Sachbereich: Wildökologie (Wildlife Ecology)
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JAHRESBERICHT 2003 Sachbereich: Wildökologie (Wildlife ecology) Abgeschlossenes Vorhaben Projekt: Untersuchungen zur grenzwertüberschreitenden Radiocäsiumkontamination von Wild- schweinfleisch (Sus scrofa) in Rheinland-Pfalz (Investigations about the radiocesium contamination of wild boar (Sus scrofa) meat in Rhineland-Palatinate) (in Zusammenarbeit mit / in co-operation with den Forstämtern Landstuhl, Elmstein, Johanniskreuz, Waldfischbach-Burgalben, Merzalben, Hinterweidenthal, Pirmasens, Dahn, Eppenbrunn und Schönau und den Landesuntersuchungsanstalten / Instituten für Lebensmittelchemie Speyer und Trier) Ausführlicher Bericht im Internet unter www. zusammensetzung wurden die maximal belasteten fawf.wald-rlp.de Mageninhalte ausgewählt. Als Gegenprobe wurde jedem dieser erhöht belasteten Mägen ein gering Radiocäsium (Cs137 + 134) wird bei Kernwaffent- belasteter Magen zugeordnet und ebenso unter- ests und Reaktorunfällen wie 1986 in Tschernobyl sucht. freigesetzt. Es wird in Waldökosystemen von or- Auf diese Weise sollten die kontaminierend wir- ganischen Substanzen reversibel gebunden und kenden Nahrungsbestandteile ermittelt und darauf verbleibt aufgrund der 30-jährigen Halbwertzeit aufbauend praxisnahe Lösungswege formuliert von Cs137 über Jahrzehnte im Biokreislauf. werden. Während die radioaktive Belastung 18 Jahre nach Als Untersuchungsgebiet dienten 10 Forstämter dem Tschernobylunfall bei Pilzen, Pflanzen und des westlichen Pfälzerwaldes, wo die Mägen von vielen Wildtieren langsam abnimmt, werden bei 714 Wildschweinen gesammelt wurden. Zusätz- Wildschweinen nach wie vor hohe Werte registri- lich stellten uns dankenswerterweise die beteilig- ert. So werden in Rheinland-Pfalz grenzwert- ten Forstämter bzw. das Landesunter-suchungsamt überschreitende Radiocäsiumbelastungen des in Speyer die Messwerte der Fleischbelastung die- Wildschweinfleisches seit 1997 schwerpunkt- ser Tiere zur Verfügung mäßig im westlichen Pfälzerwald, aber auch im Hunsrück, nachgewiesen. Die Auswertung erbrachte folgende Befunde: Zur Klärung der Kontaminationsursachen wurde zwischen Mai 2002 und Februar 2003 eine Ma- 1. Zwischen Mai und September beinhalteten die geninhaltsanalyse erlegter Wildschweine durchge- Mägen zumeist grüne Pflanzen und Kir- führt (siehe auch Jahresbericht 2002). Hierzu wur- rungsmais. Zwischen Oktober und Februar do- de die Radiocäsiumbelastung (Bq/kg Frischmasse) minierten hingegen Bucheckern die aufgenom- und Zusammensetzung (geschätzte Volumenpro- mene Nahrung (Tab. E10). zente) der Mageninhalte bestimmt. Für eine ge- 2. Über die gesamte Stichprobe lag die Magenbe- nauere mikroskopische Analyse der Nahrungs- lastung gegenüber der Fleischbelastung auf einem niedrigerem Niveau: 174 Abteilung E JAHRESBERICHT 2003 - Magenbelastung: Median = 22, Maximum = Sechs der 20 untersuchten maximal belasteten 1.749 Bq/kg Frischmasse (= FM) Mageninhalte bestanden allerdings nur aus 0 % - Muskelfleischbelastung: Median = 129, Maxi- bis 2,5 % Hirschtrüffelschalenreste (siehe Abb. mum = 5.573 Bq/kg FM E 25). 