisen. Die Verbindung Jugendbuch - Jugend­ auch These 1 ab: Es kann die Jugendsprache nicht geben, weil es die sprache ist grundsätzlich nicht herstellbar. Jugend als homogene Gruppe nicht gibt. In der Soziologie wird davon Fassen wir das Verhältnis von Medien und Jugendsprache zu­ ausgegangen, daß mit dem Begriff "Jugend" ein ganzes Bündel von sammen, so zeigt sich sowohl bei den Anglizismen als auch bei den Phänomenen assoziiert ist: "Jugendphänomene sind selbstver­ Lautwörtern, daß es sich um durch Medien vorgeprägte Ausdrücke ständlich soziokulturelle Phänomene, nicht zu erklären ohne die handelt, die übernommen werden können, wobei offen ist, wer, wann, ökonomische und politische Struktur der Gesellschaft, die familialen wo, unter welchen Bedingungen diese spezifische Art der "Entleh­ Beziehungen, den Status der Jugend, die jugendspezifischen nung" vornimmt. Während spezifische Anglizismen bei jugend­ Institutionen" (Bruder-BezzeI/Bruder 1984: 3). In der Jugendfor­ lichen Gruppen eine Rolle spielen, wie andere Anglizismen bei ande­ schung werden verschiedene Kriterien zur Begriffsbestimmung dis­ ren Gruppen, sind Lautwörter in der gesprochenen Sprache von Ju­ kutiert, die eine pauschale Definition von Jugend erschweren, wie gendlichen marginal und primär auf einzelne Comics einge­ etwa Jugend als: schränkt. Auch andere Merkmale des "Jugendtons" treten in unserer · Altersphase; die auf ein bestimmtes Lebensalter beschränkt ist, in Untersuchung nicht nur nicht ,präferiert', sondern insgesamt relativ der spezifische Entwicklungsaufgaben zu erfüllen sind; selten auf. · sozio-kulturell bestimmte Lebensphase, in der das Individuum die Es sollte deutlich geworden sein, daß Jugendsprache ein schwer zu Voraussetzung für selbständiges Handeln gewinnt; definierender Begriff ist, der mit allerlei Fiktionen verbunden ist. · Subkultur bzw. gesellschaftliche Teilkultur, in der ein eigenständi- Für verschiedene Ansätze gilt, was Sabine Pape bereits 1970 geschrie­ ger Lebensstil entwickelt wird. ben hat: ,,Ansichten, wie sie bisher zum Thema ,Sprache der Jugend' Jugend(alter) kann nur als gesellschaftlich produziertes Phänomen vorgetragen wurden, bewegen sich meist im Rahmen herkömmlicher analysiert werden, dessen Konturen durch soziale Vorgaben be­ Denkweisen und Vorstellungen, die auf der Annahme einer weitge- stimmt werden. Die damit verbundene Integrations- und Individu- ationsphase, also die Übernahme sozialer Rollen und der Aufbau kontexten. Dies bedeutet wiederum, daß wir wissen müssen, welche sozial fundierter Ich-Identität, weist auf sozialisationstheoretische Sprechmuster in welchen gesellschaftlichen Kontexten, wann, wo und entsprechende psychologische Aspekte hin. Allerdings findet und wie kommuniziert werden. Das Aufspüren von Sprechmustern derzeit eine "Aufweichung des klassischen Lebensalter-Konzepts" in Verhaltenssituationen und die Zusammenstellung dieser Muster (Zinn ecker 1985: 44) statt, da einerseits Jugendliche heute viel ,er­ in Form eines Sprachkorpus setzt eine entsprechende Empirie voraus, wachsener' sind als noch vor wenigen Jahrzehnten und an gesell­ eine Methode, authentische Sprache im sozialen Kontext zu erheben. schaftlichen Prozessen teilhaben, die zuvor Erwachsenendomänen Eine solche Methode ist die der teilnehmenden Beobachtung. Hierbei waren, andererseits Erwachsene viel jugendlicher' in ihren Einstel­ begibt sich der Forscher (meist über einen längeren Zeitraum) in die lungen und Verhaltensweisen sind, nicht zuletzt deshalb, weil Untersuchungsgruppe und erhebt informelle Sprachaufnahmen, ,Jugendlichkeit' ein hoher kultureller Wert in unserer Gesellschaft Hintergrundinformationen etc. Die so erhobenen Sprach daten wer­ geworden ist (vgl. im einzelnen Januschek 1989: 25f.). den in einem Korpus zusammengestellt und dann - je nach Frage­ Fazit: Obwohl bereits frühzeitig eine kritische Revision tradierter stellung und Auswertungskritierien - analysiert. Für lexikalische Ansichten gefordert wurde, und dies auch rezipiert wurde, sind bis Elemente bedeutet dies, daß im Kontext geprüft werden müßte, wo und auf wenige Ausnahmen (s. nächstes Kapitel) die bisher vorliegenden in welchem Zusammenhang sie auftreten, und ob die lexikalische empirischen Untersuchungen methodisch mehr als fragwürdig und Bedeutung eines Wortes durch den Kontext ausgeschlossen, unter­ bleiben letztlich einem lexikalischen Voyeurismus verhaftet. Erst stützt, modifiziert wird usw. Für ein Wort wie ey oder cool müßte seit dem programmatischen Artikel von Neuland (1987), einem geprüft werden, welche semantisch-pragmatische Funktion das je­ Beitrag von Schwitalla (1988) und dem von Januschek/Schlobinski weilige Wort im kommunikativen Kontext hat, ob es situative, soziale (1989) herausgegebenen OBST-Band hat ein Umdenken stattgefun­ und andere Restriktionen gibt und ob es auf bestimmte kulturelle den. Dies wurde deutlich auf einem Kolloquium zur Jugendsprach­ Bereiche verweist. Dies wiederum wirft die Frage auf, ob es spezi­ forschung im März 1992 in Leipzig. Einhellige Meinung dort und fische Bewertungen einzelner sprachlicher Formen oder von Sprech­ Programm für die Zukunft: Es gilt, empirisch und methodisch neu mustern gibt, z.B., daß mit einem Wort wie cool Prestige verbunden anzusetzen und diskursanalytische Verfahren zu benutzen (vgl. ist oder daß der häufige Gebrauch von bestimmten Ausdrucksweisen Heinemann 1993). Ist damit das Ende der Jugendsprachforschung stigmatisiert ist. Es geht also um die Bewertung und Kategorisierung eingeleitet. oder anders gefragt: Wie kann ein Neubeginn im ein­ von Sprechweisen, um sog. SpracheinsteIlungen. Was in spezifi­ zelnen aussehen, der die tatsächliche Variation im Auge hat? schen Kontexten sprachlich realisiert wird, ist unter anderem davon abhängig, welche Bewertung Sprecher mit den realisierten sprach­ lichen Formen verbinden. 2. Perspektiven einer realistischen Jugendsprachforschung Sprechmuster und deren Bewertung sind Gegenstand unserer Analyse. Wir wollen nicht die Jugendsprache beschreiben und unter­ Wenn Pape (1970: 369) schreibt: "Wo die sozio- und pragmalinguisti­ suchen, sondern einzelne Sprechmuster von Jugendlichen, wobei wir sche Perspektive fehlt, kommt es zu Fehlurteilen über Sprache und unter anderem die Merkmale auswählen und verfolgen, die Sprecher", so hat sie völlig recht damit. Umgekehrt gilt: Um nicht zu angeblich das Register der Jugendsprache konstituieren. Es geht uns solchen, wie im vorigen Kapitel dargestellten Fehlurteilen zu kom­ darum, zu zeigen, daß spezifische Sprachvarianten nur sinnvoll in men, muß eine sozio- und pragmalinguistische Perspektive einge­ ihrem kontextuellen Gebrauch interpretiert und als Bausteine eines nommen werden, die es erlaubt, Sprechweisen von Jugendlichen zum funktionalen Sprechregisters von einzelnen Jugendlichen begriffen Gegenstand der Analyse zu machen. Eine solche Perspektive wird werden können. Wir gehen zusammenfassend von folgenden eingenommen von der sog. Ethnographie des Sprechens (Hymes Vorüberlegungen aus: 1979). Das Interesse dieses Ansatzes gilt dem Sprechen in spezifi­ 1. Jugend und Jugendsprache sind soziologisch fundierte Kategorien, schen Verhaltenskontexten. Gegenstand der Analyse sind konkrete hinter denen sich ein komplexes Bündel von Phänomenen verbirgt. Sprechereignisse und somit sprachliche Formen in Gebrauchs- 2.selbst wenn man unterstellt, man wüßte, was eine Jugendgruppe ist, dann gibt es immer noch so viele Jugendsprachen wie es Jugena-ll! kung, Handlungsvoraussetzungen, der Zusammenhang .von Text­ gruppen gibt. 3. Wenn die Phänomene, die das Etikett Juge"d,;pr'acihe11 handlung bzw. Textmuster, einzelner Handlung und Außerung, haben, eher gruppenspezifische Phänomene sind, dann sind diese ~nterschiedlicher Arten von Handlungen usw. mit einbezogen" Phänomene als gruppensprachen spezifische Phänomene zu analy_ (Sandig 1978: 177). Sandig hat einen sehr weiten Stilbegriff, der mehr sieren. 4. Gruppensprachenspezifische Phänomene zu oder weniger stark auf den Schreibstil abhebt, und in dem prag­ (und zu erklären), ist mit Hilfe von Fragebögen oder Einz,elintler_1 matische Aspekte auf der Basis eines teleologischen und normativen views nicht möglich. Die Methodologie der Fragebogensoziologie Handlungsmodells integriert sind. In der Reduktion auf die Hand­ zu ersetzen durch die der teilnehmenden Beobachtung und die lungsdimension liegt allerdings auch das Problem: gruppenspezi­ Ethnographie des Sprechens. 5. Im Vordergrund der grILlPlpellS!le-'1 fische, interaktive und konversationelle Aspekte fallen durch das zifischen Sprachanalyse stehen Sprechweisen, die für sp,eziifis:chel Sieb des Sprechhandlungsansatzes. Gleiches gilt für den Ansatz von Gruppen und Individuen in sozialen Zusammenhängen in Abhän• Dittmar/SchlobinskilWachs (1986), der von Levinson (1988) zu Recht gigkeit von situativen Kontexten spezifische Funktionen haben. kritisiert worden ist. Aufgrund der Kritik von Levinson entwickel­ Solche situativ gebundenen Sprechweisen wollen wir als Sprechstile ten Dittmar/Hädrich (1988) einen ethnographisch fundierten Ansatz, bezeichnen. Diese stellen den primären Gegenstand unserer Unter­ in dem Stil betrachtet wird "als ein geordnetes System tendenzieller suchung dar. Gebrauchspräferenzen (von Sprechern), die kontextgebunden und gefiltert durch diskursive Rahmensetzungen aus den verschie­ densten Ebenen des einzelsprachlichen Varietätenraumes Aus­ Sprechstilanalyse drucksformen auswählen und diese mittels Kookkurrenzrestrik­ tionen C.. ) zu einer spezifischen Stillage kombinieren" (Dittmar/Hä• Der Begriff des Sprechstils ist zugleich eine Erweiterung und Ein­ drich 1988: 118). Dabei unterscheiden die Autoren vier Ebenen: schränkung des klassischen Stilbegriffs, wie er in der Rhetorik und 1. die Ebenen des sozialen HandeIns (Intentionen, Handlungs­ literarischen Stilforschung formuliert worden ist. Eine Einschrän• zwecke und -ziele); 2. diskursive Rahmensetzungen; 3. thematische kung ist er insofern, als Stil allein bezogen ist auf die sprechsprachli­ Linien und konversationelle Muster sowie 4. die Ebene der sprach­ ehe Performanz, der in der klassischen Rhetorik - wenn dort auch lichen Ausdrücke und ihrer Form, die durch Restriktionen kon­ von einer spezifischen Perspektive heraus - die pronuntiatio ent­ stituiert werden (vgl. hierzu auch Dittmar/Schlobinski/Wachs 1988). spricht. Eine Erweiterung stellt der Begriff des Sprechstils insofern Auf der Ebene des sozialen HandeIns ist noch ein weiterer Aspekt dar, als daß jedes Sprachelement "potentiell Stilelement sein (kann)" relevant, und zwar der Aspekt der Integration eines Sprechers in eine (Sanders 1977: 66) und Stilelemente nicht notwendigerweise an die soziale Gruppe. In Peer-groups, die für Jugendliche eine wichtige Intention eines Sprechers/Schreibers gebunden sind. Die Erwei­ Rolle für die soziale Orientierung spielen, bilden sich gemeinsam terung des Stilbegriffs im Hinblick auf eine Spr~chstilanalyse ist von geteilte Werte und Normen aus, die für das soziale und sprachliche zwei Seiten her versucht worden: (a) durch eine pragmatische Handeln relevant sind. Je nachdem, inwieweit Peer-groups famili­ Fundierung der Stilistik (Sandig 1978) und (b) im Rahmen einer Eth­ enorientiert oder jugendkulturorientiert sind, inwieweit sie offen nographie des Sprechens (Hymes 1979, Levinson 1988, Dittmar/Hä• nach außen oder relativ geschlossen sind, inwieweit sie von gesell­ drich 1988). schaftlichen Normen abweichen oder nicht, bilden sich Strukturen Im Sinne von Sandig (1978) kann ein Sprechstil als "Gebrauchs­ sozialen und sprachlichen HandeIns aus, die die gemeinsam geteil­ stil" begriffen werden. Unter Gebrauchsstilen werden von Sandig ten Werte markieren. Auf der sprachlichen Ebene bilden sich so "die historisch und sozial bedingt erwartbar fortgeführten Zusam­ Sprechstile aus, die Ausdruck des in der Gruppe Geltenden sind und menhänge von Handlungs- und Äußerungsarten in größeren Hand­ somit Rückschlüsse zulassen auf das, was in der Gruppe Geltung hat. lungszusammenhängen, den Textmustern oder ihren Teilen C.. ) Interessante Analysen hierzu liefern die Arbeiten der Birrning­ [verstanden]. Durch den Begriff der Handlung sind der Bezug auf harner Forschergruppe des ce es (Willis 1981, Clarke u.a. 1979), die Sprecher und Adressat, konventionsbezogene Intention und Wir- auf der Basis empirischer Untersuchungen subkulturelle Gruppen- stile (Rocker, Hippies, Skins) als expressive Lebensstile analysiert , 'fischen Matrix von Gruppeninteressen konstruiert, die sich wie- speZI. . h . haben. Sie haben gezeigt, daß entscheidend für eine Sprechsti!­ d; m um speZIfische Interessen (z.B. Musikmac en) drehen. InwIe- analyse der Begriff des kulturellen Stils ist und das "Prinzip der e~ nun sind Sprechstile gruppenspezifisch bestimmt und unter wel­ Bricolage" (vgl. auch Neuland 1987: 68f.): "Die Schöpfung kultureller W:' Bedingungen bilden sich entsprechende Stile aus? Stile um faßt eine differenzierende Selektion aus der Matrix des ce;'ie und auf welchen sprachlichen Ebenen funktioniert das Bestehenden. Es kommt nicht zu einer Schaffung von Objekten aus 2., .' 'p der Bricolage bei der Konstitution von Sprechstilen und auf P_onZl . dem Nichts, sondern vielmehr zu einer Transformation und Um­ welche Ressourcen wird zurückgegriffen, um TransformatlOnspro- gruppierung des Gegebenen in ein Muster, das neue Bedeutung zesse zu vollziehen? vermittelt; einer Übersetzung des Gegebenen in einen neuen Kontext 3. Welche stilistischen Ebenenwechsel ~ollzie.hen. Sprech~r und ,,:el­ und seiner Adaption" (Clarke 1979: 138). Die Transformation und ehe Funktionen haben diese Wechsel Im HmblIck auf mteraktIve Umgruppierung erfolgt durch ,Bastelei', durch "Neuordnung und Re­ und diskursive Faktoren? kontextualisierung von Objekten, um neue Bedeutungen zu kom­ munizieren, und zwar innerhalb eines Gesamtsystems von Bedeu­ tungen, das bereits vorrangig und sedimentiert, den gebrauchten Ethnographischer Ansatz zur Jugendsprachforschung Objekten anhaftenden Bedeutungen enthält" (Clarke 1979: 136). Durch den Prozeß der De- und Rekontextualisierung eines Objektes Eine exemplarische Studie von Sprechstilen einer Peer-group hat "entsteht ein neuer Diskurs, und eine andere Botschaft wird Schlobinski (1989) vorgelegt, die für die in Osnabrück durchge­ vermittelt" (ibid.). Wie Willis und Clarke zeigen, ist der Stil der führten Untersuchungen von Wach au (1990) und Last (1990) relevant subkulturellen Gruppen Kriterium für die Gruppenidentität, also ein waren. Im Zentrum der empirischen Studie stand eine Gruppe Gleich­ Lebensstil, der ein Stil ensemble aus verschiedenen Einzelstilen ist: altriger aus der näheren Umgebung von Osnabrück. Die Kerngruppe, Aussehen, Musik, Kleidung, Accessoirs, Graffities, Sprüche und Satz­ die sich mindestens einmal in der Woche in dem Elternhaus von S strukturen bilden Homologien und formen einen relativ ein­ traf, um Musik zu machen, und die in der Regel gemeinsam das heitlichen Gruppenstil. Sprachliche (wie andere) Markierungen Wochenende mit Video-Filmen, Fantasy-Spielen oder dem Besuch implizieren nun nach innen Anerkennung der Gruppenzuge­ der nächstgelegenen Disko verbrachte, bestand zum Zeitpunkt der hörigkeit (Solidarität), nach außen wird eine Grenze gezogen gegen­ Erhebung aus sechs Mitgliedern8: über anderen sozialen Gruppen (Distinktion): "Ies usages sociaux de Erwin (E): 21 Jahre, Landwirtschaftslehre und Fachschule, Um- la langue doivent leur valeur proprement sociale au fait qu'ils tendent schüler; a s'organiser en systemes de diffE,rences (entre les variantes proso­ Robert (R): 19 Jahre, Hauptschulabschluß, Maurerlehre, Zivildienst, diques et articulatoires ou lexicologiques et syntaxiques) reproduisant Fachoberschule; le systeme des diffE,rences sociales dans I'ordre symbolique des ecarts Carsten (C): 22 Jahre, kaufmännische Lehre, Zivildienstleistender, differentiels" (Bourdieu 1984: 7). Sprechstile sind also eine Form der neu zur Gruppe hinzugekommen (Spitzname Coop); Rückübersetzung gesellschaftlicher Unterschiede durch die Her­ Martin (M): 21 Jahre, Realschule und Fachabitur; stellung einer symbolischen Ordnung der Abweichungen. Sie geben Joachim (J): 19 Jahre, Abitur, Zivildienstleistender; Aufschluß über die Prinzipien und Aktivitäten, gemeinsam geteilten Steifen (S): 19 Jahre, Abitur, Zivildienstleistender. Werte und Normen, kurzum: über den Lebensstil, der von sozialen Gruppen als selbstverständlich und notwendig anerkannt und be­ Entscheidend für die Konstitution der Gruppe war das gemeinsame zeugt wird. Musikmachen, bis hin zu einzelnen öffentlichen Auftritten. Das Der sprachsoziologische Unterbau ist für die pragmatisch orien­ Selbstverständnis der Gruppe definiert sich wesentlich über den tierte Sprechstilanalyse unter dreierlei Aspekten interessant: Musikstil, der im weitesten Sinne als Punk bezeichnet werden kann. 1. Für stilistische Differenzen zwischen Sprechstilen sind entschei­ dend die sprachlichen Marker, deren Symbol wert sich aus einer 8 Die Namen wurden geändert. Allerdings hat die Gruppe eine sehr differenzierte Meinung dazu, .<, • lIeicht ähm (.) vielleicht ähm kann man's daran, sehen daß sie dem sie sich von anderen Punkrichtungen als "Schweine-Punk" ~;:~:h auf die gleiche tour äh mit männlichen wesen unterhalten wie stanziert: " ... das wird bei uns noch unterteilt in irgendwie H'lr(lco,r •.,J mit weiblichen wesen (.lsec) und da überhaupt keinen unterschied Punk und Schweine-Punk" (Joachim, P-3), wobei unter 1:j('fl.Lv",:ne,1I rtfächen Punk "Demo-Punk" (Punkmusik mit Agitationstexten) und C{ja eben (.) das ist doch das was ich meine ... zwei-drei-Punk" verstanden wird. Und Carsten meint zu dl,es'm Thema: "Also L'Oreal-Gel ist zum Beispiel kein Punk mehr" (P-3). Während in dem Interview (P-3) relativ wenig Merkmale vorkom­ Von der Gruppe bzw. einzelnen Mitgliedern liegen aus drei men, die nach traditionellen Kategorien der Jugendsprache ausge- schiedenen Situationen Aufnahmen vor, die sich entlang eiJles:1 ,ertet werden können, ist die Selbstaufnahme (P-l) eine Fundgrube Kontinuums informell - formell anordnen lassen. Entsprechend ~ gendsprachlicher Merkmale, von denen einige Beispiele gegeben ferenziert ist der Sprachgebrauch. Bei Aufnahme P-1 haben sich JUerden sollen, die weder hinsichtlich der Klassifikation geschweige Gruppenmitglieder nach vierstündigem Musikmachen mit Alko,hol-l renn hinsichtlich der Belege den Anspruch auf Vollständigkeit erhe- und Haschischkonsum selbst aufgenommen. Die zweistündige bim: nahme ist Gegenstand der eigentlichen Sprechstilanalyse. An Lautwörter: dang, ratatazong, möh Aufnahmesituation von P-2 sind Robert, Steffen, J oachim und dessEml Anglizismen: love, magie stickers Mutter beteiligt. Da es sich um eine verdeckte Aufnahme seitens Idiomatik/Sprüche: er darf die kiste anpfeifen, schwein oder nicht Mutter (M) handelt, ist der Sprachgebrauch informell und schwein, Coop ist böse wegen strapse gangssprachlich, weist aber deutlich andere Charakteristika auf Intensifier/hyperbolische Sprechweisen: echt voll fetter drauf in P-l. Der Aufnahme P-3 liegt ein mehrstündiges Interview zu­ Alliterationen: flippen floppen flappen grunde, das im Hause von J mit den Gruppenmitgliedern durch­ gruppenspezifische Lexik: stöppern geführt wurde. Das Gespräch ist am Anfang sehr formell, gegen Ende Kommunikativpartikeln9 : ey, o.k. entsteht eine freie Diskussion. Wortbildung: die Hörung. Um die situationsspezifische Brechung des Sprachgebrauchs zu il­ lustrieren, soll jeweils ein Beispiel aus den drei vorliegenden Auf­ In der Selbstaufnahme, die Gegenstand der folgenden Sprechstilana­ nahmen gegeben werden. Inwieweit die Beispiele in das Raster der Iyse sein soll, befinden sich die Beteiligten in einem Interaktionszu­ Analyse von Jugendsprache fallen, sei dem Leser überlassen. sammenhang, den man am besten mit Goffman (1977) als "kompli­ zenhafte Kommunikation" bezeichnen kann; komplizenhaft inso­ Beispiel aus P-1: fern, als die Beteiligten durch Rückgriff auf gemeinsam geteilte C: aber die melodie war ja auch falsch (.) das war ja schon wieder Wissensbestände das Einverständnis über gemeinsam geteilte lambretta Werte Normen herstellen. Sieht man sich das Gespräch genauer an, J: na und (.) wir sind ja auch echt voll fetter drauf so ist augenfällig, daß das Einverständnis nicht über den Austausch von Information, sondern über eine interaktiv inszenierte ,Dar­ Beispiel aus P-2 bietung' hergestellt wird, in der die Akteure ihr eigenes Publikum J: letzte woche gabs meines erachtens auch nen geilen fisch (.) ich sind. Der spezifischen Form der "Modulation" der Wirklichkeit, bei weiß aber nicht mehr was das war der wirkliches Handeln in etwas Spielerisches transformiert M: wie sieht fisch aus wenn er geil is " J: das wußte ich daß das kommt irgendwie hab ich gedacht (.) noch 9 Kommunikativpartikeln nennen wir solche Partikeln, die kon­ nich und dann karns ey... stitutiv für Kommunikative sind. Kommunikative gehören zur Klas­ se der interpersonale Beziehungen herstellenden Sprechhandlungen, Beispiel aus P-3 die "der Organisation der Rede, ihrer Gliederung in Themen und I: wie sehen sich männer denn Beiträgen, der Distribution von Gesprächsrollen, der Regulierung von Gesprächsabfolgen usw. dienen" (Habermas 1981: 436). AA [wirdl" (Goffman 1977: 53), liegen zwei Tran E: [djeydnl10 tag zugrunde: Auf der einen Seite wird auf kulturelle Ressourcen, die C: >[djeydnl< [djeydnl tag hol ich den preß- die Beteiligten und ihr Werte- und Normensystem konstitutiv ''''u,ll:· E: [cljeydnl tag zurückgeriffen, indem diese zitiert und somit reproduziert weins zwei Strukturen verschiedene Funktionen wie Konnexion, Evaluation etc. 36 drei kenner< Eine Funktion der Repetition besteht in der Herstellung von Humor: '37 C: denn plop heißt stop ,Humor is a common function of repetition with slight variation" 38 R: aber drei aber ZWEI war nicht schlecht (Tannen 1987: 590), so in dem Beispiel, in dem die Aussage von 0, die 39 Q: drei felder sind zwei s.ich auf deren wohlerzogenen Hund Rover bezieht, durch P in eine 40 ((Lachen)) agrammatische Form gebracht wird: 41 C: das hab ich ecbt mal wieder voll nich mitgekricht 0: Rover's being so good. 42 ((Lachen)) S:1 know. 43 E: kannste gar nichts gegen machen P: He's being so hungry. 44 R: shit Wir haben hier eine Parallelisierung durch eine Echosequenz, wobei die Repetition mit Variation Ursache für den Humor ist. Während In dem zitierten Gesprächsausschnitt wird das Prinzip der Brico1la/;el Tannen keine weiteren Beispiele und Analysen zu dieser spezi­ als Grundlage der insbesondere stark strukturierten Episoden fischen Funktion der Repetition gibt, vertritt Hymes (1987) die These, Konversation deutlich. Im laufenden Diskurs wird durch /!cllen'1It daß Ironie mit Textstrukturen zu tun hat, die echoartig auftauchen, einhundert (Z. 1) die erste Transformation initiiert, das Nacl1SlJieleni und belegt dies an Mythen der Chinook. Er zieht die Konsequenz, die eines Handlungsmusters aus dem ZDF-Fernsehquiz "Der .wir als eine Ausgangshypothese der folgenden Analyse zugrunde Preis". Die Simulation endet abrupt in Zeile 27, und sofort wird legen wollen, daß "irony seems to result from the topping of the first neuer Rahmen eröffnet durch die Sequenz eins (.) zwei oder drei sally by the second. It seems to be first of all an interactional (rather ein weiteres Handlungsmuster simuliert, und zwar aus dem 1\.1naer"1 than proposition al) irony" (Hymes 1987: 301). quiz "Eins, zwei oder drei". Es gibt also eine Dimension der Ironie, die im fortlaufenden Interessant ist nun, daß die Transformationen des vertr'enldlen.J Diskurs mit Repetition und Variation zusammenhängt. Wir wollen den Zitierens systematische Strukturschemata hervorbringen, die dies als die konversationelle Dimension bezeichnen. Die andere der Basis von Parallelisierung: Repetition und Variation operieren. Dimension hat mit dem Inhalt einer Äußerung zu tun; wir wollen Diese spezielle Technik der Parallelisierung ist es nun gerade, dies als die propositionale Dimension bezeichnen. Die Herstellung den Verfremdungseffekt konstituiert und die die Funktion der iro­ von ironischer Distanz ist in Konversationen unter dem technischen nischen Distanzierung von Werten der dominanten Kultur in "",~n" Aspekt der Verfremdung auf zwei Ebenen zu lokalisieren: der kon­ bringt. versationellen und propositionalen. Daß dies das entscheidende Über die Bedeutung von Parallelisierungen in poetischen und Erzeugungsprinzip für die verfremdende Zitation als ein spezieller Prosatexten hat Jakobson ausführlich gearbeitet und den Begriff des Aspekt des Prinzips der Bricolage ist, soll nun an der ersten Modu­ Parallelismus von der in der Rhetorik fundierten Definition als lation im oben zitierten Gesprächsausschnitt (z. 1-27) gezeigt werden. "Tautologie der Gedanken" (Wackernagel 1873: 416) befreit. Nach Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der ersten Modulation um die <;':!~~n:i~n~~z~e;il~e 6 weitergeführt wird. Dabei wird risiko von C direkt Transformation und Umfunktionalisierung eines Handlungs_ ': und Rita Süßmuth thematisch neu etabliert, wobei musters aus dem Fernsehquiz "Der große Preis", speziell um die '.~j5W,~hl die Alliteration als auch das sexuelle Leitmotiv, das dann Transformation der Handlungssequenz "Risikofrage". Das über Rita Süßmuth und Aids(-Vorsorge) weitergeführt plexe Handlungsmuster mit seinen Teilmustern wird üb,ernomluen .",,,,,ro, die Wahl bestimmt haben könnte. Die Schlüsselsequenzen und und verfremdetl1. Der erste Verfremdungseffekt entsteht in Schwerpunkte werden in den Äußerungen Zeile 8-10 ersten Äußerung auf der propositionalen Ebene, indem durch "cllen ;'/i'i,hoar,tig kopiert - sequentiell als Triplet -, und das Initiierungs­ einhundert (Z. 1) das Spiel initiiert, ein sexuelles Leitmotiv eblbliel,t F., mlilSl,er wird somit geschlossen. und der Rahmen für die weitere Modulation aufgespannt wird. <'c, Naclod,em das Muster "Risikofrage" etabliert ist, folgt in Zeile 12- erstmalig etablierten Schlüsselsequenzen, die im laufenden U"',,-<·,:hen Techniken: dem Prinzip des mimetischen Zitierens und dem Gruppenmitgliedern gemeinsam variiert werden. Sequentiell des verfremdenden Zitierens. Das mimetische Zitieren trachtet sind die repetitiven Strukturen mit ihren Varianten Dreier­ $PTl~c11elnstellungen sind soziale Einstellungen und linguistisch auf ,stoned', einem Wort aus der Drogenszene, basiert. Gladiatoren­ begründbar. Sie sind ,judgements about speakers rather than kampf ist ein weiteres Schlüsselwort, das Sequenzen aus dem Film ,al""" speech" (Trudgill 1975: 28). SpracheinsteIlungen spiegeln HaI­ "Leben des Brian" von Monty Python zur Folge hat (im einzelnen s .. .tangen gegenüber Sprechern und deren kulturellen Werten wider. Wachau 1990: 570. SIe sind somit auch ein Gradmesser für die Orientierung an Normen Die Untersuchung zu den schriftsprachlichen Texten zeigt, daß die bnd sie dienen der sozialen Orientierung. Sprachliche Varianten Schülerinnen bei ihren Biographien sprechsprachliche Elemente be­ :von Sprechern, die ein hohes gesellschaftliches Ansehen genießen, nutzen, unter anderem Intensifier wie echt turbo und Anglizismen werden im allgemeinen positiver beurteilt als jene, deren Sprecher wie stoned. Eine Schülerin benutzt auch ein Comicwort, nämlich . uber ein geringes Sozialprestige verfügen, wie die zahlreichen gähn. Allerdings gibt es stark individuell unterschiedliche Schreib­ .l)ntersuchungen aus dem Bereich der sozialen Dialektologie zeigen. stile12. Während eine Schülerin viele der behandelten Merkmale Soziale, kulturelle und andere Konnotationen werden gegenüber gebraucht, schreiben die anderen nahezu ausschließlich umgangs­ Sprechern unmittelbar auf deren Sprache projiziert, umgekehrt sprachlich. Angemerkt sei hier, daß die Texte äußerst lebendig werden Sprecher aufgrund ihrer Sprache sozial, kulturell usw. geschrieben sind, und der Lehrer der Schülerinnen, als er die identifiziert. Neben diesen Zuschreibungsprozessen durch andere, Biographien las, nicht glauben wollte, daß seine Schülerinnen, die in sog. Fremdeinschätzungen, bewerten Sprecher sich selbst und ihre Deutsch teilweise die Note 4 hatten und sich in der Schule nicht Sprache. Diese Selbsteinschätzungen sind Spiegelungen der Fremd­ engagierten, diese Texte geschrieben haben sollten. ~inschätzungen und reflektieren somit ebenfalls den Wert, den die Zu vergleichbaren Ergebnissen wie Wachau kommt Last (1990: Sprache eines Sprechers in sozialen Zusammenhängen hat. 76f.) in ihrer Untersuchung von zwei jugendlichen Gruppen. Die eine Die erste systematischere Studie zu Spracheinstellungen Jugend­ Gruppe wurde mehrere Monate in einem Jugendheim in Osnabrück licher hat Wach au (1989) vorgelegt. In ihrer empirischen Unter­ begleitet, die andere stammt aus einem Dorf in der Nähe von suchung zeigt sie, daß die von ihr erforschten Jugendlichen in ihrer Osnabrück. Selbsteinschätzung eine eigene Sprechweise annahmen, die sie auf Die bisherigen ethnographisch fundierten Untersuchungen in der Folie der Erwachsenensprache definierten, wobei diese negativ Osnabrück zeigen, daß der Gegenstand Jugendsprache in verschie­ bewertet wurden: dene gruppenspezifische und situationsspezifische Sprechweisen zerfällt. Das, was das Jugendsprachliche ausmacht, hat wesentlich M: Die harn einfach kein bock dadrauf so zu reden wie die damit zu tun, wie Jugendliche hinsichtlich bestimmter Themen und andern Interaktionspartner sprechen und auf welche kulturellen Ressourcen wie die erwachsenen weil das häßlich ist. I: Ja aber warum ist das häßlich? 12 Für jugendliche Schreibweisen gilt methodisch das gleiche wie für M: Weil das umständlich ist so überhaupt nich direkt. jugendliche Sprechweisen. Es wäre einmal interessant, die Schreib­ A: Schleim. praxis und somit die Schreibstile von Jugendlichen genauer empi­ S: Ja. risch zu untersuchen und in Zusammenhang zum Sprachgebrauch M: So höflich. und Lese-, Fernsehverhalten usw. zu bringen. S: Die benutzen solche sätze obwohl man das voll kürzer sagen : "Ob sich die Jugendsprache von der Sprache der Erwachsenen kann. tel:oeue,u"O, kann man nicht einfach mit ja oder nein beantworten. V: Echt voll die erklärungen und dann. kann die Sprachen nicht abgrenzen, da sie ja ineinander M: Und tausend infinitive und und und. ,er,geI1el' .. Die Jugendlichen sprechen schließlich nicht total anders S: Fremdwörtern. Erwachsenen. Allerdings drücken sich Erwachsene gewähl• M: Echt. vielleicht zum Teil auch umständlicher. Die Jugendlichen (Wachau 1989: 79) sich direkter. Ihre Sprache ist direkter, da sie für be­ Sachen bestimmte Ausdrücke haben, während Erwachsene Umständlichkeit, Indirektheit, "Schleimigkeit" sind elmge AttfllDu. Dinge/Sachen mehr umschreiben würden" (ibid.). te, die in dieser Studie der Erwachsenensprache zugeordnet w"r~lpn Einfluß der Medien auf ihre Sprache wird von den Jugend­ Umgekehrt wird die Sprache der Jugendlichen demgegenüber erkannt, wie die 16jährige Simone in einern kleinen Aufsatz omnia determinatio est negatio - positiv konnotiert, wie die scl~riftli_ .Si:~ul;führt:· "Jugend sprache wird viel von Medien beeinflußt. Ein Ju­ ehen Ausführungen der 16jährigen Melanie zeigen: hört zum Beispiel ein Wort, behält es und benutzt es in •·.. ··'iJrge'nd.eiIler Situation. Den Freunden gefällt es, und die benutzen das "Ich denke schon, daß sich die Jugendlichen mit ihrer ,Sprache' ·.·· ...•· .. w.•'n dann auch. Nach ca. zwei bis drei Wochen ist das Wort dann ihren Ausdrucksweisen von den Erwachsenen abgrenzen _.. _.lL._ uninteressant geworden, und es wird ein anderes dafür

Denn das normale Hochdeutsch, wie es von den Erwachsenen in i .~jnges"tzt. Dieses kann, wie gesagt, aus Liedern, Filmen, Büchern Öffentlichkeit überwiegend gesprochen wird, gefällt vielen .. W'efinelr" ist sehr beliebt) usw. übernommen werden" (ibid., S. 87). lichen nicht. Erwachsene drücken sich nämlich sehr die Medien einen sprachbeeinflussenden Faktor für jugend­ aus und sind nicht besonders direkt. Sie sprechen es z.B. nicht 'YI'",eu.e Sprach verwendungen haben, korreliert mit Wachaus (1990) aus, wenn sie jemanden nicht mögen, sondern sind sogar noch i rrnt.e"m,:hlm" zum Sprachgebrauch. tierisch nett zu ihm, um sich ja anzupassen und nicht aufzufallen. Eine sozioregionale Differenzierung bei Sprach bewertungen Dazu ist die Sprache der Erwachsenen uninteressant und langweilig. Jugendlicher zeigen die Ausführungen von Last (1990). Die von ihr Dies alles ist bei den Jugendlichen anders. Sie sprechen UlI-eK.L befragten Jugendlichen in der Stadt Osnabrück und auf dem Land und auch manchmal hart aus, was sie denken, und alles ist witziger' geben an, daß aufgrund der kulturellen Einflüsse sprachliche gestaltet. Die vielen Ausdrücke, die bei allen immer verschiedene Unterschiede bestehen. Die Jugendlichen aus der Stadt charakterisie­ Bedeutungen haben können, machen die jugendliche ,Sprache' auch ren die Sprache der Landjugendlichen als "Bauernsprache", da diese interessanter. Ein anderer Grund, warum unter den Jugendlichen in. "öden, blöden Käffern" leben (Last 1990: 130), wobei die anders gesprochen wird als unter den Erwachsenen ist, daß es nun­ I.,andjugendlichen selbst ihre Sprache als ,,'n bischen stumpfer" mal einfacher ist, etwas salopper und ungezwungener zu sprechen, (ibid., S. 128) einschätzen, im Gegensatz zu der Sprache der Stadt­ als immer nach den richtigen Ausdrücken und Wörtern suchen zu jugendlichen, die sie als "cool" charakterisieren. Die von Last durch­ müssen und dazu noch aufpassen zu müssen, daß die Satzstellung, geführten Untersuchungen zum Sprachstil zeigen indes, daß die die Zeit usw. richtig ist. Die Jugendlichen lassen sich in ihrer sprachlichen Unterschiede gering sind. ,Sprache' nicht an irgendwelche Regeln binden, sondern sie sprechen Wie sehen nun Erwachsene die Sprache von Jugendlichen? Die in alles frei heraus, auch wenn es vielleicht grammatikalisch falsch der Arbeit von Wachau durch Schüler befragten Eltern und Lehrer ist. gingen von der Existenz einer Jugendsprache aus und machten diese Natürlich wollen Jugendliche mit ihrer ,Sprache' ganz klar zu an Signalwörtern wie geil, echt geil, voll geil fest. Die Befragung von verstehen geben, daß sie eben Jugendliche sind, und daß sie sich auf Lehrern in Osnabrück durch Studenten ergab ein ähnliches Bild: gar keinen Fall mit den Erwachsenen in einen Topf werfen lassen Insbesondere geil und Komposita mit geil wie affengeil, saugeil und wollen." (Wachau 1989: 79-80) Intensifier wie ätzend, tierisch wurden als markante jugendsprach­ Andererseits ist den von Wach au befragten Schülern klar, daß liche Wörter angegeben. Wie in der Untersuchung von Wach au Jugendsprache nicht eine andere Sprache ist als die der Erwach- (1989: 89) wurde die Jugendsprache unter anderem auch Projekt ,,Jugendsprache": Die Gruppen "Fäkalien- bzw. Gossensprache" klassifiziert:

"Mich interessiert nur eins (.) wenn ich merke (.) daß die spr daß sprache der jungen leute untereinander zunehmend rauh und her?lln. :Eiinl1eiumc}e Zusammenfassung und sogar niederträchtig wird (.) dann verabscheue ich sie wie pest (.) alles andere ist mir egal (.) sie muß menschenwürdig bl"iben der Vorüberlegungen in Kap. I sind wir im Projekt "Ju­ (.) dann bin ich damit einverstanden." (Wachau 1989: 89, 90). davon ausgegangen, möglichst authentische Sprach- Ifnah:men von Jugendlichen in verschiedenen Kontexten zu erhe­ "Die Sprache ist brutal und abgefiacht...Ich finde es nicht nur Oel:1all­ und jugendliche Sprechstile in bezug zu dem situativen Rahmen, erlich, daß Jugendsprache gesprochen wird, sondern auch schlimm. Herkunftsmilieus und den kulturellen Ressourcen zu unter­ (Lehrer) Für die Studie wurden zwei Jugendgruppen ausgewählt, die st kurz vorgestellt werden, die im 2. und 3. Teil dieses Neben einigen krassen Negativ(vor)urteilen gibt es eine Reihe von ilip'lteJS ausführlich vorgestellt werden. Für die Leser und Leserin­ differenzierten Meinungen zum Thema Jugendsprache. Erstaunlich \Y',ftllfl, die einen kurzen Überblick über die Studie gewinnen wollen, ist ist jedoch, daß in der Gesamttendenz die Jugendsprache bzw. spezi­ :':Fi.'~ditgliedler der ersten Untersuchungsgruppe waren Jugendliche einer der Jugendsprache haben als Erwachsene, die die Formen der Ju­ Kirchengemeinde - hier St. Christopherus genannt1 -, gendsprache eher negativ bewerten. überwiegend im Rahmen traditioneller und konfessioneller Wertorientierungen, vermittelt durch Familie, Schule und Kirche, aufwuchsen. Die meisten von ihnen hatten seit Jahren über Kinder- Fazit garten, Grundschule und Religionsunterricht Kontakt zur Kirchen­ gemeinde. Allgemeiner Anlaufpunkt für die Jugendlichen war das Wir haben gezeigt, daß es die Jugendsprache nicht gibt und daß sich ·Jugendheim, in dem sie sich meist ohne weitere Kontrolle durch Er­ hinter dem Phänomen der Jugendsprache eine Vielzahl soziolo­ Wachsene trafen. gischer und linguistischer Faktoren verbirgt. Aus der Kritik an Der überschaubare Charakter der Gemeinde und der zugleich bestehenden Untersuchungen zur ,Fragebogenjugendsprache' haben gebotene ,Schutzraum' für Kinder und Jugendliche im Jugendheim wir den Ansatz einer ethnographisch fundierten Sprechstilanalyse stellte ein - für Jugendverbandsarbeit typisches - "doppeltes Milieu" und zu SpracheinsteIlungen entwickelt. Wir stellen unsere Ana­ (Gängler 1988) dar, in dem den Jugendlichen ein begrenzter Frei­ lysen also in den Rahmen der Sprachsoziologie, wobei wir im Hin­ raum für eigene Handlungsfelder offenstand. Durch zusätzliche blick auf die Analyse sog. ,objektiver Sprach daten' dem Ansatz der kontinuierlich organisierte Kinder- und Jugendgruppen, die von ju­ ,Ethnographie des Sprechens' folgen und im Hinblick auf die Ana­ gendlichen Mitgliedern geleitet wurden, waren Prozesse der Soziali­ lyse sog. ,subjektiver Sprachdaten' Ansätzen der Spracheinstellungs­ sation und sozialen Integration in doppelter Weise gesichert. forschung, wie sie vor allem in der sozialen Dialektologie eine Rolle spielen.

1 Alle Namen, sowohl von Personen wie auch von Institutionen, Städ• ten und Straßen, wurden geändert. Innerhalb dieses institutionellen Rahmens bildet die begrenzten Zeitraum zur gemeinsamen Arbeit trifft, und daß generziehung' das zentrale Element der Jugendarbeit. Ende jeder wieder seiner Wege geht. Das Wissen um das nur IGnder im Grundschulalter gibt es Gruppen, die von älteren Jugend_ ~mnolrär'e Zusammensein bestimmte in weiten Teilen die Gruppen­ lichen geleitet werden und bis zum Jugendalter bzw. darüber hirlauls die häufig einen recht unverbindlichen Charakter bestehen. Hier wird einerseits institutions- und gruppenspezifisches Hinzu kam, daß die meisten Teilnehmer sich zwar kannten, Wissen von einer Jugendgeneration zur nächsten weitergegeben, nur wenige Schüler enger befreundet waren. Insgesamt konnte dererseits sind die Kinder und Jugendlichen auf diese Art und den Kurstreffen eine gewisse Lockerheit im Umgang miteinan­ über längere Zeit in die Jugendarbeit der Kirche integriert. HiiLUfig beobachtet werden. Die Motivation, einen Film zu drehen, war befindet sich hier ihre wichtigste Peer-group. vorhanden, doch im Kursverlauf trat noch eine zweite Ambition Die Datenerhebung wurde während eines ,offenen Nac"mlttags' un,etllnend in den Vordergrund: Der Kurs sollte Spaß machen. Da­ durchgeführt, der auf Wunsch einiger Jugendlicher kurz vor Be,gilan meinten die Schüler nicht in erster Linie die Freude an der Ar­ der Untersuchung eingerichtet worden war. Nach einer Nllaurzeit. sondern vielmehr miteinander Spaß zu haben und sich gut zu besuchten in der Regel 20 Jungen und Mädchen diesen ,offenen >j~!il1teI·haJtfm. Diese Schwerpunktverlagerung führte schließlich dazu, Nachmittag', um Freunde zu treffen, Doppelkopf zu spielen, Musik die Teilnehmer kaum mehr ernsthaft an der Realisierung des hören u.v.m. Fast alle Jugendlichen waren zumindest zeitweise !,'I~ilmforo,ie1,ts arbeiteten. Für das Ziel der Untersuchung, möglichst Mitglied einer Kirchengruppe und kannten sich meist schon seit der i.!( ~jltblentlE'Che Sprachaufnahmen zu erhalten, stellte sich dies jedoch Grundschulzeit. Detailliertes Wissen voneinander, das zwar Glücksfall dar, da die Schüler immer mehr aus sich herausgin­ immer offen angesprochen wurde, sich aber letztendlich stabilisie­ und einen informellen, umgangssprachlichen Kommunika­ rend auf den Prozeß der sozialen Integration und Kontrolle aus­ •..•. tlOn .. ,.H verwandten. wirkte, prägte die Gruppeninteraktionen.

