Mitteilungen aus dem Biosphärenreservat Rhön Heft 21 Aktions- und Thementage bzw. -jahre

2011 – 2020 ...... UN-Dekade Biologische Vielfalt

Themenjahre Weltweit ...... International Year of Global Understanding (IYGU) Deutschland ...... Reformation und die Eine Welt Deutsche Zentrale für Tourismus .. UNESCO-Welterbe – Nachhaltiger Kultur- und Naturtourismus Thüringen ...... „Das ist meine Natur – Die Nationalen Naturlandschaften Thüringens” (Tourismus GmbH und Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz)

Weltweit 03. März ...... Tag des Artenschutzes 21. März ...... Welttag des Waldes 22. März ...... Weltwassertag 22. April ...... Tag der Erde 05. Juni ...... Weltumwelttag 04. Oktober ...... Welttierschutztag 05 Dezember ...... Weltbodentag

International 25. April ...... Internationaler Tag des Baumes 22. Mai ...... Internationaler Tag zur Erhaltung der Artenvielfalt 27., 28. August ...... Internationale Fledermausnacht 05. Dezember ...... Internationaler Tag des Ehrenamtes

Bundesweit (NABU) 13. bis 15. Mai ...... Stunde der Gartenvögel

Regional 09. bis 11. September ...... Naturerlebnistag „Erlebniswelt Rhönwald“ bei Kaltenwestheim Mitteilungen aus dem Biosphärenreservat Rhön

Heft 21 2016

Informationsmaterial des Biosphärenreservats Rhön/Verwaltung Thüringen

Mitteilungen aus dem Biosphärenreservat Rhön Heft 21/2016 Redaktionsschluss: 31.03.2016

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Layout/Druck: Wehry-Druck OHG, Im Wiesgrund 1, 98617 Untermaßfeld

1 INHALT

ZUM GELEIT ...... S. 04

VORWORT ...... S. 05

EXKLUSIV ...... S. 06

I. PALÄONTOLOGISCHE FUNDSTELLEN IM BIOSPHÄRENRESERVAT RHÖN (Teil XI) Das Klingser Maar zwischen Diedorf und Klings – ein Kratersee vor ca. 20 Mio Jahren ...... S. 08

II. IN EIGENER SACHE 1) Der Jahresrückblick auf 2015 ...... S. 29 2) Vom Todesstreifen zur Lebenslinie: Neue Ausstellung im „Haus auf der Grenze“ ...... S. 33 3) Eröffnung der Arche Rhön – Frischer Wind für die thüringische Rhön ...... S. 35 4) 25 Jahre Nationalparkprogramm in Deutschland ...... S. 36 5) 25 Jahre Nationalparkprogramm in Thüringen ...... S. 37 6) Der Tourismus im Biosphärenreservat Rhön ...... S. 38

III. BELAUSCHT UND ERFORSCHT IN DER HEIMAT 1) Die Hohe Rhön Thüringens in Mittelalter und in früher Neuzeit ...... S. 41 2) Trentepohlia – Ursache auffallender Farben an Bäumen ...... S. 57

IV. PFLANZEN UND TIERE, BIOTOPE UND LANDSCHAFTEN IM BLICKPUNKT DES ÖFFENTLICHEN INTERESSES Pflanzen und Tiere des Jahres 2015 (Auswahl) 1) Die Sommerdrehwurz – Orchidee des Jahres ...... S. 59 2) Der Wiesenkümmel – Arzneipflanze des Jahres ...... S. 60 3) Die Winterlinde – Baum des Jahres ...... S. 62 4) Der Lilastielige Rötelritterling – Pilz des Jahres ...... S. 65 5) Der Stieglitz – Vogel des Jahres ...... S. 66 6) Der Stachelbeerspanner – Schmetterling des Jahres ...... S. 67 7) Der Feldhamster – Wildtier des Jahres ...... S. 70 8) Die Konusspinne – Spinne des Jahres ...... S. 72 9) Dir Gemeine Binsenjungfer – Libelle des Jahres ...... S. 74 10) Die Wiesenschlüsselblume – Blume des Jahres ...... S. 77 11) Der Dunkelbraune Kugelspringer – Insekt des Jahres ...... S. 80 12) Der Hecht – Fisch des Jahres ...... S. 82 13) Der Feuersalamander – Lurch des Jahres ...... S. 84

V. WIR STELLEN UNS VOR 1) Informationszentrum Haus der Langen Rhön in ...... S. 87 2) Informationszentrum Haus der Schwarzen Berge in Wildflecken-Oberbach ...... S. 88 3) Infostelle Schwarzes Moor auf der Hochrhön bei ...... S. 89 4) Informationszentrum des UNESCO-Biosphärenreservats auf der Wasserkuppe/Hessen ...... S. 89 5) „Haus auf der Grenze“ der Gedenkstätte Point Alpha ...... S. 91 6) Informationszentrum des UNESCO-Biosphärenreservats in der Propstei Zella ...... S. 92 7) „Erlebniswelt Rhönwald“ mit ARCHE RHÖN ...... S. 93

VI. NEUE LITERATUR Präsentationen: 1) „Rhöner Geologie erleben – 3 x 3 Rhöner Geotope” ...... S. 94 2) Die Rhön – Geschichte einer Landschaft (Katalog) ...... S. 94 3) Die Rhön – Geschichte einer Landschaft ...... S. 95 4) Quellen der Rhön ...... S. 95 5) Bernshäuser Kutte ...... S. 96 6) Sternenpark Rhön ...... S. 96 7) Das ist meine Natur – Die Nationalen Naturlandschaften Thüringens 2016 ...... S. 97 8) Auf vier leisen Sohlen ...... S. 97 Buch-Rezension: Die Botaniker Thüringens ...... S. 98

VII. AUSZEICHNUNGEN, EHRUNGEN, NACHRUFE 1) Denkmalpreis des Wartburgkreises für den Förderverein „Propstei Zella – Barock in der Rhön e.V.“ ...... S. 99 2) Nachruf: Prof. em. Dr. rer. nat. habil. Rudolf Hundt ...... S. 101 3) In memoriam Volker Trauboth ...... S. 103

VIII. WISSENSWERTES ...... S. 106 ZUM GELEIT

Liebe Freude und Freundinnen In einzelnen Arbeitsgruppen wie Tourismus, Jagd, des Biosphärenreservates Rhön! Land- und Forstwirtschaft, Bildung, Kultur, Natur Die „Mitteilungen des Biosphärenreservates der engagieren sich eine Vielzahl von Experten in Ver- Rhön“ sind für mich mittlerweile zur Pflichtlektüre bindung mit dem länderübergreifenden Biosphären- geworden! reservat. Auch in dieser Ausgabe ist wieder eine faszinierende Einen ersten „Workshop“ dazu gab es am 15. und 16. Vielfalt von Themen, die uns die wunderbare Land- Februar 2016 in der Umweltbildungsstätte in Ober- schaft der Rhön mit ihrer historischen Entwicklung elsbach. Die Leitung dieser Veranstaltung übernah- und der unbeschreiblichen Schönheit und Vielfalt men die drei Leiter der Verwaltungsstellen des Bio- der Pflanzen- und Tierwelt sowie der wunderbaren sphärenreservats. Biotope bewusst macht und uns diese näher bringt. Bemerkenswert ist hierbei die gezielte Erarbeitung eines länderübergreifenden Konzeptes der Rhön, in In diesem Jahr existiert das UNESCO-Biosphären- ihrer Gesamtheit Bayern, Hessen und Thüringen. reservat Rhön bereits 25 Jahre. Dieses Ereignis prägt Möge das Ziel erreicht werden, dass das, was zusam- auch das anspruchsvolle Veranstaltungsangebot des men gehört, auch weiter zusammen wächst! Reservates. Ich freue mich, dazu meinen Beitrag leisten zu dür- Höhepunkt der diesjährigen Veranstaltungen dürf- fen! ten die Naturerlebnistage des Biosphärenreservates vom 09. bis 11. September 2016 in der Erlebniswelt Rhönwald mit der 2015 eingeweihten „Arche“ bei Ihr Kaltenwestheim sein. Diese Festtage stehen ganz im Peter Casper Zeichen des Jubiläums des UNESCO-Biosphären- reservates sowie der Nationalen Naturlandschaften Mitglied des Beirats des Biosphärenreservats Rhön Thüringens. Vorstandsvorsitzender der Kunststation-Oepfershausen e.V. Besonders erfreulich finde ich die 2015 in Bad Kis- Vorstand (Schatzmeister) des Rhönforum e.V. singen erneute Bestätigung unseres Biosphärenre- Mitglied des Kreistages - servats durch die UNESCO sowie der bayerischen Gebietserweitung und die erfolgreiche Vergrößerung unserer Kernzonen in allen drei „Rhön-Ländern“.

Bad Kissingen ist auch Ausgangspunkt eines neuen Rahmenkonzeptes für die gesamte Rhön, welches bis zur zweiten Jahreshälfte 2017 erstellt werden soll.

4 VORWORT

Liebe Rhöner und Mit diesem Programm wurde auch die thüringische liebe Freunde der Rhön, Rhön als Biosphärenreservat ausgewiesen. 2016 er- das vergangene Jahr war sehr reich an vielfältigen folgte dann die UNESCO-Anerkennung mit Flä- Veranstaltungen in der Region und reich an Eröff- chenanteilen von Bayern, Hessen und Thüringen. nungen und Jubiläen: So konnte die neue Dauerausstellung im Haus auf Zur Würdigung des Nationalparkprogramms in der Grenze (Point Alpha) zum Thema „Vom Todes- Thüringen fand in Plothen, im Naturpark Thürin- streifen zur Lebenslinie – Das Grüne Band und die ger Schiefergebirge/Obere Saale, die Festveranstal- Biosphäre Rhön” im Beisein der Thüringer Umwelt- tung dazu statt Ausführlich werden die Eröffnungen ministerin eröffnet werden. und das Nationalparkjubiläum in diesem Heft unter Punkt II. In eigener Sache vorgestellt. Im Sommer wurde auf dem Weidberg bei Kalten- westheim das Arche Rhön genannte Besucher- und An dieser Stelle sei allen Mitstreitern, den nament- Erlebniszentrum in der Erlebniswelt Rhönwald im lich Bekannten und den vielen Ungenannten bzw. Beisein des Ministerpräsidenten und von über 3.000 Unbekannten, die zum Gelingen des Nationalpark- Gästen eröffnet. programms 1990 beigetragen haben, herzlich ge- dankt. In beiden Informationszentren können sich die Be- sucher auch über das UNESCO-Biosphärenreservat Die thüringische Verwaltung für das UNESCO- Rhön einen Überblick verschaffen. Biosphärenreservat Rhön hat aus Anlass der Bestä- tigung des Nationalparkprogramms vor 25 Jahren Das Jahr 2015 war auch das 25. Jubiläumsjahr zum eine Klappkarte mit Sonderstempel herausgegeben Nationalparkprogramm. Zur Erinnerung an dieses (Kopie letzte Umschlagseite). Ereignis gab es genau am Jubiläumstag (12.09.1990) der Bestätigung des Nationalparkprogramms durch die letzte Ministerratssitzung der DDR im Museum Karl-Friedrich Abe für Naturkunde in Berlin einen für Deutschland zent- ralen Festakt im Beisein der Bundesumweltministerin Leiter des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön/ Barbara Hendricks und Bundesumweltminister a. D. Verwaltung Thüringen Prof. Dr. Dr. mult. Klaus Töpfer.

5 Exklusiv

Themenjahr 2016 in Thüringen: Blockausgabe Rhönschaf Die Nationalen Naturlandschaften und Sattelschwein

Thüringen will seine Angebote für Natururlauber An dieser Stelle möchten wir darauf aufmerksam weiter ausbauen. „In unserem Land warten einzig- machen, dass die Deutsche Bundespost im Sep- artige Naturlandschaften darauf, erlebt zu werden. tember 2016 eine Blockausgabe zu den seltenen Von einem nachhaltigen Tourismus profitieren die Haustierrassen Deutschlands herausgibt. Auf die- Regionen gleich zweifach: Er schafft Einkommen im sem Block werden das Rhönschaf und das Deutsche ländlichen Raum und steigert die Aufmerksamkeit Sattelschwein zu sehen sein. für Naturschutzbelange“, sagte Thüringens Natur- schutzministerin Anja Siegesmund anlässlich der In- Die Präsentation dieses Briefmarkenblocks findet im ternationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin. Un- September in Kaltenwestheim durch das Bundes- ter dem Motto „Das ist meine Natur“ vermarktet die finanzministerium statt. Thüringer Tourismus GmbH (TTG) die Thüringer Nationalen Naturlandschaften im Themenjahr 2016. Die Sondermarke wird unsere Region bekannter „Immer mehr Menschen interessieren sich für einen machen und dazu beitragen, ein Markenzeichen – Natururlaub. Deshalb wollen wir unsere Natur- das Rhönschaf – in alle Welt zu versenden. Vorab schätze noch mehr bewerben und auch die Umwelt- können wir Ihnen die Sonderstempel dazu an dieser bildung in den Naturlandschaften verstärken“, sagte Stelle zeigen. die Ministerin.

Passend zum Themenjahr hat das Thüringer Minis- terium für Umwelt, Energie und Naturschutz acht kurze Imagefilme über die Naturlandschaften pro- duziert. Sie sollen Lust machen auf einen erlebnisrei- chen Besuch. Die Filme sind abrufbar im Facebook- Auftritt des Ministeriums (https://www.facebook. com/tmuen) sowie über die Internetadresse www. thueringen.de/th8/tmuen/naturschutz/nnl/film/ index.aspx.

Mehr Informationen über das Themenjahr 2016 der TTG finden Sie ebenfalls im Internet: www.meine-natur.thueringen-entdecken.de.

Quelle: Medieninformation des Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz

6 International Year of Global Understanding Internationales Jahr der Hülsenfrüchte (IYGU) „Brücken bauen zwischen globalem Denken und lokalem Handeln“ Die 68. Generalversammlung der Vereinten Na- tionen (UN) erklärten 2016 zum internationalen In einer gemeinsamen Erklärung riefen die drei Welt- Jahr der Hülsenfrüchte (International Year of dachverbände der Natur-, Sozial- und Geisteswissen- Pulses). schaften – das International Council for Science (ICSU), das International Social Science Council (ISSC) und das Das IYP soll das Bewusstsein einer breiten Öffent- International Council for Philosophy and Human Scien- lichkeit für die ernährungsphysiologischen Vorzü- ces (CIPSH) – das Jahr 2016 als International Year of ge von Hülsenfrüchten (Leguminosen) stärken. Im Global Understanding aus. Rahmen einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduk- Das internationale Themenjahr wirbt für eine neue Pers- tion zur Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung pektive auf den eigenen Alltag, indem die lokale Lebens- spielen Hülsenfrüchte eine sehr wichtige Rolle. Das weise in einem globalen Zusammenhang gedacht wird. Jahr bietet die einzigartige Gelegenheit, den Nutzen Damit soll zu einem besseren Verständnis von lokalen von Leguminosen in der gesamten Nahrungskette und globalen Zusammenhängen beigetragen werden und und Lebensmittelproduktion deutlich zu machen. Unterstützung für politische Initiativen, die sich globalen Dies gilt für eine Leguminosen-basierte Proteinzu- Herausforderungen wie beispielsweise dem Klimawan- fuhr, die weltweiten Produktionsbedingungen und del, der Ernährungssicherheit oder der Migration anneh- im Anbau auch die Funktion zur Erhaltung der men, angeregt werden. Boden fruchtbarkeit in der Fruchtfolge.

Die Übersetzung von wissenschaftlichen Erkennt- Leguminosen sind einjährige Hülsenfrüchte, die so- nissen in eine nachhaltigere Lebensweise steht ins- wohl für Lebens- als auch für Futtermittel verwendet besondere im Fokus des IYGU 2016. Vor allem in werden. Mit dem Begriff „Hülsenfrucht“ sind aus- den drei Feldern Forschung, Bildung und Informa- schließlich Pflanzen gemeint, deren trockenes Korn tion sind eine Reihe von Aktivitäten und Initiativen geerntet wird. Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen, geplant. Über Fragen des Umweltschutzes und der Erbsen und Kichererbsen sind ein wichtiger Teil Klimapolitik hinaus werden vor allem Fragen der des allgemeinen Nahrungsmittelkorbes. Sie sind Lebensqualität und der nachhaltigen, dauerhaften eine wichtige Quelle von pflanzlichen Proteinen und Nutzung lokaler Ressourcen thematisiert. Aminosäuren für die Menschen rund um den Globus und sollten als Teil einer gesunden Ernährung hin- Gekürzt (red.) aus: sichtlich Adipositas, zur Vorbeugung und Behand- http://www.global-understanding.info lungshilfe chronischer Krankheiten wie Diabetes, koronare Herzerkrankungen und Krebs gegessen werden. Ferner sind Leguminosen auch eine wichtige Quelle von pflanzlichem Protein für Tiere.

Darüber hinaus haben Leguminosen Stickstoff bin- dende Eigenschaften, die zur Erhöhung der Boden- fruchtbarkeit beitragen und somit die Umwelt positiv beeinflussen.

Gekürzt (red.) aus: www.fao.org

7 I. PALÄONTOLOGISCHE FUNDSTELLEN IM BIOSPHÄRENRESERVAT RHÖN

(Teil XI) Das Klings-Maar zwischen Diedorf und Klings – ein Kratersee vor ca. 20 Millionen Jahren FRANK GÜMBEL, Neidhartshausen

Abb. 1: Basaltsteinbruch Diedorf/Klings (rechts Muschelkalksteinbruch der Firma Giebel aus Eiterfeld) (Foto: L. Schmidt)

Zwischen Diedorf und Klings liegt ein Basalt-Stein- Fossilien Ende des 20. Jh. in das Licht der paläonto- bruch, dessen Abbaugeschichte gegen Ende des 19. logischen Forschungsgeschichte in der Rhön. Mit der Jh. begann. Die Ortsverbindungsstraße der genann- neuen Aufschlusssituation Anfang des 21. Jh. festigte ten Orte verläuft auf halber Strecke mitten durch das sich die Vorstellung, dass dieser Vulkan mindestens zweigeteilte Bergwerksgelände (Abb. 1). zweifach ausbrach und als Folge seines ersten Aus- bruchs einen Krater erzeugte, in dem sich ein See Bei dem Basaltvorkommen handelt es sich um Mag- bildete. Im Folgenden werden zunächst Fakten zur ma, das vor ca. 19,6 Millionen Jahren (Abratis et. allgemeinen geologischen Situation und Erforschung al. 2007) aus dem Erdinneren aufgestiegen war und der inzwischen sehr bedeutsamen Lokalität gegeben, in der Hohlform eines Maarvulkans erstarrte. Der bevor der eigentliche Bericht über die fossilführen- obere Vulkanbau erodierte später und der verwitte- den Sedimente des ehemaligen Maarsees erfolgt. rungsresistentere Basaltkern wurde allmählich frei- gelegt. Aus diesem formte die natürliche anhaltende Der Höhn mit seinem südwestlichen Steilhang (heu- Erosion letztendlich die beiden Basaltkuppen, den te größtenteils abgetragener Berghang mit Block- Höhn mit 510 m ü. NN und den bereits abgebauten halde aus Basalt) wurde bereits im 16. Jh. erstmalig Gipfel des Altvater, der ursprünglich eine Höhe von abgebildet (Abb. 3). 516 m ü. NN hatte. Der obere Teil dieses Basaltvor- kommens ist heute größtenteils bis an die den Basalt Es war wohl aber die spätmittelalterliche Burg Fisch- umgebende vulkanische Brekzie abgebaut (Abb. 2). berg, die man zur besseren Orientierung ins Bild mit Dieser Steinbruch rückte als Fundstelle für tertiäre aufnahm. Neben dem Burgberg ist ein Berg mit

8 Abb. 2: Klings-Maar a: Hypothetischer Schnitt zur Seephase vor ca. 20 Millionen Jahren, b: Blick vom Kuhkopf zum Aufschluss, c: Geologisches Profil heute (Grafik: F. Gümbel)

Abb. 3: Bergrutsch u. Burg Fischberg bei Klings, Druck aus dem 16. Jh., Universitäts- und Landes- bibliothek Sachsen-Anhalt

9 Abb. 4: Aufschluss am Höhn a: Vulkanbrekzie, b: Basaltintrusion, c: Kontakt Brekzie/Unterer Muschelkalk am Schlotrand (Foto: F. Gümbel)

einem Bergrutsch dargestellt (Flurteil „Gerissener Breite vom massiven Basaltkern, von dem sich fla- Berg“ westlich von Klings), der sich im Jahr 1561 che Intrusionen (Abb. 4b) in die Brekzie ziehen ereignete. Wohlbewusst sollte diese Abbildung ein und aufsteigend auskeilen, bis zum Rand des ehe- geologisches Ereignis darstellen, das als Naturka- maligen Vulkanschlotes aus Unterem Muschelkalk tastrophe verheerende Auswirkungen auf den Ort (Abb. 4c) aufgeschlossen. Klings hatte. Die erste Veröffentlichung, die 1561 im Einblattdruck erschien (Georg Kreydlein, Der Berg in seiner Gesamtheit ist ein geologisches Nürnberg), gilt gleichzeitig als ältester gedruckter und kulturelles Naturdenkmal. Diese Tatsache Nachweis eines Bergrutsches in Deutschland (B. v. schuldet der Höhn aber nicht seiner natürlichen Be- Freyberg 1962). schaffenheit, sondern vielmehr der Nutzung durch den Menschen. Archäologische Untersuchungen In den Aufschlüssen der südlichen Zufahrtswege (Gall 1994) belegen erste menschliche Aktivitä- im Tagebaubereich am Höhn trifft man heute eine ten auf diesem Berg in der Spätbronze- bis frühen Schlotbrekzie an (ungeschichtete u. unsortierte ba- Hallstattzeit (ca. 800 v. Chr.). Im 13. Jh. wurde hier saltische Brekzie mit geringen Nebengesteinsan- die Burg Fischberg im Machtterrain der Grafen von teilen, Abb. 4). Die Schlotbrekzie ist hier auf 80 m Neidhartshausen errichtet.

10 Abb. 5: Burgruine Fischberg auf dem Höhn (Foto: F. Gümbel)

Abb. 6: Basaltsteinbruch Diedorf/Klings im November 2015 (Foto: F. Gümbel)

Die Burg fungierte im 16. Jh. noch als Amtsburg des nigstens die Erhaltung der mittelalterlichen Burgan- Amtes Fischberg. Die spätmittelalterliche Burgruine lage zu sichern (Gall 1994). Nachhaltiger Bergbau (Abb. 5) ist ein amtlich ausgewiesenes Bodendenk- und der hier mögliche Abbau in tiefere Bereiche mal und steht seit 1972 unter staatlichem Schutz. des Basaltvorkommens gewährleisteten dennoch ei- Anfang der 1990er Jahre wurde jedoch erst die end- nen Fortbestand des Steinbruchbetriebes bis heute gültige Abbaugrenze des Basaltes festgelegt, um we- (Abb. 6).

11 Abb. 7: Basaltklippen auf dem Höhn (Foto: F. Gümbel)

Historische Erforschung im Rahmen auch ein anderes Korn an; statt, daß ersteren fest, mit geologischer Kartierungen und grünem Augit gemengt ist, ist letzterer viel weicher, und geognostischer Beobachtung die darinne befindliche Oeffnungen sind mit Kalkspath- In einer frühen geologischen Kartierungsarbeit für krystallen besetzt, und der ganze waldigte Hügel, ohne das Hochstift Fulda durch Johann Carl Wilhelm Säulen. Von dem letztern Hügel, dem Hauptgebirgszug Voigt (1752–1821) wurden die beiden Bergkuppen zu, kommt um den Basalt noch Basalttuff zu Tage, den zwischen Diedorf und Klings erstmalig erfasst – … ich bei ersterem, dem Hähnchen (Höhn), nicht bemerkt. zwey kleine Basaltkuppen sehr nahe beysammen, da- Über dem Basalttuff des 2ten Hügels, legt sich zwischen von eine Hahn, die andere Altmark (Altvater) genannt der Haupthöhe, die aus Basalt besteht, Flözgebirge bei wird. Der Hahn hat noch altes Mauerwerk und Keller dem Dorf Klings hin, worunter ein Sandstein ist, der auf seiner Spitze, sein Basalt aber hat nichts ungewöhn- im Feuer immer fester wird; es ziehet sich über den Ba- liches (Voigt 1783). salttuff weg, nach Empfertshausen zu, … (Satorius 1821). Der Heimatgeologe Georg Christian Satorius Im späten 19. und Anfang des 20. Jh. erfolgte die (1774–1838), der als Baurat im Herzogtum Sach- planmäßige Erforschung und Kartierung auf Blatt sen-Weimar-Eisenach tätig war, beschrieb erstma- Tann durch Geologen, die für die 1873 in Berlin lig die Basaltklippen am Höhn (Abb. 7) und dessen gegründete Preußische Geologische Landesan- Basaltblockhalden am südwestlichen Berghang. stalt tätig waren. Max Bauer (1844–1917), der 1880–1886 hier kartiert, informierte 1883 als ers- Satorius ging auch näher auf die geologischen ter (damals Professor u. Rektor der Universität in Verhältnisse des Altvaters ein – …, bis hinunter an Königsberg) über die geologischen Verhältnisse. den kleinen Bach, der die beiden Hügel trennt, … – Ein Punkt von besonderem Interesse ist die Basaltmas- gehen durchs Thal durch, und auf der anderen Seite se zwischen Klings und Diedorf, welche durch den Bach desselben, bilden sie (Basaltsäulen) horizontal liegend, mitten durch und in zwei Hälften geschnitten ist. Man ohnfern der Mühle, eine Treppe, nach dem anderen Hü- sieht hier sehr deutlich den Basalt auf die Erstreckung gel hinan, … Sie hören aber bald auf, und der Basalt von 5–600 Schritt durch die Schichten des unteren Mu- nimmt an dem anderen Hügel mit einer anderen Form, schelkalkes hindurch in die Tiefe setzen. Die Contact-

12 flächen selbst sind etwas überrollt und nicht unmittelbar 2006). Durch Prof. L. Viereck und Dr. M. Abra- sichtbar, könnten aber mit leichter Mühe wohl der Be- tis von der Friedrich-Schiller-Universität Jena so- obachtung wieder zugänglich gemacht werden. Ringsum wie den Autor wurde der Vulkanbau als Maar-Vul- ist die Basaltmasse von einer mehr oder weniger breiten kan mit einer See-Phase, die durch Fossilien belegt Zone von Basalttuff umgeben, deren Lagerung gegen ist, vorgestellt und Fotos der Fossilfunde gezeigt. Basalt und Muschelkalk aber zur Zeit noch nicht ganz klar dargelegt sind. Den benachbarten Horbel stellt er Der Steinbruch gehört heute der Mitteldeutschen als ein nicht unbedeutendes Eruptionszentrum dar Hartstein-Industrie GmbH. Exkursionen oder Be- (Bauer 1883). Der junge Geologe Wilhelm Haack suche der Tagebaubereiche dürfen nicht ohne Zu- (1882–1972) kartierte 1909–1910 in seiner Probe- stimmen der Betreiberfirma erfolgen. zeit an der Preußischen Geologischen Landesanstalt in der Rhön und stellte Blatt Tann fertig, das 1912 Diversität der Schlotbrekzie gedruckt wurde. Haack zählt einige Vorkommen Über Jahrzehnte wurde durch den Abbau der Ba- als Schlote auf und weist auch auf die vulkanischen salt (ein Basanit mit Einsprenglingen von Olivin Mineralien in den Schlotbrekzien hin. Das zweige- und Klinopyroxen) großflächig aus seinem Brek- teilte Basaltvorkommen führt er als größten Vulkan- zienmantel herausgelöst. Mit den immer neuen schlot auf Blatt Tann an und gab an, dass dieser – Aufschlussverhältnissen im Rahmen des Abbaus wie auch die anderen Durchbrüche solcher Art – von zeigte sich, dass diese sogenannte „Schlotbrekzie“ einer meist ungeschichteten Brekzie aus Basalt-, Bunt- hinsichtlich Zusammensetzung und räumlichem sandstein-, Muschelkalk- und Keuperstücken umgeben, Bau ausgesprochen komplex ist. welche durch ein feines, tuffartiges Bindemittel (vulkani- sche Aschen) von grauer, brauner, roter und gelber Farbe Die in diesem Bericht verwendete Bezeichnung mehr oder weniger verkittet sind (Haack 1912). „Brekzie“ beinhaltet eine vulkanische Brekzie, sie wird auch als Schlotbrekzie bezeichnet. Der Stein- Bis in die 1990er Jahre hält sich die Deutung der bruch erschließt den tieferen Teil des ehemaligen Lagerstätte als Basaltschlot mit einer Füllung aus Vulkans (oberer Schlotbereich bzw. oberes Maar- Basalt und Schlotbrekzie. Die Lokalität zählt heu- diatrem). Darüber hinaus gibt es noch Bezeich- te zu den als Geotop eingestuften geologischen nungen für die Komponenten dieser vulkanischen Sehenswürdigkeiten im Wartburgkreis (Geyer et Brekzie, die in unterschiedlichen Entwicklungs- al. 1999). Für Geowissenschaftler, Studenten wie phasen des Vulkans entstanden sind. So besteht die auch Sammler und geologisch interessierte Men- Schlotbrekzie aus verschiedenen pyroklastischen schen ist der Aufschluss bis in die Gegenwart ein Gesteinskomponenten, die dieser Vulkan vom lohnenswertes Exkursionsziel. Bernd Müller Zeitraum seiner Entstehung bis hin zur Magmen- stellte die Basaltlagerstätte auf einer Exkursion förderung während der Hauptphase hervorgebracht der Gesellschaft für Geologische Wissenschaften hat. der DDR im Oktober 1989 als einen durch Erosi- Im heutigen Aufschluss treffen wir unter anderem on angeschnittenen Basaltschlot eines mehrphasigen noch Reste einer grobgeschichteten Ablagerung Kleinvulkans vor, dessen Basalte am Höhn und am (Abb. 8, schlecht sortierte Lapillituffe und Brekzien- Altvater allseitig von einer Brekzie (Basaltbrekzien lagen mit Basaltbomben und Nebengesteinsblöcken) u. Aschentuffe) umgeben sind und der alle typischen der phreatomagmatischen Anfangsphase und juveni- vulkanotektonischen Merkmale aufweist (Müller le Pyroklastika der zweiten Eruption sowie Einsturz- 1989). Im Juli 2006 war der Steinbruch Rhönbasalt brekzien aus Muschelkalk (Abb. 9; in Randnähe mit Diedorf-Klings u. a. ein Ziel der Exkursion zur 16. größeren Felsblöcken – von ca. 50 cm bis zu mehre- Jahreshauptversammlung des Thüringischen Geo- ren Metern groß – und Gesteinsschollen) an. logischen Vereins in Meiningen (Ellenberg et. al.

13 Abb. 8: Südlicher Aufschluss am Altvater – Ablagerungen (grobgeschichtete Brekzie) der groben phreatomagmatischen Anfangsphase (die in nördlicher Richtung einfallen und wahrscheinlich in der Initialphase des zweiten Vulkanaus- bruchs entstanden), a: Aufschlusssituation November 2015, b: Lapillituff mit einem größeren Gesteinsblock aus dem Trochitenkalk (Oberer Muschelkalk), c: Lapillituff mit Basaltbombe und tholeiitischer Basaltblock, darüber folgt eine Brekzienlage mit hohem Muschelkalkanteil, d: Nahaufnahme grobeckiger scharfkantiger Tholeiit (Fotos: F. Gümbel)

Abb. 9: Südwestlicher Randbereich am Altvater – Die pyroklastischen Gesteinskomponenten lagern hier wannenför- mig auf der randnahen Einsturzbrekzie aus Muschelkalk und werden durch einen intrudierten Basalt unterlagert.

14 Wie vom Schlot nach außen einfallende Brekzien aus Im Anstehenden der südwestlichen Aufschlusswand juvenilen Pyroklastika der strombolianischen Haupt- (Abb. 10 und 9) im Tagebaubereich des Altvaters fin- phase der zweiten Eruption des Vulkans belegen, hat den sich in dieser vereinzelt Klasten eines sehr festen das aufsteigende Magma letztlich den Kampf gegen älteren pyroklastischen Sediments (Brekzie bzw. La- das Grundwasser gewonnen und die phreatomagma- pilli der ersten Eruption) (Abb. 10 b und 10 d). Diese tische Eruption ging in eine rein magmatische über; Klasten sind das Indiz für die zweiphasige Eruption d.h. das Magma durchdrang die Schlotbrekzie und des Vulkans im Bereich des Altvaters. bildete einen Lavasee, aus dem strombolianische Eruptionen erfolgten. Das gesamte vulkanische Gebilde befindet sich heute Neben den magmatischen Mineralien und Gestei- ebenso wie auch der am Höhn und Altvater angren- nen bilden Klasten des Muschelkalks und Buntsand- zende Untere Muschelkalk gegenüber dem Höhen- steins (mesozoische Nebengesteine) sowie Klasten zug östlich der Felda im Niveau des Oberen Bunt- der tertiären Sedimente aus der Maarseephase den sandsteins (Röt). Nebengesteinsanteil der Schlotbrekzie.

Abb. 10: Aufschluss im südwestlichen Bereich des Altvaters – Pyroklastika mit mesozoischem Nebengestein, Basalt- bomben und Blöcken einer älteren pyroklastischen Brekzie (d Nahaufnahme) überlagert hier eine Einsturzbrekzie aus Muschelkalk (siehe Abb. 9), c: Pyroklastika mit Buntsandsteinfragment, e: Muschelkalkbrekzie (Einsturzbrek- zie) (Fotos: F. Gümbel)

15 Abb. 11: Nördlicher Auf- schluss am Altvater – Rut- schung im Sommer 1999 (Foto: F. Gümbel)

Sedimentäre und vulkanische Relikte Eruptionszentrum ist, dessen erste Phase eine mor- aus dem Maar am Altvater phologische Senke an der damaligen Geländeober- Nördlicher Aufschluss – Durch einen teilweisen Ein- fläche hinterlassen haben muss, die über einen län- sturz der Brekzie an der nördlichen Steinbruchwand geren Zeitraum mit Wasser gefüllt war (Maarsee, am Altvater im Jahr 1997 (Abb. 11) wurden fossilhal- Abb. 12). tige tertiäre Seesedimente freigelegt, die die Schlot- breckzie unterlagerten. Die im Allgemeinen recht festen basaltischen Pyro- klastika an der nördlichen Wand, der dort steil bis Dieses Material belegte, dass das Basaltvorkommen senkrecht anstehenden Schlotbrekzie (Abb. 13), wa- zwischen Diedorf und Klings ein mehrphasiges ren im Einsturzbereich nur 2–4 m mächtig.

Abb. 12: Hypothetisches Blockbild zum Klings-Maar (Seephase) (Grafik: F. Gümbel)

16 Abb. 13: Nördlicher Aufschluss am Altvater – Das Anstehende besteht hier aus juveniler Pyroklastika, die wohl mit Be- ginn der strombolianischen Vulkanphase gebildet wurde (phreatomagmatische Brekzie des zweiten Vulkanausbruchs). Diese enthält zum Schlotrand und Liegenden hin haselnuss- bis kopfgroße Fragmente der Maarseesedimente. Zum Zentrum hin bzw. in Richtung des abgebauten Basaltes dominieren die magmatischen Klasten. c, d Nahaufnahmen: phreatomagmatische Brekzie mit Sedimentstücken (Markierung) des Maarsees (Fotos: F. Gümbel)

Dahinter, wie wahrscheinlich auch zum Liegenden, Seeablagerung hin. Die ehemalige Rutschmasse ist befanden sich feinkörnige, nicht sehr feste und teil- heute größtenteils mit Abraum verkippt und im obe- weise tonige Tuffite, die vermutlich der Grund für ren Teil mit Gesteinsprodukten des Steinbruchbe- die Instabilität der Wand waren. Nach dem Einsturz triebes bedeckt. Sedimentstücke, die noch als Klas- bildete sich eine große Rutschmasse, welche sich über ten im anstehenden Rest der Pyroklastika sichtbar einen längeren Zeitraum allmählich in den tieferen waren (Abb. 13c und 13d), sind mittlerweile völlig Tagebaubereich fortbewegte. Aus dieser konnten vom verwittert. Autor feinschichtige helle Dysodile und dunkle bis schwarze ölschieferartige Sedimentstücke (Abb. 14) Südlicher Aufschluss – Die geologische Karte (Abb. 15) geborgen werden (Schwarzpelite, Gümbel 2008). zeigt am tieferen südlichen Berghang des Altvaters Aufbau und Fossilinhalt der unterschiedlichen Sedi- eine Scholle aus Trochitenkalk (unterer Bereich des mente weisen eindeutig auf deren Herkunft aus einer Oberen Muschelkalks) und Mittlerem Muschelkalk,

17 Abb. 14: Rhythmisch geschichteter Ölschiefer (Foto: F. Gümbel)

Abb. 15: Auszug Geologische Karte (Haack 1912) – Im oberen Bereich, westlich der Seemühle, deutet eine weitere kreisförmige Brekzie auf ein zweites Maar ohne Basaltintrusion, was zur Folge hatte, dass dieser Vulkanbau später bis auf das tiefere Diatrem erodierte. Unten links ist die Rutschmasse (ab) des historischen Erdrutsches von 1561 eingezeichnet.

