Jahresbericht E 2002.Pub
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JAHRESBERICHT 2002 Sachbereich: Wildökologie (Wildlife ecology) Fortzuführende Vorhaben: Projekt: Untersuchungen zur grenzwertüberschreitenden Radiocäsiumkontamination von Wild- schweinfleisch (Sus scrofa) in Rheinland-Pfalz (Investigations on the radiocesium contamination of wild boar (Sus scrofa) meat in Rhineland-Palatinate) (in Zusammenarbeit mit / in co-operation with den Forstämtern Landstuhl, Elmstein, Johanniskreuz, Waldfischbach-Burgalben, Merzalben, Hinterweidenthal, Pirmasens, Dahn, Eppenbrunn und Schönau und den Landesuntersuchungsämtern / Instituten für Lebensmittelchemie Speyer und Trier) Durch Freisetzung aus oberirdischen Kernwaffen- geninhalten und einer parallel durchgeführten tests und vor allem aus dem Tschernobylreaktor- Analyse der darin zu findenden Nahrungsbestand- unfall von 1986 wurde Radiocäsium in Waldöko- teile, die kontaminierend wirkenden Organismen systemen auf sauren, kaliarmen, humosen Böden ermittelt werden können. von organischen Substanzen reversibel gebunden Die Auswahl der Untersuchungsfläche fußte zu- und bleibt, da es mit einer Halbwertzeit von ca. 30 nächst auf einer Auswertung der räumlichen Ver- Jahren zerfällt, über Jahrzehnte im Biokreislauf. teilung der Radiocäsiumbelastung auf Regiejagd- Aus diesem Grunde können Pflanzen und Pilze in flächen im Pfälzerwald erlegter Wildschweine von diesen Lebensräumen auch heute noch nennens- Dezember 2000 – Februar 2002 (Abb. E 9). Es werte radioaktive Belastungen aufweisen. zeigte sich, dass vor allem westliche Forstämter Seit 1997 wird in Rheinland-Pfalz im Pfälzerwald betroffen waren, während östliche Forstämter kei- und im Hochwald bei ca. 10 bis 15% der unter- ne Grenzwertüberschreitungen zu verzeichnen suchten Wildschweine eine grenzwertüberschrei- hatten. Um für die Studie ausreichend belastetes tende Kontamination des Muskelfleisches mit Ra- Material zu erhalten, entschied man sich, die Mä- diocäsium von > 600 Bq/kg beobachtet. Da sich gen sämtlicher auf Regiejagdflächen erlegter Wildschweine u. a. von Waldpflanzen bzw. deren Wildschweine der zehn am stärksten betroffenen Wurzeln und Rhizomen sowie Pilzen ernähren, Forstämter des westlichen Pfälzerwaldes zu unter- könnten diese Nahrungsbestandteile als Kontami- suchen. Die Auswahl umfasste die Forstämter nationsquelle fungieren. Landstuhl, Elmstein, Johanniskreuz, Waldfisch- Die Forschungsanstalt für Waldökologie und bach-Burgalben, Merzalben, Hinterweidenthal, Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz wurde daher im Pirmasens, Dahn, Eppenbrunn und Schönau. Mai 2002 vom Ministerium für Umwelt und Fors- Die Untersuchung der Mägen teilte sich konkret in ten damit beauftragt, die Ursachen der Radiocäsi- drei Arbeitsschritte: umbelastung von Wildschweinfleisch zu erfor- I. Schätzung der Volumenanteile von mit bloßem schen und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Auge erkennbaren Nahrungskategorien. Hierzu wurde eine Pilotstudie begonnen, die der II. Bestimmung des Radiocäsiumgehalts einer 500 Frage nachgeht, ob durch die direkte Ermittlung ml Stichprobe der Mageninhalte in einem Gam- der Radiocäsiumbelastung von Wildschweinma- maspektrometer (LB 500, Berthold Technologies). 