Gruppe II: Schülerinnen und Schüler einer Gesamtschule A!lsgehend von der Annahme, daß Jugendsprache als gruppenspezi­ Die Untersuchungsgruppe II umfaßte Schülerinnen und Schüler der fische Sprechweise zu definieren ist, die erst vor dem Hintergrund der 9. Jahrgangsstufe an einer Gesamtschule im norddeutschen Raum, spezifischen Lebenssituation verstehbar wird (vgl. Neuland 1987: 62), die gemeinsam am Wahlpflichtkurs ,Deutsch-Medien' teilnahmen. wurden als wichtige Forschungsmethoden die teilnehmende Be­ Vorrangiges Ziel dieses Kurses war die Herstellung eines Spielfilms <>bachtung und ein ethnomethodologisches Vorgehen gewählt. Diese nach einer eigenen Filmidee. Als schulformübergreifendes Fachan­ methodischen Verfahren ermöglichen es, zu ,authentischen' Sprach­ gebot besuchten 17 Haupt- und Realschüler aus sechs verschiedenen aufnahmen zu gelangen (vgl. Kap 1,2). Zentrales Kennzeichen dieser Klassen diesen Kurs. Aus einem vielfältigen Wahlpflichtfachange­ Methoden ist, daß der Forscher am Alltagsleben der ihn interes­ bot wählten die meisten Schüler diesen Kurs, weil sie einerseits Inter­ sierenden Gruppen teilnimmt und durch genaue Beobachtung die re­ esse am Filmen hatten, andererseits hofften einige, mit diesem Kurs levanten Aspekte des Geschehens erfaßt (vgl. Lamnek 1989: 233 ff.). die Wahlpflichtfachauflage zu erfüllen, ohne allzu großen Einsatz Schon nach wenigen Treffen mit den Jugendgruppen konnte ein zeigen zu müssen. vertrauensvoller Kontakt aufgebaut und damit eine gesicherte Ar­ Aus der Sicht der Schüler hatte der Wahlpflichtfachkurs, obwohl beitsbasis gefunden werden. Die Datenerhebung erstreckte sich über voll ausgleichsberechtigt, nicht den gleichen Stellenwert wie die an- . neun Monate. Während dieses Zeitraums wurden die Jugendlichen deren Hauptfächer. Für viele Schüler und Schülerinnen handelte es zweimal wöchentlich von den Forscherinnen bei ihren Aktivitäten sich bei den Wahlpflichtfachkursen um eines der vielen interessen­ begleitet. Von jedem Treffen sind ausführliche Beobachtungsproto­ orientierten Angebote an einer Gesamtschule, die sich dadurch aus­ kolle angefertigt worden, wobei besonderes Augenmerk auf den zeichnen, daß man sich für eine bestimmte Wochenstundenzahl über situativen Kontext und die gruppendynamischen Prozesse gerichtet Untersuchungsgruppe I: Jugendarbeit - Jugendheim -Jugendliche wurde. Im weiteren Verlauf konnten ,authentische' Sprachaufnahmen verschiedener Sprechsituationen gewonnen werden, und zwar von J(I~rCIU";,,e Jugendarbeit Gruppenspielen, Unterrichts-, Pausen- und Fetengesprächen, Auf­ nahmen an informellen Treffpunkten und verschiedenen Selbstauf­ Untersuchungsgruppe I gehörten Jugendliche zwischen 14 und 20 nahmen der Jugendlichen. Das erhobene Tonbandkorpus umfaßt ca. it.".:ratlTen der katholischen Kirchengemeinde St. Christopherus. Diese 60 Aufnahmestunden und ist auf 588 Seiten verschriftet worden. Der am Rand der Stadt NN. in einem Wohngebiet mit einer Vielzahl Materialband "Jugendspezifische Sprechweisen" (SchlobinskilKohlJ <·t'ioiscller Reihen- und Mietshäuser. Für Jugendliche befinden sich in Ludewigt 1992) ist an verschiedenen Bibliotheken erhältlich, u.a. an ;Jilie"eIn Ortsteil - neben der Kirchengemeinde - weitere öffentliche der Universitätsbibliothek Osnabrück sowie dem Institut für deutsche ·.","'''"'I'uw~,e, wie etwa das Schwimmbad, die Eishalle oder das Sprache. städtische Gemeinschaftszentrum. Aufbauend auf dem zugrundeliegenden methodischen Ansatz· Die Kirchengemeinde zählte 1991 ca. 3000 Mitglieder, von denen wurde ein Interpretationsverfahren gewählt, in dem biographische. etwa 400 unter 18 Jahre waren. Ein Drittel der Kinder und Ju­ Daten der Untersuchten und der situative Rahmen bei der Analyse .ge"lU.HCHeH stand in mehr oder weniger regelmäßigem Kontakt zur der Sprachdaten berücksichtigt wurden. In Anlehnung an Ditt­ kirchlichen Jugendarbeit. mar/Hädrich (1988) sind zur Analyse der Protokolle folgende Inter­ St. Christopherus ist eine Gemeinde mit aktiver Kinder- und Ju­ pretationsebenen eingehalten worden: die Ebene des sozialen Han­ gendarbeit. Die Arbeit gliedert sich grob in zwei Bereiche: in institu­ delns, die Ebene der diskursiven Rahmensetzung und die Ebene der tionsspezifische Arbeitsgruppen, wie den Religions-, Kommunion­ Gesprächsaktivität. Nähere Informationen über die Jugendlichen, oder Firmunterricht, und in offene Jugendarbeit, die auf Freiwillig­ die zur Interpretation der Protokolle von Bedeutung sind, wurden keit und Engagement der Jugendlichen aufbaut. Ziel der offenen Ju­ zusätzlich mittels eines Fragebogens erhoben. Er umfaßte sowohl gendarbeit ist es, den Kindern bzw. Jugendlichen Möglichkeiten und offene als auch standardisierte Fragen zum Medienkonsum, zur Räume zu geben, eigene Interessen zu artikulieren und zu entwik­ Familiensituation, über SchuleinsteIlungen sowie zu Zukunfts­ keIn, ihre Freizeit miteinander zu gestalten und so in Kontakt zur perspektiven der Jugendlichen (vgl. dazu Anhang 1). Da die zweite Kirchengemeinde zu gelangen. Durch die dörflich-öffentliche Atmo­ Untersuchungsgruppe eine kontinuierliche, feste Teilnehmerzahl sphäre der Kirchengemeinde, in der jeder jeden kennt', wird den aufwies, war es hier zudem möglich, über ein Soziogramm die Kindern und Jugendlichen ein Schonraum geboten, in dem sie in be­ gruppendynamischen Beziehungen untereinander zu erfassen (vgl. stimmtem Umfang eigenständig handeln und entscheiden können. Anhang 2). Ein hauptamtlicher Mitarbeiter übernimmt dabei die organisatori­ Um zu erfahren, wie Jugendliche ihre Sprache reflektieren, wur­ schen Aufgaben, möglichst ohne direkt kontrollierend oder inter- den schließlich Einstellungsbefragungen mit einzelnen Jugendli­ venierend einzugreifen. chen und Gruppen bezüglich ihres Sprachverhaltens und der Akzep­ Eine zentrale AnlaufsteIle für die Heranwachsenden ist das Ju­ tanz ihres Sprechstils durch andere Gruppen (Eltern, Lehrer usw.) gendheim. Gemeint ist damit ein ca. 60 qm großer Raum, der in ver­ durchgeführt (Kap. IV). schiedene Bereiche aufgeteilt ist: eine Sofaecke, mehrere Tischgrup­ pen, einen Spielbereich für Dart und Tischfußball, einen Diskjockey­ Raum mit neuster ,High-Tech' - wie CD-Player, Kassettenrekorder usw. - und eine angegliederte Küche. Das Engagement der älteren Jugendlichen bildet die Basis der of­ fenen Arbeit. Allein 30 Heranwachsende zwischen 16 und 22 Jahren leiteten 1991 verschiedene, in der Regel nach Alter und Geschlecht ge­ trennte, Kinder- bzw. Jugendgruppen. Im Rahmen der G1eichaltri- generziehung wird hier gemeinsam die Freizeit gestaltet und organi­ jährlichen Höhepunkt bildet das gemeinsame Sommerzeltlager siert. Kochen, Fußball, sind besonders beliebte Aktivitä• IGnder und Jugendliche, welches 16- bis 22jährige unter der ten. Es ist nicht verwunderlich, daß sich die Jugendlichen der Unter­ IJe:itung eines professionellen Mitarbeiters organisieren und durch­ suchungsgruppe mit dem Treffpunkt und der dort stattfindenden Ar­ fiil,reIß. 1991 hatten 115 IGnder und Jugendliche an der Fahrt teilge­ beit identifizierten, was sich auch im praktischen Handeln nieder­ noIDInelU, begleitet von 30 jungen Gruppenleitern und 7 ehrenamtlich schlug. So wurde beispielsweise die Renovierung des Jugendheims Erwachsenen. Diese Zeltlager wirken sich stabilisierend auf von ihnen in ,Eigenregie' mit Hilfe einiger Eltern durchgeführt, oder Zusammenhalt der Kinder und Jugendlichen aus. Sie können sie teilten sich beim Ausfall der Putzfrau deren Aufgaben auf, wie schon als temporäre ,Gegenkultur' zum alltäglichen Leben in folgender Gesprächsauschnitt verdeutlicht: ,'amJ""' Schule und Jugendarbeit angesehen werden. Die Bedeutung Mechthild (17 Jahre) suchte bei Milan (17 Jahre) und Jan (15 Jahre) Zeltlagers für die Gruppenarbeit ,zu Hause' wurde von einer die Verantwortlichen für die Unordnung im Jugendheim: i~jätlTi!:en Gruppenleiterin besonders hervorgehoben:

Mechthild: wer hat da in dem kleinen raum so rumgesaut? gruppenleben find ich an für sich s l.a.gru: wichtig (.) weil da hat Milan: =die gruppe sämtliche gruppen so (.) ja da fahrn ja kinder von 8 bis 15 mit (I: Mechthild: m (.) also ihr macht das doch hoffentlich sauber (.) nä Iaue:n so jede gruppe is dann eben eine mannschaft (.) da macht man Jan: ia >"dann turniere (.) da wird dann da der mädchen meister ausgespielt Milan: von gestern (.) ja glaub man weiter jungenmeister ausgespielt und nachher der lagermeister (11: Jan: das war schon da (.) als ich kam C) ich war der erste und wer abends am lagerfeuer (.) da sitzt man dann zusam­ hier singt zusammen oder (.) mh ja tanne ((hauptamtlicher Be­ Mechthild: = ja eben (.) das war doch grade (.) das seh ich doch gar ':'i"ItEme,r» erzählt dann irgendwelche geschichten (.) so gruselgeschich- nich .ci!! :>:,' ,ten bevorzugt und sowas" (SchlobinskiIKohllLudewigt 1992: 220). Milan: = wir warn gestern nich hier oben Mechthild: = ich mach das jetzt nich sauber (.) wenn ich da nich so IGnder und Jugendlichen dieser tJntersuchungsgruppe - so läßt rumgesaut hab sich festhalten - waren über institutionsspezifische Einrichtungen in J an: = ja (.) wir auch nich die Kirchengemeinde eingebunden, hatten eigene Räume zur Verfü• Milan: ich wußte das überhaupt nich gung, in denen sie sich mit Gleichaltrigen treffen oder eigene Aktivi­ Mechthild: ja C) die sind ja alle abgehaun C) also ich stell mich täten organisieren konnten, und arbeiteten zudem über jugendspezi­ da jetzt nich hin und fege fische Gremien mit Erwachsenen der Gemeinde zusammen. Jan: oh Mechthild: ich glaub (.) ich ticke (.) sieht da aus wie sau (Schlobinski/KohIlLudewigt 1992: 27 f.) Der ,offene Nachmittag' im Jugendheim

In Jugendvollversammlungen wird einmal im Jahr ein sechsköpfi• Die Untersuchung wurde überwiegend im Rahmen eines ,offenen Ju­ ges Leitungsteam (LT) gewählt. Dieses arbeitet mit den Erwachse­ gendheimnachmittags' durchgeführt. Dieser ,offene Nachmittag' ist nengremien der Gemeinde zusammen, um dort die Interessen der ein kleiner Bereich der Jugendarbeit und wurde erst vier Wochen vor Jugendlichen zu vertreten, und es ist für die Organisation von Ju­ dem Beginn der Studie als unverbindlicher Treffpunkt eingerichtet. gendveranstaltungen (Feten, Diskussionsrunden, Wochenendfahr­ Ausgangspunkt für die Eröffnung dieses ,Nachmittags' waren ten usw.) verantwortlich. In einem monatlichen ,Info-Blatt' werden Beobachtungen des hauptamtlichen Mitarbeiters: Mehrere Jungen die Aktivitäten vom ,LT' angekündigt. (Christoph, Rainer, Peter, Gerd), die sich in der Regel einmal wö- chentlich mit zwei Gruppenleitern trafen, wollten sich zusätzlich zum und Mädchen schließlich als ,Treff' angenommen wurde. Gruppentermin im Jugendheim aufhalten. Um in das Haus zu ge­ Freizeitcharakter läßt sich auch in den dort stattfindenden langen - es war bisher nur für feste Termine offen - nutzten die Ju­ :ktiivilGäten Tischfußball (,Kicker'), Dartspiel (,Dart'), Doppelkopf, gendlichen nahezu jede Gelegenheit. So schlichen sie sich beispiels­ lUS'"

2 Durch die Fluktuation der Jugendlichen konnten bei der zugrunde 3 Vereinzelt wurden auch noch jüngere Jugendliche bzw. Kinder auf­ liegenden Fragebogenerhebung von 34 Jugendlichen, deren Gesprä• genommen, die hier nicht aufgeführt sind, da sie nicht zur Untersu­ che im Lauf der Zeit aufgenommen wurden, nur 28 erfaßt werden. chungsgruppe gehören. Name Alter Schule Wissen über die Mitgieder der anderen Altersgruppen wider. gehörte zur Gruppe der ,Firmlinge', die vor dem Besuch des Tamara 15 Realschule im Jugendheim vorbeischaute. Mirco und Axel Tim 16 Realschule beide Leiter einer Jugendgruppe. Sie warteten an diesem Tag Torben 16 Hauptschule Jugendheim auf die am Abend stattfindende Gruppenleitersitzung ======klönten solange mit jüngeren Jugendlichen, die sie zumindest Abb. 2-1:Gruppe der Firmlinge Zeltlager und Gruppenarbeit kannten. Dabei kamen sie im teslprSlch auf Joachims jüngeren Bruder zu sprechen.

======bei meinem bruder is das so mitm essen (.1 sec) Name Alter Schule Beruf was is damit? na, der kann nieh aufhörn zu essen ey. zwei Axel aJ Einzelhandelskaufmann minuten mitm essen fertig ah mama Bossel 13 Realschule Auszubildender «Lachen» Kar! 13 Gymnasium machter wieder die kartoffeln warm ey (.1 sec) Matthias 13 Gymnasium ja is doch der kleinste Marcel 16 Realschule Auszubildender und denn dauernd was gibts morgen zum essen? Mechthild 17 Gymnasium ((lacht» aah (.1 sec) Milan 17 Realschule Auszubildender der fragt doch nich nur nachm essen (.) der fragt alles Mirco aJ Kraftfahrzeugmechaniker fünfmal nachO du kannst das hundertmal erklärn Theo 17 Gymnasium und jedesmal fragter wieder von neuen Winnie 13 Gymnasium man ======alles im voraus (.1 sec) Abb. 2-2: Gruppe der älteren Jugendlichen ah der typ ey (.1 sec) ach ahaa (SchlobinskilKohl/Ludewigt 1992: 265 f.) Die Mitglieder der verschiedenen - relativ offenen - Gruppen kann­ ten sich untereinander und wußten über Familienverhältnisse, Einen wichtigen Stellenwert beim Aufbau von Gruppenwissen und Schul ereignisse, Freundschaften und Beziehungen der Jugendlichen Gruppen ritualen nahmen die jahrelangen gemeinsamen Feriener­ häufig gut Bescheid. Diese Informationen waren wiederholt Themen lebnissen im Zeltlager ein, in dem sich fast alle Kinder und . vieler Treffen im Jugendheim und wurden von den einzelnen ent­ Jugendliche in verschiedenen Situationen kennengelernt hatten. sprechend bewertet. "Ey schaller (.) schaller", sagte beispielsweise Besondere Bedeutung kam hier ,außeralltäglichen' Erlebnissen zu. Christoph zu Marcei, "wenn de zum fünften mal mit Tamara gehst nä So beschrieb Mechthild (17 Jahre) die erste Nachtwanderung ihrer o dann schenken wer dem n ganz ganz dicken blumenstrauß (.) da ,Gruppenkinder' während eines Aufenthalts im Ferienlager: "Die droben steht ganz dick mal wieder" (Schlobinski/Kohl/Ludewigt nachtwanderung durften sie letztes jahr zum erstenmal alleine 1992: 155). machen (I: mhm) das is ja so 0 da machen die gruppenleiter immer Hier wird die Freundschaft von Marcel zu Tamara, die schon posten im wald (11: mhm) zum erschrecken «Lachen» und das war mehrmals miteinander ,Schluß gemacht hatten', genauso son superweg (.) das war so stockdunkel 0 da sah man ehrlich gar kommentiert wie im nächsten Beispiel die Eßgewohnheiten von nix 0 und wir haben uns da ins tiefste gebüsch geschlagen (.) wir Joachims kleinem Bruder (s.u.). Dieses Gespräch zwischen Joachim hatten blitzlicht und wenn die da vorbeikamen harn wer aber das (15 Jahre), Mirco (20 Jahre) und Axel (20 Jahre) spiegelt exemplarisch blitzlicht gedrückt 0 dann sahn die alle gar nix mehr «(lacht» und dann war das gekreische erstmal ganz groß «Lachen» und wir ma- 76 ...,

chen uns da so voll den spaß von (.) die kleinen harn immer so muß abhaun «Torben muß nach Hause.)) fürchterlich angst. " (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 227). bist doch immer noch nich ,Wlg Die Bewältigung solcher Situationen stärkte den Zusammenhalt nä muß noch mischen «Mädchen lacht)) deiner untereinander, war noch lange danach Stoff für Geschichten bei «bezieht auf den Spiel partner)) späteren Treffen im Jugendheim und trug entscheidend zum Aufbau scheiße oder was «bezieht sich auf den Spiel verlauf)) von gemeinsam geteiltem Wissen bei. ja wenn de was reinhaust (.) is doch dein problem Trotz der nach außen hin erscheinenden Homogenität bzw. Inti­ «bezieht sich auf den Spielpartner)) mität ließen sich bei den Jugendlichen Unterschiede erkennen, die ich muß abhaun «imitiert Torben)) u.a. durch das Herkunftsmilieu und die Geschlechtszugehörigkeit zu ich muß abhaun «imitiert nochmals Torben)) erklären sind. ich muß abhauen «imitiert Beate)) Wie bereits oben angedeutet, setzte sich die Gruppe der ,Firmlinge' halt du dich doch daraus aus Mädchen und Jungen verschiedener Schulen und Gruppen zu­ hat jemand was gesagt? «bezieht sich auf sammen, die zumeist erst über den Religionsunterricht auf den den Spielverlauf)) ,offenen Nachmittag' aufmerksam geworden waren. Innerhalb die­ er spielt trumpf-solo C) immer noch «bezieht sich ser Gruppe traten die Differenzen am deutlichsten hervor. Einige wa­ auf das Spiel)) ren sich der kulturellen und milieuspezifischen Unterschiede bewußt °deiner waao «bezieht sich auf den Spielpartner)) und zogen ihre eigenen eher mittelschichtspezifisch einzuordnenden sooo «bezieht sich auf das Spiel)) Verhaltensweisen zur Macht- und Statussicherung heran. °arscho «bezieht sich auf das Spie!)) Weitere Unterschiede zeigten sich hinsichtlich der Teilhabe von = was is denn nen trumpf? «Frage an die Jungen)) Jungen und Mädchen an wichtigen Interaktionen im Jugendheim. So junge hättest vielleicht nen könig oder «bezieht waren die während des offenen Nachmittags angesiedelten Spiele sich auf den Spielpartner)) (,Dart', Doppelkopfspiel, Tischfußball) vorzugsweise Aktivitäten der = alles über kreuz (.) eh über karo-könig Jungen. Diese nutzten ihren Erfahrungsvorsprung bezüglich der (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 78 f.) ,jungenspezifischen' Freizeitmöglichkeiten und strukturierten häu• fig den Spielverlauf. Den Mädchen wurde in diesen Situationen eine Neben solchen Interaktionen traten aber auch Situationen in der Un­ gleichberechtigte Interaktion erschwert. Ein Ausschnitt aus einem tersuchungsgruppe auf, in denen die Mädchen sich unterstützten und Doppelkopfspiel einiger Jungen (Tim 16 Jahre, Torben 16 Jahre, Eric gemeinsam der Dominanz der Jungen Grenzen setzten. Gruppenlei­ 16 Jahre, Joachim 16 Jahre) im Jugendheim verdeutlicht diese Pro­ terin Mechthild (17 Jahre) saß z. B. mit vier Mädchen ihrer Freizeit­ blematik. Beate (15 Jahre), die das Doppelkopfspiel nicht kannte, gruppe (Jutta 12 Jahre, Karla 12 Jahre und Doris 14 Jahre) in der So­ schaute mit zwei Freundinnen (Andrea 15 Jahre, Sonja 15 Jahre) seit faecke des Jugendheims. Sie schauten sich die Jugendzeitschrift z'ehn Minuten zu und unternahm mehrere Anläufe, sich an dem Ge­ BRAVO an, als sich Peter (14 Jahre) zu ihnen gesellte und Jutta das spräch der Jungen zu beteiligen. Mal versuchte sie, einige Aussagen Aufnahmegerät mit folgendem Satz hinhielt: zu ironisieren, dann wieder stellte sie Fragen nach den Spielregeln. Beide Strategien scheiterten letztendlich. Die Interaktion der Jungen Peter: mach mal n spruch kleine richtete sich nach den Regeln des Doppelkopfspiels, wobei sie den Mechthild: DU (.) laß meine KINDERS IN RUH spieltypischen Code verwendeten, den die anderen nicht kannten. Peter: ich mach doch gar nix Die ,unwissenden' Mädchen wurden zwar als Zuschauerinnen bzw. Karla: ja C) gen au Zuhörerinnen toleriert, nicht aber als gleichbereichtigte Interakti­ Doris: laß ihre kinder in ruh onspartnerinnen, die in das Geschehen eingreifen oder Regeln hin­ (SchlobinskiJKohl/Ludewigt 1992: 210) terfragen dürfen. Innerhalb ihrer ,Subgruppe' verfügten die Mädchen über !""U!;'IC"K€'I_ Freizeitangebot. Neben zahlreichen Arbeitsgruppen für ten sich gegen die Stärke der Jungen zur Wehr zu setzen und ihre Jahrgänge 5 bis 8 gibt es eine Reihe freier Angebote, die in den ger:en Interessen zu vertreten. Im Textbeispiel zeigt sich die Glruj)Plm, der Mittagszeit und nach der Schule wahrgenommen werden leiterin solidarisch und schmetterte für Jutta Peters ,Anmache' Hierzu zählen ein Babysitter-Lehrgang, Krafttraining, der Die anderen übernahmen ihre Strategie und unterstützten sie sofort. das Fotolabor und der Mädchentreff. Die räumliche Aus­ Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die Jugendlichen im Freizeitbereich umfaßt einen Billardraum, die Textil­ Untersuchungsgruppe I im Rahmen traditioneller bzw. kClnfesl,ionel, die Teestube, eine Cafeteria, die Bibliothek sowie Aufent­ ler Wertorientierurigen aufwuchsen. Sie kamen in der für die jeweiligen Klassenstufen, die sog. Stationen. Die zunächst über familiale Sozialisation mit der Kirchengemeinde Untersuchungsgruppe betreffende ,Station 9' wird von den Schü• Kontakt, der durch Religionsunterricht, Kindergrupppen usw. ver­ weitestgehend selbständig geführt. Die Innengestaltung und tieft wurde. So kannten sich die meisten Jugendlichen seit vielen Öflfntm~(szeit,en hängen von dem Engagement der Schüler ab. Als im Jahren und hatten mit der Zeit ein gemeinsames ,Gruppenwissen' 1990/91 der 9. Jahrgang die ,Station' übernahm, wurde sie aufgebaut, das von Altersgruppe zu Altersgruppe weitergegeben nach eigenen Wünschen umgestaltet, vorhandene Möbel wurde. Das Jugendheim sahen sie überwiegend als Freizeitbereich dnlg,,,äunlt und weitere Gebrauchtmöbel hinzugefügt. Das Mobiliar an, in dem sie "Ruhe vor den Erwachsenen hatten", sie sich aber auch' hel,ta.nd vorwiegend aus alten Sofas und kleinen Tischen, die nahezu in Gruppen, im Filmclub oder Leitungsteam engagieren konnten. anders angeordnet wurden. Der bedeutungsvollste Einrich- war allerdings das Tape-Deck, auf dem die Schüler Kassetten abspielen konnten. Die Musik war ein häufi- Streitpunkt. Um die Art der Musik oder die Lautstärke wurde hart 3. Untersuchungsgruppe IT: die Schille - der Kurs - die Jugendlichen unerbitterlich ,gekämpft'. Zu Beginn des Schuljahres war die ,Station' ein beliebter Treff­ punkt während der Freistunden und der Mittagszeit, den Pausen und Schule und Freizeit nach der Schule. Man unterhielt sich, hörte Musik, tobte herum und . traf sich mit Cliquen und Pärchen. Da die ,Station' ein wichtiges Bei der zweiten Untersuchungsgruppe handelt es sich um Schülerin• Kommunikationszentrum darstellte, konnte man dort die Stimmung nen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe an einer norddeutschen Ge­ in der Schule entsprechend den schulischen Ereignissen gut mitver­ samtschule. Zum Zeitpunkt der Erhebung (Schuljahr 1990/91) besuch­ folgen: die Aufregung vor Zeugnissen, die Freude auf das Wochen­ ten 1300 Schüler die Schule. Sie liegt in einem Stadtteil, der bis zur ende am Freitagnachmittag, Lustlosigkeit nach anstrengenden Schließung einiger industrieller Großbetriebe als traditionelles Ar­ Klassenarbeiten. beiterviertel der Stadt NN. galt. Die Sozialstruktur zeichnet sich heute Im Untersuchungszeitraum verlor die Station jedoch an Attrak­ . durch einen hohen Anteil an ausländischen und sozial schwachen tivität. Sie war häufiger geschlossen, weil kaum noch Schüler bereit Familien aus. Die Zahl der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger waren, die Aufsicht zu führen. Selbst wenn der Raum geöffne~ war, ist hier im Vergleich zu anderen Stadtteilen besonders hoch. waren nur wenige Schüler anzutreffen. Dies drückte sich auch In der Ein Großteil der Schülerschaft rekrutiert sich aus diesem Viertel. räumlichen Gestaltung der Station aus. Am Ende des Schuljahres Entsprechend hoch ist auch der Ausländeranteil in der Schülerschaft. befand sich dieser Treffpunkt in einem regelrecht heruntergekom­ Er betrug zum Zeitpunkt der Erhebung 25 Prozent. Insgesamt sind 20 menen Zustand. Andere informelle Treffpunkte gewannen an Be- Nationalitäten an der Schule vertreten, so daß man von einer multi­ deutung, die sich vor allem dadurch auszeichneten, daß man do~t kulturellen und multiethnischen Schule sprechen kann. Da die Ge­ rauchen konnte. Dazu gehörten das nahebei liegende Wäldchen, die samtschule im weiten Umkreis als einzige Schule ein Ganztagsan­ Raucherecke und vor allem die Toiletten. Besonders in den kalten gebot hat, nimmt außerdem eine Reihe von Schülern weite Anfahrts­ Wintermonaten war das Klo der beliebteste (wenn auch nicht gerade wege in Kauf, um sie zu besuchen. Als Ganztagsschule bietet sie ein gemütlichste) Aufenthaltsort während der Pausen. Obwohl viele Schüler schon mehrmals dort beim Rauchen erwischt worden waren, ' der hat meine zigaretten weggenommen zog es sie immer wieder dorthin, Wie aus folgendem Gespächsaus_ wer? schnitt auf dem Mädchenklo hervorgeht, scheint die unterschiedliche herr steiner Sanktionierung der beim Rauchen erwischten Schüler und Schüle_ (Schlobinski/KohIlLudewigt 1992: 474 ff.) rinnen mit ein Grund dafür zu sein, daß das Verbot immer wieder übertreten wurde: n,~rc:h das gemeinsame Überschreiten des Rauchverbotes herrschte den Toiletten eine besondere Atmosphäre der Zusammengehörig• Uwe: ey (.) dich haben se auch auf toilette gepackt ne? Wenn man ,erwischt' wurde und es nicht mehr geschafft hatte, Nadine: nä ',blitzSClon,ell in einem der Klos zu verschwinden und die Tür abzu­ Uwe: oh doch C) sicher C) trotz waren sozusagen alle ,dran'. Nadine: nä mit (.) da wo ich mit ronald gegegangen bin Das Klo war als (normalerweise) jungenfreier Raum' für die «(Wasserrauschen» (2 sec) Mädchen ein besonders wichtiger Treffpunkt. Hier konnten sie sich Uwe: na aber ja und (.) da hat ronald auch nen brief Ruhe schminken, ohne gehänselt zu werden, und konnten sich über gekriegt (.) ne? <.'!'heme,n wie die Liebe, Freundschaften etc. miteinander unterhalten, Nadine: hab ich nen brief gekriegt ohne durch die Jungen unterbrochen zu werden. Denn häufig wurden Uwe: (1 sec) was stand da drin? die Mädchen sonst bei solchen Gesprächen durch Mitschüler gestört, Nadine: ja (.) äh C) ihre tochter hat aufm wie die folgende Szene erhellt: Mehrere Mädchen waren auf dem schulgelände geraucht (und das is verboten) (.) ihre Schulhof in ein Gespräch über die Bedeutung von Liebe vertieft, als tochter ist erst sechzehn und all son scheiß ein Junge dazukam und sie mit den Worten jäh unterbrach: "Liebe ist Osman: hat der bruder aber abgefangen ficken, ficken, ficken". Nadine: mhm Auf der anderen Seite wurden die ,offiziellen' Freizeitangebote der Schule von der Untersuchungsgruppe kaum genutzt. Nur einige Anschließend berichtet Uwe, wie er von mehreren Lehrern beim Rau­ Jungen spielten ab und zu Billard oder Tischtennis. Die meiste freie chen erwischt wurde, ohne einen ,blauen Brief zu bekommen Zeit während des Schulalltages ,hing' man allerdings mit seiner Freundin oder seinem Freund ,herum', holte sich am Kiosk etwas zu Uwe: zum beispiel sie «Nadine» hat doch genau nen brief trinken und zu essen (dort gab es im Gegensatz zur schuleigenen Ca­ nach hause gekriegt wo se sie gepackt habn (.) mario feteria Chips und Cola) und wartete auf die nächste Schulstunde. Auch langkamp hat mich n paarmal gepackt C) der strenge nach der Schule, oder wenn die Schüler nicht bis zur letzten, d.h. der lehmann mit rolf aufm pott (.) wir habn nie was zu 9. Stunde, Unterricht hatten, war die Schule als Ort, wo man auch hause n brief gekriegt und so rolf und ich (.) C.. ) ja einen Teil seiner Freizeit verbringen konnte, wenig attraktiv. Auf meier (der würd nie was machen oder) steiner C) der die Frage, wo sie sich mit ihren Freunden treffen würden, gaben die sagt auch nichts Schüler und Schülerinnen der Untersuchungsgruppe den Verein, Osman: nee (.) steiner sagt nix Sportstudios, Freunde, Zuhause, das Spielcenter oder allgemein ,die Uwe: aber einmal wo ich zum erstenmal hier inner Stadt' an. Nur ein Schüler nannte u.a. die ,Station'. ecke geraucht hab (.) da fings an Osman: = der s (.) der stein er hat ihm gesagt (.) schießt euch rein (,) die lungentorpedos Der Kurs Susanne: wer? steiner? Osman: herr stein er (.) hat mi (.) herr steiner hat mich schon Die Untersuchungsgruppe setzte sich aus Teilnehmern des Wahl­ mal mit ner dicken (zigarre) gewor C) äh gepackt pflichtkurses II ,Deutsch-Medien' zusammen. Wahlpflichtkurse Uwe: und hatter da was gesagt? (bestimmt nich) untergliedern sich in Wahlpflicht I Kurse, die ab der 7. Jahrgangs- stufe belegt werden müssen und an der untersuchten Schule die Fä• hnrcllfülhrun'g des Filmprojekts waren verschiedene Arbeitsgruppen cher Technik, Hauswirtschaft, Textil und für die Real- und Haupt_ Je 3 bis 4 Schüler sollten einen Teil des Exposes in ein schüler Niederländisch und Französisch umfassen. Das Fächeran_ ,VI'eU .'" ""U umsetzen. Parallel hierzu sollten die Produktionsarbeiten gebot in Wahlpflicht II für die Jahrgänge 9 bis 10 war um einiges grö• ;JIlUl~H, für die 10 Schüler als Schauspieler oder für die Bedienung von ßer. Neben einer Reihe sprachlicher Fächer werden künstlerisch_ Licht und Ton vorgesehen waren; die anderen Gruppen­ musische und naturwissenschaftlich-technische Kurse sowie ver­ ;mitgliecler sollten währenddessen an den Storyboards weiterarbeiten schiedene Sportkurse angeboten. Letztere, und hier vor allem Filmmaterial nach brauchbaren und weniger brauchbaren Schwimmen und Tennis, waren unter den Schülern sehr begehrt. durchsehen. Obwohl voll ausgleichsberechtigt für andere Fächer, wurden die Während in den ersten Sitzungen sich die Kursteilnehmer noch Wahlpflichtkurse von einigen Schülern eher als von der Schule or­ ;;konzelltr'lelrt und motiviert beteiligten und gute Beiträge lieferten, ganisierte Freizeitangebote denn als ,richtige' Schulfächer angese_ sich die gezielte Arbeit an der Realisierung des Filmpro­ hen. zunehmend schwieriger. In den Arbeitsgruppen waren die Danach gefragt, warum die Teilnehmer diesen Wahlpflichtkurs Schüler kaum ernsthaft dabei. Anstatt an den Schnittplänen und Sto­ gewählt haben, gaben 14 Schülerinnen und Schüler das Interesse bzw. ryboards zu arbeiten, alberten sie herum und tratschten. Daran än• den Spaß am Filmen als Hauptmotiv an. Nur 2 Schüler begründeten derte auch der Versuch einiger Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Wahl damit, daß andere Kurse voll waren. Die aufgenommenen wenig, die Gruppe zur Arbeit zu motivieren: Gruppengespräche brachten allerdings einen weiteren Grund zuta­ ge:. So hatten einige der Teilnehmer gehofft, daß sich in diesem Kurs nona: HILFE wißt ihr was ich kleb euch gleich allen gute Schwänzmöglichkeiten bieten würden. eine aufs Cl ihr müßt das hier machen ne Wahlpflichtkurse werden schulformübergreifend angeboten, d.h., ((die Storyboards)) keiner

I, Schüler aus dem Haupt-, Real- und Gymnasialzweig werden gemein­ alle: =JA sam unterrichtet. Der Kurs ,Deutsch-Medien' umfaßte 17 Schülerin• nieter: =ja mach mal was ey nen und Schüler, von denen 13 die Realschule und 4 die Hauptschule nona: (aber wirds mal) C) wir solln das hier machen (.) ja? I besuchten. Sie trafen sich einmal wöchentlich für 3 Unterrichts­ Selim: = KATASTROPHAL (läuft das hier) stunden in einem normalen Klassenzimmer oder dem Filmvorfüh• nieter: () I rungsraum der Schule. nona: fick dich ((an Dieter gerichtet)) Der Wahlpflichtkurs ,Deutsch-Medien' orientierte sich an den Detlef: sie also Cl fick dich ((lacht)) I Rahmenrichtlinien der Fächer 'Kunst und Deutsch. Unterrichtsziele Ilona: mein gott ey jetzt spaß beiseite (.) wir müssen das waren u.a. die Filmanalyse, die Filmherstellung und die Präsenta• wirklich mal zu ende machen l tion eines selbstproduzierten Films. Auf spannende Art und Weise Dieter: ja echt ey ((ironisch)) wurden dabei deutsch-didaktische Elemente integriert. Indem die Schüler z.B. ein literarisches Drehbuch verfaßten und Storyboards4 Nach weiteren Hänseleien: herstellten, lernten sie, kreativ eigene Ideen einzubringen schrift­ lich niederzulegen und mit filmischen Mitteln umzusetzen. Die Mög• Ilona: schulte ich warne dich (.) das letzte mal (.) ja? li.chkeit des filmischen Ausdrucks war vor allem für Schüler mit ge­ Darek: = hör zu man zu man (.) guck ma da arbeiten zwei rlUgen Deutschkenntnissen ein guter Ansatzpunkt, sich mit diesem ja (.) und du C) laberst hier so viel scheiße ey Medium auseinanderzusetzen. Im Mittelpunkt des Wahlpflichtkur­ ((an Dieter Schulte gerichtet)) ses stand die Planung und Produktion eines Spielfilms. Für die Selim: = eheheh pf ({imitiert ein Rapperlied)) Darek: echt ey 0