3. Vergleicht man junge Frischlinge (bis 10 kg Aufbruchgewicht) mit allen schwereren Tieren, Aus diesen Befunden werden folgende Schlussfol- so war eine höhere Belastung des Fleisches der gerungen in Bezug auf die Kontaminationsursa- Frischlinge gegenüber den restlichen Tieren chen beim Wildschwein im Pfälzerwald gezogen: nachweisbar. Ansonsten bestand zwischen Fleischbelastung und Körpergewicht kein we- - Der Kontaminator ist entweder nur saisonal sentlicher korrelativer Zusammenhang. während der Vegetationszeit verfügbar oder 4. Zwischen den Geschlechtern ließ sich kein wird von den Schweinen nur in dieser Zeit Unterschied in der Fleischbelastung bevorzugt aufgenommen. nachweisen. - In den Rotten haben alle Mitglieder gleichen 5. Zeitgleich erlegte Rottenmitglieder zeigten na- Zugang zu kontaminierend wirkenden Nah- hezu identische Belastungswerte des Muskelf- rungsquellen. Junge Tiere haben aufgrund des leisches. Auch bei den Mageninhalten war eine höheren Grundstoffwechsels vermutlich ein Korrelation nachweisbar. leicht erhöhtes Retensionsvermögen für Ra- 6. Ein ausgeprägter saisonaler Verlauf der Wild- diocäsium und sind daher tendenziell höher be- schweinfleischkontamination mit einem Maxi- lastet. mum zwischen Mai und September (21 % - Dem Hirschtrüffel wird eine Schlüsselrolle bei Grenzwertüberschreitungen) und einem Mini- der Kontamination der Wildschweine mum zwischen Oktober und Februar (1 % zugesprochen. Dieser Pilz kann sich Grenzwertüberschreitungen) indiziert eine bekanntlich stark mit Radiocäsium anreichern. erhöhte Aufnahme bzw. bessere Verfügbarkeit - Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass insbe- der Kontaminationsquelle in der Vegeta- sondere das aufgenommene pflanzliche Materi- tionsperiode (Abb. E 24). Als Ursache für die al ebenfalls zu einem gewissen Anteil als Kon- Entspannung der Situation im Winterhalbjahr taminationsquelle fungiert. wird vor allem die Aufnahme gering belasteter Bucheckern betrachtet. Das Projekt wirft eine Reihe weitere Fragen auf, 7. Die Gewichtsanteile der Fraktion „Grünes die in folgenden Forschungsvorhaben bearbeitet Pflanzenmaterial“ unterschieden sich zwischen werden sollen: den beiden Kategorien „maximal belastete“ - Erforschung der Habitatansprüche und und „gering belastete“ Mägen nicht. Die Ge- Verbreitung des Hirschtrüffels im Untersu- wichtsanteile von „Mais/Getreide“ waren im chungsgebiet (siehe Projekt „Hirschtrüffel“). Schnitt in den gering belasteten Mägen in - Pilotstudie zur Bestimmung pflanzlicher Nah- höheren Anteilen aufzufinden als in den maxi- rungsreste in Wildschweinmägen (siehe Pro- mal belasteten Mägen. Im Gegensatz dazu tra- jekt „Pflanzenreste”). ten Hirschtrüffelschalenreste in den maximal - Untersuchungen zu großräumigen Kontami- belasteten Mägen in 19 von 20 Fällen insge- nationsunterschieden des Bodens im Pfälzer- samt in signifikant höheren Gewichtsanteilen wald (siehe Projekt „Oberflächen- auf (Mittelwert = 18,1 %, Min = 0 %, Max = kontamination”). 