18 gefolgt von einer Brekzie und dem zentralen Basalt Seesediment resten im nördlichen Bereich vor der des Vorkommens. schnellen Erosion geschützt, so dass sie bis heute er- halten blieben. Haack (1912) deutete diese u.a. bereits als eine in Die groben phreatomagmatischen Ablagerungen den Schlot eingebrochene Gesteinsscholle. Bei der des Tuffrings gehen im oberen Bereich des Auf- Kartierung, die zudem noch durch die Abdeckung schlusses in rein basaltische Gesteinskomponenten mit Solifluktionsschutt erschwert war, konnte da- über (Abb. 16). mals nur eine Brekzie im Allgemeinen bestätigt werden. Mit dem Bau einer neuen Zufahrt im süd- Es handelt sich dabei um Reste des ehemaligen lichen Teil des Altvaters vor ca. 15 Jahren wurde Schlackenkegels, der sich während der Hauptakti- genau dieser Bereich der Brekzie angeschnitten. vität des Vulkans allmählich als Schlackenwall über Die aufgeschlossenen Brekzien (Abb. 8) sind die dem ursprünglichen Tuffring aufbaute. Da wir hier Ablagerungen der groben phreatomagmatischen einen kontinuierlichen Übergang von einer phrea- Anfangsphase (Initialphase) und stammen aus den tomagmatischen Initialphase zur strombolianischen ehemaligen Ringwallablagerungen (Tuffring). Sie Hauptphase vorfinden, ohne Hinweise auf einen sind wahrscheinlich zusammen mit der Muschel- Übergang zur See-Fazies, können diese Ablagerun- kalkscholle vor der Hauptförderphase des Basaltes gen auch als phreatomagmatische Anfangsphase der in den Schlot eingebrochen bzw. aus dem höheren zweiten Eruption gedeutet werden, bei der der Maar- Kraterrandbereich nach unten abgerutscht und wur- see letztlich zerstört wurde. den wie auch die fossilführenden Seesedimente des Bei den größeren Gesteinstrümmern (Klasten mit nördlichen Aufschlusses bereits während der strom- Kantenlänge über 2 cm bis zu Blöcken) der Neben- bolianischen Phase des Vulkans verschüttet. Späte- gesteine in den phreatomagmatischen Ablagerungen re Überdeckung und Verzahnung mit Basalt haben handelt es sich überwiegend um Gesteine des Mu- diese Brekzie wie auch die Brekzie mit den tertiären schelkalks (im wesentlichen des Unteren Muschel-

Abb. 16: Südlicher Aufschluss am Altvater (oberer Bereich) – Übergang vom Tuffring zum Schlackenwall (Foto/Grafik: F. Gümbel)

19 kalks, geringfügig auch Trochitenkalk des Oberen oder Pflanzen, die sich aber durchweg in einem sehr Muschelkalks, Abb. 8b). Buntsandstein tritt nur schlechten Erhaltungszustand befanden. Sediment- untergeordnet auf. Dabei ist fester Sandstein des reste, wie auch deren fossiler Inhalt, hatten in den Mittleren Buntsandsteins durchweg im Aufschluss meisten Fällen keine durable Konsistenz mehr und festzustellen, ein größerer Anteil an Röt-Fragmenten zerfielen schon am Fundort. Einerseits war deren (teilweise mit Kantenlänge über 10 cm) konnte im Verwitterung in der Brekzie selbst schon stark fort- oberen Drittel der Ablagerungen beobachtet werden. geschritten, zum anderen hatten die tertiären Sedi- Diese Faktoren sprechen dafür, dass die erste phrea- mentreste nach ihrer Umlagerung eine mehr oder tomagmatische Explosion wahrscheinlich in Gestei- wenig starke Frittung durch die Hitzeeinwirkung des nen des Unteren Muschelkalks ausgelöst wurde, als Magmas im Vulkanbau erfahren. Für Liebhaber von Magma hier auf größere Mengen Grundwasser traf. Fossilien ist dieser Erhaltungszustand nichts Erfreu- Weitere Explosionen führten dann zur Eintiefung liches. Aber alleine schon der Existenznachweis der der Hohlform in das Niveau des Oberen Buntsand- fossilführenden tertiären Sedimentresten an diesem steins (Röt). Als ein weiteres Nebengestein enthalten Standort ist von hohem wissenschaftlichem Interes- diese phreatomagmatischen Ablagerungen (Abb. 8) se, da sie für dieses Maar eine länger anhaltende See- schon ab dem untersten aufgeschlossenen Bereich Fazies mit einem limnischen Ökosystem belegen. Klasten eines kompakten festen Basaltes von tholei- Neben den tertiären Fossilfunden sind es Beobach- itischer Zusammensetzung (Abb. 8c und 8d; Tholei- tungen, die damals im noch frischen Aufschluss it, Analyse des Instituts für Geowissenschaften der möglich waren, auf deren Grundlage neue Theorien FSU Jena; Ellenberg et. al. 2006). Ob es sich bei zur Genese des Maarsees bzw. dieses Vulkanbaus diesen Klasten um ein Produkt der ersten Eruption diskutiert werden können. Damit solche Informati- des Altvater-Vulkans oder um den Lavastrom eines onen nicht verloren gehen, liegt es im Interesse des benachbarten Vulkans handelt, ist noch nicht ge- Autors, dass auch wertvolle Hinweise zur erdge- klärt. Sie belegen ebenfalls die Zweiphasigkeit dieses schichtlichen Entwicklung unserer Rhönlandschaft Vulkans. mitgeteilt werden. Dieser Aufschluss ist auch künftig von größerer Insgesamt war das aufgeschlossene Seeboden-Relikt Bedeutung, da der Übergangsbereich (nicht aufge- durch die Entwicklung der Rutschmasse völlig ge- schlossen) von der mesozoischen Gesteinsscholle stört und aus dem ursprünglichen Verband gerissen. zu den neogenen Ablagerung des Tuffrings noch An einer Stelle im oberen Bereich der Rutschmasse wichtige Informationen zur präbasaltischen Land- befand sich ein Teil der wohl jüngeren Sedimentfolge schaftsoberfläche liefern könnte. Falls Basaltdatie- (Ölschiefer u. Tuffite) noch teilweise in ihrem strati- rungen der Basaltbomben und des Tholeiits möglich graphischen Verbund. Das Liegende und Hangende sind, wäre eine genauere zeitliche Einordnung der einer ca. 1 m2 großen, etwa 25 cm starken, mikrob- Sedimente des Maarsees und der ersten Phase des rekziierten Ölschieferscholle, deren Verwitterung Vulkans möglich. schon weit fortgeschritten war, bildeten feinkörni- ge Tuffitlager (im Wasser abgesetzte vulkanische Sedimente des Maarsees und ihr fossiler Inhalt Asche). Die gesamten, stark einfallenden bis senk- Der überwiegende Teil an tertiären Sedimentresten recht anstehenden Seeablagerungen wurden schein- war bereits völlig zerstört, als sie in der Rutschmasse bar diskordant durch die juvenile Pyroklastika und entdeckt wurden. Bei Notbergungen konnte einiges die Brekzie des strombolianisch eruptierten Schla- Material gerettet werden. ckenwalls überlagert. Etwa 25 cm unterhalb der Öl- Das geborgene Fundmaterial variiert von typisch schieferscholle befanden sich zwei größere Septarien. kantigen Klasten bis zu abgerundeten, knollenarti- Im Anschnitt war gut zu erkennen, dass diese den gen Formen (Septarien). Fast ausnahmslos enthielt Ölschiefer durchschlagen haben und in die Tuffite das Fundmaterial fossile Makroreste von Tieren eingedrungen sind. Auffällig war, dass nur neogene

20 Klasten und Septarien der Seesedimente ohne me- des Sees. Als Schichtglied unter diesen Tuffiten folg- sozoisches Nebengestein in den Tuffiten auftraten, ten wohl, in Richtung zum Seezentrum, die helleren ein Indiz dafür, dass nur der zentrale See bzw. See- Dysodile. In den älteren Dysodil-Ablagerungen hatte boden des Maars anfänglich durch eine schwächere bereits eine Bildung von Kalkkonkretionen (Septari- Explosion zerstört wurde, deren Auslösung vermut- en) um Fossilien herum begonnen. Zu einer Verlan- lich in den tieferen Dysodilen erfolgte. Mesozoisches dung des Maarsees kam es nicht. Er wurde zerstört, Gesteinsmaterial tritt erst wieder im Basisbereich(?) als der Vulkan zum zweiten Mal ausbrach, diesmal bzw. in den juvenilen Pyroklastika (Abb. 13) des jedoch nur mit einer anfänglichen phreatomagmati- Schlackenwalls auf. schen („maarbildenden“) Phase. Mit zunehmender Es sind folgende hypothetischen Aussagen über den Eruptionsdauer kam es zum Aufbau des Schlacken- Maarsee, dessen Sedimente und die darin vorkom- walls, der die noch erhalten gebliebenen Sedimente menden Fossilien möglich (erste Schilderungen in des Seebodens mit basaltischen Schlacken überdeck- Gümbel 2008). Die feinschichtigen, tertiären Sedi- te. Im Basisbereich bestehen diese Ablagerungen mentklasten sind sehr unterschiedlich. Ihr Ausse- des Schlackenwalls aus einer juvenilen Pyroklastika, hen variiert von hellen Dysodilen bis zu schwarzen, (Abb. 13) die neben Schlackenklasten noch Anteile ölschieferartigen Ablagerungen (Abb. 14), was auf an haselnuss- bis kopfgroßen Klasten der tertiären mehrere Ablagerungszyklen (mindestens zwei) hin- Seesedimente und lapilligroße Fragmente der me- deutet, wobei der Ölschiefer scheinbar als oberstes sozoischen Nebengesteine (Muschelkalk und Bunt- und letztes Sediment zum Absatz kam. Schon des- sandstein) enthalten. Später, wahrscheinlich mit dem sen dunkle bis schwarze Farbe lässt auf seine Entste- Einsetzen der intensiven Magmenförderung, kam es hung in einem stark eutrophen Gewässer schließen. zu gravierenden tektonischen Veränderungen, die Das Liegende des Ölschiefers bilden feinere „Tuffite“, zur Folge hatten, dass es zum Einbruch größerer Ge- die im See zur Ablagerung kamen. Diese waren da- steinsschollen kam. Relikte aus den Sedimenten des mals mit einer Mächtigkeit bis ca. 4 m aufgeschlos- Maarsees, den phreatomagmatischen Ablagerungen senen und zeigten fast keine Schichtung, maximal des Tuffrings und des Schlackenwalls, gelangten so in Dezimeter bis Meter-Abständen, was auf eine ra- in das tiefere Niveau, wo wir sie heute in der groß- sche Entstehung der Schichtglieder schließen lässt. flächig aufgeschlossenen Vulkanbrekzie als „fossile Wahrscheinlich führten sie zur weiteren Abdichtung Bauteile des ehemals vorhanden höheren Vulkan- des Maarbodens und damit zu einer Vergrößerung baus“ antreffen.

Bei den Fossilien war wegen deren Erhaltungszu- stand und durch die geringe Anzahl durabler Fossil- reste nur eine grobe Bestimmung möglich. Folgende Fossilgruppen konnten identifiziert werden: Kleine Krebstiere (Crustacea) mit Muschelkrebsen (Ostracoden) und Wasserflöhen (Branchiopoden), Insekten mit Rüsselkäfern (Curculionidae; Abb. 17) und Wanzen (Heteroptera?), kleinere Karpfenfische (Cyprinidae) und Frösche (Altfrösche/Palaeobatra- chidae) sind die belegten Vertreter zur Fauna.

Schilfartige Blattreste (Monokotyledonen, Abb. 18), Abb. 17: Rest eines Rüsselkäfers (Curculionidae) Laichkraut (Potamogeton sp.), Moos (Bryophyta) und (Foto: Uta Kiel Senckenberg Forschungsstation drei Baumarten Acer sp. (Aceraceae), Zelkova sp. (Ul- Grube Messel) maceae, Abb. 19) und Engelhardia orsbergensis (Jug-

21 Abb. 18: Schilfartiger Blattrest (Monokotylen) Abb. 19: Zelkova sp. – Blattrest einer Wasserulme (Foto: F. Gümbel) (Foto: F. Gümbel)

landaceae), Verwandte von Ahorn, Ulme und Wal- station Grube Messel untersucht wurden, waren nuss, vertreten die Pflanzen. gleichfalls nicht präzise bestimmbar.

Untersuchungen am Senckenberg-Institut in Frank- Eine vage Zuordnung der Insektenreste zu den Rüs- furt erbrachten ebenfalls wegen der desolaten Er- selkäfern und Wanzen (Wanzenlarve?) und der Dau- haltungszustände der Makro-Fossilien keine exak- ereier zu Daphnia (Ctenodaphnia) war möglich (frdl. te Artbestimmung. Unter Leitung von Prof. Dr. E. Mitt. Dr. S. Wedmann, Senckenberg Forschungssta- Martini durchgeführte Röntgenaufnahmen von tion Grube Messel). Künftige mikropaläontologische zwei Sedimentknollen führten nicht zum erhofften Untersuchungen der Sedimentreste, u. a. Pollen und Ergebnis (Gümbel 2008). Die Aufnahmen zeigten Algen, werden wahrscheinlich eine weitaus höhere aber, dass diese Sedimentfragmente ebenso fossile Artenvielfalt für den Existenzzeitraum dieses Maar- Reste von Fröschen enthalten (Abb. 20). sees belegen. Mit der ersten Dokumentation über die neue Fossilfundstelle (Gümbel 2008) wurde das be- Zwei Insektenreste und Dauereier (Ephippien, Abb. schriebene Fossilmaterial an die Sammlung des Na- 21, Gümbel 2008), dem indirekten Nachweis von turhistorischen Museum Schloss Bertholdsburg in Wasserflöhen, die in der Senckenberg Forschungs- Schleusingen übergeben.

Abb. 20: Sedimentstück der hellen Dysodile mit Froschrest (Palaeobatrachus sp.), b: Röntgenaufnahme Senckenberg Frankfurt, c: Zeichnung (F. Gümbel)

22 lagen. In fast allen Fällen enthielten diese scheinbar un- definierbare Hohlräume mit einem rostartigen Inhalt. Ich dachte sofort an Konkretionen um irgendwelche Fossilien und ärgerte mich erst mal darüber, dass ich ein paar Tage zu spät an den neuen Aufschluss gekommen bin. Das Material, das eh schon eine schlechte Erhaltung hatte, zerfiel, einmal dem Wetter ausgesetzt, innerhalb weniger Tage. Doch dann fand ich ein Stückchen, auf dem Wirbel erkennbar waren (Abb. 22), und ein wei- teres Sedimentstück mit Knochenabdrücken von Glied- maßen (Abb. 23), dessen zugehörige Teile bereits in der Rutschmasse untergegangen waren.

Es war sofort klar, dass es sich um recht schlunzige Stü- cke handelt, aber allein der sofortige Gedanke – Seese- dimente von der hier nicht mehr existierenden tertiären Landoberfläche in einem Vulkanschlot ... eventuell ein neuer Maarsee – der mir die immense Bedeutung der Funde für diesen Standort bewusst machte, ließ das Abb. 21: Dauereier (Ephippien mit zwei Eiern) von Sammlerherz wieder höherschlagen und schürte meinen Wasserflöhen a: Einzelaufnahme (Foto: F. Gümbel), Forschungsdrang. Da mich der Kontrollgang an diesem b: Einzelaufnahme (Foto: Uta Kiel, Senckenberg Morgen zuerst durch die Aufschlüsse des Unteren und Forschungsstation Grube Messel) Oberen Muschelkalks bei Klings führte, der Ort selbst ein guter Anlaufpunkt für Exkursionen zum Thema Froschreste waren mit Abstand das häufigste Fossil Trias und Tertiärvulkanismus und als nähester am Auf- im damaligen Aufschluss. schluss liegt, kam es zur Entscheidung, dieses Maar als … Anfangs fielen mir die Froschreste gar nicht so auf, ich „Klings-Maar“ zu bezeichnen … fand nur eine Vielzahl an zerbröselten Sedimentstücken, Nach Identifizierung der ersten Fossilfunde wurden die wohl ursprünglich eine abgerundete Form hatten und bei den nachfolgenden Notbergungen auch die zerfal- im Durchmesser etwa bei zwei bis fünfzehn Zentimeter lenen Sedimentreste nochmals vor Ort kontrolliert.

Abb. 22: Kaulquappe – Larvenrest mit Hautschatten Abb. 23: Fossiler Froschrest – Teile eines Hinterbeins (Foto: F. Gümbel) (Foto: F. Gümbel)

23 Altersstellung im Vergleich mit dem Dietrichsberg-Maar Mit den wenigen Fossilien lassen sich keine siche- ren Aussagen zur Altersstellung des Klings-Maares treffen. Jedoch bilden sie zusammen mit den neuen Erkenntnissen und einer modernen Altersdatierung der Basalte (Abratis et. al. 2007) Indizien, die so- gar für eine gleichzeitige Entwicklung von Dietrichs- berg-Maar und Klings-Maar sprechen. Beschreibun- gen zum Dietrichsberg-Maar erfolgten bereits im Heft 13 der Mitteilungen des Biosphärenreservats Rhön (Gümbel 2008). Mehrere Fakten aus den bis- herigen Forschungsergebnissen zum Dietrichsberg- Maar sprechen ebenfalls für eine mögliche Korrela- tion der Sedimente beider Maarseen. Die Fossilien beider Lokalitäten stehen nicht im Widerspruch. Identifizierte Fossilgruppen des Klings-Maar sind auch am Dietrichsberg durch Funde belegt. Für die Seesedimente am Dietrichsberg sind eindeutig zwei Abb. 24: Fossile Kaulquappe im für diese Lokalität dysodile Abfolgen nachgewiesen (Seifert 2002; typischen schlechten Erhaltungszustand. Gümbel & Mai 2007), welche durch ein mächtiges (Foto: F. Gümbel) Tuffitlager (Haupttuffitlager) getrennt sind. Eine etwa mit dem mittleren Bereich dieser Seeablage- Beim mehrheitlichen Anteil der Fossilien handelte es rungen vergleichbare Sedimentfolge lässt sich für das sich um Froschreste und dabei wiederum vorwiegend Klings-Maar mit älteren Dysodilen, einem mäch- um Froschlarven (Kaulquappen, Abb. 24). tigen limnischen Tuffitlager und einem Ölschiefer vom Liegenden zum Hangenden rekonstruieren. Auf Die Larven waren zudem in verschiedenen Wachs- diesem Haupttuffitlager erfolgte die Ablagerung der tumsstadien erhalten. Selbst Weichteile der Frösche sehr feinschichtigen dunkelbraunen bis schwarzen und ihrer Larven sind als dunkle Hautschatten er- ölschieferartigen Sedimente. Nur diese kompakten halten geblieben (Abb. 22). Erste Informationen Ölschiefervarianten mit einer Mächtigkeit von ca. über die fossilen Froschreste aus diesem Maarsee 25–30 cm werden äquivalent als Ölschieferfazies an- erfolgten bereits im Heft 12 der Mitteilungen aus gesprochen (bzw. am Dietrichsberg auch als Algenla- dem Biosphärenreservat Rhön (Gümbel 2007). Die minitfazies bezeichnet). Die Ölschieferfazies gilt als bisher zur Gattung Palaeobatrachus gestellten Fos- eutrophes Stadium der Maarseen. Nach Ablagerung silreste sind den Altfröschen (Palaeobatrachidae), ei- der mächtigen limnischen Tuffite kam es in beiden ner ausgestorbenen Familie der Frösche zuzuordnen. Maaren durch Anstieg des Wasserspiegels zu einer Aus dem benachbarten Braunkohlenbecken von Kal- Vergrößerung der Seefläche. In der nachfolgenden tennordheim ist das häufige Auftreten von fossilen eutrophen Seephase sedimentierten die unterschied- Resten dieser Gattung gleichfalls bekannt (Gümbel lichen Ölschiefervarianten. Die Ölschieferfazies 2013). betrifft so auch Maarbereiche, die zuvor noch nicht bzw. nur unter geringer Wasserbedeckung standen. Der Sauerstoffmangel der eutrophen Gewässer führ- te zu einem erhöhten Fischsterben in den Maarseen. Skelettfragmente und Schlundzähne aus dem Öl-

24 schiefer vom Klings-Maar zeugen für die Anwesen- Zyklen, die ebenfalls durch ein geringmächtiges heit von kleinen Karpfenfischen (Cypriniden), die Tuffitlager getrennt sind. Die im Kontaktbereich im Algenlaminit des Dietrichsberg mit der Gattung zum Basalt anzutreffenden Sedimente des obers- Palaeoleuciscus vertreten sind. Palaeoleuciscus ist eine ten eutrophen Zyklus sind mikrobrekziiert und von Gattung, die sich den extremen Lebensbedingungen schwarzer Farbe. Sie haben durch ihr morphologi- eutropher Gewässer gut anpasste. sches Erscheinungsbild größere Ähnlichkeit mit den Ablagerungen der älteren Dysodil-Abfolge beschrän- Ölschieferresten des Klings-Maar. Das steht wiede- ken sich auf die zentralen Bereiche der Maare. Mu- rum mit den vorherigen Aussagen im Widerspruch. schelkrebse, Laichkraut und vermutlich auch die Alt- Es soll hier aber nur der Gedanke einer möglichen frösche beschränken sich in beiden Gewässern nur Korrelation von Seeablagerungen aus zwei tertiären auf die hellen bis cremeweißen Dysodile der älteren Maaren der thüringischen Rhön vermittelt werden Abfolge. Erwähnte Froschreste von Altfröschen des und nicht dessen Beweisführung erfolgen. (Schilde- Dietrichsberg-Maar (Palaeobatrachus, Karl 1996) rungen zu den eutrophen Zyklen der zweiten, hö- gehören wahrscheinlich in die ältere Abfolge. Der heren Abfolge beziehen sich nur auf die Expansion einzige bekanntgewordene Frosch aus der Algenlami- des Maarsees im westlichen Teil des Dietrichsberg- nitfazies gilt als ältester Vertreter der Braunfrösche Maar). (Rana cf. temporaria, Böhme 2001) aus der Familie Jüngere Basaltdatierungen (Abratis et. al. 2007), der Echten Frösche. Froschreste vom Dietrichsberg in denen auch die Basalte aus den Steinbrüchen sind gegenüber dem Klings-Maar extrem selten, was Dietrichsberg und Diedorf/Klings datiert wurden, wohl an der geologischen Form der Maare liegt. Am bestätigen ein identisches Zeitfenster für den Bil- Dietrichsberg handelt es sich um ein Einsturzmaar, dungszeitraum der beiden Basaltvorkommen. Für das anfänglich mit steilen Innenwänden und geringer den Basalt des Dietrichsberges kann ein Alter von ca. Uferzone für Amphibien bestimmt kein ideales bzw. 18,9 Millionen Jahren und für den Basalt des Maar- nur schwer zugängiges Gewässer war. Das Klings- vulkans bei Klings von ca. 19,6 Millionen Jahren Maar hingegen, vergleichbar mit den heutigen Maa- angenommen werden, ein Ergebnis, das die vor- ren in der Eifel, war für die Altfrösche scheinbar gut geschilderte Hypothese bekräftigt. Damit ist das zugänglich und, wie die Fossilien es belegen, zeitwei- Klings-Maar nicht älter zu datieren, es wurde nur se ein ideales Laichgewässer. früher zerstört. Für beide Maare kann eine gleichzei- Anzeichen für Sumpf- oder Auenwald gibt es an bei- tige Existenz vor ca. 20 Millionen Jahren angenom- den Standorten nicht. Die festländische Wallfazies men werden. der Maare wurde durch immergrüne und sommer- grüne Laubbäume erobert, die sich über Flügelfrüch- Zusammenfassung te verbreiten. Alle drei bei Klings nachgewiesenen Aufsteigendes, vermutlich tholeiitisches Magma löste Baumarten (Acer, Engelhardia und Zelkova) sind auch durch den Kontakt mit Grundwasser im tieferen Mu- am Dietrichsberg wesentliche Florenelemente. schelkalk explosive phreatomagmatische Eruptionen Im Gegensatz zum Dietrichsberg-Maar, wo die Sedi- aus. Dieses Ereignis hinterließ einen trichterförmi- mentation der zweiten Abfolge weiter anhielt, wurde gen Krater an der Landoberfläche. Auswurfmassen die eutrophe Seephase (Ölschieferfazies) des Klings- an zertrümmerten Magma und Nebengesteinen der Maar durch die zweite Eruptionsphase des Altva- initialen Explosionsvorgänge bildeten einen Tuffwall ter-Vulkans beendet. Am Dietrichsberg gehen die um den Krater, wurden erodiert und füllten den Sedimente der Ölschieferfazies (Basis der zweiten Krater allmählich auf. Nach dieser ersten Eruption Abfolge) in hellbraune weichere Ablagerungen über des Vulkans kam es zu einer Ruhephase, in der sich und erreichen zusammen eine Mächtigkeit bis über ein Maarsee bildete (vergleichbar mit den heutigen zwei Meter. Dann folgen ein weiteres Tuffitlager Maarseen der Eifel, Abb. 25). und darüber bis zum Basalt nochmals zwei eutrophe

25 Abb. 25: Eifelmaare bei Daun (links Weinfelder Maar – größter Ø 525 m, kleinster Ø 375 m, Tiefe 51 m; rechts Schalkenmehrener Maar – Ø zwischen 500 u. 575 m, Tiefe 21 m) (Foto: Carola Gümbel)

Unterschiedliche Seesedimente belegen eine längere Anliegen dieser Mitteilung ist es, den Aufschluss Existenz des Maarsees. Um das Maar bildete sich zwischen Diedorf und Klings als bedeutsame ter- an den Hängen des Tuffwalls ein ortsgebundener, tiäre Fossilfundstelle bekannt zu machen. Für die warmtemperierter Laubmischwald mit immergrü- Zukunft ist es wünschenswert, diesen Aufschluss als nen und sommergrünen Laubbäumen. Anzeichen besonderes Geotop besser unter Schutz zu stellen, da für Sumpfzypressen oder Auenwald gibt es nicht. er einen einmaligen Einblick in die Vulkanbrekzie Im Uferbereich des Maarsees kam es zu Ansätzen eines Maarvulkans der Rhön gibt. Renaturierungs- von Röhrichten und krautigen Sumpfbereichen. Für maßnahmen, die im Zuge der absehbaren Stilllegung Altfrösche war der Maarsee zeitweise ein ideales des Steinbruchbetriebes erfolgen, sollten möglichst Laichgewässer. Die Fauna zeugt für das Vorhanden- so gestaltet werden (Abb. 26), dass auch künftige sein eines Gewässersystems im Umfeld des Maares. Generationen und geologisch Interessierte etwas von Über die genaue Form der Anbindung kann keine diesem Vulkanstandort haben. Aussage getroffen werden. Eine direkte Anbindung an ein Flusssystem kann aber ausgeschlossen wer- Dank den. Muschelkrebse und Fischreste sprechen aber Für Exkursionen, fachliche Hinweise und die Durch- dafür, dass es Zuwanderungsmöglichkeiten gab. Der sicht des Manuskripts danke ich besonders Herrn Maarsee war ein stehendes Gewässer, das sich vom Prof. Dr. Lothar Viereck (Jena). Mein weiterer Dank anfänglich noch sauerstoffreichen Wassermilieu zu gilt Herrn Studienrat Elmar Kramm (Fulda) für einem stark eutrophierenden See entwickelte. Die die langjährige Hilfe beim Durchsehen meiner Ma- zweite Eruption des Vulkans begann vor 19,6 Milli- nuskripte und die konstruktive Zusammenarbeit onen Jahren wieder mit einer phreatomagmatischen im Bereich Geologie der Rhön. Für die Publikati- Phase, die zur Zerstörung des Maarsees führte. Das onsmöglichkeit meiner Beiträge und die gute Zu- diesmal basanitische Magma gewann diesmal aber sammenarbeit danke ich Herrn Karl-Friedrich Abe den Kampf gegen das Grundwasser, verschloss die (Leiter des Biosphärenreservats Rhön/Verwaltung Wasserzufuhr und bildete in dem neuen Explosions- Thüringen) ganz herzlich. krater einen Lavasee mit strombolianischer Aktivität und Bildung eines Schlackenwalls.

26 Abb. 26: Beispiel für eine mögliche Renaturierung nach der Beendigung des Steinbruchbetriebes. Luftbild, a: L. Schmidt, Illustration, b: F. Gümbel

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Karl, H. V. (1996): Ergänzung zum Verbreitungs- katalog tertiärer und quartärer Amphibien und Reptilien Europas, Nordost- und Mitteldeutschland

28 II. IN EIGENER SACHE

1) Der Jahresrückblick auf 2015 KARLFRIEDRICH ABE, Biosphärenreservat Rhön/Verwaltung Thüringen

Im vergangenen Jahr 2015 führten die Mitarbeiter Die Sommertour der Umweltministerin mit ihren regionalen Partnern 159 Veranstaltungen, Um die Nationalen Naturlandschaften Thürin- wie Exkursionen, Vorträge, Festveranstaltungen und gens und Projekte zur Erhaltung der biologischen Messestandbetreuungen durch. Insgesamt konnten Vielfalt noch besser kennenzulernen, führte die damit fast 13.000 Gäste begrüßt werden. Sommertour der Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz, Anja Siegesmund, auch in das Zur Aktionswoche des Biosphärenreservats Rhön UNESCO-Biosphärenreservat Rhön. Ein reichhal- auf dem Gelände der Landesgartenschau in Schmal- tiges Programm erwartete sie hier: kalden wurden 3.500 Gäste gezählt. Das Informa- Bei einer Wanderung mit Frau Julia Gombert vom tionszentrum in der Propstei in Zella und die Dau- Landschaftspflegeverband Biosphärenreservat Thü- erausstellung im Haus auf der Grenze bei Geisa ringische Rhön auf dem Hexenpfad bei Fischbach besuchten über 66.600 Gäste. ließ sich Frau Siegesmund von den Arbeiten zur Er- haltung und Verbesserung der Kalkmagerrasen in- Nachfolgend wird auf einige Besonderheiten des ver- nerhalb des Bundesgroßprojektes „Thüringer Rhön- gangenen Jahres eingegangen. hutungen” unterrichten. Auch die seit vielen Jahren

Abb. 1: Landrat Peter Heimrich, Sternenparkko- ordinatorin Sabine Frank, Ministerin Anja Siegesmund und Bürgermeister Chri- stoph Friedrich (Rhönblick- Gemeinde) (Foto: O. Schmidt)

29 erfolgreich arbeitende „Schule im Grünen” lag im Straßenbahn wirbt für die Nationalen Naturland- Besuchsprogramm der Ministerin. schaften in Erfurt Wie bereits 2009 zum Jahr der Biosphärenreserva- Auf der Hohen Geba fand das Abendprogramm te in Deutschland macht nun im Themenjahr 2016 statt (Abb. 1). Dazu hatten sich u. a. auch Landrat „Das ist meine Natur – Das Jahr der Nationalen Na- Peter Heimrich und der Bürgermeister der Einheits- turlandschaften Thüringens” eine Straßenbahn die gemeinde Rhönblick, Herr Christoph Friedrich, ein- Bewohner und Besucher von Erfurt und Jena neugie- gefunden. Gesprächsthema war hier der vor einem rig auf die schönsten Landschaften Thüringens: Das Jahr anerkannte „Sternenpark im Biosphärenreservat sind der Nationalpark, die beiden Biosphärenreser- Rhön”. vate und die fünf Naturparke.

Am darauf folgenden Tag besuchte Frau Ministerin Das ist das Ergebnis einer erfolgreichen Zusammen- die Technologie- und Gründer-Fördergesellschaft arbeit des Umweltministeriums und der Schutzge- (TGF) in Dermbach. Die Geschäftsführerin Ros- biete mit der Thüringer Tourismus GmbH. witha Lincke stellte die Aufgaben des TGF und die vielfältigen Projekte mit dem Schwerpunkt Energie- effizienz vor.

An der „Bernshäuser Kutte”, einem seit 1942 aus- gewiesenen Naturschutzgebiet (heute Pflegezone), erläuterte Martin Görner, Leiter der Arbeitsgruppe Artenschutz Thüringen e.V., die vorgesehenen Maß- nahmen zur Verbesserung des Zustandes des Ge- wässers.

Abgerundet wurde die Sommertour der Ministerin durch einen Besuch der Kunststation in Oepfershau- Auch das Biosphärenreservat Rhön lockt mit einem Foto sen. Die künstlerische Arbeit und die Darstellungen Besucher in die Region (Foto: K.-Fr. Abe) des Themas Biosphärenreservat mit künstlerischen Mitteln standen hier im Mittelpunkt.

Die Arbeit am Rahmenkonzept RK 2.0 zur nachhaltige Regionalentwicklung Die Arbeiten zum neuen Rahmenkonzept für das länderübergreifende Biosphärenreservat Rhön wur- den weiter intensiviert. Status-quo-Berichte zu den zehn Hauptthemen wurden abgeschlossen und zu- sammengestellt. Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass es eine Fülle von Querverbindungen zu den Ein- Die auffallend gestaltete Straßenbahn in Jena wurde im zelthemen gibt. Daher wird ein Workshop zu diesen Februar 2016 durch die Thüringer Umweltministerin mehr als 20 Querverbindungen vorbereitet. Anja Siegesmund (Bildmitte), Jenas Oberbürgermeister Dr. Schröter, die Geschäftsführerin der Thüringer Tou- rismusgesellschaft, Frau Grönegres und alle Leiter der Nationalen Naturlandschaften Thüringens vorgestellt. (Foto: Archiv Biosphärenreservat Rhön)

30 Ausstellungen und Messen stellungsständen und zu besonderen Aktivitäten Nach sehr intensiver Zusammenarbeit mit den Pla- begrüßt werden. nern, dem Team von Point Alpha und regionalen Gebietskennern, dank der Förderung durch die För- Auch im Jahr 2015 wurde die Zusammenarbeit derinitiative Ländliche Entwicklung in Thüringen im mit dem Meininger Briefmarkensammlerverein Programm „Entwicklung von Natur und Landschaft” weiterentwickelt. Zum 20. Jubiläum des Weih- (ENL), dank der Unterstützung durch das Umwelt- nachtsmarktes vom Helmershausen gab es ein Son- ministerium in Erfurt sowie der Stiftung Naturschutz derpostamt „Erlebnis Briefmarke” der Deutschen Thüringen und dank der Übernahme der Projektträ- Post mit drei Sonderstempeln, Schmuckkarten mit gerschaft durch die Point Alpha Stiftung konnte die dem Vogel des Jahres 2015, dem Habicht, und eine neue Ausstellung zum Thema „Vom Todesstreifen Sonderpostbeförderung mit der Ziegenpost. Eine zur Lebenslinie – Das Grüne Band und die Biosphäre Kopie der Klappkarte mit Sonderstempel zum 25. Rhön” im Februar durch Thüringens Ministerin für Jubiläum des Nationalparkprogramms befindet sich Umwelt, Energie und Naturschutz, Anja Siegesmund, auf den letzten Umschlagseiten des Heftes. im Beisein vieler Gäste aus Nah und Fern im Haus auf der Grenze eröffnet werden. Weitere Informationen Erweiterung der Pflegezone finden Sie in den nachfolgenden Texten. Im Juli fanden zwei Informationsveranstaltungen für die Bürgermeister der Landkreise Wartburgkreis In Fulda wurde die Ausstellung Die Rhön – Geschich- und Schmalkalden-Meiningen zum Thema Erwei- te einer Landschaft im Vonderau Museum eröffnet, terung der Pflegezone im thüringischen Teil des BR die das ganze Jahr hindurch besucht werden konnte. Rhön statt. Der Verordnungsentwurf wurde aus- führlich vorgestellt. Wichtig für die Veranstaltung Zur Landesgartenschau in Schmalkalden waren alle waren auch die Informationen zum Vorhaben des Nationalen Naturlandschaften Thüringens mit Aus- Thüringer Umweltministeriums, das Grüne Band als stellungen und Sonderaktionen beteiligt. Die Akti- Nationales Naturmonument auszuweisen. Die Bür- onswoche des Biosphärenreservats Rhön wurde in germeister wurden in diesem Zusammenhang gebe- geübter Tradition von Partnern aus der Region un- ten, sich zum bisherigen Verbot des Aufstellens von terstützt. Frank Gümbel aus Neidhartshausen infor- Windkraftanlagen zu positionieren. mierte die Besucher über paläontologische Schätze der Rhön anhand von versteinerten Fundstücken längst Broschüren Fernsehwerbung verschwundener Pflanzen und Tiere, und Horst Hös- Im vergangenen Jahr hatte unsere Publikation „Mit- sel (Schule im Grünen, Fischbach) präsentierte mit teilungen aus dem Biosphärenreservat Rhön” ihr Kindern das heimische Schnitzerhandwerk. Mehr als 20-jähriges Jubiläum. An dieser Stelle sei all unseren 3.500 Gäste konnten in dieser Woche an den Aus- Mitautoren nochmals herzlich gedankt.

Die drei Sonderstempel von 2015

31 sehbeitrag über die Rhön. Teil I: Der Milseburgweg in der hessischen Rhön, Teil II: Der Milseburg- weg in der thüringischen Rhön. Auch damit wurde und wird unsere Region an Bekanntheit steigen.

Gäste aus Deutschland Im April fand eine Tagung und eine Exkursion mit dem Bundesverband Beruflicher Naturschutz (BBN) im BR Rhön statt. Die neue Ausstellung im Haus auf der Grenze wurde vorgestellt und bei einer Wande- rung zum ehemaligen amerikanischen Stützpunkt Point Alpha konnte den mehr als 30 Teilnehmern Eindrücke über die Verhältnisse im Grenzstreifen, zur Geschichte der deutschen Teilung und zur Na- turschutzgeschichte der Rhön vermittelt werden.

Internationale Beziehungen und Gäste Zum wiederholten Male konnte das Biosphären- Beteiligt an den Dreharbeiten war auch Arnd Schilling, reservat Rhön Gäste aus Südkorea begrüßen. Das Schäfer bei den Agrarhöfen Kaltensundheim. Filmteam war besonders am Grünen Band, seiner (Foto: K.-Fr. Abe) Geschichte und seiner Entwicklung interessiert.

Zu den Aufgaben des Biosphärenreservats gehört es 25 Jahre Nationalparkprogramm auch, sich um alte Haus- und Nutztierrassen und de- Im vergangenen Jahr jährte sich das Ereignis der Ver- ren Erhalt zu bemühen. Dazu wurde 2015 eine Bro- abschiedung des Nationalparkprogramms zum 25. schüre veröffentlicht. Näheres dazu finden Sie unter Male. Zum historischen Datum am 12. September „Neue Literatur“. fand dazu eine große Veranstaltung in Berlin statt. Weitere Informationen darüber unter „4) 25 Jahre Im Herbst drehte das MDR-Thüringen in der Sen- Nationalparkprogramm in Deutschland – Feierstunde dereihe „Heute auf Tour“ einen zweiteiligen Fern- in Berlin“.

Abschlussfoto der Teilneh- mer der Tagung am Point Alpha (Foto: K.-Fr. Abe)

32 2) Vom Todesstreifen zur Lebenslinie – Das Grüne Band und die Biosphäre Rhön: Neue Ausstellung im „Haus auf der Grenze“ (Point Alpha) Rundblick Rhön, Februar 2015

Mehrere Jahrzehnte lang verlief mitten durch Europa renreservats Rhön entwickelt worden, erläuterte der der Eiserne Vorhang. An der deutsch-deutschen Gren- Direktor der Point Alpha-Stiftung, Volker Bausch, ze war er besonders perfide perfektioniert. Ein etwa bei der Feier. Dies sei im Geiste konstruktiver Of- 120 Kilometer langes Teilstück dieser zum Schluss fenheit erfolgt, ergänzte Karl-Friedrich Abe, Leiter nahezu unüberwindlichen Grenze verlief auch durch der thüringischen Verwaltungsstelle des UNESCO- die Rhön. Als diese Grenze 1989 fiel und entschärft Biosphärenreservats Rhön, in seinem Grußwort. wurde, nahm man sie fortan als ökologisch wertvol- les Grünes Band wahr, das Deutschland nicht teilt, Niemandem im Saal entging bei dem Eröffnungs- sondern verbindet. Diesem „Lebensraum Grenze“ ist empfang die Ironie der Geschichte: dass ausgerech- nun an einem symbolkräftigen Standort eine neue net eine durch und durch martialische, lebensfeind- Ausstellung gewidmet: im Haus auf der Grenze im liche Grenze nun zu einer Lebenslinie geworden ist. UNESCO-Biosphärenreservat Rhön. Am 20. Febru- Denn die Areale, deren Betreten für viele Menschen ar fand hier mit viel Prominenz die Einweihung statt. tödlich endete, waren für Fauna und Flora geschützte Die Ausstellung im Obergeschoss des Hauses auf der Räume. Deshalb gilt das Grüne Band heute als Refu- Grenze ist in enger Abstimmung mit der Thüringi- gium für viele gefährdete Arten und trägt dazu bei, schen Verwaltungsstelle des UNESCO-Biosphä- Biotope zu vernetzen.