4 Storyboards sind Filmprotokolle, in denen einzelne Einstellungen skizzenhaft festgehalten werden .. 84 Wenig später: werden mußte. Eine Fertigstellung in diesem Schuljahr wäre mehr möglich gewesen. Selim: = das is nen pinguin ((auf eine Figur im Die Reaktionen der Schüler waren unterschiedlich. Sie reichten Storyboard zeigend» ((Lachen» Gleichgültigkeit bis zu Betroffenheit. Als der Lehrer berichtete, Darek: das entspricht das bild (.) entspricht ja wohl dem dies der erste Wahlpflichtkurs sei, dem es nicht gelungen sei, IIona: ((lacht» Film fertigzustellen, antwortete ein Schüler kurz: "Endlich Selim: ooh man (.) ich brauch nen radiergummi ((hat was Neues". Vor allem waren aber diejenigen Kursteilnehmer vorher schon mal danach gefragt» die wenigstens insoweit Interesse an dem Filmprojekt ge­ I: wo bist du denn jetzt wie hatten, als sie fast immer anwesend waren und sich bei einigen Ilona: ((lacht» ,h!,p.il,en intensiver eingebracht hatten. Ein Schüler stellte nach dem Dieter: ((lacht» sieht ja voll geil aus Annrr'CIl des Films seine Anwesenheit im Wahlpflichtkurs fast gänz• Selim: HÖR AUF DETLEF ein und schaute nur noch sporadisch vorbei. Obwohl er nur wenig Dieter: hat keiner mehr bock ( ) :,mitgealrbe,it"t und die anderen Schüler eher gestört hatte, war der ((Durcheinanderreden und Lachen» sehr wichtig für ihn: "Ja in dem ersten halbjahr war ich voll oft I: habt ihr nen radiergummi? und hab auch mitgemacht (.) aber dann nachdem wir aufgehört Dieter: zwei pinguine den film zu drehn hatt ich kein bock mehr ey (. .. ) das war aber Ilona: bei mir is gar nich oh auch echt was wir da geschafft haben (.) zwei minuten in einem Detlef: stimmt bei dir is echt nichts halben jahr" (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 502 f.). Selim: warte mal (.) ja ich brauch nen radiergummi (.1 sec) Im 2. Schulhalbjahr bestimmten Filmanalysen und die Produk­ I: hat denn keiner ne schultasche mit? tion von Werbefilmen den Unterricht. Hier zeigte sich wiederum eine Dieter: nö geringe Ernsthaftigkeit der Kursteilnehmer, obwohl ausreichend Darek: = was? (.) ich hab eine mit Interesse vorhanden war, einen Werbefilm zu drehen. Ein Problem Ilona: ich hab n radiergummi mit der Arbeitsgruppen bestand darin, daß einige Schüler motiviert Darek: aber ich benutz sowas nich wien radiergrummi (.) waren, aber durch andere Mitschüler zum Teil massiv gestört ich bin fehlerlos wurden. Als eine Schülerin voll Freude mit einem Konzeptvorschlag Selim: oh wieso sagste das nich ey (.) du bist so dumm ey für einen Werbespot ankam, reagierten die anderen Arbeitsgrup­ ((an Ilona gewandt» penmitglieder sehr destruktiv: Ilona: ((lacht» ich bin mir nich ((lacht» Selim: = haa (.) blö blödheit ey (.) oh ich geh gleich Nadine: jetzt hab ich aber etwas anderes raus hier ey (.) Selim: wolln we nich Detlef: ja mach doch Nadine: guck doch mal bitte (.) hör mal eben (.) also (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 307 ff.) antimundgeruch die antirnagenwäsche Mehrere: ööh Bei den Filmarbeiten fiel auf, daß die Darsteller sich häufig gegen­ Nadine: ja hört zu seitig ablenkten, viel lachten und immer wieder ihren Text verga­ Selim: antirnagenwäsche was is das denn (.) dumm ey (.) ßen. Viele Einstellungen mußten dadurch unzählige Male wieder­ geh ey weißte was anti heißt? (.) ~ holt werden. Nadine: ja gegen Schlechtes Wetter während der Wintermonate, das ein Abfilmen Selim: ja also der Außenaufnahmen verhinderte, und häufiges Fehlen der Kurs­ Nadine: gegen geruch teilnehmer führten schließlich dazu, daß das Filmprojekt abgebro- Selim: du hast auch einen am kopp ey Nadine: gegen geruch Selim: komm verpiss dich (.) geh zu ismarin ey (.) der is Abbildung soll die Kurszusammensetzung verdeutli- so gut wie du «(Ismarin ist der Schüler mit der schwächsten Position innerhalb des Kurses)) Ismarin: schlag du mal was vor «an Selim gewandt)) Schultyp Klasse Alter Nationalität Nadine beginnt ihren Vorschlag vorzulesen: Realschule R3 17 Jahre Polin Nadine: eine frau sitzt am waldrand auf einer bank C) sie Realschule R2 15 Jahre Jugoslawin macht einen zufriedenen gesichtsausdruck C) Realschule R3 15 Jahre Pole ein sehr gepflegter (.) hör doch zu (.) hör doch zu Realschule R1 15 Jahre Deutscher Dieter und Selim haben sich unterhalten und nicht Realschule R1 14 Jahre Deutscher zugehört)) eine frau sitzt am waldrand auf einer bank Hauptschule R4 17 Jahre Polin sie macht einen zufriedenen gesichtsausdruck (.) ein Realschule R3 15 Jahre Deutscher sehr gepflegter und gut aussehender mann setzt sich zu Realschule R4 15 Jahre Jugoslawin ihr (.) er lächelt sie an und sagt: hallo (.) die frau kippt Hauptschule H3 15 Jahre Türke von der bank (.) ein anderer kommt und will der frau Realschule R4 16 Jahre Deutscher helfen Realschule R2 16 Jahre Deutscher Selim: hähähähä komm komm ey C) verpiss dich Realschule R4 16 Jahre Türke Nadine: besser als euer scheiß Realschule R4 16 Jahre Deutsche Selim: komm verpiss dich (.) geh zu ismarin der is genauso Hauptschule H3 15 Jahre Deutscher gut wie du Hauptschule H1 16 Jahre Türke «Nadine gab schließlich resigniert auf. )) Realschule R4 15 Jahre Deutsche (SchlobinskilKohllLudewigt 1992: 466) Realschule R3 15 Jahre Deutscher ======Die Arbeitssituation wurde noch dadurch erschwert, daß der Unter­ Abb. 2-3: Schüler und Schülerinnen des Wahlpflichtkurses ,Deutsch­ richtstermin in der 7., 8. und 9. Stunde, d.h. von 13.40 bis 16.00 Uhr, Medien' angesetzt war. Die Zusammensetzung des Wahlpflichtfachkurses aus Schülerinnen und Schülern, die sich zum Teil nur sehr flüchtig Entsprechend der sozialen Stratifikation der Untersuchungsschule, kannten, trug ebenfalls dazu bei, daß die Lern- und Arbeitseffektivi­ waren im Kurs mehrere ausländische Jugendliche, die allerdings bis tät der Arbeitsgruppen als gering einzuschätzer> war. Nichtsdestowe­ auf die drei polnischen Schülerinnen und Schüler hier in Deutsch­ 'niger gelang es zwei Teams, ihren Werbefilm fertigzustellen. Mit land geboren sind und fließend Deutsch sprechen. Die Eltern der großem Stolz wurde er im Klassenverband vorgeführt und eine Kopie Kursteilnehmer übten vorwiegend handwerkliche und kaufmänni• mit nach Hause genommen, um ihn auch den Eltern zeigen zu kön• sche Berufe aus und können, ähnlich wie die Eltern der Untersu­ nen. chungsgruppe I, der unteren bis mittleren Mittelschicht zugeordnet werden. Auf die Frage, ob sie gerne zur Schule gehen, antwortete ein recht Die Jugendlichen hoher Prozentsatz der Befragten (53,3 %) mit "sehr gerne" und "gerne", 40 % gingen "nicht so gerne" und nur 6,7 % "überhaupt nicht Wie schon erwähnt, setzte sich der Kurs aus 17 Schülerinnen und gerne". Schülern zusammen, die zum größten Teil die Realschule besuchten. Obwohl einige Schüler zusammen eine Klasse besuchten, konnte nicht beobachtet werden, daß diese sich allein daher besonders gut kannten. Was häufig für die Klassenzusammenkünfte gilt, trifft vor ähnliche Bedeutung hatte auch der Wahlpflichtkurs, bei dem die allem für das Wahlpflichtfach zu: man kommt für den Unterricht zu­ gelegentlich einem zufälligen Teenager­ sammen - wobei die Institution Schule bestimmt, wann und wo das ist ähnelten. Die Schule hatte hier die Funktion, die Teilnehmer - und geht schließlich wieder seiner Wege. ÜS'lm m'lmml)ring'en. Dem größten Teil der Kursteilnehmer gefiel Durch die schon früh einsetzende Schul- und Unterrichtsdifferen_ kommunikative' Unterricht. Auf die Frage: "Wie gefällt Dir zierung hat die Klassengemeinschaft für viele Schüler an Bedeutung Ku~s?" antworteten 53 % mit "sehr gut" oder "gut", 20 % gefiel er verloren. Von einem Klassenverband läßt sich deshalb häufig kaum und 27 % gefiel er "nicht so sehr" bzw. "überhaupt nicht", wo­ noch sprechen. Schon in der Orientierungsstufe findet eine Lei­ nur ein Schüler die letzte Kategorie angekreuzt hatte. stungsdifferenzierung in verschiedenen Fächern statt und die Schü_ Besonders auffallend in der Wahlpflichtfachgruppe waren die se­ ler wissen, daß sie spätestens nach der 6. Klasse nach Schulformen und zum Teil sexistischen Kommunikationsinhalte, wie fol- getrennt werden. Die abnehmende Stabilität der sozialen Bezie_ 1i.'Id'lr Gesprächsausschnitt, aufgenommen während der Arbeit an hungen innerhalb der Klassengemeinschaft ist besonders an den Ge­ Storyboards, zeigt: samtschulen zu beobachten, da hier die verschiedenen Formen der Leistungs- und Interessensdifferenzierung in einem besonders brei­ jetzt mal ich ilona ((Lachen» ten Spektrum zu finden sind. Dies äußert sich vor allem in dem - im was soll das denn sein? Vergleich zum dreigliedrigen Schulsystem - flexibler gestalteten ja Jill ((lacht» ja da isse (.) brauchst gar nich zu Wechsel zwischen den Schulformen. So hatten einige Schüler des denken das sind nich nich deine titten (.) das is Wahlpflichtkurses früher den Gymnasialzweig besucht, mußten aber dein bauch wegen schlechter Leistungen auf den Realschulzweig wechseln. An­ = is das n arsch? dere Schüler waren wiederum bestrebt, den ,Sprung' auf den Gymna­ = nä (.) das sieht sich was anderes ähnlich sialzweig zu schaffen. Engere Beziehungen zwischen den Schülern das sieht aus ey ey (.) gib ma her werden deshalb nicht mehr primär im Klassenverband, sondern na und (.) mich stört das nich selim auch klassen übergreifend und nach dem Unterricht außerhalb der das sieht aus wenn man den so nimmt (.) ((lacht)) ooh Schule gepflegt. Die Nationalitätenzugehörigkeit und gemeinsame ((Lachen» ((dreht das Blatt um und zeigt auf Interessen spielen für den Aufbau von engeren Freundschaften eine ein sexistisches Bild» wichtigere Rolle. Manche Jungen aus dem Wahlpflichtkurs kannten Ilona: = oh was (.) ey mein gott was soll nen das? sich z.B. vom gemeinsamen Training in privaten Sportcentern und den Kampfsportschulen. Die Kursteilnehmerin weiß sich jedoch zu wehren: Auch bei diesen ,engeren' Beziehungen bleibt zu fragen, wie eng sie wirklich sind. Die im Rahmen der Untersuchung beobachteten in­ Ilona: nä (.) du sei leise C) du weißt du wie du aussiehst? (.) formellen Treffen während und nach der Schule hatten häufig eher wie nen schwuler hengst oberflächlichen Charakter. Man ist zusammen, hat Spaß miteinan­ Dieter: isser auch der und zeigt sich von seiner guten Seite. Der Gruppenkontakt hat Detlef: und du siehst aus wie ne lesbische sau hier weniger die Funktion, sich bei Problemen zu helfen und zu un­ Selim: = schwuler hengst ((imitiert Ilona» terstützen - die muß der einzelne schon selbst lösen -, sondern viel­ Ilona: na und? vielleicht bin ichs ja kannst mehr sich gut zu unterhalten5. Darek: ich hab dazu nur eins zu sagen (.) biste auch Ilona: = wir kennen s bestimmt (.) wetten? Dieter: wetten (.) daß selim schwul is? 5 Vergleichbare Beobachtungen machte auch Heitmeyer (1991), der Ilona: ((lacht» feststellte, daß die Entlastungsfunktionen der Freundesgruppe zu­ Darek: was hatten wir noch gesagt (.) daß du ne lesbin bist? gunsten der zum Teil als streßreich empfundenen Selbstrepräsenta• Ilona: das mußt du ja wissen darek (.) ne (.) tion verlorengegangen ist. kann gar nich sein Darek: wer hat das denn gesagt? In Empirische SprechstiJanalysen I1ona: hier Darek: ey das muß ich ja wohl wissen junge (.) ey (.) komm junge ey du (.) der labert wieder eine scheiße ne? I1ona: = ja wirklich Kapitel wird auf der Basis der Analys.e verschiedene: Darek: der will doch nur (.) daß dus ihm .""eh'WelS'", die sprachliche Wirklichkeit jugendhcher Kommulll­ Selim: =oh mach doch mal was jetzt näher beleuchtet. Eingebettet in den jeweiligen K?ntext, ver­ Darek: der will doch nur daß dus ihm beweist (.) daß das unser Ansatz der Sprechstilanalyse das zugrunde hegende Re­ nich richtig is an sprachlichen, konversationellen und kulturellen. MuFstkern (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 308 ff.) und seine Funktionen offenzulegen. Em 0 us d b · uf der Art und Weise verschiedener Stilbasteleien (vgl. a el a h' h . k .t . Ähnliche Beispiele für verbale sexuale Aggressionen, die in der d' ein Ausdruck von Kreativität und Viel sc lC tIg el JU- gel von den Jungen ausgingen, waren in der Glcuj)p,milnter,aktion le Sprechweisen sind. Die folgenden GesPächs.aus.~c~nit~e häufig zu finden. Für die Jungen der Gruppe, die sich im Alter von mU""i"n"'exemplarischer Form die Variabilität. und VlelfaltIgkeJt Sprache Jugendlicher aufzeigen, die durch d,e kontextualen Be­ und 16 Jahren in der Orientierungsphase befanden, was ihre ~<,~ ..,_ hung zu Mädchen angeht, schien der sexistische Iingungen wie Gruppenzusammensetzung, Situation oder auch nur Ventilfunktionen zu haben. Stimlnung ihre spezifische Ausgestaltung erfährt. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß zum Zeitpunkt der schriftlichen Befragung über die Hälfte der männlichen Kurs­ teilnehmer keine feste Freundin hatte, während fast alle Mädchen ,Jugendsprache '- Gruppensprache? angaben, daß sie momentan ,mit jemandem gingen'. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß die uns vorgestellten Jugendli­ gibt so viele Jugendsprachen wie es Jugendgruppen und Situati­ 'bt heißt es im ersten Teil dieses Buches - oder anders ausge­ chen eine Gruppe darstellen, die sich im Rahmen der Institution onen gJ , d . d"d 11 L bens Schule durch die Wahl eines schulformübergreifenden Wahlpflicht_ • d ., kt· Der Vielzahl gruppenspezifischer un m lVl ue er e - kurses auf eine begrenzt selbstbestimmte Weise konstituiert hat. Dies s~~: e~tspricht eine ebenso große Zahl unterschie.dlic~er Sprechstile. hatte zur Folge, daß in diesem Kurs Jugendliche zusammenkamen, Daß diese Aussage die sprachlich-empirische WlTkhchkelt tre~fend . die außerhalb der Schule wohl kaum zueinander gefunden hätten: Da widerspiegelt, wurde uns deutlich, als wir nach Sequenzausschmtten waren einerseits am Kursthema interessierte Schüler und anderer­ suchten, die typisch für die jeweilige Untersuchungsgrupp~ waren. seits Schüler, die mit dem Thema überhaupt nichts anfangen konn­ Trotz fast 600 Seiten verschrifteten Materials. konnten WlT ~aum ·ten, weil sie aus anderen Motiven (z.B. Schwänzmöglichkeiten) die­ Ausschnitte ausmachen, von dem wir mit Uberz~ugu~g hatten sen Kurs gewählt hatten oder in diesen Kurs gekommen waren, weil behaupten können, daß er in charakteristisch.er Welse dle. Sprache andere Angebote schon voll waren; da arbeiteten Schüler mit den un­ der jeweiligen Untersuchungsgruppe repräsentIert, geschwelge den?, terschiedlichsten Lernvoraussetzungen zusammen; da trafen sich daß es einen präferierten "Jugendton" gibt. Zu stark pragten d,e Schüler, die seit längeren Zeiten gemeinsam die Schulbank drück• verschiedenen Aufnahmesituationen und die wechseln~e G:uppe~zu­ ten, während andere sich gerade mal VOm Sehen her kannten. Die sammensetzung den jeweiligen Sprech- und Kommu~,k~tlOnSStIl. Heterogenität und auch die Einschätzung einiger Schüler, Wahl­ Um trotzdem den starken Einfluß der Gruppenspezlfitat offen:ule­ pflichtkurse als vorübergehendes, nicht besonders wichtig zu neh­ gen, wurde als Kriterium für die Auswahl der folgenden z.we~ Ge­ mendes Schulangebot zu sehen, machten das gruppenspezifische Kli­ sprächssequenzen der Grad der Bekanntheit der G:ruppe~mltgheder ma dieses Kurses aus. . bzw. die Geschlossenheit einer Gruppe gewählt. D~ gJ~t es eme G:ruppe Von Jugendlichen aus der Kirchengemeinde, d,e slch schon Jahre­ lang kennen und auf ein Bündel gemeinsamer Erfahrungen und 92 Erlebnisse zurückblicken können. Die andere Gruppe sind zu Beginn des Spazierganges müssen sie eine Pause einlegen, lerinnen und Schüler, die sich zufällig zusammengefunden haben Andrea sich den Fuß verknickt hat. Nach längerem ,hin und her' und deren Kontakte untereinander eber oberflächlicher Natur sind be;scllIÜlUt!U sie, ihren Weg fortzusetzen. Im selben Moment fährt ihr (vgl. Kap.lI). Wie weit nun diese verschiedenen Gruppenstrukturen ,Betreuer, Herr Tanne, mit dem Auto an ihnen vorbei. den Sprechstil beeinflussen, soll in den folgenden Gesprächsana. lysen behandelt werden. Hierfür wurden zwei vergleichbare Situa. und einige aufnahmen der rallye paris dakar (.) tionen ausgewählt: Beide Jugendgruppen suchen Zufluchtsstätten, in herr tanne mitem bulli (.) fährt vorbei (.) hörn sies (.) denen sie zum einen vor den Erwachsenen balbwegs sicher sind und hörn sie sichs an! (.2 sec) legt um in den fünften gang sich zum anderen dem institutionsspezifischen Einfluß - Kirche und (.4 sec) weiß gott wei weiß jemand (.) was wir nachher Schule - entziehen können. Die Situationen werden darüber hinaus noch machen oder so? durch den Versuch der Jugendlichen bestimmt, Regeln der Erwach­ ja (.) film angucken senen, wie Rauch- und Alkoholverbot, zu umgehen. Da es keine· °film guckeno weiteren gemeinsamen Gruppenziele gibt, gestalten sich beide Inter­ heute abend gibs ne fete aktionen flexibel und offen. ja (.) heute abend fete? haben wir ja noch nich gehabt (.) nä so (.) dann mach ich () "Rinni der Riporter" «(laute Schrittgeräusche)) machen wir n gottesdienst? Jugendliche aus der Kirchengemeinde sind über das Wochenende naja n wahrscheinlich von Freitag bis Sonntag mit erwachsenen Betreuern in ein Land. hat hat einer den () schulheim gefahren, weit ab von Familie und Jugendheim. Der () du sagst es Samstagnachmittag steht allen zur freien Verfügung und eine Grup­ ja ich hab wohl nen paar karten mit (.2 sec) pe von sieben Jugendlichen beschließt, gemeinsam in die Stadt zu ja (.) () (.4 sec) gehen. Dazu zählen: Beate (15 Jahre), Sonja (15 Jahre), Andrea (15 andrea was haste denn gesagt (.) was haste für schuhe Jahre), Berta (15 Jahre), Joachim (16 Jahre), Hans (16 Jahre) und Tim bezahlt? (.2 sec) (16 Jahre). Einige von ihnen, wie z.B. Andrea und Beate oder Tim reebok und Joachim, kennen sich seit dem ersten Schuljahr. Alle Jugendli­ = reebok chen dieser Gruppe haben schon gemeinsame Zeltlagerferahrungen = wo kommen die denn hin? gesammelt und sich dort bereits in außergewöhnlichen Situationen echt (.) ich find die geil (.5 sec) kennengelernt. (SchlobinskilKohl/Ludewigt 1992: 100) , An dem Wochenende der folgenden Aufnahmesequenz haben sie am Abend zuvor bis halb zwei nachts ,durchgemacht', heimlich Dop­ Zu Beginn der Sequenz imitiert Joachim einen Sportreporter. Diese pelkopf gespielt und Sekt getrunken, wobei sie schließlich erwischt Rolle hilft ihm einerseits, erste Hemmnisse bei der Selbstaufnahme und ermahnt worden sind. Als ,verschworene Gemeinschaft' machen zu überwinden und gibt ihm andererseits die Sicherheit zurück, die sie sich nun auf den Weg, um ihren Zigaretten- bzw. Alkoholvorrat durch das Auftauchen des Erwachsenen kurzzeitig in Frage gestellt aufzufrischen, womit sie die Regeln der Betreuer hintergehen. Ent. war. Durch den Rückgriff auf allgemeine kulturelle Ressourcen, die sprechend aufgeregt und emotionalisiert ist die Stimmung. Als ein­ ihm sehr gut und den anderen zumindest teilweise bekannt sind, geht ziger Jugendlicher kann sich Joachim mit dem gemeinsamen Vor­ er ,spielend' über die Verunsicherung hinweg. Er überträgt die Auto­ haben nicht anfreunden. Als engagierter Sportler, der selbst an die­ Rallye Paris-Dakar, die als die größte der Welt gilt, auf den derzeiti­ sem Wochenende jeden Morgen um sechs Uhr joggt, trinkt und gen Waldspaziergang in die Stadt. Zu dieser ironischen Verfrem­ raucht er nicht, schließt sich aber dennoch den anderen an. dung richtet er sich an ein imaginäres Publikum und wendet formel- hafte Zitationsweisen an. Mit kurzen unvollständigen Sätzen, wie in Tim zum Ende der Sequenz endgültig eine neue thematische einer Sport-Live-Übertragung, nennt er Sportereignis, Akteure und ein (Z. 19-20), denn die Frage löst bei den Mädchen Andrea und Handlungsverlauf. Damit erzeugt er eine Spannung, die in Anbe_ größte Empörung aus, die in einem gemeinsamen und gleich- tracht des verbotenen Vorhabens verständlich wird. Ausruf des Markennamens zum Ausdruck kommt (Z. 21- Nachdem die anderen auf Joachims Reporterspiel nicht eingegan_ Reebok-Schuhe sind z. Zt. sehr gefragte ,Edel-Turnschuhe', deren gen sind, vollzieht er einen Stilwechsel. Dieser ist auf zwei Ebenen zu weit über dem der gängigen Turnschuhe liegt. Besonderer erkennen. Zum einen spricht Joachim jetzt die Gruppe an, zum ande_ B€!lie,bthe:'t erfreuen sich die luftgepolsterten Basketballschuhe dieser ren spielt er nicht mehr den Sportreporter, sondern fragt nach dem Sie werden - entsprechend dem neusten Trend - mit einer weiteren Verlauf des Wochenendes. Dazu benutzt er einen vollstän_ l!1od:lscn offenen Lasche getragen. Der Name ,Reebok' steht hier in digen Fragesatz (Z. 4-5), der zwei spezifisch umgangssprachliche Antworten der Mädchen als Synonym für eine Preisangabe, Formulierungen enthält. Mit weiß gott greift er auf eine traditionelle Kenntnis stillschweigend vorausgesetzt wird. Über die In­ Formel zurück, die überwiegend bei Fragen angewendet wird, die echt und geil drückt Tim zum einen die von den Mädchen nicht ohne weiteres beantwortet werden können. Hier wird Joachims Anerkennung für die Schuhe aus und kann zum anderen Unkenntnis bezüglich der Wochenendplanung deutlich, nochmals seine modische Unkenntnis, die die Empörung hervorgerufen hat, verstärkt durch die Schlußformel oder so, die in der Regel eine ausgleichen: echt (;) ich find die geil (Z. 24). Relativierung des vorher Gesagten ausdrückt. Sein Interesse bezieht Nach einem kurzen Halt an einem Zigarettenautomaten, um Zi­ sich eher auf den ,verdeckten Plan' der Jugendlichen, als auf den garetten zu ziehen, nimmt Joachim seine Reporterrolle wieder auf: offiziellen. Tim, Berta und Andrea reagieren zwar auf Joachims Frage, zeigen jedoch auch ihre weitestgehende Unkenntnis über das 1 Joachim: und (.) noch ein zwissen eh zwischenstop eh stop (.) offizielle Programm. Ihre Antworten weisen eine reduzierte Syntax 2 ja doch auf und sind eher in einem formelhaften Antwortstil gehalten (Z. 6- 3 Beate: gehts dir gut (.) rinni 9). Nur Andrea gibt sich die Mühe, vollständig zu antworten. Das 4 Andrea: rinni (.) der riporter? r.i!sende TItPorter ,offizielle' Wochenende scheint für alle so uninteressant zu sein, daß 5 Tim: wie schmecken die zigaretten von marlboro (.) es nicht lohnt, sich näher damit auseinanderzusetzen. Vor diesem 6 zum wegschmeißen Hintergrund kann Tims Fortführungsfrage nach der Fete eher als 7 Hans: = warte mal (.) wie heißt nochmal der rasende eine Vergewisserung über den Programmablauf verstanden werden. 8 reporter von otto Die Struktur seiner Äußerung ist auf das Wesentlichste - die Party _ 9 Andrea: = aus bad essen (.) reduziert. Berta, die die vorhergehende Nacht mit den anderen bis 10 Sonja: harry hirsch halb zwei verbracht hat, greiftdie geplante ,Fete' mit dem Satz auf ha­ 11 Hans: genau (.) harry hirsch ben wir ja noch nich gehabt nä (Z. 10). Sie ironisiert den Programm­ 12 Beate: feuer (.) wer schmeißt mit gas punkt und macht deutlich, daß die Feier bereits im ,privaten Rahmen' 13 Hans: = feuer (.2 sec) letzte Nacht vorgezogen worden ist. Über die Rückversicherungspar• 14 Tim: oh (.) mama tikel ,nä' sucht sie Bestätigung für ihre ironische Aussage. Damit be­ (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 100 f.) kommt dieses Gespräch zwischen Tim, Berta und Andrea den Cha­ rakter einer komplizenhaften Kommunikation auf der Grundlage Joachim transformiert die eingelegte Pause zum Zigarettenziehen gemeinsamen Wissens und gemeinsamer Erlebnisse, welche sie auf einen Zwischenstopp der von ihm ins Spiel gebrachten Autorallye, nicht mehr offen zu thematisieren, sondern nur noch anzudeuten was ihm jedoch nicht ganz gelingt (Z. 1-2). Er verspricht sich, ver­ brauchen, um verstanden zu werden. sucht sich selbst zu korrigieren, wobei seine Verbesserungen durch Ein schneller Themenwechsel mit kurzen Fragen und Antworten das bei Versprechern typische, kognitive Pausen schaffende eh ver­ hilft der Gruppe vom Thema ,offizielles Wochenende' abzulenken (Z. bunden werden. Die Beendigung des Reporterspiels nimmt Joachim 11-18). Mit der Frage nach Andreas Turnschuhen und deren Preis an dieser Stelle selbst vor, indem er durch ein ja doch die Richtigkeit penmitgliedern bekannt: Der Humorist Otto weist in seinem Pro­ seiner Sprachkorrekturen bestätigt. gramm immer wieder mal auf seinen Geburtsort Emden hin, und Beate kommentiert seinen Versprecher mit der ironisch gemein­ auch in den Medien wird er mit dieser ostfriesischen Stadt regelmä• ten Frage gehts dir gut? (Z. 3). Diese Frage hat in ihrer verfremdeten ßig in Verbindung gebracht. Andrea schafft hierzu eine Parallele, Form Apellationscharakter an die Vernunft des Adressaten, der indem sie den ,rasenden Reporter' - und hier nimmt sie nochmal Be­ durch ein bestimmtes Verhalten aufgefallen ist. So will Beate mit zug auf Joachim - in Bad Essen ansiedelt. dieser Frage sich nicht nach dem Wohlbefinden von Joachim erkun­ Nachdem die Frage nach Harry Hirsch geklärt ist, führt Beate mit digen, sondern zum Ausdruck bringen, daß sie sein Verhalten als ihrem Spruch feuer (.) wer schmeißt mit gas auf eine sprachspieleri­ der ,Reporter' in der Gruppe für sonderbar hält. Sie verstärkt diese sche Ebene zurück (Z. 12). Der humorvolle Effekt wird einerseits kommentierende Sprechhandlung, indem sie ihn auf der persönli• durch den Aufruf Feuer und die paradoxe Forderung, mit Gas zu chen Ebene mit dem Spitznamen Rinni anspricht. Die Nennung des werfen, erzeugt und andererseits durch Verfremdung und Reduk­ Spitznamens ist für Andrea das Assoziationen auslösende ,Stich­ tion: Es soll nicht auf ein Feuer aufmerksam gemacht werden, son­ wort'. Sie leitet durch die Alliterationskette rinni, riporter, rasende dern Beate verlangt nach Feuer für ihre Zigarette, und mit Gas ist reporter (Z. 4) einen Stilwechsel ein und bringt Joachim in Ver­ natürlich ein Gasfeuerzeug gemeint. Hans steigt auf diesen ver­ bindung mit der Reporterfigur Harry Hirsch, dem ,rasenden Repor­ fremdeten Stil ein, indem er ebenfalls feuer ruft (Z. 13). Tim beendet ter', die von dem Komiker Otto Waalkes (kurz: Otto) dargestellt wird. die Sequenz durch die kommentierende Sprechhandlung oh mama Harry Hirsch ist ein verblödeter Reporter mit Trenchcoat und Brille, (Z. 14), womit er auf die vorhergehenden Sprüche und Zitationen der zudem einen Rasierpinsel als Mikro benutzt. Mit dieser Figur Bezug nimmt und die Interaktion als nicht ernstzunehmend ab­ karikiert Otto sowohl den typischen Reporterstil, als auch verschie­ wertet. Dieser Ausruf schafft einen kommentierenden Schlußstrich. dene gesellschaftliche und sportliche Ereignisse. Tim steigt auf die Während die Gruppe noch immer auf der Suche nach einer Tank­ thematische Vorgabe von Andrea ein und entwickelt sie weiter. Er stelle ist, um Getränke zu kaufen, stellt Joachim die Frage nach den knüpft an das Reporterthema an, indem er eine Werbeszene ironisch Rauchgewohnheiten der anderen. verfremdet; gleichzeitig imitiert er den typischen Otto-Stil. Ähnlich wie bei Otto in seiner Ein-Mann-Show spielt er den Fragenden und 1 Joachim: ja (.) was findest du so gut am rauchen Antwortenden, in diesem Fall den Verbraucher, in einer Person. 2 Andrea: beruhigt ((lacht» Parallelen zeigen sich auch im humoristischen Stil: Gerade die über• 3 Joachim: also ich mein (.) das im ernst und nich nur im scheiß spitzte Verfremdung von Werbe spots mit ihren stereotypen Dialogen 4 (.) echt? und stumpfsinnigen Kaufaufforderungen stellen ein wesentliches 5 Tim: ja (.) das stimmt humoristisches Moment in dem Programm Ottos dar. Tim über• 6 Joachim: beruhigt nimmt in Form einer verfremdeten Zitation das Handlungsmuster 7 Tim: =ja ziehn wir uns 0 eines Werbespots, indem der Verbraucher zu einem Produkt befragt 8 Beate: = schmeckt wird (Z. 5-6). Der Witz entsteht durch die Antwort: Anstatt, daß - wie 9 Hans: beruhigt total sonst in der Werbung üblich -, der Verbraucher das Produkt lobt, for­ 10 Joachim: und du? dert er auf, es zu vernichten. Die Verfremdung wird noch dadurch 11 Sonja: beruhigt (.) macht schlank verstärkt, daß der fiktive Verbraucher nicht mit einem vollständigen 12 Berta: ja genau (.) das auch noch (.) Satz anwortet, sondern mit dem Verb wegschmeißen in nominali­ 13 Hans: °macht nich dicko sierter Form. 14 Joachim: mh (.) das (beruhigt dann ja auch) Durch die Frage von Hans nach dem Namen des Reporters, erfolgt 15 Andrea: bei dir beruhigts nich (.) schmeiß nur wieder weg ein Stil- und Ebenenwechsel, auf den Sonja reagiert, indem sie seine 16 Beate: es würgt mich innerlich auf Frage beantwortet (Z. 7-11). Wie sich zeigt, ist Otto für alle Beteiligten 17 Joachim: ja? «Lachen» ein fester Begriff. Auch Einzelheiten zu seiner Person sind den Grup- 18 Beate: und dann berührgts mich (.) 19 äh (.) da beruhts forderung beendet auch Beate ihr Sprach spiel, indem sie die Verspre­ ~ «Lachen)) cher der Wortfolge berührgts, beruhts mit der Korrektur beruhigts ab­ 21 Joachim: = berührts nich? «Lachen)) schließt (Z. 23-24). 22 Tim: laß mal das ansage spiel bis zur nächsten tankstelle Insgesamt prägen zwei Faktoren den Ausschnitt der Selbstauf­ 23 Beate: = ich habs grade falsch gesagt (.) und denn nahme auS Gruppe 1. Zum einen befinden sich die sieben Jungen und 21 beruhigts mich wieder Mädchen im Landschulheim mit 15 weiteren Gleichaltrigen in einer (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 103) nicht alltäglichen Freizeitsituation, zum anderen kennen sie sich seit langem über Schule und kirchliche Jugendarbeit. Sie vertugen Joachim richtet seine Frage ja was findest du so gut am rauchen (Z. 1) über ein umfangreiches, gemeinsames Wissen und einen breiten ET­ zunächst an Andrea, hinterfragt aber damit gleichzeitig gängiges fahrungsschatz. Viele Dinge brauchen deshalb im Gespräch nur noch Gruppenverhalten. Hartnäckig wie ein Reporter bohrt er nach, betont kurz angesprochen oder angedeutet zu werden, um Verständigung zu seine ernsten Absichten in doppelter Weise (also ich mein (.) das im erzielen. Dementsprechend ist die Kommunikation durch einen ernst nicht nur im scheiß (.) echt) und bestärkt es zusätzlich mit dem häufigen, schnellen Themen- und Ebenenwechsel und durch eine re­ Intensifier echt (Z. 3-4). Dies erscheint notwendig, da Andrea ihn duzierte Sprechsprache gekennzeichnet. Diese Qualität der Verstän• nicht ernst nimmt, sondern auslacht. Die anderen nehmen den von digung, ein tiefes gruppenspezifisches Wissen und .gemeinsam. ge­ dem Mädchen eingeschlagenen lockeren leichten Ton, der der all­ teilte , kulturelle Ressourcen ermöglichen es, daß d,e Kommumka-. gemeinen Stimmung entspricht, auf. Insofern ist Joachims Ernsthaf­ tion in weiten Teilen die Ebene reinen Austauschs von Informaho- tigkeit auf diesem Spaziergang ein klarer Stilbruch und wird von den nen und Erfahrungen verläßt und auf eine Metaebene wechselt. Ju­ anderen entsprechend ignoriert. gendsprachliche Begriffe und Wörter, wie die Intensifier ech~ ode: In den Antworten läßt sich deutlich der Sprach stil der Werbung geil, treten vereinzelt auf. Das Gespräch wird von Formen mlmeh­ wiederfinden (Z. 6-14). Schlagwortartig, plakativ werden die angeb­ scher und verfremdeter Zitationen geprägt, die aus dem Fernsehen lich positiven Wirkungen des Nikotinkonsums herausgestellt, bis (Sportreportage, ütto-Show) und der Werbung (Zigarettenwerbung) Andrea die Ebene wechselt, indem sie nun das Rauchen auf Joachim übernommen werden. Sie geben der Kommunikation sprachliche überträgt und ihn direkt anspricht. Für Joachim als Nichtraucher High-Lights und jene Dynamik, die die Gruppenmitglieder dazu ver­ treffen die positiven Wirkungen natürlich nicht zu. Mit dem Satz anlaßt, mit wacher Aufmerksamkeit der Interaktion zu folgen, um schmeiß nur wieder weg (Z. 15) erinnert sie ihn zudem an seine eige­ bloß nicht den Einsatz zu einem neuen Sprachspiel zu verpassen. nen, ersten ,Zigaretten', die sich aber lediglich auf vereinzelte Versu­ che im Zeltlager beschränkten. Alle Beteiligten der Gruppe wissen davon. Nachdem Andrea Joachim derart aus der Gemeinschaft der "Nobel hier" Raucher ausgegrenzt hat, steigt Beate auf den vorherigen lockeren Sprachstil wieder ein und ironisiert die negativen Seiten des Rau­ Es ist Mittagspause, und wie so häufig wissen die meisten Schüler chens, indem sie eine eigene lexikalische. Derivation mit dem Wort nicht wie sie diese Freistunde im Unterrichtsverlauf verbringen sol­ aufwürgen kreiert. Damit verfremdet sie den Vorgang der Gesund­ len. Nur noch wenige essen in der schuleigenen Kantine zu Mittag, heitsschädigung durch eine negative (aufwürgen) und positive einerseits, weil sie nach mehrjähriger Schulspeisung das Essen nicht (beruhigen) Wirkungsbeschreibung, verhaspelt sich aber dabei, so mehr mögen, andererseits - und das trifft häufig auf die Mädchen zu - daß sie den Eindruck erweckt, sie würge das Wort beruhigt hervor (Z. weil sie auf ihre Figur achten wollen. Eine Gruppe von vier Schülern 16-19). Jetzt wird es Tim zu viel und er fordert Joachim zu einem und Schülerinnen, die sich im Verlauf der Mittagspause zufällig ge­ Ebenenwechsel auf, wobei er die bisherige Interaktion als Frage- und troffen hat, steht gelangweilt vor dem Schuleingang. Im einzelne.n Ansagespiel interpretiert, das er beendet wissen möchte (Z. 22). Die handelt es sich um den türkischen Schüler üsman (16 Jahre) SOWle gesamte Gruppe ist dadurch an das gemeinsame Vorhaben erinnert um Uwe (15 Jahre), Nadine (16 Jahre) und Susanne (15 Jahre). Wie worden, Getränke und Zigarretten zu organisieren. Mit dieser Auf- häufig bei solchen spontan konstituierten Schülergruppen kennt man

"'" sich mehr oder weniger gut, je nachdem welche Klassen und Kurse dann raucht susanne eben keine (04 sec) man im Verlauf der Schulzeit zusammen besucht hat, und ob gemein. (SchlobinskilKohVLudewigt 1992: 468) same Interessen und gegenseitige Sympathie dazu führten, sich auch außerhalb der Schule zu treffen oder öfter mal die Pausen miteinan. für Susanne und Uwe das Rauchen auf dem Schulgelände verbo­ der zu verbringen. Und genau dieses ,mehr oder weniger gute Ken. ist - sie sind noch nicht 16 Jahre alt -, äußern sie als erstes ihre Be­ nen' und die sich darin ausdrückende Unverbindlichkeit charakte. d€,n~:en in bezug auf das Rauchen im Schuleingang. In überspitzter risieren die B~ziehungen der Gruppenmitglieder zueinander: Su­ weist Uwe auf seine negativen Erfahrungen beim Uberschrei­ sanne, die als Ubersiedlerin erst vor einem halben Jahr an die Schule des Rauchverbots hin (ach jeden tag packen die mich (.) immer kam, und Nadine sind Freundinnen. Gemeinsam mit Uwe aus der wenn ich da bin packen die mich). Um Gehör zu finden, bedarf es an­ Parallelklasse haben sie den Wahlpflichtkurs belegt. Osman, der auf scheinend des Markers der Übertreibung und des Lautwortes ach am den Hauptschulzweig geht, ist in erster Linie eine ,Pausen­ Satzanfang. Die Verwendung von schulsprachlichem Vokabular bekanntschaft' von Uwe, Nadine und Susanne. Dieses trifft auch für rundet diesen Eindruck ab. Die ausbleibende Spezifizierung, wer sich Marianne zu, die sich später zur Gruppe gesellt. Da sie für einige Zeit hinter dem Pronomen die versteckt, erscheint im Rahmen dieses dle Schule verlassen hatte und erst vor einigen Wochen zurück• schulischen Kontextes auch nicht notwendig zu sein, da alle wissen, gekommen iet, hat sie für die anderen noch den Status einer fremden daß es sich um die Lehrer handelt. Das von ihm verwendete Wort ,neuen' Schülerin. ' packen, welches im schultypischen Code eine Verfremdung erfahren Die folgenden Gesprächsausschnitte dokumentieren den Einfluß hat, drückt treffend die ,Zugriffsmöglichkeiten' der Schule auf ihre dieser offenen und heterogenen Gruppengestaltung auf den Sprech­ Schüler beim Überschreiten von Verboten aus. Sich ebenfalls der und Kommunikationsstil. Bei der ersten Sequenz geht es zunächst Schule als sanktionierende Institution bewußt, greift Susanne Uwes einmal darum, den Ort auszuhandeln, wo eine Zigarette geraucht Bedenken auf, indem sie darauf hinweist, daß sie im Schuleingang werden soll: nicht rauchen darf (Z. 3-4). Mit der Frage nach den entsprechenden Gründen (Z. 5) zeigt Osman, daß er Susannes Bedenken nicht 1 Uwe: ach jeden tag packen die mich (.) immer wenn ich da versteht. Schon hier wird deutlich, daß - anders als in Gruppen, in 2 bin packen die mich «beim Rauchen» denen sich alle seit langem kennen - jeder Gruppenteilnehmer erst 3 Susanne: (und wenn ich jetzt hier n rauche) (.) hier darf ich seine Position und Überlegungen offen und detailliert darlegen muß. 4 ja nich Und das sowohl auf der inhaltlichen wie auch auf der sprachlichen 50sman: wieso darfste hier nich rauchen? Ebene. Entsprechend häufig wird auf ein allgemeinverständliches 6 Susanne: weil ich hier nich rauchen darf umgangssprachliches Register zurückgegriffen. Susanne macht 70sman: rauch doch einfach zweimal in deutlicher Form darauf aufmerksam (Z. 3/6), daß sie im 8 I: was passiert denn wenn ihr gepackt werdet? Schuleingang nicht rauchen darf, da Osman in keinerlei Weise auf 9 Susanne: hier darf man nich rauchen nä? ihre Einwände eingeht. Im Gegenteil: Er fordert sie sogar auf, sich lOUwe: ja bei mir passiert komischerweise nie was über die Regeln hinwegzusetzen und einfach zu rauchen (Z. 7). 11 Nadine: komm laß uns auf toilette komm mit uwe Nadine setzt dem Hin und Her von Susanne und Osman schließ• 120sman: =toll lich ein Ende und leitet eine Themenmodifikation ein. Sie schlägt al­ 13 Nadine: komm mit ossi len vor, auf die Toilette zu gehen: komm laß uns auf toilette komm 14 Uwe: ja dann komm du doch auch mit mit uwe (Z. 11). Als typisches umgangssprachliches Kennzeichen ist 150sman: auftoilette hab ich aber keine lust der erste Satz elliptisch, ihm fehlt das Vollverb. Daß sie mit ,Toilette' 16Uwe: rat mal wer noch? das Mädchenklo meint, wo sie nicht nur ihre Freundin Susanne, 170sman: warum gehn we denn auf toilette? sondern auch die Jungen dabei haben will, macht sie unmißver• 18 Nadine: weil (da draußen es nich geht) ständlich durch einen Ebenenwechsel deutlich: Sie wendet sich nicht 19Uwe: = (weil susanne eine rauchen muß) mehr an die Gruppe als Ganzes, sondern die beiden Jungen werden persönlich von ihr aufgefordert mitzukommen. Osmans Anwesen_ 1 Uwe: mädchenpott okay (.) aber da eine rauchen (.) scheiße heit liegt ihr dabei besonders am Herzen: Ibn spricht sie nicht wie 20sman: = scheiße «ein Schlüssel ist runtergefallen (.) der Uwe mit dem Vornamen an, sondern greift auf ein intimeres Sprach_ 3 ein lautes Geräusch auf dem zur Zeit menschenleeren register zurück, indem sie seinen Spitznamen Ossi benutzt. Dem auf 4 Flur hinterläßt» der emotionalen Beziehungsebene angesprochenen Mitschüler fällt 5Uwe: kommt denn irgendwo n lehrer? es dadurch schwerer ,nein' zu sagen. 6 Nadine: nein Mit der Aufforderung Nadines, auf das Klo zu gehen, wechselt die 70sman: ja gaby hähä ((lacht)) Ebene des Aushandelns auf die beiden Jungen über. Osman ist nicht (SchlobinskiJKohl/Ludewigt 1992: 468) sehr begeistert und bringt es durch die abwertende Betonung des Wortes toll zum Ausdruck. Damit verkehrt er die Bedeutung des Während die Mädchen zielstrebig auf das Klo zugehen, folgen die Wortes ins Gegenteil. Nadine verlangt Osman viel ab: Osman dürfte Jungen noch etwas zögerlich. Mit dem Wechsel des situativen Rah­ ,draußen' rauchen, auf dem Klo herrscht dagegen striktes Rauchver­ mens geht kurzzeitig ein Stilwechsel einher. Ein zunehmend expres­ bot. Als Türke, der einen Teil seiner Sozialisation noch in der Tür• siver und reduzierter Sprechstil löst den zuvor dominierenden sach­ kei verbracht hat, hat er gelernt, ,Frauen räume' als für Männer ta­ lich-umgangssprachlichen Kommunikationsstil ab. Den beiden Jun­ buisierten Bereich zu akzeptieren. Vor diesem Hintergrund läßt sich gen, die sich einem für sie unbekannten Ort, dem Mädchenklo, nä• ermessen, was es für einen türkischen Jungen bedeutet, eine Mäd• hern, kommen Bedenken. Vor allem Uwe greift auf ein Register zu­ chentoilette zu betreten. Uwe, der anscheinend schon beschlossen hat, rück, das durch eine formelhafte Kommunikation mädchenpott okrv Nadine auf die Toilette zu folgen, versucht Osman zu überzeugen und (.) aber da eine rauchen (.) scheiße, die Verwendung schul­ fordert ihn ebenfalls auf mitzukommen. Dieser weist das jedoch in spezifischen Vokabulars und durch die abschließende Bewertung Form einer Fokuskonstruktion zurück, was seinen Einwand deutlich scheiße gekennzeichnet ist. Die Spannung wird noch dadurch erhöht, betont, auf toilette hab ich keine lust (Z. 15). Uwe reagiert darauf etwas daß Osman der Schlüssel wegfällt, was ein lautes Geräusch auf den verlegen, indem er die umgangssprachliche Redewendung benutzt Fliesen im Pausenhof hervorruft und die Aufmerksamkeit der Leh­ rat mal wer noch. Sie drückt verschlüsselt aus, daß er ähnliche rer auf sich ziehen könnte. Die Unsicherheit Osmans drückt sich ei­ Bedenken hegt, diese aber nicht direkt ausdrücken will. Gleichzeitig nerseits durch die expressive Sprechhandlung scheiße aus, anderer­ verbirgt sich dahinter die nicht offen artikulierte Meinung, den seits durch seine mit einem verlegenen Lachen unterlegte Antwort Mädchen doch auf die Toilette zu folgen. auf Uwes Frage, ob ein Lehrer kommen würde. Als sie das Mädchen• Osman versucht nochmals die anderen durcb die Frage warum klo erreicht haben, fordert Nadine alle auf, schnell reinzukommen: gehn wir auf die toilette? (Z. 17) auf dem Schulhof zurückzuhalten, doch wird er von Nadine und Uwe überstimmt. Sie geben dabei 1 Nadine: (alles schnell rein hier) Susannes Wunsch zu rauchen als Begründung an (Z. 19), auf die er 2Uwe: hier stinkt das ey boah (.) wer hat denn hier eigentlich mit Unverständnis reagiert (dann raucht susanne eben keine; Z. 20). 3 gesprüht ey? (.1 sec) 0 «es riecht stark Die Aushandlungssituation ist damit abgeschlossen. Auf Osmans 4 nach Haarspray» mitm mülleimer nobel hier mehrmalige Unmutsäußerungen ist niemand eingegangen. Die 5 Nadine: ja für die binden (daß die nich alle immer ins Mehrzahl der Gruppenmitglieder möchte eine Zigarette rauchen, und 6 klo schmeißen) da ist die Tatsache, daß Osman Türke ist und das Betreten des 7Uwe: das is meine toilette Mädchenklos für ihn eine große Überwindung bedeutet, von neben­ (SchlobinskiJKohl/Ludewigt 1992: 468 f.) sächlichem Interesse. Widerwillig schließt sich Osman nun der Gruppe an, die sich be­ Nach Betreten der Toilette orientieren sich die Jungen in einem für reits auf den Weg zur Toilette gemacht hat: sie noch unbekannten Territorium. Während Osman schweigend den Mädchen hinterhergeht, versucht Uwe seine Verlegenheit damit zu überbrücken, daß er einerseits alles verbalisiert, was ihm auffällt, und andererseits ein spezifisches Register zieht. So bemerkt er zu dein freund? lererst, daß es auf den Toiletten stinkt und drückt seine Alrer'si"h Osman: was macht der da denn? durch die Verwendung des Lautwortes boah, verbunden mit der Marianne: gar nichts aufer ostsee schippern die da rum (.1 sec) sprächspartikel ey, aus. Mit dem Gestank ist allerdings nicht Uwe: was (.) ist der angler von beruf? oder was? Geruch gemeint, der normalerweise auf Grund der dort Marianne: nrin. (.) matrose ,Geschäfte' hervorgerufen wird. Vielmehr riecht es stark nach Uwe: oh spray, da anscheinend einige Schülerinnen die Mittagspause u . .L Nadine: wie alt issn der? d azu b enutzt haben, ihr Haar in Form zu bringen. Uwe stellt das den n Marianne: siebenzwanzig auch sogleich mit seiner Frage fest, wer denn so gesprüht hat der e Susanne: ooh «verlegenes Lachen)) durch ein weiteres ey Verstärkung verleiht. Die Gruppe geht 'an de~ Uwe: dann siehste den ja oft nä? Waschbecken entlang auf die Toiletten zu. Mittels eines formelhaf_ Marianne: ja am wochenende ten ~ommunikationsstils (mitm mülleimer nobel hier; Z. 4) weist er . 20 Nadine: mh hä (.2 sec) sieht der gut aus? auf dIe bessere Ausstattung des Mädchenklos hin, die im Gegensatz 21 Marianne: °es geht (.) sieht nich gut aus aber is nett sehr nett (.) ~u den Jungenklos über Mülleimer verfügen. Die semantische 22 und macht mir keine vorschriften° ~bertra~ng des Aus~rucks n?bel hier bezogen auf die Einrichtung Zl «Lachen)) (.1 sec) . emes Madehenklos, spIegelt sem Erstaunen in ironisch distanzierter 24 Nadine: echt so richtig mit hintergedanken (.) macht mIr Form wider. In selbstverständlicher Form erklärt ihm Nadine daß 25 keine vorschriften ((lacht)) die Mülleimer für die Binden vorgesehen sind (Z. 5). Ihre Antwort 26 Osman: du liebst ja auch manuel (und so ne) zeigt, daß dieses Thema frei von Scham und Verlegenheitsgefühlen 27 Nadine: ja (.6 sec) auch gegenüber Jungen angesprochen werden kann. Nachdem Uwe (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 473) schließlich sich als Sicherheitsvorkehrung eine Toilette reserviert haben auch die Jungen diesen Ort als Pausenraum akzeptiert. ' Osman versucht, Marianne zunächst über offene Fragen zu einem Kaum hat sich die Gruppe in einer Ecke auf der Toilette niederge­ Gespräch aufzufordern (Z. 1-4). Als diese nach einigem Zög~rn an­ lassen, entspannt sich die Situation. Die Jugendlichen stecken sich deutet ihren Freund zu vermissen, leitet sie mit dem StIchwort eine Zigarette an und beginnen, sich über verschiedene Themen zu ,Freundschaften' eine thematische Linie ein, die für 15- bis 16jährige unterhalten. Erst nach einiger Zeit werden sie auf Marianne auf­ von äußerster Wichtigkeit ist. merksam, die sich mittlerweile dazugesetzt hat und ruhig vor sich Die Neugier der anderen ist nun geweckt, und ein Frage- und Ant­ hinrauchend den Jugendlichen zugehört hat. Durch die neu in den wortspiel beginnt, bei dem Marianne zwar mit einem stark verkürz• Gesprächskreis aufgenommene Schülerin erfährt die Gruppenkom­ ten, aber wiederum in einem allgemeinverständlichen umgangs­ munikation eine Veränderung. Denn nun gilt es etwas mehr über sprachlich gehaltenen Sprechstil nach und nach über ihren Freund dIese Schülerin zu erfahren, die allen nur flüchtig bekannt ist. Os­ (aus)gefragt wird. Marianne selbst unterstützt mit ihren anfangs man macht den Anfang: unklaren Antworten diesen Frage-Antwort-Stil, der kennzeichnend für diesen Sequenzausschnitt ist. So sagt sie zunächst, daß ihr Freund lOsman: und wie läuft die (woche)? (Sigmund) weg ist (Z. 5) und antwortet auf Osmans Nachfrage wieso 2 «an Marianne gerichtet)) weg (Z. 6), daß er in Oslo und Flensburg ist. Diese l~uskunft ~rovo­ 3 Marianne: gut ziert natürlich sofort weitere Fragen. Aber auch auf dIe ErkundIgung 40sman: gut? nich begeistert? von Osman was er dort macht, antwortet sie weiterhin verdeckt: gar 5 Marianne: wieso da is (sigmund) weg nichts aufe; ost see schippern die da rum. Sie kennzeichnet damit die 60sman: wieso weg? berufliche Tätigkeit ihres Freundes als Vergnügungsfahrt. Mit dem 7 Marianne: ja (.) nächst nächste woche isser in oslo (.) und danach aus dem Plattdeutschen stammenden Wort schippern, verbunden mit 8 in flensburg dem Präfix rum, verfremdet sie die Arbeit ihres Freundes und gibt ihr

1 I henden in einer mimetischen Zitation von Mariannes ~s­ eine unklare und damit geheimnisvolle Aura, die den a.c gebett~ten Kommentar drückt N adine ihr Erstaunen f d~r interessant macht. Diese diffus bleibende e:spielung aus. Der Gesprächsfokus wechselt damit au Ie führt zu einer weiteren Frage Uwes, in der sowohl der charakter als auch die berufliche Tätigkeit, die Marianne mit ~r€,un.dsch,att Nadines. 'k "' Ende der Mittagspause loc k ert SIC . h d'Ie G r uppenkommum a- Antwort assoziiert hat, deutlich werden: was is der angler von Zum h d f behält jedoch ihren unverbindlichen Charakter. oder was? Mit dem was am Satzanfang und der u~ng.an.gs,splra"h. zune men an, h Z s ren und miniert auch bei diesem Gespräch über Le rer, en. u lichen Rückversicherung oder was bringt Uwe sein do. ein umgangssprachlicher Sprechsbl. Nur g~- über Mariannes Antwort zum Ausdruck. Als sie endlich .~ d' Schüler und Schülerinnen auf einen schultYPI- ;]c,gelltlich greuen Ie k I .. k- ihres Freundes (Matrose) nennt, entsteht allgemeine Verblüffung. Code und einige jugendsprachliche' Mer ma e zuruc . Uwe äußert sein Erstaunen durch die Interjektion oh, die hier die Funktion einer kommentierenden Sprechhandlung einnimmmt. bei herr bock kann man gut schwänzen der sagt nichts Osman: Während die Jungen von vornherein Interesse an den Tätigkeiten echt nich? der merkt sich das aber des Freundes von Marianne hatten (Z. 10-13), interessiert sich Na­ zUwe: dine in erster Linie für dessen persönlichere Bereiche. Sie erkennt, 30sman: ja ach (.) genauso wie wind der wollte . "4Uwe: daß ein Matrose schon wesentlich älter sein muß als Jugendliche ih­ nie entschuldigung haben nä? soll er mI: ~ann was, rer Peer-group und fragt sogleich nach seinem Alter. Seit Marianne .5 weiß ich was sechzig oder fünfundfünfzIg m :eu~Is den Beruf ihres Freundes ,offenbart' hat, gibt sie ihren vage gehalte­ ich wär froh wenn ich in chemie ne fünfundfunfzlg nen Antwortstil auf und antwortet nunmehr konkret und präzise. So hätte nennt sie offen das Alter des Freundes, der mit 27 Jahren fast doppelt ich auch so alt ist wie die hier anwesenden Jugendlichen. Fast alle Beteiligten echt? sind überrascht: Dies zeigt sich bei Susanne anhand der expressiven 10Uwe: 11 Osman: ich hab ne fünfunddreißig 0 . Sprechhandlung oh und einem verlegenen Lächeln, Uwe versteckt =bei herrn stock sack ich total ab beI fra~ 12 Nadine: wiederum seine Irritation über diese Neuigkeit hinter dem ironi­ bauer hatte ich ne sieb fünfundsiebzig aufrn zeugms schen Kommentar dann siehste den ja oft nä? (Z. 18) und Nadine 13 . etzt nur noch sechs fünf sechs fünf sechs 14 un d J . drückt schließlich mit den Kommunikativpartikeln mh und hä ihre ich hat ne fünfundneunzig aufm zeugnIS Verwunderung aus. Die offenen Antworten von Marianne verändern 15 Marianne: sogleich die Gesprächsatmosphäre von einem starren und steifen 160sman: huuu Frage-Antwort-Stil zu einer Kommunikation, die jetzt auch diesen 17Uwe: echt? 18 Marianne: iaa leichten ironischen Unterton von Uwe trägt. N adine wagt sich nun .? mit weiteren persönlichen Fragen vor. Wie typisch für Mädchen im 19 Uwe: ch emle, Teenageralter, ist das Aussehen eines Freundes von großem Inter­ 20 Marianne: ja ich hab in chemie ne (.) esse. Nicht allerdings für Marianne, die auf Nadines Frage, ob der 210sman: Freund gut aussieht, offen und ehrlich antwortet: es geht (.) sieht nich 22 Nadine: = bei wem? bei herr (pohl) gut aus. Gleichzeitig hebt sie sofort seine positiven Seiten hervor: aber 23 Marianne: 240sman: ne dreißig . I is nett sehr nett (Z. 21) und verläßt endgültig die Defensive, als sie auf =kannst du deinen namen auch m forme n 25Uwe: den Freund von Nadine eine Anspielung macht und macht mir keine schreiben oder was? ((an Marianne gerichtet» vorschriften (Z. 22). Kurz zuvor hatte sich Nadine über die Bevor­ ~ 27 Marianne: mh? I h 'b ? mundung ihres Freundes beschwert. Zudem ist ihr Freund als kannst du deinen namen in forme n sc rel en. hübscher Macho bei den Schülerinnen der Jahrgangsstufe bekannt. 28Uwe: 29 Nadine: oh laß uns rausgehn (.) komm . Das Lachen aller am Gespräch beteiligten Personen zeigt, daß sie hier reklame (.) ich freu mich schon auf den krIeg diese Anspielung verstanden haben. Das Eis ist nun gebrochen. In 30 Susanne:

109 31 Uwe: ich mich auch namen auch in formeln schreiben oder was (Z. 28-29) ihre 32 Nadine: ich auch (.) ciao ab. Nadine setzt in diesem Moment mit ihrer Auf- 33 ((Die Schülergruppe verläßt das Klo)) das Klo zu verlassen (Z. 29), unter das Zensurenthema (SchlobinskilKohl/Ludewigt 1992: 481) radikalen Schlußstrich. So wie sie zu Beginn alle Gruppenmit­ e:llie(1er dazu aufforderte, auf das Mädchenklo zu gehen, ist sie auch Üb~r das von Osman initiierte Thema Schwänzen kommt Uwe so­ handlungsbestimmend. Niemanden interessiert mehr das Zen­ gleIch .a,:"f seine Noten zu sprechen. Mit dem Ausdruck von Bedauern, ,.ttrentilerna, das sich letztendlich in der Offenlegnng eigener Zensu­ ve:bahslert durch das Lautwort ach, weist er darauf hin, daß sich und oberflächliche Kommentare zu den Leistungen der anderen seme Fehlzeiten auch in diesem Jahr auf das Zeugnis auswirken erschöpfte. Alle stellen sich jetzt auf die nächste Unterrichtsstunde werden. Im umgangssprachlichen Stil antizipiert er das Ergebnis ein. Im Stil formelhafter Kommunikation hier reklame (.) ich freu und findet sich damit ab: soll er dann was weiß ich was sechzig oder mich schon auf den krieg (Z. 30) spielt Susanne auf die folgende 1 fünfundsechzig in zeugnis (Z. 5-6). Das Stichwort Zensuren ist nun Stunde des Wahlpflichtkurses an. In ihrer Arbeitsgruppe ist es bei der gefallen. Osman und N adine setzen ihre eigenen schlechteren Che­ Produktion eines Werbefilms zu einem handfesten Krach gekom­ ~ieleist,:"ngen in bezug zu Uwes Wunschzensur (Z. 7-9), worauf men, auf den sie sich jetzt einstellt. Uwe und Nadine stimmen ihr zu