164 Abteilung E JAHRESBERICHT 2002 III. Genaue Bestimmung der Gewichtsanteile von 3. Zusammen mit einem weiteren Rottenmitglied Nahrungspartikeln von höher belasteten Magenin- wurden 36 der 514 erfassten Wildschweine gleich- halten. Bei dieser sog. mikroskopischen Analyse zeitig und am gleichen Ort erlegt. Es wurden bis wurden 100 g eines Mageninhalts über einem 2 auf eine Ausnahme gleichaltrige Tiere aus den mm Sieb gespült und der Rückstand unter dem Rotten geschossen. Mikroskop und/oder Binokular aussortiert und an- Es zeigte sich, dass die Werte von Rottenmitglie- schließend gewogen. dern hinsichtlich der Belastung des Muskelflei- sches und der Mageninhalte (alle Mägen waren Zwischen Mai und Dezember 2002 wurden von gefüllt) korrelierten (Abb. E 10). den oben erwähnten 10 Forstämtern die Mägen Erklärungshypothese: Die Kontamination erfolgt von insgesamt 514 erlegten Wildschweinen (14,5 zumindest bei gleichaltrigen Rottenmitgliedern % Frischlinge, 55 % Überläufer, 30,5 % ältere sowohl über einen Tag (korrelierende Magenbe- Tiere; gestreifte Frischlinge wurden nicht erfasst) lastung) als auch über mehrere Tage zur Verfügung gestellt. Hauptjagdart war im Som- (korrelierende Fleischbelastung) koordiniert. merhalbjahr die abendliche Ansitzjagd an der Kir- rung und im Winterhalbjahr die Drückjagd. In der 4. Die makroskopischen Analysen aller Magenin- folgenden Zwischenbilanz werden erste Messer- halte zeigten, dass zwischen Mai und August die gebnisse aus dieser Stichprobe und einige vorläu- Mägen im Schnitt über die Hälfte mit frischer grü- fige Schlussfolgerungen vorgestellt: ner Pflanzensubstanz gefüllt waren, gefolgt von jeweils ca. 20 % Kirrungsmais und sonstigen Nah- 1. Der Median der Fleischbelastung der erlegten rungsbestandteilen. Des Weiteren befand sich in Wildschweine lag zwischen Mai und Dezember den Mägen zu ca. 10 % ein braun-schwarzer kör- 2002 bei 180 Bq/kg (Maximum: 5573 Bq/kg) und niger Brei. Die Farbe und Zusammensetzung weist der Median der Magenbelastung bei 24 Bq/kg auf eine unterirdische Nahrungssuche hin. Be- (Maximum: 1749 Bq/kg). Trotz dieser im Mittel trachtet man für den gleichen Zeitraum nur die geringen Belastungswerte konnten im Sommer- stark belasteten Mägen, verschieben sich die An- zeitraum (Mai bis September) 21,2 % aller erfass- teile in den oben genannten Nahrungskategorien, ten Tiere (n = 368) wegen Fleischbelastungen von wobei sich der Anteil des braun-schwarz-körnigen über 600 Bq/kg nicht in Verkehr gebracht werden. Breis nahezu vervierfacht. Im Herbst (Oktober - Dezember) konnten hinge- Im Herbstzeitraum Oktober bis Dezember, aus gen wieder sämtliche Schweine (n = 110) in Ver- dem keine belasteten Mägen vorliegen, überwie- kehr gebracht werden. gen die Anteile von Baumfrüchten, meist von Erklärungshypothese: Der Kontaminator ist ent- Bucheckern. weder nur saisonal während der Vegetationszeit Erklärungshypothese: Der oder die Kontaminato- verfügbar oder wird von den Schweinen nur in ren werden von den Wildschweinen bevorzugt bei dieser Zeit bevorzugt aufgenommen. der Suche nach unterirdisch vorkommender Nah- rung aufgenommen, während die Aufnahme von 2. Fleisch- und Magenbelastung korrelierten signi- nicht cäsiumhaltigen Baumfrüchten im Herbst de- fikant positiv (R-Koeffizient[Spearman] = 0,66, p < kontaminierend wirkt. 