Schnitte mit Symbolkraft: (von links) Michael Geier (Leiter der bayerischen Verwaltungsstelle für das UNESCO- Biosphärenreservat Rhön), Dr. Dieter Franz (Stiftung Naturschutz Thüringen), Karl-Friedrich Abe (Leiter der thüringischen Verwaltungsstelle für das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön), Ministerin Anja Siegesmund und Volker Bausch (Direktor der Point-Alpha-Stiftung) geben den Weg frei. (Foto: O. Schmidt)

33 Sperrgebiet. Sie vermitteln den Besuchern Beobach- tungen aus der Zeit der Teilung, und Überlegungen über die Schaffung eines „Naturschutzraumes“ bis hin zur Umsetzung der Idee des Grünen Bandes. In- teraktive Karten und Infografiken veranschaulichen die Hintergründe und eine bebilderte Chronologie zeigt die Entwicklung des Grünen Bandes. Das Projekt wurde über die Förderinitiative Ländli- che Entwicklung in Thüringen mit dem Programm „Entwicklung von Natur und Landschaft (ENL)“ gefördert. Die Mittel wurden von der Oberen Na- turschutzbehörde im Thüringer Landesverwaltungs- Besonders ins Auge fallen die Skulpturen ausgewählter amt vergeben. Eine zusätzliche Förderung erhielt die Tiere und Pflanzen, die auf dem Grünen Band ihren Ausstellung von der Stiftung Naturschutz Thürin- Lebensraum haben. (Foto: Archiv Biosphärenreservat gen. Die Verwaltung der Mittel übernahm die Point Rhön) Alpha Stiftung. Da die Gedenkstätte Point Alpha sich als Besucher-Magnet erwiesen hat, werden in Nach der formellen Eröffnung führte Karl-Friedrich den nächsten Jahren sehr viele Menschen die Gele- Abe die Chefin des Umweltressorts durch die neue genheit bekommen, sich die Ausstellung anzusehen. Ausstellung. Das Spektrum der Exponate zum An- Seit 1996 hatte Point Alpha 1,5 Millionen Besucher. fassen reicht von der Wildkatze über den Biber und Schwarzstorch bis hin zur Silberdistel. Mit Abstand Prominente Gäste aus Politik und Gesellschaft das kleinste Exponat ist die Rhönquellschnecke, die Hochrangigster Gast aus der Politik war die Thü- unter einer Becherlupe zu sehen ist. ringer Ministerin für Umwelt, Energie und Natur- Auf ca. 120 Quadratmetern setzt die neue Ausstel- schutz, Anja Siegesmund, die sich als „Freundin“ der lung didaktisch vor allem auf anschauliche Schil- Rhön bekannte, da sie auch private Kontakte zur Re- derungen von Beteiligten. In Installationen berich- gion habe. Die neue Ausstellung, die vom Freistaat ten Zeitzeugen von der Entwicklung der Natur im Thüringen mit 180.000 Euro gefördert wurde, sei für sie etwas Besonderes: „Der Titel macht deutlich, dass es hier um Mensch und Natur geht sowie um die Ambivalenz, die mit dem Eisernen Vorhang ver- bunden war: Einerseits war er Todesstreifen für die Menschen, die Freiheit wollten und andererseits Le- benslinie für bedrohte Tiere und Pflanzen, die dort einen Rückzugsraum hatten, den es zu bewahren gilt. Wir sollten das Grüne Band aber nicht nur als Biotopverbund bewahren und entwickeln, sondern auch als Mahnmal und Erinnerungsort für ein Kapi- tel der deutschen Geschichte.“ In dem Zusammenhang erinnerte Frau Siegesmund Am Tag der Eröffnung zeigte zudem eine Gruppe daran, dass bei der Deutschen Revolution der 80er- Junior-Ranger an Hand eigener Exponate Frau Mini- Jahre Umweltgruppen eine wichtige Rolle gespielt sterin Siegesmund ihre Sicht auf die Natur im Grünen hätten. Nicht zufällig begann ja auch die Geschichte Band und im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön. des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön in dieser (Fotos: R. Friedrich) Zeit des Umbruchs.

34 3) Eröffnung der Arche Rhön – Frischer Wind für die thüringische Rhön Rundblick Rhön, August 2015

Symbolischer Akt: Der Landesvater mit den Architekten (helle Hemden), dem Bürgermeister von Kaltenwestheim, Harald Heim (helles Jackett), dem Bundestagsabgeordneten Mark Hauptmann (rechts) und anderen. (Foto: O. Schmidt)

Im Beisein von Thüringens Ministerpräsident Bodo seiner Rede bezeichnete der Ministerpräsident die Ramelow und viel regionaler Prominenz aus Poli- Eröffnung der Arche Rhön als einen „guten Tag für tik und Naturschutz wurde am 30. August 2015 am Thüringen“ und ermutigte die Vertreter der Gebiets- Rande von Kaltenwestheim (Landkreis Schmalkal- körperschaften, selbstbewusst auf Regionalität und den-Meiningen) ein neues Tourismus-Highlight er- einen naturverträglichen Tourismus zu setzen. öffnet. Als Informations- und Ausstellungszentrum bietet die Arche Rhön den Besuchern Fernsicht und Neben dem Landesvater ergriffen mehrere regiona- Einblicke. Architektonisch sieht das eigenwillige, mit le Amtsträger das Wort, darunter der Bürgermeister Holz verkleidete Gebäude in der Tat so aus, als sei von Kaltenwestheim, Harald Heim, Landrat Peter eine überdimensionale Arche am 642 Meter hohen Heimrich, der Bundestagsabgeordnete Mark Haupt- Weidberg gestrandet. Von der Aufwertung des Aus- mann sowie Manfred Grob (MdL) als Vorsitzender flugsziels verspricht man sich eine Belebung der Be- des Vereins Rhönforum e. V. Die Moderation der sucherfrequenz in der thüringischen Rhön und ein Veranstaltung hatte Karl-Friedrich Abe, Leiter der verstärktes Interesse an der Arbeit und Einzigartigkeit thüringischen Verwaltungsstelle des UNESCO-Bio- des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön. Mit einer sphärenreservats Rhön, übernommen. Investition von rund einer Million Euro trug das Land Thüringen etwa 90 Prozent der Kosten. Die Reden machten deutlich, dass es auf dem Weid- Rund 300 Gäste hatten sich an jenem Sonntag bei berg um die harmonische Verbindung von Mensch hochsommerlichem Wetter unter freiem Himmel in und Natur geht. Das neue Bauwerk wurde unisono der „Waldbühne“ auf dem Weidberg versammelt. In von allen Rednern begrüßt und als wertvoller regio-

35 naler Impuls bewertet. Manfred Beetz, Vorsitzender ringer Wald zu hören waren und eine zur authenti- der Verwaltungsgemeinschaft Hohe Rhön, hob her- schen Dekoration am Weidberg grasende Schafherde vor, dass mit Bodo Ramelow erstmals ein Minister- vorübergehend in die Flucht trieben, besichtigten die präsident das Gebiet der Verwaltungsgemeinschaft Ehrengäste die Ausstellung in der Arche. besuche. Geistlichen Segen erhielt die Arche in dem Ausstellungsmacherin Claudia Naumann demonst- anschließenden Freiluft-Gottesdienst, den Pfarrer rierte, wie man hier kreativ anschaulich – und damit Brüderle vom Kirchspiel Kaltenwestheim leitete. auch kindgerecht – auf die Besonderheiten der Rhö- Um symbolisch zu unterstreichen, dass eine Arche ner Fauna und Flora eingeht. Ein Blick von der Aus- schließlich ein „Schiff“ ist, ließ der Ministerpräsident sichtsterrasse am Heck des Gebäudes durfte ebenfalls nach dem Gottesdienst wie bei einer Schiffstaufe nicht fehlen. In volksfestartiger Atmosphäre ergriffen eine Flasche Rotkäppchen-Sekt an der „Bordwand“ in den folgenden Stunden fast 3.000 Thüringer Bür- zerschellen, was auch gleich im ersten Anlauf gelang. gerinnen und Bürger gut gelaunt Besitz von der neuen Nach zwei auf nachgebauten historischen Kanonen Attraktion. abgefeuerten Salutschüssen, die bis in den fernen Thü-

4) 25 Jahre Nationalparkprogramm in Deutschland – Feierstunde in Berlin Rundblick Rhön, September 2015

„Tafelsilber“ der deutschen Einheit: 25 Jahre Für den Freistaat Thüringen lieferte das National- Schutz, Pflege und Entwicklung der Natur parkprogramm den Grundstein für die heutigen Na- In den letzten Wochen des Bestehens der DDR be- tionalen Naturlandschaften Thüringens, darunter reiteten weitsichtige Menschen wegweisende natur- die thüringische Rhön. schutzpolische Entscheidungen vor. So konnte auf der letzten Sitzung des Ministerrates der DDR am 12. September 1990 als buchstäblich letzter Tages- ordnungspunkt der „Beschluss zu den Verordnungen über die Festsetzung von Nationalparken sowie von Naturschutzgebieten und Landschaftsschutzgebie- ten von zentraler Bedeutung als Biosphärenreservate und Naturparke“ gefasst werden. Damit wurden fünf Nationalparke, sechs Biosphä- renreservate (darunter die thüringische Rhön und die Erweiterung des seinerzeit schon bestehenden Biosphärenreservats Vessertal) und drei Naturparks Gespräch mit Zeitzeugen des Nationalpark programms ausgewiesen. Mit diesem kühnen, zukunftsgerichte- der DDR am Vortag (11.09.2015) zur Jubiläumsfeier ten Verwaltungsakt gelang es, 4,5 % der Fläche der in Berlin: DDR unter hochrangigen Schutz zu stellen. Uwe Wegener, Matthias Freude, Lebrecht Jeschke, Wenig später gingen die 14 ausgewiesenen Gebiete Michael Succow, Hans-Dieter Knapp, Arnulf Müller- als „Tafelsilber der deutschen Einheit“ in den Eini- Helmbrecht, Wolfgang Böhnert und Ulrich Meßner gungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutsch- (v.l.n.r.), (Foto: K.-Fr. Abe) land und der Deutschen Demokratischen Republik in bundesdeutsches Recht ein. So wurde das ostdeut- sche Nationalparkprogramm ein bedeutender Bei- trag zum Naturschutz im geeinten Deutschland.

36 In einer Feierstunde in Berlin am 12. September 2015 vor einem Vierteljahrhundert getroffenen Weichen- wurde das 25-jährige Jubiläum der weitreichenden stellungen zum Wohle der Natur. Prof. Michael Suc- Entscheidung begangen. Bundesumweltministerin cow und der ehemalige Bundesumweltminister Prof. Dr. Barbara Hendricks eröffnete die Veranstaltung. Dr. Klaus Töpfer erinnerten in ihren Vorträgen an Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstrich in einer die damalige Zeit der fieberhaften Erarbeitung des Videobotschaft die herausragende Bedeutung der Nationalparkprogramms.

5) 25 Jahre Nationalparkprogramm in Thüringen – Feierstunde im Naturpark Thüringer Schiefergebirge/Obere Saale Rundblick Rhön, Oktober 2015

Viele besonders wertvolle Landschaften Ost- Dem Anlass angemessen übernahm die Thüringer deutschlands erhielten 1990 mit dem letzten Umweltministerin Anja Siegesmund die offizielle Ministerratsbeschluss der DDR den Rang eines Begrüßung und Ansprache. Naturparks, Nationalparks oder Biosphärenreser- vats. Auch das Biosphärenreservat Rhön in Thü- Dr. Lebrecht Jeschke berichtete vom Ursprung und ringen. Ziemlich genau 25 Jahre liegt dieser weit- von der Idee des Nationalparkprogramms. Anschlie- reichende Beschluss nun zurück. In Erinnerung an ßend besuchte sie zusammen mit anderen prominen- jene Sicherung des ostdeutschen „Tafelsilbers“ fand ten Gästen die Projektstände. Diese standen unter am 26. September im thüringischen Plothen, im dem gemeinsamen Motto „Genüsse aus den Natio- Naturpark Schiefergebirge/Obere Saale, eine Fest- nalen Kulturlandschaften“ und zeigten die kulinari- veranstaltung statt. Hier präsentierten sich alle Na- sche Vielfalt der vertretenen Regionen. tionalen Naturlandschaften Thüringens geladenen Gästen sowie zahlreichen Besuchern aus der Region Gemeinsame Projekte von Schulen und Umwelt- des Schiefergebirges. bildungsstätten zusammen mit den Großschutz-

Erfahrungsaustausch am Ausstellungsstand des Für das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön war die Biosphärenreservats Rhön: (von links) die Thüringer Firma Spiegel aus Stedtlingen als regionaler Genuss- Umweltministerin Anja Siegesmund mit Jenny Betz, Botschafter dabei und offerierte Rhöner Spezialitäten Anna Schneider, Bernd Baumann und Rolf Friedrich. wie Hausmacher-Wurst und Apfelbratwurst. (Fotos: K.-Fr. Abe)

37 gebieten in Thüringen wurden in der Plothenbach- renreservats Rhön zeigten die Schüler in einem Vi- halle präsentiert. Anna Schneider aus Stedtlingen deo neueste Sichtungen der Wildkatze. Ausgestellt und Jenny Betz aus Bettenhausen, beide Schülerin- waren ebenfalls wichtige Projekt-Hilfsmittel, von der nen im Rhöngymnasium Kaltensundheim, stellten Kamera bis hin zu den Lockstöcken. Letztere sind hier das Langzeitprojekt „Die Wildkatze in der mit Baldrian präpariert und verleiten die Wildkat- Rhön“ vor. zen, sich an dem aufgerauten Holz zu reiben. Auf diese Weise kommen die Forscher an Haare, die für Das Rhöngymnasium hat seit Jahren eine starke na- DNA-Analysen verwertet werden. Interessierte Be- turkundliche Ausrichtung. Mit ihrem Biologielehrer sucher des Standes konnten ferner diverse Projekt- Herrn Baumann sowie Rolf Friedrich von der thürin- arbeiten des Rhöngymnasiums Kaltensundheim zur gischen Verwaltungsstelle des UNESCO-Biosphä- Wildkatzenforschung einsehen.

6) Der Tourismus im Biosphärenreservat Rhön Felix Kraus (Diplom Wirtschaftsgeograph), Universität Würzburg

Biosphärenreservate sind internationale, von der Die Rhön war bereits vor der Anerkennung zum UNESCO anerkannte Großschutzgebiete, die neben Biosphärenreservat 1991 durch Naturschutzgebiete, dem Schutz natürlicher Ressourcen das Ziel einer Landschaftsschutzgebiete sowie die Ausweisung des nachhaltigen Entwicklung verfolgen. hessischen und bayerischen Naturparks ein wichti- Tourismus als eine im Idealfall nicht-konsumtive ges Gebiet für Naturschutz und Landschaftspflege. Landnutzungsform ist eine anerkannte Möglichkeit, Eine gemeinsame Entwicklung des Naturraumes im diese so genannte Entwicklungsfunktion zu errei- Verbund der drei beteiligten Bundesländer war auf- chen. Im ersten Rahmenkonzept sowie dem noch ak- grund der politischen Teilung Deutschlands bis zur tuellen Perspektivenpapier des Biosphärenreservats Wiedervereinigung nicht möglich. Das Biosphären- Rhön wird ein sanfter Tourismus daher als wichtige reservat kann somit als Verbindungsglied zwischen Grundlage für die Verbesserung der Wirtschafts- den drei Bundesländern gesehen werden. kraft der ländlichen Region erklärt. Doch wie sehen die Tourismusstrukturen in den drei Teilregionen des Gebiets aus? Ziel des vorliegenden Artikels ist vor diesem Hinter- grund die Analyse der Tourismusnachfrage und der Besucherzahlen im Biosphärenreservat Rhön daraus resultierenden regionalökonomischen Effekte Die touristische Nachfrage von Ausflugs- und Über- im Biosphärenreservat Rhön. nachtungsgästen im Biosphärenreservat Rhön belief Die Erfassung der Wirtschaftskraft des Tourismus sich im Jahr 2010/11 auf insgesamt 6,37 Mio. Be- folgt dabei weitgehend einer bereits standardisier- sucher. Die regionale Analyse der Besucherzahlen ten Methode, welche ausführlich in Job et al. (2013) zeigt, dass trotz der gemeinsamen Entwicklung des „Wirtschaftliche Effekte des Tourismus in Biosphä- Biosphärenreservats immer noch deutliche struktu- renreservaten Deutschlands“ beschrieben wird. Die relle Unterschiede zwischen den Bundesländern vor- empirischen Daten wurden, mittels Zählungen, liegen. Der größte Teil der Besucher hält sich im hes- Blitz interviews und langen Befragungen an zwölf sischen Teil des Biosphärenreservats Rhön auf. Hier für das Gebiet repräsentativen Standorten generiert. werden 2,5 Millionen Besucher erreicht, dicht gefolgt Insgesamt wurden im Rahmen dieses Projektes zwi- von Bayern mit 2,3 Millionen Besuchern. schen Juli 2010 und Juni 2011 fast 9.900 Kurz- und Der thüringische Teil des Biosphärenreservats kann 1.900 lange Interviews erhoben. dahingegen nur 1,5 Millionen Besucher anziehen.

38 Unter Einbezug der Fläche relativiert sich diese Dis- Die Existenz des Biosphärenreservats kann ein Aus- krepanz und erreicht in Hessen eine Besucherdichte löser für den Besuch der Region sein. Die Besucher, von fast 3.900 und in Thüringen von 3.100 Besuchsta- die ausschließlich aufgrund des Großschutzgebiets gen pro 100 ha Fläche. anreisen, bedingen damit eine Wertschöpfung, die es Der Anteil der Besuchstage im Biosphärenreservat ohne die Schutzanstrengungen nicht gäbe. Im Bio- durch Übernachtungsgäste erreicht 31,9 %, wodurch sphärenreservat Rhön kennen fast 74 % der Besucher das Biosphärenreservat Rhön folglich einen größeren den Schutzstatus der Region, dies ist ein sehr guter Zustrom durch Tagesgäste erhält, die einen Anteil Wert, der deutlich über dem Durchschnitt der deut- von 68,1 % ausmachen. Im Vergleich mit den ande- schen Biosphärenreservate (57,5 %) liegt. Damit sind ren Biosphärenreservaten in Deutschland liegt in der gute Voraussetzungen für die weitere Vermarktung Rhön eine überdurchschnittliche Abhängigkeit vom des Labels „Biosphärenreservat“ und dessen Werte Ausflugsverkehr vor. Während die Gebiete der Bun- geschaffen. desländer Bayern und Hessen beide unter 68 % der Insgesamt können in der Rhön 13,7 % der Gäste als Besuchstage durch Tagesgäste generieren, ergibt sich „Biosphärenreservatsbesucher im engeren Sinne“ be- im thüringischen Teil des Biosphärenreservats eine zeichnet werden. Für diese Gruppe spielte das Prä- deutlich höhere Abhängigkeit vom Tagestourismus dikat „Biosphärenreservat“ eine große oder auch sehr (78 %). große Rolle bei der Entscheidung, in die Region zu Die dargestellten Werte unterstreichen, dass u. a. die fahren. Auch an diesem Indikator zeigt sich im Ver- lange Teilung des Gebiets bis 1990 Unterschiede in gleich zu den anderen deutschen Gebieten die gute Ar- der Tourismusnachfrage hervorgerufen hat und diese beit der drei Biosphärenreservatsverwaltungen. Diese auch noch heute deutlich erkennbar sind. Weiterhin Kategorisierung fällt bei den Tagesgästen mit 14,6 % spielt vermutlich die schlechtere Erreichbarkeit der etwas höher aus als bei den Übernachtungsgästen mit thüringischen Rhön aus den umliegenden Städten einem Wert von 11,5 %. und eine geringere Ausstattung mit herausragenden Die Tagesgäste aus den umliegenden Räumen wis- Tourismusattraktionen, wie z. B. dem Kreuzberg in sen aufgrund der regionalen Berichterstattung, der Bayern oder der Wasserkuppe in Hessen, eine wich- Vermarktungskanäle und der Nähe sehr gut über die tige Rolle. Zusammenhänge Bescheid und bringen so ihre Wert- Der Tagestourismus sorgt zwar aus ökonomischer schätzung für das Biosphärenreservat zum Ausdruck. Sicht für eine Grundauslastung der Infrastruktur, Bei den Übernachtungsgästen müssen die Vermark- doch aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten können von tungskanäle des Biosphärenreservats noch intensiver diesem Segment, das an manchen Standorten und zu genutzt und die touristischen Leistungsträger besser bestimmten Zeiten massentouristisch auftritt (z. B. in die Kommunikation eingebunden werden. Wasserkuppe), teilweise erhebliche negative Auswir- kungen ausgehen. Eine hohe Verkehrsbelastung durch Regionalwirtschaftliche Effekte durch Tourismus die An- und Abreise, Tendenzen zum „Crowding“ und im Biosphärenreservat eine geringe Ausrichtung auf nachhaltige Angebote Die empirisch ermittelten durchschnittlichen Aus- machen deutlich, dass hier ein wichtiger Ansatzpunkt gaben der Tagesgäste liegen bei 15,80 Euro pro Tag, zur touristischen Entwicklung des Biosphärenreser- die mit 15,90 Euro sehr gut zu den Auswertungen vats Rhön liegt. Mit Hilfe eines angepassten Besu- des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Ins- chermanagements kann dies gleichzeitig auch zu einer tituts für Fremdenverkehr (dwif 2010) passen. Die Steigerung der Besucherzufriedenheit führen. In die- deutschlandweit eher niedrig einzustufenden Wer- sem Zusammenhang sind z. B. zeitlich flexible Park- te verdeutlichen, dass das Reisemotiv „Biosphären- gebühren, ein umfassendes Informationssystem und reservatsbesuch“ von den Touristen nicht mit vor- spezifische Biosphärenreservatsdienstleistungen (z. B. dergründigen Konsumabsichten, sondern vielmehr Führungen und Events) nützliche Instrumente. mit dem kontemplativen Aspekt in Verbindung ge-

39 bracht wird, die Natur und Landschaft zu genießen. Davon entfallen mit 12.065.854 Euro fast 13 % auf Höhere Ausgabenwerte von beispielsweise 17,20 die „Biosphärenreservatstouristen im engeren Sinn“. Euro im Biosphärenreservat Pfälzerwald verdeut- Die Ausgaben dieser Besuchergruppe mit einer ho- lichen aber auch, dass durch vermehrte Konsuman- hen Affinität zum Schutzgebiet erzeugen folglich ca. reize, wie z.B. durch den Weinverkauf an der Wein- 611 Einkommensäquivalente; insgesamt hat der Tou- straße und die verschiedenen regionalen Speisen in rismus im Biosphärenreservat Rhön 4.175 Einkom- den vielen bewirtschafteten Hütten, ein höheres mensäquivalente zur Folge. Dadurch wird deutlich, Ausgabenniveau erreicht werden kann. dass eine Verbindung zwischen Schutz und Entwick- Die Aufspaltung der Tagesausgaben nach Bundeslän- lung in Biosphärenreservaten möglich ist. Es zeigt dern ergibt interessante Einblicke in die wirtschaftli- sich auch, dass die Entwicklung eines nachhaltigen chen Strukturen der Länder. In den bayerischen und Tourismus bereits heute essentiell zur Erhaltung der hessischen Gebieten liegen die Ausgaben mit 16,70 Wirtschaftsstruktur und der historischen Kultur- Euro und 17,10 Euro relativ hoch. Thüringen zeigt in landschaft einer ländlichen Region beitragen kann. dieser Kategorie ein deutlich niedrigeres Ausgabeni- veau von nur 8,50 Euro. Diese Werte verdeutlichen, Fazit dass in Thüringen aufgrund der hohen Bedeutung Die intraregionalen Unterschiede im Hinblick auf des Tagesausflugsverkehrs und dem geringen Aus- die Besucherzahl, -struktur und -ausgaben verdeut- gabenniveau eine geringere touristische Wertschöp- lichen, dass vermehrt Anstrengungen unternommen fung erzielt werden kann. werden sollten, das Marketing im ganzen Gebiet zu verbessern und das Zusammenwachsen der Region Im Reisegebiet der Rhön werden vom dwif (2010) als touristische Destination zu fördern. Durchschnittsausgaben von 118,58 Euro von Über- Hierbei kann die gerade beschlossene Neustruktu- nachtungsgästen angegeben, die deutlich über den rierung des Rhön-Tourismus als ein wichtiger Im- in dieser Untersuchung empirisch ermittelten Aus- puls gesehen werden. Im Optimalfall stimmen die gaben von 57,60 Euro pro Übernachtungstag und Tourismusorganisationen nicht nur ihre Marketing- -gast im Biosphärenreservat Rhön liegen. Die Aus- aktivitäten aufeinander ab, sondern entwickeln diese gaben erreichen somit nur ein vergleichsweise niedri- gemeinsam, um die jeweiligen Stärken der drei Bun- ges Niveau, das im unteren Mittelfeld der deutschen desländer synergetisch in die strategische Ausrich- Biosphärenreservate liegt. Für die Diskrepanz zum tung der Destination einzubringen. Wert des dwif können verschiedene Gründe ange- Beim Besucher spielt das Bundesland, in dem er sich führt werden: Der Kurverkehr wird nicht einbezo- bei seinem Aufenthalt im Biosphärenreservat befin- gen, die ländlichen Strukturen im Biosphärenreser- det, keine Rolle. Wichtig ist dem Gast die Einlösung vat (nicht enthalten in dieser Untersuchung sind z. B. des Qualitätsversprechens in Bezug auf die dazuge- die Städte Bad Kissingen, Fulda und Meiningen), der hörigen Produkte. größere Anteil von nicht-gewerblichen Übernach- Ein Ziel für die Zukunft sollte dementsprechend tungsbetrieben, sowie der Einbezug von Bekann- sein, solche Besucher anzuziehen, die sich mit den ten- und Verwandtenbesuchen, die kaum Gelder für Werten des Biosphärenreservats identifizieren und Übernachtungen in der Region aufbringen. über die spezifischen Angebote, wie z. B. der Dach- marke Rhön, einen Beitrag zur Erhaltung der Wirt- Insgesamt erzeugen die Besucher des Biosphären- schaftsstruktur und der tradierten, über Jahrhun- reservats mit ihren Ausgaben innerhalb des Gebiets derte gewachsenen Kulturlandschaft in der Region einen Bruttoumsatz von rund 185.556.500 Euro. leisten. Durch die Tages- und Übernachtungsgäste im Bio- In diesem Sinne kann und muss sich das Biosphären- sphärenreservat Rhön entstehen demnach insgesamt reservat auch für die Menschen vor Ort noch stärker Einkommen in Höhe von 94.577.800 Euro. zu einem wichtigen Impulsgeber entwickeln.

40 III. BELAUSCHT UND ERFORSCHT IN DER HEIMAT

1) Die Hohe Rhön Thüringens in Mittelalter und in früher Neuzeit Achim Fuchs, Meiningen

Einleitung Rhön und ihre Ränder zwischen Unterweid und Birx Für die bayerische und die hessische Rhön existie- im Westen sowie Kaltensundheim, Gerthausen und ren Arbeiten, die sich mit der mittelalterlichen Sied- Melpers im Osten. lungsgeschichte und mit den Siedlungsnamen der jeweiligen Region befassen. Der Verfasser ist sich bewusst, dass es sich hier nur Im vorliegenden Aufsatz wird nun versucht, einen um einen ersten Versuch handeln kann, das Ge- möglichst vollständigen Katalog der mittelalterlichen schehen jener Zeit zu erfassen. Deshalb soll an die- Siedlungen auch für die thüringische Hohe Rhön ser Stelle auch die Bitte geäußert werden, dass jeder vorzulegen. Das wird verbunden mit der Deutung der Leser, der Korrekturen und Ergänzungen einbrin- Siedlungs- und Hofnamen und deren Einordnung in gen kann, solche dem Verfasser oder der Redaktion den zeitlichen Ablauf des Siedlungsgeschehens. Das kundtun möge. Das gilt für wichtige urkundliche Be- Untersuchungsgebiet umfasst die thüringische Hohe lege, für aussagekräftige Flurnamen, für mündliche

Abb. 1: Karte des Untersuchungsgebietes (Ausschnitt aus: General Charte von dem Grossherzogthume Weimar-Eisenach. Weimar: Geographischers Institut 1817)

41 Überlieferungen und für Beobachtungen im Gelän- Am Nordrand des Untersuchungsgebietes findet de, die eine Lokalisierung der einstigen Siedlungen sich eine frühmittelalterliche Siedlungskammer mit und ihrer Ackerflächen ermöglichen. solchen -heim-Namen: , Kaltensund- heim und Kaltenwestheim. Diese drei Orte können Die fränkische Landnahme (6. und 7. Jh.) bereits im 6. Jh. entstanden sein. Noch im 8. Jh. dürf- Nach Abwanderung der wohl keltischsprachigen Be- ten innerhalb der Mark Kaltenwestheim Ober- und völkerung in der Mitte des 1. Jh. v. u. Z. war die Rhön vielleicht auch Unterweid gegründet worden sein so- über Jahrhunderte hinweg nur dünn besiedelt. In den wie Mittelsdorf. Randgebieten sind zunächst ostgermanische und Die zahlreichen Funde in Kaltenwestheim und Kal- danach rhein-weser-germanische Gruppen fassbar. tensundheim zeigen, „dass eine erste Belegung um die Es kam zu einer weitgehenden Wiederbewaldung Mitte bzw. in der zweiten Hälfte des 6. Jh. erfolgte. (Verse 2014, S. 82 f.). Eine weitere Nutzung ist erst wieder für den Beginn Ab dem 6. Jh. wurden zunächst die Randgebiete der des 7. Jh. dokumentiert. Mehrheitlich datieren die Hohen Rhön erneut dichter besiedelt (Heiler 2015, Gräber in die zweite Hälfte des 7. Jh.” (Trenkmann/ S. 153). Man spricht in diesem Zusammenhang von Spazier 2015, S. 129 f.). „fränkischer Landnahme”, auch wenn dabei weni- Wirtschaftliche Grundlage dieser -heim-Orte „bil- ger an „Stammesfranken” zu denken ist (also von deten weniger die für eine ackerbauliche Nutzung Menschen vom Nieder- und vom Mittelrhein), als nur bedingt geeigneten Böden. Vielmehr dürfte die vielmehr an die alteingesessene Bevölkerung der verkehrsgeographische Lage von Bedeutung gewesen Landschaften rings um die Rhön, besonders in den sein.” (Trenkmann/Spazier 2015, S. 129 f.) Mainlanden und im südlichen Osthessen (Butzen Im Bereich der drei thüringischen -heim-Orte er- 1987, S. 173). Doch natürlich nahm das merowin- reichten Altstraßentrassen von den Werrafurten bei gische Königtum auch direkt Einfluss auf das Sied- und Walldorf den Fuß der Hohen Rhön, lungsgeschehen, und zwar überall dort, wo es bei- um nach deren Querung in Richtung Fulda weiterzu- spielsweise darum ging, wichtige Fernverbindungen führen (Köhler 2013, S. 161). Sie wurden im Bereich zu kontrollieren (Butzen 1987, S. 186). Im Rahmen dieser Orte geschnitten von einer alten Verbindung dieser sog. „fränkischen Staatskolonisation” kann es aus dem Bad Neustädter Becken in Richtung Wer- dann durchaus auch zur Ansiedelung von „Stam- ratal bei Vacha (Köhler 2013, S. 78; Heinke 2008, mesfranken” gekommen sein (vgl. dazu Fuchs 2009, S. 87 u. 103; noch auf der oben abgebildeten Karte S. 66–68). von 1817 lässt sich diese Verkehrsführung erkennen). Ein wichtiges Indiz für „fränkische Staatskolonisa- tion” sah man in den Ortsnamen mit dem Grund- Der fränkisch-karolingische Landesausbau wort -heim. Eindeutig sind die Ergebnisse, zu denen (8. – 10. Jh.) Jochum-Godglück in einer den gesamten deutschen Pollenanalysen zeigen, dass die Hohe Rhön bis ins Sprachraum umfassenden Untersuchung kam: „In frühe Mittelalter ein noch unerschlossenes Waldge- 130 Fällen lassen sich die orientierten -heim-Na- birge war. Das beginnt sich erst im 8. Jh. zu ändern; men in räumlicher Nachbarschaft zu urkundlich die Rodungstätigkeit nimmt zu. bezeugtem und/oder erschlossenem fränkischen Ab dem Ende des 8. Jh. wird dank der fuldischen Fiskalbesitz nachweisen. Dagegen ist in keinem Überlieferung dieser von den adligen Grundherren Fall ein nichtfiskalischer frühmittelalterlicher Sied- getragene Landesausbau fassbar. In den Bestim- lungsträger zu ermitteln.” „Die Namengebung [...] mungswörtern der Ortsnamen werden die Namen impliziert [...] bewußt-planendes Verhalten; die be- der Grundherren genannt. Zu den damals entstan- nannten Siedlungen sind das Ergebnis einer topo- denen Siedlungen gehören am Rande des Unter- nymischen Raumorganisation, gelenkte Siedlungen suchungsgebietes Gerthausen (Erstnennung 874, also.” (Jochum-Godglück 1995, S. 597). Dr., Nr. 611; zum weibl. PN Gerada), Erbenhausen

42 (Erstnennung 856/869, Dronke 1850, Nr. 605; zum weide und sie waren die Grundlage für die Gewin- PN Rubo), Reichenhausen (Erstnennung 1332/40, nung von Holzkohle und Pottasche (Vielleicht weist Mötsch/Witter 1996, A 83; zum weibl. PN Richhil- der um 1525 für genannte Fln. Bottenrain da) und Schafhausen (Erstnennung 1031 als Skafhu- drauf hin.). Auf dieser Basis wiederum entwickel- son „Bei den Schafställen”, Dob. I, Nr. 700). ten sich Eisengewinnung und Glasmacherei (Lan- Von den Orten des eigentlichen Untersuchungsge- ge 2001, S. 33). Ein Beispiel für Letzteres ist in der bietes (UG) entstanden, wie bereits erwähnt, Mit- 2. Hälfte des 15. Jh. die Oberweider Glashütte. telsdorf, Ober- und Unterweid in dieser Zeit, vielleicht auch Ripperts, das urkundlich noch nicht belegte Die spätmittelalterliche Wüstungsperiode Schodorf und Melpers. (Genauere Angaben zu diesen (Mitte 14. Jh. – Ende 15. Jh.) Orten finden sich im Namenkatalog.) In der 1. Häfte des 14. Jh. sanken die Jahresdurch- schnittstemperaturen, das hochmittelalterliche Kli- Der hochmittelalterliche Landesausbau maoptimum endete. Um die Jahrhundertmitte führ- (11. Jh. – Mitte 14. Jh.) te die Pest zu enormen Bevölkerungsverlusten, vor Ab Beginn des hohen Mittelalters steigen die jähr- allem in den Städten. All das bewirkte eine schwere lichen Durchschnittstemperaturen. Ein bald einset- Agrarkrise, in deren Ergebnis zahllose ungünstig ge- zendes Klimaoptimum und eine deutliche Bevölke- legene Siedlungen und Höfe aufgegeben wurden. Im rungszunahme veranlassen die Menschen, auch die UG werden als wüst bezeichnet: 1387 die villa Antze- höheren Lagen der Rhön zu besiedeln und zu bewirt- na, 1334 Bernrode, 1419 , 1387 Gerhards, schaften (Lange 2001, S. 32). Mit der zunehmenden 1343 Lichtenau. Auch Birx, Jagdbrunnen, Ripperts, Rodungstätigkeit wurde nun auch die Hochrhön Rusten und Schodorf dürften damals aufgegeben wor- entwaldet. Im Roten Moor vorgenommene Pollen- den sein und vielleicht auch Lahr sowie Wüste Heide. analysen zeigen einen besonderen Anstieg des Ge- Die Gemarkungen der aufgegebenen Siedlungen treidepollens in der Zeit zwischen 900 und 1200 wurden von den Nachbarorten übernommen und (Jenrich/Kiefer 2012, S. 32). Hochäckerspuren auf von denen „zunächst nur extensiv in Form eines dem Hellmutplan bei Frankenheim (er liegt bereits in lockeren Weidebetriebs bewirtschaftet [...]. Archi- Bayern) bezeugen den hochmittelalterlichen Acker- valische Belege für die ackerbauliche Nutzung von bau (Pasche 1959, S. 1). Wüstungsfluren liegen erst für die Zeit des 16. Jh. vor. [...] Eine weitflächige Verwaldung der Wüs- In der thüringischen Hohen Rhön werden in diesem tungsfluren scheint in der Hohen Rhön im Gegen- Zeitraum erstmals urkundlich genannt 1059 Rip- satz zu anderen Räumen, z. B. dem Bad Kissinger perts, 1186 Gerhards und 1220 Frankenheim. Zumin- Raum oder dem Hünfelder Land, unterblieben zu dest Ersteres kann jedoch auch (ebenso wie das ur- sein” (Lange 2001, S. 36–40). kundlich noch nicht belegte Schodorf) bereits im 10. Jh. existiert haben. (Siehe oben.) Der frühneuzeitliche Landesausbau (16. Jh.) Spätestens in dieser Phase dürften auch entstanden Gegen Ende des 15. Jh. beginnt die Periode des früh- sein der Anzenhof (Erstnennung 1334), Bernrode neuzeitlichen Landesausbaus. Sie dauert bis zum Erstnennung 1334, damals bereits wieder wüst), Birx Dreißigjährigen Krieg. In diese Zeit fallen Grün- (Erstnennung 1302 ?), Jagdbrunnen (Erstnennung dung bzw. Wiederbesiedlung des Anzenhofs (zwi- 1334), Lichtenau (Erstnennung 1343, damals bereits schen 1523 und 1587), des Rhönhofs (Erstnennung wieder wüst), Rusten (Erstnennung 1334) und viel- 1587) und wohl ebenso Frankenheims und Birx‘. Viel- leicht Lahr (urkundl. noch nicht belegt). Die verblie- leicht wurden auch die Höfe (?) Lahr und Wüste Hei- benen Wälder wurden in jener Zeit bereits intensiv de in dieser Zeit wiederbesiedelt oder überhaupt erst genutzt: Hier gewann man das benötigte Bau- und gegründet. Für die bayerische und hessische Rhön Brennholz sowie Laubstreu; sie dienten der Wald- stellt Lange fest: „Initiiert und organisatorisch getra-

43 gen wurde dieser für die heutige Kulturlandschaft so Anzenhof † bedeutungsvolle Abschnitt der Landschaftsentwick- 1. Wstg. w. Meiningen, Flur Oberweid, sw. d. O., lung im wesentlichen von den geistlichen Landesher- Akr. Meiningen. ren wie der Fürstabtei Fulda und dem Fürstbistum Etwa 200 m sö. des 1975 niedergerissenen An- Würzburg, die durch planmäßig gelenkten Lan- zenhofs ist wohl die im 14. Jh. aufgegebene villa desausbau versuchten, die verheerenden Folgen der „Antzena” zu suchen. Dort wurden immer wieder Wüstungsperiode zu beseitigen” (Lange 2001, S. 41). hochmittelalterliche Keramik sowie Dachzie- Das lässt sich auch auf die thüringische Rhön über- gelreste beobachtet (Morzeck 2015). In der villa tragen. Nur muss man hier auch an die hennebergi- „Antzena” sieht Zickgraf den für das 11. Jh. zu schen bzw. sächsischen Landesherren denken sowie vermutenden (Ober-)Weider Fronhof (Zickgraf an die Herren von der Tann. 1944, S. 6; s. a. Ober- und Unterweid). 500 m sw. „Die kolonisatorischen Bemühungen der Grund- des Anzenhofs lag die zu ihm gehörende Ziegel- und Landesherren verhinderten, daß im Laufe des hütte und 2 km sö. der in der 1970er Jahren abge- 16. Jh. weite Teile der Rhön verwaldeten. Erheblich, rissene Rhönhof, errichtet 1938 als Sauckelhof. wenn nicht sogar entscheidend verstärkt wurde die- 2. 1334 villa „Antzena” (Hoffmann 1973, Nr. 3214); ser Prozeß der Schaffung von Offenland durch das 1347 „in Antzenache” [verbessert aus ‚Antzen- Aufkommen des Waldgewerbes und dem damit bache‘] (Hoffmann 1982, Nr. 538); 1387 Nen- verbundenen enormen Bedarf an Holz. Köhlereien, nung des Änzinger Waldes † (wohl der heutige Glashütten und Eisenschmelzen [...] sowie zahlreiche Oberweider Rhönwald) mit den Wüstungen Pottaschesiedereien übersäten weite Teile der Hoch- „Antzenawe” und „Gerhartsz” (Zickgraf 1944, rhön” (Lange 2001, S. 44.). Verwiesen sei in diesem S. 174: Marburg, Kop. 333; GHA: I T oft. Mei: Zusammenhang auf die Glashütte zu Oberweid. Es ist HG H 3 LXXVII, 1). 1523 Der Änzinger Wald wegen all dem zu vermuten, „daß zu Beginn des 17. liegt „ober der Antzen und Obern Weydt” (Koch Jh. weite Teile der Hohen Rhön nur noch von einem 1913, S. 498); von der „Antz, da soll der waldt den niedrigen Buschwald bedeckt waren, der an zahl- namen von hab” (Koch 1913, S. 497). 1587 Der reichen Stellen von großen Rodungsinseln und ver- „Entzinger Wald seuhet oberhalb Oberwaidt an blockten Hutungen durchbrochen war. [...] Lediglich dem hennebergischen Haal nach der Meuße hi- an steil abfallenden Plateauflächen stockten – wie nauf, ist sonsten nach dem Rhonhof zu mit El- aus einem Grenzriß von 1557 für das Amt Auers- lern und Wiesen umbfangen”. (Waldbereitungs- berg hervorgeht – noch zusammenhängende Wald- buch der Grafschaft Henneberg 1587, zitiert flächen” (Lange 2011, S. 49). nach Koch 1913, S. 500 f.; hier findet sich auch Im Gegensatz zur weit verbreiteten Auffassung, dass der Hinweis, dass lt. Juncker, 1. Buch, 23. Kapi- vor allem der verheerende Dreißigjährige Krieg für tel, der Anzenhof den Namen Rhönhof geführt die vielen Wüstungen verantwortlich sei, ist festzu- habe. Dem widerspricht jedoch die örtliche Über- stellen, dass die meisten von ihnen schon lange vor- lieferung. Siehe dazu unter Rhönhof); um 1755 her aufgegeben worden waren. Im Untersuchungsge- nahe bei Oberweid liegt „der Antzenhof, worauf biet ist es wohl nur Birx, das im Gefolge des Krieges 4. Häußer und so viel Unterthanen befindlich, nochmals für einige Jahrzehnte wüst fiel. so alle Anspänner [...] sind” (ThStAW, Eisena- cher Archiv, Ämter u. Städte, Nr. 849, Abschrift Die Siedlungsnamen der Hohen Rhön Thüringens durch A. Fuchs, 1995, S. 67 f.). 1791 Unter den Die Namenartikel sind folgendermaßen gegliedert: Wüstungen des Amtes Kaltennordheim werden 1. Ortsname, Informationen zur Lage u.a. genannt „der Anzenhof” und „der Rohnhof” 2. ausgewählte Belege (Bundschuh/Siebenkees 1791, 3. Bd., 1. Heft, S. 3. bisherige Deutungen 22). 1804 „Eine Viertelstunde von Oberweid lie- 4. Deutung des Verfassers get der Anzenhof, welcher [...] im 17ten Jh. [...]