11<1 (Z. 29-30), gibt ihn aber sogleich auf, als sie keine direkte Reaktion 'nitiierten verfremdeten Sprechstil in Form einer Parallelisierung erfährt. Erst etwas später knüpft Mimie, die noch mit der Inter_ ~eiter fort. Zugleich zeigt sie mit ihrem Kichern, daß sie sich der viewerin den Zeitschriftenausschnitt gesucht hat, an Elisas Versuch Unangemessenheit ihrer Bitte für ein gelungenes Weihnachtsfest an: nun bitten wir mal für uns alle ja? so für alle menschen (Z. 34- zum jetzigen Zeitpunkt (Mitte Januar) bewußt ist. Diese Paradoxie 35). Hier deutet sich ein für das Sprachspiel der Freundinnen aufgreifend gibt Elisa in ähnlich ironischer Weise zu bedenken, daß typisches Kommunikationsmuster an, das sich im blitzartigen auch das Neujahr schon vorbei sei. Damit liefert sie Mimie den Wechsel der thematischen Linie und einem schnellen Code­ Stimulus zur Fortführung des eingeschlagenen Sprach spiels. Diese switching zeigt. Mimie, mit den ,Werten' der katholischen Kirche tauscht nun das in ihrer Bitte angesprochene Weihnachtsfest mit dem aufgewachsen, kann ohne zu überlegen auf den entsprechenden in drei Monaten stattfindenden Osterfest aus: was gibs denn da (.) Sprechstil zurückgreifen und ihn problemlos variieren. In ihrer ostern (Z. 57). Sie läßt sich auch nicht mehr zu einem Abbruch der ~ronischen Zitation einer kirchlichen Formel3, kündigt Mimie hier begonnenen Stilbasteleien provozieren, als Elisa mit dem ver­ ,hre zunehmende Distanzierung von der eigentlichen Aufgabe an. klausulierten Ausdruck frohes neues jahr an ihre Vernunft appelliert Fürbitten, die in der Regel auf Probleme bezogen sind, werden von ihr und sie damit auf die Realebene, in diesem Fall die Arbeit an den auf alle Menschen übertragen, ohne sie auf einen bestimmten Zweck Fürbitten, zurückholen will (Z. 58)5. Diese kommentierende Sprech­ zu richten, damit entfremdet die Schülerin den Sinn solcher Bitten. handlung bleibt ohne Wirkung. Machtlos gegen Mimies Beharr­ Elisa schließt sich dem sprunghaften Wechsel zu den Fürbitten an lichkeit greift nun Elisa das von ihrer Freundin entwickelte Sprach­ bricht das Thema ,Lotti Huber' endgültig ab und gibt sich selbst da~ spiel auf und führt es, anknüpfend an das thematisierte Osterfest, Stichwort ,Rußland'. Damit leitet sie vollends einen Stilwechsel zur assoziativ weiter. In der Bitte daß bis ostern (.) eh neue schokola­ liturgischen Sprache katholischer Gottesdienste ein, ohne allerdings deneier von lindt eingeführt kriegen soll (Z. 61-63) steigert sie nun sofort Mimies ironische Distanzierung zu übernehmen. Unter die Verfremdung durch eine persiflierende Verknüpfung der Für• Rückgriff auf die in der Liturgie üblichen Standardformulierungen bitten mit der Hilfsaktion für Rußland vor Weihnachten und klei­ entwickelt sie aus dem Stegreif - ähnlich wie ihre Freundin - eine in nen Festagsgeschenken. In ihrer Freundin findet sie dabei hilfreiche ritualisierter ,Kirchensprache' gehaltene Fürbitte (herr wir bitten Unterstützung. Diese nimmt das verfremdete Sprachmuster auf und dich daß in rußland eh (.) die situation entschärft wird oder? (.) nein; setzt den ,edlen Lindteiern' den ,Milka-Schmunzelhasen' aus Scho­ Z. 39-41)4. Daß dies nur als Vorschlag zu verstehen ist, deutet sie mit kolade entgegen (Z. 67). Die Ironisierung des Themas Fürbitten wird den Worten oder und nein an. Die grammatische Klärung des zu von den Mädchen hier durch einen gespielten Dialog über die beste v~rwendenden Verbs und der entsprechenden Verbform erfolgt in Osterschokolade auf eine erste sarkastische Spitze getrieben. Sie emem kurzen Wortspiel, das Elisa schließlich mit der Hyper­ bedienen sich dazu verschiedener thematischer Elemente (Fürbitten, bolisierung scheißegal abbricht und Mimie durch das Wort los von Hilfsaktion, Werbung), die sie kreativ bzw. assoziativ einsetzen, so neuem auffordert, eine Fürbitte zu formulieren. (Z. 51) Mit dem Satz daß die Fürbitten, die den sprachlichen Rahmen bilden, eine ra­ wir beteten dafür daß die am weihnachten daß sie ((die Russen)) nen dikale Dekontextualisierung erfahren. richtiges weihnachtsfest verleben (Z. 52-54) setzt Mimie den von ihr Die Freundinnen werden in ihrem Sprach spiel kurz von der In­ terviewerin , die immer noch nach dem Zeitschriftenartikel über die 3 Zur Form einer Fürbitte vgl. Seuffert (1971). Er gibt für das am Schauspielerin Lotti Huber sucht, unterbrochen. h~ufigsten vorkommende Muster folgendes Beispiel: "In Sambia tagt d,e Konferenz der blockfreien Staaten. Wir bitten, daß dort Wege 1 Mimie: nein das is sie nich da ((Zeitschrift wird geblättert)) zum Frieden gesucht und gefunden werden" (ibid., S. 30). Dies ist 2 I: ja ich glaub ich bin vorbei auch die Form, mit der Mimie und Elisa sprachlich spielen. 4 ,Rußland' steht hier als Synonym für eine breit angelegte Hilfs­ aktion vor Weihnachten, die von den Medien massiv unterstützt wur­ 5 Unter Realebene werden hier Sprechhandlungen verstanden, die de und in deren Verlauf zahlreiche Pakete mit Lebensmitteln und nicht durch Dekontextualisierung oder Verfremdung gekennzeich­ Medikamenten in die GUS verschickt wurde. net sind. 116 3 Elisa: die is son bischen älter als °wiro 44 Mimie: =nämlich 4 ((Kichern)) 45 Elisa: = ja los kommjetzt müssen wir aber endlich 5 Mimie: sieht ziemlich verrückt aus und is da irgend (.) da auf 46 nen (.) die is sauscharf die frau (.) wie die schon 6 der seite da irgendwo in so ner ecke (.) da oben 47 rumläuft 7 Elisa: ja hier n (.) auf dieser seite in soner ecke 48 I: wo gibst die denn? 8 Mimie: ja 49 Mimie: wo gibst die denn? ((IUchern)) 9 Elisa: aber 50 Elisa: die die hat auch ne cd aber 10 Mimie: du siehstes auch nich (.) nein 51 Mimie: =bei horten vielleicht (.) nich im 11 Elisa: in klein und affengeil steht drüber (.4 sec) also jetzt 52 sonderangebot 12 jetzt müssen wir aber 53 I: rosa von praunheim hat die mitgemacht 13 Mimie: =die ganzen überraschungseier (.) ne 54 Mimie: ja das is die die so wie ne jugendliche spricht und so 14 Elisa: die rußland für fürsorge machen fürbitte mein ich 55 nä? (.) und so ne ansichten hat und so 15 Mimie: laß die menschen in rußland nich so hungern (1.0) 56 Elisa: echt (.) die die is echt 0 16 und daß die auch mal zwischendurch eine schöne 57 Mimie: ich hab die einmal in der ndr talkshow 17 kleine kleinigkeit WUchern)) (2.0) 5'l gesehn da war die da (.) oh mußt ich 18 Elisa: UND SCHOKOLADE (.) UND WAS ZUM SPIELN (.) 00 unbedingt zu ende gucken (.) erst hat die 19 !lN!l. NE ÜBERRASCHUNG (2.0) eine kleinigkeit 00 überhaupt nix gesagt (.) und dann hat die ~ die (3.0) 61 zu all ihrn senf dazugegeben (.) oh mein 21 Mimie: =di.!ll nein 62 schätzchen (.) ja ne? 22 Elisa: kinderschokolade 63 Elisa: ey sag du zu mir schätzchen (.) so (.) und zuzuzu 23 Mimie: außerdem heißt es kinderüberraschung °und nicht 64 thomas gottschalk so ne? oh ich hab 24 kinderschokoladeo 65 Mimie: oh mein schätzchen (.1 sec) 25 Elisa: aber da is kinderschokolade dran 66 Elisa: ey süßer was willst du eigentlich (.) und so äh 26 Mimie: jaa 67 Mimie: oh herr (.) nein 27 Elisa: da drum 69 Elisa: nein herr (.) oh herr 28 Mimie: aber trotzdem s is kinderüberraschung 70 Mimie: =oh herr 29 Elisa: weißt de was und das gibts trotz ostern (.) das ganze 71 Elisa: o befreie uns von dieser schuld oder von dieser last (.) :'

7 Die von den Jugendlichen geschaffene Bilder- und Symbolwel~ soll hier mit den Begriffen Phantasie- und Konstruktebene umschneben werden. 124 imperative Sprechhandlung paß auf jäh unterbrochen. Indem er dar_ setzung. I1ona, irritiert durch Klaus Angriff, reagiert zunächst auf hinweist, daß möglicherweise auch Jugoslawen die Gesprächs_ relativ schwach mit dem Satz schöner als du (Z. 2). Da Klaus sehr aufnahme hören könnten (Z. 42-43), nimmt er einen radikalen klein ist und in den Augen der meisten Mädchen nicht besonders gut Ebenenwechsel zur Aufnahmesituation vor und setzt der rassisti_ aussieht, steigert sie mit der ironisierenden Formel klaus is ja der schen Gesprächsfolge ein kurzzeitiges Ende. schönste hier (Z. 5) ihren Vergleich. Klaus benutzt für seine Angriffe Nach einer Unterbrechung durch den Lehrer setzt Klaus die Aus_ gegen I10na wiederum Bilder: Zunächst vergleicht er I10na mit einem einandersetzung mit I10na jedoch fort. Zwergpinscher (Z. 3), dann mit der Hexe aus dem Märchen ,Hänsel und Gretel' (Z. 6). Er irrt sich dabei zunächst in der Märchenfigur, 1 Klaus: wie sie aussieht hä nä ((I1ona ist gemeint)) wird aber von Uwe sofort korrigiert, der damit von der Ebene der 2 I1ona: warum? schöner als du Auseinandersetzung auf eine Inhaltsebene zurückführt. I10na nutzt 3 Klaus: wien zwergpinscher (.3 sec) diese ,Angriffspause', um sich aus der Auseinandersetzung zu­ 4 Mechmet: ((lacht)) (.1 sec) rückzuziehen und nimmt einen Ebenen- und Themenwechsel vor, 5 I1ona: nein klaus is ja der schönste hier mein gott indem sie sich an die Interviewerin wendet. Für Klaus ist dagegen 6 Klaus: haste schon schneewittchen gesehn? (.3 sec) die hat die Auseinandersetzung mit I10na noch nicht beendet. Er knüpft 7 auch pickel aufe nase wieder an die obige persönliche Angriffsebene an, indem er sie 8 Uwe: (der meint die hexe bestimmt) indirekt in der dritten Person anspricht und sie mit betonter Ironie 9 Klaus: ja mein ich als ehrenwerte person bezeichnet (Z. 16). In diesem Moment bringt 10 Mechmet: = sag nichts gegen pickel aufer nase ja? Uwe das Schlüsselwort ,Joghurt' wieder ins Spiel und setzt, wie in der 11 Klaus: ja ach das war ja ((lacht)) vorangegangenen Sequenz, I10na mit einem Lebensmittel gleich 12Uwe: = das wär hänsel und gretel (Z.18). Diese Vorgabe veranlaßt Klaus, seine Angriffe auf der bild­ 13 Mechmet: (richtig pickel aufer nase nä?) lichen Ebene, hier jetzt der Lebensmittelproduktion, weiterzuführen: 14I1ona: da mußte nachher gucken ((lacht)) 0 die arbeitet bestimmt bei kraft ((Lebensmittelwerk)) am band (.) 15 ((an Interviewerin gerichtet)) konservierungsstoffe fressen (Z. 20-21). I10na wird hier als Arbei­ 16 Klaus: ja ich meinte sie die ehrenwerte person hinter mir terin an einem typischen Frauenarbeitsplatz am Fließband in einem 17 ((IIona)) Lebensmittelwerk gesehen. Anstatt zu arbeiten, frißt sie die Lebens­ 18Uwe: sach doch gleich den erdbeerjoghurt mittelbestandteile, auf die jedoch der Verbraucher gut verzichten 19I1ona: = ((lacht)) kann, nämlich Konservierungsstoffe. I10na steigt nicht auf diese 20 Klaus: die arbeitet bestimmt bei kraft ((Lebensmittelwerk)) symbolischen Angriffe ein, sondern entzieht sich durch lautes 21 am band (.) konservierungsstoffe fressen (.2 sec) Lachen der aggressiven Gruppenkommunikation. (SchlobinskilKohl/Ludewigt 1992: 484 f.) Zwei Schüler, die zuvor im Hintergrund gesprochen haben, werden nach einer weiteren kurzen Unterbrechung von den beiden Jungen und I10na in das Gespräch einbezogen. Es handelt sich um den Kur­ Klaus greift gleich zu Anfang mit dem Satz wie sie aussieht hä nä die den Mechmet und die Jugoslawin Bianca. Schülerin auf der persönlichen Ebene an und wendet sich mit der Zu Beginn des Sequenzteils wird die Flucht der Kurden in die Rückversicherungspartikel hä nä an die anderen Gruppenmit­ ostanatolischen Berge thematisiert, von der zum Erhebungszeitpunkt glieder, von denen er eine Bestätigung seiner Bewertung bezüglich laufend im Fernsehen berichtet wird. des Aussehens von I10na erwartet. In der anschließenden Gesprächs• folge steigern beide ihre Angriffsstärke. Eine formelhaft und zum 1 I1ona: hahaha ((lacht)) nä da gucken wir noch mal Teil schlagwortartig reduzierte Sprechsprache und die Verwendung 2 tagesschau und dann sitzt mechmet irgendwo da typisch umgangssprachlicher Merkmale, wie z.B. Lautverkür• 3 hinten aufm berg ((Mechmet ist Kurde)) zungen, kennzeichnen den Sprechstil der geführten Auseinander- 4Uwe: ja stimmt (.) hä hä mit tiroler mütze oder was 5 Mechmet: thä tiroler mütze 6 «Lachen» nona: klaus wenn du überhaupt unten was hast nä? ich glaub 7 nona: mechmets zwillingsbruder Mechmet: = ooh jetzt nerv doch nich mensch 8Uwe: nona: JAWOHL team chefin nich lachen «es wurden heute für die AGs 9 Teamchefs ernannt» Uwe: nein nona: dooch 10 Klaus: ja du brauchst ja gar Dich mitlachen bianca (.) wir das verfall datum is schon lange weg heute is schon der 11 reden hier nur über jugoslawen Cl ja? «mit Uwe: 12 zweiundzwanzigste affektierter Stimme» «Bianca ist Jugoslawin» höhöhö 13Uwe: (die is unsere teamchefin) so was ekeliges nona: 14 nona: ((lacht» Klaus: oder der 31. 12. is (.) und wenn du meine (.) kostenlose ( ) 15Uwe: und die is da auch nur am lachen 16 Klaus: (altes) schweinsohr nona: = ÖÖÖÖH LLL «übertönt Klaus mit dem Geräusch)) 17 Mechmet: ((lacht» Uwe: ich bin yerliebt ich bin nicht mehr objektiv «mit hoher 18 nona: Stimme» «übernommen aus der Mini-Playback­ was willst du denn d)] hammel ey Cl seh dich mal an 19 Show im RTL» JlY (.) ich weiß nich was ich sagen soll nä? fB 20Uwe: Klaus: wie geht das? = hammel ey (.) die weiß gar nich was se sagen soll nä 21 61 nana: ööh (.1 sec) ja das habt ihr noch nie gesehn nä? man kann 62 Uwe: los komm 22 nich so gut auf n joghurtdeckel (gucken) 63 Herr Meier:so (.1 sec) (2.0) . 23 Klaus: sone for so ne fortgeschrittene technik kennen die 24 da nich 64 Klaus: wenn die männer in den weißen kitteln heute mch 65 frei hätten wärn die schon lange da 25Uwe: aber so eine die nich mehr zugeht auch nich 26 Klaus: (die is) n bißchen doof 66 nona: = uaaah (.3 sec) zwerg «an Klaus gerichtet» 27Uwe: hähä 67 Herr Meier:auch in dieser gruppe werden wir versuchen heute 28 nona: 00 folgendes zu drehen klaus wenn man so (.) wenn man sehn würde wie 29 69 Klaus: typisch jugoslawen ey klein wie du aussiehst möcht man dich sofort inne 70 «Der Unterricht wird fortgesetzt» 30 irrenanstalt stecken «Klaus ist sehr klein» 31 Uwe: (Schlobinski/KohVLudewigt 1992: 485 ff.) = warte? (.1 sec) ahrr «probiert sein Pistolenfeuerzeug 32 aus)) 33I1ona: Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Ereignisse, der wem gehört der schirm denn? «an Bianca gerichtet)) Flucht der Kurden in die ostanatolischen Berge nach Beendigung des 34 Klaus: du weiß ja nich mal was ne irrenanstalt is 35'I1ona: öh überhaupt nä Golfkriegs, initiiert nona ein neues Thema. In ~en letzten Tagen waren diese Ereignisse, ähnlich wie die Kriegsbenchterst~ttung zu­ 36Uwe: ey kennst schon den neuen mantawitz? 37 Klaus: nein vor zu einem alles bestimmenden Medienereignis avanCIert. nona holt diese Geschehnisse und Bilder sozusagen in das Klassenzimmer 38 IIona: ich hab dich doch da besucht du heino 39 Klaus: nä da gucken wir noch mal tagesschau und dann sitzt mechmet mh kannst Cl kannst mal mein n samenstrang anl irgendwo da hinten aufm berg (Z. 1-3) und reduziert die Dramatik der 40 ansaugen ey mehr aber nich ey 41 IIona: ((lacht» Flüchtlingssituation zum medialen Ereignis mit. Unterhaltun~swert. 42Uwe: Über die Bildcollage, die sich dadurch auszeIchnet, daß ~Ie den kennste den neuen mantawitz ey? oder hast du (nich Kurden Mechmet aus dem Zuschauerkreis ausgrenzt und Ihn der 43 mal nen paar) zu erzähln? 44 IIona: «schrilles Lachen» Gruppe der betroffenen Kurden in seinem Heima.t1:md zuordnet: gibt 45Uwe: keine? (.) sie dem Ganzen noch einen sarkastischen ,Thnll. Uwe entwIckelt die von nona vorgegebene bildliche Verfremdung des Themas weiter, 128 indem er Mechmet mit einer tiraler mütze (Z. 4) versieht und KlauS' Aussage durch seine Behauptung, daß ,Abziehde:kel' die Flucht der Kurden als Freizeitwanderung pointiert. benfalls unbekannt seien (Z. 25). Das Spiel mit Symbolen, emem Als Ausdruck der mittlerweile ausgelassenen Stimmung ~oghurtdeckel, der als Maßstab für die technische Entwicklung eines Gruppe greift Uwe auf einen formelhaften Ausdrucksstil zurück , Landes steht, hat seinen Höhepunkt erreicht. sich auch in den anschließenden Wortbeiträgen der anderen Nach dieser rassistischen, gegen nonas Nationalität gerichteten, penmitglieder wiederfindet. Er leitet einen Themen- und J<;t)erle~l' Dialogabfolge geht sie direkt zum Angriff über: klaus wenn man so wechsel ein, indem er die AG-Leiterin Bianca auffordert, nicht zu la-: (.) wenn man sehn würde wie klein wie du aussiehs~ ~öcht ~an .dich ehen (Z. 8). Klaus transformiert diese scherzhaft gemeinte sofort inne irrenanstalt stecken (Z. 28-30). Indem Sle lhn mlt semem forderung in eine ernsthafte Ermahnung, die durch die Positio_ Vornamen anspricht, macht sie unmißverständlich deutlich, daß nierung des Wortes ja am Satzanfang, in der Mitte und schließlich Klaus das Ziel ihres Angriffes ist. Sie gerät dabei ins Stottern, sucht am Ende des zweiten Satzes verstärkt wird und eine im Kornrnißstil nach Wörtern und holt letztendlich zum ,tiefen Treffer' aus. Obwohl gehaltene Intonation erhält (Z. 1O-1l). Zusätzliche aggressive Schärfe Jlona schon mehrmals Klaus' Äußeres erwähnt hat, spricht sie hier erhält sein Beitrag dadurch, daß er Biancas jugoslawische zum ersten Mal sein größtes Manko, die geringe Körpergröße, direkt Nationalität anspricht. Damit leitet er gleichzeitig einen Stim­ an und bewertet sie als pathologisch. Der Angriff ist allerdings ein mungsumschwung von entspannter Ausgelassenheit zu einer von Angriff mit stumpfen Waffen, da er in Form eines hypothetischen Er­ persönlichen Angriffen geprägten Atmosphäre ein. So übernimmt eignisses vorgetragen wird. Uwe die Vorgaben von Klaus und charakterisiert Bianca als etwas Während für Uwe und IIona damit die Auseinandersetzung abge­ ekliges (Z. 13). Klaus verstärkt den aggressiven Sprechstil noch, schlossen ist und sie sich neuen Kommunikationsangeboten zuwen­ indem er nona mit dem Ausdruck altes schweinsohr (Z. 16) den ist sie für Klaus noch lange nicht beendet. Er steigt thematisch beschimpft. Diese antwortet auf gleicher Ebene: was willst du denn du wieder auf die Aussage von nona ein und wertet sie ab: du weißt ja hammel ey (.) seh dich mal an ey (.) ich weiß nich was ich sagen soll nich mal was ne irrenanstalt is (Z. 34). Durch einen reduzierten nä? (Z. 18-19) Neben der Bezeichnung von Klaus als hammel Antwort-Stil, eingeleitet durch das Wort öh, verschafft nona sich Zeit, unterstreicht nona ihre Erwiderung in mehrfacher Hinsicht: Zum um eine Entgegnung zu formulieren. Uwe nutzt diese Pause für die einen durch den herausfordernden Sprechstil, der sich darin äußert, Einleitung eines Themenwechsels. Um mehr Aufmerksamkeit zu daß sie ihn mehrmals mit du anspricht und die Partikel ey als erlangen, setzt er die Partikel ey als attention getter an den. Satz­ Intensifier benutzt, zum anderen durch einen Angriff auf der anfang und bringt mit seiner Frage nach dem neuen Mantawltz (Z. Inhaltsebene, indem sie wiederum auf sein Aussehen anspielt. Uwe, 36) ein Thema ins Spiel, auf das normalerweise die Jugendlichen der hier zum wiederholten Mal nur an die von Klaus vorgegebenen dieser Gruppe wegen seiner zum Erhebungszeitpunkt vorhandenen Handlungsmuster anknüpft, zitiert Ilonas Sätze fast wörtlich (Z. 20) Aktualität und Beliebtheit sofort einsteigen würden. Doch angesichts und verfremdet ihre vorherige Aussage, indem er diese als Ausdruck der zunehmend angespannten Stimmung zwischen nona und Klaus von Sprachlosigkeit und Dummheit deutet. Dabei wendet er sich im bleibt dieser Ablenkungsversuch erfolglos. Klaus kann gerade noch Stil eines Conferenciers an die Gruppe ja das habt ihr noch nie gesehn mit einem kurzen nein antworten, bevor nona ihre ,Pause' beendet nä? (Z. 21) und wirbt durch die Rückversicherungspartikel nä um hat um auf den ursprünglichen Angriff von Klaus zu reagieren. Sie Zustimmung bei den anderen. Und wieder nutzt Uwe das Schlüs• greift das Bild der Irrenanstalt auf und konstruiert eine fingierte selwort Joghurt als symbolischen Ausdruck für die Verdinglichung Handlung: ich hab dich da doch besucht du heino (Z. 38). Ihre Antwort Ilonas. Er bezeichnet sie indirekt als Joghurt, auf deren deckel man wird noch durch die ,Beschimpfung' mit dem Namen des deutschen nicht so gut gucken kann. Während Uwe den Begriff joghurt mit der Schlagersängers Heino verstärkt. Nach diesen verbalen Angriffen Person Ilona verknüpft, greift Klaus das Stichwort joghurtdeckel auf, leitet Klaus nun die Spitze der Auseinandersetzung ein. Nach um seine rassistischen Ressentiments anzubringen: Er spricht den Angriffen auf der persönlichen und rassistischen Ebene wechselt Jugoslawen, symbolisiert durch den Joghurtdeckel, technischen Fort­ Klaus auf eine extrem sexistische: mh kannst (.) kannst mal meW n schritt ab (Z. 23-24). Als mittlerweile eingespieltes Team ergänzt Uwe samenstrang anl ansaugen ey mehr aber nich ey (Z. 39-40). Der

1M einzige Kontakt, den er noch mit Ilona offen läßt, ist der Ural".~ (Z. 57), die er auch in ihrer Intonation imitiert, einen Themen­ kehr. Er reduziert sie auf ein Sexualobjekt und weist jeden W'~Itlarp'n ;w"cnse. ein und setzt gleichzeitig einen kommentierenden Schluß• Kontakt von sich. Seine emotionale Anspannung äußert sich auf unter die Auseinandersetzung. Wenigstens vorübergehend sprachlichen Ebene in mehreren Versprechern und durch !"sl,e'/", Klaus auf dieses ,Angebot' ein. Damit kündigt sich ein Ende zweimaligen Rückgriff auf die Partikel ey, die seine, Konfrontation Klaus - nona an, zumal auch Uwe nona nochmals noch verstärken. aufzuhören (Z. 62). Aus dem Streit, der sich derart auf­ . Uwe startet ein erneutes Ablenkungsmanöver in Richtung lVUIn':»_, hat, können jedoch beide noch nicht so schnell aus­ wItze (Z. 42), sieht aber schließlich die Sinnlosigkeit seines steigen. So richtet Klaus noch mal eine aggre~sive Handlung gege.n b~ns ei? (Z. 45). nona, die in der Zwischenzeit durch schrilles Lachen I10na indem er ihr Motiv vom Irrenhaus übermmmt und es gegen sIe emerseJ.ts versucht hat, auf diese Weise den Angriff von Klaus zu richt~t: wenn die männer in den weißen kitteln heute nich frei hätten v~rarbeIten, andererseits damit zugleich Zeit gewonnen hat, startet ärn die schon lange da (Z. 64-65). Damit kommentiert er eme Gegenoffensive. Sie antwortet ebenfalls auf der sexistischen ~eichzeitig nonas offensichtlich gewordene H.ilfslosigkeit. Durch Ebene, indem sie ihm sein Geschlecht abspricht klaus wenn du über_ die Lautwortäußerung uaaah (Z. 66) versucht d,ese Klaus zu unter­ haupt unten was hast nä? (Z. 46). Wieder redet sie ihn persönlich mit brechen und rafft sich nach einer Pause zur letzten schwachen Be­ Vornamen an, bevor sie in einem locker umgangssprachlichen Stil schimpfung zwerg auf. Bevor nun der Lehrer den Unterricht fortsetzt, ihren Angriff formuliert. Bei der Fortführung des Satzes wird sie von richtet Klaus zum letzten Mal eine rassistische Beschimpfung im Stil Mechmet unterbrochen. Mechmet, der sich bis dato kaum in das Ge­ einer formelhaften Kommunikation und unter Zuhilfenahme des In­ spräch eingemischt hat, fordert einen radikalen Wechsel des The­ tensifiers ey an nona. Mit dem Kommentar typisch jugoslawen ey (Z. ~as ooh jetzt nerv doch nich mensch (Z. 47). Dabei spricht er jedoch 69) generalisiert er ihr hilfloses Verhalten auf ihre gesamte N ationa­ mcht den Themeninitiator Klaus an, sondern nona, die lediglich auf lität und hat in diesem Streit somit das letzte Wort. die Aggression von Klaus reagiert hat. Die Vehemenz seiner Zusammenfassend könnte die dokumentierte Sequenz als ,Bilder­ Forderung wird sowohl durch seine betont laute Stimmlage als auch Bricolage' überschrieben werden. Das zentrale Symbol dieser Se­ auf der lexikalischen Ebene durch das Lautwort oh, durch das quenz bildet das Lebensmittelprodukt Joghurt, das a~s Schlüsse~wort umgangsprachliche Wort nerven (jemanden nervös machen) und wie ein roter Faden die Sequenz durchzieht. Was d,e Jugendhchen durch den Intensifier mensch am Satzende hervorgehoben. nona aus diesem Wort machen, ist erstaunlich: Erst hat es die Bedeutung widerspricht vehement der Aufforderung Mechmets mit einem lauten eines Wetteinsatzes, wird dann zum Lebewesen und Sammlerobjekt, jawo~l. A~ch nachdem Uwe sie aufgefordert hat zu schweigen, kurz darauf zur Gehirnmasse und schließlich zum Symbol für tech­ verteIdIgt sIe nochmals ihre Aussage. Um gegen die Hartnäckigkeit nischen Fortschritt. Damit aber noch nicht genug: Die bei den Jungen IIonas ankommen zu können, greift Uwe indirekt wieder auf das entwickeln um dieses Symbolwort in einem komplizenhaften Zu­ Schlüsselm.otiv ,Joghurt' zurück: das verfalldatum is schon lange sammenspiel Phantasiebilder, hinter denen sich ein offener, gegen weg heute IS schon der zweiundzwanzigste (Z. 51-52). Er vermittelt nona gerichteter, Rassismus und Sexismus verbirgt: Sie konstruie­ wiederum mittels des Symbols des ,Verfallsdatums', dem aktuellen ren eine Person (den Opa von Klaus), der Joghurts züchtet und sam­ Datum, daß. die Zeit der Schülerin abgelaufen ist. nonas laut­ melt und dessen nächstes Sammler- und Zuchtobjekt nona ist; sie de­ wortartige Außerungen, die ein Lachen imitieren (Z. 53), zeigen gradieren nona zum Lebensmittel, die am Fließband Konservie­ deutliche Ratlosigkeit gegenüber der männlichen Dominanz und rungsstoffe frißt; ihrer Nationalitätengruppe sprechen sie jeglichen Aggressivität. Sie verstärkt die Stimmlage ihrer Lautäußerung, technischen Fortschritt ab, bis sie schließlich am Ende der Sequenz nachdem Klaus das Motiv des Verfallsdatums als Jahresabschluß mittels des Symbol des abgelaufenen Verfallsdatums sogar nonas aufgreift (Z. 54). Als letztes verzweifeltes Hilfsmittel schreit sie ihn Existenzberechtigung negieren. nieder und hindert ihn daran, seinen Satz zu Ende zu bringen. Die Aggressivität der Bilder spricht für sich und wird auch von al­ Uwe leitet mit der Zitation einer Sequenz aus der Mini-Playback­ len verstanden. Zwar schaffen es die drei Hauptakteure zunächst, d,e Show des RTL-Fernsehkanals ich bin verliebt ich bin nicht mehr ob- Auseinandersetzung auf der Bilderebene zu belassen, auf der auch IIona gut mithalten kann. Als jedoch die angespannte Stimmung Wir haben im folgenden sämtliche im Korpus vorkommenden ey-Be­ wächst, wird diese Ebene schrittweise verlassen und in einen persön_ lege in bezug auf die kommunikativen Funktionen und topologischen lichen Schlagabtausch übergegangen. Die Angriffe werden nicht Eigenschaften systematisch untersucht. Dabei haben wir bei der t~po­ mebr hinter Symbolen versteckt, sondern arten in persönliche Be­ logischen Struktur 1. turninitiale, 2. turnfinale und 3. turnmedIale schimpfungen aus. Die gute Stimmung, der ,Boden', auf dem sich Positionen unterschieden, z.B. Sprachspiele entwickeln können, ist auf dem Höhepunkt der Ausein_ ad 1) Jutta: ey (.) da sitz ich (SchlobinskilKohl/Ludewigt: 26) andersetzung nicht mehr vorhanden. Allerdings nur vorübergehend. ad 2) Tim: ehm kannst du mithelfen ey (ibid., S. 67) So spontan aber, wie sich diese Gesprächsfolge sozusagen aus dem ad 3) Andrea: ... (.) ich muß so lachen (.) ey (.) ich konnt nich ,Off' durch das Fallenlassen eines Stichworts entwickeln konnte, so mehr... (ibid. , S. 103). schnell wechselt die Stimmung wieder. Die Pause ist zu Ende und die Bei (1) und (2) werden in der Regel einzelne Sprechhandlungen ein­ Aufmerksamkei t konzen triert sich nun auf das, ,was der Lehrer da gleitet bzw. beendet, bei (3) tritt ey typischerw~ise in Erzählung~n vorne zu bieten hat'. zwischen zwei Sätzen auf. Bei den Kontextbedmgungen haben WIr vorangehenden und folgenden Kontext von ey berücksichtigt sowie die syntaktische Formatierung des Kontextes ';lls Satz (S), definiert 4. Die Partikel ey über das verbale Prädikat, sowie als Wort (W) bzw. Wortgruppe (Wgr), z.B. scheiße ey und voll gut ey. Tab. 3-1 zeigt die Verteilung Wir sind bisher davon ausgegangen, daß man spezifische struktu­ der ey's, differenziert nach den Untersuchungsgruppen I und II. relle Merkmale des ,Jugendtons' nicht als ,präferiert' annehmen kann, wie oftmals behauptet worden ist. Allerdings müssen wir dies ----======in einem Punkt revidieren: Überrascht hat uns der hohe Anteil der Vorangehender Kontext Folgender Kontext Partikel ey, die im Gesamtkorpus (vgl. SchlobinskilKohl/Ludewigt Satz WortJWgr Satz Wort/Wgr Gesamt 1992) 592 mal belegt ist. Im Vergleich zu anderen Korpora von älteren Sprechern (Schlobinski 1992) ist dies extrem auffällig, da dort ey nur I vereinzelt belegt ist. Hingegen ist auch in den Korpora von Wachau initial 0 o 25.0 12.4 37.4 (1990) und Last (1990) sowie in dem Korpus von Hädrich (1988) ey medial 12.6 1.4 1.1 2.9 8.0 ebenfalls relativ häufig zu finden. In der Literatur hingegen wird final 39.3 15.3 0 0 54.6 diese Partikel nur am Rande erwähnt. Henne (1986:149-50) weist "ej" als Gliederungspartikel aus, die am Ende eines Gesprächsschrittes II steht, bzw. als Verstärkungspartikel, die Nachdruck verleiht (ibid., intial 0 o 15.5 3.8 19.3 S. 105). Ehmann (1992: 59) schreibt, daß diese "oftmals nachgestellt medial 13.7 3.1 4.4 2.4 13.6 zum Zwecke der Bekräftigung des Vorangegangenen" auftritt. Wäh• final 45.8 21.3 0 0 67.1 rend in den Untersuchungen, in denen. die ,Fragebogenjugend_ -----======sprache' primärer Gegenstand der Untersuchung ist, ey nur eine Tab. 3-1: Verteilung von ey in Abhängigkeit von Position und Kon­ marginale Rolle spielt, tritt sie in den Untersuchungen, die konkrete text in Untersuchungsgruppe I und II (%) Sprechsprache zum Gegenstand hat, rekurrent auf und hat aus der Sicht der Sprecher Signalcharakter (s.u.). Sowohl Wachau (1990: Wie man Tab. 3-1 entnehmen kann, tritt die finale Position von ey 65f.) als auch Last (1990: 97f.) behandeln die Partikel im Hinblick am häufigsten auf, während die mediale nur selten vorkommt. Als auf die kommunikativen Funktionen genauer und stellen fest, daß Kontextbedingung ist der Satz am häufigsten zu finden; auffällig und ey in vier Funktionen auftritt, als 1. Verstärkungspartikel, 2. interessant ist die Häufigkeit der Strukturen mit nicht-verbalen Prä• Attention-getter, als 3. Kommentierung und 4. als Rückversiche• dikaten, die ey vorangehen bzw. folgen. rungspartikel.

1:U Für die kommunikativ-funktionale Analyse sind wir zunächst vo ~======Habermas' (1981:427f.) Sprechaktklassifikation ausgegangen. n initial medial final zeigt sich, daß ey nur selten in konstativen und imperativen, aber I häufig in expressiven und kommunikativen Sprechhandlungen auf­ Gliederungsfunktion 5.9 5.4 33.3 tritt. Kommunikative Sprechhandlungen sind solche, mit denen Adressierung 17.3 1.2 2.4 Sprecher ihre Rede organisieren, also Themen und Beiträge struktu_ attention getter 10.7 1.2 0.6 rieren, Gesprächsabfolgen regulieren und Gesprächsrollen verteilen Bewertung 2.4 0.6 14.3 usw. Expressive Sprechhandlungen sind solche, mit denen Sprecher Intensivierung 0.6 4.2 ein subjektives Erlebnis, eine Meinung, eine Bewertung zum Aus_ druck bringen. Die weiterführende Analyse zeigt, daß ey als Kom_ II munikativpartikel drei Funktionen erfüllt, nämlich die Funktion: Gliederungsfunktion 3.1 10.1 42.8 1. die Struktur des Diskurses zu markieren , Adressierung 6.0 0.5 1.5 2. Adressierungen zu markieren und die Funktion attention getter 8.9 0.5 0.5 3. als attention getter. Bewertung 0.5 1.9 15.9 Als Expressivpartikel hat ey die Funktion, 1. Bewertungen zu mar­ Intensivierung 0.5 0.7 6.5 kieren, und tritt 2. als Intensifier (Verstärker) auf (s. Tab.3- 2). ======Tab. 3-3: Verteilung von ey in Abhängigkeit von Position und ======Sprechhandlungsfunktion in den Untersuchunsgruppen I und II (%) Gruppe I Gruppe II Gesamt Als Gliederungssignal tritt ey präferiert turnfinal auf, aber auch Gliederungsfunktion 44.6 56.0 50.3 turnmedial. ey hat hier formal-strukturierende Funktion, auch als Adressierung 20.8 8.0 14.4 tag-question, und ist vergleichbar der im Westfälischen häufig ge­ attention getter 12.5 9.9 11.2 brauchten Partikel ne, die ebenfalls redebeitragabschließende Bewertung 17.3 18.4 17.8 Funktion hat bzw. in Erzählungen zwischen Teilereignissen steht. Intensivierung 4.8 7.7 6.3 Initial hingegen steht ey als Kommunikativpartikel bei Adressie­ ======rungen und als attention getter. Bei Adressierungen wird ein Kom­ Tab. 3-2: Verteilung von ey nach Sprechhandlungsfunktionen (%) munikationspartner (oder mehrere) direkt angesprochen. Am häufigsten findet sich die Struktur [ey Name (X)], z.B. ey (.) schulze Wie aus Tab. 3-2 zu entnehmen ist, hat in bei den Gruppen das ey in (Schlobinski/Kohl/Ludewigt: 43), ey lotte ich hab die hülle verlorn erster Linie eine Gliederungsfunktion. Während sich bei der Bewer­ (ibid., S. 164) oder ey (.) junge (ibid., S. 289). Nur in zwei Belegen tungsfunktion nur geringe Unterschiede zeigen, nutzen die Jugend­ steht ey nach der Namensnennung. Aber auch: ey kennst schon den lichen der Gruppe I das ey häufiger zur Adressierung. Relativ selten neuen mantawitz? Gbid., S. 486). Als attention getter wird - wie der hat das ey die Funktion von attention gettern oder dient der Intensi­ englische Terminus sagt - ey gebraucht, um die Aufmerksamkeit zu vierung von Aussagen. erhalten, ohne daß ein spezifischer Adressat genannt wird bzw. der Bei der Funktionsanalyse muß zusätzlich die Position des ey's be­ Sprecher sich an einen Adressaten direkt wendet, z.B. ey immer rücksichtigt werden. Wie Tab. 3-3 zeigt, gibt es hier einen Zusam­ wenn ismarin so macht (ibid., S. 493). Als Expressivpartikel tritt ey menhang: präferiert turnfinal auf. Dabei werden in hohem Maße bewertende Kommentare gegeben bzw. wird die Proposition der Sprechhandlung verstärkt, z.B. boah (.) guck dir die kratzer an (.) ey (ibid., S. 172). Besonders interessant ist, daß die bewertenden Kommentare mit sta­ tiven Prädikaten und sehr häufig in Form von 1. Kopulasätzen bzw. 2. Strukturen, in denen das nominale Prädikativ als Prädikat gesetzt Schon diese Funktionsanalyse der Verwendung des ey deckt Dareks wird, gebildet werden. Z.B. ,Ey-Talker-Rolle' auf. Das zeigt sic~ ~~ch d~rin, daß. er in :ie~en ad 1) is doch gar nich so schlecht ey (ibid., S. 214) Protokollen Gesprächs- und Thememmbator 1st und VIele BeItrage schaller is voll das asch ey (ibid., S. 154) anderer nicht unkommentiert im Raum stehen lassen kann. In den der is voll geil (.) ey (ibid., S. 22) meisten Sequenzen tut sich Darek zwar als dominanter Ge­ ad 2) oh (.) echt spitze (.) ey (ibid., S. 102) sprächsteilnehmer hervor, doch ohne die anderen laufend .zu unte~­ eine alte Streberlocke ey (ibid., S. 154) brechen und deren Beiträge durch eigene zu überlagern. Seme DomI­ ah (.) der typ (.) ey (ibid., S. 266) nanz zeigt sich eher in seinem hohen Erzähl- und Mitteilungsbe­ geil (.) ey (ibid., S. 56) dürfnis. echt ey (ibid., S. 282) Das folgende Gesprächsprotokoll spiegelt Dareks Erzählstil exem­ scheiße aber auch (.) ey (ibid., S. 107) plarisch wider. Während einer Pause berichtet er einer kleinen scheiße ey (ibid., S. 282) Gruppe von Mitschülern von seiner Auseinandersetzung mit der Mit­ Die Strukturen der syntaktisch reduzierten expressiven Sprechhand_ schülerin Hille: lungen scheinen sich aus Kopulakonstruktionen entwickelt zu ha­ ben. Fällt das stative Prädikat, übernimmt das Prädikativ die Funk­ 1 Darek: hille ne? steht vor der turnhalle C) hille hörst du? sie tion des Prädikats und es liegen folglich Sätze mit nominalen Prädi• 2 steht vor der turnhalle da ne (.) macht mich voll an C) katen vor. Dabei kann eine komplexe Nominalgruppe, des öfteren 3 ich so zu ihr was willst du denn du kamnfschwein? sie mit Modifikator (insbesondere voll), oder ein Nomen bzw. häufig ein 4 kommt so auf mich zu packt mich so ne (.) ich konnt Adjektiv das Prädikat bilden. Beim adjektivischem Prädikat tritt 5 lösen ne C) ich hab mich gelöst ne (.) ihr einen in nen häufig echt und auch geil auf, das in Verbindung mit ey zu einer Ex­ 6 bauch gehaun (.) sie weggeschubst (.) voll pressivformel fossiliert zu sein scheint. 7 umgedreht<.) mit nem fuß voll ans auge sie merkt Bei der Analyse unseres Materialkorpus hat sich ein spezifischer 8 nichts sone beule (.) und sone schramme voll am auge Ey-Talker herauskristallisiert. Es ist der 15jährige Darek aus der 9 ne Untersuchungsgruppe II. Darek ist sozusagen der Star unter den ey­ 10 Schüler: = die merkt auch gar nichts Anwendern. Kein anderer Schüler verwendete derart häufig die Par­ 11 Detlef: = da hauste der in bauch bumh tikel ey. Insgesamt kamen 35 % der in Gruppe II (417) gezählten eys 12 Darek: voll mit der hacke voll ein aufs auge getreten (.) sie die von Darek. Dieses Ergebnis ist um so erstaunlicher, als er nur bei 13 ganze sportstunde voll am heulen ey knapp der Hälfte der verschrifteten Sequenzen überhaupt Gesprächs• 14 Detlef: hille am heulen? teilnehmer war. Primär, d. h. in 78,3 % der ,ey-Fälle', benutzt er das 15 Schüler: nur weil sie einen mit nem fuß gekriegt hat? ey z~r Gliederung seiner Beiträge und in 12,0 % zur Bewertung. Nur 16 Darek: ja C) ich zu ihr ja was is denn? ja du hast mich ganz selten (4,6 %) hatte das ey sozusagen Verstärkungsfunktion und 17 geohrfeigt C) bei soner beule ey von ner ohrfeige in nahezu verschwindend geringer Anzahl kommt seinen eys die 18 Detlef: was meinste die zerdrückt dich mal? ey Bedeutung von attention gettern (3,7 %) und Adressierungen (1,1 %) 19Schüler: ooh junge ey C) die und heulen ey (.) bei som kleinen zu. 20 fußtritt ey Auch bei dem Vergleich mit den nach Funktion differenzierten 21 Darek: ich haue ihr in den bauch (.) sie merkt nichts ey Gruppenwerten (s.o.) fällt Darek aus dem Rahmen. Er benutzt das ey 22 I: wer ist hille? als Gliederrungsmerkmal um 22 % häufiger als die Schüler der 23 Schüler: sone ganze fette Gruppe II; bei Gruppe I beträgt die Differenz sogar 35 %. Entsprechend 24 Darek: hille (.) unser kampfschwein der überproportionalen Verwendung des ey zur Strukturierung der 25 «Lachen» Redebeiträge hat er fast immer eine finale Position in seinen Sätzen. 26 Darek: die is aber nich mehr normal ey 27 Schüler: echt (.) ey 281: lehrerin (.) oder was ist sie? Spätestens seit der in Mode gekommenen sog. Prol-Sprache, die in 29 Schüler: diese andere (.) stein (.) annika oder wie sie heißt den Mantawitzen ihre stilisierte Ausprägung gefunden hat (vgl. 30 Darek: schülerin Kap.!), wird das ey - besonders in expressiven, formelhaften 311: ne sch ülerin? Verbindungen wie boah ey, echt ey - auch von Jugendlichen kritisch 32 Darek: ne schülerin (.) vierzehn ist die (.) vierzehn beäugt 8. 33 DeUef: echt die trägt schwangerschaftsklamotten (.) obwohl se So sind sich in einer Gruppendiskussion die jugendlichen Teil­ 34 nich schwanger is nehmer und Teilnehmerinnen darüber einig, daß gerade an dieser 35 Darek: = ich hau ihr in bauch ne? ich hau ihr in bauch ey (.) Formel ,Man ta sprache' zu erkennen ist: 36 fühlt sich genauso an als wenn de auf nen trampolin ~ schlägst bschuch bschch (.) ich schwörs dir du (.) und I: was hast du gesagt maren 36 im sport die ganze zeit am heulen (1 sec) Schülerin 1: ich hab nur mantafahrer gesacht 39 Schüler: echt ey Schüler: das hat er auch gesacht 40 Darek: die ey hat mich voll gepackt ey (.) einmal ich (.) sie hat I: wie kommste denn darauf 41 mir voll gegens schienbein getreten (.) ich dachte das Schülerin 1: ey 42 bein ist durchgebrochen (.) junge bei soner keule ey S~hülerin 2: boah ey man ey 43 sone waden ey (.) da kannste kannste 44 Schüler: da träumen wir nur von ((lacht)) Über das ey nehmen Jugendliche häufig auch eine persönliche Etiket­ 45 Darek: = da kannste arnold nich mehr mit vergleichen ey tierung vor. Eine Schülerin projiziert beispielsweise die stilisierte 46 «Lachen)) ,Mantasprache' mit dem typischen ey auf einen ihr bekannten ey­ (SchlobinskilKohl/Ludewigt 1992: 316 f.) Sprecher:

Typisch ftir diesen Ausschnitt ist, daß Darek das ey fast immer (bis Schülerin °spricht wie dieser heini holzstangeO auf zwei Ausnahmen) als Gliederungspartikel benutzt. Mit dem ey I : hm strukturiert er einerseits seine Erzählanteile, andererseits verleiht er Schülerin dieser heini holz stange ihnen damit einen gewissen Nachdruck (Z. 17/43). Neben dem ey tritt I: wer is denn heini holzstange? hier eine weitere Partikel, die ähnliche Funktion wie das ey hat, in Schüler: ja stein cooler den Vordergrund. Es handelt sich um das ne, das in der Regel die Schülerin ja Funktion der Rückversicherung hat. In dem ersten Erzählbeitrag I: hm verwendet Darek es allein 6 mal, wobei es bis auf das erste ne (Z. 1) Schüler: der i8 steincQQI fast ausschließlich die Funktion hat, seine kurzen, spannungsauf­ bauenden Sätze zu verbinden. Betrachtet man das ne im Gesamtver­ In dem Bewußtsein, selbst ey zu benutzen, fällt aber in der Regel die lauf des Gesprächs, könnte es sozusagen als ,schwaches ey' bezeichnet Bewertung durch die Jugendlichen differenzierter und abwägender werden. Es ist hier eigentlich der Vorläufer des ey. Mit dem ersten aus als im obigen Beispiel. Ein 15jähriger Schüler, der dem ey und Auftreten dieser Partikel (Z. 13) wird das ne nur noch einmal in dem der ,Mantasprache' ablehnend gegenübersteht, hat für einen gelegent­ Gesprächsverlauf angewendet und das ey tritt an dessen Stelle. lichen Gebrauch der Partikel zur Auflockerung der Sprache nichts Wie wird nun das ey von den Jugendlichen bewertet? Daß das ey einzuwenden: "also ab und zu ja (.) dann kommt das ja manchmal eine stigmatisierte Form zu sein scheint, dies haben wir bereits durch unsere Eltern intensiv erfahren. Und so wundert es nicht, daß auch die heutigen Jugendlichen eine eher negative Einstellung gegenüber dem Gebrauch dieser Partikel haben. So gibt es bei den von uns 8 Im folgenden werden überwiegend Ergebisse aus der Befragung zu Befragten kaum einen, der diese Partikel unumwunden ,toll' findet. den SpracheinsteIlungen (vgl. Kap.V) herangezogen. Sie sind nicht im Materialkorpus zu finden (vgl. SchlobinskilKohVLudewigt 1992).