61 %) als in 11 der 18 gering belasteten Mägen Die Ergebnisse dieser Folgeuntersuchungen sind (Mittelwert = 2 %, Min = 0 %, Max = 21 %). abzuwarten, bevor Handlungsempfehlungen für Abteilung E 175 JAHRESBERICHT 2003 Sommer 2001Winter 2001/2002 Sommer 2002 Winter 2002/2003 9000 N = 48 12 35 97 205 247 310 81 113 83 34 95 100 16 10 56 119 85 236 62 124 96 60 18 76 15 8000 7000 6000 5000 4000 3000 2000 Muskelfleischbelastung in Bq / kg 1000 0 J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D J F 2000 N = 108 82 32 97 96 92 60 20 77 18 1800 1600 1400 1200 1000 800 600 400 Mageninhaltsbelastung in Bq / kg 200 0 J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D J F Abb. E24: Boxplotdarstellung zur monatlichen Verteilung der Radiocäsiumaktivitäten im Muskelfleisch (n = 2444, oben) und im Mageninhalt (n = 682, unten) erlegter Wildschweine aus dem westlichen Pfäl- zerwald Untersuchungsgebiet, 01.01.2001 – 28.02.2003. Erklärung zur Darstellung: Mittelstrich in der grauen Box = Median; Oberer Rand der grauen Box = 75 %-Perzentil; Unterer Rand der grauen Box = 25 %-Perzentil; Oberer Querbalken = größter Wert, der weniger als 1,5 Boxlängen vom oberen Rand der Box entfernt ist; Unterer Querbalken = kleinster Wert, der weniger als 1,5 Boxlängen vom unteren Rand der Box entfernt ist; Stern = Wert, der mehr als 3 Boxlängen vom oberen bzw. unteren Rand der Box ent- fernt ist; Auf der x-Achse sind die Anfangsbuchstaben des jeweiligen Monats abgedruckt Fig. E24: Boxplot presentation of the monthly distribution of radiocaesium activity in meat (n = 2444, top) and stomach content (n = 682, below) of shot wild boars of the western Palatinate Forest, 01.01.2001 – 28.02.2003. Explanation of presentation: Central line in each grey = median; Upper line of grey box = 75 % Perzentil; Lower line of grey box = 25 % Perzentil; Upper crossbeam = highest value, which is less than 1,5 times the box length away from upper grey box line; Lower crossbeam = smallest value, which is less than 1,5 times the box length away from lower grey box line; Star = Value, which is more than 3 times the box length away from the upper or lower grey box line; On the x-axis the given letters resembles the first let- ter of each month 176 Abteilung E JAHRESBERICHT 2003 Zusammensetzung gesiebter Nahrungsfraktionen maximal belastete Wildschweinmägen (Median = 383 Bq/kg) 100% 90% 80% 70% 60% Gewichtsanteil 50% 40% 30% 20% 10% 0% Strich, wenn räumliche und zeitliche Nähe gegeben ist 100% 90% 80% 70% 60% Gewichtsanteil 50% 40% 30% 20% 10% 0% gering belastete Wildschweinmägen (Median = 0 Bq/kg) Hirschtrüffel Wurzeln Tierisches Material Grüne Pflanzen Mais/Getreide Baumfrüchte Sonstiges Abb E25: Zusammensetzung maximal (oben, n = 20; 345 bis 1.749 Bq/kg) und gering (unten, n = 18; d 20 bis 199 Bq/kg) belasteter Wildschweinmägen aus dem westlichen Pfälzerwald im Sommerhalbjahr 2002. Dargestellt sind die Gewichtsanteile von sieben Nahrungsfraktionen im 2mm-Siebrückstand einer gespülten 100 g-Probe (Werte geordnet nach Hirschtrüffelanteil in den maximal belasteten Mägen). Probenpaare maximal und gering belasteter Mägen aus dem gleichen oder benachbarten Forstrevier und einer maximalen Differenz im Erlegungsdatum von 3 Wochen sind durch einen Verbindungsstrich gekennzeichnet. Fig E25: Composition of maximal (top, n = 20; 345 - 1.749 Bq/kg) and low (below, n = 18; d 20 - 199 Bq/kg) contaminated stomach contents of wild boars of the western Palatinate Forest from summer 2002. Presented are the weight proportions of the residual matter into seven food categories after washing