44 unter die Bauern zerschlagen [wurde]” (Schultes Bernrode † 1804, Bd. 2, S. 109). – Fln.: Anzenhof /ܧndsԥho:f/, 1. Wstg. w. Meiningen, Flur Frankenheim, nnö. d. Anze /ܧndsԥ/f. u. a. O.; Akr. Meiningen. (?) 3. Sturm führt den Namen des Anzenbachs auf ein Die Lage des wüsten Hofes ist nicht bekannt. Er nicht belegtes ahd. ans, uns „Weideplatz” zurück. könnte etwa 2 km nnö. Frankenheim zu suchen Dieses wiederum sei eine Bildung zu „azzan = sein. A 16. Jh. gab es dort einen Bernröder Born, äsen, fressen, weiden” (Sturm 1995, S. 97). (Zickgraf 1944, Karte I, Nr. 392); der Name des 4. „Hof in der Anze”; GW: mhd. hof stm. „Ökono- Borns lebt möglicherweise in dem heutigen Fln. miehof”; BW ist ein FLN, der zurückzuführen Beeräcker (FlnAF) weiter. ist auf GW ahd. aha stf. „Wasser, Fluss, Bach” u. 2. 1334 „jtem Bernrode wustenunge” (MB, Bd. BW: ahd. PN Anzo (Förstemann 1900, Sp. 134). 39, Nr. 252); 1334 „Item Bernrode wustungen”, Während des Landesausbaus wurden Kleinge- (Hoffmann 1973, Nr. 3214); 1347 „in Bernrode” wässer oft nach denjenigen benannt, die an ihnen (Hoffmann 1982, Nr. 538); 1523 „uber Obern Rodungen anlegten (Vgl. dazu auch Kaufmann Weydt nach Bernrodt” (Koch 1913, S. 496); A 1977, S. 1–3.). Der GN ging dann auf den an ihm 16. Jh. „Bernröder Born” (GHA. III C 6, zit. nach liegenden Hof über sowie auf die umliegenden Zickgraf 1944, S. 244, Nr. 31, s. a. Zickgraf 1944, Ländereien. Der Name des zum Hof gehörenden Karte I, Nr. 392). Änzinger Waldes† wurde mit Hilfe der Bezeich- 3. Koch liest den Namen als Gernrodt und sieht im nung für die Bewohner des Anzenhofes gebildet. BW den einstigen Namen eines Weidzuflusses. Auch er wird 1334 erstmals erwähnt: „jtem villa (Koch 1913, S. 496 f.) Antzena cum nemore eandem villam pertinente” 4. GW: ahd. rod, riod „Rodung”; BW: Gen. des ahd. (MB, Bd. 39, Nr. 252). PN Bero u. ä. (Förstemann 1900, S. 260) 1387 war die villa Antzena bereits wieder aufge- geben. 1523 lautete der GN schon Antz(e). Nur Birx kurz bestand im dritten Viertel des 15. Jh. am 1. Dorf w. Meiningen; Akr. Meiningen. Anzenweg eine Glashütte (Koch 1913, S. 494– Lt. Zickgraf lag das Dorf in der frühen Neuzeit 504). Wie einzelne kleine Fragmente der Glas- wüst. (Zickgraf 1944, S. 174) Auch Wagner äu- öfen belegen, befindet sich deren Standort heute ßert sich so (Wagner 1995, S. 206). 1555 war Birx in der Ortslage Oberweid, Frankenheimer Straße wieder besiedelt, fiel jedoch im Dreißigjährigen 6 u. 8 (Morzeck 2015). Zwischen 1523 und 1587 Krieg vorübergehend erneut wüst. entstand schließlich der Anzenhof. Er entwickelte 2. 1302 „[...] verkauffte das Thumbcapitel zu Wirtz- sich nach der Vereinzelung im 17. Jh. zum Weiler burg, Grafe Bertholden zu Henneberg, vnnd Anzenhof, der 1975 „Grenzsicherungsmaßnah- dessen Erben alle zinsen vnnd Renten zu Ober- men” zum Opfer fiel (Schätzlein/Albert 2002, fladingen, Salkenberg, Birs vnd Brucken. [...]” S. 488). Im Zusammenhang mit dem Anzenhof (Spangenberg: Hennebergische Chronica, 1755, wird oft der Weiler Ziegelhütte genannt. Er wur- S. 175); 1381 „Ich Hans von Birckes, kuchen- zelte in einer schon zu Beginn des 18.Jh. beste- meister meins herrn von Wirceburg, bekenne [...]” henden und zum Anzenhof gehörenden Ziegelei (MB, Bd. 43, Nr. 163) Ob sich dieses Birckes auf (Morzeck 2015). Sie lag etwa 500 m sw. des An- Birx bezieht, ist völlig unklar, nennt doch Wagner zenhofs und fiel bereits 1971 der Grenze zum Op- allein für den Landkreis Rhön-Grabfeld ein Bir- fer (Stirzel 1994, S. 25; Schätzlein/Albert 2002, kes† bei und ein Birkles † bei Aubstadt S. 488). als mögliche Wüstungen (Wagner 1994, S. 186; Wagner 1992, S. 94); 1555 die Hofleute „zum Birckes” (HStAMR, Urk. 75 Reichsabtei, Stift); 1557 „Birx uff der heite” („Augenschein des Am-

45 ptes Auerßbergk und Hilters”, früheste karto- der späten Salier-, frühen Stauferzeit gewesen graphische Darstellung des Raumes um Hilders. sein” (Stoi 1998/99, S. 38). Die urkundlichen Be- In: Stehling 1990, S. 125); 1603 „Das Hennisch lege, die dieser Burg zugeordnet werden können, Dörflein birrkes genanndt.” (Panoramakarte von und der Grundriss der Anlage lassen zumindest Hilders und Umgebung aus dem Jahre 1603. In: die Vermutung zu, dass es sich hier um die Ha- Stehling 1990, S. 126); 1619 „zwischen Birx und bichtsburg handelt, die im 12. Jh. genannt wird Seifferts” (ThStAM, GHA, Hennebergica Go- und in dieser Gegend vermutet werden kann. tha, Nr. 386, S. 514‘); 1659 „das Dorff Francken- (Siehe dazu Stoi 1998/99, S. 38 und Albert 2014, heim und die Wustung Birx” (ThStAM, GHA, S. 94 f.) Hennebergica Gotha, Nr. 386, S. 492); 1678 heißt es im Meininger Vertrag „beede Thännische Frankenheim Dorffschafften Birx und Franckenheimb” (Binder 1. Dorf w. Meiningen; Akr. Meiningen. 1896, S. 255). – Mda.: /bܭܣ࡬ ks/. 2. ca. 1220 „Franginheim dimidia villa, [ub]i eccle- 3. „Birx ist wahrscheinlich das Perkuhis (Perkhuis, sia stat” (Ermgassen I, 1995, 177 vb = Dob. III, Berghaus) von 783, das aber auch für Brüchs, Nr. 171; Datierung nach Wagner 1989, S. 252 von Müller (Der Bezirk ) sogar für f.); 1228 „Vrankenheim” (MB, Bd. 37, Nr. 215 Berkach in Anspruch genommen wird.” (Binder = Dob. III, Nr. 11); 1230 „Frankenheim” (MB, 1896, S. 455) Siehe auch unter Berkach. Bd. 37, Nr. 221 = Dob. III, Nr. 139); 1402 war 4. Genitiv. ON; BW können PN sein wie Beri- Frankenheim noch bewohnt (StAW, Lehenb. 11 f. co (zum Stamm Bera/Berin, Förstemann/Jel- 30 – zitiert nach Wagner 1992, S. 174); 1419 und linghaus 1900, Sp. 258 ff.) oder Berichger (zum 1436 lag es wüst (StAW WU 94/38; StAW WU Stamm Berga, Förstemann/Jellinghaus, S. 273 ff.) 44/50a – zitiert nach Wagner 1992, S. 174 und Der Beleg 1606 „Bircke” (ThStAM, GHA III, B 201). – Mda.: /fުR‘a:ngԥmԥ/. 5, Bl. 315; zitiert nach Ansorg 1971, S. 24.) ver- 3. ‒ weist auf eine weitere Deutungsmöglichkeit. In 4. GW: ahd. heim n. „Haus, Wohnsitz einer be- den Jahrhunderten, in denen genitiv. ON modern stimmten Personengruppe”; BW ist der PN Franc, waren, wurden denen auch solche angepasst, die Franco (Förstemann 1900, Sp. 515; Kaufmann ehedem auf ganz andere Weise gebildet worden 1968, S, 120). waren. Ähnlich wie der ON Brüchs/NES aus Die Lage Frankenheims lässt vermuten, dass der 1340 „Brucke” entstand (Bach 1981, II, § 624.), Ort ebenso wie Schodorf † und Ripperts † im 9. könnte dann auch Birx aus einem FLN *An der oder eher erst im 10. Jh. entstand. Birke hervorgegangen sein. Derartige genitiv. Na- men waren vom 9. Jh. bis ins hohe Mittelalter in Gerhards † Mode. 1. Wstg. w. Meiningen, Flur Erbenhausen, wsw. d. O.; Akr. Meiningen. Burg Stellberg Siedlungsreste wurden an unterschiedlichen Burgstall (abgegangene Burg) w. Meiningen, Flur Stellen beobachtet: im Wald, ca. 250 m nö. der Melpers, n. d. O.; Akr. Meiningen. Streuquelle nach einem Windbruch, sowie bei Die Burg ist sicher im Zusammenhang zu sehen Schachtarbeiten für den Wasserleitungsbau s. der mit der über den Stellberg verlaufenden Land- Forstwiese. (FlnAF; Herchet 2001) wehr und der bereits 1059 genannten Straße über 2. 1186 „in Gerhartis” (HUB I, Nr. 23); 1387 Nen- diesen Berg (Dob. 1850, Nr. 760). nung des Änzinger Waldes † (s. Anzenhof) mit Die Oberflächenfunde aus dem Burggelände da- den Wüstungen „Antzenawe”und „Gerhartsz” tiert Stoi auf das 15./16. Jh. Die Anlage selbst (Zickgraf 1944, S. 174: Marburg, Kop. 333; GHA: „könnte durchaus eine [...] klassische Turmburg I T oft. Mei: HG H 3 LXXVII, 1). 1480/1500

46 die Wüstung zum Gerharts (Mötsch 1999, Z 96); 4. GW: mhd. born swstm. „Brunnen”; BW: mhd. 1578 Wiesen „am Gerhardts” (ThStAM, Henn. jaget stnf. „Jagd, Jagdbeute” oder ein PN ??? zum Goth., Nr. 405, S. 409). – FLN: „Auf dem Ger- Stamme Jag- (Förstemann 1900, S.979, Kauf- hardts” (Lbk., Erbenhausen), „Gerhardts über der mann 1968, S. 218 f.; vgl. auch Dronke 1850, Nr. Straße”, „~ unter der Straße” (Lbk., Reichenhau- 107, PN Jagud) sen), /ܳܭܣds/ n. 3. ‒ Lahr † 4. Genitiv. ON zum ahd. PN Gerhart (Förstemann 1. Wstg. w. Meiningen, Flur Mittelsdorf, s. d. O.; Akr. 1900, S. 579) Meiningen. Im Flurstück Oberlahr, ca. 1,5 km ssw. von Mittelsdorf, soll bis zum 30-jährigen Krieg Glashütte Oberweid † das Dorf Lahr gestanden haben. Am dortigen Ro- 1. In der 2. Hälfte des 15. Jh. stand n. am Ort eine ten Hauk wurden um 1975 Mauerreste gefunden. Glashütte. Ihr einstiger Standort liegt heute im Etwa 500 m ssw. des Roten Hauks liegt am Wald- Dorf im Bereich der Grundstücke Frankenhei- rand das Flurstück Alter Kirchhof (Fln AF). mer Straße 6 und 8 und ist überbaut. „Nur Flur- 2. FLN: In der Oberlahr (Lbk.) /laޝ݋/; Roter Hauk bezeichnungen und einige kleinere Brocken der /roޝdԥ݋ haܧ࡬ k/; Alter Kirchhof /alԥ݋ kiޝrfܼç/. Glasöfen weisen darauf hin”. (Morzeck 2015) (FlnAF) 2. 1523 „ein glashutten, oberhalb Obern Weyda und 3. ‒ unter dem Entziger walt gelegen” (Koch 1913, S. 4. Lahr-Namen sind vor allem im NW des deutschen 495); ca. 1525 „die glashutten an dem Potten- Sprachgebietes, in den Niederlanden und in Flan- rain” (Koch 1913, S. 495. Ob das BW des FLN dern verbreitet. Im frühen Mittelalter dürften sie der Dat. Pl. des nd. Pott „Topf” ist und auf Pott- mit Siedlern aus Mainfranken hierher gekommen aschensiederei verweist?). sein. Lār hatte damals wohl die Bedeutung „Weide- 3. ‒ platz“. Die hier zu vermutende Siedlung entstand 4. Glashütte „Ort der Glaserzeugung” (Grimm, Bd. sicher erst im Gefolge des hochmittelalterlichen 7, Sp. 7685) Landesausbaus (Zur Thematik der Lahr-Namen vgl. Fuchs 2011, S. 57 f.). Jagdbrunnen † 1. Wstg. w. Meiningen, Flur Oberweid, sö. d. O.; Lichtenau † Akr. Meiningen. (?) 1. Wstg. wnw. Meiningen, Flur Kaltenwestheim, nw. Die Lage des wüsten Hofes ist nicht bekannt. Er d. O.; Akr. Meiningen. könnte etwa 1,3 km sö. Oberweid im gleichna- Die Siedlung soll im Flurstück Steinige Wiese ge- migen Flurstück zu suchen sein. Dort sind heute legen haben, ca. 3 km nw. Kaltenwestheim (Ge- noch Spuren alten Ackerbaus zu erkennen, die die meint ist die Lichtenauer Steinige Wiese, w. an mdl. Überlieferung allerdings mit dem s. angren- der Lotte unterm Gern. – FlnAF). Dort kamen zenden Schodorf in Zusammenhang bringt (Fln- noch vor Jahrzehnten Ziegelbrocken und ver- AF). branntes Holz zum Vorschein. Auch der Standort 2. 1334 „Item Bernrode wustungen, jabrunnen. Item der Mühle war an der Lotte zu erkennen (Strauß Ruschten” (Hoffmann 1973, Nr. 3214); 1347 „in 2006, S. 307–310). Jagborn” (Hoffmann 1982, Nr. 538); 1538 „am Ja- Eine gleichnamige Wüstung findet sich in der genbornn” (ThStAM, GHA I, Nr. 5479, fol. 109 Gemarkung Oberelsbach/NES. Diese Siedlung r); 1578 Acker „am Jachbron” (ThStAM, GHA, wird bereits 1230 urkundlich genannt. (Lob 1970, HG, Nr. 405, fol. 530‘). – FLN: Jagdborn (Lbk.) S. 159; Wagner 1993, S. 99) /‘jœޝbܧ݋n/ (FlnAF); Wüstacker (Morzeck 2015). 2. 1343 „die wüstenunge, die da heiszet tzü der 3. ‒ Lichtinaüwe, die da lyࡃt pober Westhem” (HUB

47 V, Nr. 169); 1351 „die wüstenunge tzü der Licht- „in loco qui dicitur Meginherihus ubi Ueitaha in inaw” (HUB V, Nr. 207); um 1390 „die wustenun- Ulstra emanat” (Dronke 1850, Nr. 473). – Mda.: ge Lichtinauw geleigin obir Westheim” (Mötsch/ /vaޝet/࡬ f. (GN). Witter 1996, B 528); 1440 die Wüstung „Lich- tenaüwe” (HUB VII, Nr. 121); 1578 „in der Lich- 3. Förstemann und Greule stellen GN und ON tenau, die steynigt Wiesen genandt” (ThStAM, zu ahd. weit stm. „Färberwaid”. (Förstemann GHA, HG, Nr. 405, fol. 297‘). – FLN: In der 1916, Sp. 1177, Greule 2014, S. 577) Walther er- ~ (Lbk.) /lܼçdԥn‘aܧ࡬ /, /lܭçdԥn‘aܧ࡬ /, /l ܼçdԥn‘aޝ/ (Fl- wägt vorgerm. Herkunft und zieht dazu die idg. nAF). Wurzel *ued-/*u࡬ od-/ūd-/u࡬ ࡊd- „Wasser” heran. 3. ‒ (Walther 1971, S. 228) An frühgerm. Herkunft 4. GW: mhd. ouwe, owe stf. „wasserreiches Gelän- denkt Udolph und knüpft dabei an die idg. Wur- de”; BW: mhd. adj. lieht „hell”; Der FLN verweist zel *ueid-/࡬ *u࡬id- „drehen, biegen” an. Der GN gilt auf eine baumlose Örtlichkeit, auf eine Lichtung ihm als ein Beleg dafür, dass in frühgermanischer im Walde. (Ramge 2002, S. 644) Zeit, noch vor der 1. LV., u. a. wurzelauslautendes -t > -d wechselte. (Udolph 1986, S. 162 f.; Udolph Melpers 1994, S. 69 f.) 1. Dorf w. Meiningen; Akr. Meiningen. Sturm stellt den ON Weid zu ahd. weida „Vieh- 2. 1332/40 „zu dem Alwartis” (Moetsch/Wit- weide”. (Sturm 1995, S. 97) ter 1996, A 27); 1333 „villam dictam Altbrets” 4. Die Orte wurden nach dem Bach benannt, an dem (Hoffmann 1983, Nr. 3098); 1346 „sitam iuxta sie liegen. Dessen GW ist ahd. aha stf. „Wasser, Albrehts” (Hoffmann 1982, Nr. 342); um 1360 Fluss, Bach”. Hinsichtlich der lautlichen Gege- „zu dem Albratez” (Mötsch/Witter 1996, C 164); benheiten lässt sich das BW am überzeugendsten um 1390 „tzu dem Alwarts” (ebd. B 36), „tzu von ahd. weit stm. „Färberwaid” herleiten. dem Albratis” (ebd. B 351); 1546 Wüstung „zum In der Nennung von 795 ist von einer Rodung an Albrechts„ (Binder 1896, S. 415, A); 1555 als der Weid die Rede. Das damit auch eine Siedlung „Melpers” neu gegründet (Binder 1896, S. 415). – verbunden war, ist bei der Entfernung zum Mar- .lbԥݕ/. kenmittelpunkt Kaltenwestheim wahrscheinlichޝMda.: /‘ma 3. „Der erste Beleg weist auf den PN Athalward, Erst der Beleg von 914 nennt zwei Orte namens Adalvard (Förstemann 1900, Sp. 180). Später Weid. Einige Sachverhalte lassen die Vermutung deuten die Belege auf Albrecht < Athalbraht. zu, dass Oberweid der ältere der beiden Orte ist: (Förstemann 1900, Sp. 163) Welcher PN zugrun- Ober- und Unterweid gehörten ursprünglich zur de liegt, kann nicht präzisiert werden [...]” (Wink- Mark Kaltenwestheim. (Vgl. den Beleg von 914.) ler 2007, S. 150). Von Kaltenwestheim aus war Oberweid leichter 4. Siehe Punkt 3. zu erreichen als Unterweid. (Auch die Altstra- ße aus dem Werratal über Oberkatz nach Fulda Ober- und Unterweid querte sw. von Kaltenwestheim den Weidberg 1. Dörfer w. Meiningen; Akr. Meiningen. und führte dann weiter über Oberweid nach 2. 795 „in confinio Uestheim in uilla antiqua [...] et Simmershausen.) Zumindest im 11. und 12. Jh. quartam partem thes bifanges ad Ueitahu” (Dron- scheint Oberweid der bedeutendere der beiden ke 1850, Nr. 110); 914 „in Uesthemono marcu in Orte gewesen zu sein. Die Belege 1015/25 (Mey- duabus uillis Ueitaha nuncupatis” (Dronke 1850, er zu Ermgassen 1996, Bd. II, 139 v, Kap. 43 – Nr. 663); 1334 „in inferiori Weyta, in superiori datiert nach Werner-Hasselbach, S. 9 ff. = Dob. Weyta” (Hoffmann 1973, Nr. 3214); 1347 „in Ny- II, Nr. 317, a. 1155/65) und vor 1150 (Meyer zu dern Weyta, in Obern Weyta” (Hoffmann 1982, Ermgassen 1995, Bd. I, 177 rb, Kap. 27 – datiert Nr. 538). Der GN wird erstmals 836 genannt: nach Werner-Hasselbach, S. 9 ff. = Dob. II, Nr.

48 312, a. 1155/65) lassen in Oberweid einen Fron- 4. GW: mhd. hof stm. „Ökonomiehof”; BW: das hof der fuldischen Propstei Michaelsberg vermu- Toponym Rhön; da sich nw., n. und nö. von ten. Dafür spricht auch, dass die heutige Ober- Frankenheim mit Rhön- gebildete Flur- und weider Kirche dem St. Michael geweiht ist. Forstortnamen häufen, ist zu vermuten, dass der Nicht uninteressant ist es, dass im Einzugsgebiet Gebirgsname Rhön sich von hier ausbreitete. Der dieses Fronhofes auch slawische Bauern lebten. Rhönhof war also ein Hof im Flurgebiet Rhön. (1015/25, Meyer zu Ermgassen, Bd. II, 139 v, Kap. 43) Ripperts † Reichenhausen) 1. Wstg. w. Meiningen, Flur Reichenhausen, wsw. d. Rhönhof † O.; Akr. Meiningen. 1. Hofwstg. w. Meiningen, Flur Oberweid, ssö. d. O.; Im Gebiet des Rippertshauks, etwa 3 km w. Er- Akr. Meiningen. Der frühneuzeitliche Rhönhof benhausen, häufen sich, verteilt auf mehrere Ge- lag etwa 100 m sö. des in den späten 30er Jahren markungen, Fln. mit dem BW Ripper(t)s. (S. u.) erbauten Sauckelhofes, s. d. (Morzeck 2015) Letz- Als Standort der einstigen Siedlung bietet sich terer wurde nach 1945 ebenfalls Rhönhof genannt. der Rippertsborn an, eine der Feldaquellen. 2. 1587 „nach dem Rhonhof zu” (Waldbereitungs- 2. 1059 „Richolfesrod” (Dronke 1850, Nr. 760); buch der Grafschaft Henneberg 1587, zitiert 1578 Wiesen „am Ripperts” (Flur Reichenhau- nach Koch 1913, S. 500 f.; hier findet sich auch sen, ThStAM, GHA, HG, Nr. 405). – Fln.: der Hinweis, dass lt. Juncker, 1. Buch, 23. Kap., Ripper(t)s (Fluren Kaltenwestheim, Mittelsdorf, der Anzenhof den Namen Rhönhof geführt Oberweid, Reichenhausen); Rippertsäcker; Rip- habe. Dem widerspricht jedoch die örtliche pertsborn; Rippertshauk; Rippertstrift (Lbk., alle Überlieferung. (Morzeck 2015); 1717 Herzog Flur Reichenhausen) Johann Wilhelm von Sachsen-Eisenach verleiht 3. Winkler irrt hier, indem sie Belege für die Wstg. den Erbenhäusern eine Hutweide, die vor Jahren Reupers † (bei Roth/NES) und den Reinhards- „zum Viehe hof, auf der Röhn gelegen” gehört hof (bei Weimarschmieden/NES) der Wüstung hatte (KrAM, Erbenhausen, 01/36); um 1755 Ripperts † (bei Reichenhausen/SM) zuordnet. Oberweid hatte einst „den Fürstlichen Röhnhoff (Vgl. Winkler 2007, S. 156 f.; Wagner 1992, S. zu befrohnen gehabt aber gnädigst vererbet er- 79; Wagner 1994, S. 191; Lob 1970, S. 170 f.; Bin- halten” (ThStAW, Eisenacher Archiv, Ämter u. der 1896, S. 168) Städte, Nr. 849, Abschrift Fuchs, 1995, S. 67 f.); 4. Genitiv. ON zum ahd. PN Richolf (Förstemann der „Röhnhof” war „der Gemeind Oberweyd in 1900, S. 1271). Schon Zickgraf und Hofemann ao: 1521 gegen einen gewißen Erbzinß erblich vermuten in dem Richolfesrod der Wildbannbe- gegeben und die Röhn Wustung denen drey Ge- schreibung von 1059 die heutige Wüstung Rip- meinden Oberweyd, Erben= und Reichenhau- perts bei Reichenhausen (Zickgraf 1939, S. 19; ßen gegen einen gewißen Erbzinß vererbet [wor- Hofemann 1958, S. 37). Betrachtet man sich den den], woraus diese Gemeinden Huthen gemacht, damals beschriebenen Grenzverlauf auf der Kar- [...]” (Ebd., S. 2 f.) 1791 Unter den Wüstungen te, so gibt es wohl keine andere Zuordnung als die des Amtes Kaltennordheim werden u.a. genannt von Zickgraf und Hofemann vermutete. „der Anzenhof” und „der Rohnhof”. (Bund- Probleme verursacht in einigen Fällen die Zuord- schuh/Siebenkees 1791, 3. Bd., 1. Heft, S. 22) nung der historischen Belege, da sie manchmal Lt. mdl. Überlieferung in Oberweid gab es im mit denen für Reupers in der Gemarkung Roth/ 19. Jh. erneut einen Rhönhof, der jedoch noch NES, den Reinhardshof bei Weimarschmieden/ vor 1900 wieder aufgegeben worden sein dürfte NES sowie Ripperts bei Helmers/SM verwech- (Reich 2015). selt werden können. 3. ‒

49 Es fällt auf, dass drei Wüstungen in einem recht Mundart angelehnt wurde an mhd. steinrosche, eng begrenzten Gebiet Namen tragen, deren BW ~rotsche, ~rusche, ~rüsche, ~rutsche „Felseklippe, den Bestandteil Wolf haben; Ripperts (Richolf), jäher Bergabhang mit Felsen und Geröll, Höhlen, Schodorf (Scoderolf) und Uuolfoltesstreuua Spalten“. (Wstg. im angrenzenden Fladunger Streuwald; BW ist der PN Wolfholt; vgl. dazu Benkert Sauckelhof † 1852, S. 35–41; Lob 1970, S. 181f.; Wagner 1991, Der Sauckelhof wurde als sog. Weidelehrhof zwi- S. 213 f.; Wagner 1994, S. 206). Vielleicht sind schen 1938 und 1940 errichtet. (Hohmann 1992, alle diese Namengeber verwandt mit jenem II, S. 721 u. 733) Er lag etwa 650 m w. des El- Uuolfhart, der in einer Schenkungsurkunde aus lenbogengipfels. BW ist der Name des damaligen dem Jahre 951 begegnet: „Uuilliperaht et uxor eius Thüringer Gauleiters Fritz Sauckel. Nach 1945 Hiltiburg tradiderunt ad s. Bonifatium partem wurde das Gehöft Rhönhof genannt, s. d. haereditatis suae. tunc contigit quod Uuilliperaht obiit et de hac luce migrauit et tunc gener ejus Schodorf † Uuolfhart qui suam habuit filiam iniuste consedit 1. Wstg. w. Meiningen, Flur Oberweid, sö. d. O.; illam traditionem […].” Nach einer gerichtlichen Akr. Meiningen. Auseinandersetzung zwischen jenem W. und Die mdl. Überlieferung berichtet von einem im Fulda kommt es zu einem Kompromiss und W. 30-jährigen Krieg zerstörten Dorf dieses Namens. darf o. e. „in Hoitono marcu” gelegene Schenkung Die Dorfstelle sieht man noch heute: eine ebene an Fulda weiter nutzen. Im letzten Satz heißt es Fläche von ca. 300 m², bewachsen mit mächtigen noch: „in illa captura nostra unam stirpem factam Buchen und versehen mit einer sehr guten Quel- habet” (Dronke. Nr. 692.). Möglicherweise könn- le. In den 50er Jahren stieß man beim Wegebau te es sich dabei um die u. g. Wüstung Schodorf am Böttchersweg im Gebiet der Wüstung auf gehandelt haben (oder aber, und das ist wegen der Ziegelbrocken. Die Spuren alten Ackerbaus beim Lage bei Reichenhausen wahrscheinlicher, um das Jagdborn (s. d.) werden mit Schodorf in Verbin- o. g. Richolfesrod = Ripperts †). dung gebracht. (FlnAF) 2. ‒ (dœ݋f/ (FlnAFޝf/, /‘ݕoܧdrޝRusten† 3. Schodorf (Lbk.) /‘ݕo 1. Wstg. wnw. Meiningen, Flur Unterweid, onö. d. 4. GW: mhd. dorf stn. „Dorf”; BW: Es bietet sich O., Akr. Meiningen. (?) Die Wstg. ist möglicher- an, im BW die Kurzform Scot, *Scodo zum ahd. weise am Hoflar zu suchen, im oberen Teil des PN Scoderolf zu sehen. (Förstemann 1900, Sp. Grundes sö. der Hinteren Mühle. Die mdl. Über- 1309; Kaufmann 1968, S. 307 f.) 2 km sö. liegt lieferung weiß von dieser Siedlung nichts. in Reichenhäuser Flur der Streufelsberg < 1059 2. 1334 „villa zv dem Růsten” (MB, Bd. 39, Nr. Scoderolfesberc (Dronke 1850, Nr. 760). 252); villa „Ruschten” (Hoffmann 1972, Nr. 3214); 1539 „uber den Rusten hinauf” (ThStAM, Wüste Heide † GHA I, Nr. 5479, fol. 132 rv). – FLN: Rutsche f. 1. Wstg. (?) wnw. Meiningen, Flur Kaltenwestheim, -rœdݕԥ/ (FlnAF). sw. d. O.; Altkreis Meiningen. Mdl. Überliefe/ 3. ‒ rung nach soll im Flurstück Wüste Heide ein Hof 4. Genitiv. ON zum ahd PN Rusto (Förstemann oder eine Siedlung gelegen haben. Dort wurden 1900, Sp., 1286; zu den genitiv. ON mit schwacher beim Pflügen Eisenteile gefunden, darunter ein Gen.-Endung s. a. Kaufmann 1961, S. 162). Soll- altertümliches Hufeisen. (Barthelmes 2015) te eine Verbindung bestehen zwischen dem FLN- 2. FLN.: Auf der wüsten Heide (Lbk.) /vœst‘haޝed࡬ ԥ/ f. Rutsche und dem Wstg.-Namen Rusten, so wäre 3. ‒ am ehesten daran zu denken, dass Rusten in der 4. ‒

50 Abb. 2: Übersichtsplan mit den im Text genannten Wüstungen

Abkürzungen: engl. = engl. Flk. = amtliche Flurkarte a. = anno FLN = Flurname Adj. / adj. = Adjektiv / adjektivisch FlnAF = Flurnamenarchiv Fuchs Akr. = Altkreis FN = Familienname and. = altniederdeutsch FON = Forstortname asä. = altsächsisch Fries. = Friesisch aso. = altsorbisch Gen. = Genitiv BN = Bergname genitiv. = genitivisch BW = Bestimmungswort germ. = germanisch Dat. = Dativ GN = Gewässername Dim. = Diminutiv got. = gotisch d. O. = des Ortes GW = Grundwort dt. = deutsch hd. = hochdeutsch

51 idg. = indogermanisch Bechstein, Ludwig: Geschichte und Gedichte des Jh. = Jahrhundert Minnesängers Otto von Botenlauben, Grafen von lat. = lateinisch Henneberg. Leipzig: Georg Wigands‘ Verlag 1845. Lbk. = Lagebezeichnungskatalog des (Reprint, Neustadt a. d. Aisch: Verlag für Kunst- Thüringer Landesvermessungsamtes reproduktionen Christoph Schmidt 1995.) LV = Lautverschiebung mda. = mundartlich Bosl, Karl: Franken um 800. 2. erw. Aufl. Mün- Mda. = Mundart chen: Verlag C. H. Beck 1969. mdl. = mündlich mhd. = mittelhochdeutsch Bundschuh, Johann Kaspar: Geographisches mlat. = mittellateinisch Statistisch-Topographisches Lexikon von Franken. mnd. = mittelniederdeutsch 5 Bde. Ulm: Stettinsche Buchhandlung, 1799–1804. n. = nördlich nd. = niederdeutsch Butzen, Reiner: Die Merowinger östlich des mitt- ö. = östlich leren Rheins. Mainfränkische Studien. Bd. 38 (1987) o. e. = oben erwähnt ON = Ortsname Dob. = Dobenecker, Otto: Regesta Diplomati- PN – Personenname ca necnon Epistolaria Historiae Thuringiae. Bd. I. RN = Rufname Unveränderter Nachdruck der Ausgabe von 1896. s. = siehe; südlich Vaduz: Sändig Reprints Verlag 1986. s. d. = siehe dort slaw. ‒ slawisch Dronke, Ernst Friedrich Johann (Hrsg.): s. o. = siehe oben Codex Diplomaticus Fuldensis. Neudruck der Aus- stm. / stf. / stn. = starke Deklination, Maskulinum / gabe 1850. Otto Zeller Verlagsbuchhandlung: Aalen ~, Femininum / ~, Neutrum 1962. s. u. = siehe unten, sie unter swm. / swf. / swn. = schwache Deklination, Masku- Förstemann, Ernst: Altdeutsches Namenbuch. linum / ~, Femininum / ~, Neutrum Erster Band: Personennamen. 2. völlig umgearbeitete vgl. = vergleiche Aufl. Bonn: P. Hansteins Verlag 1900. UB = Urkundenbuch w. = westlich Förstemann, Ernst: Altdeutsches Namenbuch. Wstg. – Wüstung Zweiter Band. Orts-und sonstige geographische Na- men. Bonn: Peter Hanstein, Verlagsbuchhandlung. Teil 1, 1913, Teil 2, 1916. Literatur- und Quellenverzeichnis Albert, Reinhold: Schlösser und Burgen im Land- Fuchs, Achim: ‚Nordwörter‘ in Südthüringen? kreis Rhön-Grabfeld. [Bad Neustadt:] Kulturagen- Überlegungen zu zwei in Südthüringen seltenen tur des Landkreises Rhön-Grabfeld 2014. Flurnamentypen. In: Meineke, Eckhard; Tiefenbach, Heinrich (Hrsg.): Mikrotoponyme. Jenaer Symposi- Ansorg, Adolf: Das Kreisarchiv Meiningen und on 1. und 2. Oktober 2009. Heidelberg: Universitäts- seine Bestände. Teil 1. [Meiningen] 1971 verlag Winter 2011. S. 55–73.

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56 2) Trentepohlia – Ursache auffallender Farben an Bäumen Helmut Witticke, Schwarzburg

Einleitung Durch das Baumwachstum und die Waldentwick- In den letzten Jahren erregt ein Naturphänomen in lung entstehen riesige Rindenoberflächen, die spe- West- und Mitteleuropa verstärkte Aufmerksamkeit: zielle Habitatstrukturen für Baumbewohner und Zunehmend sind in Wäldern, Parklandschaften und Baumbesucher sind. In unterschiedlichen Höhenla- Gartenanlagen braunrot verfärbte Baumstämme zu gen bieten Rindenoberflächen vielfältigen Epiphyten sehen. Wachstums- und Ausbreitungsflächen, aber auch ge- fährlichen Rindenparasiten entsprechende Angriffs- und Wucherungsmöglichkeiten. Die wichtigsten autotrophen Rindenbewohner ein- heimischer Baum- und Straucharten sind Grünalgen und Flechten; seltener finden sich Moose, die meis- tens im Stammfußbereich vorkommen.

Seit einigen Jahren tauchen bislang nur einigen Spe- zialisten bekannte Grünalgen zunehmend an Felsen und Baumstämmen auf, deren Chlorophyll durch weitere Farbstoffe innerhalb der Zellen, gebildet in ölhaltigen Vakuolen und an Zellmembranen, über- lagert wird. Die normale Grünfärbung der Assimila- tionsorgane wird folglich bei ihnen völlig überdeckt. Somit leuchten diese Algenarten auf ihren Unterla- gen auffällig bunt – meistens rötlich bis mittelbraun, seltener goldgelb oder orange. Diese bunten Algen- Abb. 1: Starker Besatz einer Esche mit Trentepohlia arten zählen zur Gattung Fadenalgen (Trentepohlia).