!At) auch mal lustig so C) mal son ey einbaun und sowas (.) aber im ja sollten denn eltern da was zu sagen? gemeinen sprech ich lieber ordentlich mit allen". I: Schülerin 1: °eigenlich nicho Interessant sind die Unterschiede bei den ey-Einstellungen in Schülerin 2 ja °find ich eigentlich schono Gruppen der 12- bis 13jährigen und 15- bis 18jährigen. Die JÜng'~rein. I: warum? ziehen gerad'.' diese Partikel zur Entwicklung eines eigenen Stils Schülerin 2: ja ehm wenn m wenn man das zuhause so nich lernt heran, was wIederum zu Auseinandersetzungen mit den Eltern füh_ daß man anders redet nä (.) dann redet man später ren kann. Einige Orientierungsstufen schüler und -schülerinnen wenn man erwachsen is und nen beruf hat oder so kommen darauf zu sprechen: dann n geht man da zum chef hin nä und nä un dann Schülerin 1: = llY (.) alter «Lachen)) Schülerin 1: o wenn icb ey sage I: mhm Die allgemein negative Bewertung der Partikel führt dazu, daß Ju­ Schüler: °ich darf das gar nich mehre I: gendliche sich mit zunehmendem Alter vOQ diesem Sprachgebrauch du darfst das gar nich mehr? distanzieren und die entsprechend ablehnende Haltung der Erwach­ Schüler: nä mach ich aber I: senen übernehmen. Im abschließenden Mantawitz einiger Jugendli­ machst trotzdem und was gibts dann? Cl sec) cher, der die angebliche Dummheit eines Mantafahrers und typi­ Schüler: kommt drauf an ne schen ey-Sprechers zum Thema hat, kommt diese Einstellung über• Schülerin 2: = ja (.) ich darf das auch «Lachen» ach doch (.) spitzt zum Ausdruck. schreib doch mal ey «Stimme verstellt» I: ((lacht» Elisa: o fährt also nen mantafahrer ( ... ) also mantafahrer Schülerin 3:schreibt man das doch nicht (vor sätzen) C.. ) (... ) weißt du ey (.) du (.) ich mach jetzt einen auf 1I: und wie sprecht ihr (.) wenn ihr jetzt untereinander logismus (.) ey logismus? was is n losgismus ey? ha seid (.) unter freunden? Schülerin 2:ey (.) logismus (.) eh paß auf ich erklär das mal anhand eines kleinen beispiels ( ... ) ja gut ehm (.) paß auf (.) Schüledn 3:es kommt drauf an (.) wie der andere spricht du hast doch n aquarium ne? C) ja ey (.) dann haste Schüler: wir eytzen uns auch fische drin (.) ja ey (.) dann haste auch kinder (.) ja genau ey (.) wenn de kinder hast haste auch ne Eine 18jährige thematisiert offen diesen Unterschied in den Alters­ frau (.) genau ey (.) und wenn ne frau hast und kinder gruppen und setzt sich von dem Sprachverhalten der jüngeren Schüler dann haste ne familie (.) ja ey (.) ach das is logismus de~on~trativ ab: ,ja hm (.) ich denke so jüngere die müssen (.) das ey? find ich ja gut ey (.) er geht weiter trifft nen andern helßt mch lernen erstmal mit der sprache umzugehn aber (.) auf eine mantafahrer (.) ey du ey du weißt du was (.) ich mach art und weise wenn ich die jüngeren seh wie die sich so jetzt ein auflogismus ey (.) logismus C) was is n das? untereinander unterhalten so laut daß es auch jeder mitkriecht sich ja paß auf ich erklär dir das mal anhand eines ~uf ein'.'r art und weise irgendwie (.) ja nich beweisen aber (.) kleinen beispiels (.) also du hast doch n aquarium nä? ~rgend':le pro.voziern oder ey du bist echt kacke drauf oder is ja voll (.) nö (.) schwuler bock «Lachen)) ~ .lch mem das wirkt vielleicht son bißchen .c.QQ], son bißchen (.) Rainer: °du hast was vergessene Sle memen daß sie dadurch vielleicht erwachsen wirken". Elisa: was Offensichtlich entwickelt sich mit 15, 16 Jahren eine kritische Ein­ Christoph: ein ey oder sowas stellung zu~ ey. In Anbetracht gesellschaftlicher Erwartungen, wie (SchlobinskiJKohVLudewigt 1992: 195) B:rufsausblldung, versuchen sich die Jugendlichen das ey abzuge­ wohnen und gestehen den Eltern diesbezüglich eine Kontrollfunktion zu. Die Partikel ey - so läßt sich resümierend feststellen - ist das einzig signifikante sprachliche Merkmale in unserem Korpus, das prä- 142 ------

feriert auftritt und insofern als übergreifendes strukturelles Merk_ . . gkeit konnte in unseren Sprechstilanalysen besonders deutlich mal des "Jugend tons" begriffen werden kann. Es wird von den ferausgearbeitet werden, Jugendlichen flexibel, je nach Kontext bzw. Redebeitrag gebraucht Bei den Jugendlichen der Kirchengemeinde bilden die umfassen­ Dabei tritt es präferiert turnfinal auf und hat hier die Stellung eine; den gemeinsam geteilten Wissensbestände und die tiefen Kennt­ Gliederungs- und Rückversicherungspartikel. Dieses Ergebnis läßt nisse voneinander die Basis der Gruppenkommunikation. Da ver­ darauf schließen, daß dem ey im Sprechstil der Jugendlichen jene undert es nicht, daß in Gruppe I viele Dinge nur angedeutet werden Funktion zukommt, die in anderen Sprechweisen die Partikel ne W .. ssen ohne daß sich Verständigungsschwierigkeiten ergeben. mu , d . h oder wa erfüllen. Keywords eröffnen assoziative Variationsschemata, an enen .SlC ahezu alle beteiligen können. Da werden Themen ebenso haufig ;ewechselt wie die Gesprächsebenen, und trotzdem wissen all:, wo ~s 5. Fazit im Gespräch ,langgeh t', und schließlich fällt der häufige Ruc~grl:f auf vielfältigste kulturelle Ressourcen auf, die über ~ormen ,-,umet.'­ Wie sprechen Jugendliche wirklich? Auf welche Sprechweisen grei­ scher und verfremdeter Zitationen und kreativer Stllbastelelen Wle fen sie in bestimmten Kontexten zurück, und werden die in der Lite­ elbstverständlich in die Kommunikation eingebaut werden. Ent­ ratur (vgl. Kap.I) angeführten ,typischen' jugendsprachlichen :prechend den anderen Ausgangsbedingung~n ~onnte~ die S.chüler Merkmale präferiert verwendet? Dies waren zentrale forschungslei_ der Gruppe II keinen so intimen Kommumkatlonsstll entwlckeln. tende Fragen unserer Untersuchung. Da bisherige Arbeiten zur Ju­ Sie kennen sich zwar über die Schule häufig auch schon lange, ihre gendsprache den empirischen Nachweis für die Existenz spezifischer Kontakte sind jedoch - da primär durch die Schule bestimmt - Merkmale auslassen bzw. auf methodisch fragwürdige Weise erho­ oberflächlicher und von temporärer Natur. So finden sich - im be­ ben haben, gingen wir als erstes daran, mit der ,Brille jugendtypi­ grenzten Umfang - auch in der Schülergruppe die gleichen Stil­ scher Merkmale' unser umfangreiches empirisches Material nach merkmale wie in der Gruppe der Gemeindejugendlichen. Der Rück• einzelnen ausgewählten Merkmalen, wie Laut- und Wurzelwörtern griff auf kulturelle Ressourcen und Stilb~stelei~n gehört hier ~?en­ und Anglizismen, zu durchforsten. Die Durchsicht glich dabei aller­ falls zum ,Sprachrepertoire' der Jugendhchen, Jedoch fehlen haufig dings einer Spurensuche, so selten waren die Merkmale zu finden. die Partner die jene gruppenspezifischen und kulturellen Kennt­ Auch die kursorische Analyse nach weiteren ,typischen' Merkmalen, nisse mitbri~gen, um die Vorgaben eines Interaktionsteilnehmers zu die angeblich die Jugendsprache konstituieren, wie Sprüche oder Hy­ einem kreativen interaktiven Sprach spiel weiterzuentwickeln., Ist perbolisierungen, ergab, daß diese zwar gelegentlich auftraten, aber jedoch die Basis gemeinsamen Wissens und gemeinsam getellter eben nur gelegentlich. Von präferiertem Sprachgebrauch kann Erfahrung gesichert - in erster Linie bietet natürlich die Schule. den unseren Ergebnissen zufolge keine Rede sein. Wir gehen nunmehr Hintergrund - steht auch hier der Entwicklung von Sprachsplelen davo~ aus, daß diese Merkmale eine untergeordnete Stellung in der nichts mehr im Weg. Der folgende Ausschnitt soll dies beispielhaft Sprache der Jugendlichen einnehmen. Eine Ausnahme bildet nur die verdeutlichen. Hier wird der konventionelle Fremdsprachenunter­ in der Literatur kaum beachtete Partikel ey, welche sich in unserem richt zum Gegenstand der sprachspielerischen Verfremdung: Korpus als ein auffällig häufiges, jugendsprachliches Merkmal erwiesen hat. Nadine: wir machen jetzt deutschkurs (.) yes? Der methodische Schwerpunkt unserer Untersuchung lag aber we­ Susanne: = auja niger auf der lexikalischen Auswertung. Unser Forschungsinteresse Elim: = (she am) aktiv bezog sich primär auf die Analysen jugendlicher Sprechweisen. Auch Nadine: was ist passiv? «auch im folgenden mit verzerrter hier müssen wir feststellen: So wenig wie es die Jugendsprache gibt, nasaler Stimme. Sie ahmt damit eine Lehrerin nach)) gibt es den typischen jugendsprachlichen Stil. Vielmehr sind jugend­ Susanne: = ich lerne euch deutsch liche Sprechweisen in erster Linie von der jeweiligen Gruppenstruk­ Elim: passiv is? tur und Situation gekennzeichnet. Die Gruppen- und Kontextabhän- Kai: subjekt Elim: eh susanne wurde (.) geschlagen tunde der Fall ist. Daß jedoch auch leichte Veränderungen des Nadine: ((lacht)) Situativen Rahmens den Sprachgebrauch entscheidend verändern, Elim: susanne wurde gebumst (.) nadine wurde auch ~onnte an der Sequenz ,Pausengespräch auf dem Mädchenklo' gebumst gezeigt werden. . Mechmet: wer wurde gebumst? (.) susanne Als zentrale gruppen- und situationsübergreifende KennzeIchen Elim: = von ~? (.) von M1!l1 . gendlicher Kommunikation lassen sich die Kreativität, Spontani­ Nadine: äh (.) du laberst scheiße (.) wer oder was wurde ~t, Direktheit und Flexibilität hervorheben. Sie lassen eine ~ielzahl gebumst (.) das is (.) nominativ von Sprechstilen entstehen, die unter einer Schablone gar mcht zu Elim: ah nomina nominativ? akkusativ fassen sind. Jugendliche können problemlos zwischen vers~hie­ Nadine: wer oder was wurde gebumst? susanne und nadine (.) denen Registern springen, auf kulturelle Ressourcen zurüc~grelf~n, das ist nomonativ sie verfremden und auf diese Weise wieder einen neuen StIl kreIe­ Elim: nomona ((lacht)) ren. Sprechen als ,Spiel mit Sprache, kulturellen Mustern und Wer­ Nadine: nominativ t n' ist für Jugendliche zeitweise auch ein Spiel ,mit Grenzen'. Da Mechmet: susanne 0 k:nn Sprache sexistisch, rassistisch und persönlich angreifend sein, Elim: = von wem wurde gebumst (.) das is ak hne daß dies mit weitreichenden Konsequenzen verbunden ist. Im Nadine: und wurde gebumst (.) wurde is prädikat ~ier und Jetzt lebend nehmen Jugendliche sprachliche Kommunika­ Elim: = passiv C) passiv tion nicht so ernst. Nadine: prädikat Die Leichtigkeit, mit der auf sexuelle und medienbezogene Inhalte Elim: PASSIV (.) wurde C.. ) zurückgegriffen wird, zeigen hier nochmal abschließend die Kom­ Nadine: oh (.) wir machen jetzt russischkurs mentare einiger Jungen zum Tischfußballspiel. Susanne: oh no «Susanne ist Übersiedlerin)) Elim: wir machen bißchen ddrkurs (.) Eric: und da spielen sie (.) eh (.) wieder (.) Mechmet: keek mal rüber «imitiert norddeutschen Dialekt)) das is jetzt sperma 04 gegen «Lachen)) Nadine: ja klatt «imitiert sächsischen Dialekt)) gegen kondom 08 «Lachen)) und das tor für Elim: keep mal rüber ((lacht)) 08 (.) ja von eric knopflochschack Nadine: harn wers heut wieder klatt (.) inner ddr? DAS wÄR IHR PREIS GEWESEN (.) Elim: is plattdeutsch eine kühltruhe «Anspielung auf eine Game-Show)) Nadine: klatt Torben: eine kühltruhe Elim: jau jau (seppt) jaujau = Eric: mit «Klacken im Hintergrund)) fünf liter umfassung Susanne: klatt Torben: fünf liter umfan «Klicken im Hintergrund)) ich Nadine: ((lacht)) ja wir harns sehr klatt (.) wir solln erst nach kann nich mehr oben ins büro mechi Eric: meine damen und herrn (.) zu dem spiel fällt mir Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 417 f.) nichts ein (.) das spritz (.) und es spritz es aber es gibt ja noch die guten Neben dem Gruppeneinfluß ist als zweite zentrale ,Variable' der Si­ Horst: = lli:in tuationseinfluß von entscheiden er Bedeutung für die Ausgestaltung «Hintergrundgespräch)) des jeweiligen Sprechstils. So greifen die Jugendlichen verstärkt auf Eric: =kondome und da hörn se die schrein einen umgangssprachlichen Stil zurück, wenn die Situation durch C) ÄH (.) ÄH (.) ÄH (.) ÄH oh (.) da gehts weiter Erwachsene mitstrukturiert wird und der Rahmen bestimmte (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 33) Verhaltens- und Sprach anforderungen an die Jugendlichen stellt, wie es beispielsweise in einer Firmvorbereitung oder Unterrichts- Noch nicht völlig der Anforderung unterworfen standardspra hl· h N . B d 'c IC e IV Vom ,,A-Team" über ,,Herzblatt" zu ,,Rambo" oder: .ormen, WIe z. . as Berufsleben sie häufig abverlangt zu erf··11 U ,Jugendsprache' und Medien bIetet Sprache für Jugendliche Freiräume und Geleg'enheI·t ~nh' . I . h k I ' SIC sp,e ensc m,·t u turellen Mustern und gesellschaftlichen E t ungen auselllan. d erzusetzen. rwar_ Welchen Einfluß haben Medien auf den Sprachgebrauch von Jugend­ lichen? Wenn man die zu diesem Themengebiet vorhandene Litera­ tur durchschaut, so bescheinigt der größte Teil der Publikationen den Medien einen enormen Einfluß. Bekannt sind hier vor allem die Bü• cher von Neil Postman (1982; 1985), die zu heftigen Diskussionen und Kontroversen führten. Da wird vor allem den Medien die Schuld da­ für zugeschrieben, daß die Sprache der Jugendlichen ,verfällt'. "Jene sprachlichen Erwachsenengeheimnisse, die wir als ,schmutzige Wörter' bezeichnen, sind den Kindern und Jugendlichen heute nicht nur lediglich vertraut (was vielleicht immer der Fall war), sie wer­ den von ihnen auch genauso freimütig verwendet wie von Erwachse­ nen" (Postman 1982: 151). Auch andere Arbeiten kritisieren die ver­ meintlich schädlichen Wirkungen der Medien für Kinder und Ju­ gendliche und drücken dies z.T. schon in ihrem Titel aus: So fordert Mander (1979) "Schafft das Fernsehen ab!" und Winn (1984) bezeich­ net das Fernsehen gar als "Die Droge im Wohnzimmer". Solche Werke zeichnen sich vor allem durch eine reduktionistische Sicht­ weise aus, die den Einfluß der Medien in ein monokausales Reiz-Re­ aktions-Schema preßt (vgl. Rogge 1985: 165). Die vielfältigen Einflußfaktoren auf den Sprachgebrauch und die Sprachgestaltung von Jugendlichen, wie z.B. der Gruppeneinfluß, die jeweilige institu­ tionelle Einbindung, die Sprache der dominanten Umgebungskultur und vieles andere mehr bleiben völlig unberücksichtigt. Den reduk­ tionistischen Ansatz kritisierend, fordert z.B. Rogge (1985: 66) eine differenzierte Untersuchung und Analyse des Zusammenhangs von Medien und Jugendsprache. Was jedoch bei den meisten Arbeiten zu diesem Themenkomplex fehlt, ist eine empirische Herangehens­ weise an die Frage, inwieweit die Medien die Sprache von Jugendli­ chen wirklich prägen. Im Rahmen unserer Untersuchung haben wir das vorhandene Datenmaterial unter der Fragestellung durchgesehen, wann und in welcher Form jugendliche Sprecher auf die verschiedenen Medien­ ressourcen zurückgreifen. Als Ausgangsbasis für unsere Analysen dienten die Ergebnisse der Fragebogenerhebung zum Medienkon­ sum, die im folgenden dargestellt werden sollen:

14'1 1. Medienkonsum der Untersuchungsgruppen ~======Gruppe I Gruppe II Danach gefragt, welche Comics sie gerne lesen, wurden von den Ju­ gendlichen der Küchengemeinde (Gruppe I, N = 28) am häufigsten "Asterix", "Donald Duck" und "Micky Maus" (jeweils 6 Nennun_ weniger als 1 Std. 10,7% 6,3% gen), gefolgt von "Clever und Smart" (5 Nennungen) genannt. Mit 1Std. 25,0% 31,3% nur 2 von insgesamt 29 Nennungen (Mehrfachnennungen waren 2Std. 32,1% 12,5% möglich) nehmen die sog. Kult-Comics wie z.B. "Werner" nur einen 3Std. 21,4% 31,3% hinteren Platz ein. Bei der Schulgruppe (Gruppe II, N = 16) werden er­ 4Std. 10,7% 18,8% staunlich wenig Comics konsumiert. 10 Schüler gaben an, keine Co­ mics zu lesen, und nur "Micky Maus" und "DonaId Duck", mit 5 von o Stunden 2.96 3.25 insgesamt 10 Nennungen, scheinen bei dieser Gruppe noch gelesen zu --======werden. Tab. 4-1: Täglicher Fernsehkonsum Bei den Zeitschriften und Zeitungen zeigt sich ein eindeutiger Gruppenunterschied. Wesentlich mehr Schüler der Gruppe II greifen Betrachtet man nur den durchschnittlichen Fernsehkonsum, unter­ zu den sogenannten Teenagerzeitungen wie BRAVO, "Girl" und scheiden sich beide Gruppen nicht sehr. Die Jugendlichen der Gruppe "Mädchen". Dagegen lesen in der anderen Gruppe mehr Jugendliche II sitzen täglich eine halbe Stunde länger vor dem Fernseher. Leichte Fachzeitschriften und die Tagespresse. So gaben 20 von 28 Befragten Unterschiede treten beim Fernsehkonsum auf, der bei über 3 Stunden der Gemeindegruppe an, die örtliche Tageszeitung zu lesen. In der liegt. Während in der Gruppe I ca. jeder Dritte 3 und mehr Stunden anderen Gruppe wurde diese nur von 5 der insgesamt 16 befragten fernsieht, verbringt jeder zweite Schüler der Gruppe II die gleiche Zeit Schüler genannt. mit Fernsehen. Die Beantwortung der Frage nach beliebten Fern­ Die Frage nach gern gelesenen Büchern ergibt ein ähnliches Bild: sehsendungen ergab, daß bei allen Jugendlichen Serien jedweder Art In der Gemeindegruppe gab fast jeder Jugendliche mindestens einen ganz ,hoch im Kurs stehen'. Manche Jugendliche führten gleich Buchtitel an. In der zweiten Gruppe nannten dagegen nur die Hälfte ganze ,Batterien' von Serien wie nA-Team", "Airwolf" "Knight der Schüler überhaupt Bücher. In bei den Gruppen ist das Spektrum der Rider" , "California Clan" etc. auf. Im Gegensatz zu Gruppe II sehen gelesenen Bücher sehr heterogen. Es reicht von Jugendbüchern wie die Jugendlichen der Gruppe I darüber hinaus besonders gerne "Hanni und Nanni" über Abenteuer- und Fantasybüchern bis zu verschiedene Shows wie z.B. "Herzblatt", "Alles nichts oder". Fast ,Trivialliteratur' wie z.B. die Romane von Utta Danella. Die Jugend­ gleich häufig schalten die Jugendlichen beider Gruppen Sport- und lichen der Kirchengemeinde interessieren sich allerdings darüber Musiksendungen ein, wobei vor allem der fast ausschließlich hinaus häufiger auch für Fachbücher aus den Bereichen Geschichte Videoclips sendende Musikkanal "MTV" die Sehbedürfnisse einer und 'Mathematik. jugendlichen Zuschauerschaft zu erfüllen scheint. Die Vorliebe für Nicht nur im Konsum der Printmedien zeigt sich ein Gruppenun­ einzelne Sendungen zeigt sich im folgenden Gespräche einiger Ju­ terschied, sondern auch beim Fernseh- und Videokonsum. Die fol­ gendlicher während der Fragebogenerhebung im Jugendheim. Hier gende Tabelle zeigt, wie lange die Jugendlichen täglich vor dem reicht es bereits aus, die Namen der Serien, Shows und Showmaster Fernseher verbringen: kurz anzureißen, um von den anderen verstanden zu werden.

1 Peter: ich könnt jetzt knight-rider hinschreiben (.) nur aber 2 Jan: = je nach dem was (.) ja rich ey (.) richtig (.) 3 wir können aber 4 Peter: a-team (.) a-team (.) das a-team schreib ich dahin 5 Jan: ja (.) guck ich ja auch immer (.) stimmt

1m 6 Peter: das ahh 7 Jan: a-team (.) knight-rider muß ich mir alles k gucken mehr Videos in der Woche. Ganz anders sieht das Bild bei der · anguc en 8 Peter: d u sch reIbst doch wohl nich knight-rider h' ? zweiten Gruppe aus: Hier konsumiert jeder im Schnitt 3 Filme pro 9 Jan: natürlich (.) guck ich mir jeden abend () .I~. Woche. Mit knapp 27% ist der Anteil der Schüler, die mehr als fünf• 10 dienstag an . Je en mal pro Woche zur Videokassette greifen, sehr hoch. Der Filmge­ 11 BosseI: n(.)n(.)v schmack ist in beiden Gruppen sehr ähnlich. Actionfilme sind bei al­ 12 Peter: = oder guckt knight-ridero len Jugendlichen sehr beliebt, gefolgt von Komödien. Unterschiede 13 Jan: ja (.) was soll ich denn ~ gucken? lassen sich allerdings im Konsum von Horrorfilmen feststellen: 14 Peter: was kommt denn noch alles? Während in Gruppe I nur 1 Befragter dieses Genre nannte, waren es 15 BosseI: rudis halb . in der Gruppe II 37% der befragten Schüler. Hier sind einige erfah­ 16 Peter: = j~ (.) kommt dienstags sonst noch was rene Videoexperten anzutreffen, die sich auch bei Kampfsportfilmen 17 BosseI: rudls halbe stunde besonders gut auskennen: 18 Winnie: ~ erstmal ganz allgemein sruu:t 19 Peter: Ja (.) okay (.) ja 1 Darek: dann der eh kickboxer teil zwei (.) is gut 20 Jan: sag doch gleich herzblatt 2 Kai: ja der is 21 Peter: HERZBLATT das is gut(.1 sec) ich schreibe 3 Darek: sind gute kampfszenen 22 das herzblatt hin 4 Uwe: und auch karatetiger drei is auch gut 23 Jan: gu.ckt meine schwester immer (.) da flippt d' . 5 Darek: ja U bel aus Je Immer 6 Kai: karatetiger vier 25 Peter: äh (.) die mini-playback-show 7Uwe: ja (... ) vier is gut da is mit taekwondo der is voll gut 26 Jan: ja (.) iih (.) nein 8 Darek: = teil drei ja aber teil drei is nich so gut (Schlobinski/KohllLudewigt 1992: 182f.) 9Uwe: wo ich vier gesehn hab 10 Darek: = teil fünf is gut Gegenüber d F h 11 Uwe: = da war richtig bei mir n bißehen (.) kribbeln so Gruppen e~ ern se gewohnheiten zeigen sich zwischen beiden sum: gravlerende Unterschiede beim wöchentlichen Videokon- 12 eywau 13 Darek: = teil fünf is geil 14 Uwe: fünf? karate tiger? ======--- 15 Darek: könig der kickboxer (,) das spielt aber van damm Gruppe I Gruppe n 16 nich mit 17 Kai: o = ach der kein' Video 39,3% 6,7% 18Uwe: ja der hat doch nur die ersten drei gemacht 1 Video 25,0% 20,0% 19 Darek: ja da spielt eh nä 2 Videos 21,4% 13,3% 20 Kai: ne die ersten drei nich den ersten und den dritten 3 Videos 7,1% 20,0% 21 Darek: =ersten und den dritten 4 Videos 7,1% 13,3% 22Uwe: ach ja ja 5 und mehr Videos 0,0% 26,7% 23 Darek: = der zweite is ja nen rambo ey 24 Uwe: = ja (,) der zweite is n kriegsfilm den kannste 25 vergessen 26 Darek: = echt da wenn die das karate tiger zwei als fortsetzung 13 von 28 Befragten der Gruppe I verzichten auf Vid .' . 27 von dem ersten teil nä? beim ersten teil wurde sten sehen sich 1 bis 2 V'd d eofilme, dIe mel­ 28 vorwiegend gekämpft mit (bruce lee und so) I eos an un nur sehr wenige Jugendliche 29Uwe: = voll viel (.) zweimal 152 30 Darek: mit bruce (.) ja is aber war doch gut wissen' heraus, die in der folgenden Analyse näher dargestellt 31 Uwe: das war n karatefilm werden sollen: 32 Darek: ja (.) und der zweite teil kommt dann (.) nur maschi­ _ Spoteinblendungen: Zitationen aus dem Sprachregister des Medien­ 33 nengewehre und son scheiß bereichs werden in kurzer, blitzartiger Form in die Kommunikation 34 Uwe: = echt eingebracht, 35 Darek: ab und zu mal ne kampfszene _ Spielerische Variation: Erweiterter Rückgriff auf kulturelle Res­ 36Uwe: aber wenn dann warn die gut sourcen, die in spielerischer Form im Sinne des Bricolageprinzips (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 545f.) abgewandelt und verfremdet werden.

Der h~er erfolgte Austausch von detaillierten Filmkenntnissen zeigt, daß dIeses Medium für die Jugendlichen eine wichtige Basis für ge­ Medienspots ("black und decker von tack und tack'~ meinsam geteiltes Wissen darstellt. Das Gespräch ist ein typisches Expertengespräch, bei dem jeder Bescheid weiß, worüber man spricht. Werbesprüche bzw. die Verfremdung von Elementen aus der Wer­ Bei keinem Film muß die Handlung erklärt werden, Stichworte rei­ bung von Rundfunk und Fernsehen sind Spitzenreiter bei der spotar­ chen aus, um einander zu verstehen. tigen Verarbeitung von Medienwissen. tak (.) tak black und ~ecke~ Der tägliche Medienkonsum hat in bei den Gruppen einen erhebli­ von tack un tack (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 46) ruft Erle bel chen Stellenwert. Mit einem Unterschied: Die Gemeindejugendli_ einem Stich im Doppelkopfspiel. Dieser blitzartige Rückgriff auf die chen greifen häufiger zu den schriftlichen Medien wie Zeitschriften kulturelle Ressource ,Werbung' ist ein typisches Beispiel für die z.T. Comics, Bücher; dagegen schalten die Jugendlichen der Gruppe II öf: unvermittelte Einblendung von Werbung in verschiedene Ge­ ter den Fernseher und Videorecorder an. sprächskontexte. Eric verbindet die Ansage eines Stichs im Doppel­ kopfspiel ("Tacken") mit dem Namen einer bekannten W~rk­ zeugfirma, womit er die anderen in besonderer Weise auf semen 2. Auswertung und Analyse der Sprachaufnahmen Punktgewinn aufmerksam macht. Die Zitation bezieht sich in erster Linie auf die Imitation des in der Werbung verwendeten Sprach­ Die in der Literatur zu findende Annahme, daß den Medien ein we­ rhythmus, der gleichsam selbstverständlich in den Sprachfluß ein- sentlicher Einfluß auf die Sprachgestaltung Jugendlicher zukommt, gebaut wird, ohne eine weitere Sprechhandlung zu i~itiieren. . kann durch unsere Ergebnisse nur in eingeschränktem Maße bestä• Ähnlich unvermittelt greift ein weiterer Schüler Im Verlauf emer tigt werden. Zwar lassen sich in unserem Materialkorpus einige Stei­ Selbstaufnahme auf Werbung zurück. len aufzeigen, in denen auf Medien-Ressourcen zurückgegriffen wird; inwiefern diese aber in einem direkten Zusammenhang mit 1 Darek: kurwa «polnisch» pause (.) wir legen ne pause ein (.) dem Medienkonsum stehen, läßt sich letztendlich ebensowenig klä• 2 bis rtl-werbung ren, wie die Frage nach dem Einfluß der Medien auf das gesamte 3 Dieter: haha ((lacht» sei froh daß es cornflakes gibt «singt» Sprach- und Kommunikationsverhalten von Jugendlichen. Eine 4 ey mit cornflakes geht alles wunderbar (.) das war die derart monokausale Herangehensweise würde auch ins Leere füh• 5 rtl-plus-werbung (.2 sec) ren, den Einfluß der Medien einseitig überbewerten und die Jugend­ (Schlobinski/KohVLudewigt 1992: 325) lichen in eine passive Rolle drängen, die ihnen nach unseren Er­ kenntnissen nicht gerecht wird. Aus diesem Grunde beschränkten Nachdem Darek einen Fernsehansager imitiert, der einen Werbe­ wir uns auf die Untersuchungsfrage, auf welche Medien-Ressourcen block ankündigt, übernimmt Dieter die Passage des Werbespots. zurückgegriffen wird und welche Funktionen sie erfüllen. Singend wie in einem Rollenspiel trägt er einen selbsterfundenen Im Zuge der Untersuchung kristallisierten sich hier zwei Spruch für Cornflakes vor und bedient sich dabei überzogener Super­ spezifische Umgangsweisen der Jugendlichen mit ihrem ,Medien- lative , wie sie in der Werbung typisch sind. Anschließend geht er auf die Moderatorenebene zurück und beendet damit das Thema. Fünf Getränke mit 50% und mehr Fruchtgehalt als Saft deklariert werden Minuten später fordert Darek Dieter wieder auf, in das Aufnahmege_ dürfen. rät zu sprechen. Neben der Werbung sind Comics eine ähnlich unerschöpfliche Quelle von direkter Übernahme und Verfremdung. Mit den Worten 1 Darek: ich sag weiter weiter weiter weiter die kassette läuft (.) aue schaller (.) die totgeweihten grüßen nicht brrr (Schlobins­ 2 TEMPO ki/Kohl/Ludewigt 1992: 192) wird Marcel im Jugendheim von Rainer 3 Dieter: was soll ich noch sagen? empfangen. Diese situativ ausgelöste Begrüßungsformel kann als 4 Darek: TEMPO doppelte Verfremdung interpretiert werden. Ursprünglich wurde 5 Dieter: = das weiß doch schon die ganze welt dieser Gruß an den römischen Kaiser von den Gladiatoren vor 6 Darek: = tempo taschentücher ((lacht)) Beginn des Kampfes ausgerufen. Jedoch ist kaum davon auszugehen, 7 Dieter: mein gott nä daß Rainer eine historische Quelle zitiert. Vielmehr fußt sein Wis­ (SchlobinskilKohllLudewigt 1992: 329) sen auf einem Ausschnitt aus dem bekannten Asterix-Comic. Hier erfuhr der Spruch durch die Karikierung der römischen Geschichte Durch die Aufforderung tempo tempo setzt Darek Dieter unter Druck, seine erste satirische Verfremdung. Rainer übernimmt diesen endlich wieder etwas zu sagen. Als diesem aber nichts Passendes Spruch und wandelt ihn weiter ab. Indem er diesen Gruß verneint, einfällt, bricht Darek seinen Versuch ab und wandelt die ursprüngli• setzt er ihn in einen anderen - alltäglichen - Bezugsrahmen und che Bedeutung des Wortes Tempo (Geschwindigkeit und Eile) in den drückt damit seine Ablehnung gegenüber Marcel aus. Produktnamen Tempo-Taschentücher um. Damit wird die themati­ Nicht immer ist die Anwendung von Comicsprüchen so hinter­ sche Linie so schnell abgeschlossen wie sie eröffnet wurde - ein neues gründig. Meist werden sie, wie im folgenden Gespräch, direkt auf die Thema ist ,angesagt'. jeweilige Situation übertragen. Die plakative, schlagwortartige Sprache der Werbung wird nicht nur ,wiedergekaut' und situativ eingesetzt, sondern erfährt häufig 1 Tim: wenn er ne kreuz-dame hat (.) dann sach mal eine Verfremdung. 2 demnächst bescheid C) ne 3 I: bitte 1 Herr Meier: wieso hab ich hier kein strom? 4 Torben: °und wenn er beide kreuz-damen hat (.) hat er auch 2 Gerhard: weil (.) kein saft drauf is 5 alleso ((Hintergrundgespräche)) 3 ((Lachen)) 6 Milan: B. B. BESCHEID ((Lachen)) Cl sec) 4 Herr Meier: gibs doch wohl nich 7 Joachim: ooh 5 Darek: doch 8 I: = ganz normal ((Hintergrundgespräche)) 6 Herr Meier: haste das da rausgezogen? 9 Joachim: fehl 7 Darek: ich? ne (.) zehn prozent fruchtgehalt (.) mindestens (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 35) 8 ((lacht)) is kein saft drauf (.2 sec) 9 Herr Meier: klemmt irgendwas Cl sec) ach alles klar Hier handelt es sich um einen - vor allem in Norddeutschland be­ (SchlobinskilKohllLudewigt 1992: 287) kannten - :Werner -Spruch'. Kennzeichen dieser mimetischen Zita­ tion ist die vorhergehende Aufforderung durch die Umgangsformel Hier wird eine umgangssprachliche Ausdrucksweise weil (.) kein "sag mal bescheid", jemanden über etwas in Kenntnis zu setzen. Die­ saft drauf is - von einem Schüler in der Unterrichtsstunde geäußert - ser umgangssprachliche Ausdruck wird aber wörtlich genommen wörtlich genommen. Die spitzfindige Ironie besteht darin, daß Darek und damit verfremdet. Der "Werner"-Autor Rötger Feldmann hat den fehlenden Strom, für den ihn der Lehrer verantwortlich macht, diesen Sprachwitz anhand seiner Comicfigur "Werner" entwickelt mit Lebensmittelbestimmungen für Fruchtsäfte kommentiert. Die (vgl. S. 158), die Milan hier als Umgangsformel in das Doppelkopf­ Verordnung, mit der immer wieder geworben wird, besagt, daß nur spiel einbringt. ------_.~

Als dritte Quelle für Spotteinblendungen konnte der Fernseh- und Filmbereich ausgemacht werden.

1 Darek: gaby (.) er hat mich angegriffen (.) du bist zeugin 2 Dieter: ((lacht» 3 Darek: zeugin der gewalt BÖL.kST6I'F WfRN!R. DU (SchlobinskilKohl/Ludewigt 1992: 382) /5 SCHON BIST DRAN I SArI{ Hier wendet sich Darek während einer ,Kalberei' mit anderen Schü• NA lern plötzlich an die Interviewerin. Bei seinem Versuch, diese auf • seine Seite zu ziehen, kommentiert und ironisiert er die Situation durch verfremdetes Zitieren des Filmklassikers "Zeugin der An­ klage". Die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Sprachregistern schlagar­ tig springen zu können, - so läßt sich resümierend sagen - zeigt sich deutlich im spotartigen Zitieren von Ausdrücken und Sprüchen aus Werbung, Comic und Fernsehen. Manchmal wird nur für Sekunden ein Spruch oder Name aus den Medien eingeblendet, um dann zum vorhergehenden Sprechstil zurückzukehren. Dieser ,Ausflug' in die Mediensprache während eines alltäglichen Gesprächs, der von fast allen Teilnehmern verstanden wird, zeigt das breite kulturelle Me­ dienwissen. Je nach entsprechendem Kontext werden einige Sprüche mit den Stilmitteln der mimetischen oder verfremdeten Zitation ein­ gesetzt und haben oft eine kommentierende Funktion. Andere Zitati­ ons- und Ausdrucksweisen werden lediglich angewandt, um den Redefluß nicht abbrechen zu lasssen und sind damit als ,sprachlicher Füllstoff zu klassifizieren.

Sprachspiele

Der spielerische Umgang mit verschiedenen Sprechstilen, der im Bricolageprinzip seine spezifische Ausgestaltung findet, beinhaltet .. I'· .. \- .' gleichzeitig einen Rückgriff auf kulturelle Ressourcen und eine kreative Verknüpfung derselben. Den Medien - und hier besonders dem Fernseh- und Filmmarkt - kommt dabei eine zentrale Rolle zu, I I da diese angesichts des hohen Fernseh- und Videokonsums grup­ penübergreifend fast allen Jugendlichen bekannt sind. In einzelnen, lockeren, ,just for fun'-Situationen erweisen sie sich als die viel­ zitierte Quelle schlechthin. Aus: Werner - Wer sonst? (Band 7, 1983) ·Cherry Merry Muppets" 30 Martin: = chicco da (.) dieser brrr brrr 31 Josef: maus (.) reiß aus (.) plup «Raunen, Hintergrund)) Es ist das letzte Treffen der Firmgruppe vor den Weihnachtsferien. 32 Jan: mami (.) wie weit ist der saturn weg? ~ weit (.) wie Vier Jungen und zwei Mädchen im Alter von 14 und 15 Jahren lasse . . n 33 weit? frach .llllllil zusammen mIt emem erwachsenen Betreuer die letzte Stunde im Jah 34 Josef: frag mama (.) die räumt immer auf «Lachen» gemütlich mit einem Kaffeetrinken ausklingen. Die Stimmung is~ (SchlobinskilKohl/Ludewigt 1992: 54f.) ausgelassen und fr?hlich, als das Thema auf die Weihnachtsge_ schenke kommt. Bel der folgenden Aufzählung einzelner Wünsch e Jan (15 Jahre) steigt gleich mit einem für sein Alter ungewöhnlichen deutet sich bereits ein detailliertes Wissen über Qualität und Pre. Wunsch (ich wünsch mir ne barbie; Z. 1) in das Thema ,Weihnachts­ h · IS verse Iedener Markenprodukte an. Nach einiger Zeit meldet sich d geschenke' ein. Diese ironische Variation wird von allen Jungen 15jährige Jan zu Wort: er erfreut aufgenommen. Die dem Kindesalter längst entwachsenen Jungen zählen sich gegenseitig mit Wetteifer die ausgefallensten 1 Jan: ich wünsch mir ne barbie «Lachen» Puppen arten auf. Josef führt als erster einen neuen Typ ein. Die 2 Martin: he da «Lachen» Spezifika dieser "Magie Misery Babys" liegen in der neuartigen Be­ 3 Josef: JAHA (.) GIBS JA SOLCHE (.) die kann man ins stimmung des Geschlechts, denn durch Eintauchen ins Wasser färbt 4 wasser legen und dann weiß man (.) ob das n junge is sich die zur Puppe gehörende Unterhose blau oder rosa. ich habn 5 oder n mädchen mädchen ein eigenes kind au (Z. 8-9) zitiert Jan den Werbeslogan, 6 Jan: ja (.) das sind diese magie misery baby oder wobei er gleichzeitig den entsprechenden Tonfall imitiert. Mit der 7 irgend wie sowas «Lachen» Frage was is denn das da unter? (Z. 10) ergänzt ihn sein Freund 8 und dann (.) ICH HAB N MÄDCHEN (.) N EIGENES Martin. Die Bandbreite ihres Wissens und ihrer Fachkompetenz 9 KIND AU «Lachen» bezüglich Puppen wird endgültig deutlich, als sie nun schlagwort­ 10 Martin: was is denn das da unten? hubs artig verschiedene weitere Puppenarten in spielerischer Form 11 Jan: °dream-babyo mit verlängerbaren klappen «Lachen, nennen. Da gibt es einen "Straker", das männliche Pendant zur l2 Raunen im Hintergrund» Barbie-Puppe, ein "Dream-Baby", mit extra langen Wimpern und 13 Peter: l1lll:r miss make up (.) is die schwester von Augen, aus denen Tränen fließen können, und schließlich eine 14 Josef: = straker "Miß-Make-up-Puppe", die geschminkt werden kann, indem heißes 15 I: du bist aber gut informiert «Lachen , Wasser auf Lippen oder Lider gestrichen wird, so daß unsichtbare 16 Hintergrundgespräche» Farbe zum Vorschein kommt (Z. 11-17). 17 Martin: oder Diese Aufzählung wird schließlich von Josef mit der Beschreibung 18 Josef: = oder diese (.) diese dinger (.) die auch watscheln der allerneusten Puppen-Hits, den "Cherry Merry Muppets", beendet 19 Martin: cherry (.) merry muppet «Hintergrundgespräche» (Z. 18). Dies sind kleine Puppen, die die Kinder nicht nur visuell 20 Josef: WATSCHELBABY «Hintergrundgespräche» sondern auch über den Geruchssinn ansprechen. Mit bestimmten 21 Jan: CHERRY (.) MERRY MUPPET (.) sie kocht (.) sie sie Duftstoffen versehen, riechen sie z.B. nach Cola oder Kuchen. Neben 22 ist süß (.) und sie sieht süß aus dem englischen Puppennamen, den die Jugendlichen problemlos 23 Josef: = is die nich süß? und sie sieht süß aus «Lachen» abrufen können, ist ihnen auch der deutsche Ausdruck .Watschel­ 24 oder diese bautzi kids auf (.2 sec) Baby" geläufig. Wieder ist es Jan, der den entsprechenden Werbe­ 25 Jan: bautzi~ spruch im Tonfall eines Vorschulkindes imitiert; Cherry Merry 26 Josef: ja (.) da gibs jetz auch neue Muppet sie kocht sie sie ist süß und sie sieht süß aus (Z. 21-22). Dann 27 Martin: oder fisher-:u.rke. kehren die Jungen zu ihrem Aufzählspiel zurück und erweitern es 28 Josef: ja (.) oder fang den fisch (.) oder wie das heißt (.) wo auf den gesamten Kinderspielzeugbereich. Plakativ, in formelhafter 29 son hai immer Sprache spielen sie sich die Namen der Spielzeugprodukte (Bauzi

'M Baby, Fang den Fisch, Maus reiß aus) und der Herstellerfirmen 13 Darek: und schon is der alarm gelöscht (.) schon brennen die (Fisher Pdce, Chicco) zu (Z. 24-30). Das zum Teil kindlich an­ 14 ölfelder nich mehr ((lacht» mutende Konversationsmuster wird mit einer Eltern-Kind-Inter_ (Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1992: 326f.) aktion abgeschlossen, die in ein typisches, dialogisches Witzmuster gefaßt ist. Die aufeinander abgestimmte Kommunikation zeigt sich Ismarins Erscheinen im Klassenzimmer nimmt D~rek mit. einer hier wieder im ergänzenden Erzählen, bei dem einer den Witz expressiven Sprechhandlung oh scheiße auf und leItet daml~ zu~ beginnt und ein anderer mit der Pointe abschließt (Z. 32-34). Imitationsspiel eines Sportreporters über, das den Rahmen fur. d,e Die Jungen im Teenageralter haben offenbar keinerlei Schwie_ n folgende (verbale) Ausgrenzung Ismarins bildet. Dazu bedlent n d. rigkeiten, eine ,Batterie' von Kinderspielzeug aufzuzählen, dem sie sich Darek zunächst der Zitationsweise einer typischen Reportage, le längst entwachsen sind. Sprüche und Ausdrücke der Werbung _ auch aufeinen Spannungshöhepunkt hinweist: es herrscht ruhe tm saal. (Z. von Produkten, die sie überhaupt nicht mehr interessieren _ haben sie 2). Sodann springen Darek und sein Mitschüler Dieter gememsam jederzeit abrufbar gespeichert. Jedoch reproduzieren sie ihr Wissen um ersten Höhepunkt des Imitationsspiels über (Z.3-5). Durch z . d nicht bloß; vielmehr wird durch das aufeinanderfolgende Zitieren erfremdete Hilferufe täuschen sie ihre Angst vor Ismarm vor un und Imitieren der entsprechenden Spots durchgängig eine Ironie :ollziehen dadurch einen Wechsel vom Sportreporter zur gespielte~ erzeugt, womit sie letztendlich die massive Spielzeug- und Ge­ Opferrolle der sich in einem entsprechend verfremdeten Sprechsbl schenkwerbung in der Vorweihnachtszeit kritisieren. äußert. I; Anbetracht dessen, daß Ismarin als einer der kleinsten und schwächsten Schüler von den anderen kaum ernst genommen wird, Darek aber ein erprobter KampfsportIer ist und Dieter Ism.arin "Ismarin - der Rächer" um Kopfeslänge überragt, wird die Verfremdung besonders ~euthc~l. Das von Darek initiierte Sprachmuster aufgreifend schheßt slCh Im folgenden Beispiel wird in verschiedener Form auf Medienwis­ Selim dem eingeschlagenen Imitationsspiel seiner bei den Mitschü• sen zurückgegriffen, um über einen Schüler herzuziehen, der Außer• ler an. Unter Rückgriff auf spannungsgenerierende Elemente, wie seiter in der Klasse ist. Es ist eine typische Pausensituation, in der der idiomatischen Ausdrucksweise man könnte eine stecknadel fal­ einige zur Toilette gehen, andere sich zum Rauchen auf den Schulhof len hören und einer zunehmend verkürzten plakativen Sprechabfolge zurückziehen und wieder andere im Unterrichtsraum bleiben. Zur steigert er das Wortspiel. Mit den Stich worten der rächer und rambo 4 letzten Gruppe gehören Darek, Dieter und Selim. Sie klönen zusam­ (Z. 7) stellt Selim Assoziationen mit dem Filmhelden "Rambo" her, men und warten auf das Pausenende, als Dieter bemerkt, daß ihr der als Vietnam-Veteran in ,E.inzelkämpfermanier' siegr~ic~ Son­ Mitschüler Ismarin den Raum betritt. der aufträge ausführt und damlt zum Superhelden aufstel~ . Das Spiel mit Ismarin findet seinen nächsten Höhepunkt, als S~hm nach 1 Dieter: ismarin kommt einer künstlichen Spannungspause Bezug zur Realebene mmmt und 2 Darek: oh scheiße es herrscht ruhe im saal Ismarins Betreten des Klassenzimmers kommentiert. Der Kontrast 3 Dieter: ISMARIN KOMMT zwischen dem verbissen kämpfenden Rambo und dem grinsenden 4 Darek: ISMARIN IST GEKOMMEN HA HA ISMARIN (.) Schüler bringt den Widerspruch dieser Aussage besonders pointiert 5 ISMARIN SCHLAG UNS NICH hervor (Z. 8). Der Humor auf Kosten eines Schüler wird nun von 6 Selim: man könnte sogar ne stecknadel falln hörn (.) da 7 kommt er Cl ismarin der rächer Cl rambo vier (1.0) 8 und ismarin Cl er grinst (.) er grinst nur 1 Während der erste Film "Rambo" (First Blood) noch als "perfekt inszenierter, spannender Actionfilm" (Lexikon de.s 9 Darek: rambo vier martin ((Name» ((lacht» InternatlOnal~n Films 1987: 3049) bewertet wird, zeichnen sich d,e folgenden Telle 10 Selim: UND DA Cl UND DA HOLT ER IHN RAUS (.) OH 11 (Rambo I bis IV) durch eine zunehmende Verherrli~hun~ deryewalt NEIN Cl JETZT HOLT ER IHN RAUS Cl JETZT aus. Gewalt und Tötungsorgien" (ibid.) lassen d,e Fllmtede zum 12 SPRITZT DA "bluti~e(n) Actionkino" (Lexikon des Internationalen Films 1990: 549) absteigen. Schülern in den Kontext des aktuellen Wahlkampfes eingeordnet wird.

1 Gerhard: ey schulze (.) halt du mal die schnauze (.) du looser ey 2 Cl «Raunen)) 3 Dieter: = (du bist auch voll cool) 4 Gerhard: ficker ey (.1 sec) 5 Darek: ja ja (.) ja es entwickelt sich ein streit «Lachen)) 6 Darek: die wahlen sind vorbei jungs 7 Gerhard: schulze an die macht «Lachen)) 8 Dieter: hier 9 Darek: fickt euch der neue weg «(lacht)) 10 Mechmet: landeck der neue weg «(lacht)) 11 Darek: der neue weg zum altenheim ey 12 Gerhard: schulze der neue weg ist ins Ikh 13 «Lachen)) 14 Dieter: scheiß republikaner (.) mensch (.) halt die schnauze 15 Mechmet: echt ey 16 Darek: Ikh bka (SchlobinskilKohl/Ludewigt 1992: 289)

Gerhard geht in scharfer Form den Schüler Dieter (Schulze) an. Der aggressive Gehalt seiner Aussage wird dabei in mehrfacher Hinsicht deutlich. Er redet Dieter in persönlicher Form mit seinem Hausna­ men an, verbietet mit dem umgangssprachlichen idiomatischen Ausdruck halt du mal deine schnauze Dieter die Teilnahme am Ge­ spräch und verstärkt seine Aufforderung, indem er ihn als looser ti­ tuliert (Z. 1). Das Wort "Iooser" ist derzeit unter Jugendlichen seit dem Song "Einer ist immer der Looser" von Stefan Remmler weit verbreitet. Durch das Lied hat dieser Begriff als Synonym für Verlierer und Versager Eingang in den Sprachgebrauch Jugend­ licher gefunden. Nach dieser Beschimpfung steigert Gerhard noch­ mals seinen Angriff und tituliert Dieter als ficker. Darek kom­ mentiert die gestiegene Spannung mit einem dreifachen ja ja ja und nimmt sowohl auf inhaltlicher Ebene durch seinen Distanz schaf­ fenden, etwas ironischen Kommentar es entwickelt sich ein streit, als auch durch sein Lachen einen Stil- und Ebenenwechsel vor (Z. 5). Mit dem Spruch die wahlen sind vorbei jungs (Z. 6) etabliert er ein poli­ tisches Leitmotiv und setzt damit den vorangegangen Schlagabtausch in den thematischen Kontext des zum Aufnahmezeitpunkts herr­ schenden Bundestagswahlkampfes. Damit ist nun der Rahmen für Schülern in den Kontext des aktuellen Wahlkampfes eingeordnet wird.

