Protokoll-Nr. 19/15

19. Wahlperiode Ausschuss für Arbeit und Soziales

Wortprotokoll der 15. Sitzung

Ausschuss für Arbeit und Soziales Berlin, den 24. September 2018, 13:00 Uhr 10557 Berlin Paul-Löbe-Haus E 200

Vorsitz: Dr. , MdB

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

Einziger Punkt der Tagesordnung Seite 258 a) Antrag der Abgeordneten , Jutta Federführend: Ausschuss für Arbeit und Soziales Krellmann, Matthias W. Birkwald, weiterer Mitberatend: Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro pro Ausschuss für Kultur und Medien Stunde erhöhen BT-Drucksache 19/96

b) Antrag der Abgeordneten Susanne Ferschl, Federführend: Ausschuss für Arbeit und Soziales Matthias W. Birkwald, , weiterer Mitberatend: Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Ausschuss für Wirtschaft und Energie Mindestlöhne wirksam kontrollieren

BT-Drucksache 19/1828

19. Wahlperiode Seite 254

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c) Antrag der Abgeordneten Susanne Ferschl, Federführend: Ausschuss für Arbeit und Soziales Matthias W. Birkwald, Fabio De Masi, weiterer Mitberatend: Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn aufheben BT-Drucksache 19/1829

d) Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Federführend: Ausschuss für Arbeit und Soziales , Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,

weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN Mindestlohn erhöhen und für alle konsequent durchsetzen BT-Drucksache 19/975

19. Wahlperiode Protokoll der 15. Sitzung Seite 255 vom 24. September 2018

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Mitglieder des Ausschusses Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder CDU/CSU Lezius, Antje Knoerig, Axel Oellers, Wilfried Schimke, Jana Schummer, Uwe Weiß (Emmendingen), Peter Zimmer, Dr. Matthias SPD Bartke, Dr. Matthias Kapschack, Ralf Kolbe, Daniela Rützel, Bernd Schmidt (Wetzlar), Dagmar AfD Pohl, Jürgen Kleinwächter, Norbert Schneider, Jörg FDP Beeck, Jens Cronenberg, Carl-Julius Mansmann, Till DIE LINKE. Birkwald, Matthias W. Ferschl, Susanne Krellmann, Jutta BÜNDNIS 90/DIE Kurth, Markus GRÜNEN Lehmann, Sven Müller-Gemmeke, Beate

19. Wahlperiode Protokoll der 15. Sitzung Seite 256 vom 24. September 2018

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Ministerien Herber, RRin Dr. Stefanie (BMAS) Kramme PStSin Anette (BMAS) Römer, Ref Dr Christoph (BMAS) Schneider-Sievers, MRin Astrid (BMAS) Vollert, MR Michael (BMAS) Fraktionen Beitz, David (FDP) Conrad, Gerrit (SPD) Dossenbach, Markus (AfD) Heise, Rene (CDU/CSU) Landmann, Jan (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Landua, Raphael (FDP) Lehr, Petr (FDP) Rasmussen-Bonne, Dr. Ulrike (CDU/CSU) Schulze, Norina (CDU/CSU) Thiel, Stephanie (SPD) Walther, Mandy (AfD) Bundesrat Hilscher, Carina (HB) Hofmann, ROARin Gabi (ST) Kynast, RD Martin (SN) Sachverständige Brehe, Goswin (Gewerkschaft der Polizei Bezirksgruppe Zoll) Möller, Prof. Dr. Dr. h. c. Joachim (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) Schubert, Dr. Marlene (Zentralverband des Deutschen Handwerks) Schulten, Prof. Dr. Thorsten Sell, Prof. Dr. Stefan Stolz, Natalia (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) Thüsing, Prof. Dr. Gregor Wagner, Michael (Deutscher Gewerkschaftsbund) Wohlfeil, Jens Dirk (Handelsverband Deutschland - HDE e.V.) Wolff, Helena (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände)