Als Luftalgen (aerophytische Algen) leben Trentep- ohlia-Arten autotroph in freier Atmosphäre und nehmen Wasser über Regen oder Nebel auf. Sie bedecken als Epiphyten ihre Unterlagen (Felsen, Mauern, Beton- und Holzbauten sowie Rinden von Holzgewächsen) mit zumeist hauchdünnen, seltener mit schwachen filzigen Überzügen, wenn zusagende Feuchtewerte gegeben sind.

Die Gattung Fadenalgen (Trentepohlia) ist mit etwa 60 Arten vorwiegend in den Tropen und Subtropen beheimatet.

Abb 2: Vergrößerte Ansicht des Besatzes

57 Abb. 3: Grünalgenbesatz an einer Rotbuche (Fotos: K.-Fr. Abe)

Zu den in Europa nachgewiesenen Arten zählen: Literatur und weitere Informationen Trentepohlia abietina meist auf Baumrinden zu Trentepohlia: Trentepohlia aurea häufig auf Steinen, Mauern Witticke, H.: und Betonflächen Trentepohlia – nicht nur in Thüringen Auslöser Trentepohlia iolithus bevorzugt auf Felsgestein, auffallender Farben an Bäumen. In: Aus den thü- aber auch an Mauern ringischen Wäldern. Jahresbericht des Thüringer Trentepohlia umbrina auf Baumrinden und an Forstvereins e. V. 2014, Mitteilungen des Thüringer Mauern Forstvereins e. V., 26/2015, S. 76–90.

Neben Trentepohlia-Arten wachsen viele landleben- Prof. Helmut Witticke de Grünalgen als Kompasspflanzen, also als Anzei- Burkersdorfer Straße 42 ger der Wetterseite, auf Felsgestein oder Bäumen. 07427 Schwarzburg Sie benötigen besondere Schutzanpassungen an ihre ephiphytische Lebensweise, vor allem wegen des schwankenden Wasserdargebotes ihrer atmosphäri- schen Umwelt. Die Arten sind empfindlich gegenüber UV-Strah- lung.

Trentepohlia ist eine wichtige Photobionten-Gat- tung für die Flechtenbildung. Ähnlich den Cyano- bakterien („Blaualgen”) gehen ihre Arten mit Pilzen, zumeist aus der Abteilung der Schlauchpilze (Asco- mycota), symbiotische Beziehungen ein und bilden so die eigenartige Gruppe der Flechten.

58 IV. PFLANZEN UND TIERE, BIOTOPE UND LANDSCHAFTEN IM BLICKPUNKT DES ÖFFENTLICHEN INTERESSES Pflanzen und Tiere des Jahres 2016 (Auswahl)

1) Die Sommerdrehwurz (Spiranthes aestivalis (POIR.) RICH.) – Orchidee des Jahres Naturschutzzentrum „Alte Warth“, 36433 Gumpelstadt

Verlandungs- und Hangquellmooren mit einer kurz- rasigen bzw. lichten Vegetation bis in 900 m N.N., in den Südalpen sogar bis 1.500 m N.N. Sie ist auch auf moosigem Tuffgestein oder an sickernassen Hängen zu finden. Zur Begleitvegetation gehören u.a. Davall- Segge, Blutwurz, Sonnentauarten, Torfmoose, Woll- gräser und weitere Süß- bzw. Sauergräser. Merkmale der Sommer-Drehwurz, die bis 30cm hoch werden kann, sind die kleinen, weißen, am Blü- tenstand spiralig angeordneten Blüten. Sie haben der Pflanze den Namen gegeben, ebenso auch die noch verwendeten Bezeichnungen „Wendelorchis bzw. Wendelähre“. Stängel und Blätter sind meist hell- grün, letztere sind lanzettlich, aufrechtstehend und rosettenartig angeordnet. Als Speicherwurzelgeo- phyt verfügt die Pflanze über 2–6 rüben- bis spin- delförmige Speicherwurzeln. Neben der vegetativen Vermehrung durch Teilung derselben verfügt die Art über eine zusätzliche Reproduktionsmöglichkeit durch Bulbillen (Brutknollen) an den Niederblät- tern. Diese können dazu führen, dass sich im Umfeld einer Pflanze mehrere Jungpflanzen ansiedeln. Aus einer Sprossknospe entwickeln sich im Frühsommer die Blätter und Blütenstängel. Blütezeit ist dann An- Typische Gruppenbildung der Sommer-Drehwurz an fang Juli bis Ende August. einem feuchten Standort in Bayern (Foto: F. Rotter) Der Rückgang dieser Orchideenart in Deutschland Die von den Arbeitskreisen Heimische Orchideen (rechnerisch über 80 %) ist dramatisch, wobei die Deutschlands zur Orchidee des Jahres 2016 erklär- veränderten Nutzungsbedingungen durch Intensi- te Sommer-Drehwurz war in Deutschland schon vierung der Weidewirtschaft, Änderung der Was- immer sehr selten. Sie wurde in der Rhön bisher nie serführung, Trockenlegung von Hangmooren sowie nachgewiesen. Die aktuellen Vorkommen befinden auch Verbuschung die Hauptursachen sind. Hinzu sich fast ausnahmslos im Alpenvorland in den Na- kommt offensichtlich auch die Eutrophierung durch turräumen des Salzach-, Inn-Chiemsee-, Ammer- Immissionen (Stickstoffeintrag). In Bayern ist die Loisach- und Westallgäuer Hügellandes. Dort sie- Art bereits stark gefährdet, in Baden-Württemberg delt diese Orchideenart in kalkhaltigen Flach-, Ufer-, vom Aussterben bedroht und in Hessen/Rheinland

59 Die Gattung Spiranthes ist in Europa mit drei Arten vertreten. Neben der Sommer-Drehwurz und der nur auf der Westseite der britischen Inseln vorhandenen Romanzoffs Dreh-Wurz (Spiranthes romanzoffiana CHAM.) kommt in Mitteleuropa noch die Herbst- Drehwurz (Spiranthes spiralis (L.) CHEVALL.) vor (Abb. 2). In ihrem Aussehen ähnelt sie sehr der Or- chidee des Jahres 2016, ist vom Wuchs her etwas kleiner und blüht meist erst in der 2. Augusthälfte. Sie ist auch noch an einigen wenigen Standorten in Thüringen auf durch Schafbeweidung gepflegten Trocken- und Halbtrockenrasen heimisch, wächst Herbst-Drehwurz mit spiralig gedrehtem Blütenstand also nicht in Feuchtbereichen. Die Art ist ebenfalls an einem Standort in Thüringen schon vom Aussterben bedroht. (Foto: E. Biedermann) Nach BRÜCKNER (1841) sind aus dem 19. Jahr- Pfalz ausgestorben bzw. verschollen, in den anderen hundert noch drei regionale Fundorte überliefert – Bundesländern fehlt sie ohnehin. Durch Flächenkauf bei , und am Schönsee des AHO Bayern und konsequente Schutz- und Pfle- bei Urnshausen. Für die thüringische Rhön gibt es gebemühungen wird versucht, die noch vorhandenen derzeit keinen aktuellen Nachweis für die Herbst- Vorkommen zu erhalten. Drehwurz.

2) Der Wiesen-Kümmel (Carum cárvi L.) – Arzneipflanze des Jahres Naturschutzzentrum „Alte Warth“, 36433 Gumpelstadt

Viele lieben ihn, manche mögen ihn gar nicht, den Wiesen-Kümmel oder Echten Kümmel, der in fast jedem Haushalt im Gewürzregal steht, ob in Pulver- form oder als Früchte. Es handelt sich also um eine fast alltägliche Pflanze, die es aber in sich hat. Der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arznei pflanzenkunde Würzburg möchte mit der Wahl des Wiesen-Kümmels seine wissenschaft- liche Bedeutung vor allem als Arzneipflanze stärker ins Bewusstsein rücken. Es soll damit auch gezeigt werden, dass es Arzneimittel gibt, die synthetischen Medikamenten durchaus ebenbürtig sind und größ- tenteils auch weniger Nebenwirkungen haben. Der Kümmel ist aber zuallererst ein weithin beliebtes Gewürz – so in Backwaren oder Käsespezialitäten enthalten, in mehreren Regionen Thüringens, vor al- Der Wiesenkümmel ist eine alte Arzneipflanze, die lem nördlich des Rennsteiges, auch in der Bratwurst auch im eigenen Garten angebaut werden kann. oder im Gehackten. In verschiedenen „schweren“ (Foto: H. Zell)

60 Früchte des Wiesen-Kümmels (Foto: E. Biedermann) Blütenstand des Wiesen-Kümmels (Foto: H. Zell)

Kartoffel- und Krautgerichten bzw. Eintöpfen ver- Die zweijährige bis ein Meter hohe Pflanze aus der bessert er den Geschmack und trägt auch wesentlich Familie der Doldengewächse (Apiaceae, früher Um- zu deren besseren Verträglichkeit bei. Ganze Früchte belliferae) treibt im 2. Vegetationsjahr aus der möh- im Brot sind sicherlich etwas für Kümmelliebhaber. renartigen und auch danach riechenden Wurzel einen aufrecht kantigen Stängel mit fiederteiligen Bekannt sind auch Spirituosen und Liköre wie Blättern. Die Blütenstände sind mittelgroße zusam- „Aquavit“, „Bommerlunder“, „Kieler Sprotte“ oder mengesetzte Dolden mit weißen bis rötlichen Blüten, der „Rhön-Räuber“, ein mit Rum und Kümmel ver- die von Fliegen und Käfern bestäubt werden. Bei der feinerter Kräuterlikör. Frucht handelt es sich um eine Spaltfrucht, die bei Der Kümmel ist eine der ältesten Gewürz- und Heil- der Reife in die beiden Teilfrüchte zerfällt. pflanzen. Funde in Pfahlbauten belegen, dass dieses Die wildwachsende Pflanze kommt auf frischen, Gewürz bereits in vorgeschichtlicher Zeit verwendet mäßig intensiv genutzten Wiesen, Magerrasen oder wurde. Feldrainen vor. In der thüringischen Rhön gehört die Als eine in nördlichen Regionen beheimatete Pflan- Arzneipflanze des Jahres 2016 zum Arteninventar ze war der Wiesen-Kümmel den Ärzten der Antike und ist fast überall verbreitet. Beim Anbau in Kultu- nicht so geläufig. Wohl deshalb geben die Ärzte und ren (in Deutschland auf ca. 450 ha) erfolgt die Ernte Botaniker des Mittelalters dem Kümmel in ihren vor der Vollreife in den Monaten Juni und Juli, wo- Schriften auch nur wenig Raum, wenn, dann aller- durch ein Abfallen der Früchte verhindert wird. In dings als Mittel gegen Magenbeschwerden. dieser Zeit ist auch der Gehalt an ätherischem Öl am Im Mittelmeergebiet stand mehr der dort vorkom- höchsten. Die Trocknung erfolgt unter warmen, luf- mende Kreuz-Kümmel (Cuminum cynimum) im tigen Bedingungen. Mittelpunkt und fand seine Verwendung, wobei Die Kümmelfrüchte enthalten 3 bis 7 % ätherisches wahrscheinlich auch der in Mitteleuropa wachsen- Öl, dessen Hauptwirkstoffe Carvon und Limonen de Wiesen-Kümmel (Carum cárvi L.) damit einge- sind. Der charakteristische Geruch stammt vom schlossen war. Carvon, einem Monoterpen-Keton. In der Landesgüterverordnung, dem „Capitulare de villis“ Karl des Großen von 812 n. Ch. sind der Wie- Das ätherische Öl wird aus den Früchten durch sen-Kümmel unter dem Synonym lat. careium und Wasserdampfdestillation gewonnen und besteht zu der Kreuz-Kümmel unter lat. ciminum aufgeführt. etwa 60 % aus Carvon. Es wirkt im Magen-Darm- Der Echte Kümmel wurde früher vor allem als Ge- Trakt krampflösend und regt die Bildung der Ma- würz in den Gärten, später dann aber auch in Kultu- gen- und Gallensaftsekretion an und fördert somit ren angebaut. den Appetit. Er besitzt somit eine blähungsvertrei-

61 bende, appetitanregende und verdauungsfördernde liche Problem. Heute wird es u. a. als Nahrungser- Wirkung eine Rolle. Das Kümmelöl wirkt selektiv gänzungsmittel bei allergischen Erkrankungen wie auf das Wachstum pathogener Keime, ohne dass es z. B. Heuschnupfen eingesetzt. zu negativen Effekten auf die erwünschte und erfor- derliche Darmflora (z. B. Lactobazillen, Bifidobakte- Bemerkenswert ist auch, dass der Kümmel nicht nur rien) kommt. von Menschen geschätzt wird. Das Weidevieh soll Kümmel ist vor allem Bestandteil von Teemischun- sich den Kümmel geradezu heraussuchen. Auch zur gen. Aufgrund der antimikrobiellen Wirkung wird Förderung der Milchsekretion bei Kühen und Scha- das ätherische Öl auch Mundspülungen und Zahn- fen bzw. zur Beschleunigung der Mast, wurde Küm- pasten zugesetzt. mel in manchen Gegenden dem Futter zugesetzt. Kümmel regt den Appetit eben auch beim Vieh an. Der Wiesen-Kümmel darf nicht mit dem Echten Auch wenn der Wiesen-Kümmel eine einheimische Schwarzkümmel (Nigella sativa), einem Hahnen- Pflanze ist und auf vielen Wiesen gedeiht, müssen fußgewächs verwechselt werden, denn dieser wächst unerfahrene Personen vor dem Sammeln gewarnt nur in Westasien, Nordafrika und Südeuropa. Die werden. Es gibt ganz ähnliche Doldenblütler, die sehr Früchte sehen denen vom Sesam zum Verwechseln giftig sind, u. a. die Hundspetersilie (Aethusa cynapi- ähnlich. Schwarzkümmelöl hat historisch bedingt um); auch der sehr giftige Gefleckte Schierling (Coni- den Ruf eines Allheilmittels gegen jedes gesundheit- um maculatum) ist ebenfalls ein Doldenblütler.

3) Die Winterlinde (Tilia cordata Mill.) – Baum des Jahres Karl-Friedrich Grob, Kaltennordheim

Die Gattung Tilia (Linden) zählt in der pflanzensys- Die Blätter der Winterlinde haben feine Härchen in tematischen Zuordnung zur Familie der Lindenge- den Blattachseln, die braun gefärbt sind. Bei der Som- wächse (Tiliaceae) in der Ordnung der Malvenartigen merlinde sind diese hell. Man kann sich das mit fol- (Malvaceae) und ist mit etwa 50 Arten auf der Nord- gendem Vergleich merken: Im Mittelalter zogen die halbkugel der Erde verbreitet. In Mitteleuropa trifft jungen Mädchen im Frühling und Sommer helle Klei- man in der Regel drei Arten an: Sommer-, die Winter- der an. Helle Behaarung der Blattachseln bedeutet und die Silberlinde. Sommer- und Winterlinde sind deshalb: Sommerlinde. so nahe verwandt, dass sie auch Bastarde miteinander bilden. Diese genetische Verbindung wird als Hollän- Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal sind die Ver- dische Linde (Tilia x europaea) bezeichnet. breitungsgebiete unserer Linden. Die Winterlinde ist Während die ersten beiden Arten als einheimisch gel- weiter im Norden und Osten Europas bis Sibirien zu ten, ist die Silberlinde ein Baum Südeuropas und bei finden, während die Sommerlinde hauptsächlich in uns nur als Zier- und Alleebaum verbreitet. Insgesamt Mittel- und Südeuropa bis Anatolien verbreitet ist. In sind in Europa fünf Arten von Linden zu finden. der Beschaffenheit des Holzes unterscheiden sich die Die Winterlinde unterscheidet sich von ihrer nahen beiden Lindenarten nur wenig. Das Holz der Winter- Verwandten, der Sommerlinde, durch ihren etwas linde ist etwas härter und biegsamer als das der Som- späteren Blühzeitpunkt, ihre kleineren Blätter und merlinde, schwindet aber bei der Trocknung stärker. durch ihren Blütenstand mit fünf bis elf Einzelblüten (Sommerlinde nur 3 bis 5) sowie die größere Frostre- Die nach der Blüte (Juni/Juli) im September erschei- sistenz. Allerdings steigt die Sommerlinde in den Al- nenden Früchte sind kleine Nüsschen, die dank eines pen höher als ihre Verwandte. Blattes gute Flugeigenschaften haben und sich wie

62 ein Hubschrauberrotor durch die Luft bewegen. Die In ihren ökologischen Ansprüchen ist die Winter- Früchte werden infolge dieser Eigenschaft weit von linde an die sommerwarmes Klima bevorzugenden ihrem Mutterbaum fortgetragen, ermöglichen der Traubeneichen-Hainbuchenwälder gebunden. Auch Linde eine schnelle Verbreitung und können somit in den bodensauren Eichen-Birken-Kiefern-Misch- freie Stellen im Wald schnell besiedeln. Die Samen wäldern ist sie als Nebenbaumart zu finden. Lin- sind ölhaltig. Die zwittrigen Lindenblüten werden denlaub hat aufgrund seiner leichten Verwitterbar- von Insekten, hauptsächlich Bienen, bestäubt. Lin- keit gute düngende Effekte auf den Waldboden und denblätter sind Futterobjekte für die Raupen des drückt unter anderem die hohe ökologische Wertig- Lindenschwärmers (Mimas tiliae) und Marienkäfer keit der Winterlinde aus. Die Winterlinde ist Schat- verzehren die auf den Blättern beheimateten Blatt- ten ertragend und deshalb gut als Mischbaumart ge- läuse. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass eignet. die männlichen Blütenteile vor den weiblichen er- scheinen. Der Zuckergehalt des Blütennektars liegt Die Lindenarten bildeten zusammen mit Ulmen und bei der Winterlinde über dem der Sommerlinde. Er Eichen die beherrschenden Wälder in der nacheis- schwankt im Tagesverlauf. zeitlichen Wärmezeit vor 6.000–7.000 Jahren, wur- den aber dann von der Buche schrittweise verdrängt. In der maximalen Höhe bleibt die Winterlinde mit Auch am Rand von Blockhalden gedeiht die Linde 25 –30 Metern hinter ihrer „Kollegin“ Sommerlinde noch, wo andere Baumarten wie die Buche keine ge- (40 m) zurück. Sie kann aber eine Dicke von zwei Me- eigneten Verhältnisse mehr vorfinden. tern und ein Alter von tausend Jahren erreichen. Lin- den überdauern manchmal menschliche Siedlungen. Hinsichtlich seiner Struktur und Feuchteverteilung Beispielsweise soll die Hexenlinde im Sauergehäu bei im Stamm zählt Lindenholz zu den Reifholzarten, Klings einst eine Siedlung namens Lindenau, die spä- bei denen zwar ein Kern ausgebildet wird, der sich ter wüst gefallen ist, geziert haben. An ihrem Linden- aber farblich nicht vom so genannten Splintholz un- bestand erkennt man oft heute noch Hofstellen, die in terscheidet. Lindenholz platzt nicht, ist weich, gut der DDR wegen der Grenznähe geschleift wurden. bearbeitbar und deshalb bei Schnitzern und Drechs- lern seit Jahrhunderten sehr begehrt. Seine Rohdich- te beträgt etwa 500 kg/cm3. Viele Renaissancealtäre und Heiligenstatuen bekannter Holzbildhauer wie Veit Stoß und Tilmann Riemenschneider wurden aus Lindenholz gefertigt und auch als Malgrundlage dienten Tafeln aus Lindenholz.

Als Rohstoff für die Herstellung von Holzkohle ist die Linde sehr wertvoll. Das teuerste Sortiment der Holzkohle, das in der ehemaligen Köhlerei „Felda- werk“ bis 1990 in Kaltennordheim hergestellt wur- de, war Holzkohlenstaub aus Lindenholz, der un- ter anderem für die Herstellung von Sprengstoffen (Schwarzpulver), Filtern sowie metallurgischen Pro- dukten verwendet wurde.

Trotzdem haben unsere Linden keine größere forst- Winterlinde, Blätter, Blüten und Früchte. liche Bedeutung als Massenbaumart erlangt. Der (Zeichnung: Dr. F. Müller) Förster nutzt gerne ihre positive Auswirkung auf den

63 Waldboden und bevorzugt sie als dienende Baum- Auch Liederdichter ließen es sich nicht nehmen, die arten bei der Erzeugung astfreier Stämme im Haupt- Linde in poetischer Form zu besingen und auch in bestand aus Buchen und Eichen. Dank ihres guten die weiblichen Vornamen hat der Begriff „Linde“ Ausschlagvermögens waren Linden in der mittelal- Eingang gefunden, was Namen wie Linda, Irmlind, terlichen Niederwaldwirtschaft häufiger vertreten. Gerlinde usw. verdeutlichen. Die Bezeichnung „lind“ soll aus dem germanischen Große Bedeutung haben Linden in der Blütezeit als Sprachraum kommen und so viel wie „weich, ge- Bienenweide. Auch im Hochsommer, wenn die so schmeidig oder beweglich“ heißen. Auch der Begriff genannten Lachniden-Blattläuse Lindenblätter mit „Lindwurm“ für Drachen geht darauf zurück. Ande- „Honigtau“ überziehen, stellen die Bienen daraus den re Herleitungen bezeichnen den Wortstamm „linda“ so genannten Waldhonig her. Wer zu dieser Zeit sein als von dem nordischen Wort für „Binde“ abgeleitet. Auto unter einem Lindenbaum geparkt hat und den Der Begriff „Tilia“ geht auf das griechische „tilos“, das klebrigen Überzug aus Zucker von der Frontscheibe heißt „Faser“, zurück und steht stellvertretend für entfernen musste, weiß davon ein Lied zu singen. den Bastgehalt dieser Bäume. Der Artname (Epi- theton) „cordata“ hat seine Wurzeln im Lateinischen Auch in der Pharmazie finden Teile der Linde Ver- und heißt soviel wie „herzförmig“. wendung. Lindenblütentee wirkt bei grippalen Infek- ten schleimlösend, ist schweißtreibend und krampf- Zusammenfassend ist zu sagen, dass mit der Win- stillend. Im Mittelalter war der Bast, die faserige terlinde ein Baum ausgewählt wurde, der zwar heute Schicht zwischen Holz und Borke am Stamm der keine große forstliche Funktion mehr hat, aber hin- Linde, bei der Verarbeitung zu Textilien und Bind- sichtlich seiner außerforstlichen Eigenschaften, wie fäden von Bedeutung. Die Germanen überzogen ihre seiner ökologischen, pharmazeutischen, kulturellen Schilde mit diesem Bast, dessen Geschmeidigkeit sie und historischen Bedeutung sehr interessant ist und damit vor feindlichen Hieben schützte. eine öffentliche Anerkennung verdient. Übrigens wird die Faser „Jute“ auch aus einer tropi- schen Lindenart hergestellt. Große Bedeutung haben Weiterführende Literatur: die Linden im deutschen Brauchtum. Fast jede Sied- Hecker; Ulrich: BLV Handbuch Bäume und lung hatte einen zentralen Platz mit einer Linde. Un- Sträucher, BLV, 2006 ter der Linde versammelte man sich zu Feierlichkei- ten, hielt Gerichtsverfahren ab, tanzte und junge Paare Laudert Doris: Mythos Baum, BLV-Verlagsgesell- trafen sich hier heimlich. Vielfach wurden die unteren schaft. 1999 Äste im Jugendstadium so geformt, dass sie nach der Seite wuchsen und zu späterer Zeit eine Plattform Linford, Jenny: Bäume erkennen und bestimmen, entstand, in der eine Tanzkapelle Platz nehmen konn- Parragon books ltd., 2007 te. Auch heute noch sind solche Linden zu finden, wie in Kaltennordheim im Schlosshof. H.-J Mette, Korell, U.: Richtzahlen und Tabellen Als Alleebaum war die Winterlinde einst sehr beliebt, für die Forstwirtschaft, DLV Berlin, 1980 was zum Beispiel die Allee an der B 285 bezeugt. Schmidt; Peter, A: Übersicht über die natürlichen Heute zeigt sich aber, dass Linden die Abgasbelas- Waldgesellschaften Deutschlands tung durch den Verkehr nur schwer vertragen. In vielen deutschen Ortsnamen wurde die Linde Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium für verewigt. Auch die Stadt Leipzig führt die Linde in Landwirtschaft, Ernährung und Forsten, Heft 4/95 ihrem Namen. Dieser entstammt dem slawischen „Lipa (Linde)“.

64 4) Der Lilastielige Rötelritterling (Lepista personata) – Pilz des Jahres Peter Bauer, Meiningen, Pilzsachverständiger

Lepista personata wächst meist im Oktober und No- vember, in milden Wintern manchmal später, oft auf Wiesen und Weiden, kann aber auch beispiels- weise in Parks und an Waldrändern vorkommen. Die Bodenarten sind etwa neutral bis überwiegend basenreich. In Deutschland wurden Vorkommen bis knapp 900 m ü. NN nachgewiesen (in Ostdeutsch- land bis 750 m).

In einem umfangreichen chinesischen Pilzbuch aus dem Jahr 2000 (THE MACROFUNGI IN Lilastieliger Rötelritterling. (Foto: Peter Bauer) CHINA) ist der Lilastielige Rötelritterling abgebildet und beschrieben. Eigentlich gilt er als endemisch für Pilz des Jahres ist der Lilastielige Rötelritterling, Europa, d. h. er wächst nur dort und kommt in ver- u. a. auch Maskierter Rötelritterling genannt. Der schiedenen Ländern vor. In Deutschland sind bzw. wissenschaftliche Name Lepista personata wird mit- waren zahlreiche Fundorte vorhanden, insbesondere unter, auch in aktueller Literatur, als Lepista saeva an- in der südlichen Hälfte. Dies trifft auch auf Thüringen gegeben. In Deutschland hat der Pilz seinen Verbrei- sowie das gesamt BR Rhön zu. In den letzten Jahren tungsschwerpunkt und gilt an vielen seiner Standorte habe ich (P. B.) diesen Pilz bis 2013 nicht mehr gese- in Europa als „gefährdet” bis „stark gefährdet”. Nach hen. 2014 fand ich ihn jedoch öfter. Das dargestell- neueren internationalen Grundsätzen besteht deshalb te Foto wurde am 01.11.14 am Rande der Ortschaft für Deutschland innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten Hermannsfeld, MTB 5427/4, aufgenommen. eine besondere Verantwortung für die Erhaltung dieser Art. (Dies trifft ebenfalls auf 18 weitere z. T. Der Pilz ist jung essbar und insbesondere für süßsau- weniger bekannte Pilzarten zu.) Aus diesem Grund re Speisen geeignet. Beim Vorkommen von nur we- wurde er von der DGfM e. V. (Deutsche Gesellschaft nigen Fruchtkörpern sollte er aber geschont werden. für Mykologie) als Pilz des Jahres ausgewählt. So können sich noch Pilzsporen zu einer möglichen Weiterverbreitung bilden. Etwa zwischen 5 cm und 20 cm beträgt der Durch- messer eines Hutes, oft mit eingebogenem Rand. In der Schweiz steht der Lilastielige Rötelritterling Die Oberfläche der Hüte, kahl und glatt, kann ver- in der Positivliste, er darf dort verarbeitet und gehan- schiedenfarbig sein: etwa gelb-, graubraun, mitunter delt werden. dunkler, teilweise fleckig. Die Lamellen, ausgebuch- tet angewachsen, sind weißlich oder leicht graulich, Die schon erwähnte Gefährdung hat verschiedene manchmal mit einem schwach lilafarbigen Schein. Ursachen. Dies sind u. a. intensive Nutzung des Bo- Ein wichtiges Kennzeichen ist die violette Färbung dens, Umbrechen von Wiesen, zu starke Düngung, des derben Stieles, mehr oder weniger ausgeprägt. Gülle, massiver Anbau von Energiepflanzen, Aus- Insgesamt vermittelt das Foto einen guten Eindruck weisung als Bauland. Auf diese Art verlieren viele vom Aussehen. Der Lilastielige Rötelritterling gehört Pilze, Pflanzen und Tiere ihren Lebensraum. Wei- zu den leichter erkennbaren Pilzen. Etwas ähnlich tere Ursachen können denkbar sein. (Bei Pilzen sind sehen insbesondere einige weitere Lepista-Arten aus. außerdem schon lange „Aspekte” bekannt: Manche

65 Arten sieht man jahrelang nicht, dann aber auch zeit- MTB 5328/3, derartiges. Man hätte die Fruchtkör- weise gehäuft). per wohl tonnenweise sammeln können. (In den fol- genden Jahren wurde dort ein Plattenwerk errichtet.) In der Roten Liste Deutschland, Thüringen u. a. ist Ähnliche oder noch größere Vorkommen sind in der der Pilz des Jahres 2016 (noch) nicht enthalten. Wie Literatur angegeben. schon angedeutet, sind jedoch zahlreiche Fundorte „ausgestorben”. Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie e. V. ist an der Mitteilung von aktuellen Vorkommen interes- Vor Jahrzehnten gab es vom Lilastieligen Rötelrit- siert. terling mitunter Massenvorkommen. Am 2. Advent Es bleibt zu hoffen, dass eingeleitete Schutzmaßnah- 1975 sah ich (P. B.) auf einer Wiese bei Walldorf, men erfolgreich sind.

5) Der Stieglitz (Carduelis carduelis) – Vogel des Jahres Jürgen Holzhausen, Weimarschmieden

Der farbenfrohe Stieglitz ist mit seinem schwarz- Distelsamen hat dem Stieglitz auch den Beinamen rot-weißen Kopf und dem auffällig gelben Flügelfeld „Distelfink“ eingebracht (Abb. 1). Aufgrund dieser unverwechselbar und vielen Menschen gut vertraut. vegetarischen Lebensweise sind Stieglitze jedoch auf Sein farbenfrohes Gesicht erinnert so manchen an das zahlreiche Vorkommen von Stauden und Wild- einen Clown. Beim Männchen fällt die Gesichtsmas- kräutern angewiesen. Seine Nahrungsquelle, die sa- ke kräftiger aus als bei den Weibchen. Die überwie- menreichen Wiesenlandschaften und Brachflächen, gend schwarzen Federn ziert ein leuchtend gelbes sind durch Intensivierung in der Landwirtschaft zu- Flügelblatt, das Markenzeichen des Vogels. nehmend verloren gegangen. Der gesellige wie stimmfreudige Singvogel ernährt Der Stieglitz musste deutschlandweit in den letzten sich vor allem von Sämereien verschiedener Kräuter Jahren dramatische Bestandseinbußen hinnehmen. und Sträucher, die er geschickt mit seinem spitzen In der Rhön ist er wegen der Vielzahl von natur- Schnabel sammelt und aufknackt. Seine Vorliebe für nahen Wiesen- und Weideflächen noch häufiger zu

Gekonnt sucht der Stieglitz an einer Distel die Samen. Durch seine Farbgebung unverwechselbar – der Stieglitz. (Zeichnung: Dr. Franz Müller) (Foto: J. Holzhausen)

66 beobachten. Am liebsten lebt der Stieglitz zwischen Im Biosphärenreservat Rhön kann der Stieglitz Obstbäumen oder dort, wo viele Wildkräuter wach- noch regelmäßig in der kalten Jahreszeit beobachtet sen. Weit über hundert Wildkräuter stehen auf sei- werden. Wie eine Vielzahl anderer Singvögel profi- nem Speiseplan. tiert er von naturnah bewirtschafteten Wiesen und Feldern, wie sie in der Rhön noch vielerorts zu fin- Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Westeu- den sind. ropa über Sibirien, Nordafrika, Asien, Amerika und Auch in siedlungsnahen Gärten werden die geselli- Australien, sogar in Neuseeland und auf den Inseln gen Tiere oftmals gesehen, sofern sie dort Nahrung Ozeaniens fühlt sich der Stieglitz zu Hause. Wenn finden. Hier kann man durch die gezielte Aussaat die Winter streng sind, der Schnee zu hoch und der von Wildblumen und samentragender Kräuter so- Wind zu kalt, verabschiedet er sich in angenehme- wie dem Zulassen von „wilden Stellen“ gezielt dem re Gefilde. In milderen Regionen hingegen harrt er Stieglitz und anderen Singvögeln helfen. auch in kälteren Monaten aus.

6) Der Stachelbeerspanner (Abraxas grossulariata Linnaeus, 1758) – Schmetterling des Jahres Naturschutzzentrum „Alte Warth“, 36433 Gumpelstadt

Der Trend einer zunehmenden Gefährdung der Die BUND NRW Naturschutzstiftung hat in Ab- Spannerartigen Nachtfalter (Geometridae) hält wei- stimmung mit der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch- ter an. Auch die Bestandsentwicklung von Abraxas Westfälischer Lepidopterologen die Nachtfalterart grossulariata ist in allen Landesteilen rückläufig. Da Abraxas grossulariata zum Schmetterling des Jahres die Art gebietsweise sehr selten geworden ist, wurde 2016 auserkoren. sie in Thüringen in die Stufe 2 der Roten Liste auf- genommen und gilt somit als stark gefährdet. In der Durch seine Wahl soll auf die gegenwärtige Be- erweiterten Neubearbeitung der Roten Liste der standssituation eines Großteils unserer heimischen Bundesrepublik steht sie in der Vorwarnliste. Nachtfalter aufmerksam gemacht werden – denn von den 3.300 in Deutschland heimischen Arten sind mehr als 50 % als gefährdet bzw. bedroht eingestuft. In Thüringen sind von 353 Spannerarten 120 in der Roten Liste enthalten. Wie alle anderen Schmetterlingsarten sind auch die Spanner eng an ihre Nahrungspflanzen, bestimm- te Habitatstrukturen, Standortgegebenheiten und an das jeweilige Standortklima gebunden. Der in den letzten 100 Jahren stattgefundene dramatische Rückgang vieler Spannerarten ist zum einen zurück- zuführen auf die Veränderung der Landschaften (z. B. Ausdehnung von Siedlungsräumen, Entwässe- rung feuchter Standorte, Begradigung von Fließge- wässern, Verlust von Auenwäldern und Ufergehölzen) Stachelbeer-Spanner – Imago und zum anderen auf sich verändernde Nutzungswei- (Foto: L. Hlásek / BUND) sen der Landschaft (z. B. Umwandlung naturnaher

67 Raupe vom Stachelbeer-Spanner Puppe vom Stachelbeer-Spanner (Foto: P. Buchner / BUND) (Foto: S. Kahlcke / BUND)

Wälder in Nadelholzforste, Intensivierung der Land- der Mensch ästhetisch – sie sind das Symbol aller wirtschaft, Nutzungsauflassung von „Grenzertrags- Schmetterlinge. Daneben gibt es die weitaus arten- standorten“, Verlust von Obstgehölzen, verstärkte reicheren Familien der „Nachtfalter“ und die der so- Freizeitnutzung). Diese Veränderungen führten zu genannten „Kleinschmetterlinge“, die oft aus kleinen einer Verarmung der natürlichen und naturnahen und winzigen Arten bestehen. Diese überwiegend Lebensgemeinschaften. Der Anteil der Spezialisten unauffälligen dämmerungs- und nachtaktiven Tiere nimmt ab und der Anteil der Ubiquisten und Gene- – eine große Zahl fliegt auch am Tage im Sonnen- ralisten (Allerweltsarten) zu. Somit verschärft sich schein – werden allgemein abwertend als „Motten“ für die verbliebenen Spezialisten die Konkurrenz um bezeichnet. Auch die Annahme, dass diese dunkel Ressourcen. und monoton gefärbt sind, stimmt nicht. Erst beim Schmetterlinge haben mit allen anderen Insekten- genaueren Hinsehen wird das Ornamentale, die arten einige Hauptmerkmale gemeinsam: sechs Formschönheit der Flügel, die unfassbare Vielfalt der Beine, ein Paar Antennen und ein in drei Abschnit- ineinandergreifenden Muster, Feinlinien und Zeich- te – Kopf, Brustteil und Hinterleib – gegliederten nungen sowie die Fülle der Farben, Farbverläufe und Körper. Bisher sind ca. 150.000 Arten entdeckt und pastellartigen Tönungen augenscheinlich. beschriebenen worden. Sie alle gehören zur Ordnung Abraxas grossulariata – Stachelbeerspanner, auch Sta- Lepidoptera (Schuppenflügler) und diese ist nach den chelbeer-Harlekin oder einfach Harlekin genannt – Käfern die artenreichste im Insektenreich. In der ist eine Art aus der Familie der Geometridae (Span- Insektenwelt nehmen die Schmetterlinge mit ihren ner). Sie zählt zu den drei größten Schmetterlings- prachtvollen Farben und der Vollendung der Formen familien der Erde mit ungefähr 20.000 bekannten einen ganz besonderen Platz ein. Aber nicht nur die Arten. Für Deutschland sind 431 Spanner-Arten Schönheit der Tiere, sondern auch der bewunderns- aufgeführt. werte Prozess der Verwandlung, welcher aus einer Woher kommt der deutsche Familienname „Span- Raupe einen Falter werden lässt, hat den Menschen ner“? Durch Reduktion der Bauchfüße (es fehlen die schon früh dazu veranlasst, sich mit dieser Tiergrup- ersten drei Paare, nur das vierte an Segment VI ist er- pe zu beschäftigen. halten geblieben) ist jene eigenartige Fortbewegungs- weise der Raupen entstanden, die „spannen“ genannt Die bekannten „Tagfalter“, die überwiegend auffal- wird. Dabei krallt sich das Tier mit den Brustbeinen lend bunt gefärbt und tagaktiv sind, findet fast je- fest und setzt dann die Nachschieber (das Fußpaar