1 Gerhard: ey schulze (.) halt du mal die schnauze (.) du looser ey 2 Cl «Raunen» 3 Dieter: = (du bist auch voll cool) 4 Gerhard: ficker ey (.1 sec) 5 Darek: ja ja (.) ja es entwickelt sich ein streit ((Lachen)) 6 Darek: die wahlen sind vorbei jungs 7 Gerhard: schulze an die macht ((Lachen» 8 Dieter: hier 9 Darek: fickt euch der neue weg ((lacht» 10 Mechmet: landeck der neue weg ((lacht)) 11 Darek: der neue weg zum altenheim ey 12 Gerhard: schulze der neue weg ist ins Ikh 13 ((Lachen» 14 Dieter: scheiß republikaner (.) mensch (.) halt die schnauze 15 Mechmet: echt ey 16 Darek: Ikh bka (SchlobinskiIKohl/Ludewigt 1992: 289)

Gerhard geht in scharfer Form den Schüler Dieter (Schulze) an. Der aggressive Gehalt seiner Aussage wird dabei in mehrfacher Hinsicht deutlich. Er redet Dieter in persönlicher Form mit seinem Hausna­ men an, verbietet mit dem umgangssprachlichen idiomatischen Ausdruck halt du mal deine schnauze Dieter die Teilnahme am Ge­ spräch und verstärkt seine Aufforderung, indem er ihn als looser ti­ tuliert (Z. 1). Das Wort "Iooser" ist derzeit unter Jugendlichen seit dem Song "Einer ist immer der Looser" von Stefan Remmler weit verbreitet. Durch das Lied hat dieser Begriff als Synonym für Verlierer und Versager Eingang in den Sprachgebrauch Jugend­ licher gefunden. Nach dieser Beschimpfung steigert Gerhard noch­ mals seinen Angriff und tituliert Dieter als fick er . Darek kom­ mentiert die gestiegene Spannung mit einem dreifachen ja ja ja und nimmt sowohl auf inhaltlicher Ebene durch seinen Distanz schaf­ fenden, etwas ironischen Kommentar es entwickelt sich ein streit, als auch durch sein Lachen einen Stil- und Ebenenwechsel vor (Z. 5). Mit dem Spruch die wahlen sind vorbei jungs (Z. 6) etabliert er ein poli­ tisches Leitmotiv und setzt damit den vorangegangen Schlagabtausch in den thematischen Kontext des zum Aufnahmezeitpunkts herr­ schenden Bundestagswahlkampfes. Damit ist nun der Rahmen für Selim auf die Spitze getrieben. Durch einen lauten, schnellen Schülern in den Kontext des aktuellen Wahlkampfes eingeordnet Tonfall, der einem Schreien gleichkommt, und durch die Wieder­ wird. holung einzelner Satzfragmente, die mit einer expressiven Sprech­ handlung oh nein verbunden sind, erzeugt er eine fiktive Spannungs­ 1 Gerhard: ey schulze (.) halt du mal die schnauze (.) du looser ey steigerung: und da (.) und da holt er ihn raus (.) oh nein (.) jetzt holt 2 (.) «Raunen» er ihn raus (Z. 10-11). Hier wird nicht, wie man zunächst vermuten 3 Dieter: = (du bist auch voll cool) könnte, ein Showdown im Western kommentierend nachgespielt. 4 Gerhard: ficker ey (.1 sec) Des Rätsels Lösung erfolgt im letzten Ausspruch jetzt spritz da (Z. 11- 5 Darek: ja ja (.) ja es entwickelt sich ein streit «Lachen» 12) und macht deutlich, daß es sich hier um den Vorgang der Onanie 6 Darek: die wahlen sind vorbei jungs handelt. Darek nimmt diese sexistische Botschaft auf und überträgt 7 Gerhard: schulze an die macht «Lachen» sie auf die während des Golfkriegs von Irakern entflammten Öl• 8 Dieter: hier feldern, von denen in den Medien in diesen Tagen regelmäßig be­ 9 Darek: fickt euch der neue weg «(lacht)) richtet wird. Damit greift er auf das durch Selims Stichwort Rambo 4 10 Mechmet: landeck der neue weg «(lacht)) erzeugte Kriegsbild zurück und schließt mit einem sarkastischen 11 Darek: der neue weg zum altenheim ey Ausblick die Sequenz ab (Z. 13-14). Mit seinem Vorschlag, die Brände 12 Gerhard: schulze der neue weg ist ins lkh durch das fiktive Sperma zu löschen, führt er die Verfremdung - 13 «Lachen» angesichts der dramatischen Kriegsereignisse - ad absurdum. 14 Dieter: scheiß republikaner (.) mensch (.) halt die schnauze Bei dem Versuch, einen Mitschüler aus der Gemeinschaft des Kur­ 15 Mechmet: echt ey ses weiter auszugrenzen, greifen die drei Jugendlichen in vierfacher 16 Darek: Ikh bka Hinsicht auf kulturelle Ressourcen der Medien zurück. Auf stilisti­ (SchlobinskilKohVLudewigt 1992: 289) scher Ebene ahmen sie (1.) den Sprechstil eines Sportreporters und (2.) den Erzählstil eines aus Cowboyfilmen bekannten Showdowns Gerhard geht in scharfer Form den Schüler Dieter (Schulze) an. Der nach. Auf inhaltlicher Ebene greifen sie (3.) auf den Film Rambo 4 aggressive Gehalt seiner Aussage wird dabei in mehrfacher Hinsicht und (4.) auf medienspektakuläre Ereignisse des Golfkrieges zurück. deutlich. Er redet Dieter in persönlicher Form mit seinem Hausna­ men an, verbietet mit dem umgangssprachlichen idiomatischen Ausdruck halt du mal deine schnauze Dieter die Teilnahme am Ge­ "Die Wahlen sind vorbei Jungs" spräch und verstärkt seine Aufforderung, indem er ihn als looser ti­ tuliert (Z. 1). Das Wort "Iooser" ist derzeit unter Jugendlichen seit Kurz nach Unterrichtsbeginn sind die meisten Schüler der dem Song "Einer ist immer der Looser" von Stefan Remmler weit Wahlpflichtgruppe mit den Aufbauarbeiten für eine Filmvorführung verbreitet. Durch das Lied hat dieser Begriff als Synonym für beschäftigt. Eine kleine Schülergruppe, Darek, Dieter, Mechmet und Verlierer und Versager Eingang in den Sprachgebrauch Jugend­ Gerhard, hat nichts zu tun. Sie kommentieren die Aufbauarbeiten der licher gefunden. Nach dieser Beschimpfung steigert Gerhard noch­ anderen, spielen mit den Geräten, reden über Mitschüler und versu­ mals seinen Angriff und tituliert Dieter als ficker. Darek kom­ chen auf diese Weise, die freie Zeit zu überbrücken. Da der Kurs erst mentiert die gestiegene Spannung mit einem dreifachen ja ja ja und seit drei Monaten läuft, sind die Interaktionen teilweise noch davon nimmt sowohl auf inhaltlicher Ebene durch seinen Distanz schaf­ geprägt, Positionen und Grenzen untereinander zu testen und fenden, etwas ironischen Kommentar es entwickelt sich ein streit, als auszumachen. Die Stimmung ist durch den Triumph einiger Schüler auch durch sein Lachen einen Stil- und Ebenenwechsel vor (Z. 5). Mit gekennzeichnet, sich erfolgreich vor den Vorbereitungsarbeiten ge­ dem Spruch die wahlen sind vorbei jungs (Z. 6) etabliert er ein poli­ drückt zu haben. Damit ist eine ideale Basis für Sprach spiele gege­ tisches Leitmotiv und setzt damit den vorangegangen Schlagabtausch ben, aber auch für Auseinandersetzungen. So beginnt diese Sequenz in den thematischen Kontext des zum Aufnahmezeitpunkts herr­ mit einern Streit zwischen Gerhard und Dieter, der von den anderen schenden Bundestagswahlkampfes. Damit ist nun der Rahmen für den spielerischen Diskurs gespannt. Gerhard entwickelt und ver­ zwei Schülern wird mit dem aktuellen Wahlkampf assoziiert, ein fremdet diese thematische Vorgabe weiter, indern er seinen Kontra_ Wahlkampfslogan zitiert und in mehrfacher Hinsicht soweit ver­ henten im Klassenzimmer mit dem politischen Aufruf schulze an die fremdet und erweitert, daß sich schließlich der Kreis zum anfängli• macht zum Kanzlerkandidaten aufsteigen läßt. Die anderen Schüler chen Streit wieder schließt. greifen diesen personenzentrierten politischen Schlachtruf auf und übertragen ihn auf den SPD-Wahlkampfslogan .der neue Weg'. Die SPD hat ihren damaligen Bundestagswahlkampf ganz auf den 3. Fazit Kanzlerkandidaten ausgerichtet. Entsprechend war dieser Wahl­ spruch sowohl auf den Plakaten als auch in der Werbung mit der Auch wenn die befragten Jugendlichen - insgesamt betrachtet - nur Person Oskar Lafontaine verbunden. Der Originalspruch wird nun gelegentlich ihr Medienwissen aktivieren, nehmen Massenkommu­ auf der propositionalen Ebene in spielerischer Form mehrfach nikationsmittel in ihrem Leben einen wichtigen Stellenwert ein. modifiziert. Oskar Lafontaine wird zunächst durch fickt euch (Z. 9) Dies zeigt sich nicht nur in dem hohen täglichen Fernsehkonsum der und dann durch Gerhards Nachnamen Landeck (Z. 10) ersetzt. Mit Jugendlichen, sondern auch in den sprachlichen Analysen. Das Me­ der Äußerung der neue weg zum altenheim ey (Z. 11) verfremdet dienwissen ist vielfältig, heterogen und den Jugendlichen laufend so Darek den Spruch um eine weitere ironische Stufe und transformiert präsent, daß sie es jederzeit abrufen und in die Kommunikation ein­ die Bedeutung des Wahlkampfslogans auf die Realebene, indern er bringen können. Da werden blitzartig Zitate und Fragmente aus dem Weg ein konkretes und nicht symbolisches Ziel vorgibt. Damit Werbung, Filmen und Comics in mimetischer oder verfremdeter leitet er langsam die stilistische Auflösung des Wahlkampfspruches Form in das Gespräch sozusagen ,hineingeschossen', die Sprech­ ein, ohne jedoch das typische plakative Sloganmuster gänzlich aufzu­ handlungen kommentieren, strukturieren oder einfach in Fluß hal­ geben. Gerhard greift diese Sinnverfremdung des Slogans auf, er­ ten. Medienwissen wird dabei nicbt nur einfach reproduziert, son­ weitert und steigert sie insofern, als er wieder an den Streit anknüpft. dern auch spielerisch verarbeitet, wobei verschiedene Register aus Er spricht Dieter direkt mit seinem Nachnamen an und weist ihm Film, Werbung und Nachrichten in kreativer Form miteinander seinen Weg ins LKH, dem vor Ort befindlichen psychiatrischen verbunden werden. Dieser spielerische Umgang mit Medien erwei­ Landeskrankenhaus (Z. 12). Der Werbespruch hat gleichzeitig mit tert die Funktion des Rückgriffs auf diese kulturellen Ressourcen diesem Ebenenwechsel eine fast gänzliche Auflösung erfahren, über die Kommentierung und Strukturierung der Kommunikation mdem Gerhard nun aus dem Slogan einen vollständigen hinaus: die Jugendlichen schaffen damit eine kritische Distanz zur Aufforderungssatz formuliert. Die ursprüngliche Auseinanderset­ Werbung, initiieren gruppendynamische Prozesse und nehmen zung zwischen Gerhard und Dieter wird auf der thematischen Linie hochbrisanten tagespolitischen Ereignissen ihre Dramatik. des Wahlkampfes fortgeführt. Dieter erwidert Gerhards Angriff, be­ Eine Schwarzmalerei in bezug auf Medien ist nach unseren Er­ schimpft ihn als scheiß republikaner und ist nun derjenige, der ihm gebnissen wenig angebracht: Weder "amüsieren sich die Jugendli­ den Mund verbietet (Z. 14). Er wird dabei tatkräftig von Mechmet chen zu Tode" (Postman 1985), noch werden sie durch die Medien zu durch ein kommentierendes echt ey unterstützt. Darek schließt den sprachlosen Analphabeten. Vielmehr zeigt sich, daß sie nicht passive Rahmen des politisch geprägten Sprach spieles und beendet gleich­ Konsumenten von Medien sind, die diesen nichts entgegenzusetzen zeitig den Streit: durch die Gegenüberstellung der bei den Institu­ haben, sondern daß sie ihr Medienwissen für eine spielerisch-kriti­ tionen LKH und BKA (Bundeskriminalamt), die für jeweils einen sche und kreative Verarbeitung nutzen. Kontrahenten stehen: Gerhard hat zuvor Dieter ins LKH verwiesen , während letzterer Gerhard als Republikaner beschimpft, einer extrem rechts gerichteten Partei, deren Aktivitäten schon seit längerem das Interesse des Verfassungsschutzes geweckt haben. Auch in dieser Sequenz zeigt sich die sprachspielerische Kreativi­ tät von Jugendlichen im Umgang mit Medien: Ein Streit zwischen V"Ich glaub, diese Ausdrücke gibt es auf der ganzen , Welt" - SpracheinsteIlungen Jugendlicher

Wie sehen Jugendliche ihre eigene Sprache? Wie bewerten sie sie? Wie schätzen Jugendliche die Sprache der Erwachsenen ein? Wie reagieren Eltern und Lehrer auf jugendliches Sprachverhalten? Diese Fragen bilden den Ausgangspunkt zur Untersuchung von Selbst- und Fremdwahrnehmungen der Jugendlichen bezüglich ihres eigenen Sprechstils. Drei Perspektiven werden hier besonders be­ rücksichtigt: zum einen die Definitionen und Einschätzungen von Jugendlichen zu ihrer eigenen Ausdrucksweise, zum anderen die Bewertungen des Sprechstils erwachsener Bezugspersonen und schließlich deren Verhältnis zur Jugendsprache. Insgesamt nahmen 43 Jugendliche zwischen 12 und 20 Jahren aus dem Umfeld der beiden Untersuchungsgruppen an dieser Studie teil. Ihre Einstellungen wurden über Leitfadeninterviews erhoben, so daß vergleichbare Gesprächsverläufe gewährleistet waren. Die Befra­ gung von Einzelpersonen und Kleingruppen fand in der Schule, in Jugendzentren und in Freizeitheimen statt. Um eine Vergleichbar­ keit zwischen den Befragten sicherzustellen, wurde als Einstieg in die Interviews eine einheitliche Gesprächsvorgabe gewählt. Anhand des Textes1 "In der Disko" (siehe S. 170) konnten die Jugendlichen ihre Einstellungen darlegen und ihre Ideen reflektieren. Eine Grup­ pendiskussion mit 12 Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren aus der St. Christopherus Gemeinde ergänzt die über die Interviews erho­ benen Daten. Mit dem Interaktionsbeispiel "In der U-Bahn" (siehe S. 170) wurde zum Gesprächseinstieg ein Text gewählt, der gezielt zur Auseinandersetzung provozierte. Über die Analyse des interaktiven Prozesses zwischen den Teilnehmern war eine weitere Aufdeckung des erzieherischen Verhaltens der Eltern und Lehrer gegenüber dem jugendlichen Sprachgebrauch aus der Sicht der Befragten möglich. Sowohl die Interviews als auch die Gruppendiskussion wurden auf Tonband aufgenommen, verschriftet und anschließend inhaltsana­ lytisch ausgewertet.

1 Bei den Beispieltexten handelt es sich um leicht überarbeitete Schü• lertexte aus Schlobinski /Blank 1990: 24,Ml. -~

Textbeispiel 1 - Einführungstext bei den Interviews 1. Jugendliche und ,Jugendspmche'

In der Disko Wie definieren Jugendliche ihre Sprache? (Ah die Begriffe, ey die Peter: Ey, kannste mir mal sagen, wie spät es is? Wörter) Karin: Ja wart' mal. Halb zehn. Peter: Ey, was, schon so spät? Fast alle Jugendlichen gingen im Interview spontan von einer Exi­ Karin: Hä? Wieso so spät? stenz der Jugendsprache aus und machten diese an sprachlichen Peter: Na man, ich warte hier auf 'nen Kumpel. Biste oft Merkmalen fest. hier? Die Partikel ey wurde übereinstimmend als typisches jugendli­ Karin: Es geht. Ich finde es hier eigentlich voll öde. ches Sprachmerkmal genannt. Ein 16jähriger Schüler hielt es z.B. Peter: Ey man, warum kommste nicht mit ins GALAXI, da is für ein wesentliches Erkennungszeichen: "ey und geil (.) und öde es voll gut. Echt dufte. Geile Musi und echt coole was is das? (.) heimatmusik (.) für diese (.) ah die begriffe ey die Typen. wörter". In einigen Interviews wurde ey aber zugleich ambivalent Karin: Ne danke! So'ne Rapper-Scheiße hör ich nich, und bei und distanziert eingeschätzt. Obwohl die meisten Jugendlichen diese den scheiß Pennern da find ich's voll öde. Partikel im Grunde ablehnen, gaben einige an, das ey unreflektiert Peter: Hä? Biste blöde? Stehste auf Heimatmusik oder wie? in ihre Ausdrucksweise übernommen zu haben. Einige versuchten Karin: Ne, nich gerade auf die. Aber die echt abgefahrnen mittlerweile, es sich abzugewöhnen:2 Typen im DSCHUNGEL sind geil. I: sprechen jugendliche denn so? Schüler: manche schon (.) das hat man sich auch schon angewöhnt so ey I: also du dir auch Textbeispiel 2 - Einführungstext bei der Gruppendiskussion Schüler: n bißehen I: n bißehen In der U-Bahn Schüler: versuchs mir jetzt aber abge zu gewöhnen (Schüler, 14 Jahre) 1. Jugendlicher: Ey, Alter, war geil die Fete gestern, wa? 2. Jugendlicher: Ja, echt ey, haste mich mit der Ollen gesehen? War Der Gebrauch der Partikel ey schien - wie bereits erwähnt - einigen steil die Braut, und dann war ich so hacke, ich bin echt abgestürzt, und Jugendlichen durch die in den letzten Jahren in Mode gekommenen jetzt 'schnall dich an Alter, dann kam die KIene auf mich zu und Mantawitze und -filme bewußt geworden zu sein (vgl. Kap.III). So fragte mich: "Willst mit mir tanzen?" Na, ja dann wollten wir doch sagte ein Gymnasiast (14 Jahre): "weil ich finde (.) das sind (.) eben nich tanzen. Wir sind lieber an die frische Luft gegangen, war echt so (.) daß das jetzt sone mode damit (.) manta da fX und h2.ßh ey". Ey abgefahrn. Ey, Alter, guck doch mal die Tussi da hinten, die mit dem assoziiert dieser Schüler mit den in den Witzen verulkten Mantafah- neongelben Pullover, die guckt die ganze Zeit rüber, die werd ich mal anmachen. Ey Puppe wie wärs denn mit uns beiden. Ich hab nen Six­ pack mit und Fluppen, dann könntn wir uns so richtig gemütlich bei mir machen. Mädchen: Sag mal haste nen Rad ab? Meinste, ich mach gleich die 2 Da es sich bei den in diesem Kapitel zitierten Gesprächsaus• Beine breit für dich? Verpiß dich doch! schnitten um Protokolle einer gesondert erhobenen Einstellungs­ befragung handelt, sind sie nicht im Materialkorpus (Schlobins­ ki/Kohl/Ludewigt 1992) zu den Sprechstilanalysen enthalten. rem, die nichts anderes ,im Kopf' zu haben scheinen als ihre AutosS Auszubildender: ziemlich (imponierend) ~er in diesen Witzen entwickelte Spracheode wurde von den Jugend: Schüler 1: ich hab nen großen blauen hchen als ,Mantasprache' oder ,Mantadeutsch' bezeichnet. I: also jetz is Für das Wort geil, das eben so oft wie ey als Beispiel fur Jugend_ Schüler 2: (wieviel geld hast du zur verfügung) sprache angegeben wurde, läßt sich ein solches zwiespältiges Ver­ Schülerin 1: .fI.I.!fr. kenn ich hältnis nicht wiederfinden. Die Jugendlichen waren sich vielmehr der Desemantisie~ung ?es Wortes geil im jugendlichen Sprachge_ Auch Wortverkürzungen - wie etwa Musi statt Musik - wurden als ju­ brauch bewußt. "DIes gell halt C.. ) das hatte ja früher ne ganz andere gendsprachliches Merkmal identifiziert, ebenso Satzverkürzungen bedeutung und heute heißt (.) geil halt sowas wie ID.!!2m:. und und af­ wie biste blöde, bei denen einzelne Wörter unter Auslassung von fen.lillI.rk" (Schüler 15 Jahre)4. Öde, herb und scheiße wurden noch als Buchstaben und ganzen Wörtern miteinander verbunden wurden. WeItere Wörter angegeben, die wie geil eine Bedeutungsveränderung Anders als bei dem Wort Musi stieß diese Verkürzung nicht auf ein­ erfahren haben und als Intensifier gebraucht werden. hellige Akzeptanz, da es für einzelne Jugendliche auch hier Analo­ Neben ey und geil, die am häufigsten aufgeführt wurden, sind ver­ gien zur sogenannten Mantasprache gab: "ich mein geile musi okay einzelt weitere sprachliche Merkmale als jugendtypisch genannt C) das sagt man wohl (.) ja coole typen und immer dies ey (.) das nä worden, wie etwa der Musikbegriff Rapperscheiße als Beispiel für (.) mh was is noch? ja rapperscheiße das is auch (.) sagt man wohl Wortneubildungen. In der Gruppendiskussion zeigte ein Auszubil­ auch (.) aber immer dies biste blöde C) stehste" (Schüler, 16 Jahre). dender (17 Jahre) u.a. den Prozeß von Worlneubildungen für den Be­ Widersprüchlich erscheint auf den ersten Blick die Anwendung griff Geld auf: von Anglizismen in bezug zur Einschätzung von Fremdwörtern im jugendlichen Sprachgebrauch. In der Gruppendiskussion wurden Auszubildender: ja eh (.) es werden eh für wörter andere Anglizismen als eine Quelle der Jugendsprache angegeben: ausdrücke eh gesucht zum beispiel für «Klacken im Hintergrund)) Schüler 2: ja aber das meiste die meisten wörter werden Schüler 1: = war nich nett einfach verkürzt oder nur so halb Auszubildender: = geld und eh ausgesprochen Schülerin 1: = °aua chrrchrro Auszubildender: oder eben ins englische übertragen Auszubildender: geld und geld und eh I: ehm (.) was zum beispiel Schülerin 2: = moos Auszubildender: ja eigentlich so Schüler 2: = kies Schüler 1: = shit Auszubildender: und (ähnliches) und irgendwie fürn Auszubildender: = oder so hundertmarkschein sagt man plötzlich blaue Schülerin 1: °fucking auch ° kachel oder irgendwie sowas Schülerin 1: = blaue kachel Andere waren wiederum der Meinung, daß Jugendliche weniger Schüler 2: °ja O Fremdwörter benutzen. "Irgendwie keine fremdwörter oder so (.) is Schüler 3: °jaO halt irgendwie total gut verständlich", beschrieb eine 18jährige Schülerin 1: nö ((lacht)) jetz kenn ichs Schülerin ihre Sprache. Eine mögliche Ursache für diesen Wider­ spruch kann darin gesehen werden, daß Anglizismen wie shit oder 3 Zum Erhebungszeitraum befand sich die Welle der Mantawitze auf fucking nicht mehr als Fremdwörter angesehen werden, sondern dem Höhepunkt und wurde intensiv kommerziell verwertet (Man ta­ mittlerweile in die Umgangssprache integriert sind und situativ ein­ bücher, Kinofilme usw.). gesetzt werden. 4 Mittelhochdeut~eh geil: "von wilder Kraft, üppig, lustig, begierig". Als Substantiv "Uppigkeit, Fröhlichkeit", vereinzelt "Hoden". Vul­ gär-sexuelle Konnotation erst im 20. Jahrhundert. Auch auf die Ebene der Idiomatik gingen elmge Jugendliche ein. an", sagte ein Schüler hinsichtlich seines Gebrauchs von Jugendspra­ Lockere und coole Sprüche sind für zwei 13jährige Hauptschüler We­ ehe und hebt damit den situativen Charakter hervor. Ähnlich um­ sentliche Kennzeichen der Jugendsprache innerhalb der Klasse: schrieben läßt sich diese Sichtweise in weiteren Interviews wie­ derfinden. Zwei 16jährige Hauptschüler verdeutlichten ihre ver­ Schüler 1: ja (.) die labbern an sich so schiedenen Sprechstile durch einen Vergleich von Gesprächen unter Schüler 2: = sicher bei uns inner klasse auch immer Freunden, in der Schule oder zu Hause: I: ja? Schüler 1: so voll die coolen sprüche wälzen die ab immer (.) so Schülerin 1: zum beispiel wenn man jetzt zu hause is und wie hier so mit freundin zusammen sitzt (.) dann spricht man eher normal als wenn man inner schule ist (.) weil (.) Während der Gruppendiskussion entwickelten mehrere Jugendliche hier schule (.) kriegste (.) mit der zeit kriegste hier n folgendes Sprachspiel, als ein Mädchen gerade davon berichtete, daß rappel Jugendsprache zu Hause verboten sei. Schülerin 2: und außerdem sagste inner schule doch leck mich doch am arsch oder sowas ((lachend)) wenn ich das zu S.chülerin: ah bei meinen eltern oder erwachsenen weiß nich da hause sagen würde echt ho wenn ich bei meinen eltern mache oder so würd ich glaub ich eine geschmiert kriegen Ein 17jähriger Gymnasiast war der Ansicht, daß der jeweils ver­ I: ehm wendete Sprechstil eng mit dem Interaktionspartner verbunden ist Schüler 1: oder so ne und in einzelnen Gesprächssituationen die entsprechende Selektion Schüler 2: oder so halt von Wörtern und Begriffen in Orientierung an die Gesprächsteil• Schülerin: oder so ((lacht)) nehmer automatisch vorgenommen wird: ,,( ... ) das ändert sich auch Schüler 3: geht natürlich auch noch so nich oder so vom personenkreis wo man jetzt grade ist (.) also (.) wenn man mit Schüler 4: zum wohl sein andern personen inner schule zusammen is (.) ja das hängt vom per­ sonenkreis ab ( ... ) und sonst also zu hause sprech ich (.) ja also vom Faßt man die Antworten aus den Interviews zusammen, so zeigt sich, ausdruck her so auch (.) aber (.) mh ja was soll man sagen (.) uah (.) daß Merkmale und Funktionen, die allgemein als typisch für die mh (.) ja zu hause (.) ja eben durch den umgang (... ) fallen eben auf Sprache von Jugendlichen angesehen werden, auch von ihnen selber andere wörter und begriffe ein sätze und so weiter". entsprechend bewertet wurden. Der eigenständige Rückgriff auf die Als typisch für den Gebrauch von Jugendsprache wurden Interak­ Partikel ey, Wortneubildungen und -veränderungen, Desemantisie­ tionssituationen mit Gleichaltrigen bzw. Peer-groups angegeben. Da­ rungen, Sprüche und Sprachspiele lassen auf ein z.T. hohes sprachli­ bei nimmt die Schule als institutioneller Treffpunkt für Gleichaltrige ches Reflexionsniveau schließen. einen bedeutenden Stellenwert ein, gefolgt von privaten Zusam­ menkünften mit Freunden oder Cliquen, Diskobesuchen und Feten. Einzelne Jugendliche gaben an, ihre jugendliche Ausdrucksweise Wann sprechen Jugendliche ,Jugendsprache'? (Das ändert sich auch auf den engsten Freundeskreis zu begrenzen - sozusagen als Sprache vom Personenkreis, wo man jetzt grade ist) der Intimität - und sie nicht gegenüber Aufsichtspersonen - wie etwa Lehrern - anzuwenden: "ich mein wenn man das (.) mit irgend ner Die Äußerungen der Jugendlichen zu ihrem situativen und perso­ aufsichtsperson so spricht dann is da n bischen blöde aber (.) ich mein nenspezifischen Sprachgebrauch können über das vermutete hohe so im freun im engsten freundeskreis wird wohl eigentlich immer so sprachliche Reflexionsniveau weiteren Aufschluß geben. gesprochen" (Schüler, 15 Jahre). Jugendliche sind sich durchaus bewußt, daß sie nicht immer den gleichen Sprechstil verwenden. "Ja es kommt auf die Situation drauf In der Schule wird vorwiegend in unbeaufsichtigten oder unstruk_ tive Bedingung angesprochen: "manchmal weils vielleicht cooler is turierten Situationen auf Jugendsprache zurückgegriffen, wie z.B. in (.) wenn sie ((die Jugendlichen)) so sprechen (.) vielleicht sprechen se Pausen oder auf Klassenfahrten. nich so gerne so wie die erwachsenen (.) wollen halt C) eigen sprechen nicht so wie die andern (.) die erwachsenen die sprechen (.) Schüler: C.. ) wir hatten jetz letztes mal son gespräch inne auf ihre art". Dieser Jugendliche kritisierte zugleich den mit einer großen pause mit der (( Klassenlehrerin» übern Abgrenzung verbundenen In-Group-Code, der nicht nur für Er­ anderes mädchen wachsene, sondern auch für Jugendliche, die nicht zur Gruppe ge­ I: mhm hören, schwer verständlich ist. So waren ihm die in den Textbei­ Schüler: und da is das auch mal son biß ehen sacht verrucht (.) spielen (vgl. S. 170) verwandten Ausdrücke selbst nicht geläufig: die jugendsprache hier mit reinzubringen und das das kann man nich so richtig verstehn was die sagen C) also sone wurde ganz schön lustig das gespräch O. wir warn "rapperscheiße ich weiß auch nich was das so heißen soll oder C) die eigentlich mehr am lachen als am reden über die typen im dschungel (.) ich wei (.) versteh ich nich". probleme (.) die inne klasse warn Ein weiteres interessantes Ergebnis zeigt sich beim Vergleich der I: mhm (.) also ihr habt über die probleme gesprochen Antworten jüngerer Interviewter zwischen 12 und 14 Jahren mit und da seid ihr automatisch in jugendsprache denen der älteren Jugendlichen. Für die Jüngeren hing der Gebrauch gekommen? von Jugendsprache nicht nur mit den Interaktionspartnern zusam­ Schüler: ja (.) automatisch reingekommen (.) und da wurd men, sondern auch mit der eigenen psychischen und physischen daraus n ziemlich lustiges gespräch Stimmung. So gaben vier Orientierungsstufenschüler und -schüle• rinnen an, daß sie Jugendsprache sowohl in emotional entspannten Einige Befragte gaben dabei an, keine Unterschiede im Sprechstil ge­ als auch angespannten Situationen benutzen: genüber Mitschülern oder Lehrern zu vollziehen und letztere ebenso anzusprechen wie gleichaltrige Freunde. Dies wird offensichtlich Schüler 1: wenn man abgeschaltet ist irgend wie von einigen Lehrern toleriert: ,ja (.) aber bei den lehrern sprechen Schülerin 1: abgeschaltet? (. .. ) wir auch so ähnlich (.) die sagen es (.) und mit unsern lehrern reden Schüler 1: ja (.) wir habens wir auch immer so" (Hauptschüler, 14 Jahre). Eine 15jährige Schüle• Schülerin 1: du bist dauernd abgeschaltet rin schätzte die jugendlichen Sprechstile in der Schule als vorherr­ Schüler 1: = ich weiß schenden Kommunikationsstil ein: "ich weiß ni eh (.) in der schule I: wenn man völlig k.o. is (.) meinste oder so (.) wenn man sich unterhält (.) wird man da täglich mit kon­ Schüler 1: ja C) irgendwie so (.1 sec) frontiert und ich kenn das irgendwie nich anders". I: wann eh Während der Gruppendiskussion suchte ein Jugendlicher (16 Schüler 2: wenn man jemanden anmachen will Jahre) nach einer Erklärung für den Gebrauch von Jugendsprache in der Schule. Demnach ist es schwierig, Mitschüler während des Unter­ Und zur Anwendung jugendsprachlicher Merkmale zu Hause sagen richts anders anzusprechen als in den Pausen, so daß auch jugend­ sie: sprachliche Elemente in den Unterricht einfließen, und sich die Leh­ rer inzwischen daran gewöhnt haben: "die lehrer gewöhn sich auch Schüler 2: außer wenn ich sauer bin (.) fang ich mit ey an C.. ) dran ich mein kann ja nich genau acht stunden in einer stunde und Schülerin 2: ja dann kann man immer reizen dann pause da normal reden und wieder stunde (.) man macht das Schülerin 1: oder wenn ich aufgeregt bin inner stunde teilweise so". Die in der Literatur erwähnte Abgrenzungsfunktion der Jugend­ Drei 13jährige klassifizierten den im Textbeispiel 1 auffälligen Stil sprache von der Erwachsenenwelt (vgl. z.B. Henne 1986, S. 204f) als Imponiergehabe bei der Aufnahme erster heterosexueller Kon­ wurde von einem Schüler (13 Jahre) lediglich als eine mögliche situa- takte und bei ,Kämpfen'. Schüler 1: ich glaub bei mädchen oft bei mädchen glaub ich Wie bewerten Jugendliche ihren Sprechstil? (Ich glaub, das machen Schüler 2: = ja wollt ich grad das auch sagen (.) genau das alle durch) machen ganz viele bei mädchen wenn se sich cool fühln wolln (..) Obwohl die meisten Jugendlichen wie selbstverständlich von einer Schüler 1: = bei mädchen (.) ja Existenz der Jugendsprache ausgingen, fiel ihnen eine eindeutige Schüler 3: oder wenn sie sich kloppen Bewertung dieses Sprechstils schwer. Dies mag z.T. auch damit zu­ sammenhängen, daß die Interviewten zwar ,typische' Merkmale von Die jüngeren Jugendlichen (12 - 14jährige) benutzen jugendliche Jugendsprache beschreiben, aber dennoch keine eindeutige Abgren­ Sprechstile auch, um emotionale Erregung oder Unsicherheit zu be­ zung zu anderen Sprechstilen vornehmen konnten. wältigen. In diesen Situationen greifen sie auf coole Sprüche oder Insgesamt lassen sich die Antworten der Jugendlichen in 3 Grup­ lässige Worte zurück. Ältere Jugendliche geben diesen psychischen pen aufteilen: Aspekt nicht mehr an, sondern heben eher den individuellen und dif­ 1. positive Einstellung zur Jugendsprache, ferenzierten Gebrauch jugendlicher Ausdrucksweisen hervor. Expli­ 2. positiv-kritische Einstellung zur Jugendsprache, zit faßte es ein Gymnasialschüler (18 Jahre) zusammen: 3. ablehnende Einstellung gegenüber jugendlichen Sprechstilen. Entsprechend dieser Aufteilung sollen nun die Ergebnisse vorgestellt I: und wie findest du die sprache der jugendlichen? werden. Schüler: mh (.1 sec) die verändert sich ziemlich stark (.) würd ich sagen (1) Dreizehn Antworten der 43 interviewten Jugendlichen ist eine po­ I: mhm sitive Einstellung zum jugendlichen Sprechstil zu entnehmen. Diese Schüler: immer ja nach (.) je nach clique oder wie man das Jugendlichen - im Alter von 12 bis 20 Jahren - ordneten sich selber der immer nennen soll (.) auf jeden fall je nach nach Gruppe zu, die Jugendsprache benutzt, und sahen dies als selbstver­ gruppe oder nach nach ortsteil geht das sogar auch ständlich oder normal an. Die positive Bewertung des eigenen schon Sprechstils wird häufig in Abgrenzung zum Sprachgebrauch der Er­ I: mhm mhm wachsenen vollzogen und mit entsprechenden Attributen belegt. Schüler: ja (.) und eben auch nach alter I: mhm Schülerin 2: nich so komplizierte sätze irgendwie keine Schüler: und nach (.) ja wie lange man eben aufe schule geht fremdwörter oder so (.) is halt irgendwie total gut verständlich Für nahezu alle Jugendlichen ist Jugendsprache ein Sprechstil, der _ Schülerin 1: und solche wörter sind irgendwie wie lockerer wenn überhaupt - situativ und überwiegend in schulischen und I: mhm außerschulischen Peer-groups angewendet wird. So nehmen sie bei Schülerin 3: ja man kann sich auch irgendwie mit gesten der Definition von Jugendsprache neben der Unterscheidung sprach­ ausdrücken licher Merkmale auch eine Differenzierung hinsichtlich des Ge­ Schülerin 2: = auch irgendwie direkter find ich sprächsrahmens vor, wie etwa nach situativen Voraussetzungen (zu Schülerin 1: also würd mal nich mehr sagen tschüß alter (.1 sec) Hause, in der Schule usw.), nach den Interaktionsteilnehmern nach Schülerin 3: ((lacht» Alter und persönlicher Stimmung. ' I: mhm Schülerin 1: weils eben (.) es ist nich höflich (.) daß man ne höflichkeitsform vielleicht 0 I: ja Schülerin 2: also ich find das persönlicher (.) is klar (.1 sec) ((3 Schülerinnen, 18-20 Jahre alt» O.ffen~eit, Direktheit, Ehrlich.keit un~ eine. gewisse Respektlosigkeit, diese Freiheit in der Ausdrucksweise gestand er aber nur Jugendli­ dIe haufig als locker umschneben WIrd, smd nach Ansicht der Ju­ chen zu; Erwachsene würden damit unglaubwürdig. gendlichen typische Kriterien der Jugendsprache. Diese Merkmal ermöglichen eine offene Kommunikation, die strategisch-verdeckte: Schüler: mh (.) meistens nicht (.) also (äh) und so weiter sagter Handeln ausschließt: ((der Lehrer» wohl (.) aber wenner sowas benutzt das (.) da lachen alle schüler so Schülerin 1: = ich find die jugendlichen besser I: mhm I: was is besser? Schüler: weil man das sofort merkt (.) wenn einer versucht so Schülerin 1: die reden einfach cooler (.) ich weiß nich zu sprechen wien jugendlicher Schülerin 3: die jugendlichen sind mehr offen als die erwachsenen I: mhm Schülerin 1: ja Schüler: und so sich da versucht so einzuschleimen (.) Schülerin 3: die erwachsenen haben mehr (.) also sprüche drauf (.) die die man gar nich versteht Selbstbewußt stand dieser Schüler zu seinem Sprachgebrauch. Ju­ Schülerin 2: die tun dann immer so freundlich gendsprache ist ein Stück ,Freiheit', die mit dem Eintritt ins Erwach­ Schülerin 3: ja und sowas senenalter endet. I: aha Schülerin 3: und man sagt vielleicht auch die meinung nich ins Schüler: weil ich ja selbst auch so rede (.) von daher nich (.) gesicht und (.) wenn man die meinung ins gesicht also jetzt wenn man sagt ja hier (.) verfall deutscher sagt dann is das viel besser sprache oder so weiter (.) find ich überhaupt nich ((3 Schülerinnen, 14 Jahre alt» I: findste nich Schüler: ne ne (.) das is auch (.) ich glaub das (.) machen alle durch D~e p~sitive Bewertung der Jugendsprache korrespondiert bei einigen mIt emer entsprechenden Lebenseinstellung. Ein Jugendlicher (16 Jugendsprache, so läßt sich aus den Interviews der Befürworter her­ Jahre) fühlte sich beispielsweise durch den Gebrauch von Jugend­ auskristallisieren, zeichnet sich durch einen direkten, ehrlichen, of­ sprache freier, da er sich hier weniger an allgemeine Sprachkonven­ fenen und eigenständigen Umgang mit der Sprache aus. Dies unter­ tionen zu halten braucht: scheidet sie von dem Sprechstil der Erwachsenen. Zu ähnlichen Er­ gebnissen kamWachau, die in ihren Einstellungsuntersuchungen Schüler: ja (.) also ich find se gut (.) also ich hab nichts dagegen vier vergleichbare Merkmalskategorien herausarbeiten konnte: weil ich auch eben selbst so spreche Sprachwitz, Direktheit, SpontanitätJKreatitivität und Ungezwun­ I: was gefällt dir da dran ((an der Jugendsprache» wenn genheit (vgl. Wachau 1989: 81-87). de jetzt mal so überlegst? Schüler: ääh (.) ja (.) also man kann eigentlich sagen was man (2) Die Hälfte der befragten Jugendlichen nahm sowohl positive als will (.) so isses (.) nich? (.) ja also (.) so so bestimmte auch negative Seiten an der Jugendsprache wahr. Insbesondere die­ (.) .ia das stimmt ja (.) also man kann ja irgendwie (.) sen Jugendlichen fiel es schwer, Jugendsprache gegenüber anderen ehm (.) etwas irgendwie ausdrücken man sagt jetzt Sprechstilen abzugrenzen, zumal sie erkannten, daß sie selbst einen nich (.) ha nein das wort gibts nich oder so jugendlichen Sprechstil verwenden und ihn zugleich in Teilen ab­ lehnen. Neben einem freien Sprechstil hob dieser Jugendliche die Möglich• Zwei Gymnasiastinnen (17 Jahre, 20 Jahre) nahmen beispiels­ keit, kreativ mit der Sprache umzugehen, hervor. Das spiegelt sich in weise eine eher schichtspezifische Einordnung vor. der Schöpfung neuer Ausdrücke und Witze wider. Diesen Vorzug und Schülerin 1: das hört sich immer so an als wenn das die dummen Mehrere Befragte gaben an, jugendliche Sprechweisen situativ zu hauptschüler sagen sozusagen nä? benutzen, grenzten sich aber von bestimmten Sprechstilen, wie der be­ I: mhm reits erwähnten ,Mantasprache', ab. Schülerin 1: so immer diese (.) die so QQQl sein wollen sozusagen I: mhm Schüler: mich nervt das eigentlich immer so (.) wenn man Schülerin 1: find ich schon bischen mies aber jeden satz immer mit llX anfängt und llX b2ah llX (.) so I: ja (.2 sec) ja wie findet ihr (.) das sonst? weiter (.) das nervt mich ziemlich O. ich sprech lieber Schülerin 2: = ja ich weiß nich (.) obs nich vielleicht (.) obs nich mit einem so vernünftig vielleicht (.) nich nich (.) schlecht is (.) wenn man I: mhm sich seine sprache san bißchen vereinfacht nä? Schüler: vernünftige sätze sowas (. . .) also ab und zu ja (.) dann I: mhm kommt das ja manchmal auch mal lustig so (.) mal Schülerin 2: also wies so zum beispiel die amerikaner machen (.) son ey einbaun und sowas (.) aber im allgemeinen die die die ketchup mit cat (.) c a t und dann up (.) ich sprech ich lieber ordentlich mit allen mein (.) warum nich? (Schüler, 16 Jahre) I: mhm Schülerin 2: is doch so ansichtssache ne Kontinuierlich eingesetzt wird die Partikel ey hier als eintönig und stupide empfunden. Ein situativer, flexibler Gebr~uch ~ann hing~­ Diese Interviewten konnten zwar Vorteile in der Jugendsprache ent­ gen abwechslungsreich und auflockernd sein. Der mtervlewte Schu­ decken, wie etwa die Verkürzungen und Direktheit in manchen Aus­ ler faßte seine Meinung über Jugendsprache prägnant zusammen: drücken oder Redewendungen, doch ordneten sie diesen Sprechstil "wenns nich grade das mantadeutsch is (.) isses ~e:. . . . nicht einer bestimmten Altersgruppe, sondern einem Bildungsni­ Eine ähnliche Abgrenzung zum ,Mantadeutsch laßt slch m Welte­ veau zu. Damit wird zugleich ihre Selbsteinschätzung als Schülerin• ren Interviews wiederfinden. Im folgenden Ausschnitt wird der Ge­ nen des Gymnasiums deutlich. brauch der Partikel ey mit Dummheit gleichgesetzt:

Schülerin 2: ich glaub nich daß das den (.) unterschied zwischen Schülerin 1: das hat sich so ab (.) eingebürgert das ey so jugend- und erwachsenen sprache is sondern ich Schülerin 2: ja denke daß es einfach n (.) n zeichen weiß ich nich von I: gehört dazu (.) wie findet ihrs dann (.) wenn man so intelligenz oder auch von von von von dem stand is spricht? den man so hat (.) ehm (.) ich denke daß sicherlich in Schülerin 1: schrecklich in in in (.) unteren schichten das klingt immer alles Schülerin 3: ja so abgefahrn ((lacht)) Schülerin 4: echt I: (jeder sagt wohl 0) Schülerin 2: das hört sich so an als wenn man nichts im kopf hat Sch ül erin 2: in unteren (.) daß in unteren .schichten die sprache Schülerin 3: primitiv hört sich dat an (.) total primitiv wohl mehr vereinfacht wird als (.) als ja (.) wird ja Schülerin 4: =ja auch aufm gymnasium (.) mehr (.) also (.) mehr Schülerin 1: ja wie als wenn man mit jemand redet der nichts im anspruch (.) verlangt irgendwie nä kopf hat «4 Schülerinnen, 15 bis 17 Jahre))

Die Mädchen betrachteten sich weniger als Mitglied der Altersgruppe Ausdrücke, die der Fäkaliensprache entnommen sind, wurden von Jugend, sondern identifizieren sich vielmehr über ihre Zugehörigkeit Jugendlichen dieser Gruppe ebenso abgelehnt. zur höheren Schule und der damit assoziierten sozialen Schicht. I: und wie findest du die sprache der jugendlichen? wird: "und so (.) ich ertapp mich zum beispiel dabei (.) daß ich inn Schüler: ganz okay ich meine es gibt da zum teil sachen (.) die schon ziemlich viele fremdwörter so drauf hab C) die die ich sonst nie find ich nich so toll aber (.1 sec) gesagt hätte C) die denn einfach so mal so dazwischen flutschen". I: was gefällt dir denn nich so? In diesem Zusammenhang kam der interviewte Schüler auf den Schüler: = 0 (.) ja ich weiß nich so so härtere ausdrücke zum ,Sprachverfall' zu sprechen: "nja (.) ich schätz mal C) daß dieses kli­ beispiel (.) ja nun scheiß das sag ich auch wohl mal scheebild da denn wohl stimmt (.) so mh (.4 sec) ja teilweise eben die­ und so aber (.2 sec) so widerliche ausdrücke (.) ses superneue C) daß das eben rauskommt und C) daß doch die alte vielleicht doch nich sprache nich mehr verstanden wird und nieh mehr C2 sec) ja nich I: mhm (.) was sind jetzt widerliche ausdrücke? mehr angewendet wird". Dieser Jugendliche ist sich nicht sicher, wie Schüler: ich weiß nich fotze (.) kotze zum beispiel oder sowas er den von ihm prognostizierten Sprachwandel und damit sein Ver­ I: äh (.) achso das (.) findste nich so gut hältnis zur Jugendsprache bewerten soll. So lehnt er einen häufigen Schüler: nää (.) find ich widerlich ich meine gut (.) macht mir Gebrauch von jugendsprachlichen Merkmalen ab, kritisiert aber zwar nich viel aber ich denk auch w~nn man sowas zugleich diejenigen Lehrer, die auf einer traditionellen Sprache be­ sagt dann (.2 sec) stehen. I: muß nich sein Diese ambivalente Einstellung ist typisch für viele Befragte. Ih­ Schüler: nö nen fiel es schwer, jugendliche Sprechweisen zu beschreiben und zu I: was meinst du denn bewerten. Schüler: = kann man wohl mal ausrutschen aber I: mhm (.) wann denn zum beispiel? (3) Nur sechs Interviewte nahmen eine negative Haltung gegenüber Schüler: ja weiß nich (.) wenn man mal wütend is oder (.) jugendlichen Sprechstilen ein und verbanden diese Ablehnung mit weiß nich einer Merkmalszuschreibung wie ,ungebildet' oder ,unreif' für Spre­ I: mhm cher dieser Sprache. Schüler: wenn man sich von einem gereizt fühlt oder so Nach Ansicht einer 18jährigen Gymnasialschülerin können Ju­ ((Schüler, 15 Jahre) gendliche, die wie im Textbeispiel 1 kein ,korrektes' Deutsch spre­ chen, nicht die höhere Schule besuchen. In dieser Sequenz wird nicht von einem allgemeingültigen Begriff der Jugendsprache ausgegangen. Vielmehr reflektiert dieser Jugend­ Schülerin: ((lacht)) also wenn ich leute so sprechen hörn würde nä liche seine eigene Sprache und zieht dabei bewußt eine Grenze zwi­ I: mhm schen seinem Sprechstil als Jugendlicher und sogenannten ,wider­ Schülerin: also aufs gymnasium könnten se dann schon mal lichen' Ausdrücken, die der Fäkaliensprache zuzuordnen sind und nich gehn (.) auf un sers (.) wo ich war nä von ihm nur in Ausnahmesituationen verwendet werden. I: mhm mhm Als einziger Jugendlicher setzte sich ein, 18jährige Gymnasial­ Schülerin: also (.) weiß ich nich (.) da is das von den lehrern schüler mit der von einigen Erwachsenen vertretenen Meinung des schon so (.) wenn wenn ich so sprechen würde dann ,Verfalls der deutschen Sprache' eingehender auseinander. Er be­ würdn se sagen (.) also sprich mal deutsch nä also schrieb sich als Jugendlichen, der nicht die Superumgangssprachen­ I: mhm ausdrücke benutzt, sondern höchstens gelegentlich ein ey in seine Schülerin: weiß ich auch nich (.) nä Sprache aufnimmt. Dabei hat er in letzter Zeit bemerkt, daß er selber I: kannste dir denn vorstelln daß jugendliche immer weniger auf jugendsprachliche Elemente zurückgreift und so sprechen? statt dessen häufler Fachausdrücke und Fremdwörter benutzt. Er sah Schülerin: ja (.) kann ich mir vorstelln (.) ich meine man hört ja hier einen Zusammenhang zu seinem Besuch der gymnasialen auch ab und zu mal welche so wenn man am stadtplatz Oberstufe, wo ein elaboriertes Sprachverhalten von ihm gefordert steht oder so nä