0,01). Dies bedeutet, dass Tiere mit hoher Fleisch- belastung häufig auch in den Tagen vor der Erle- 5. Die mikroskopischen Analysen der stärker be- gung kontaminierte Nahrung aufgenommen hatten lasteten Mägen (n = 19) erfolgte hinsichtlich 8 und umgekehrt. Nahrungskategorien. Es konnten im Siebrückstand Erklärungshypothese: Die Kontamination erfolgt bei 18 der 19 Mägen Hirschtrüffel (Elaphus granu- in der Regel wiederholt und kontinuierlich. losus) in sehr unterschiedlichen Gewichtsanteilen Abteilung E 165 JAHRESBERICHT 2002 (0,1 – 61,6 %) nachgewiesen werden (Tab. E 13). gebundenes Cäsium in ihrem Gewebe anzurei- Für den einzigen höher belasteten Magen ohne chern, steht die „Hirschtrüffelhypothese“ auch Hirschtrüffelreste im Siebrückstand ließen sich nicht in Widerspruch zu den anderen oben formu- jedoch geringe Mengen dieses Pilzes (3 % Ge- lierten Erklärungshypothesen. wichtsanteil) im Filtrat nachweisen. Der Hirsch- trüffel ist somit die einzige Nahrungskomponente, Ausblick: Die Untersuchung wird bis Februar die durchgehend bei allen höher belasteten Mägen 2003 fortgeführt, so dass Nahrungsaufnahme und nachgewiesen werden konnte. Kontaminationsverlauf in den Winter hinein ver- Erklärungshypothese: Dem Hirschtrüffel kommt folgt werden können. Ferner schließt sich den offenbar eine entscheidende Rolle bei der Konta- mikroskopischen Inhaltsanalysen der höher be- mination der Wildschweine zu, wenngleich große lasteten Mägen eine entsprechende Untersuchung lokale Kontaminationsunterschiede angenommen der sog. „Nullmägen“ als Gegenprobe an. werden müssen. „Nullmägen“ sind unbelastete Mägen von Tieren, Da Hirschtrüffel unterirdisch wachsen, darüber die möglichst zeit- und raumnah zu einem Tier mit hinaus nach ersten Recherchen im Pfälzerwald belastetem Magen erlegt wurden. vermutlich ganzjährig und zahlreich vorkommen und zudem in der Lage sind, im Boden reversibel Grüne Sonstiges Tierische Pflanzen- Pflanzen- Wurzeln Kirrungsmais1 Baumfrüchte Hirschtrüffel Bestandteile Sonstiges fasern material Mittel 39,7 % 10,5 % 2,9 % 20,4 % 0 % 18,9 % 4,7 % 2,9 % Max. 86,8 % 79,9 % 41,8 % 70,5 % 0 % 61,6 % 32,2 % 17,3 % Min. 1 % 0 % 0 % 0 % 0 % 0 % 0 % 0 % Tab. E13: Mikroskopische Mageninhaltsanalyse*: Mittlere Gewichtsanteile von acht Nahrungskategorien in höher belasteten Mageninhalten (Median: 384 Bq/kg; Min.: 345 Bq/kg; Max.: 1749 Bq/kg; n = 19) erlegter Wildschweinen aus dem westlichen Pfälzerwald (Mai – Dezember 2002). *: Methode siehe Text; 1: Zum Anlocken ausgebrachter Körnermais Table E 13: Microscopic analysis of stomach contents*: Mean weight proportions of eight food categories in higher contaminated stomachs contents ( median: 384 Bq/kg; Min: 345 Bq/kg; Max.: 1749 Bq/kg; n = 19) of shot wild boars from the western Palatinate Forest (Mai – December 2002). *: Under binocular and microscope sorted and then weighted residue of a 100 g stomach content sample that has been washed over a 2 mm-wire net sieve 166 Abteilung E JAHRESBERICHT 2002 Abb. E 9: Grad der Radiocäsiumkontaminationen von Wildschweinen aus dem Pfälzerwald gegliedert nach Forstamtsflächen (Dezember 2000 - bis