68 am Analende) unmittelbar hinter die Brustbeine, so Schlehe dürfte hier die wichtigste Nahrungspflanze dass der beinlose Leib stark nach oben gekrümmt ist. sein. Dies gilt auch für die Wilde Stachelbeere, wel- Die Verankerung der Brustbeine wird gelöst und die che auf Steinriegeln vorkommen kann. Als Kulturfol- Raupe streckt sich nach vorne, um sich erneut festzu- ger ist die Art schon frühzeitig in die Siedlungen vor- klammern. gedrungen, wo in den Gärten häufig die Stachelbeere Das Gesamtverbreitungsgebiet von Abraxas grossulari- sowie die Rote und Schwarze Johannisbeere kulti- ata erstreckt sich von der Iberischen Halbinsel durch viert wurden. Bei gehäuftem Auftreten verursachten ganz Europa bis Zentral- und Ostasien. Die Südgren- die Raupen durch Kahlfraß erheblichen Schaden an ze zieht sich vom nördlichen Mittelmeerraum über den Beerensträuchern in Gärten und Obstplantagen. den Balkan und Kleinasien bis zum Armenischen Durch die Bekämpfung mit Insektiziden und dem Hochland hin. Im Norden reicht es bis Mittelskandi- weitgehenden Verlust von Beerenobst in den Gärten navien. In Deutschland kommt er in allen Höhenbe- der Städte und Dörfer wurde die Art weitgehend aus reichen von der planaren bis zur montanen Stufe vor, den Siedlungsräumen verdrängt. Heute sind die Rau- mit Schwerpunkt in den unteren Lagen und im Hü- pen hier nur noch selten anzutreffen und werden oft gelland. Die um das Jahr 1900 noch „überall häufige“ mit der Larve der Stachelbeerblattwespe verwechselt. und manchmal „massenhaft“ auftretende Art ist heute Die ersten Falter erscheinen im Juni und das Maxi- selten geworden. Aus vielen Gebieten ist sie sogar völ- mum wird im Monat Juli erreicht. Im August geht lig verschwunden. dann die Flugzeit zu Ende. Die Tiere, die überwiegend Mit einer Körperlänge von 20 mm und einer Flügel- nachtaktiv sind, nehmen keine Nahrung auf. Tagsüber spannweite von 40 mm gehört der Stachelbeer-Span- ruhen sie mit ausgebreiteten Flügeln auf den Blättern ner zu den mittelgroßen Arten der Familie. Er ist eine von Sträuchern. Bei Annäherung und Störung fliegen auffällige und unverwechselbare Erscheinung. Die bei- sie leicht ab – aber nur bis zum nächsten Strauch, um den dottergelben, mit schwarzen Punkten und Stri- sich sogleich wieder niederzulassen. Trotz ihrer auf- chen eingefassten Flügelbinden, die schwarzen Fle- fallenden Färbung werden die Tiere kaum von Vögeln cken am Vorderrand des Mittelfeldes und am Saum verfolgt, denn die auf der Oberseite von grünen Blät- heben sich kontrastreich vom weißen Grund der Vor- tern ruhenden Falter erinnern an Vogelkot. Packt ein derflügel ab. Auf den weißen Hinterflügeln findet sich Vogel dennoch einen Falter, sondert dieser ein übel- eine Reihe schwarzer Punkte hinter der Mitte und am schmeckendes Sekret ab und er wird augenblicklich Saum. Der orange gefärbte Körper mit einer schwar- losgelassen. Auch besitzen sie wie alle Spannerarten zen Punktreihe auf der Oberseite wirkt im Vergleich ein paariges Gehörorgan. Mit ihm können sie die Ult- zur Flügelfläche eher schlank. Diese Verschiebung der raschalltöne ihrer ärgsten nächtlichen Fressfeinde, der Proportionen zugunsten der Flügel ist die Ursache des Fledermäuse, wahrnehmen und vor ihnen flüchten. mehr flatternden Fluges der Imagines. Mit einbrechender Dunkelheit beginnen die Falter Die Art ist ein typischer Bewohner der Auenwälder ihren taumelnden Flug, bei denen die Männchen die und feuchter Niederungswälder (Erlenbruchwälder), Weibchen aufsuchen. Ist das Weibchen befruchtet, in deren Strauchschicht häufig Traubenkirsche, Ho- legt es im August die blass- bis strohgelben ovalen lunder, Hasel, Pfaffenhütchen und Heckenkirsche Eier in kleinen Gruppen auf der Unterseite der Blät- vorkommen. Auch die schattigen Waldsäume mit ter ab. Etwa zwei Wochen später schlüpfen die kleinen Traubenkirsche, Schlehe, Roten Hartriegel und Wei- Raupen. Sie sind noch sehr zart und von weißlich bis denarten sowie Gehölzstreifen an Ufern werden gerne aschgrauer Färbung mit dunkelgrauen Punktreihen. besiedelt. Die meisten der genannten Sträucher zählen Durch intensive Nahrungsaufnahme wachsen sie sehr zu den Nahrungspflanzen der Raupen. schnell heran und nach ein bis zwei Häutungen wird Ein weiterer Besiedlungsschwerpunkt sind hecken- im Herbst ein lockeres Gespinst angelegt, in dem sie und gebüschreiche Trockenhänge in Gebieten mit überwintern. Aus dem „Winterschlaf“ erwacht, su- Kalkgesteinen (Muschelkalk, Keuper, Zechstein). Die chen sie die Nahrungspflanzen auf, wo sie sich von

69 Knospen und jungen Blättern ernähren. Die Raupen noch weichen Flügeln aus der Hülle heraus. Nun wird liefern uns ein Beispiel von Farbgleichheit zwischen Körperflüssigkeit in die Flügeladern gepresst, wo- Larve und Imago, dem geschlechtsreifen Insekt. Sie ist durch sie sich entfalten und erhärten. Mit den ersten in gleicher Weise schwarzfleckig, oberseits auf weißem Flugversuchen beginnt dann ein neuer Lebenszyklus. und am Bauche auf dottergelbem Untergrund und Ein wirksamer Schutz dieses schönen heimischen beiderseits mit breiter orangeroter Seitenlinie. Auch Spanners – und selbstverständlich auch aller anderen sie wird wegen ihrer auffälligen Färbung von Vögeln gefährdeten Nachtfalterarten – ist nur durch konse- gemieden. quenten Erhalt und Schutz der ihnen zusagenden Le- Die Raupen, die bis Ende Mai erwachsen sind, stel- bensräume möglich. Dort, wo noch naturnahe Auen- len ihre Nahrungsaufnahme ein und beginnen mit wälder, Sumpf- und Feuchtwälder sowie Ufergehölze der Anfertigung ihrer „Puppenwiege“. Mit dem von an Fließ- und Standgewässern vorkommen, sind diese der Spinndrüse abgesonderten Sekret, das an der Luft zu erhalten. Hecken- und gebüschreiche Magerrasen zu einem Seidenfaden erstarrt, wird ein lockeres Ge- sind unter Schutz zu stellen, in „historischer“ Weise spinst an Blättern oder Zweigen der Nahrungspflan- extensiv zu nutzen bzw. zu pflegen. Darüber hinaus zen angelegt. Hier ruht dann die schwarze, an den sind „ausgeräumte“ Landschaften wieder mit Struk- Segmenteinschnitten gelb gefärbte Puppe wie in einer turelementen wie z. B. Hecken, Gehölzinseln und Hängematte. Saumstrukturen zu beleben und Fließgewässer mög- In der Puppe finden nun fundamentale Veränderun- lichst naturnah zu gestalten – im Sinne eines Lebens- gen statt, die zur Bildung des Schmetterlings führen raumverbundes. Aber auch in den Siedlungsräumen und Metamorphose genannt wird. Dabei werden die kann jeder seinen Beitrag leisten – derjenige, der einen Raupenorgane ab- und die künftigen Falterorgane auf- Garten mit Beerensträuchern besitzt, auf die Anwen- gebaut. Ist die Verwandlung abgeschlossen, reißt die dung von Insektiziden verzichtet und genügend Tole- Puppenhülle auf und der Schmetterling klettert mit ranz für wildlebende Tierarten zeigt.

7) Der Feldhamster (Cricetus cricetus) – Wildtier des Jahres WALTER ULOTH, Seeba

Zu den Nachschlagewerken, die offensichtlich in Heißt es doch u. a.: „In Zoos bekommt man am Vergessenheit geraten sind, zählt u. a. auch das von häufigsten den Gold- und Feldhamster sowie den M. Schröpel & N. Neuschulz verfasste und von Roborowski- und Dsungarischen Zwerghamster zu W. Puschmann im damaligen VEB Bibliographi- sehen.“ sches Institut Leipzig (1. Auflage 1989) herausgege- bene BI-Lexikon Zootiere. Dort kann man unter den Gold- und Zwerghamster sind beliebte Heimtiere. Stichwörtern Feldhamster, Cricetus cricetus, größte Auch diese Heimtiere haben wesentlich zur Volks- Hamsterart), Hamster (Gattungsgruppe Cricetini), tümlichkeit beigetragen, zumal der Feldhamster Wühler (Cricetidae, etwa 2000 Arten umfassende trotz seines riesigen Verbreitungsgebietes (gesam- Familie der Mäuseverwandten) und Mäuseverwand- te gemäßigte Breiten Eurasiens zwischen Rhein in te (Myomorpha, sehr arten- und formenreiche Un- Westeuropa und Jenissej im Osten) nicht flächende- terordnung der Nagetiere) die wesentlichen biologi- ckend vorkommt (Monecke, 2015). schen Charakteristika dieser Vertreter der Nagetiere Weil der dramatische Rückgang des Feldhamsters (Rodentia), mit fast 3.000 Arten größte Ordnung der offensichtlich andere Ursachen hat als bisher ange- Säugetiere, nachlesen. Eine Sicht, die auch auf eine nommen, wurde er nach 1996 nun für dieses Jahr mögliche Heimtierhaltung abzielt. wieder Wildtier des Jahres.

70 Die Fellfärbung kann variieren. Am häufigsten findet Es gibt aber auch fast schwarze Hamster (melanistische man Hamster mit dieser Färbung. Hamster). (Fotos: R. Werner, †)

Lux & Görner (2009) zufolge ist das Thüringer Wir können auf die wissenschaftlichen Auseinander- Hamster-Areal seit den 1930er Jahren um etwa setzungen gespannt sein. Aber in einem Punkt, einer 64 % geschrumpft und beschränkt sich, mit geringen Forderung der Verfasserin an die IUCN (Internatio- Dichten, ausschließlich auf das innerthüringische nale Naturschutzunion), dürfen wir ohne Bedenken Ackerhügelland (seit längerem behaftet mit Ausdün- zustimmen: Hochstufung des Feldhamsters auf der nung und Verinselung der Populationen). Roten Liste der IUCN von „ungefährdet“ auf „stark gefährdet“. Ließen sich für erwachsene Weibchen noch im 20. Jahrhundert jährlich bis zu drei Würfe mit durch- Literatur: schnittlich 6–10 Jungen nachweisen, werden derzeit Lux, E. & M. Görner (2009): Feldhamster (Cricetus für Mitteleuropa maximal nur noch 2 Würfe pro Jahr cricetus).-In: Görner, M. (Hrsg.): Atlas der Säuge- mit nur 2–5 Jungtieren angegeben. Monecke (2015) tiere Thüringens, Jena, 164-65 fasst in einem verständlichen Übersichtsartikel die wesentlichen Erkenntnisse eines noch unveröffent- Monecke, S. (2015): Wie ist der Feldhamster (Crice- lichten, umfangreichen Literaturreviews (Surow u. tus cricetus) in Eurasien zu erhalten? -Säugetierkund- a., in Vorb.) zusammen. Schlagwortartig aufgelistet liche Informationen, Jena 10, Heft 50, 23–34 heißt das nach ihren Worten, dass • der Rückgang des r-Strategen Feldhamster nicht nur für Westeuropa, sondern für das gesamte Verbreitungsareal zutrifft, • die hauptursächliche und immer wieder publi- zierte Rolle der modernen Landwirtschaft beim Hamsterrückgang nicht nachgewiesen ist, • nicht die Mortalitätsrate des Feldhamster angestiegen, sondern seine Reproduktionsrate drastisch gesunken ist.

71 8) Die Konusspinne oder Konische Kreisspinne (Cyclosa conica PALLAS, 1772) – Spinne des Jahres Naturschutzzentrum „Alte Warth“, 36433 Gumpelstadt

Klimazonen. Offenbar ist sie hinsichtlich des Klimas sehr anpassungsfähig. Körperbau und Färbung sind sehr auffällig. Auf- grund ihrer geringen Größe, ihrer hervorragenden Tarnung und des speziellen Lebensraumes wird die Art trotzdem kaum bemerkt. Die Körperlänge des Spinnenweibchens liegt zwischen 6 und 8 mm, die Männchen sind mit 4 bis 4,5 mm um einiges klei- ner. Die Art zeigt also einen ausgesprochenen Ge- schlechtsdimorphismius.

Ihre braun-graue Färbung mit weißen Flecken und ihre schwarz-braun geringelten Beinen lassen sie fast unsichtbar werden. Der Name ist von einem auffälligen Höcker am Hin- terleib des Weibchens abgeleitet, der wie ein Konus geformt ist. Bei den viel kleineren Männchen ist die- ser typische Höcker nur schwach ausgeprägt. Die Hinterleibsspitze ist immer deutlich über die Spinn- warzen hinaus verlängert. Die Färbung und Zeichnung der Individuen sind au- ßerordentlich variabel. Der Hinterleib ist grau, braun Weibchen der Konusspinne (Foto: W. Pfliegler) oder rötlich, manchmal fast einheitlich schwarz, meist aber mehr oder weniger ausgedehnt weiß ge- Gewählt wurde die „Europäische Spinne des Jahres“ zeichnet. Die Beine sind rötlich-braun oder blass- von 78 Arachnologen aus 26 europäischen Ländern. braun und dunkel geringelt. Der Rückenschild des Die Koordination der Wahl liegt beim Naturhisto- Vorderleibes ist meist hoch gewölbt, schwarz oder rischen Museum Wien, in Zusammenarbeit mit der dunkelbraun glänzend und normalerweise von den Arachnologischen Gesellschaft und der European angezogenen Beinen verdeckt. Society of Arachnology. Die Konusspinne ist wegen ihres besonderen Netzes „leicht“ zu entdecken und Die Konusspinne besiedelt gerne junge und recht durch die Höckerform ihres Hinterleibes gut von dunkle Nadelholzbestände, wo das Netz an den unte- anderen Spinnen zu unterscheiden. Dies war einer ren, trockenen Ästen und Zweigen befestigt wird. von vielen Gründen, warum sie zur Spinne des Jahres 2016 erkoren wurde. Sie ist aber auch an sonnigen Waldwegen und an Laubbäumen und auf Trockenrasen zu finden. Adul- In Deutschland wird die Art aus der Familie der te Tiere kann man etwa von März/April bis August, Echten Radnetzspinnen als „ungefährdet“ eingestuft. maximal bis Oktober entdecken. Ihr regelmäßiges, Sie ist in Mitteleuropa weit verbreitet und häufig. Ihr sehr feinmaschiges, kreisförmiges Netz (daher auch Territorium umfasst die arktischen bis subtropischen der Gattungsname Kreisspinne) webt sie senkrecht

72 Der Übergangsbereich von Magerrasen zu dichtem Fichtenbestand ist einer von vielen Lebensräumen der Spinne des Jahres 2016. (Foto: E. Biedermann) in 1 bis 2 m Höhe über dem Boden. In der Mitte befinden sich über und unter der Nabe häufig zwei jeweils etwa 2 cm lange, dichte Gespinststreifen, in welche die Spinne Beutereste einwebt. Sie selbst sitzt, mit dem Kopf nach unten, in der Mitte und ist zwi- Weibchen der Konusspinne in Ruhestellung im Netz. schen den Beuteresten zusätzlich getarnt. Bei Stö- Unterhalb der Spinne sind zahlreiche Beutereste im rungen lässt sie sich einfach fallen oder versetzt das Netz gelagert. (Foto: (R. Altenkamp, Berlin) Netz in schnelle, zitternde Bewegungen, so dass ihre Umrisse verschwinden. Sie ist dann somit für Fress- Die Konusspinne ernährt sich von umherfliegenden feinde nicht mehr zu erkennen. Insekten, die sie in ihrem Netz erbeutet. Dies kön- nen Fliegen, Mücken, Heuschrecken sowie verschie- Die Paarung erfolgt vorwiegend im Mai. Die Eier denste Hautflügler sein. Aber auch Blattläuse wer- legt das Weibchen im Hochsommer an Zweigen den keineswegs verschmäht. in der Nähe ihres Netzes ab und umhüllt sie zum Schutz mit lockeren, goldgelben Fäden. Dieser Ko- Hat sich ein Opfer im Netz verfangen, so spinnt sie kon ist mit einigen Dutzend Eiern gefüllt und wird es mit ihrer Seide ein. Ausgelöst wird dieser Reflex an einer nicht einsehbaren Stelle neben dem Netz an durch die Erschütterungen, die von dem zappelnden Zweigen befestigt. Lebewesen ausgeht.

Auch hier könnte die Konusspinne vorkommen. (Foto: E. Biedermann)

73 9) Die Gemeine Binsenjungfer (Lestes sponsa Hansemann, 1823) – Libelle des Jahres Naturschutzzentrum „Alte Warth“, 36433 Gumpelstadt

Aufgrund ihrer oft engen Habitatbindungen sind vollendetem Geschick in der Nähe von Gewässern, Libellen wichtige Zeigerarten für den qualitativen aber auch weitab davon auf Waldlichtungen, Wald- Zustand unserer Gewässer und Feuchtlebensräu- wegen und selbst in den Straßen der Ortschaften uns me. Einige Arten sind deutlich seltener geworden ihre Flugfertigkeiten darbieten. Leicht dahinfliegend, und diese Verarmung der Libellenfauna ist abzule- ändern sie oft die Flugrichtung, bleiben plötzlich in sen in den Roten Listen der gefährdeten Tierarten. der Luft stehen, um im nächsten Augenblick wie ein So stehen von den 81 in Deutschland nachgewiese- Pfeil davon zu -schießen. Ihre Körpergestalt ist her- nen Arten 49 in der Roten Liste der Bundesrepublik vorragend angepasst an die Jagd nach Beutetieren im Deutschland, davon sind zwei verschollen bzw. aus- Luftraum gestorben. In der Roten Liste Thüringens sind 32 von 62 vorkommenden Libellenarten als gefährdet einge- Mit ihren stark entwickelten und leistungsfähigen stuft bzw. vom Aussterben bedroht. Komplexaugen spüren sie ihre Beute auf. Mit den Die Gemeine Binsenjungfer wurde von der Gesell- kräftigen, flexiblen Flügeln sind sie in der Lage, diese schaft deutschsprachiger Odonatologen (Verband schnell zu verfolgen und präzise Flugmanöver auszu- der Libellenkundler) und dem BUND zur Libelle des führen und mit den nach vorn gerichteten, borsten- Jahres 2016 gewählt (Abb. 1). Mit der Wahl dieser bewehrten Beinen packen sie schließlich ihre Opfer. verbreiteten und häufigen Art soll auf diese attraktive Die kurzen borstigen Fühler sind die Geschwindig- Tiergruppe mit ihrer interessanten Lebensweise auf- keitsmesser und mit den kräftigen bezahnten Kie- merksam gemacht werden. Obwohl nicht in ihrem fern (sie gaben der Ordnung den Namen Odonata = Bestand gefährdet, ist sie wie alle anderen Libellen- die „Gezähnten“) wird die Nahrung zerkaut. arten durch das Bundesnaturschutzgesetz und die Auch sind beide Geschlechter bestens ausgerüstet Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt. für das einzigartige Fortpflanzungsverhalten der Li- bellen. Das Männchen besitzt u. a. eine Art Greif- Welcher aufmerksame Spaziergänger und Natur- zange, mit der das Weibchen während der Paarung freund hat sich nicht schon an diesen schlanken und festgehalten wird. Beim Weibchen befindet sich am farbenprächtigen Tieren erfreut, die elegant und mit Hinterleibsende entweder eine Legescheide, durch welche die Eier ins Wasser abgelegt werden, oder einen Legestachel, um die Eier in Pflanzengewebe einzustechen. Die Libellen entwickeln sich auf dem Wege einer unvollkommenen (hemimetabolen) Ver- wandlung; bei der letzten Häutung entsteht aus der Larve (Nymphe) das fertige geflügelte Insekt. Ein Puppenstadium wie z.B. bei Schmetterlingen und Käfern fehlt bei ihnen.

Die Ordnung Odonata (Libellen, Wasserjungfern) ist mit weltweit fast 5.700 Arten eine nur relativ kleine Tiergruppe innerhalb der Klasse der Insekten. Der überwiegende Teil lebt in den tropischen Gebieten, doch 120 Arten sind auch auf dem europäischen Männchen der Gemeinen Binsenjungfer Kontinent heimisch. Manche haben ein großes Ver- (Foto: Günter J. Loos / BUND) breitungsgebiet, andere bevorzugen nur bestimm-

74 zu finden. Man kann die Art von Mitte Juni bis Mit- te September an ihren jeweiligen Brutgewässern be- obachten. Die Hauptflugzeit fällt in die Monate Juli und August. Die Gemeine Binsenjungfer ist eine relativ kleine und zierliche Libelle. Sie erreicht eine Körperlänge von 35 bis 40 mm und eine Flügelspannweite von etwa 50 mm. Der Körper hat eine grünmetallische Grundfärbung, die beim Weibchen oft kupferfarbig wirkt. Die halbkugeligen Augen der geschlechtsrei- fen Männchen sind tiefblau gefärbt und die Brust ist hellblau bereift. Die Art ist wenig wählerisch bei der Auswahl ihrer Lebensräume. Aufgrund der beachtlichen ökologi- schen Spannbreite – die Laichgewässer können pH- Werte von 3 bis 10 aufweisen – besiedelt sie stehende Gewässer aller Art. Zur Fortpflanzung benötigt sie vor allem lockere bis dichte vertikale Habitatstruk- turen aus Binsen, Simsen, Seggen und Schachtel- halmen. Diese Strukturen sind vor allem an nicht Paarungsrad der Gemeinen Binsenjungfer genutzten Gewässern mit einer breiten Verlandungs- (Foto: Günter J. Loos / BUND) und Röhrichtzone, an extensiv genutzten Fischtei- chen mit zum Teil flach auslaufenden Ufern sowie an te Habitate oder kommen nur in kleinen Gebieten Tümpeln und Gewässern in Nieder- und Zwischen- vor. Unsere heimischen Arten können anhand ihres mooren ausgebildet. Auch Kleingewässer in Abbau- Aussehens und der Körperhaltung leicht den beiden stellen (Kies-, Ton-, Lehm- und Sandgruben) sowie mitteleuropäischen Unterordnungen zugeordnet langsam fließende Bäche ohne turbulente Strömung werden: die kräftig gebauten Tiere mit in Ruhestel- und Gräben mit reichhaltiger Wasservegetation lung seitlich ausgebreiteten Flügeln gehören zu den werden besiedelt. Baggerseen und intensiv genutzte Anisoptera (Großlibellen) und die schlanken mit in Fischteiche mit steilen Ufern sowie stark eutrophe Ruhestellung schräg nach hinten abgespreizten bzw. Gewässer werden dagegen gemieden. Ein winter- über den Hinterleib übereinandergelegten Flügeln zu liches Ablassen der Fischteiche und hochsommer- den Zygoptera (Kleinlibellen). liches Austrocknen wird toleriert, da die Art als Ei Lesta sponsa – mit deutschem Namen Gemeine Bin- überwintert und sich im Frühjahr rasch entwickelt. senjungfer – gehört zur Gattung der Teichjungfern, Nach dem Schlüpfen suchen die unvollständig aus- welche zu den Kleinlibellen zählt. Ihr Verbreitungs- gefärbten Junglibellen entfernt von Gewässern nach gebiet erstreckt sich von West- über Mitteleuropa Nahrung. In dieser Reifungsphase nehmen sie an Ge- durch Asien bis nach Japan. Im Norden Europas wicht zu, färben aus und kehren als geschlechtsreife verläuft die Arealgrenze durch Mittelskandinavien, Tiere an die Gewässer zurück. Hier sitzen die Männ- während der südeuropäische Raum nur lückenhaft chen gerne am Ufer auf einer erhöhten Warte mit gu- besiedelt wird. In Deutschland ist die verbreitete Art ter Rundumsicht. Die weiblichen Tiere kommen nur von den Ebenen bis zur montanen Stufe anzutreffen, zur Paarung und Eiablage ans Wasser, da sie sonst mit Schwerpunkt in den unteren und mittleren La- von paarungsbereiten Männchen zu sehr bedrängt gen bis 500 m NN. Auch in Thüringen ist sie überall werden. Die Imagines ernähren sich hauptsächlich häufig und in allen Naturräumen und Landkreisen von kleinen Insekten wie z. B. Mücken, Eintagsflie-

75 gen, Kleinschmetterlingen und Blattläusen, die meist Mai) weiter. Nicht aus allen Eiern entwickeln sich im Sitzen verspeist werden. Umgekehrt dient diese Larven, denn winzige Schlupf- und Erzwespen le- nicht sehr wehrhafte Kleinlibelle auch anderen Tie- gen ihrerseits Eier in diese ab und der Nachwuchs ren als Nahrung. Oft werden sie Opfer von netzbau- ernährt sich dann vom Inhalt der Libelleneier. Nach enden Spinnen, Amphibien und Wasservögeln. wenigen Wochen schlüpfen die Libellenlarven aus Die Paarung ist eine komplizierte Verhaltensweise. den entwickelten Eiern. Als ausgeprägte Wassertiere Hat ein Männchen ein Weibchen entdeckt, ergreift haben sie kaum Ähnlichkeit mit dem späteren flugfä- er es mit seinen Hinterleibsanhängen an der Vor- higen Insekt. Sie sind auffallend schlank, tragen am derbrust und das Paar fliegt als „Tandem“ zu einem Hinterleibsende drei große Kiemenblättchen und die Sitzplatz. Nun wird das sogenannte und für viele Mundwerkzeuge bestehen aus einer ausklappbaren Libellenarten typische „Paarungsrad“ gebildet. Da- Fangmaske. Die außerordentlich trägen und licht- nach begibt sich das Paar gemeinsam zum Eiabla- scheuen Individuen sitzen stundenlang regungslos geplatz. Mit ihrem Legestachel bohrt das Weibchen an Wasserpflanzen in Ufernähe und lauern auf ihre eine „Eiloge“ in die Stängel von Binsen, Schachtelhal- Beute. Sie ernähren sich ausschließlich von lebenden men, Simsen, Rohrkolben, Schwertlilien oder Woll- Tieren, die sie durch Vorschnellen ihrer Fangmaske gräser und legt in jede ein Ei ab. Dabei rückt das ergreifen. In erster Linie handelt es sich um Larven Paar Schritt für Schritt hinab und taucht dabei oft verschiedener Wasserinsekten, Kleinkrebse, Wür- für längere Zeit unter die Wasseroberfläche. Die Eier mer, Schnecken und Amphibienlarven. Aber auch werden erst bei der Eiablage befruchtet. die Libellenlarven selbst haben eine Reihe Fressfein- de. So ernähren sich Fische und räuberisch lebende Die Art überwintert im Eistadium und entwickelt Insekten wie z.B. Gelbrandkäfer oder Stabwanzen sich erst im darauffolgenden Frühjahr (April bis von ihnen. Auch werden die jungen Larven Opfer

typischer Lebensraum – Verlandungszone eines Standgewässers (Foto: E. Biedermann)

76 größerer Artgenossen. Während der Entwicklungs- die hohe Ansprüche an ihre Habitate stellen und zeit der Larven, die sechs bis acht Wochen beträgt, deren Larven sich nur in ganz bestimmten Gewäs- häuten sich die heranwachsenden Tiere neunmal. sertypen entwickeln können. Manche leben nur in Einige Tage vor der Verwandlung zum Vollinsekt kleinen Quellen, andere nur in sauberen, sandigen wird die Nahrungsaufnahme eingestellt und unter Bächen und ein anderer Teil nur in nährstoffärme- der Larvenhaut bildet sich die fast vollständige Libel- ren Standgewässern oder in kaum sichtbaren Torf- le aus. Nun kommt sie öfter an die Wasseroberfläche moos-Schlenken. Daher ist es wichtig, alle noch vor- und schiebt ihre Brust aus dem Wasser. Dabei wird handenen naturnahen Lebensräume zu erhalten, zu die Kiemenatmung der Larve allmählich auf die Luft- schützen, zu pflegen und wenn nötig zu entwickeln. atmung der Imago umgestellt. Nach diesen Vorberei- Dazu gehören in erster Linie unverbaute Fluss- und tungen ist es dann soweit: Die Larve steigt aus dem Bachabschnitte einschließlich ihrer Ufervegetation, Wasser und klammert sich an einem Pflanzenstängel offene Hochmoore, Verlandungsbereiche von ste- fest. Die Larvenhaut platzt auf und das fertige Insekt henden Gewässern sowie Niedermoore, Sümpfe und schiebt sich aus der Larvenhülle (Exhuvie). Sind die Seggenriede in Fluss- und Bachauen. Beine ausgehärtet, zieht es den Hinterleib heraus, pumpt Blutflüssigkeit in die Flügel und streckt den Wichtig sind auch Auen- und Bruchwälder, Tümpel Hinterleib auf seine endgültige Länge. Kurz darauf mit Ufervegetation, Quellbereiche, krautreiche Grä- öffnet die Libelle ihre Flügel und fliegt mit noch wei- ben sowie die Gewässer in ehemaligen Abbaugebie- chem Körper und blassen Farben davon. ten wie Kies-, Lehm-, Ton- und Sandgruben. Viele Libellenarten sind heute so bedroht wie niemals Bleibt zu hoffen, dass der Trend zu einer weiteren zuvor in ihrer langen Geschichte, die bis ins Ober- Verarmung unserer heimischen Tierwelt gestoppt karbon vor rund 310 Mio. Jahren zurückreicht. Nur werden kann und dass sich mehr Menschen für die sehr wenige Arten sind aufgrund ihrer ökologischen heimische Natur interessieren, unsere Welt nicht nur Anpassungsfähigkeit in der Lage, wie die Gemeine als Um- sondern als Mitwelt wahrnehmen und sich Binsenjungfer mehrere Lebensräume zu besiedeln. aktiv für den Lebensraumschutz dieser Schönheiten Der weitaus größte Teil gehört zu den Spezialisten, mit der faszinierenden Lebensweise einsetzen.

10) Die Wiesen-Schlüsselblume (Primula veris L.) – Blume des Jahres Naturschutzzentrum „Alte Warth“, 36433 Gumpelstadt

Die von der Loki-Schmidt-Stiftung zur Blume des Jahres ausgewählte Wiesen-Schlüsselblume steht in den meisten Bundesländern auf den Roten Listen der gefährdeten Pflanzenarten. Die Pflanze soll stell- vertretend auf bedrohte Lebensräume wie magere, trockene, halboffene und offene Wiesen, Kalkmager- rasen, Wacholderheiden, lichte Wälder und Gebü- sche auf kalkhaltigen Böden aufmerksam machen.

Diese Biotope brauchen einen schonenden Umgang, d.h. Verzicht auf Düngung und Verhinderung von Nährstoffeintrag sowie keine Intensivbewirtschaf- tung. Das trifft genauso für den Umbruch von Grün- Eine der ersten Frühlingsboten – die Wiesen-Schlüssel- land zu Ackerland, die Nutzungsaufgabe von Flächen blume. (Foto: E. Biedermann)

77 oder die Verhinderung einer zu starken Beschattung Als blütenbiologische Besonderheit der Wiesen- durch Gehölze zu. Regelmäßige Biotoppflege durch Schlüsselblume muss die „Verschiedengriffeligkeit“ Mahd und Beweidung sowie Gehölzauslichtung sind (Heterostylie; héteros = griech. verschieden, stýlus lat. die besten Voraussetzungen zum Erhalt dieser Le- = Griffel) erwähnt werden. Die Blüten der Pflanze bensräume, in denen neben der Wiesen-Schlüssel- verfügen über unterschiedlich lange Griffel und ei- blume zahlreiche andere, ebenfalls bereits gefährdete nen unterschiedlichen Stand der Staubblätter. Die Pflanzen- und Tierarten vorkommen. von kurzgriffeligen Blüten gebildeten Pollen sind groß, die Ausstülpungen der Narbe aber nur kurz, Die Wiesen-Schlüsselblume bevorzugt außerdem während bei dem langgriffeligen Typ die Verhältnis- noch stickstoff- und salzarmen, trockenen und locke- se umgekehrt sind. So wird die Nachbarbestäubung ren Lehmboden mit reichlicher Humusbeimischung. vermieden und die Fremdbestäubung unterstützt. Die Wiesen-Schlüsselblume gehört zur Familie der Andere Primelarten, die diese Besonderheit nicht Primelgewächse (Primulaceae). Sie ist der Inbegriff aufweisen, neigen dagegen gerne zur Bastardbildung, der Frühjahrsblüher, denn schon von Ende März bis was von den Züchtern bekanntlich wiederum gern Mai schmücken die dottergelben Blüten zusammen genutzt wird. mit Veilchen oder Buschwindröschen die Land- Die Bestäubung der Blüten erfolgt durch langrüsse- schaft. Ihr wissenschaftlicher Name Primula veris lige Insekten wie Hummeln und Tagfalter. Die Wie- leitet sich von prima lat. = die Erste und veris lat. = sen-Schlüsselblume ist Futterpflanze für verschiede- des Frühlings, zum Frühling gehörend ab. Im Unter- ne Schmetterlingsraupen, so z. B. für die Raupe der schied zur nichtduftenden und noch früher blühen- seltenen Silbergrauen Bandeule (Epilectra linogrisea) den Hohen Schlüsselblume (Primula elatior (L.) Hill) und des gefährdeten Schlüsselblumen-Würfelfalters wird die Wiesen-Schlüsselblume auch als „Duftende (Perlbinde) (Hamearis lucina). Primel“ bezeichnet. Weitere volkstümliche Namen Die Frucht besteht aus einer vielsamigen Kapsel, die sind: Wiesen-Primel oder Himmelschlüssel. Die sich bei der Reife an der Spitze öffnet. Bei Erschütte- Bezeichnung Himmelschlüssel ist mindestens seit rungen werden diese aus dem trockenen Fruchtstand dem 12. Jahrhundert bekannt und steht in Zusam- herausgeschleudert und auch durch den Wind ver- menhang mit Petrus und dem Schlüssel zur Him- breitet. melspforte. Der Name Schlüsselblume ist bis min- Die Blüten und Wurzeln enthalten geringe Mengen destens in das 15. Jahrhundert belegt, wobei diese Saponine, Flavonoide, Karotinoide und sehr wenig Interpretation auf der Ähnlichkeit des Blütenstandes ätherisches Öl. Durch den Saponingehalt wirken die mit einem Schlüssel beruht. Die Blüten ähneln dem Blüten leicht schleimlösend. Deshalb wurden sie in Schlüsselbart, der Stängel dem Schlüsselrohr und die der Volksmedizin bei Katarrh und Erkrankungen ganze Blütendolde einem Schlüsselbund. der oberen Atemwege angewandt, wobei Wirksam- keitsbeweise allerdings fehlen. Schon in den Kräuter- Die attraktive, mehrjährige Staude trägt auf ihren büchern des 16. Jahrhunderts von O. BRUNFELS, Blüten am Schlund eines glockig vertieften Kron- L. FUCHS und H. BOCK wurde eine Pflanze auf- saumes fünf orangerote Flecke, die bei der Wald- geführt, bei der es sich möglicherweise um die Wie- Schlüsselblume fehlen. sen-Schlüsselblume gehandelt hat. Aus der Antike Der hellgrüne bis gelblichgrüne Kelch der meist gibt es dagegen keinen Literaturbezug, was auch am nickenden Blüten ist 5-kantig und bauchig geweitet. Verbreitungsraum der Art liegen sollte. Ein aus den Die länglich-eiförmigen, rosettenartig angeordneten Blüten bereiteter weinhaltiger Auszug, der Schlüs- Blätter sind auf der Oberseite runzelig, an der Un- selblumenwein, wurde z.B. gegen Gicht und Tier- terseite dünnfilzig behaart. Die Pflanze überwintert bisse verwendet. S. KNEIPP empfahl den Tee bei in einem ausdauernden, kurzen, dicken Rhizom und rheumatischen Beschwerden. Aus der Wurzel wurde kann eine Höhe von 25 bis 30 cm erreichen. früher Niespulver hergestellt.

78 Wiesen-Schlüsselblume und Stattliches Knabenkraut schmücken im Mai die Kalkmagerrasen der Rhön. (Foto: E. Biedermann)

Die Wiesen-Schlüsselblume ist in Europa mit Aus- Stellenweise kann sie sogar aspektbildend auftreten. nahme des hohen Nordens und der Mittelmeerre- Trotz dieser noch vorhandenen Häufigkeit unterliegt gionen sowie in Ost-, Zentral- und Vorderasien ver- die Wiesen-Schlüsselblume als besonders geschützte breitet. Innerhalb Deutschlands kommt sie in den Pflanzenart der Bundesartenschutzverordnung und nördlichen Bundesländern selten vor und wird dort darf trotz der großen Verlockung nach einem Früh- als stark gefährdet eingeschätzt. lingsblumenstrauß weder gepflückt noch ausgegra- ben und in den eigenen Garten geholt werden. Wer Ganz anders sind die Verhältnisse in Thüringen, die Wiesen-Schlüsselblume auf seinem Rasen habe denn hier wird die Wiesen-Schlüsselblume noch möchte, der kann gärtnerisch gezüchtete Samen im nicht als Rote-Liste-Art geführt. So gehört sie auch einschlägigen Handel erwerben. zum Arteninventar in der Rhön, wo sie im Früh- jahr die Kalkmagerrasen häufig in kleinen oder grö- ßeren Gruppen und z.B. auch in Gesellschaft des Stattlichen Knabenkrautes (Orchis mascula (L.) L.) schmückt.

79 11) Der Dunkelbraune Kugelspringer (Allacma fusca LINNAEUS, 1758) – Insekt des Jahres Naturschutzzentrum „Alte Warth“, 36433 Gumpelstadt

Ein Kuratorium, dem namhafte Entomologen und tierischen Zerfallsstoffen und trägt so zur Humus- Vertreter wissenschaftlicher Gesellschaften und bildung im Boden bei – das Resultat sind fruchtba- Einrichtungen angehören, ernennt seit 1999 aus re Böden. „Der Dunkelbraune Kugelspringer ist wirk- zahlreichen Vorschlägen ein besonders interessantes lich klein und sieht etwas unscheinbar aus, aber wenn Kerbtier zum Insekt des Jahres. man sich mit seinem Verhalten genauer beschäftigt, so Es soll auf die weltweit artenreichste Gruppe von dringt man in eine fremde und faszinierende Welt ein“, Tieren aufmerksam gemacht werden, die allzu oft erläutert Prof. Dr. Thomas Schmitt, Direktor des nur als „Schädlinge“ oder „Nutzlose“ abgetan wer- Senckenberg Deutschen Entomologischen Institutes den. Tatsächlich weisen Insekten die größte biolo- in Müncheberg und Mitglied des Auswahl-Kurato- gische Vielfalt aller Lebewesen überhaupt auf. riums. Der Dunkelbraune Kugelspringer ist nicht besonders schön oder selten. Die Art ist auch zum Glück nicht Der Dunkelbraune Kugelspringer gehört zu den Ur- gefährdet. insekten. Damit sind allerdings nicht irgendwelche plumpen Formen aus der Steinkohlenzeit gemeint. Trotzdem ist er zum Insekt des Jahres 2016 erkoren Vielmehr werden mit diesem Namen viel kleinere, worden, denn er symbolisiert das Zusammenwir- unscheinbare, sechsbeinige Gliederfüßer, die wie ken von Böden und Insekten bei der Gestaltung und Insekten aussehen, bezeichnet. Denen fehlt aber ein Erhaltung der Umwelt, erklärt Thomas Scholten, ganz wesentliches Merkmal der Fluginsekten: die Schirmherr des Insekts des Jahres und Präsident der Flügel. Die Urinsekten sind auf jeden Fall älter als Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft. Das aus- die oben erwähnten geflügelten Insekten der Stein- gezeichnete Insekt ernährt sich von pflanzlichen und kohlenzeit, sie liefern uns aber noch heute den leben-

Zwei Dunkelbraune Kugelspringer beim Abgrasen von Algen auf Baumrinde (Foto: Andreas Stark, Ampyx-Verlag)

80 den Beweis dafür, dass zuerst die allgemeine Grund- Seinen deutschen Namen verdankt der maximal gliederung des Insektenkörpers entstanden ist, bevor 4 mm lange Hüpfer einer Besonderheit in der Fort- sich an ihm als Hautausstülpungen die Flügel ent- bewegung. Wird er gestört, kann er sich durch ein wickelten. Sprungorgan, das wegen seines gabelförmigen Aus- sehens als „Furca“ bezeichnet wird, je nach Kör- Der Kugelspringer wird den Springschwänzen zuge- perschwerpunkt, mit einem Salto nach vorne oder ordnet, von denen es weltweit rund 8.000 Arten gibt, hinten katapultieren. Der Sprung kann mehrmals in Deutschland sind derzeit 524 Arten bekannt. Es hintereinander ausgeführt werden; die Sprungweite gibt kaum einen Lebensraum auf dem Festland, in beträgt das Mehrfache der Körperlänge. Die Gabel dem nicht auch Springschwänze vorkommen kön- ist im Ruhezustand unter den Körper geklappt. Star- nen: vom Blumentopf am Fenster bis zum ewigen ke Muskeln im Innern des Hinterleibes sorgen dafür, Schnee der Gletscher, von den Hohlräumen des Bo- dass die Gabel aus der Ruhelage rasch und kräftig dens bis zu Vogelnestern, von der Baumrinde bis zur gegen den Untergrund geschlagen werden kann, da- Wasseroberfläche von Teichen, von den Alpenmat- durch kommt jeweils ein Sprung zustande. Zudem ten bis zum Meeresstrand. sind nahezu alle Brust- und Hinterleibs segmente ku- gelförmig verschmolzen. Der harte Chitinpanzer ist Der Vielzahl dieser Lebensräume entspricht die immer von einem dünnen Flüssigkeitsfilm bedeckt Mannigfaltigkeit der Körperformen. Dennoch ha- und weist schüttere, lange Borsten auf. ben alle Springschwänze grundsätzlich den gleichen Körperbau. Ihr Leib ist in Kopf, Brust und Hinter- Die Winzlinge praktizieren zudem ein ungewöhnli- leib gegliedert, mit zwei Fühlern am Kopf und sechs ches Liebesleben: Das wesentlich kleinere Männchen Beinen am Brustabschnitt. Besonders kennzeich- legt eine oder mehrere Spermienhaufen – Sperma- nend für die Springschwänze ist es, dass sie nur sechs tophoren – ab. Häufig werden diese dicht nebenei- Hinterleibsabschnitte besitzen. Springschwänze nander abgelegt und sehen wie kleine Zäune aus. häuten sich nicht wie viele andere Insekten nur we- Anschließend folgt eine Balz, deren Höhepunkt ein nige Male, sondern streifen die Haut vielfach ab, weil Paarungstanz ist. Das Weibchen streift dabei mit sie ihr ganzes Leben lang wachsen. ihrer Geschlechtsöffnung über die Spermatophoren

Lebensraum Buchenmischwald (Foto: E. Biedermann)

81 und nimmt sie selbständig auf. Bald darauf erfolgt säugern kann er vorkommen. Bei Trockenheit lebt die Eiablage. In diesem Stadium wird meistens über- die Art im Boden, bei hoher Luftfeuchtigkeit lässt wintert. Kommt nach der Ablage der Spermatopho- sie sich auf Baumstümpfen gut mit bloßem Auge ren dagegen kein Weibchen vorbei, werden die Sper- beim Abfressen von Algen beobachten. Ihr Vor- mien nach einer Wartezeit von 8 bis 10 Stunden vom kommen in großer Menge ist ein Zeichen für eine Männchen wieder gefressen. gute Bodengesundheit. Sind die Bedingungen opti- mal, können sich in einem Quadratmeter Boden bis Ganz konkrete Aussagen zur Verbreitung des Dun- zu 200.000 Springschwänze befinden – einer von kelbraunen Kugelspringers gibt es nicht. Man findet ihnen ist dann auch der Dunkelbraune Kugelsprin- ihn in feuchten Wäldern und in der Streuschicht ger. Springschwänze sind also von hoher Bedeutung von Gebüschen oder Totholz. Auch in Mooren, für Ökosystemdienstleistungen. Leider ist vieles Höhlen, Wiesen, Dünen sowie Nestern von Klein- von ihnen noch nicht erforscht.