1 Jugendsprache, wie in dem Textbeispiel, weist diese Schülerin vehe_ Schülerin: viele leute achten ja sofort auf die aussprache ment von sich und projiziert diesen Sprechstil auf Jugendgruppen d' I: =ja . h' St d ' Ie SIC 1m atzentrum täglich treffen - einem Platz in der Fußgänger_ Schülerin: und wenn ich dann (.) meinetwegen beim zone, an dem viele Jugendliche unverbindlich zusammenkommen bewerbungsgespräch die neusten Informationen austauschen und sich verabreden. Mit I: mhm diesen ,Straßenjugendlichen' will sie nicht in Verbindung gebracht Schülerin: wenn ich so sprechen würde würd sagen (.) öh (.) werden. Die negative Etikettierung, die die Befragte im Gespräch mh (.) nä über die Sprache vornimmt, wird besonders deutlich bei ihrer Ein_ I: mhm schätzung des Wortes geil. Schülerin: da würder auch gleich sagen wo kommt die bloß her und die stell ich hier nich ein so nach dem motto Schülerin: find ich schon und so (.) ich meine so (.) wörter wie ((Schülerin, 18 Jahre» geil und äh und (.) was hier halt so steht nä (.) find ich nich toll Beide Jugendliche wollen bald die Jugendphase hinter sich lassen, I· und warum? erwachsen sein und von den Älteren ernst genommen werden. Sie Schülerin: oh weil das irgendwie so total ordinär is das wirkt total orientieren sich dabei weniger an ihrer Peer-group als an der Le­ ordinär auf mich und (.) weiß ich nich (.) solche leute benswelt der Erwachsenen und übernehmen dabei deren Normen und die so sprechen (.) da denk ich mir gleich mein gott wo Werte. Jugendsprache wird vor diesem Hintergrund als unreifes kommen die her nä Verhalten eingeordnet. Insgesamt betrachtet bewerten die meisten Jugendlichen - abgese­ Bildungsorientierte und auf sozialen Aufstieg bedachte Jugendliche hen von einigen Kritikern - ihren eigenen Sprechstil positiv bis posi­ lehnen Jugendsprache noch aus weiteren Gründen ab. Ein solcher tiv-kritisch. Ihnen ist gemeinsam, daß sie Jugendsprache als Ele­ Sprachgebrauch verhindert ihrer Ansicht nach den ,Eintritt' ins Er­ ment einer Entwicklungsphase betrachten, in der sie sich zur Zeit sel­ wachsenenalter, der sich über Berufsausbildung vollzieht. Zwei Ju­ ber befinden. Dabei gestehen sie sich das Recht zu, mit ihrer Sprache gendliche zeigten dies unabhängig voneinander auf. zu experimentieren und - im bestimmten Rahmen - Sprachkonven­ tionen zu durchbrechen. "Ich glaub diese ausdrücke gibts aufer gan­ Schüler: ja angenommen (.) man sp wird immer so sprechen zen welt", sagte ein Schüler. Damit drückt sich auch der Anspruch auf (.) immer (.) ich mein (.) es gibt ja jetzt (.) ich erzähl eine jugendliche Lebenswelt und eine selbständige Lebensstil­ mal n beispiel so (.) was weiß ich (.) ehm (.1 sec) ich entwicklung aus, deren spezifische Ausdrucksweise sich u.a. in Ju­ könnt mir vorstelln (.) daß peter (.) so wie er jetzt gendsprache widerspiegelt. spricht mit diesem llX und:man und h2ah (.) so spricht der ja wirklich jetzt (.) ohne scheiß jetzt mal (.) daß der auch so sprechen wird (.) wenn er achzehn is I: und was hat das für folgen? (.2 sec) Schüler: ja (.) is doch ganz klar (.) stelln sich mal vor (.) die sitzen beim vorstellungsgespräch (.) und und verwenden da solche ausdrücke der (.) ja der kerl (.) der da vorne sitzt (.) der meint doch (.) nä der wird nicht eingestellt oder sowas (.) is doch (.) man wird doch auch nich für voll genommen (.) durch dieses boah (.) also ich find das absolut nä ((Schüler 16 Jahre» 2. Jugendliche und ,Erwachsenensprache' Schüler 1: und wenn die jugendlichen hingehen (.) ja wieviel uhr harn wirs? (.) oder so Schüler 3: wie spät harn wers? Wie bewerten Jugendliche die Sprache der Erwachsenen? (Da muß Schüler 1: ja oder so mal nen n bißchen Farbe mit rein) ( ... ) Schüler 1: weil wenn die äh die sprechen höflich (.) sagen ja auch Für diesen Abschnitt wurden die Interviewaufzeichnungen danach (.) bitte kannst mir mal das geben (.) und dann bei (.) durchgesehen, welche Eigenschaften die Jugendlichen der Erwach_ jugendlichen da is das nich (.) gib das ma her und so senensprache zuwiesen. Die Analyse ergab eine sehr starke Varia­ sagen die ja (.) tion der Zuordnungen, die auf einem Kontinuum von akzeptierend bis kritisch-ablehnend angeordnet werden können. Gängige Attribu­ Eine 17jährige Gymnasialschülerin, war ebenfalls der Meinung, tionen für Erwachsenensprache waren: daß ihre Mutter sich zwar ungefähr wie sie ausdrückt, nur "nen biß• normal in Ordnung ehen gesitteter irgendwie (.) nicht ganz so viel jugendliche Aus­ ordentlich vornehm drücke dadrin". Eine ,anständige' Sprache zeichnet sich demnach ausführlich höflich für die Jugendlichen durch eine höfliche Wortwahl und vor allem feiner gesittet durch das Weglassen jugendsprachlicher Ausdrücke aus. langweilig spießig Viele Jugendliche verbanden allerdings auch eine Reihe von gewählter ernster kritischen Assoziationen mit der Sprache der Erwachsenen, die sich umständlich altmodisch dahingehend zusammenfassen lassen, daß dieser Sprache sozusagen trocken geschwollener. der ,gewisse Pepp' fehlt. Einige Jugendliche sprachen die Umständ• lichkeit und fehlende Direktheit der Sprache der Erwachsenen an, Überdurchschnittlich häufig wurde die Erwachsenensprache als andere vermißten den für Jugendliche besonders reizvollen spaßig• ,normale' Sprache bewertet. Hieraus läßt sich schließen, daß Jugend­ spielerischen Aspekt sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten. Ihnen liche die Erwachsenensprache als Norm- und Standardsprache cha­ ist die Erwachsenensprache zu ernst, zu langweilig und zu ausführ• rakterisieren, wie auch aus der Aussage eines 13jährigen Realschü• lich. Ein 14jähriger Gymnasiast brachte die Bewertungen auf den lers deutlich wird: "die die «die Erwachsenen)) drücken das alles Punkt: ,jaja (.) die sprache der erwachsenen is manchmal son biß• richtig aus (.) wir nich wie (.) wir sprechen das fließend (.) so alles so ehen trocken (.) da muß mal (.) n bißehen farbe mit rein (.) daß man runter aber (.) die drücken das richtig aus". Daß die Sprache der auch mal n bißehen lachen kann eben". Erwachsenen häufig mit einer ,anständigen', gesellschaftlichen Als Resultat der Charakterisierungen von Erwachsenensprache AnsJlrüchen entsprechenden Sprache gleichgestellt wird, belegt durch die befragten Jugendlichen bleibt festzuhalten, daß sie die Er­ folgender Interviewauszug. Drei 13jährige Schüler erläuterten, wachsenensprache mit sehr verschiedenen Etikettierungen versehen, inwieweit die Erwachsenensprache höflicher als ihre Sprache ist: die sich kaum in ein Positiv-Negativ-Schema einordnen lassen: Eine ganze Reihe von Jugendlichen bezeichnen die Erwachsenen­ Schüler 3: ja (.) die erwachsenen sind immer vornehmer sprache schlicht als normal und o.k.; andere hoben deren Höflichkeit I: mhm und Ernsthaftigkeit hervor; wiederum anderen Jugendlichen fehlten Schüler 2: zum beispiel höflicher die (.) erwachsenen vor allem jene Sprachausprägungen, wie die Direktheit und der Schüler 3: ich mein jetzt die erwachsenen wenn se sich mal nach Sprach witz. Als nahezu typisch für dieses Ergebnis können somit die der uhrzeit fragen (.) entschuldigen sie (.) können sie Eigenschaftszuschreibungen eines Schülers bezeichnet werden, der mal kurz (.) können sie mir mal sagen wie spät wirs die Erwachsenensprache als normal und ernst beschrieb und sich haben? wünschte, daß sie "etwas lässiger sein könnte". I: ja Wie beschreiben Jugendliche die Sprache der Erwachsenen? (Ich Schüler 1: oder hier sone rapperscheiße ey sehs bloß an meinen Eltern, die unterhalten sich eigentlich ganz I: aham normal) Schüler 1: hör ich nicht (.) ja so so würdn die sich nich (.) ich weiß nich irgendwie cool ne so Während bei der allgemeinen Charakterisierung der Sprache der Er­ Schüler 2: was denn? wachsenen diese eher als etwas Abstraktes gesehen und die gesamte Schüler 1: so hier find ichs geil oder so (.) würden das deine Gruppe der Erwachsenen für die Beurteilung zugrunde gelegt wurde eltern sagen? hier find ichs geil? ' verwendeten d,e. Jugendlichen für die konkretere Beschreibung der Schüler 3: meine mutter? (.) die würd so was nich sagen Erwachsenensprache häufiger die Sprech- und Ausdrucksweisen I: nä ihrer Bezugspersonen. Entsprechend vielfältig erscheinen die Aus­ Schüler 1: nä ne? (.) die würd sagen hier find ichs gut oder so nä? sagen. Schüler 3: ahm So taten sich viele der Befragten schwer, die Sprache der Erwach­ Schüler 2: schön hier (.) ja senen präziser zu beschreiben und zu bewerten. Einige versuchten zunächst, über eine Abgrenzung zur Jugendsprache näher zu bestim­ Wie aus diesem Auszug durch die Rückversicherungen von Schüler 1 men, was die Sprache der Erwachsenen auszeichnet. Als typisch deutlich wird, besteht bei manchen Jugendlichen Unsicherheit dar­ können die Antworten von drei 14jährigen Schülern auf die Frage über, wie man Erwachsenensprache näher beschreiben kann. So wie der Interviewerin, was sie von der Sprache der Erwachsenen halten , die Jugendlichen ihre eigene Sprache zunächst anhand von Bei­ gewertet werden: spielen typischer jugendsprachlicher Merkmale definierten, ver­ suchten sie die Sprache der Erwachsenen durch das Fehlen genau I: mhm (.) wie findst du denn die sprache der dieser Kennzeichen zu beschreiben. So stimmte ein großer Teil der erwachsenen? (.2 sec) wie die so sprechen? (.2 sec) Befragten darin überein, daß Erwachsene besonders pointierte Schüler 1: ja in ordnung (.) ich weiß nich ey (.) wie findest du Ausdrücke wie geil, echt, ey man oder öde nicht benutzen. Die Mutter das? ((an Mitschüler gewandt)) (. .. ) eines 16jährigen Schülers würde beispielsweise "viel ernster Schüler 3: es gibt unterschiede sprechen C) die würde nich so (.) 0 mit ey und hä und (.) ey man (.) I: mh? die würd so so sprechen (.) die würde ganz normal sprechen". Aus der Schüler 3: ganz schöne unterschiede Sicht vieler Jugendlicher läßt sich demnach Erwachsenensprache Schüler 1: ja unterschiede (.) total auf die kurze Formel ,Erwachsenensprache = Normalsprache minus I: zum beispiel? Jugendsprache' bringen. So fiel auch einem 15jährigen Realschüler Schüler 3: ja zum beispiel (.) wir haben andere ausdrücke als die auf, daß bestimmte jugendsprachliche Wörter in der Erwachsenen­ erwachsenen sprache nicht vorkommen:

Worin diese Unterschiede bestehen, versuchten sie anhand einiger Beispiele aus dem vorgegebenen Text zu konkretisieren: Schüler: ja da kommt das nich so vor (.) daß die (.) so echt dufte oder so sagen nä (.) oder Schüler 1: oder wenn die hier zum beispiel wie in dem text (.) I: mhm hier find ichs öde Schüler: einfach nur die sätze so was (.) die sie sagen woHn und I: ja nichts so dazu (.) oder gtll (.) diese ausdrücke oder (.) Schüler 1: nä? (.) die erwachsnen sagen hier find ichs nich gut die sagen zum beispiel würden die dann auch (.) sagen oder hier find ichs schlecht oder so ne? (.) eh gute musik und so nä I: mhm I: mhm (. .. ) Schüler: und nette eh (.) leute (.) nicht hier geile musi und echt r coole typen und so (. .. ) aber so coole typen und (.) gcil Auch andere Schüler erwähnten, daß Erwachsene sich umgangs­ oder (.) ey man und so (.) das gibts nich sprachlich im Sinne von Sprechsprache ausdrücken, wie folgende Aussage einer 18jährigen Schülerin illustriert: "na so (.) ich sehs Neben diesen anerkannten jugend sprachlichen Merkmalen wurde bloß an meinen eltern (.) die unterhalten sich eigentlich ganz als weiteres Unterscheidungsmerkmal die häufigere Benutzung von normal so nich mit ey man und voll sondern halt diese (.) Fremdwörtern und die umständlichere Ausdrucksweise genannt: gebräuchliche umgangssprache unter erwachsenen". Eine Untersuchungsperson in der Studie von Wachau (1989) faßte Schülerin 2: na gut (.) aber Cl (.1 sec) wenn die «Eltern)) da labern diese Beobachtungen zur Gegenüberstellung Jugend- und Erwachse­ die drücken sich denn total umständlich aus nensprache treffend zusammen: "Man kann die Sprachen nicht ab­ Schülerin 1: ja echt grenzen, da sie ja ineinander übergehen. Die Jugendlichen sprechen ((Lachen» ja nicht total anders als die Erwachsenen" (ibid., S. 80). I: ja wie? (.) sagt mal ((lacht)) Festzuhalten bleibt, daß die Beschreibung der Erwachsenenspra­ Schülerin 1: ja die die benutzen also (.) wir reden hier irgendwie che den befragten Jugendlichen größere Schwierigkeiten bereitete. einfach mit einfache wörter und so nich so (.) so Besonders häufig wurde die Sprache der Eltern, und hier insbeson­ fremdwörter mit rein oder so (.) das machen wir ja gar dere der Mütter, als Beispiel zitiert. Deren Sprache wurde von vielen nich nä? Jugendlichen als normale Sprache beschrieben, die sich vor allem ((Schülerinnen, 16 Jahre» dadurch auszeichnet, daß sie markante jugendsprachliche Wörter und Partikel wie z.B. geil oder ey nicht enthält. Während einige jün• Darüber hinaus beschrieben. vor allem die jüngeren Befragten die gere Befragte die Sprache der Erwachsenen als grammatikalisch Sprache ihrer Eltern als gewähltere und auch in grammatikalischer richtige Sprache beschrieben, wiesen andere auf deren umgangs­ Hinsicht richtigere Sprache. Drei 12- bis 13jährige Schüler und Schü• sprachlichen Charakter hin. lerinnen skizzierten die Sprache ihrer Mütter in folgender Weise:

Schüler 1: ganz normal (.) vollständige sätze Wie schätzen Jugendliche den Anwendungs- und Kontextbezug ein? Schülerin: ja (.) und dann dann nich dann buchstaben fehln (Ab und zu hat sie ((die Mutter)) auch mal so Ausdrücke drauf) Schüler 2: = anständige sätze (.) nich so Schülerin: = und dann nä (.) hä und geil Ebenso wie bei ihrem eigenen Sprachstil erkennen die Jugendlichen, Schüler 2: = nich so nä ey (.) man ey daß auch die Erwachsenen flexibel ihre Sprache der jeweiligen Situa­ tion bzw. den jeweiligen Interaktionspartnern anpassen. So beobach­ Neben den wenigen hier aufgeführten Beispielen wurden von den tete ein 15jähriger Schüler, daß sich die Erwachsenen gegenüber Ju­ SchÜlern keine weiteren sprachlichen Unterscheidungsmerkmale gendlichen anders ausdrücken, als wenn sie untereinander sind: zwischen der Sprache der Erwachsenen und der Sprache Jugendlicher genannt. Einige Schüler sprachen denn auch direkt an, daß sie keine Schüler: die ((Erwachsenen)) passen immer auf was die sagen allzu großen Unterschiede ausmachen konnten. So meinte eine und so nä (.) denken (.) wahrscheinlich vorher nach 15jährige Realschülerin: "also die erwachsenen drücken sich ir­ und so (.) bevor sie was sagen (.) aber gegenUber gendwie anders aus (.) also nich so lockerer (.) son bißehen vorneh­ jugendlichen (.) sprechen die auch anders als mer (2.0) obwohl eigentlich (.) so wahnsinnig große unterschiede gegenüber den erwachsenen und so nä (.) gegenüber finde ich eigentlich nicht (.) auf feten oder so zum beispiel (.) unter­ erwachsenen sprechen die dann auch schon so mit halten sich die jugendlichen fast genauso wie die erwachsenen (.) los respekt und so komm (.) wir müssen noch einen trinken". I: also die erwachsenen untereinander jetzt? Schüler: ja I: ja Schülerin: nö (.) aber nich so dasser spießig redet so ganz normal Schüler: ja so gegenüber jugendlichen (.) so ohne respekt da (.) (.) so (.) wie die erwachsenen reden find ich auch so mit scheiße und so nä (.) aber so coole typen I: wie kommt das denn daß deine mutter sich jetzt ne und (.) geil oder (.) ey man und so (.) das gibts nich flottere sprache angewöhnt hat? Schülerin: ja weiß ich auch nich seit christoph und ich hier (.) so Die an die Situation und Personen gebundene Anpassung der inner jugendarbeit am wurschtein sind (.) so seit zwei Sprechstile von Erwachsenen fällt den Interviewten vor allem dann jahren oder so (.) ehm (.) da geht das zu hause denn auf, wenn ihre Eltern oder Lehrer jugend sprachliche Ausdrücke ver­ auch irgendwie ganz schön rund wat weiß ich und mit wenden. Wie sich zeigte, gaben zwar alle Interviewten an, daß ihre den ganzen namen und spitznamen die die leute alle Eltern und ihre Lehrer keinen so auffälligen jugendlichen Sprechstil haben das wollt se dann auch wissen wer das is wie in dem vorgegebenen Textbeispiel 1 verwenden, aber durchaus I: mhm einige Erwachsene jugendsprachliche Ausdrücke in ihr Sprachreper­ Schülerin: und denn son paar ausdrücke wo christoph damit toire mit aufgenommen haben. So stellte eine 18jährige Schülerin angeschlürt kam (.) die hat se dann auch so teilweise fest: ,ja also es gibt in also immer (.) bei erwachsenen gibt es auch übernommen (.2 sec) so aber (.) die is sowieso ganz gut welche die wenn (.) hab ich das Gefühl die werden nie erwachsen und drauf «Lachen)) (.) benutzen das immer noch so wie (.) voll und so". Eine Interview­ partnerin bezeichnete die Erwachsenensprache treffend als "Halbju­ Wie man an diesen Beispielen sieht, wird der jugendliche Sprechstil gendsprache". nicht generell auf die gesamte Gruppe der Erwachsenen übertragen, Wie die Befragung ergab, sind manche Eltern noch sehr jung oder sondern mit bestimmten Personen, die ihn benutzen, in Verbindung haben über den Beruf viel Kontakt mit Jugendlichen. So antwortete gebracht. Der Vater einer 17jährigen Gymnasialschülerin verwendet eine 18jährige Gymnasialschülerin auf die Frage, ob ihre Eltern ju­ solche Ausdrücke nicht, die Mutter schon. Auch der Onkel einer gendsprachliche Ausdrücke verwenden würden, daß ihr Vater 15jährigen Realschülerin "zieht da voll mit". ,laufend' so spricht: Andere Jugendliche beobachteten, daß ihre Eltern in bestimmten Situationen in einen jugendsprachlichen Slang' wechseln. Bei dem Schülerin: papa immer Vater einer 18jährigen Schülerin ist das der Fall, wenn er unter I: ja? jungen Leuten ist: Schülerin: ja sicher (.) weil der immer so mit so jugendlichen und so konfrontiert wird weil wir n plattenladen I: mhm (.) und dein vater spricht der so? (.2 sec) haben und so (.) und dann Schülerin: manchmal (.) wenn er ganz gut drauf is oder auch I: achso ja wenner so einen auf jung machen will (.) sagen wers Schiilerin: is das irgendwie (.) der redet immer nur so mal so I: ja Die Übernahme von jugendsprachlichen Merkmalen in die Erwach­ Schülerin: wenners dann extra macht (.) wenner sieht daß viele senensprache führten wiederum andere darauf zurück, daß ihre El­ jungen leute da sind dann sprichter manchmal so tern sich daran gewöhnt haben: I: = mhm mhm Schülerin: aber dann auch nich so wies jetzt hier steht (.) son paar Schülerin: (. .. ) aber meine mutter hat sich inzwischen auch schon ausdrücke halt die dann (.) fast jeder benutzt so etwas flottere sprache angewöhnt «(lacht)) I: und dein vater? Viele Eltern, aber auch Lehrer, passen sich demnach zeitweise ganz Schülerin: nich bewußt dem jugendlichen Kommunikationssti! an. Bei den Befra­ I: nich gungen, die in der Schule stattfanden, gaben alle Interviewten an, daß sie Lehrer kennen, die jugendsprachliche Ausdrücke verwen_ rer - ebensowenig wie sie selbst sich einer einheitlichen Sprache be­ den. Solange Jugendsprache ,aus Spaß' von den Lehrern oder Eltern dienen. So wie es nicht die Jugendsprache gibt, gibt es in den Vorstel­ angewendet wird, akzeptieren die Befragten deren Wechsel in einen lungen der Jugendlichen auch nicht die Erwachsenensprache. jugendlichen Sprechsti!. Nach den Aussagen einer 18jährigen Schü• lerin ist darüber hinaus das kommunikative Einverständnis zwi­ schen den Interaktionspartnern wichtig für die Akzeptanz dieses Wie reagieren Lehrer und Eltern auf ,Jugendsprache'? (Auf ey und so Stils: da, wären die auch nicht für, aber öde und so, da haben die sich dran gewöhnt) I: mhm (.) gibt es lehrer die so sprechen? Schülerin: doch das gibt es auch (.) mh (.) ich mein ich will kein "Die würden glaub ich nen Raster kriegen", lautete die Antwort eines beispiel nennen C) aber ich hab auch n (.) nen lehrer Jugendlichen auf die Frage, was passieren würde, wenn seine Lehrer (.) und der sagt auch ob (seid) ey das js ja öd boh (.) is ,in jugendlichem Sprachsti!' reden würden. Ein anderer Schüler be­ dat langweilig geht das dann und das sagt der auch richtete von seinem Deutschlehrer, der bereits bei dem Gebrauch gän• aber halt mal n spaß oder witz C) zur auflockerung im giger Anglizismen einschreitet: unterricht (.) aber wenn man so mit ihm redet so über (.) sachen was man so macht dann (.) also benutzt der Schüler: weiß nich (.) wenn die total streng sind (.) dann (.) diese ausdrücke nich nur so im unterricht halt so zur ach so unser deutschlehrer zum beispiel der nimmt das auflockerung oder wenn er witzig wirken will oder so total hart (.) also dann benutzter das wohl (.) das machen meine (.) I: mhm eltern auch oder bekannte (.) die so zehn zwanzig Schüler: ja (.) wenn der gleich irgendwelche wÖrter hÖrt (.) zum jahre älter sind beispiel sweatshirt C) oder t-shirt (.) dann fragter I: mhm gleich was das ist und 0 und schreiben (.) und wenn Schülerin: die machen das auch wohl (.) aber eigentlich nur zum wer n wort falsch lesen (.) gleich schon auf englisch (.) spaß oder so zur auflockerung oder wenn man sich gut also irgendwas stand da (.) ehm (.1 sec) sum und sie kennt so als witz hat gelesen eh sam I: mhm (.) wie findest du das denn wenn die so sprechen? I: ah ja Schülerin: och C) ich hab da persönlich eigentlich nichts gegen (.) Schüler: ja (.) und dann C) hatter gleich gesagt (.) hier das es kommt auch immer drauf an wie gut ich die leute heißt sun eh was meint ihr (.) was soll das (.) wenn ihr kenne und C) und (.) ähm inwieweit ich weiß wie auf das so liest (.2 sec) bestimmte sachen reagiern oder ob die immer so sind I: mhm aber wenn da inner stadt oder so mich so einer Schüler: bei dem is das nämlich ganz ernst anreden würde der so redet so (.) ey man ey haste mal «Schüler, 16 Jahre)) ne fluppe oder so I: mhm Berücksichtigt man die Antworten aller Befragten, so handelt es sich Schülerin: und (.) ey ia ja voll öde das kann ich auch nich haben bei den zitierten Beispielen um Ausnahmereaktionen von Lehrern. (.) also dann fühl ich mich irgendwie son bischen Die Mehrzahl der Lehrer würde weder die Fassung verlieren, noch aufn schlips getreten sich über englischsprachige Ausdrücke aufregen. Nach Aussagen der befragten Jugendlichen scheinen die meisten Lehrer recht Was von dieser Schülerin angesprochen wurde, zieht sich durch fast ,entspannt' auf die jugend sprachliche Ausdrucksweise zu reagieren. alle Interviews hindurch: Die Jugendlichen erkannten, daß die Er­ Sie beschränken sich darauf, die Schüler aufzufordern, sich mal ge- wachsenen - und hier meinen sie in erster Linie ihre Eltern und Leh- wählter auszudrücken und bestimmte Wörter wie scheiße, geil und daß einige Lehrer in der Jugendsprache so versiert sind, daß sie so­ vor allem das ey im Unterricht nicht zu benutzen. zusagen gut mithalten können. Ein Schüler berichtete, daß sein Die Partikel ey nimmt eine Schlüsselposition ein. Sie ist ein Sportlehrer die ,Mantasprache' gut beherrscht, die zum Erhebungs­ Kennzeichen dafür, auf welcher Ebene der sprachlichen Vertrautheit zeitpunkt besonders unter den jungen Jugendlichen' (12-14 Jahre) kommuniziert wird. Auch wenn einige Jugendliche und sicherlich sehr verbreitet war. der Großteil der Erwachsenen, diesem Wort sehr ablehnend gegen­ Die Schüler wiesen in den Interviews immer wieder darauf hin, überstehen und so mancher Jugendliche hart daran arbeitet, es sich daß es auf die Lehrperson ankommt, wie sie auf Jugendsprache rea­ abzugewöhnen, kann es vor allem für junge Schüler eine wichtige giert. Wie auch aus dem vorhergehenden Gesprächsausschnitt deut­ emotionale Bedeutung einnehmen. Wenn ein Lehrer die Benutzung lich wird (vgl. S. 197), wissen die Schüler ganz genau, bei welchem dieses Wortes erlaubt, scheinen es die Schüler als besondere ,sprach­ Lehrer sie sich bestimmte Ausdrucksweisen erlauben können und bei liche Liberalität' und als ein Zeichen von ,kumpelhafter' Vertrautheit welchen Lehrern die gleichen Ausdrücke strikt sanktioniert werden. zu empfinden, wie aus dem Gesprächsausschnitt von vier 12- bis 14jährigen Jugendlichen hervorgeht: Schüler: unser lehrer ((lacht)) und (.) also einige machen sich da gar nichts draus (.) die machen auch noch mal mit Schülerin 1: = ich wie ich schon sagte (.) mit den freunden red ich I: ja unterschiedlich (.) mit den lehrern immer normal Schüler: die machen den spaß auch mit Schülerin 2: = genau I: und wer is das zum beispiel? I: immer normal Schüler: also mein trainer (.) der macht das mit Schülerin 1: ja I: ahja Schülerin 3: =jo Schüler: dann (.) der hat ja auch ne klasse ne sechste und (.) Schülerin 1: da würd ich nich sagen ey die und die zensur is geil ehm die reden auch mantaspr (.) mantasprache mehr I: ((lacht)) I: ((lacht)) Schülerin 3: = die richtigen lehrer (.) mit denen red ich auch ey Schüler: ey (taft) und ey und sowas Schülerin 2: ja I: ehe und da hatter mehr verständnis für (Durcheinanderreden)) Schüler: ja (.) ja der is total cool (.) macht das so mit Schüler 1: ey hasse «Lehrer)) ey «Schüler, 16 Jahre)) Unbekannt: ey hasse (.) ja das sag ich doch Schülerin 2: ja (.) der hasse findet das gut Schülerin 3: der sagt das ja auch immer Faßt man die Aussagen der Schüler über die Reaktionen von Lehrern Schüler 2: herr 0 zusammen, so reicht das Spektrum von strikter Sanktionierung über I: bitte? Gleichgültigkeit bis zu deren Bereitschaft, auf jugendsprachliche Schülerin 2: herr 0 der sagt auch nichts gegen Kommunikationsangebote' einzugehen. Die mit Abstand häufigste I: ehe Reaktion scheint jedoch zu sein, daß sie jugendsprachlichem Aus­ Schülerin 3: = 0 kommt auf die lehrer an drucksverhalten mit Toleranz begegnen, ohne diesem jedoch völlig Schüler 2: ( ) ,freien Lauf zu lassen. Schüler 1: eine lehrerin (.) die regt sich da immer voll drüber auf (.) wenn wir ey sagen und herr hasse find das immer ganz witzig Wie reagieren nun die Eltern auf die Ausdrücke, die die IGnder ,mit nach Hause' bringen? Wie oben bereits erwähnt, benutzen mmge Lehrer selbst jugend­ Die Analyse der Antworten auf diese Frage macht deutlich, daß die sprachliche Ausdrücke. Deshalb scheint es nicht ganz so erstaunlich, Spracherziehung der IGnder in der Regel in den Händen der Mütter liegt. Sie sind es, die sich aufregen und ihre Kinder ermahnen, be­ der Ansicht, daß Eltern durchaus in spl'acherzieherischer Hinsicht stimmte Ausdrücke nicht zu benutzen oder sich ,zusammen_ tätig werden sollten. zureißen'. Die Väter scheinen dagegen weniger häufig ihre Kinder Dieses eindeutige Ergebnis läßt auf ein kooperatives und offenes zu sanktionieren: Verhältnis zwischen den Eltern und Jugendlichen schließen. Ihre eigene Sprache ist dabei kein Tabubereich, aus dem sich die Eltern Schülerin: (.. .) aber (.) eigentlich (.) mein vater legt da nich so herauszuhalten haben. Im Gegenteil: Die Jugendlichen lassen es wert drauf meine mutter is schon eher mal der nicht nur zu, sondern befürworten sogar, daß die Eltern sie in ihrer meinung daß se sagt ja (.) mh (.) muß das sein und Ausdrucksweise verbessern. wenn ich bei den anderen aus versehn rutscht mir das Die Schüler, die die Ansicht vertraten, daß die Eltern nicht korri­ dann mal raus gierend eingreifen sollten, begründeten ihre Meinung damit, daß I: mhm sich Eltern an die Sprache der Jugendlichen gewöhnen sollten. So Schülerin: weil mans unternander halt gewohnt is (.) dann zack meinten zwei 15jährige Schülerinnen: (.) kriegt man nen stups an de seite mensch nun reiß dich mal zusammen und du kannst doch nich so reden Schülerin 1: = die «Eltern» werden da damit konfrontiert und die «Schülerin 18 Jahre» wissen wie das ist und (.) da sollten die sich halt dran gewöhnen Gegen die Jugendsprache im allgemeinen haben die meisten Eltern I: mhm (.3 sec) und was meinst du? «an andere keine durchweg negative Einstellung. Viele Eltern schmunzeln so­ Schülerin gerichtet» gar über bestimmte jugendsprachliche Ausdrücke oder fragen inte­ Schülerin 2: ja ich find das auch irgendwie so (.) daß sie sich daran ressiert nach, wenn sie bestimmte Ausdrücke nicht kennen. gewöhnen sollten also (.) wie die kinder oder (.) wie Ein ,harter Kampf' wird dagegen in vielen Familien gegen die Be­ halt die jugendlichen reden nutzung der Wörter scheiße, geil und die Gesprächspartikel ne und ey geführt, wobei das ey als häufigstes Merkmal genannt wurde, ge­ Die Einstellung, daß sich Eltern und Lehrer mit jugendlicher Aus­ gen das die Eltern vorgehen. Jedoch nicht immer sind diese Be­ drucksweise auskennen sollten, war auch unter den anderen Schü• mühungen von Erfolg gekrönt; gelegentlich tritt sogar die paradoxe lern vertreten. Ein 16jähriger Gymnasiast, der es richtig fand, daß Situation ein, daß die Eltern die Ausdrücke übernehmen, die sie einst Erwachsene auf die Sprache der Jugendlichen achten, meinte, daß sanktioniert hatten: "eh meine (.) meine mutter war auch entsetzt nicht nur die Jugendlichen, sondern auch die Erwachsenen ,aufm wenn ich sage (.) das is voll ([eil da oder so (.) dann dachte die gleich Stand' sein sollten: an das schlimmste (.) aber mittlerweile sagt die (.) manchmal sagt die das sogar selber jetzt" (Schülerin, 19 Jahre). Schüler: ja dann (.) ja doch (.) man müßte schon aufm stand sein (.) doch (.) so aufm neusten stand (.2 sec) I: wieso? Akzeptieren die Jugendlichen das Spracherziehungsverhalten der Schüler: ja daß man so (.) es gibt ja diese modewörter so (.) wie Erwachsenen? (Also ist ganz okay, wenn durchaus Eltern mal was jetzt (.) ach was heißt vor kurzem (.) is schon länger sagen, ja aber die solltens nich verbieten) (.) dies gill halt I: mhm "Sollten Erwachsene auf die Sprache Jugendlicher achten?" wurden Schüler: das hatte ja früher ne ganz andere bedeutung und heute die Jugendlichen gefragt. Die auf den ersten Blick überraschende heißst (.) geil halt so was wie super und und affen stark und in ihrer Eindeutigkeit erstaunliche Antwort der Jugendlichen und blablabla ist: Ja. Mit Ausnahme von vier Jugendlichen waren alle Befragten I: mhm Schüler: und (.) ja und das sollte man schon wissen (.) daß das nich das heißt (.) was es früher hieß darfst so was nicht (.) nimm solche ausdrücke nich in I: ((lacht» also sollten auch die erwachsenen den mund oder so (.) wie das mal früher auf alle fälle Schüler: = jaja soll ja war I: aber sollten sie dann eh auf diese ausdrucksweise I: ja (.) also is ganz okay wenn (.) durchaus eltern mal auch eh eingreifen? C.. ) was sagen Schüler: mh ja (.) doch glaub schon (.) irgendwie die sprache Schülerin 1: ja aber die solltens nich verbieten oder so der schüler gestalten doch (.) ich mein dazu sind sie I: ja auch irgendwie da Schülerin 1: die sollten schon sagen das find ich nich gut wie du dich ausdrückst aber (.) Dieser Schüler spricht hier vorwiegend die Lehrer an und erwartet selbstverständlich, daß sie ,gestalterisch' auf seine Sprache einge­ Die meisten Jugendlichen stimmten allerdings darin überein, daß hen, denn das sei schließlich ihre Aufgabe. Hier wird der Lehrer die Eltern nicht jede jugendsprachliche Äußerung ,im Keim erstik­ nicht mehr als Einzelperson angesprochen; der Schüler appelliert an ken sollten', vielmehr sollte ihnen ein gewisser Freiraum zugebilligt die gesamte Profession (dazu sind sie auch irgendwie da). werden. Eine 18jährige Gymnasiastin meinte dazu: Unterschiedliche Ansichten existierten unter den Befragten hin­ sichtlich der Frage, ab welchem sprachlichen Niveau eingeschritten Schülerin: mmh (.) ich denke schon ehm (.) so diese einzelnen werden sollte. Ein 15jähriger Jugendlicher meinte, daß die Sprache sachen wie ey oder öde (.) ich finde da is nichts in dem vorgegebenen Textbeispiel noch zu tolerieren wäre , " wenns schlimmes bei nur wenn die kinder dann anfangen so dann härter kommt", müsse aber eine Ermahnung erfolgen. unternander auch die eltern irgendwie mit diesen Dagegen war ein 14jähriger Schüler der Ansicht, daß die Eltern sprüchen so ehm (.) oder erwachsene mit diesen schon auf den Gebrauch des Wortes Scheiße achten sollten. Zwei 18- sprüchen so anmachen (.) also in an (.) in bzw. 20jährige Gymnasiastinnen meinten, daß man dann etwas anführungsstrichen anmachen und anpöbeln sagen sollte, wenn der gesamte sprachliche Ausdruck in Mitlei­ I: mhm denschaft gezogen wird: Schülerin: das passiert oft genug C) da find ich schon daß die eltern n bischen drauf achten sollen so wie die kinder Schülerin 1: weil wenn das irgendwie ganz ausartet (.) ich meine sich ausdrücken C.. ) wenn man sich gar nicht mehr richtig ausdrücken kann (.) dann sollte man schon mal da was sagen (.) Diese Ansicht vertraten auch andere Schüler, die von den Eltern auf aber so hab ich nichts dagegen (.) weiß ich nicht gewisse Formen der Höflichkeit hingewiesen werden wollten: Eine Schülerin 2: also wenn es ins extreme geht oder so 17jährige Realschülerin fand es z.B. wichtig, daß man bei Erwach­ senen in sprachlicher Hinsicht einen guten Eindruck hinterlassen Nach Meinung von Schülerin 1, die bereits die Handlungsperspektive sollte. Sie möchte nicht nur für sich selbst, sondern auch im Interesse der Erwachsenen übernommen hatte, sollte schon im Grundschulal­ ihrer Mutter sprachlich nicht aus dem Rahmen fallen: ter mit der Spracherziehung begonnen werden: Schülerin: doch die eltern 0 daß wenn man (.) ick finde och so (.) Schülerin 1: rapperscheiße oder so wenn man jetzt so mit den eltern irgendwo hingeht Schülerin 2: ich find das sagt man doch irgendwie oder so (.) und da sind irgendwelche andern leute Schülerin 1: jaa aber (.) wenn das denn inner vierten klasse schon dabei oder so (.) daß man jetzt nich irgendwie (.) anfängt (.) dann würd ich mir schon was überlegen (.) irgendwie redet so (.) so primitiv so jetzt so (.) wie so (.) aber (.) würd ich dann mal sagen (.) ey ich find das so so blöde oder so nä (.) daß die andern leute nich toll auch nich (.) aber ich würd jetzt nich sagen du denken (.) mein gott wat haben die denn für ne bekloppte tochter oder so nä? Sprachexperimente. Hier zeigt sich weniger ein ,krisenhafter' Um­ I: mhm gang mit jugendlichen Sozialisationsanforderungen und -instanzen r Schülerin: sondern dat einfach nur (.) da eben sich doch n (Schule, Elternhaus), als eine tendenziell selbstbewußte Einstellung bißehen anstrengen oder so deshalb find ich müssen zum eigenen Leben, die mit Verständnis für die ,eingeschränktere' die eltern da och drauf achten und ,ernstere' Situation der Erwachsenen gekoppelt ist. Diese ,tolerante' Einstellung spiegeln die Antworten auf die Frage, Wie schon in einigen Interviewauszügen angeklungen ist, wird von was die Jugendlichen von der Sprache der Erwachsenen halten, wi­ den Eltern besonderes Einfühlungsvermögen erwartet. Nen bißchen der. Die Schüler hatten ein breitgefächertes Bild von der Erwachse­ dürften sich nach Meinung eines 14jährigen Jugendlichen die Eltern nensprache . Die Beurteilungen reichten von akzeptierenden Ein­ einmischen, sie sollten aber Verständnis für die Sprache der Jugend­ schätzungen wie okay und ordentlich, bis zur ablehnenden Haltung lichen aufbringen. Auch in dem bereits oben angeführten Zitat (vgl. wie umständlich und öde. Von vielen Schülern wurde die Sprache der S. 202) erwartete die 20jährige Schülerin, daß die Eltern zwar auf be­ Erwachsenen mit Eigenschaften wie normal, höflich und richtig ver­ stimmte Ausdrücke aufmerksam machen, sie aber nicht verbieten sehen und insofern als Normsprache eingestuft. Bei einer genaueren sollten. Die Jugendlichen möchten einerseits selbst bestimmen, wel­ Beschreibung taten sich die meisten Schüler allerdings schwer. In­ che Ausdrücke sie verwenden, andererseits sollen die Eltern sie bei dem sie die Sprache der Erwachsenen mit konkreten, ihnen bekann­ der Kontrolle der eigenen Sprache unterstützen. Autoritäres Erzie­ ten Personen in Verbindung bringen, gibt es in den Köpfen mancher herverhalten ist auf jeden Fall nicht gefragt. Vielmehr wird von den Jugendlicher so viele Formen von Erwachsenensprache, wie sie Er­ Eltern erwartet, daß sie ihren Kindern bei der Ausbildung eines so­ wachsene kennen. Schon allein innerhalb der Familie werden ver­ zial angemessenen Sprachverhaltens - wie auch bei anderen Ent­ schiedene Sprechstile verwendet. Da wurden Mütter zitiert, die ,ab wicklungsaufgaben des Jugendalters - hilfreich zur Seite stehen. und zu' auch jugendsprachliche Ausdrücke verwenden, während der Vater als ein ganz ,Altmodischer' beschrieben wurde, der nie solche Ausdrücke ,in den Mund' nimmt. Von dieser Sprechpraxis ausge­ 3. Fazit hend, erstaunt es nicht, daß einige Jugendliche keine allzu großen Unterschiede zwischen ihrer Sprache und der der Erwachsenen fest­ Die Analysen der Einstellungsbefragungen zeigen ein differenzier­ stellen konnten. So beobachteten mehrere Jugendliche, daß manche tes Reflexionsniveau der interviewten Jugendlichen hinsichtlich Erwachsene ,normale Umgangssprache' im Sinne von Sprechsprache ihres Sprechstils und dem der Erwachsenen. So arbeiteten sie unter­ verwenden, andere Jugendliche kennen Erwachsene, die sozusagen schiedliche sprachliche Merkmale nicht nur ihrer eigenen Aus­ ,nie erwachsen' werden und sich in ihrem sprachlichen Ausdruck drucksweise, sondern auch der der Eltern sowie Lehrer heraus und kaum von dem einer jugendlichen Gruppe unterscheiden. Ferner be­ reflektierten ihr eigenes Sprachverhalten in bezug auf situative und richteten sie von Eltern und Lehrern, die gezielt jugendsprachliche personenspezifische Merkmale. Ausdrücke verwenden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Jugendsprache Obwohl die Jugendlichen mit einer enormen ,Sprachenvielfalt' zwar als ein selbstverständlicher Sprechstil ihrer Bezugsgruppe an­ durch die Erwachsenen und die eigene Jugendgruppe tagtäglich kon­ gesehen wird, aber nicht als ausschließliches Stilmittel der Kommu­ frontiert werden, haben sie dennoch eine konkrete Vorstellung von nikation. Jugendsprache manifestiert sich in bestimmten Ausdrük• einer gesellschaftlich normierten Sprache, an der sie sich orientie­ ken und Redewendungen, die überwiegend in der Gleichaltrigen­ ren. gruppe Anwendung finden, wie primär Partikel und Intensifier sowie sekundär Anglizismen, Wortneubildungen oder -veränderungen. Selten wird der jugendliche Sprechstil als explizite Abgrenzungs­ und Ablösungsfunktion von Erwachsenen herangezogen. Die Ju­ gendlichen nutzen vielmehr ihren Freiraum für kreative und neue I, .•..' [ 11 VI ResÜlnee