19. Wahlperiode Protokoll der 15. Sitzung Seite 257 vom 24. September 2018

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Einziger Punkt der Tagesordnung trollieren“ auf Drucksache 19/1828, Antrag der Abge- ordneten Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, Fabio a) Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta De Masi, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE Krellmann, Matthias W. Birkwald, weiterer LINKE. „Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. aufheben“ auf Drucksache 19/1829 sowie der Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Anja Hajduk, Dr. Den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro pro Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter Stunde erhöhen und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dem Titel „Mindestlohn erhöhen und für alle konsequent BT-Drucksache 19/96 durchsetzen“ auf Drucksache 19/975. Die von den Verbänden, Institutionen und Einzelsach- verständigen abgegebenen Stellungnahmen liegen Ihnen auf Ausschussdrucksache 19(11)117 vor. b) Antrag der Abgeordneten Susanne Ferschl, Von Ihnen, den hier anwesenden Vertreterinnen und Matthias W. Birkwald, Fabio De Masi, weiterer Vertreter der Verbände, Institutionen und von den Ein- Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. zelsachverständigen wollen wir hören, wie Sie die Vor- lagen beurteilen. Mindestlöhne wirksam kontrollieren Zum Ablauf der heutigen Anhörung darf ich folgende BT-Drucksache 19/1828 Erläuterung geben: Die uns zur Verfügung stehende Beratungszeit von 90 Minuten wird nach dem üblichen Schlüssel entspre- chend ihrer jeweiligen Stärke auf die Fraktionen aufge- c) Antrag der Abgeordneten Susanne Ferschl, teilt. Dabei wechseln die Fragestellerinnen und Frage- Matthias W. Birkwald, Fabio De Masi, weiterer steller nach jeder Frage - das heißt also: eine Frage, eine Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Antwort. Um die knappe Zeit effektiv zu nutzen, sollten möglichst präzise Fragen gestellt werden, die konkrete Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn Antworten zulassen. Wegen der Kürze der zur Verfü- aufheben gung stehenden Zeit sind Eingangsstatements der Sach- verständigen nicht vorgesehen. Hierzu dienen im Übri- BT-Drucksache 19/1829 gen die vorgelegten schriftlichen Stellungnahmen. Schließlich noch der Hinweis, dass es heute am Ende der Befragungsrunde eine so genannte „freie Runde“ von 10 Minuten geben wird - hier können die Fragen d) Antrag der Abgeordneten Beate Müller- aus allen Fraktionen kommen. Gemmeke, Anja Hajduk, Dr. Wolfgang Ich begrüße nun die Sachverständigen und rufe sie da- Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und der für einzeln auf: Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vom Deutschen Gewerkschaftsbund Herrn Michael Mindestlohn erhöhen und für alle konsequent Wagner, von der Gewerkschaft der Polizei – Bezirks- gruppe Zoll – Herrn Goswin Brehe, von der Bundesver- durchsetzen einigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Frau Na- BT-Drucksache 19/975 talia Stolz und Frau Helena Wolff, vom Zentralverband des Deutschen Handwerks Frau Dr. Marlene Schubert, vom Handelsverband Deutschland Herrn Jens Dirk Wohlfeil, vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor- Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle- schung Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Möller, als Ein- gen, zu der heutigen öffentlichen Anhörung im Aus- zelsachverständige heiße ich sehr herzlich Willkom- schuss für Arbeit und Soziales begrüße ich Sie ganz men: Herrn Prof. Dr. Gregor Thüsing, Herrn Prof. Dr. herzlich. Zunächst möchte ich die Parlamentarische Stefan Sell sowie Herrn Prof. Dr. Thorsten Schulten. Staatssekretärin Annette Kramme ganz herzlich will- kommen heißen. Gegenstand unserer heutigen Anhö- Wir beginnen jetzt mit der Befragung der Sachverstän- rung sind die folgenden Vorlagen: Antrag der Abgeord- digen. Dazu bitte ich, dass gleich zu Beginn die entspre- neten Klaus Ernst, , Matthias W. Birk- chende Institution bzw. der oder die Sachverständige wald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- genannt wird, an die oder den die Frage gerichtet ist. KE. mit dem Titel „Den gesetzlichen Mindestlohn auf Ich bitte nun die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion, ihre 12 Euro pro Stunde erhöhen“ auf Drucksache 19/96, Fragen zu stellen. Antrag der Abgeordneten Susanne Ferschl, Matthias W. Abgeordneter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Meine Birkwald, Fabio De Masi, weiterer Abgeordneter und erste Frage geht an die Vertreter von BDA und DGB. In der Fraktion DIE LINKE. „Mindestlöhne wirksam kon- Deutschland legt nicht irgendein politisches Gremium,