12) Der Hecht (Esox lucius) – Fisch des Jahres Franz Laub, Meiningen

Unter den Süßwasserfischen Europas ist der Hecht Lauerräuber, der seiner Beute auflauert und blitz- einer der bekanntesten seiner Gattung. Die Gattung schnell zustößt. Verfolgungsjagden, wie bei Rapfen, Esocidae umfasst 6 Arten. Zander oder großen Forellen, unternimmt er jedoch In Europa ist der Hecht der einzige Vertreter seiner nicht. Mit einer maximalen Länge von 150 cm und Gattung. Sein Lebensraum sind klare Stillgewäs- einem Gewicht von ca. 30 kg zählt er zu den großen ser und Flüsse von der Äschregion abwärts über die Raubfischen des europäischen Süßwassers. Flussmündungen bis in die Meere. Reines Salzwasser Die Laichzeit des Hechtes fällt in das zeitige Früh- wird gemieden. In den Boddengewässern der Ostsee jahr von März bis April. Die Eizahlen differieren jedoch tritt er recht häufig und in großen Exemplaren abhängig von der Größe des Weibchens von 10.000– auf. Aber auch in den Forellenregionen in Höhen von 400.000 Stück. Die Zeitigungsdauer beträgt 12–15 550–600 m ü. NN ist er anzutreffen und kann dort Tage (bei einer Wassertemperatur von 10 °C). starke Beeinträchtigungen unter den Forellenbestän- den hervorrufen. Nach dem Freischwimmen fressen junge Hechte Makrozoopenthos. In einer Größe von 4–5 cm wird Wirtschaftlich ist er ein Teil der Binnenfischerei in er zum Raubfisch, der auch kleinere Artgenossen den größeren Seen. Dort wird er mit Reusen, Netzen nicht verschmäht. und den so genannten Hechtpuppen gefangen und Im dritten Jahr erreicht er eine Größe von 40–50 cm. ist ein beliebter Marktfisch. Die Geschlechtsreife beginnt bereits bei einer Größe von 40 cm. Das Äußere verrät ihn als Raubfisch: der große Kopf mit dem tief gespaltenen endständigen Maul, die In der Rhön ist er weit verbreitet. In Fließgewässern hoch am Kopf sitzenden Augen, der lang gestreckte wie der Fulda kommt er nur in kleinen Populati- Körper und die kräftigen Bauch- und Rückenflossen, onen vor. In der Werra jedoch ist sein Bestand seit die im hinteren Körperdrittel mit der äußerst kräfti- den Talsperren in Oberlauf von Schleuse und Werra gen Schwanzflosse einen torpedoähnlichen Antrieb stark angestiegen, so dass sich sein Vorkommen dort darstellen. Diese Eigenschaft kommt ihm bei der negativ auf die Bestände von Äschen und Forellen Nahrungsjagd zugute. Er ist ein ausgesprochener auswirken kann.

82 Hecht (Foto: Franz Laub)

Durch die Tatsache, dass die Laichzeit des Hechtes ist er in der Region zwischen Werra und Fulda, zwi- mit den jährlichen Frühjahrshochwassern zusam- schen Rhön und Thüringer Wald nicht als gefährdet menfällt, sind seiner Ausbreitung Grenzen gesetzt. anzusehen. In fast allen Stillgewässern der Rhön und des Thü- ringer Waldes gibt es gute bis sehr gute Bestände. Mögen alle zur Erhaltung unserer Umwelt ergriffe- Die Kiesseen bei Immelborn und die Breitunger nen und zu ergreifenden Maßnahmen Erfolg haben. Seen zum Beispiel weisen gute bis sehr gute Hecht- Dann wird uns und unseren Kindern dieser edle bestände auf. Räuber erhalten bleiben. Auch ich fing einen der größten Hechte meiner Ang- lerlaufbahn am Silvestervormittag 1962 im hinteren Breitunger See (Gewicht 14 kg). Weiterhin weisen bzw. wiesen Schönsee und Bernshäuser Kutte gute stabile Bestände an Hechten aus.

Da er ein Fisch ist, der im Gegensatz zu Forellen oder Karpfen in Zuchtanlagen nur schwer vermehr- bar ist, hat er eine untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung. In der Natur stellt er auch eine Art von Gesundheitspolizei dar, da er vorrangig kranke und bewegungseingeschränkte Fische erbeutet. Einer Überpopulation steht seine kannibalische Veranla- gung entgegen. Das Maul des Hechtes (Präparat) ist sehr beeindru- Der Hecht ist ein beliebter und begehrter Beutefisch ckend. Die Beute, die diese Zähne festhalten, entkommt der Angler. Solange sein Lebensraum nicht durch wohl kaum. Der kapitale Fang maß 89 cm und wog den Eintrag legaler oder illegaler Abwässer, meist 8 kg. Gefangen im Kleinspeicher bei Kaltensundheim landwirtschaftlichen Ursprungs, beeinträchtigt wird, von Stefan Rommel. (Foto: K.-Fr. Abe)

83 13) Der Feuersalamander (Salamandra salamandra LINNAEUS, 1758) – Lurch des Jahres Naturschutzzentrum „Alte Warth“, 36433 Gumpelstadt

Kinder kennen aus vielen bunten Comics das aufre- Verantwortung für die Erhaltung dieser Art. Der gende Leben und die Abenteuer des Feuersalaman- Feuersalamander ist eine Zeiger und Charakterart ders „Lurchi“. Einige haben auch im letzten Jahr in für naturnahe Bergbachlebensgemeinschaften in der neu geschaffenen „Arche Rhön“ zwischen Kal- Mittelgebirgslandschaften. tenwestheim und Unterweid mit dem großen Feuer- salamander-Puzzle gespielt, doch die allerwenigsten Entsprechend seiner Lebensraumansprüche ist die haben schon einmal diesen schwarz-gelb gefleckten Existenz unbegradigter, strukturreicher, durchgän- Lurch draußen in der Natur gesehen. giger Waldfließgewässer und naturnaher Stillge- wässer sowie naturnaher Waldgesellschaften in der Die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Bachaue und dem Wassereinzugsgebiet für die Er- Terrarienkunde (DGHT) hat den Feuersalaman- haltung dieser typischen Lebensgemeinschaften von der, zum Lurch des Jahres 2016 bestimmt. Auf die- hoher Bedeutung. Der Feuersalamander ist in weiten se Weise wird eine der auffälligsten und in Europa Teilen Europas heimisch. Die Art kommt von Nord- weit verbreiteten Amphibienarten in den Fokus des westdeutschland bis Südgriechenland und Süditalien Natur- und besonders des Artenschutzes gerückt. sowie von den Karpaten bis Portugal vor. Nicht besie- In Deutschland gilt er als gefährdet und wird gemäß delt werden die Britischen Inseln, Nordeuropa, weite Bundesnaturschutzgesetz und Bundesartenschutz- Teile Polens und der spanische Mittelmeerbereich. Im verordnung „Besonders geschützt“. Da ein Großteil Gesamtareal gibt es derzeit 14 bekannte Unterarten. der Weltpopulation in Deutschland vorkommt, trägt In der Wartburgregion besiedelt er nahezu alle grö- unser Land international natürlich eine besondere ßeren Waldgebiete. Ein großflächiger Verbreitungs-

Unverkennbar – die Färbung des Feu- ersalamanders, (Foto: DGHT / Nöllert)

84 pflanzungszeit müssen die Weibchen naturnahe und sauerstoffreiche, nährstoffarme und möglichst fisch- freie Gewässer finden, um dort ihre Larven abzuset- zen. Dabei kann es sich um Quellbäche, Quelltümpel, kühle stehende Gewässer oder aber wenigstens was- serführende Fahrspuren handeln. Die Salamander sind nachtaktiv und verstecken sich tagsüber unter Baumwurzeln, in Steinhaufen, Höh- len, Stollen oder Kleinsäugerbauten. Während und nach starkem Regen sind sie auch am Tag aktiv. Die Lurche sind ausgesprochen ortstreu. Sie bewegen sich ab 6 °C in einem Radius von nur 10 bis 20 m, sind aber fähig, auch Strecken bis zu 400 m zurückzulegen. In Mitteleuropa ziehen sich Feuersalamander im Spätherbst in frostfreie Überwinterungsquartiere zu- rück und verfallen in eine Winterstarre. Sie können in der freien Natur 20 Jahre alt werden und erreichen Idealer Lebensraum – strukturreicher Bachlauf mit 2 bis 4 Jahren die Geschlechtsreife. Die Paarungs- (Foto: E. Biedermann) zeit erstreckt sich von April bis September, mit Hö- hepunkt im Juli. Die Begattung erfolgt an Land. Die schwerpunkt erstreckt sich über den gesamten Thü- Geschlechter sind außerhalb dieser Zeit schwer zu ringer Wald. Weitere Vorkommen befinden sich im unterscheiden. Die Weibchen sind lebend gebärend, Werratal zwischen Creuzburg und Treffurt und in daher ist kein Laich zu finden. Die Spermien wer- der Rhön als inselartige Verbreitung in den größeren den bis zu zwei Jahre lang im Körper aufbewahrt. Waldgebieten der Basaltkuppen. So können über längere Zeiträume Eizellen befruch- Mit einer Körperlänge von 14 bis 20 cm gehört tet werden. Von Februar bis Mai werden die Jungen der Feuersalamander zu den größten heimischen meist bei Nacht abgesetzt. Die trächtigen Weibchen Schwanzlurchen. Im Gegensatz zum ausschließlich wandern dafür zu den Gewässern. Je nach Größe und schwarz gefärbten Alpensalamander (Salamandra atra Alter des Weibchens sind 30 bis 70 Larven möglich. Laurenti, 1768) ist seine Färbung schwarz glänzend Im Moment des Gebärens platzen die Eihüllen auf. mit einer auffälligen leuchtend gelben (selten orange Die Larven sind anfangs 25 bis 35 mm groß, bräun- bis rötlich) Zeichnung. Für Fressfeinde ist sie als War- lich gefärbt, weisen vollständig entwickelte Beine und nung zu deuten. Das individuelle Muster ermöglicht auffallende äußere Kiemenbüschel auf. Der Kopf ist eine eindeutige Erkennung. Nach der Ausbildung der deutlich breiter als der Rumpf. An jedem Beinansatz Zeichnungsmuster können Grundtypen unterschie- befindet sich ein gelblicher Fleck, der ein wichtiges den werden: gestreift und gefleckt, dazwischen gibt Unterscheidungsmerkmal zu Molchlarven darstellt. es dann fließende Übergänge. Gestreifte Tiere sind in Im Laufe des Wachstums werden sie dunkler und unserer Region meist seltener. das zukünftige gelbliche Muster immer deutlicher. Arttypisch sind der plumpe Körper, der breite Kopf Aufgrund des relativ kühlen Lebensraums findet sowie die auffälligen Ohrdrüsen. Er bewohnt schat- die Metamorphose meist erst nach drei bis sechs tenreiche Laubmischwälder der Mittelgebirge bis etwa Monaten statt, bei günstigen Bedingungen schon 700 m. Seltener findet man die Art in Nadelwäldern. nach zwei Monaten. In kühleren Regionen erfolgt Adulte Tiere sind nicht zwingend auf Oberflächen- die Überwinterung häufig als Larven im Gewässer, wasser angewiesen, aber eine gewisse Boden- bzw. in sehr seltenen Fällen können sie ihr Leben lang im Luftfeuchte ist immer notwendig. Lediglich zur Fort- Larvenstadium verweilen. Die Jungtiere halten sich

85 bevorzugt in Stillwasserzonen auf und ernähren sich rieren gibt, könnte sich die Erkrankung in den nächsten von verschiedenen Fliegen- und Mückenlarven, Bach- 25 Jahren möglicherweise auf nahezu alle europäischen flohkrebsen und Kaulquappen. Bei Nahrungsmangel Molch- und Salamanderarten auswirken und dazu füh- und Größenunterschieden einzelner Larven kann ren, dass manche Arten lokal oder sogar völlig ausster- auch Kannibalismus auftreten. Adulte Feuersala- ben könnten“, so eine Vertreterin einer Forschergruppe mander gehen nur in der Dämmerung auf Nahrungs- der Universität Gent in Belgien. In Deutschland sind suche. Sie benutzen ihren Seh- und Geruchssinn zur zwei Salamander- und fünf Molcharten heimisch. Orientierung und fressen alles, was sie überwältigen Verschiedene Maßnahmen der Waldbewirtschaftung können: Asseln, weiche Käfer, kleine bis mittelgroße können zudem die Vorkommen des Feuersalaman- Schnecken, Regenwürmer und Spinnen. ders beeinträchtigen. Dazu gehören: Aufforstung der Feuersalamander sind zu Lautäußerungen fähig, set- Wälder mit Nadelbäumen, Verbauung oder Begra- zen diese aber nicht zur Partnersuche ein. Sie stoßen digung von naturnahen Quellbereichen und -bächen. quietschende, piepende oder knurrende Laute aus, Die Verschmutzung und Versauerung der Fortpflan- wenn sie bedroht werden, um damit den Angreifer zungsgewässer, Fischwirtschaft in bewaldeten Quell- abzuschrecken. Wenn erwachsene Tiere angegriffen regionen, zunehmender Fahrzeugverkehr im Wald oder unsanft berührt werden, wird aus den Hautdrü- (besonders das Befahren von Waldwegen im Frühjahr sen zudem ein giftiges Sekret abgesondert oder bis zu in der Dunkelheit), Lebensraumzerschneidung und 1 m weit abgespritzt. Es enthält Alkaloide und kann -entwässerung stellen ebenfalls erhebliche Bedrohun- zu Krämpfen, Lähmungen oder Erbrechen bei den gen dar. Unabhängig von Maßnahmen zur Verhinde- Feinden oder unter Umständen sogar zu deren Tod rung der Ausbreitung dieser Infektion gibt es jedoch führen. Die Substanz schützt den Salamander auch auch genügend Möglichkeiten, die Vorkommen des vor möglichen Infektionen durch Bakterien und Pilze. Feuersalamanders zu stabilisieren bzw. ihre Wieder- Bei Menschen sind Hautreaktionen nach einer Berüh- ausbreitung zu fördern. Ausreichend groß dimensi- rung möglich. onierte Durchlässe unter Straßen oder Forstwegen Früher glaubten die Menschen, dass das Hautsekret in bewaldeten Gebieten, Erhaltung von Höhlen und des geheimnisvollen „Drachen“ nicht nur giftig sei, Stollen im Verbreitungsgebiet, Sicherung bestehender sondern auch Feuer löschen könne. Wenn es irgend- und Wiederherstellung ehemaliger Larvenabsatzge- wo brannte, wurde es gefährlich für den Lurch, denn wässer, Renaturierung von Fließgewässern und die dann wurde nach ihm gesucht und man warf ihn in Vernetzung der Habitate zum Ermöglichen des Gen- die Flammen. Es hieß sogar, in Brunnen gefallene Tie- austauschs können seine jetzigen Überlebenschancen re würden das Wasser vergiften und der bloße Hauch erheblich verbessern. seines Atems könne Menschen töten. Daher rührt auch die deutsche Namensgebung Feuersalamander. Renaturierungsmaßnahmen wie im Projekt zur „Er- Feinde der erwachsenen Tiere sind Igel, Dachs, Wild- haltung und naturnahen Entwicklung von Bächen für schwein oder Ringelnatter, aber auch verschiedene den Feuersalamander im Thüringer Wald“ durch die Vogelarten. Die Larven werden bevorzugt von Fi- Naturstiftung „David“ in Zusammenarbeit mit dem schen, Libellenlarven, Molchen und Wasserspitzmäu- Thüringen Forst haben bereits in den zurückliegenden sen erbeutet. Jahren u. a. auch in der Wartburgregion stattgefun- In den letzten Jahren ist allerdings ein neuer Feind in den. Dabei wurden Begradigungen und unüberwind- Mitteleuropa aufgetreten, der die Art an den Rand bare Abstürze in Bachläufen beseitigt sowie Stillwas- des Aussterbens bringen kann. Eine Pilzinfektion mit serbereiche durch Einbringen von schwerem Totholz Batrachochytrium salamandrivorans breitet sich rasant und großen Steinen geschaffen. Von solchen konkre- aus. In den Niederlanden sind der Pilzinfektion wahr- ten Artenschutzmaßnahmen profitieren auch ande- scheinlich bereits über 90 % der Feuersalamander re gefährdete Tierarten wie Bergmolch, Bachforelle, zum Opfer gefallen. „Und da es keine natürlichen Bar- Westgroppe, Bachneunauge oder Libellen.

86 V. WIR STELLEN UNS VOR

1) Informationszentrum Haus der Langen Rhön in Oberelsbach Klaus Spitzl, Naturpark & Biosphärenreservat Bayer. Rhön e.V.

Das Informationszentrum „Haus der Langen Rhön“ Literatur über die Rhön erworben werden. Im 1. informiert mit einer ständigen Ausstellung über Stock werden auch Wechselausstellungen präsen- das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön. Schon tiert. Das Info-Zentrum Haus der Langen Rhön im Eingangsbereich zeigt ein großes Mosaik aus bietet sich als Ausgangspunkt für Wanderungen an. 75.000 Einzelbildern, dass es hier um viele einzelne Die Mitarbeiter helfen gerne bei der Planung. Viele Aspekte geht, die zusammengesetzt ein Gesamtbild attraktive Routen starten hier. ergeben. Die interaktive Ausstellung mit zahlrei- chen „Mitmach-Stationen“ erläutert die Entwick- Kontakt: lung der Landschaft und stellt verschiedene Projekte Informationszentrum Haus der Langen Rhön, Un- zur nachhaltigen Entwicklung vor. Für Kinder gibt terelsbacher Str. 4, 97656 Oberelsbach, Tel. 09774- es eine Rallye, bei der das Rhönschaf Elsbeth Fra- 910260; E-Mail: [email protected]; Internet: www. gen stellt und immer wieder auffordert, genau hin- brrhoen.de oder auch direkt unter http://biosphae- zuschauen. Im Medienraum werden verschiedene renreservat-rhoen.de/infozentren/51-informations- Rhön-Filme präsentiert. zentrum-haus-der-langen-rhoen Für Gruppen und Schulklassen werden außerdem Hausführungen angeboten. Ein „geologischer Ruck- Öffnungszeiten: sack“ mit verschiedenen Materialien steht auch für April–Oktober 10.00–17.00 Uhr Einzelbesucher bereit und kann entliehen werden. November–März 10.00–16.00 Uhr Im Shopbereich können zudem regionale Produk- Dienstag Ruhetag te der Dachmarke Rhön sowie Wanderkarten und

87 2) Informationszentrum Haus der Schwarzen Berge in Wildflecken-Oberbach Klaus Spitzl, Naturpark & Biosphärenreservat Bayer. Rhön e.V.

Das Informationszentrum Haus der Schwarzen Ber- Wechselausstellungen statt. Im Info-Zentrum Haus ge beherbergt drei Funktionen unter einem Dach: der Schwarzen Berge bietet die Tourismus GmbH Umweltbildung, Touristinformation und Regional- Bayerische Rhön umfangreiche Informationen und warenladen mit Cafeteria. Serviceleistungen an, wie z. B. Zimmerreservierun- Die interaktive Ausstellung informiert anschau- gen. Das Info-Zentrum beherbergt außerdem einen lich über das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön. Regionalwarenladen mit Dachmarke Rhön Produk- Hierbei erwarten fünf Themenbereiche die Besucher ten, eine Cafeteria mit Terrasse sowie im Außenbe- (Entstehung der Rhön, Menschen in der Rhön, Na- reich einen kleinen Garten mit Teich. turlandschaft, Kulturlandschaft, Regionale Produk- te und Erfindungen). Besonderes Highlight ist ein Kontakt: Panoramafoto, das vom höchsten Punkt der Rhön, Informationszentrum Haus der Schwarzen Ber- dem Sendemast auf dem Kreuzberg, aufgenommen ge, Rhönstr. 97, 97772 Wildflecken-Oberbach, Tel. wurde. Speziell für Kinder gibt es eine Rallye durch 09749-91220; E-Mail: [email protected]; die Ausstellung – an der Empfangstheke gibt es hier- Internet: www.brrhoen.de oder auch direkt unter zu eine kleine Broschüre. Ein „Geologischer Ruck- http://biosphaerenreservat-rhoen.de/infozentren/ sack“ mit verschiedenen Materialien steht auch für 16-informationszentrum-haus-der-schwarzen-berge Einzelbesucher bereit und kann entliehen werden. Öffnungszeiten: Das Info-Zentrum Haus der Schwarzen Berge bietet November–März 10.00–16.00 Uhr darüber hinaus ein umfangreiches Veranstaltungs- April–Oktober 10.00–17.00 Uhr programm. Im Medien- und Vortragsraum können Montag Ruhetag (die Touristinformation ist jedoch Sie verschiedene Filme ansehen. Regelmäßig finden auch an Montagen besetzt.)

88 3) Infostelle Schwarzes Moor auf der Hochrhön bei Fladungen Klaus Spitzl, Naturpark & Biosphärenreservat Bayer. Rhön e.V.

Am stark frequentierten Drei-Länder-Eck (Bayern, Kontakt: Hessen, Thüringen) am Parkplatz Schwarzes Moor Schwarzes Moor 1, 97650 Fladungen, Tel. 09778- befindet sich die Rast- und Informationsanlage 748516, E-Mail: [email protected]; www.brrhoen. Schwarzes Moor. Die Info-Stelle Schwarzes Moor de oder auch direkt unter http://biosphaerenreservat- informiert über das größte bayerische Naturschutz- rhoen.de/infozentren/110-infostelle-schwarzes- gebiet außerhalb der Alpen, die „Lange Rhön“ und moor über das Schwarze Moor mit Lehrpfad und Aus- sichtsturm. Gerne werden auch Informationen zu Öffnungszeiten: Wander- oder anderen Freizeitmöglichkeiten gege- täglich 11.00–14.00 Uhr; Hinweis: Der Moorlehr- ben. Im Shopbereich können zudem regionale Pro- pfad und Aussichtsturm kann im Winterhalbjahr dukte der Dachmarke Rhön sowie Wanderkarten gesperrt sein, Winterwanderwege und Loipen stehen und Literatur über die Rhön erworben werden. bei entsprechender Witterung zur Verfügung.

4) Informationszentrum des UNESCO-Biosphärenreservats auf der Wasserkuppe/Hessen Martin Kremer, Biosphärenreservat Rhön/Hessische Verwaltung

Die ehemalige Kaserne auf der Wasserkuppe hat eine Für den Infobereich stehen im Groenhoff-Haus rd. wechselvolle Geschichte. Zunächst als Reichssegel- 130 m² Ausstellungsfläche sowie ein Medienraum flugschule in den 1930er Jahren erbaut, beherbergte mit 45 Sitzplätzen und zwei kleinere Besprechungs- sie nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst britische, räume zur Verfügung. Der Zugang zur im Erdge- dann amerikanische Soldaten. Schließlich wurde sie schoss befindlichen Ausstellung und dem Regional- ab den 1970er Jahren ein Luftwaffenstützpunkt der laden sind barrierefrei. Bundeswehr. Mit dem Abzug der Bundeswehr in Die Ausstellungsräumlichkeiten gliedern sich in eine 1998 konnte schließlich eine zivile Nutzung einge- Dauerausstellung und einen Bereich für wechselnde leitet werden. Heute nutzen die Deutsche Jugend in Ausstellungen. Im Foyer befindet sich auf ca. 45 m² Europa, der Deutsche Wetterdienst, die Gesellschaft die Dauerausstellung „Vom Armenhaus zur europä- zur Förderung des Segelflugs und das Biosphärenre- ischen Modellregion – Biosphärenreservat Rhön“. servat mit seinen Partnern den Gebäudekomplex. Diese Ausstellung spannt den Bogen von der Ge- schichte und den Lebensräumen der Rhön über den Mit dem Einzug der Hessischen Verwaltungsstelle Auftrag der UNESCO-Biosphärenreservate bis hin des Biosphärenreservats im Groenhoff-Haus wurden zu konkreten Projekten. Die Ausstellung ist deutsch/ die Grundlagen für ein kleines Informationszentrum englisch und um einige Elemente für Kinder ergänzt. und einen Regionalladen geschaffen. Infobereich, La- den und Verwaltung bilden heute eine Einheit, die Die restliche Ausstellungsfläche ist wechselnden sich wechselseitig befruchten und von dem hohen Ausstellungen, die üblicherweise in zweimonatigem Besucheraufkommen der Wasserkuppe profitieren. Rhythmus routieren, vorbehalten. Hier will das Immerhin besuchen jährlich rund 80.000 Gäste den Biosphärenreservat für die Akteure der Region eine einfach gehaltenen Ausstellungsbereich. Präsentationsplattform bieten. Regionale Künstler,

89 Regionalentwicklungsprojekte und naturkundliche und Drehscheibe für Informationen rund um das Ausstellungen wechseln sich ab und zeigen die Viel- UNESCO-Biosphärenreservat Rhön. Hier können falt der Rhön. Ergänzt werden die Ausstellungen Führungen von Kindergärten und Schulen der Regi- z. B. über Monitorpräsentationen von Rhönfilmen. on gebucht und Fachexkursionen vereinbart werden. Unmittelbar an den Ausstellungsbereich angeschlos- Veranstaltungskalender und Informationsbroschü- sen ist der Regionalladen „Rhöner Durchblick“. Die- ren informieren über die vielfältigen Angebote im ser bietet ausgewählte Rhöner Produkte wie Brot, Biosphärenreservat. Der Besuch ist kostenfrei. Wurst, Liköre, Marmeladen, Schnitzereien, Wan- derkarten, Beerensäfte und -weine, Backwaren, Sei- Kontakt: fen, etc. Landkreis Fulda, Fachdienst Naturpark und Bio- sphärenreservat Hessische Rhön, Groenhoff-Haus, Für Gruppen bietet sich die Nutzung des Medien- Wasserkuppe 8, 36129 Gersfeld (Rhön), Tel.: raumes an. Hier können neben Vorträgen, die von 06654-96120, Fax: 06654-9612-20, E-Mail: vwst@ Mitarbeitern und den Rangern angeboten werden, brrhoen.de, www.brrhoen.de auch verschiedene Filme bzw. Multivisionsschauen in Augenschein genommen werden. Öffnungszeiten: Die Filme haben jeweils eine Dauer von 15 bis 20 Mi- Regionalladen „Rhöner Durchblick“ nuten und sind als Einstieg in die Themen des Bio- Wochenenden und Feiertage: sphärenreservats Rhön gut geeignet. Von den Mitar- Januar: 11.00–16.00 Uhr beitern werden für Gruppen gerne auch kostenfreie Februar: geschlossen Vorträge (nach Anmeldung) im Medienraum ange- März: 11.00–16.00 Uhr boten. April–Oktober: 10.00–18.00 Uhr November–Dezember: 11.00–16.00 Uhr Das Infozentrum ist ebenfalls Tagungsort für vie- Mit wenigen Ausnahmen im Jahr sind die Ausstel- le Fachforen und ehrenamtliche Gruppen. Es ist lungen täglich geöffnet Ausgangspunkt für naturkundliche Führungen

90 5) „Haus auf der Grenze“ der Gedenkstätte Point Alpha Karl-Friedrich Abe, Biosphärenreservat Rhön/Verwaltung Thüringen

Das „Haus auf der Grenze“ zwischen Geisa und Ras- dorf gelegen, verbindet zwei Ausstellungen auf ein- zigartige Weise und erstmals in Deutschland: Die Geschichte der innerdeutschen Grenze und die Ent- wicklung des Grünen Bandes mit dem Biosphärenre- servat Rhön – „Vom Todesstreifen zur Lebenslinie – Das Grüne Band und die Biosphäre Rhön.“

Im Erdgeschoss nimmt die im März 2014 eröffne- te Dauerausstellung der Point Alpha Stiftung die Besucher mit auf eine Zeitreise, die in der Zeit des Kalten Krieges beginnt, als der Warschauer Pakt bei Geisa seinen westlichsten Punkt hatte, als Menschen zwangsausgesiedelt und Höfe geschleift wurden. Auf dem ehemaligen Kolonnenweg kann die Ent- wicklung des Grenzregimes verfolgt werden. Vorbei raumes“ bis hin zur Umsetzung – dem heutigen am Grenzzaun erzählen Zeitzeugen aus Dörfern in Grünen Band. Interaktive Karten und Infografiken Ost und West von Alltag, Flucht, Vertreibung und erläutern die Hintergründe und Ausprägungen, eine dem glücklichen Moment, als sie das SED-Regime bebilderte Chronologie zeigt den Besuchern die Ent- 1989 durch die Friedliche Revolution zu Fall brach- wicklung des Grünen Bandes. ten. Skulpturen der im Grünen Band, dem früheren Im Obergeschoss zeigt die neue Ausstellung des Bio- Todesstreifen, heimischen Tiere und Pflanzen wie sphärenreservats Rhön, dass der Fall der Mauer nicht Wildkatze, Schwarzstorch oder Silberdistel laden nur den Menschen einmalige Chancen bot, sondern zum Anfassen und Erkunden ein. Ein Gruppe Ju- auch der Natur. Das Grenzregime der DDR mit sei- nior-Ranger zeigt mit eigenen Exponaten ihre Sicht nem Todesstreifen, Zäunen und Abriegelungen war auf die Natur im Grünen Band und in der Biosphäre ein Zeichen für Unfreiheit und Unmenschlichkeit. Rhön. Ein Gebiet, das für die Menschen beim Betreten töd- lich sein konnte, war aber paradoxerweise auf der an- Kontakt: deren Seite für Fauna und Flora ein Rückzugsraum. Gedenkstätte Point Alpha, Platz der Deutschen Naturfreunde und Naturschutzorganisationen ha- Einheit 1, 36419 Geisa, Tel.: 06651-919030, E-Mail: ben dieses für die deutsche Geschichte einmalige [email protected], www.pointalpha.com Potenzial erkannt. Seit der Grenzöffnung setzen sie sich verstärkt für den Schutz des Grünen Bandes ein, Öffnungszeiten: welches auch wichtige Teile des Biosphärenreservats April–Oktober 9.00–18.00 Uhr Rhön beinhaltet. November–März 10.00–16.30 Uhr Montag Ruhetag In der neuen Ausstellung berichten Zeitzeugen ex- klusiv von der Entwicklung der Natur im Sperrge- biet. Sie erzählen von ihren Beobachtungen in der Zeit der Teilung, von ihrer Idee eines „Naturschutz-

91 6) Informationszentrum des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön in der Propstei Zella Karl-Friedrich Abe, Biosphärenreservat Rhön/Verwaltung Thüringen

Die ehemalige Propstei in Zella mit dem Klostergar- An einem Informationspavillon beginnt die kleine ten und der prunkvollen Barockkirche ist eines der Wanderung unter verschiedenen Obstbäumen. In- herausragendsten barocken Gebäudeensembles der formationstafeln geben Auskunft über die Bedeutung thüringischen Rhön. der Streuobstwiesen in der Rhön und zu bestimmten Heute haben in dem Propsteigebäude u. a. die thü- Obstsorten. Beim Rundgang kann der Gast auch die ringische Verwaltung für das Biosphärenreservat vierbeinigen „Rasenmäher“ – die Rhönschafe – aus Rhön und ein Informationszentrum mit Multifunk- nächster Nähe beobachten. tionsshow und wechselnden Sonderausstellungen ihren Sitz. Altehrwürdiges erhalten und mit einer Der Klostergarten wird von einem sehr aktiven Ver- modernen Nutzung zu verbinden, war eine große ein aus Zella liebevoll gestaltet und gepflegt. Beide Herausforderung und Chance bei der Gestaltung der Gärten, der Streuobstgarten und der Klostergarten, Räume. Die Multivisionsschau (deutsch/englisch) sind jederzeit für die Besucher frei zugänglich. vermittelt, wie aus einem ehemaligen Nonnenkloster der Sitz der Thüringer Verwaltungsstelle des Bio- Kontakt: sphärenreservats Rhön wurde, gibt Informationen Informationszentrum Zella/Rhön, 36452 Zella/ zur Kulturlandschaft Rhön, zu Flora und Fauna und Rhön, Goethestraße 1, Tel.: 036964/93510, E-Mail: vermittelt Einblicke in das Leben der Rhöner. [email protected], www.propstei-zella.de Die Ausstellung ist barrierefrei. Öffnungszeiten: Im Außenbereich der Anlage wurde der Streuobst- Bitte telefonisch oder per Mail erfragen. Führungen garten zum Lehr- und Besuchergarten umgestaltet. können vereinbart werden. Der Eintritt ist frei.

92 7) „Erlebniswelt Rhönwald“ mit ARCHE RHÖN Brita Wolfram, Kaltenwestheim

licher Lage lassen sich von hier aus verschiedenar- tigste Aktionen durchführen. GPS-Wanderungen, Vogelstimmenwanderungen, Exkursionen um die Erlebniswelt, aber auch Spiel und Spaß sind für die Kinder und Jugendlichen ein unvergessliches Erleb- nis. Wir laden Sie ein – in die spannend gestaltete „Erlebniswelt Rhönwald mit Besucher- und Erlebnis- zentrum ARCHE RHÖN.“

Kontakt: Verwaltungsgemeinschaft „Hohe Rhön“, Haupt- Wo steht ein Schiff auf einem Berg, wo rettet Noah straße 18, 98634 Kaltensundheim, Tel.: 036946- mit einmaligen Naturschutzideen die Rhön und wo 2160 oder 0151/57883177 (Rolf Orthey), E-Mail: wird dazu ein fantastischer Ausblick geboten? Das [email protected], www.propstei-zella.de, alles gibt es auf dem Weidberg bei Kaltenwestheim mit der „ARCHE RHÖN“ in der „Erlebniswelt Imbissangebot: Rhönwald“. Mit der „Erlebniswelt Rhönwald“ und Montag–Freitag 15.00–18.00 Uhr der „ARCHE RHÖN“ ist im Herzen des Biosphä- Samstag und Sonntag 11.00–18.00 Uhr renreservats Rhön ein neues touristisches Famili- oder nach Vereinbarung enangebot entstanden, das gleichzeitig aktive und Gaststätte „Zum kleinen Wetzstein“ in der erlebbare Umweltbildung, einen bewussten Blick auf „Erlebniswelt Rhönwald“, Tel.: 0160-95716864 Hintergründe des Naturbildes und ein zusätzliches touristisches Angebot schafft. Öffnungszeiten: Genießen Sie bei uns und in unserer Umgebung die Montag–Freitag 10.00–17.00 Uhr idyllische Landschaft der Rhön, das Land der offe- Samstag und Sonntag 10.00–18.00 Uhr nen Fernen! Lassen Sie bei einem eindrucksvollen („ARCHE RHÖN“ und Fledermaushöhle); Panoramablick die Natur dieser Bilderbuchland- geänderte Öffnungszeiten im Winter schaft im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön auf sich wirken. Eintritt: „Erlebniswelt Rhönwald“ 1 €, „ARCHE RHÖN“ Ein Geheimtipp sind die mannigfaltigen Wanderwe- Personen ab 15 Jahre 4 €, Kinder bis 14 Jahre 3 €, (bis ge unter anderem der „Entdeckerpfad Hohe Rhön“ 3 Jahre frei), Erwachsene mit Behindertenausweis:3 €, von Unterweid bis Birx, DER HOCHRHÖNER Kinder mit Behindertenausweis 2 €, Gruppen ab 15 (Premiumwanderweg), der „Rhön-Rennsteig-Wan- Erwachsene 3,50 € pro Person, ab 15 Kinder 2,50 € derweg“ und verschiedene Wege des Rhönklubs. Seit pro Person, Rabatt für Familien Eltern mit schul- einigen Jahren haben die Junior-Ranger des Biosphä- pflichtigen Kindern bezahlen nur 9 € pro Familie renreservats Rhön/Thüringen in der Erlebniswelt Rhönwald Quartier bezogen. Als Treffpunkt für Standort: Veranstaltungen ist die Holzhütte ein wichtiger Be- „Erlebniswelt Rhönwald“, Weidberg/Am Rosengar- standteil der Umweltbildung mit Junior-Rangern und ten, 98634 Kaltenwestheim (neben Weidberg Cam- Jugendlichen aus der Region. Bei toller landschaft- ping)

93 VI. NEUE LITERATUR

Präsentationen:

1) „Rhöner Geologie erleben – 3 x 3 Rhöner Geotope”

Neben einem ausführlichen Internetangebot zur Rhöner Geologie gibt es ein länderübergreifendes Faltblatt, in dem je drei besondere Geotope in Bay- ern, Hessen und Thüringen vorgestellt werden.