Jugendsprache wird im Alltagsverständnis von Erwachsenen viel­ fach mit einer Reihe von schillernden und grellen Ausdrücken asso­ ziiert, die auf die Gruppe der Jugendlichen projiziert werden. Sowohl Rundfunk und Fernsehen als auch populärwissenschaftliche Wörter• bücher (vgl. Müller-Thurau 1983; Ehmann 1992a), die in stilisierter Form Jugendsprache publikums- bzw. leserwirksam darbieten, tra­ gen dazu bei, daß in den Köpfen vieler Eltern und Lehrer, aber auch von Jugendlichen, eine Fiktion von Jugendsprache existiert, die mit der sprachlichen Realität wenig zu tun hat. Vor diesem Hintergrund war das zentrale Anliegen des Projekts ,Jugendsprache' die Untersuchung der Fragen, wie Jugendliche wirklich sprechen und welche Funktion sprachliche Eigenschaften in ihrem kontextualen Gebrauch haben. Bisherige Ansätze, die aus der ,Laiensphäre' jugendsprachlicher Publikationen hervortreten, sind zur Klärung der Frage wenig hilfreich. So beschränken sich die meisten Arbeiten auf das Sammeln und Ordnen einzelner Aus­ drücke, die in der Regel aus dem situativen und sozialen Kontext losgelöst sind, in dem sie verwendet werden. Diese reinen Wörter• und Ausdruckssammlungen geben allerdings noch keinen Hinweis auf die komplexe sprachliche Wirklichkeit jugendlichen Sprachge­ brauchs. Auch umfangreichere empirische Untersuchungen (vgl. Henne 1986, Ehmann 1992b) führen hier nicht weiter, da sie als Forschungsinstrumentarium in erster Linie Fragebögen benutzen und somit letztlich ,Fragebogenjugendsprache' bzw. Sprachwissen erheben und dokumentieren. Diese Studien vertreten die Annahme, daß bestimmte jugendsprachliche Merkmale wie z.B. Lautwörter, Anreden, Wortneubildungen von Jugendlichen präferiert verwendet werden und versuchen über das Sammeln und Selektieren von sprachlichen Merkmalen, eine solche Präferenzhypothese zu bele­ gen. Obwohl diese Art der Jugendsprachforschung von verschiedenen Seiten kritisiert wurde (insbesondere Neuland 1987) und eine sozio­ logische und pragmalinguistische Jugendsprachforschung gefordert wurde (bereits Pape 1970), blieb eine empirische Umsetzung mit Ausnahme weniger Arbeiten, die im Rahmen des "Ethnographischen Ansatzes zur Jugendsprachforschung" entstanden, bisher aus. Die Grundforderung dieses Ansatzes ist eine pragma- und sozio- linguistisch orientierte Sprachforschung, die die Sprache Jugend_ wird dabei nicht nur einfach reproduziert, sondern auch spielerisch licher nicht losgelöst vom situativen und gesellschaftlichen Kontext verarbeitet, wobei verschiedene Register aus Film, Fernsehen und sondern in ihrem komplexen Situations- und Bedingungsgefüg~ Werbung in kreativer Form miteinander verbunden werden. Grup­ untersucht. Entsprechend dieser Annahmen soll nicht die Jugend_ penübergreifend lassen sich zwei spezifische Formen des sprachli­ sprache beschrieben und analysiert werden, sondern situativ gebun­ chen Umgangs mit Medien erkennen. Zum einen werden blitzartig dene jugendliche Sprechweisen, die in Abhängigkeit vom gruppen_ Zitate und Fragmente aus verschiedenen Medienbereichen in die spezifischen und sozialen Kontext besondere Funktionen einnehmen. Kommunikation eingeblendet; zum anderen zeigt sich eine kreativ­ Die empirische Umsetzung eines solchen Jugendsprachfor_ spielerische Verarbeitung von Medieninhalten, die in der jugendli­ schungsansatzes erfolgte im Rahmen des Projekts "Jugendsprache" chen Kommunikation eine neue oder veränderte Bedeutung erfährt. über teilnehmende Beobachtung zweier Jugendgruppen in einem Zeit­ 3. Entsprechend der theoretischen Vorannahmen bildete die Analyse raum von 9 Monaten. Die über Tonbandaufzeichnungen gewonnenen von Sprechweisen und deren Interpretation und Bewertung im kon­ authentischen Sprachaufnahmen wurden verschriftet (Schlobins_ textuellen Rahmen den Schwerpunkt der Analyse. In Ergänzung zu kilKohl/Ludewigt 1992) und auf mehreren Ebenen analysiert: dem ethnographischen Forschungsansatz von Hymes (1979) und 1. Als erster Untersuchungs schritt wurde eine Analyse jugend­ Dittmar/Hädrich (1988), in dem Sprechstile als Gebrauchspräferen• sprachlicher Merkmale durchgeführt. Einzelne, in der Literatur als zen von Sprechern bezeichnet werden, die gefiltert über den Kontext zu typisch klassifizierte jugendsprachliche Merkmale und ihre Funk­ einer besonderen ,Stillage' zusammengestellt werden, wurde ein tionen wurden im jeweiligen situativen Kontext untersucht. Ein gruppensoziologischer Aspekt bei der Stilanalyse miteinbezogen. Der interessantes erstes Ergebnis unserer Analysen war, daß sich einige Einfluß der Gruppe auf die Verwendung eines spezifischen Sprech­ der Merkmale, die von verschiedenen Autoren als präferiert jugend­ stils, der Rückgriff auf verschiedene kulturelle Ressourcen, deren sprachlich konstatiert wurden, in unserem Korpus nicht nur nicht be­ sprachlich stilistische ,Verarbeitung' und die Funktion verschiede­ vorzugt, sondern im Gegenteil, nur relativ selten vorhanden waren ner stilistischer Prozesse bildete den interpretativen Rahmen der (vgl. Kap. I, Kap. III). Eine Präferenzhypothese für spezifische . Sprechstilanalyse. Merkmale läßt sich somit nicht aufrechterhalten. Mit einer Aus­ Die Kontextabhängigkeit jugendlicher Sprechstile wird in unserer nahme: Als einziges übergreifendes sprachliches Merkmal trat die Studie von folgenden drei zentralen Faktoren bestimmt, die aber Partikel ey gehäuft auf. In der Literatur wird das ey dagegen nur am nicht losgelöst voneinander, sondern in ihrer wechselseitigen Ab­ Rande erwähnt. Obwohl nicht nur Erwachsene, sondern auch die hängigkeit zu sehen sind: die Gruppenzusammensetzung und meisten Jugendlichen selbst dieser Partikel ablehnend gegenüber• Gruppenstruktur, spezielle situative Bedingungen und die emotionale standen und sie bestimmten sozialen Gruppen zuwiesen, war die An­ Atmosphäre. wendungshäufigkeit des ey's in unserem Korpus sehr auffällig. In Hinsichtlich ihrer Gruppenmerkmale unterscheiden sich die bei­ den jugendlichen Gesprächsbeiträgen kommt es in erster Linie als den Zielgruppen dieser Untersuchung vorwiegend in ihrer institu­ Gliederungs- und Rückversicherungspartikel vor und nimmt meist tionellen Einbindung, ihrer Zusammengehörigkeit und Intimität. jene Funktion ein, die in anderen Sprechweisen die Partikel ne oder Diese verschiedenen Ausgangsbedingungen spiegeln sich im Sprech­ wa erfüllen. und Kommunikationsstil der Jugendlichen wider. Die Sprechweisen 2. Angesichts des hohen Medienkonsums vieler Jugendlicher und der der Mitglieder aus Gruppe I, die sich seit langem über kirchliche Vermarktung jugendsprachlicher Ausdrucksweisen in den Medien , Jugendarbeit kennen und über ein großes Maß an gemeinsamem war eine weitere wichtige Untersuchungsfrage, wann und in welcher Wissen verfügen, zeigen sich weniger in sog. jugendsprachlichen Form Jugendliche auf Medienwissen zurückgreifen. Nach unseren Ausdrücken, als in einem schnellen Themen- und Ebenenwechsel. Ergebnissen nehmen Massenkommunikationsmittel in beiden ,Sprünge' im Gesprächsverlauf werden häufig nur durch ein Keyword Gruppen einen wichtigen Stellenwert ein. Das Medienwissen ist viel­ eingeleitet und von den anderen entsprechend fortgeführt oder fältig, heterogen und den Jugendlichen laufend so präsent, daß sie es variiert, ohne daß Verständigungsschwierigkeiten auftreten. jederzeit abrufen und in die Kommunikation einbringen können. Es Auffällig ist der häufige Rückgriff auf vielfältige kulturelle Ressourcen, die über Formen ,mimetischer' und ,verfremdeter' Das folgende Präferenzschema soll vereinfachend die Bedingungen Zitationen CSchlobinski 1989) und kreativer Stilbasteleien wie zusammenfassen, die zur Entwicklung kreativer Sprechstile von selbstverständlich in die Kommunikation eingebaut werden. Be­ Jugendlichen beitragen können: sonders deutlich sind diese als "Bricolage" bezeichneten Stilbaste_ hoch leien (Clarke 1979) bei engen Freundschaften zu verfolgen. Bei den niedrig Jugendlichen der über die Schule konstituierten Gruppe II, deren ~..o- ______Intimität innerhalb der Grupp..e-----l ... Kontakte eher temporärer und oberflächlicher Natur sind, ist dagegen unstrukturiert selten ein derart intimer Kommunikationsstil zu finden. Ihnen strukturiert fehlen dazu die gemeinsame Wissensbasis und tiefen Kenntnisse ~....o- ______,Situation------l"" voneinander. Allgemein fällt in dieser Gruppe ein umgangssprach_ licher, aber sehr direkter Sprechstil auf, der der offenen und weniger zurückhaltend lebhaflJausgelassen traditionell orientierten Gruppenzusammensetzung entspricht. Zwar ...... ______'emotionale Atmosphäre .. sind auch hier bestimmte Formen von Stilbasteleien zu finden, die sich jedoch überwiegend auf die Ebenen der kulturellen und kon­ Abb. 6-1: Kontextbedingungen für die Entfaltung kreativer Sprach­ versationellen Muster beziehen und die sich eher in einem Sprach­ stile spiel mit gesellschaftlichen Tabus und Grenzen darstellen. Gele­ gentlich sind deutlich geschlechtsspezifische Sprechmuster zu erken­ Ideal sind die Ausgangsbedingungen für die Entwicklung kreativer nen, die u.a. dadurch gekennzeichnet sind, daß nur männliche Stilbasteleien und Sprachspiele, wenn alle drei Kontextbindungen in Jugendliche initiativ sexuelle, teilweise sexistische Sprachformen folgenderweise erfüllt sind: hoher Intimitätsgrad zwischen den gebrauchen, während weibliche Jugendliche - wenn überhaupt - nur Interaktionspartnern, unstruktierte, selbstbestimmte situative Be­ reaktiv, als Antwort auf verbale sexuelle Aggression, auf Sexismen dingungen und eine ausgelassene, emotionale Atmosphäre. zurückgreifen Spracheinstellungsbefragungen ergänzten die Sprechstil- und Daß sich auch spezifische situative Bedingungen entscheidend auf Merkmalsanalysen. Dabei wird ein differenziertes Reflexionsni­ den Sprechstil auswirken, ist wenig überraschend. So greifen die Ju­ veau der Jugendlichen hinsichtlich ihres eigenen und des Sprechstils gendlichen verstärkt auf einen umgangssprachlichen Stil zurück, der Erwachsenen deutlich. Die Jugendlichen sind sich der ,Sprachen­ wenn die Situation durch Erwachsene mitstrukturiert wird und der vielfalt' ihrer Lebenswelt bewußt und stellen sich meist als Per­ Rahmen bestimmte Verhaltens- und Sprachanforderungen an die sönlichkeiten dar, die situativ und flexibel den jeweils adäquaten Jugendlichen stellt; wie es beispielsweise in einer Firmvorbereitung Sprechstil anwenden. Sprachanforderungen von Eltern und L~hre:n oder Unterrichtsstunde der Fall ist. Wird die Situation hingegen von werden zwar kritisch reflektiert, aber in der Regel als OnentIe­ Jugendlichen weitgehend selbst definiert und ist eine lebhafte emo­ rungsmuster akzeptiert. tion'ale Atmosphäre vorhanden, sind die Grundvoraussetzungen für Abschließend sollen nochmals gundsätzliche Ergebnislinien kreative Sprach spiele geschaffen. Hiermit ist eines unserer zentra­ festgehalten werden: Jugendsprache ist nicht an einer spezifischen len Ergebnisse angesprochen. Dieses ,situativ-emotionale Setting' ist Lexik und Ausdrucksweise festzumachen; jugendliche Sprechweisen entscheidend für die Entwicklung und Ausgestaltung verschiedener sind in erster Linie umgangssprachliche Sprechstile, die allerdings Sprechstile. Eine ausgelassene bzw. entspannte Stimmung und eine hinsichtlich ihrer Ausgestaltung eigene Charakteristika aufweisen. relativ offen strukturierte Situation fördern eine kreative Sprachge­ Diese zeigen sich in einzelnen Sprach spielen und Stilbasteleien, die staltung, die in flexibelen Stil- und Ebenenwechseln, in vielfältigen aber eher ,High-Lights' in einer überwiegend umgangsspra?hlich g Stilbasteleien und in einem Spiel mit Begriffen und Symbolen ihren geführten Kommunikation sind. Der spielerische Umg.an ml~ der Ausdruck findet. Hinter solchen Sprachspielen können sich aller­ Sprache hat weniger die Funktion, sich von anderen Jugendhchen dings auch aggressive Inhalte verbergen, wenn eine eher span­ Gruppen oder Erwachsenen abzugrenzen, sondern ist vielmehr ein nungsgeladene Stimmung vorliegt. Experimentieren mit Themen, mit sprachlichen Regeln und

?1(l ,r

Konventionen, ist ein Erproben der sozialen und diskursiven Anhang Kompetenz. Jugendsprache hat vor diesem Hintergrund einen ent­ wicklungsspezifischen Charakter. Sie wird in relativ unbelasteten Situationen, jenseits von schulischen und beruflichen Anforde­ rungen, angewandt, als eine Chance, Grenzen und Möglichkeiten im kommunikativen Verhalten zu erproben und zu erfahren. Anhang 1: Die Fragebogenerhebung: Vergleich der Untersuchungsgruppen

In einem statistischen Vergleich werden hier gemeinsame und un­ terschiedliche Merkmale der Untersuchungsgruppen vorgestelltl.

A1tersyerteilung und Geschlecht: Beide Gruppen sind hinsichtlich der Altersstruktur und der Geschlechtsverteilung miteinander ver­ gleichbar. Das Durchschnittsalter in den Untersuchungsgruppen I und II liegt bei 15,7 und 15,3 J abren.

======14J. 15J. 16J. 17J. 18J.

Gruppe I 25.0 17.9 32.1 10.7 14.3

Gruppe II 6.3 56.3 31.3 6.3

Fehlende/ungültige Werte: 2 ======Tab. 1: Altersverteilung der beiden Untersuchungsgruppen (in %)

Wie Tabelle 1 zeigt, weist die Untersuchungsgruppe St. Christopherus einen erheblich höheren Anteil von 14- und 18jährigen auf als die Schulgruppe (Gruppe II), bei der über 80% der Schülerinnen und Schü• ler den Altersgruppen der 15- und 16jährigen angehören. Wie aus der nächsten Tabelle (vgl. Tab. 2) hervorgeht, besteht in beiden Gruppen ein Geschlechterverhältnis von 3:1 der Jungen ge­ genüber den Mädchen.

1 Durch die Fluktuation der Mitglieder der Untersuchungsgruppe I konnten bei der zugrunde liegenden Fragebogenerhebung von 34 Jugendlichen, deren Gespräche im Lauf der Zeit aufgenommen wurden, nur 28 erfaßt werden. ======I: ((lacht)) männlich weiblich Jan: man (.) dann kann man nich so (.) mit sagen wer mal (.) hauptschulsprache oder so sprechen Gruppe I 18 (64.3%) 10 (35.7%) I: mhm (.)mhm Jan: da guckt man einen dann doof an Gruppe 11 11 (68.8%) 5 (31.3%) I: mhm wer guckt denn doof? Jan: nä die anderen Fehlende/ungültige Werte: 1 I: mhm ======Jan: und man guckt auch selber dann mal doof (.) wenn da so C) Tab.2: Die Untersuchungsgruppen nach Geschlechtszugehörigkeit son unqualifizierter beitrag kommt

Jan zieht klare Grenzen zwischen der Sprache von Hauptschülern Sch)] lzugehörjgkeit: Deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen und Gymnasiasten. Letztere verwenden seiner Meinung nach meh.r lassen sich in bezug auf die Schulzugehörigkeit erkennen (vgI.Tab. Fremdwörter, während von den Hauptschülern mehr sog. "unquah­ 3). fiziertere Beiträge" zu erwarten sind.

======Familiäre Situation: Ein großer Teil der Untersuchungsgruppen Hauptschule Realschule Gymnasium (85,7% bzw. 81,3%) lebt in ,vollständigen' Familien, nur wenige ge­ ben an, bei der Mutter zu wohnen (vgl. Tab. 4). Gruppe I 3 (10.7) 12 (42.9) 13 (46.4) ======Gruppe 11 3 (20.0) 12 (80.0) bei den Eltern bei der Mutter

Fehlende/ungültige Werte: 2 ======Gruppe I 24 (85.7) 4 (14.3) Tab. 3: Die Untersuchungsgruppen nach Schulzugehörigkeit Gruppe 11 13 (81.3) 3 (18.8) Während in Gruppe I fast 90% das Gymnasium oder die Realschule besuchen, gehen in Gruppe 11 80% zur Realschule und 20% zur Fehlende/ungültige Werte: 1 Hauptschule. ======Die Bedeutung der Schulzugehörigkeit für einzelne Gruppenmit­ Tab. 4: Familiäre Situation (Frage: Mit wem lebst Du?) glieder ist hier von Interesse: Einige Mitglieder der Gruppe I verbin­ den beispielsweise den Besuch des Gymnasiums mit einem Status­ Das traditionelle Familienbild hinsichtlich der Geschlechtsrollen­ gewinn gegenüber Schülern anderer Schulformen. In einem Inter­ aufteilung der Eltern läßt sich in beiden Gruppen kaum noch durch­ view im Rahmen der Einstellungsbefragung hebt Jan, der selbst ein gängig wiederfinden. Die Auswertung der Frage nach dem Beruf der Gymnasium besucht, die Unterschiede zwischen den Schultypen Mütter zeigt, daß nur 25% Hausfrauen sind und keinem Beruf nach­ deutlich hervor. gehen. Differenzen zwischen den Gruppen lassen sich allerdings bei der J an: inne schule (.) ei da nehmen wer eigentlich so auch mehr Kinderzahl antreffen (vgl. Tab. 5). fremdwörter mit rein (.1 sec) da sind ja auch dann bißehen höhere intelligenzen

214 ======1 2 3 4 5 6 stimmt stimmt nicht

Gruppe I 3 16 4 3 1 1 Gruppe I 22 (78.6) 6 (21.4)

Gruppe II 5 5 4 1 Gruppe II 8 (61.5) 5 (38.5)

Fehlende/ungültige Werte: 2 Fehlende/ungültige Werte: 4 ======Tab. 5: Zahl der Kinder in der Familie Tab. 7: Verständnis der Eltern (Item: Meine Eltern sind verständ• nisvoller als andere Eltern) Während in Gruppe II allein ein Drittel der Untersuchungspersonen Einzelkinder sind, leben in der Gruppe der Kirchengemeinde über Interessant sind in diesem Zusammenhang die Ergebnisse auf die die Hälfte in Zweikindfamilien; knapp ein Drittel haben sogar drei Frage nach dem Verständnis der Eltern. Hier beurteilen relativ viele und mehr Geschwister. Mitglieder der Gruppe II (38,5%) ihre Eltern als weniger verständnis• Das Verhältnis zu den Eltern sollte durch die beiden Items "Meine voll als andere. Wie allerdings folgender Kommentar eines Eltern sind verständnisvoller als andere" und "Meine Eltern sind Schülers beim Ausfüllen des Fragebogens zeigt, scheint die Autorität strenger als anderer" näher beleuchtet werden. Auch hier lassen sich der Eltern auf manche Schüler nur noch geringen Einfluß zu haben: wieder ähnliche Ergebnisse in beiden Gruppen finden. Circa zwei "stimmt gar nich ey (.) die sind gar nich verständnisvoll ey (.1 sec) Drittel der Jugendlichen halten ihre Eltern für weniger streng, wobei stimmt auch nich (.) daß die strenger sind ey (.) die sind gar nichts der Prozentsatz bei der ersten Untersuchungsgruppe etwas höher liegt (.) ich mach was ich will ey (.) keiner hat was zu sagen". (vgl. Tab. 6; Tab.7). Treffpunkte und Peer-group: Um weitere Sozialräume, die mit ande­ ======ren Gleichaltrigen genutzt werden, zu erfassen, wurden Fragen nach stimmt stimmt nicht beliebten Treffpunkten und der Zugehörigkeit zu Vereinen bzw. Jugendgruppen gestellt. Gruppe I 5 (17.9) 23 (82.1) Große Unterschiede zeigten sich beispielsweise zwischen den Gruppen was die Zugehörigkeit zu Jugendgruppe oder Vereinen anbe­ Gruppe II 4 (28.6) 10 (71.4) trifft (vgl. Tab. 8).

Fehlende/ungültige Werte: 3 -----======--- Gruppe I Gruppe II Tab. 6: Strenge der Eltern (Item: Meine Eltern sind strenger als andere Eltern) Sportverein 13 2 Kirchengruppe 18 Tanzgruppe 2 4 Sportstudio 4 Sport AG (Schule) 4 ======Tab. 8: Zugehörigkeit zu Vereinen und Gruppen

216 217 Sport ist für beide Jugendgruppen ein wichtiges Interessengebiet. Dar­ schnitt unterhalten sich drei Mädchen über einen zentralen Treff­ über hinaus ist die Bedeutung der Kirchengruppe für die Jugend­ punkt, vor der Imbißstube "Kochlöffel": lichen aus Gruppe I auffallend. Bei der Untersuchungsgruppe rr haben sechs Schüler (37,5%) angegeben, keinem Verein und keiner Nadine: ja vorm kochlöffel find ich auch scheiße (.) deswegen Gruppe anzugehören. Wenn sie Sport betreiben, bevorzugen sie kom­ is voIl der chaotentreff find ich (.) vor kochlöffel merzielle Sportschulen. Die Gruppenzugehörigkeit hat demnach bei Bianca: kochlöffel da treffen sich nur diese arschlöcher diese den Jugendlichen der Kirchengruppe einen höheren Stellenwert als machos bei Schülern und Schülerinnen der Gesamtschule, die eher die Un­ Ilona: ja 0 verbindlichkeit der Kontakte, wie sie in den Sportstudios und in der Bianca: ich hasse vor kochlöffel zu stehen (.) ehrlich jedesmal Tanzschule gegeben sind, suchen. wenn sich jemand mit mir verabredet ja treffen wir In der folgenden Tabelle sind die verschiedenen von den Jugend­ uns vor kochlöffel (.) ich geh da nich mehr hin nä? lichen genannten Treffpunkte aufgeführt. Ilona: nää Bianca: weil jedesmal wenn ich da stehe nä (.) entweder kommt da son typ an macht mich da an und fragt mich ======ob wir ins cafe gehen wollen? oder so und ich sitze ss Gruppe I GruppeII steh da nä keine zeit hab mich verabredet (.) und denn dauert das immer bis die kommen nä und ich steh da Jugendheim 18 1 und warte und warte und warte und der steht da auch zu Hause 15 10 die ganze zeit und labert mich immer voIl ne C.. ) Stadt 5 8 Nadine: =früher waren da immer so viele cliquen bei bei Freunden 8 4 kochlöffel im straßencafe Verein, Sportverein 1 6 Bianca: =jaa Eishalle 6 / Nadine: so das war so schön Disko 1 2 Bianca: ja C) war auch (.) wjrkJicb echt wunderschÖn (.) und Tanzschule 1 2 jetzt triffst nur noch diese machotypen ey Bodybuildungsstudio / 2 Nadine: echt Kneipe/Cafe 1 1 Bianca: kennst du diese Kino / 1 Nadine: diese stadtplatzkinder Schwimmbad / 1 Bianca: ja echt ey (.) straßenkinder Straße / 1 (SchlobinskilKohIlLudewigt 1992: 424) ======Tab. 9: Bevorzugte Treffpunkte (Mehrfachnennungen) Obwohl dieser Treffpunkt von den Mädchen abgelehnt wurde, gingen sie trotzdem immer wieder hin, weil dort nach der Schule am meisten Für die Jugendlichen beider Gruppen ist das eigene Zuhause bzw. das los war. Die Attraktivität wurde im Untersuchungszeitraum noch da­ der Freunde ein zentraler Treffpunkt. Während die Mitglieder der durch erhöht, daß sich ein in der Nähe befindliches Care zum ,In­ Untersuchungsgruppe I als außerfamiliären Freizeitort ausgespro­ Treffpunkt' entwickelte und man dadurch die MögJichkeit hatte, bei chen häufig das Jugendheim angaben, suchten sich die Jugendlichen einer Verabredung nicht mehr draußen vor dem "Kochlöffel" warten der zweiten Gruppe individuellere Treffpunkte. Ein wichtiger Ort, wo zu müssen. ,man sich trifft', ist "die Stadt", womit die Schülerinnen und Schüler Die Gegenüberstellung der Gruppen ergab im Hinblick auf das die Innenstadt und Fußgängerzone meinen. Im folgenden Aus- Alter und die Geschlechtszugehörigkeit kaum Unterschiede. Diffe­ renzen lassen sich vielmehr bei der Schulzugehörigkeit erkennen;

Q1Q wesentlich mehr Jugendliche der ersten Untersuchungsgruppe be­ erhaltene Stimmen suchen das Gymnasium. Ergebnisse hinsichtlich der familialen B G I M S Situation und des Freizeitverhaltens zeigen zudem, daß die erste i B D D e s e N u r I m K c aSs Untersuchungsgruppe im Vergleich zur zweiten über Vereine und liD e j a a t e h I a IhdRea Kirchenzugehörigkeit hinaus in ein festeres familiär-traditionelles a n r I t E a o r KamiolnU Sozialnetz eingebunden ist. n c e e e v r n auenlinw a a k f r a d a n stefmee

Biljana 4222424142443243 Anhang 2: Soziogramm der Untersuchungsgruppe II Bianca 5 535555244355545 Da die zweite Untersuchungsgruppe im Vergleich zur ersten aus einer festen Gruppe von Teilnehmern und Teilnehmerinnen bestand, Darek 1535154152454355 konnten hier die gruppendynamischen Beziehungen durch ein Sozio­ 4 3 3 3 3 gramm erhoben werden. Detlef 3 3 5 4 1 Als Wahlkriterium wurde die Frage "Wie gern oder ungern wür• 153133533435 dest Du mit den einzelnen Mitschülern und Mitschülerinnen aus Dieter 1 4 5 5 Deinem Wahlpflichtkurs ,Deutsch-Medien' einen Camping-Urlaub a b Eva 4 3 2 3 3 14343443344 verbringen?" gewählt, da nicht die Zusammenarbeit, sondern die g Bereitschaft zu einer freundschaftlichen Beziehung untersucht wer­ e Gerhard 1 2 5 2 4 1 5242451455 den sollte. Auf einer fünfstufigen Ratingskala mit den Antwortka­ g tegorien: sehr gerne, gerne, mittel, ungern, sehr ungern mußten die e Ilona 5553345 352555255 Schülerinnen und Schüler ihre Beurteilungen abgeben2. b Die folgende Soziomatrix gibt einen ersten Überblick über die elsmarin 13212142 23333133 erhaltenen und abgegebenen Stimmen. Kriterum: Wie gern oder un­ n gern würdest Du mit den einzelnen Mitschülern und Mitschülerin• e Kai 4343343433554445 nen aus Deinem Wahlpflichtkurs ,Deutsch-Medien' einen Camping­ 2324423233334234 Urlaub verbringen? (5 = sehr gerne, 4 =gerne, 3 =mittel, 2 = ungern, 1 SKlaus = sehr ungern) t i Mechmet 3 534333353 5 5 4 5 5 m 353323542545 5 3 5 5 2 Bei der Erhebung wurde die vollständige Form des Soziogramms m Nadine gewählt, da beim klassischen Moreno-Soziogramm nicht nur nach e 1141111411115 3 5 5 Bevorzugungen (z.B. neben wem möchtest Du sitzen?), sondern auch n Rolf nach Ablehnungen (z.B. neben wem möchtest Du nicht sitzen?) n 343213441535553 5 gefragt wird. Erfahrungsgemäß werden sich die Befragten durch die Susanne positiven und negativen Wahlbeurteilungen bei dem klassischen Uwe 1 2 4 2 2 1 3 1 1 3 1 1 2 5 3 1 Soziogramm ihrer sozialen Position bewußt, was im negativen Fall zu Enttäuschungen führt und daher auch den gruppendynamischen Prozeß beeinflussen kann. Beim vollständigen Soziogramm, bei Selim dem jeder Befragte alle anderen Gruppenmitglieder bewertet, ist dies nicht zu befürchten. Tab. 10: Soziomatrix 221 Während die Mittelwerte der erhaltenen Stimmen den Beliebth 't ======d d . '1' el s- gra es Jewel Igen Schülers anzeigen (vgl. Tab. l1a) ergibt d' Berechnung der Zeilenmittelwerte der abgegebenen StiJ~men e' le 11. 3.06 Selim 11. 3.20 Detlef te I d'k" . lUen gu n n I ator fur den sozIalen Kontakt innerhalb der Gruppe ( I Tab. l1b). Schüler und Schülerinnen die sich I'n der G vg. 12. 2.88 Dieter 12.5 2.94 Biljana hlf" . ' ruppe wo uhlen, wer.den vIele Gruppenmitglieder entsprechend hoch be- werten. KursteIlnehmer mit einer eher negativen sozialen E' _ 13.5 2.50 Detlef 12.5 2.94 Klaus stellung gegenüber der Gruppe werden dagegen ihre Beurteilun;n entsprechend niedrig ausfallen lassen. en 13.5 2.50 Klaus 14. 2.31 Ismarin

15. 2.33 Biljana 15. 2.25 Rolf ======------­------======a) Rangplätze und Mittelwerte b) Rangplätze und Mittel­ 16. 2.27 Eva 16. 2.06 Uwe nach erhaltenen Stimmen werte nach abgegebenen Stimmen 17. 1.63 Ismarin ======Rang 0 Name Rang 0 Name Tab. 11a,b: Rangplätze

Bei Betrachtung der Tabelle l1b fällt auf, daß sich nur die drei 1. 4.19 Uwe 1. 4.38 Bianca Schüler Ismarin, Rolf und Uwe nicht sehr wohl unter den Teil­ nehmern des Wahlpflichtfachkurses gefühlt haben. Ihre durch­ 2. 3.88 Nadine 2. 4.19 IIona schnittlichen Beurteilungswerte sind sehr gering, alle anderen ga­ ben recht hohe Bewertungen der Mitschüler ab, was darauf schließen 3. 3.73 Susanne 3. 3.93 Mechmet läßt, daß sie sehr gerne mit der Gruppe zusammen waren. Dieses Ergebnis läßt sich sowohl durch die Fragebogenerhebung (vgl. 4. 3.66 Rolf 4. 3.88 Nadine Anhang 1) als auch durch die teilnehmende Beobachtung bestätigen. Betrachtet man die Rangplätze der erhaltenen Stimmen (vgl. Tab. 5.5 3.53 Gerhard 5. 3.81 Kai 11a), nehmen Uwe und Ismarin die äußeren Positionen hinsichtlich ihrer Beliebtheit ein. Uwe, mit einem Mittelwert von 4.19 Punkten, ist 5.5 3.53 Kai 6. 3.63 Darek eindeutig der ,Star' der Gruppe. 10 von 16 der befragten Schüler und Schülerinnen gaben ihm die höchste Bewertungsstufe "sehr gern". 7. 3.44 Mechmet 7. 3.50 Susanne Dieses Ergebnis ist um so erstaunlicher, als Uwes soziale Kapazität bezüglich seiner Gruppenbewertung sehr gering ist. Er selbst hat nur 8. 3.38 Darek 8. 3.38 Dieter Rolf und Darek hoch bewertet. Alle anderen wurden nur mittelmäßig oder eher schlecht von ihm eingestuft (vgl. Tab. 10). Seine soziale 9. 3.27 I10na 9.5 3.25 Eva Beziehung zur Gruppe kann deshalb als weitestgehend niedrig be­ zeichnet werden. Nach unseren Beobachtungen ist dieses Ergebnis 10. 3.13 Bianca 9.5 3.25 Gerhard nicht ganz so überraschend. Uwe war ein Schüler, der sich den anderen Mitschülern nicht ,aufdrängte'; er wartete vielmehr darauf, ======daß andere auf ihn zugingen, war dann aber auch bereit, das Kom­ munikationsangebot aufzugreifen und sich entsprechend ein zu-

223 bringen. Beobachtungen bei mehreren Gesprächen zeigten, daß er schweigsam, hatten sie sehr aufmerksam die Unterrichtsinhalte sich angeregt mit jenen Schülern unterhielt, die letztendlich von ihm mitverfolgt. Ganz unwohl schienen sich beide Mädchen in der Gruppe selbst allerdings nur schlecht bewertet wurden. Den Schüler, den er auch nicht gefühlt zu haben. Beide gaben den anderen Kursteil­ als einzigen mit "sehr gern" bewertete, war Rolf. Rolf war eher intro_ nehmern überwiegend mittlere und positive Bewertungen (vgl. Tab. vertiert, wie man auch an seiner Einstellung zu den anderen 10). Darek, ebenfalls Pole, erhielt allerdings von beiden nur die Mitschülern und -schülerinnen sehen kann. Außer Uwe gab er nur schlechteste Beurteilung. Das hing mit großer Wahrscheinlichkeit noch Nadine und Susanne eine höhere Punktzahl. Wie Uwe war er damit zusammen, daß er seine polnische Nationalität verneinte und allerdings in der Gruppe, und hier besonders bei den Mädchen, sehr sich verschiedentlich sehr herablassend über polnische Frauen äu• beliebt. Außer zwei Mädchen würden alle "sehr gern" mit ihm einen ßerte. Die Ablehnung beruhte auf Gegenseitigkeit: Darek signali­ Campingurlaub verbringen. In der Rangordnung der erhaltenen siert ebenfalls mit seiner Bewertung, daß er sowohl mit Biljana als Stimmen nimmt er deshalb auch den 4. Platz ein (vgl. Tab. Ha). auch Eva nichts zu tun haben will. Beide, Uwe und Rolf, waren auch über den Wahlpflichtkurs hinaus In der Mädchengruppe fällt darüber hinaus auf, daß fast alle engere Freunde. Mit dem zweiten Schüler, den Uwe im Kurs noch Mädchen eine positiv-soziale Einstellung zu den anderen Kurs­ akzeptierte, Darek, teilte er vor allem sein gemeinsames Interesse teilnehmern haben. Außer den beiden Polinnen nehmen sie die vor­ am Kampfsport. deren Rangpositionen bei den abgegebenen Stimmen ein (vgl. Tab. Am anderen Ende der Beliebtheitsskala steht Ismarin. Indem er llb). So belegen Bianca und Ilona allein die ersten beiden Plätze. Die einerseits die wenigsten Punkte für sich gewinnen konnte, anderer­ beiden Mädchen hatten sich im Verlauf des Kurses näher kennenge­ seits aber auch selbst die anderen Kursteilnehmer sehr schlecht be­ lernt und sind zu Freundinnen geworden, was sich auch in der ge­ wertete, ist er ein echter Außenseiter innerhalb der Gruppe. Dies genseitigen positiven Bewertung ausdrückt. Das von beiden leiden­ kann durch unsere Beobachtungen nur bestätigt werden. Die Gruppe schaftlich ausgeübte Hobby, das Tanzen, bildete eine wichtige ge­ litt unter Ismarin, der große Schwierigkeiten hatte, dem Unterricht meinsame Interessenbasis. Bianca hatte darüber hinaus auch ,zarte zu folgen und alle Anweisungen immer mehrmals erklärt bekom­ Bande' zum anderen Geschlecht geknüpft. Zum Ende des Schuljahres men mußte. Auf der anderen Seite litt aber auch er unter der Gruppe, sah man Bianca und Darek fast nur noch in innigen Umarmungen. weil fast jeder ihm, wann immer sich die Gelegenheit bot, vermittelte, Beim Klingelzeichen gab es jedesmal ,herzzerreißende Abschieds­ wie unbeliebt er war. szenen', wenn heide in ihre Klassen zurückmußten. Schaut man die erhaltenen und abgegebenen Stimmen in der Mit Ilona und Darek sind zwei besonders extrovertierte Kurs­ Mädchengruppe an (vgl. Tab. lla,b), so sind Nadine und Susanne die teilnehmer und -teilnehmerinnen bereits erwähnt worden. Beide beliebtesten Mädchen, wobei Nadine besonders kommunikations­ verstanden es, in den Gruppeninteraktionen zu dominieren und ha­ freudig ist. Sie erhielt nicht nur viele Stimmen, sondern bewertete ben dadurch, daß sie laufend Kommentare ,zu allem und zu jedem' auch 9 Schülerinnen und Schüler mit "gerne" und "sehr gerne" (vgl. abgegeben haben, nicht unerheblich zu der geringen Produktivität Tab. 6-10). Am engsten war sie jedoch mit Susanne verbunden. Beide und ,Leistungsdichte' des Kurses beigetragen. So ,platzte' beispiels­ bildeten ein unzertrennliches Paar, das jede freie Minute während weise Ilona mitten in einer Teambesprechung dazwischen und sagte der Schulzeit miteinander verbrachte. zum. Lehrer: "sie haben hamsterhaare (.) die sind auch so weich (.) Die letzten Plätze in der Mädchengruppe, und nach Ismarin auch mein hamster hat auch solche haare". Die verbale Dominanz von in der Gesamtbewertung der erhaltenen Stimmen (vgl. Tab. lla), Ilona und Darek, die zwar einerseits zur Aufheiterung des Kurses nehmen die bei den Polinnen Biljana und Eva ein. Das kann daran beitrug, aber andererseits auch manche Kursteilnehmer beim gelegen haben, daß beide während des gesamten Kursjahres sich im­ Arbeiten störte, kann deren mittlere Beliebtheitsposition miterklären mer abgesondert und kaum in den Kurs eingebracht haben. Während (vgl. Tab. lla). der Arbeitsgruppensitzungen saßen sie meistens nur schweigend da­ Als auch nicht gerade schüchtern läßt sich Mechmet beschreiben. bei und hörten zu. Zum Erstaunen des Lehrers schnitten sie aller­ Seinem 3. Rangplatz bei den abgegebenen Stimmen ist zu entnehmen, dings bei den Tests überdurchschnittlich gut ab. Obwohl sehr daß er seine Zeit gerne mit der Gruppe verbracht hat. Weil ihm dieser

?'JA Kurs so gut gefallen hat, beabsichtigte er, den gleichen Wahlpflicht_ bewertung führt. IIona gab Mechmet den höchsten Bewertungswert kurs auch in der 10. Klasse zu besuchen. Mechmet fiel beispielsweise "sehr gerne". durch seine Impulsivität auf, die sich U.a. darin äußerte, daß er sich Gerhard und Mechmet lernten sich im ersten Kurshalbjahr näher sehr direkt in die Interaktionen anderer einmischte, was gelegent­ kennen, da beide eine Hauptrolle im Film hatten. Daß sie sich nicht lich zu Negativreaktionen führte. Im folgenden Gesprächsausschnitt allzusehr schätzen gelernt haben, zeigt sich darin, daß Mechmet waren IIona und Bianca und die Interviewerin in ein Gespräch über Gerhard nur eine mittlere Bewertung zukommen ließ. Das laufende Sportstudios vertieft, als Mechmet die Gruppe unterbrach: gegenseitige Ablenken bei den Aufnahmen schien Gerhard weniger ausgemacht zu haben. Er würde "gerne" mit Mechmet einen Cam­ nona: und dann geh ich ja zum training pingurlaub verbringen. Im Kurs selbst nahm Gerhard eine mittlere I: ja Position ein, was seine Beliebtheit anbelangte. Seine selbst abgege­ nona: und dann (.) wenn man so so viel schwitzt beim benen Stimmen lassen darauf schließen, daß er sich in dem Kurs training nicht ganz so wohl gefühlt hat. Aus seinem Verhalten während der Mechmet: = was machste denn für nen training? Unterrichtsstunden konnte man zu ähnlichen Schlußfolgerungen nona: kraft (.) sei jetzt leise (.) und dann noch in die sauna kommen. Während des ganzen Kurses war ihm anzumerken, daß er (.) dann hilft das wirklich viel keinerlei Interesse am Filmen hatte. Nicht nur bei den Aufnahmen, I: auf jeden fall sondern auch bei den schriftlichen Arbeiten war er sehr unkonzen­ nona: und ich mein drei in monaten triert und wartete eigentlich nur darauf, daß die Stunde endlich vor­ Mechmet: = schwangerschaftstraining? bei war. «die Schülerin antwortet scherzhaft» Einen ähnlichen Eindruck hatte man auch bei Selim. Dessen nona: ja weißte C) ich bin im dritten monat (.) mechi Interesse am Kurs war ausgesprochen gering. Selim war im Kurs Mechmet: ja ich hab dich ja nur gefragt (.) sag mal was machst auch nicht allzu beliebt. Nur Bianca gab ihm den höchsten Punktwert du denn (.) was machst du denn? (vgI. Tab. 9). nona: =ja (.) du mußtes ja wissen (.) du bist der vater ey Als wertvoller Mitarbeiter im Filmprojekt hatte sich Kai besonders Mechmet: ia was machst du denn? hervorgetan. Er wußte genau, wie die Kamera zu bedienen war und IIona: N-NICHTS wann welche Arbeitsschritte in Angriff zu nehmen waren. Seine Mechmet: so und da da muß man inne sauna dann rein (.) wenn Kontaktfreudigkeit zeigte sich u.a. darin, daß er zehn Schülerinnen man nichts macht is man kaputt (.) ne? und Schüler mit "gern" oder sogar "sehr gern" und niemanden mit IIona: = ja (.) genau C) da muß man inne sauna (.) dann U ngern" oder sehr ungern" hinsichtlich der Kriteriumsfrage be- " " hilft das ja (.) und in drei m (.) erstmal die sechs wertete (vgI. Tab. 10). Selbst Ismarin bekam von ihm eine mittlere monate (.) hab ich mir gesagt sechs monate ey Beurteilung, obwohl dieser ihn mit seinen zum Teil endlosen Mechmet: sechs monate hast du noch? Fragereien oft ,genervt' hatte. Kai schien ebenfalls bei den Mädchen Bianca: mußtes ja machen besonders beliebt gewesen zu sein. Alle wollten "gern" und "sehr IIona: nä drei monate nehm ich erstmal zur probe gerne" einen Campingurlaub mit ihm verbringen. . . (Schlobinski/KohVLudewigt 1992: 394) Am Ende der Analyse des Soziogramms soll noch auf drei Schüler eingegangen werden, die in der Jungengruppe hinter Ismarin die Abwehrende Signale nahm Mechmet nicht wahr, sondern versuchte letzten Positionen der Beliebtheitsskala einnehmen: Detlef, Dieter noch durch die provokant gemeinte Frage, ob es sich um Schwan­ und Klaus. Unter den männlichen Kursteilnehmern gehörten Detlef gerschaftstraining handele, das Gespräch zu stören. Hier wird auch und Dieter zu den unzertrennlichen Freunden, was 'sich auch in ih­ deutlich, daß Jugendliche, wie in diesem Beispiel, zwar sehr direkt ren gegenseitigen Beurteilungen ausdrückte (vgI. Tab. 10). Wäh• miteinander umgehen, was jedoch nicht unbedingt zu einer Negativ- rend Dieter durchaus einige Schüler und Schülerinnen anscheinend ganz sympathisch fand, schien Detlef an den anderen Kursteil- nehmern wenig interessiert zu sein. Bei fünf Teilnehmern gab er an Die beiden Freunde kommen erst am nächsten Tag in der Schule diese nicht zu kennen und deshalb auch nicht beurteilen zu können: dazu, über die Ereignisse des Vorabends zu reden. Einerseits hat je­ Dieses Desinteresse spiegelte sich in seiner geringen Beliebtheit der von ihnen ein schlechtes Gewissen, andererseits verfügen sie wider. Nur sein engster Freund gab ihm die höchste Bewertung. jetzt endlich über genügend Geld. Endlich können sie ihre Konsum­ Klaus hatte allein schon durch seine geringe Körpergröße keine wünsche befriedigen und auch ihre Freundinnen in eine Pizzeria leichte Stellung im Kurs. Immer wurde er deswegen gehänselt und und zum Eisessen einladen. Den mißtrauischen Fragen der Mäd• hatte Schwierigkeiten sich durchzusetzen, obwohl er als guter Kame­ chen begegnen sie mit Lügengeschichten, die einigermaßen glaub­ ramann durchaus seine Kompetenzen unter Beweis stellte. Dieser würdig klingen. Das Geld ist schnell verbraucht; deshalb gehen die Situation entsprechend fielen auch seine Bewertungen und die Beur­ Jungen auch gerne wieder zum nächsten Treffen der Clique. Wieder teilungen seiner Mitschüler aus. Sowohl bei den erhaltenen Stimmen wird ein Einbruch verübt, doch werden sie dieses Mal fast dabei als auch bei den abgegebenen Stimmen (vgl. lla,b) ist er auf den erwischt, weil die Alarmanlage des betroffenen Geschäftes plötzlich hinteren Plätzen zu finden und kann somit ebenfalls als wenig inte­ zu schrillen beginnt. Nur knapp entgehen sie der alarmierten griert in die Gruppe beurteilt werden. Polizei. Die Diebesbeute ist allerdings reichlich und wieder wird ge­ Die Ergebnisse des Soziogramms konnten interessante Gruppen­ teilt. beziehungen aufzeigen, die in großen Teilen durch die teilnehmende Die beiden Freunde geraten nun in einen regelrechten Kauf­ Beobachtung bestätigt werden konnten. rausch: Videorecorder, Fernsehgeräte und Stereoanlage werden angeschafft. Weil auch sie nun beginnen, mit ihren Anschaffungen anzugeben, werden sie von ihren Freundinnen zur Rede gestellt. Den Ausreden und Lügen über den plötzlichen Reichtum glauben die Anhang 3: Das Expose (Der Filmentwurf im Wahlpflichtfachkurs Mädchen nicht mehr. Schließlich gestehen die beiden Jungen ihren ,Deutsch-Medien') Freundinnen die wahren Hintergründe und müssen versprechen, sich von der Clique zu distanzieren. Zwei Schüler einer 9. Klasse verfügen über so wenig Taschengeld, Beim nächsten Treffen der Bande teilen die Jungen dem Anführer daß sie ihre Konsumwünsche fast nie verwirklichen können. Täg• mit, daß sie "aussteigen" wollen. Der Cliquenchef macht ihnen je­ lich ärgert sie ein Mitschüler, dessen Eltern reich sind; ständig gibt doch klar, daß er einen Ausstieg nicht zulassen werde. Als die beiden er vor ihnen mit seinen Neuanschaffungen an. gehen wollen, werden sie von der Bande mit brutaler Gewalt daran Eines Tages verlieren sie die Geduld und geraten mit dem gehindert. Sie werden gezwungen, bei einem Einbruch in ein Lager­ Angeber in Streit. Ein weiterer Mitschüler kommt hinzu, beruhigt die haus mitzumachen. Streithähne und nimmt die beiden Jugendlichen beiseite. Er erzählt Auf dem Firmengelände werden die Bandenmitglieder von einem ihnen, daß er Mitglied einer Clique sei, die Geldprobleme spielend zu Wachmann gestellt, doch wird dieser vom Anführer der Clique nie­ lösen verstehe. Der fremde Mitschüler lädt die beiden ein, abends dergeschlagen und schwer verletzt. Dem Wachmann gelingt es noch, zum Cliquentreffpunkt zu kommen. einen Alarmknopf zu betätigen; die Jugendlichen flüchten in Panik. Die zwei Freunde gehen noch am gleichen Abend dorthin und sind Die beiden Freunde unterbrechen allerdings ihre Flucht und kehren von der Clique begeistert. Der Anführer fragt sie zu später Stunde, ob zu dem Verletzten zurück, um ihm zu helfen. Fast gleichzeitig trifft sie Mitglieder der Bande werden möchten; dies sei jedoch mit einer dort die Polizei ein, die die zwei Jugendlichen sofort festnimmt. Den "Aufnahmeprüfung" verbunden. Etwas vorschnell willigen sie ein Jungen wird mitgeteilt, daß der Wachmann soeben seinen Verlet­ und merken nur wenig später, daß die "Aufnahmeprüfung" eine zungen erlegen sei. Beteiligung an einem Einbruch bedeutet. Doch nun gibt es keinen Weg mehr zurück. Nach dem gemeinschaftlich begangenen Ein­ bruch wird das erbeutete Geld innerhalb der Clique geteilt und eine neue Verabredung vereinbart. Anhang 4: Auszüge aus dem ,literarischen Drehbuch' des für die Schule nicht schaden, meint er. Schade ums Geld, kann ich da Wahlpflichtkurses ,Deutsch Medien' nur sagen.

Von der Mitte des Pausenflures steuert ein Mitschüler (Herbert) auf 1. Bild: SCHULGEBÄUDE Außenaufnahme die beiden Schüler zu. Patrick entdeckt die Absicht von Herbert, sich zu ihnen zu geseIlen und hält seine linke Hand vor die Augen. Eingang des Hauptgebäudes der Gesamtschule. Vereinzelt gehen Schüler die Treppen des Schulhofes hinauf und betreten durch den Patrick: Ach du große Scheiße! Jetzt kommt dieser Froschkopf auch Haupteingang das Schulgebäude. Der Pausengong ertönt. noch hierher. Heute geht auch aIles daneben.

Inzwischen ist Herbert an der Sitzecke angekommen und steIlt sich 2. Bild: PAUSENFLUR Innenaufnahme vor Patrick und DanieI. Mitleidig schaut er zu ihnen herab.

Der Pausengong beendet die Unterrichtsstunde. Nacheinander öff• Herbert: Hi! Habt ihr Bock, heute nachmittag meine neue Stereo­ nen sich die Türen der verschiedenen Klassenzimmer und Schüler anlage mit einzuweihen? Zweimal 150 Watt, geiler Sound, sage ich betreten den Pausenflur. Zwei Schüler, die den Klassenraum B 11 ver­ euch. Na, was iso lassen haben, gehen zielstrebig auf eine Sitzecke zu, die sich am Ende des Pausenflurs vor einer Fensterwand befindet. Einer der Schüler Patrick nimmt eine drohende Haltung ein. (Danie!) setzt sich auf die Bank, der andere (Patrick) nimmt auf dem Tisch davor Platz; beide sitzen so, daß sie sich ansehen können. Patrick: Nichts is'! Verpiß' dich, du Angeber! Daniel schaut kopfschüttelnd zu Patrick auf. Herbert weicht ein Stück zurück, dann macht er wieder einen Schritt Daniel: Mensch, Patrick, das ist vieIleicht ein beschissenes Leben! In nach vorne. der Schule nichts wie Zoff, zu Hause Zoff wegen dem Schulärger und für das eigentliche Leben keine Kohle in der Tasche. Herbert: SolI ich euch 'was aufs Maul hauen?

Patrick nickt zustimmend. Patrick steht auf und geht einen Schritt auf Herbert zu, so daß sich beide Gesichter fast berühren. Patrick:Das bringt mich auch zum Wahnsinn. Die anderen in der Klasse haben fast aIle Walkmen auf und brauchen dann den Patrick: Komm'doch her! - Wenn du unbedingt Frührentner werden Quatsch von den Scheißpaukern nicht mit anhören und wir können willst, das kannst du haben! uns das nicht leisten und müssen uns Stunde für Stunde voIlabern lassen. - Keine Chance zum Abschalten ... Beide schubsen sich gegenseitig. Auch Daniel steht auf, um Patrick zu unterstützen. Schließlich kommt ein weiterer Mitschüler auf die Daniel unterbricht ihn und verzieht sein Gesicht zur Grimasse. streitende Gruppe zu und trennt die Streithähne. Herbert dreht sich um und geht; dabei wendet er sich noch laut schimpfend an Patrick Daniel:An einen Walkman oder sowas wage ich gar nicht zu und DanieI. denken. Mein Taschengeld reicht nicht 'mal für's Kino. Und zum Geburtstag oder zu Weihnachten kann ich mir wünschen, was ich Herbert: Ihr asozialen Penner könnt doch nur etwas, wenn euch einer will - ich kriege doch immer 'was Anderes, meistens Bücher, die kein hilft! Schwein interessieren: - damit ich mehr lese, sagt mein Alter, - kann Der Mitschüler setzt sich zu Patrick und Daniel, die auch wieder auf Literatur der Bank Platz nehmen.

Mitschüler: Ich heiße Mike, was war denn los? Beck, Christian & Hamburger, Franz (1982). Ehrenamtliche Mit­ Patrick: Ach, der geht uns immer mit seinen Angebereien auf den arbeiter in der Jugendarbeit. Eine empirische Untersuchung. Wein­ Geist, gibt bei uns mit seiner neuen Stereoanlage an und weiß ganz heim. genau, daß wir kein Geld für solche Sachen haben. Immer, wenn er von seinen Alten 'was Neues gekriegt hat, sollen wir uns das Beneke, Joachim (1982). Untersuchung zu ausgewählten Aspe.~ten angucken und Stielaugen kriegen. der sprachlich-kommunikativen Tätigkeit Jugendlicher. Disser­ tation , Akademie der Wissenschaften der DDR. Berlin (DDR). Mike: Wenn da eure Probleme liegen, dann müßt ihr 'mal meine Clique besuchen. Bourdieu, Pierre (1984). Capital et marche linguistiques. In: Lingui­ stische Berichte 90: 3-24. Daniel: Und? Was haben wir davon? Brandmeier, Klaus & Wüller, Kerstin (1989). Anmerkungen zu Mike: Jedenfalls keine Geldprobleme mehr. Die lösen wir lässig zu­ Helmut Henne: Jugend und ihre Sprache. 1986. Berlin/New York. In: sammen. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie, 1989, H. 41: 147-155.

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Gaby Kohl, geb. 1960; Dip!. Päd.; 1980-1987 Studium der Erziehungs­ wissenschaft, Soziologie, Psychologie an den Universitäten Bamberg und Osnabrück. 1988-1989 Forschungshilfskraft im Fachbereich Erziehungs- und Kulturwissenschaften der Universität Osnabrück, gleichzeitig Mit­ arbeit im Projekt "Frauen in Osnabrück" der Universität Osna­ brück; 1989-1990 Arbeit am Forschungsschwerpunkt "Internationale Schulen"; 1990-1992 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungs­ projekt "Jugendsprache" des Fachbereichs Sprach- und Literaturwis­ senschaft der Universität Osnabrück; zur Zeit Promotionssti­ pendiatin.

Irmgard Ludewigt, geb. 1959; Dip!. Päd.; 1984-1990 Studium der Erziehungswissenschaft, Soziologie, Psychologie an der Universität Osnabrück. 1990-1992 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt "Jugendsprache" des Fachbereichs Sprach- und Literaturwissen­ schaft der Universität Osnabrück; zur Zeit Lehrbeauftragte an der Kath. Fachhochschule Norddeutschland, Arbeit an einer Studie über freiwilliges soziales Engagement von Jugendlichen.

Peter Schlobinski, geb. 1954; Dr. phi!. habil; Studium der Germani­ stik, Sportwissenschaft, Philosophie und Pädagogik; Staatsexamen 1981, Promotion 1985, Habilitation 1992. 1982-1987 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Germa­ nistik der Freien Universität Berlin; von 1987 bis Anfang 1993 Hoch­ schulassistent im Bereich Allgemeine und Vergleichende Sprach­ wissenschaft / Deutsch an der Universität Osnabrück; Professor für Germanistische Linguistik an der Universität München. Arbeitsschwerpunkte sind Deutsche Gegenwartssprache, Empi­ rische Sprachwissenschaft, Funktionale Grammatik und Deutsch / Chinesisch kontrastiv.

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