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sondern die Mindestlohnkommission den Mindestlohn dazu dienen soll, die Tarifautonomie gerade im Niedrig- fest, paritätisch besetzt von Gewerkschaften und Arbeit- lohnsegment zu stärken. Wir glauben auch nicht, dass geberverbänden. Nach den ersten Erfahrungen mit die- eine Zunahme von Wissenschaftlern z. B. mit Stimm- ser Mindestlohnkommission: Wie ist Ihr Urteil? Funkti- recht dafür sorgen würde, dass zum Beispiel der Min- oniert diese Mindestlohnkommission? Ist das eine Form destlohn schneller steigen würde. Wir haben die Zu- der Zusammenarbeit, die sich aus Ihrer Sicht bewährt sammensetzung der Mindestlohnkommission bereits hat? Hätten Sie Anregungen, wie wir die Arbeit dieser dahingehend ausgestaltet, dass dort Wissenschaftler Mindestlohnkommission für die Zukunft fortführen drin sitzen mit zum Beispiel beratendem Mandat, die sollten? das auch wirklich sehr gut machen. Außerdem haben wir Wissenschaftler innerhalb der Geschäftsstelle, die Sachverständige Stolz (Bundesvereinigung der Deut- uns dazu beraten. Von daher kann ich es damit belas- schen Arbeitgeberverbände): Die BDA stellt fest, dass sen. die Mindestlohnkommission in ihrer Konstellation sehr gut funktioniert. Wir hatten bereits zwei Beschlüsse zu Abgeordneter Oellers (CDU/CSU): Meine Frage richtet Mindestlohnanpassungen, die sich beide, wie auch im sich an das IAB und an Herrn Prof. Dr. Thüsing, an- Gesetz vorgesehen, an der nachlaufenden Tariflohnent- schließend an die erste Frage: Welche Vorteile sehen wicklung orientiert haben, wie es auch in der Ge- Sie, dass die Festlegung der Anpassung des Mindest- schäftsordnung der Mindestlohnkommission weiter lohns bei einer Mindestlohnkommission liegt? Was präzisiert worden ist. Damit konnten politische Forde- spricht aus Ihrer Sicht dagegen, diese Festlegung als Ge- rungen nach z. B. 12 Euro Mindestlohn abgewehrt wer- setzgeber vorzunehmen? den. Das Gute ist, dass diese Systematik, an die sich die Sachverständiger Prof. Dr. Dr. h. c. Möller (Institut für Mindestlohnkommission hält, den Betrieben z. B. auch Arbeitsmarkt- und Berufsforschung): Ich habe mich im Planungssicherheit gibt. Der Tariflohnindex, den sich Vorfeld der Mindestlohneinführung für das britische die Mindestlohnkommission als Grundlage nimmt für Modell ausgesprochen, die Low-Pay-Commission. Das die Orientierung an der Tariflohn-Entwicklung, ist für ist eine Kommission, die keinem imperativen Mandat jedermann einsehbar auf der Homepage des Statisti- unterliegt und in der ein Konsensprinzip besteht. Es ist schen Bundeamtes und wird jeden Monat aktualisiert. nun anders gekommen und ich halte die jetzige Lösung Das bedeutet, alle Betriebe oder auch die Beschäftigten, für Deutschland doch auch für praktikabel und gut, vor jeder kann einsehen, wie sich die Tariflohnentwicklung allem weil die bisherige Praxis das eigentlich bestätigt weiterentwickelt und wie sich dann auch maßgeblich in hat, Deswegen kann ich meinen Vorrednerinnen und einem bestimmten Rahmen der Mindestlohn entwickeln Vorrednern da folgen. Die wichtige Stellung der Wis- wird. Das ist für die Planungssicherheit der Betriebe senschaft wird auch durch die Aufträge der Mindest- besonders wichtig. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass lohnkommission an die Wissenschaft erfüllt. Evidenz- durchaus auch die konjunkturelle Entwicklung durch basierte Politik, das ist das Schlagwort, wofür ich auch diese Orientierung an der nachlaufenden Entwicklung stehe und das IAB steht. Ich glaube, dass das in keinem berücksichtigt wird. Denn in die verschiedenen Tarifer- Widerspruch zu den institutionellen Regelungen steht. gebnisse der einzelnen Branchen, die in den Tariflohn- Ich würde mir da aber noch ein bisschen mehr wün- index hineinfließen, fließen all die Abwägungen der schen. Die Frage ist, wie eng die Bindung an die Tarif- einzelnen Branchen ein, ob im Dienstleistungssektor, im lohnentwicklung interpretiert wird. Ich würde da Industriesektor, aus den Regionen oder aus der Bundes- durchaus etwas mehr Spielraum sehen. Ich finde, da ebene.. Das bedeutet, dass diese Mindestlohnanpassung bindet sich die Kommission etwas zu stark. auch ein sehr guter Konjunkturbarometer ist, das hier bei der Anpassung des Mindestlohns verwendet wird. Sachverständiger Prof. Dr. Thüsing: Ich darf nahtlos Des Weiteren positiv zu bewerten ist bei der Anpassung anknüpfen an das, was Kollege Möller gesagt hat. Eine des Mindestlohns, durch diese nachlaufende Entwick- Mindestlohnfestsetzung sollte zum einen evidenzbasiert lung, die man hier zur Grundlage nimmt, keine bun- erfolgen und zum anderen unabhängig von der Politik. desweit geltenden, aktuellen Lohntarifverträge außer Die Evidenzbasierung scheint geglückt zu sein. Die wis- Kraft gesetzt wurden und auch keine für allgemeinver- senschaftlichen Erkenntnisse, die auch teilweise durch bindlich erklärten Branchenmindestlohntarifverträge. die Mindestlohnkommission in Auftrag gegeben wer- Was den Vorteil hat, dass die Verhandlungen der Sozi- den, werden berücksichtigt. Insofern sehe ich da keine alpartner auf der Branchenebene, die hier für die ver- Defizite, die es zu korrigieren gälte. Es gibt meines Er- schiedenen Branchen aus verschiedenen Regionen, die achtens auch gute Gründe dafür, die Festsetzung des Lohne verhandeln, durch den Mindestlohn nicht kon- Mindestlohns nicht stärker in die politische Verantwor- terkariert werden. Diese Regelgebundenheit sollte aus tung zu setzen. Es ist gut gewesen, dass man dies insbe- Sicht der BDA beibehalten werden und auch die Kons- sondere durch eine die Tarifpartner berücksichtigende tellation der Mindestlohnkommission. Deswegen sollten Kommission getan hat. Ein politisch festgelegter Lohn auch keine weiteren Wissenschaftler hinzukommen o- würde sich letztlich nicht an dem orientieren, was eine der ihnen auch kein Stimmrecht gegeben werden. unabhängige Kommission ganz in den Vordergrund schieben würden, nämlich Evidenz und die Auswir- Sachverständiger Wagner (Deutscher Gewerkschafts- kung auf bestehende Tarifverträge und das richtige Ein- bund): Ich kann mich in vielen Bereichen der Kollegin passen in das Gefüge bestehender Tarifverträge. Ein po- von der BDA anschließen. Für uns ist es klar, dass die litischer Lohn kann ein wahlkampfbedingter Lohn sein. Zusammensetzung der Mindestlohnkommission auch