Zudem gibt es für den bayerischen Teil des Biosphä- renreservats eine Broschüre, in der 50 spannende Fundstellen beschrieben werden, die dem Besucher Einblicke in die Erdgeschichte oder die wirtschaftli- che Nutzung des heimischen Gesteins bieten.

Zu erhalten ist das Faltblatt in den Informationszen- tren.

2) Die Rhön – Geschichte einer Landschaft (Katalog)

Der Katalog zur Ausstellung im Vonderau Museum Fulda (2015) beschreibt die Geologie, Naturkunde, Archäologie, Geschichte und Kunst in der Rhön. Das Buch bietet somit eine Übersicht zur Natur- und Kulturgeschichte der einzigartigen Mittelgebirgs- landschaft „Land der offenen Fernen”.

MICHAEL IMHOF VERLAG, 2015, ISBN: 978-3-7319-0272-0 Preis: 24,95 €

94 3) Die Rhön – Geschichte einer Landschaft

Die Autoren aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen beleuchten in ihren Beiträgen die Rhön als Natur- und Kulturlandschaft. Diese themen- und länderübergreifende Zusammenschau aus den Ge- bieten der Geologie, der Archäologie und der Kul- turlandschaftsforschung ist nicht nur für Spezialis- ten, sondern für alle an der Rhön Interessierten ein lesenswertes Kompendium.

MICHAEL IMHOF VERLAG, 2015, ISBN: 978-3-7319-0256-0 Preis: 29,95 €

4) Quellen der Rhön

Eines der Ziele des Biosphärenreservats Rhön ist die Kartierung aller Quellaustritte. Darauf aufbauend erfolgen vielfältige Maßnahmen zur Verbesserung und zum Erhalt der einzigartigen Quellstandorte. Die Rhön ist schon heute wie kein anderes Gebiet in Deutschland hinsichtlich ihrer Quellen erforscht und nimmt damit eine wichtige Vorreiterrolle und Vor- bildfunktion ein. Das vorliegende Heft zur Erfassung und zum Schutz der Quellen soll auch eine Anregung sein, sich mit die- sem Thema zu beschäftigen und kann Grundstein für ähnlich gelagerte Projekte in ganz Deutschland und Europa sein.

Herausgeber: Hessische Verwaltungsstelle Biosphä- renreservat Rhön, Landkreis Fulda, 2015 In allen Informationszentren erhältlich.

95 5) Bernshäuser Kutte

Anliegen der vorliegenden Publikation ist es, die Zie- le des Natur- und Artenschutzes für das seit 70 Jah- ren gesetzlich geschützte Naturschutzgebiet „Berns- häuser Kutte“ einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen. Die im Verlaufe der Jahre erfolgte Entwick- lung des für Thüringen und Mitteleuropa einmaligen Gebietes und die Zielstellung des Schutzes werden dargestellt. Die Gesichtspunkte der Pflege Nutzung und Erhaltung der betreffenden Flächen des Schutz- gebietes stehen im Mittelpunkt der Betrachtungen. Hier sind die örtlich verantwortlichen Mitarbeiter ebenso aufgerufen wie die Besucher und die „Bewirt- schafter“ des Gebietes. Möge die Publikation zum Verständnis und zur Un- terstützung für das Anliegen des Schutzgebietes bei- tragen. Die Broschüre im DIN-A5-Format ist bei der Ver- waltung des Biosphärenreservats Rhön, Goethestra- ße 1, 36452 Zella erhältlich.

6) Sternenpark Rhön. Warum der Schutz der Nacht Menschen und Natur so gut tut Dr. Mathias. R. Schmidt, Sabine Frank

Der im August 2014 Sieg über die Nacht hat seinen Preis. Diesen Begleit- von der Internatio- erscheinungen will man im Sternenpark mit konst- nal Dark Sky Asso- ruktiven Lösungen entgegenwirken. Mit dem richti- ciation ausgerufene gen Licht lässt sich erstaunlich viel erreichen. Sternenpark Rhön Klar gegliedert beschreiben die Autoren, wie man findet großes öffent- Außenbeleuchtung mit geringem Aufwand umwelt- liches Interesse. Das gerecht gestalten kann und warum die Stunden der in vieler Hinsicht natürlichen Dunkelheit für Menschen, Tiere und als modellhaft gel- Pflanzen so wichtig sind. Das ist nicht nur interes- tende UNESCO- sant für Menschen, die in dem Sternenpark leben. Biosphärenreservat Auch die vielen Besucher der Rhön können in ihren Rhön ist um eine Heimatregionen etwas für die Bewahrung der Nacht Dimension reicher. tun. Dieses Buch gibt dazu viele leicht umsetzbare Gleichwohl wissen viele Menschen noch nicht genau, Anregungen. worum es im Sternenpark eigentlich geht. Keines- wegs nur um romantisches Sternegucken, sondern Parzellers Buchverlag, Fulda 2015. um den Schutz der Nacht. Vielerorts wird es nachts ISBN 978-3-7900-0499-1, 140 Seiten, zahlreiche nicht mehr wirklich dunkel – mit negativen Auswir- Fotos, Abbildungen und Karten kungen für Mensch und Natur. Der vermeintliche Preis: 9,95 €

96 7) Das ist meine Natur – Die Nationalen Naturlandschaften Thüringens 2016 Werbebroschüre der Thüringer Tourismus GmbH

Weitere Informationen unter www.meine-natur. thueringen-entdecken.de Zu erhalten bei den Tourismusinformationsstellen Thüringens und auf Messen.

8) Auf vier leisen Sohlen

Das Sonderheft beschäftigt sich mit den streng ge- schützten Säugetierarten, also den im Anhang IV der FFH-Richtlinie verzeichneten Arten. Anliegen des Heftes ist es zu zeigen, wie und wo diese Säugetierarten in Thüringen leben, welchen Gefähr- dungen sie ausgesetzt sind und in welchem Zustand sich ihre Vorkommen befinden. Ebenso wichtig ist das Anliegen, laufende Projekte von Fachvereinigun- gen, Naturschutzverbänden oder der Naturschutz- verwaltung vorzustellen, die dem Schutz oder der Erforschung der vorgestellten Arten dienen.

97 Buch-Rezension:

Pusch, J., K.-J. Barthel & W. Heinrich (2015): Die Botaniker Thüringens

Nach dem „Verbrei- 1832) auf immerhin 20 Seiten die Pflanzenwelt ab- tungsatlas der Farn- handelte, Erwährung finden kann. Er war jener Forst- und Blütenpflanzen mann (Absolvent der Forstakademie Dreißigacker Thüringens“ (2002) 1814–1816), der seine 20-seitige Flora und der „Flora von – „nach den Klassen des Linné’schen System“ aufge- Thüringen“ (2006) listet und u.a. Linnaea borealis, das Moosglöckchen, nun „Die Botaniker auch „am Inselsberg in mittlerer Höhe“, Thüringens“ (2015) – Betula pumila broccenbergensis, nach Prof. Dr. Peter – welch eine wert- A. Schmidt (2011) eine von J. M. Bechstein beschrie- volle, beispielhafte bene Varietät, auf dem Sumpf im Oberschönauer biobibliografische Forst und Dianthus caesius als „Stein-Nelke“ nur am Zusammenstellung Hohenstein (Oberschönauer Forst) sowie für die Botaniker des – Hachen- (wohl Hachel-?) und Breitenstein (Breiten- thüringischen Raumes: 581 näher besprochene Thü- bacher Forst) vorkommen ließ, aber ringer Botaniker auf 932 Seiten mit über 5.000 ange- – beispielsweise auch den letzten Braunbärenabschuss gebenen Literaturstellen! im Thüringer Wald auf den „Anfang des 18. Jh. und Hinter allem stehen letztendlich Carl Haus- auf die Langengründer Wand bei Oberschönau ver- knechts‘ „Herbarium“ und die „Thüringische Bota- legte“. – nische Gesellschaft“ (Jena) sowie die vielfach bewährte fruchtbare Kooperation derselben mit der Thüringer Dieses im weitesten Sinne des Wortes vielseitige Werk Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG). sollte in keiner Bibliothek eines Heimatforschers feh- len, weil es aus den verschiedensten Gründen zu wei- Man sollte schon deshalb dieses Nachschlagewerk teren Nachforschungen anregen wird. nicht benutzen, ohne vorher das Geleitwort und die Einleitung (Anliegen des Buches, Entstehungsge- Wer das Buch erwerben möchte (zum Preis von 60,00 schichte, Personenkreis, ausgewertete Quellen, allge- Euro, inkl. Porto und Verpackung), sollte sich mit meine Hinweise, Kurzabriss zur Geschichte der floris- Herrn Dr. J. Pusch, Rottlebener Straße 67, 06567 tischen Erforschung Thüringens) gelesen zu haben. Frankenhausen oder per E-Mail: J.Pusch@kyffhaeu- ser.de, in Verbindung setzen. Für die thüringische Rhön, insbesondere das „Netz- werk“ Geisa-Unterweid, ist die „Ahnengalerie“ kom- plett. Für den Altkreis Schmalkalden wäre für die Walter Uloth, Seeba nächste Auflage wünschenswert, dass der Forstmann Friedrich Peter Zilcher (1798–1849), der in sei- ner so gut wie unbekannten und nicht zitierten Pub- likation „Die Herrschaft Schmalkalden in topogra- phischer und statistischer Hinsicht“ (Schmalkalden,

98 VII. AUSZEICHNUNGEN, EHRUNGEN, NACHRUFE

1) Denkmalpreis des Wartburgkreises für den Förderverein „Propstei Zella – Barock in der Rhön e.V.“ 2015 Regina Jahn, Dipl.-Ing.(FH), Landratsamt Wartburgkreis, Untere Denkmalschutzbe- hörde

tei übernahm danach die Verwaltung der Güter. Ca. 100 Jahre später brannten das Propsteigebäude und die Kirche ab. Der Neubau des Propsteigebäu- des erfolgte 1718 durch den namhaften Architekten der Fürstbischöfe, den italienischen Hofbaumeister Andrea Gallasini. Er entwarf auch die benachbarte katholische Propsteikirche Mariä Himmelfahrt, die 1732 fertiggestellt wurde. Mit der Säkularisierung 1802 wurde die fuldaische Propstei aufgehoben und als großherzogliches Kammergut weiter betrieben. 1911 wurden Teile des Gutes an die Bewohner von Zella verkauft, das Propsteigebäude blieb bis in die Gegenwart in der öffentlichen Hand. Seit der Wende ist die kleine Gemeinde Zella mit damals ca. 550 Einwohnern Eigentümerin der statt- lichen dreiflügeligen barocken Anlage. Damit obliegt ihr eine enorme Verantwortung bei der Erhaltung dieser Liegenschaft.

In dem Gebäude befanden sich vor der Sanierung die Pfarrerswohnung, einige leer stehende Wohnungen, Die Propsteianlage Zella zählt zu den herausragen- der Kindergarten und verschiedene Vereinsräume. den Bauwerken des Rhöner Barock in Thüringen und Die Planung für die umfassende, schrittweise Sanie- darüber hinaus. Zu dem Gesamtensemble gehören rung begann 1999. Dies stellte die Gemeinde vor eine neben dem Propsteigebäude natürlich die prachtvol- gewaltige Aufgabe. Insbesondere die Finanzierung le Barock-Kirche, der Ehrenhof, die Schlossscheune einer solch großen Investition ist für eine Gemeinde und der Barockgarten. Durch ihre architektonische mit ca. 500 Einwohnern ohne die Bereitstellung von Qualität und die exponierte Lage hat sie eine große Fördermitteln ein unmögliches Unterfangen. Bedeutung für die gesamte Kulturlandschaft der Mit der Planung und Bauleitung wurde von Anfang Rhön. an das Büro Kraus aus Dermbach beauftragt. Die Die Anfänge der Propstei gehen auf das Benedikti- ersten beiden Bauabschnitte – Umbau des linken nerinnenkloster Zella zurück, das 1136 durch den Seitenflügels im Erdgeschoss sowie des Kellerge- Grafen Erpho von Neidhartshausen gegründet wur- schosses – wurden von 2001 bis 2003 durchgeführt. de. 1186 wurde das Kloster zur Abtei erhoben und Diese hatten eine Gesamtvolumen von ~ 821.000 € gehörte ab 1284 zur Fürstabtei Fulda. Im Bauern- und hatten die Gemeindekasse für die Bereitstellung krieg wurde das Kloster 1525 zerstört, wieder auf- der notwendigen Eigenmittel bereits stark strapa- gebaut und schließlich 1550 aufgehoben. Die Props- ziert. Als nächste große und unbedingt notwendige

99 Bauabschnitte sollten die Sanierungen der Dächer die es überhaupt nicht möglich gewesen wäre, die von Ost- und Westflügel einschließlich der zugehö- Propstei zu sanieren. rigen Ecktürme folgen. Diese hatten eine Gesamt- So konnten auch in den darauf folgenden Jahren volumen von ~ 347.500 €. Es war abzusehen, dass 2007 bis 2011 Erdgeschoss, Obergeschoss und die Gemeinde hierfür ihren Eigenanteil nicht mehr Haupttreppenhaus instand gesetzt werden. Der aufbringen kann. Kindergarten wurde umfassend modernisiert und Da den Zellaern aber ihre Propstei sehr am Herzen es gelang, die Biosphärenreservatsverwaltung in der lag und liegt, gründete sich am 07.09.2005 der För- Propstei unterzubringen. Für diese Maßnahmen derverein „Propstei Zella – Barock in der Rhön“, waren Investitionen in Höhe von ca. 1.230.200,– € mit dem Ziel, die Propstei Zella als regionales Kul- notwendig. Die Gemeinde kam immer mehr in fi- turgut im Biosphärenreservat Rhön zu erhalten nanzielle Nöte. Aber vor allem der damalige Bür- und zu entwickeln. Vorsitzender des Vereins wur- germeister Herr Roland Kämpf, ebenfalls Mitglied de Thomas Kraus aus Dermbach, dessen Büro mit im Förderverein, setzte sich für die Fortführung des der Betreuung der Sanierung beauftrag worden war. Sanierungskonzeptes ein. Der Förderverein unter- Dies erwies sich immer wieder als positiv im Sinne stützte ihn in seinen Aktivitäten fachlich und auch der Sache. in moralischer Hinsicht. Es gelang mehrfach, För- derquoten von 85 % zu erzielen, was durchaus nicht In der Satzung wird der Zweck des Vereins zur Ver- selbstverständlich ist. wirklichung der Zielsetzung wie folgt formuliert: Insbesondere durch die Unterbringung der Bio- sphärenreservatsverwaltung und der zugehörigen – Entwicklung eines schlüssigen Konzeptes für den Ausstellung rückte die Propstei immer mehr in den Erhalt, die weitere Sanierung und den wirtschaft- Fokus der Öffentlichkeit. Natürlich trugen und tra- lichen Betrieb der Propstei gen auch die vom Förderverein organisierten Veran- – Sammlung von Mitteln für die weitere Sanierung staltungen und der Internetauftritt dazu bei, dass – Förderung der Entwicklung der Propstei zu ei- man die Propstei Zella in der Thüringer Rhön (wie- nem Zentrum des Rhöner Barock durch die Ini- der) kennt. tiierung verschiedener Aktivitäten wie z. B. Aus- Um regelmäßige kulturelle Veranstaltungen durch- stellungen, Barockrouten, Veranstaltungen und führen zu können, ist es das erklärte Ziel des Ver- Konzerten eins und der Gemeinde, den sehr repräsentativen – Steigerung des Bekanntheitsgrades der Propstei Festsaal in einen würdigen Zustand zu versetzen. Zella Allein dafür sind ca. 350.000 € erforderlich. Des- halb nutzte der Förderverein die letzten Jahre und Dass es der Verein damit ernst meinte, bewies er sammelte wieder eifrig Spenden für die Restau- zum ersten Mal bei der Spendenaktion für die rierung der wertvollen Deckengemälde des Fulda- Dachsanierung. Es gelang dem Verein, Spenden er Hofmalers Johan Karl Emanuel Wohlhaupter. in Höhe von 15.500,– € zu sammeln und so den Dieser hat unter anderem auch bei der Ausmalung notwendigen Eigenanteil der Gemeinde für die von Schloss Biebrich maßgeblich mitgewirkt. Die Dachsanierung zu gewährleisten. Die Freude über Gemälde zeigen allegorische und mythologische diese gelungene Aktion wurde mit der Abendveran- Szenen mit Bachus und Ariadne sowie die vier Erd- staltung „Propstei im Licht“ würdig gefeiert. teile und die vier Elemente. Die Restaurierung der Die Dachsanierung konnte in den Jahren 2004 bis Gemälde ist sehr aufwendig und zieht sich über 2006 realisiert werden. einen Zeitraum von ca. zwei Jahren hin. Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle die Durch das Engagement des Fördervereins gelang großzügige Bereitstellung von Finanzen durch die es, 38.150 € als Eigenanteil für die Restaurierung Städtebauförderung für alle Bauabschnitte, ohne des Festsaales zu sammeln. Diese werden durch

100 75.000 € des Thüringischen Landesamtes für Denk- mit dieser Pflege verbunden sind, kann jeder nach- malpflege zur Restaurierung der Deckengemälde vollziehen, der selbst einen Garten bewirtschaftet. ergänzt. Die Instandsetzung und Aufarbeitung der Wie viel Freude er den Besuchern gibt, können wir raumbegrenzenden Flächen (Fußboden, Wände, nur ahnen. Ich kann Ihnen einen Besuch auf jeden Stuckdecke, Kamine etc.) wird wieder durch die Fall empfehlen, nicht nur weil dort auf zwei Schie- Städtebauförderung unterstützt. So wurden extra fertafeln Sprichwörter zu finden sind, die das Motto anlässlich der heutigen Veranstaltung die Arbei- eines Denkmaleigentümers wiedergeben könnten: ten unterbrochen und ein Deckengemälde von der Restauratorin freigelegt. Nun ist vorgesehen, den „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt Saal bis zum Jahresende fertig zu stellen. werden, kann man Schönes bauen.“ Dann heißt es für den Verein und die Gemeinde: Kurz durchatmen und dann wieder Geld sammeln „Alles auf der Welt kommt auf einen gescheiten und gut vorbereitete Fördermittelanträge auf den Einfall und auf einen festen Entschluss an.“ Weg bringen, die natürlich durch qualifizierte Sa- nierungskonzepte untersetzt sein müssen, um auch Das besonders engagierte Vorgehen des Förder- die nächsten Maßnahmen umsetzen zu können. vereins an der Seite der Gemeinde Zella für die Dazu zählen die Sanierung der teilweise eingestürz- Erhaltung und Entwicklung der Propstei zu einer ten Stützmauer, die Fassaden des Propsteigebäudes, multifunktionalen Einrichtung, die als öffentliche die Umgestaltung des Gartens und die Instandset- Stätte des Gemeinwohls und der Kultur avanciert, zung der Scheune. ist beispielhaft für den Wartburgkreis und weit da- rüber hinaus. Eine Gemeinde mit aktuell 450 Ein- Last but not least möchte ich noch auf den wunder- wohnern und ein Verein mit 50 Mitgliedern, zu vollen Probsteigarten hinweisen und ihn würdigen. denen beinahe der gesamte Gemeinderat gehört, Dieser Kräuter- und Blumengarten wird durch Ver- können gemeinsam sehr viel erreichen, wenn sie sich einsmitglieder liebevoll gepflegt und ist für jeder- in den Dienst der Sache stellen und dabei engagiert mann zugänglich. Wie viele Stunden und Mühen vorgehen.

2) Nachruf: Prof. em. Dr. rer. nat. habil. Rudolf Hundt (1927–2015)

Rudolf Hundt wurde am 11. April 1927 in Kemberg (Sachsen-Anhalt) geboren. Sein Wunsch war es, Leh- rer zu werden und so besuchte er nach der Grund- schule das Lehrerseminar in Eilenburg. Nach dem II. Weltkrieg, von 1946 bis 1948, war er Neulehrer und begann 1948 ein Studium an der Pädagogischen Fa- kultät der Martin-Luther-Universität in Halle. 1951/52 kam Rudolf Hundt als wissenschaftlicher Assistent mit der Biologiemethodik in Kontakt, was eine wesentliche Prägung für den weiteren Lebens- weg wurde. Als Lehrer für die Erweiterte Oberschule Ehefrau Ursula Hundt, Dr. Hans Nositschka, Prof. und Diplombiologe im Jahre 1953 war Herr Hundt Rudolf Hundt, Walter Uloth und Karl-Friedrich Abe dann als Aspirant am Institut für systematische (v.l.n.r.) bei der Vorstellung der Monografie über die Mit- Botanik tätig. teldeutschen Wiesengesellschaften, 2002 (Foto: Archiv)

101 1956 promovierte er zum Thema „Die Auenwie- ebenso an der Entwicklung der Lehrpläne für den sen an der Elbe, Saale und Mulde” mit der wissen- Biologieunterricht, Wissensspeicher für erweiterte schaftlichen Betreuung von Hermann Meusel. In der Oberschulen, Lichtbildreihen und Unterrichtshil- NOVA ACTA LEOPOLDINA 1958 wurden die fen für Schüler und Lehrer aller auszubildenden Ergebnisse seiner Forschung als „Beiträge zur Wie- Hochschulen beteiligt. senvegetation Mitteleuropas“ veröffentlicht. Seine besondere Aufmerksamkeit legte Rudolf Von 1956 bis 1963 war Rudolf Hundt Dozent für Hundt auf die geobotanisch-ökologischen Untersu- das Fach Methodik des Biologieunterrichts und zu- chungen der Grünlandvegetation. Diese Forschun- gleich auch Leiter dieses Fachbereiches. gen eröffneten auch die Möglichkeiten, Wiesenve- 1963 habilitierte er mit dem Thema „Die Bergwie- getationen in England, Norwegen, Schweden, Polen, sen des Harzes, Thüringer Waldes und Erzgebirges” Südfrankreich, der Schweiz und Österreich zu un- an der Universität in Halle (erschienen im Gustav- tersuchen. Fischer-Verlag Jena (1964) in der Reihe vegetati- Rudolf Hundt leitete 33 Jahre den Bereich der Biolo- onskundlicher Gebietsmonographien). Neben Her- giemethodik in Halle und leistete damit eine überaus mann Meusel war Prof. Dr. Heinz Ellenberg (ETH erfolgreiche Arbeit bei der Ausbildung von Biologie- Zürich) einer der Gutachter seiner Habilarbeit. lehrern. Prof. Hundt hat mehr als 100 Diplomarbei- Mit der Berufung zum Professor für das Fachge- ten, 25 Dissertationen und 5 Habilitationen betreut. biet Methodik des Biologieunterrichts 1964 wurde Er verfasste 150 wissenschaftliche Publikationen, Herr Hundt mit dem Ausbau der Halleschen bio- darunter 8 Bücher bzw. Monografien. logiedidaktischen Forschung und Lehre beauftragt. Für seine Leistungen erhielt er Forschungspreise für Aufgrund seiner internationalen Achtung und An- Geobotanik, für die Unterrichtsmittelforschung und erkennung arbeitete Prof. Hundt auch in internatio- für die Umwelterziehung an der Martin-Luther-Uni- nalen Gremien, wie der UNESCO und der IUCN, versität Halle. mit. Er hielt Gastvorlesungen an ausländischen Uni- Von 1956 bis 1967 bearbeitete er die Thematik „Der versitäten und Studienaufenthalte führten ihn nach Biologieunterricht unter polytechnischem Aspekt”. Großbritannien, Japan, Österreich, Frankreich, Po- Dann folgte bis 1974 die Unterrichtsmittelforschung. len, Ungarn, Schweden und in die Schweiz. Veröf- Von 1975 bis zu seiner Emeritierung 1990 forschte fentlichungen dazu erfolgten in der Noca Acta Le- er zur Umweltbildung und Umwelterziehung, sei- opoldina, im Gustav-Fischer-Verlag und im Verlag nem Hauptwerk, und gründete noch im selben Jahr Volk und Wissen. die Forschungsgruppe „Umwelterziehung” an der Nach seiner Emeritierung führten ökologisch-vege- Martin-Luther-Universität. tationskundliche Untersuchungen der Wiesen und Weiden Rudolf Hundt auch in die Rhön, nach Rei- Rudolf Hundt nahm an der UNESCO-Weltkonfe- chenhausen, Erbenhausen, Schafhausen und Mel- renz 1977 in Tiflis teil, was seine Forschungstätigkei- pers. Durch einen glücklichen Umstand kam es 1997 ten sehr stark beeinflusste. zu einem Kontakt von Prof. Hundt zur Verwaltung des Biosphärenreservats. Durch diese Begegnung Unter seiner Leitung wurden 15 Unterrichtspro- und mit Unterstützung des damaligen Abteilungslei- jekte entwickelt und in der Schule getestet. Dazu ters im Umweltministerium, Dr. Hans Nositschka, gehörten z.B. die Entwicklung von Schülerarbeits- konnte die 1. Monografie in der Schriftenreihe „Mit- aufträgen zur Gestaltung komplexer, erkennt- teilungen aus dem Biosphärenreservat Rhön” mit dem nisprozessgerechter und erziehungswirksamer Titel „Vegetationskundliche Modelluntersuchung Schülertätigkeiten und die interdisziplinäre, fächer- am Grünland der Vorderen Rhön als Grundlage für übergreifende Gestaltung der Projekte unter Einbe- eine umweltgerechte Nutzung und deren ökologisch ziehung umweltrelevanter Fächer. Prof. Hundt war fundierte Förderung” 1999 publiziert werden.

102 Dieser Veröffentlichung folgten Gelände- und Pro- den – Bücher, die ihren großen Wert insbesondere jektarbeiten mit Schülern des Rhöngymnasiums in im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung des Kaltensundheim unter der Leitung des Biologieleh- Grünlandes haben. rers Bernd Baumann zum Thema „Renaturierung von Bergwiesengesellschaften.” Im Jahre 2005 wur- Bei sehr vielen Feldarbeiten zu den Wiesengesell- den die Ergebnisse des Grünlandversuches von Prof. schaften und bei der Zusammenstellung und Aus- R. Hundt im 7. Beiheft der „Mitteilungen aus dem wertung der Ergebnisse begleitete ihn seine Ehefrau Biosphärenreservat Rhön” veröffentlicht. Ursula. Ihr gebührt an dieser Stelle ebenfalls große Anerkennung und Dank. Als eines seiner wichtigsten wissenschaftlichen Ar- Das Leben und Forschen für die Erhaltung der Wie- beiten und als eines seiner Lebenswerke kann die sengesellschaften ist untrennbar mit dem Namen Monografie „Ökologisch-geobotanische Untersu- Rudolf Hundt verbunden. Sein Wissen lebt in sei- chungen an den mitteldeutschen Wiesengesell- nen Forschungsarbeiten weiter und dafür danken wir schaften unter besonderer Berücksichtigung ihres ihm ganz herzlich. Wasserhaushaltes und ihrer Veränderung durch die Intensivbewirtschaftung im Rahmen der Großflä- Ursula Hundt danken wir für die fürsorgliche Be- chenproduktion“ (3. Monografie der Mitteilungen gleitung und Unterstützung ihres Ehegatten. aus dem Biosphärenreservat Rhön, 2001) angesehen werden. Mit diesen Publikationen konnte der gro- (Quelle: Laudatio von Prof. Wolfgang Lerchner zum ße Wissensschatz und die breiten Erfahrungen von Festkolloquium anlässlich seines 70. Geburttags). Prof. Dr. Rudolf Hundt über Teile des Grünlandes in der Rhön und über die Wiesengesellschaften in Mitteldeutschland gesichert und der Fachwissen- Karl-Friedrich Abe schaft bzw. Landwirtschaft zugänglich gemacht wer- Biosphärenreservat Rhön/ Verwaltung Thüringen

3) In memoriam Volker Trauboth (1936 –2015)

An seinem 79. Geburtstag schloss Volker Trauboth für immer die Augen. Ein solch schmerzlicher Ver- lust trifft zuerst seine unmittelbaren Angehörigen, die Familie und engsten Verwandten und Bekann- ten, bleibt aber auch für seine Freunde und Mit- streiter aus Forstdendrologie und Naturschutz nicht ohne Folgen. Lücken dieser Art sind nicht so leicht zu schließen.

Geboren im „Lukas-Cranach-Haus“ in Weimar, ver- brachte er seine Kindheit im Elternhaus in Hessero- de (Kreis Nordhausen, Grafschaft Hohnstein), wo er auch von September 1943 bis Juli 1950 die Grund- schule besuchte, daran anschließend von September 1950 bis Juli 1951 in Nordhausen. Die Lehre als Forstfacharbeiter im Staatlichen Forstwirtschafts- Volker Trauboth 2015 (Foto: privat) betrieb (StFB) Nordhausen erstreckte sich von 1951

103 bis 1953, dem sich der Besuch der Erweiterten Ober- Als Trost bleibt uns, dass Volker seine umfangrei- schule (EOS) von September 1953 bis August 1956 chen Erkenntnisse nicht für sich behalten, sondern an der Arbeiter- und Bauernfakultät (ABF) „Fred in zahlreichen Publikationen der Nachwelt hinter- Oelßner“ in Jena anschloss. Das Studium der Forst- lassen hat. Für die Südwestthüringer Region soll wissenschaft mit Abschluss als Diplom-Forst-Ingeni- dies unter besonderer Berücksichtigung eines seiner eur erfolgte von September 1956 bis 18.12.1960 an wichtigsten Betätigungsfelder, der Eibenforschung der Forstwirtschaftlichen Fakultät Eberswalde der und dem Eibenschutz, hier aufgelistet sein: Humboldt-Universität zu Berlin, eine Betriebsassis- tenzzeit vom 1. Januar bis 30. November 1961 im 1974 StFb Blankenburg/Harz. Untersuchungen zum Naturschutzgebiet „Ibengar- ten“ (Krs. Bad Salzungen). Landschaftspflege und Die berufliche Laufbahn gliederte sich in drei Etap- Naturschutz in Thüringen11 (2): 78–82 pen: Als – Forsteinrichter finden wir ihn von 1961 bis 1991 1966 in der Forsteinrichtung in Weimar Wachstumsverlauf von Jungeiben (Taxus baccata) im – Waldbauleiter von 1966 bis 1991 im StFb Naturschutzgebiet „Ibengarten“ in der Thüringer Bad Salzungen und Rhön.- Naturschutzreport 26: 19-37 – Leiter der Landesforstdirektion des Thü- ringer Ministeriums für Landwirtschaft 2004 und Forsten von 1991 bis 2000 in Oberhof Vergleich der Eibenerfassung von 1929 und 1972 im „Ibengarten“. – Mitteilungen aus dem Biosphären- Als Rentner tritt er ab 1. Juni 2000 in den (Un-)Ru- reservat Rhön, 6. Beiheft: 22–43 hestand. 2005 Am 28.10.1967 heiratete er die Industriekauffrau Wachstum der Alteiben (Taxus baccata) im Natur- Thea, geb. Beyer. Volker Trauboth blieb zeit seines schutzgebiet „Ibengarten“ (Thüringen). Artenschutz- Lebens parteilos. Aufgrund seines soliden Wissens report 18: 15–31 und Könnens und seiner Art des Umgangs mit Mit- arbeitern und Ehrenamtlichen wurden seine Arbeits- 2006 ergebnisse und Leistungen mehrfach anerkannt. Pflanzungen des Riesenlebensbaumes (Thuja plicata) Im ehrenamtlichen Bereich waren es die Ehrennadel in Thüringen. – Forst und Holz 61: 373–376 für Naturschutz in Silber und Gold (1973 und 1975) und der Agrarwissenschaftlichen Gesellschaft in Sil- 2013 ber und Gold (1973 und 1979), in seiner beruflichen Die Rückkehr der Eiben (Taxus baccata) in den Wirt- Tätigkeit steht ein zweifacher Aktivist (1974 und schaftswäldern Thüringens. – Artenschutzreport 31: 1979), die Medaille für hervorragende Leistungen in 20–27 der Forstwirtschaft (1983) und schließlich das Ban- ner der Arbeit, Stufe I (1984) zu Buche. 2013 Die Rhön und die „alten“ Römer. – Mitteilungen aus Volker Trauboth genoss uneingeschränkte Autorität dem Biosphärenreservat Rhön (11. Beiheft Botanik I): z. B. in ehrenamtlichen Gremien des Kulturbundes 69–75 der DDR (Kreisvorsitzender der Gesellschaft für Natur und Umwelt Bad Salzungen und im Bezirks- 2015 fachausschuss Dendrologie und Gehölzkunde der Misslungener Zirbelkieferanbau in Thüringer Wald Gesellschaft für Natur und Umwelt). und Rhön. – Artenschutzreport 34: 12–18

104 Der Ibengarten – einer der Lieblingsplätze von Volker Trauboth. (Foto: K.-Fr. Abe)

Lebensnähe, Aufgeschlossenheit und Flexibilität, menstellung wichtiger biobliografischer Daten dan- unkompliziertes, aber konsequentes Herangehen bei ken wir der Witwe, Frau Thea TRAUBOTH, und beruflichen und ehrenamtlichen Herausforderungen dem Leiter des Naturschutzzentrums „Alte Warth“, zeichneten Volker Trauboth aus und machten ihn zu Herrn Bernd RETHER. einem geschätzten Berater und Gutachter und zu ei- nem zuverlässigen Partner bei Streitfragen und Kon- Sein Sohn, Uwe Trauboth, trat in die Fußstapfen fliktsituationen im Naturschutz. Zu erwähnen sind seines Vaters und ist heute Revierleiter im Revier auch seine wertvollen und sehr engagierten Exkursi- „Kreuzstein“ im Wartburgkreis. onen in eines seiner Lieblingsgebiete, den Ibengarten.

Anzuregen wäre noch: Vielleicht kann man an einer Karl-Friedrich Abe passenden Stelle im Ibengarten eine Sitzbank zu Eh- Leiter der thüringischen Verwaltung ren dieses Forstmannes aufstellen und damit auch öf- des Biosphärenreservats Rhön und fentlich sichtbar an die geleistete Arbeit erinnern und ihm so ein ehrendes Andenken bewahren. Walter Uloth Für die Unterstützung bei der Sichtung und Zusam- Freundeskreis „J. M. Bechstein“ im HFG

105 VIII. Wissenswertes

Wussten Sie schon, dass ... der Ahn aller Äpfel aus Zentralasien über die Sei- denstraße nach Europa kam? (NATIONAL GEOGRAPHIC, 9/2015)

Wussten Sie schon, dass ... es in der Rhön 170 Apfel-, 38 Birnen- und 12 Pflau- mensorten gibt? Für die Thüringer Rhön sind es 124 Apfel-, 25 Birnen- und 7 Pflaumensorten.

Wussten Sie schon, dass ... um die Propstei Zella ein Streuobstlehrgarten und ein Klostergarten angelegt ist? Beide sind jeder- zeit öffentlich begehbar. Zahlreiche Infotafeln und Lehrschilder benennen die Obstsorten- und Pflan- zenarten.

Wussten Sie schon, dass ... die wilden Vorfahren der modernen Erdbeeren in Ein Beispiel für die Vielfalt an Apfelsorten Nord- und Südamerika wuchsen? (Foto: K.-Fr. Abe) (NATIONAL GEOGRAPHIC, 9/2015)

Wussten Sie schon, dass ... das Biosphärenreservat Rhön (2.433 km2) fast so groß wie das Saarland (2.569 km2) ist?

Wussten Sie schon, dass ... das „Grüne Band“ in Deutschland fast 1.400 km lang ist und durch die Rhön etwa 120 km führen?

Wussten Sie schon, dass ... das die Rhön bereits zwei internationale Auszeich- Durch fortlaufende Zucht entstanden diese modernen nungen besitzt? Zum einen die UNESCO-Aus- Früchte. (Foto: K.-Fr. Abe) zeichnung als „Modelregion von Weltrang“ und zum anderen als „Sternenpark“ durch die International Dark Sky Assosiation.

106 NOTIZEN

107 NOTIZEN

108 25 Jahre Nationalparkprogramm

Nationalpark Jasmund

Biosphärenreservat Nationalpark Vorpommersche Südost-Rügen Boddenlandschaft

Nationalpark Müritz Naturpark Schaalsee

Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin

Biosphärenreservat Mittlere Elbe

Naturpark Märkische Schweiz

Gebiet der Naturpark Drömling ehemaligen

DDR Biosphärenreservat Spreewald

Nationalpark Hochharz

Nationalpark Sächsische Schweiz 25 Jahre Nationalparkprogramm Biosphärenreservat Rhön

Biosphärenreservat Vessertal Nationalparke – Biosphärenreservate – Naturparke

Schmuckblatt außen

25 Jahre Schutz, Pflege und Entwicklung für das „Tafelsilber der deutschen Einheit“

Als letzter Tagesordnungspunkt der letzten Darüber hinaus wurden 1990 durch den überführt. Das Nationalparkprogramm wurde Sitzung des Ministerrates der DDR wurde Ministerrat der DDR weitere zehn Naturpar- damit ein Beitrag zum Naturschutz im geein- am 12. September 1990 der „Beschluss zu ke sowie ein Nationalpark einstweilig sicher- ten Deutschland und ein wesentlicher Bau- den Verordnungen über die Festsetzung von gestellt, die auch dem Nationalparkprogramm stein zur Sicherung des Naturerbes in Europa. Nationalparken sowie von Naturschutzgebie- zugeordnet werden. Hier sind aus thüringi- ten und Landschaftsschutzgebieten von zen- scher Sicht die Naturparke „Thüringer Schie- Für Thüringen lieferte das Nationalpark- traler Bedeutung als Biosphärenreservate und fergebirge/Obere Saale“, „Kyffhäuser“ und programm den Grundstein für die heutigen Naturparke“ gefasst. „Eichsfeld-Hainich-Werratal“ zu nennen. Nationalen Naturlandschaften Thüringens. Fünf Nationalparke, sechs Biosphärenreser- Der Naturpark „Thüringer Wald“ war Be- Mit großräumigen Schutzgebieten sollen die vate (darunter die thüringische Rhön und die standteil der erweiterten Arbeitsplanung. Kernstücke eines zeitgemäßen und zukunfts- Erweiterung des seinerzeit schon bestehen- Als „Tafelsilber der deutschen Einheit“ wur- orientierten Naturschutzes festgelegt und res- Meininger Briefmarkensammlerverein den Biosphärenreservats Vessertal) und drei den die 14 ausgewiesenen Gebiete in den Ei- sourcenschonende Landnutzung modellhaft Naturparke wurden ausgewiesen. Damit ge- nigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik entwickelt werden. lang es, 4,5 % der Fläche der DDR unter einen Deutschland und der Deutschen Demokra- hochrangigen Schutz zu stellen. tischen Republik in bundesdeutsches Recht

Schmuckblatt innen Impressum

Herausgegeben vom Biosphärenreservat Rhön Verwaltung Thüringen Probstei, Goethestraße 1 36452 Zella/Rhön Telefon: 036964/8683-30 Fax: 036964/8683-55 E-Mail: [email protected] Internet: www.brrhoen.de

Das Biosphärenreservat Rhön gehört zu den „Nationalen Naturlandschaften“ der Dachmarke der deutschen Nationalparks, Biosphärenreservate und Naturparks getragen von EUROPARC Deutschland e.V.: www.europarc-deutschland.de