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Es war eines der Versprechen Putins in seinem Wahl- wurde. Diese war auch eingebettet in eine überaus gute kampf, den Mindestlohn zu erhöhen für den Fall seiner konjunkturelle Entwicklung und in eine gute und posi- Wahl. Solche Szenarien wollen wir in Deutschland tive Beschäftigungsentwicklung, die wir am Arbeits- nicht. Der Mindestlohn soll kein Wahlkampfschlager markt haben. Deswegen - und das hält der Bericht auch werden, sondern er soll durch eine unabhängige Kom- fest - kann an dieser Stelle auch noch nicht abschlie- mission, so wie es jetzt geschieht, festgelegt werden. ßend bewertet werden, dass der Mindestlohn vollkom- Gerade dies sichert auch die Einbindung der Tarifver- men unschädlich ist für den Arbeitsmarkt. Das ist ein tragspartner in das Zustandekommen dieses Lohns. Das wesentliches Ergebnis dieses Berichtes. Natürlich gab es Wechselspiel zwischen Mindestlohn und Tariflohn ist gesamtwirtschaftlich durch diese gute konjunkturelle schon von den beiden Vertretern der Verbände be- Entwicklung keine großen Effekte, die man durch die schrieben worden. Ich wüsste keine Besseren, der auf Mindestlohneinführung gesehen hat. Nichtsdestotrotz dieses Wechselspiel behutsam Acht gibt, als die Vertre- heißt das nicht, dass es in vielen Betrieben auf der regi- ter in der Mindestlohnkommission. onalen Ebene und in bestimmten Branchen natürlich auch zu Einschnitten und zu Veränderungen durch den Abgeordneter Prof. Dr. Zimmer (CDU/CSU): Ich habe Mindestlohn kam. Ob es jetzt Preisanhebungen waren eine Frage an das IAB und an die BDA. Was sind Ihrer oder auch Veränderungen im gesamten Lohngefüge, das Meinung nach die Kernaussagen des zweiten Bereichs hält der Bericht hier an dieser Stelle noch einmal fest. der Mindestlohnkommission zu den Auswirkungen des Und was auch deutlich wird in dem Bericht ist, dass die Mindestlohnes, und welche Folgerungen sollten daraus eigentlichen politischen Ziele, die der Mindestlohn - gezogen werden? ursprünglich von der Politik gewollt -verfolgen sollte, Sachverständiger Prof. Dr. Dr. h. c. Möller (Institut für die Reduzierung des Armutsrisikos und die Verringe- Arbeitsmarkt- und Berufsforschung): Der zweite Bericht rung des Niedriglohnsektors sowie die Reduzierung der der Mindestlohnkommission geht auf die Forschungser- Aufstocker nicht erreicht wurden. Und zwar nicht des- gebnisse einmal zu den Beschäftigungswirkungen ein wegen, weil der Mindestlohn zu niedrig ist, sondern und auf die Lohnwirkungen und spiegelt da gut wider, weil der Mindestlohn gar nicht das richtige Instrument was in der wissenschaftlichen Diskussion als Ergebnis dafür ist, diese Ziele zu erreichen. Im Bericht wird herausgefunden worden ist: nämlich dass die Beschäfti- nochmal festgelegt, dass es keine oder kaum Verände- gungswirkung der bisherigen Mindestlohnregelung sehr rungen gab im Niedriglohnsektor in der Zusammenset- gering ist, übrigens um mehr als eine Zehnerpotenz zung und in der Größe. Die Zahl der Aufstocker ist niedriger als die schlimmen Befürchtungen, die im Vor- wirklich nur ganz geringfügig zurückgegangen. Auch bei feld von manchem Ökonom geäußert worden sind. Das den geringfügig Beschäftigten hatten wir gesehen, dass muss man - glaube ich - festhalten. Auf der anderen Sei- es im Endeffekt nur ein Einmaleffekt im Jahr 2015 war. te hat sehr klare Lohneffekte gegeben, was klar heraus- Das zeigt noch einmal deutlich, dass Mindestlohn kein gestellt wird. Unser Institut hat mit unseren umfangrei- Instrument ist zur Reduzierung des Armutsrisikos. Zu chen Daten und fortschrittlichen Methoden diese Er- den Folgerungen lässt sich sagen, dass die Auswirkun- gebnisse auch bestätigt. Es entspricht im Übrigen dem, gen des Mindestlohns natürlich in dem Sinne noch was in anderen Ländern gefunden wird, dass Lohneffek- nicht abschließend bewertet werden können, da wir erst te da sind, die Beschäftigungseffekte aber in aller Regel einmal abwarten müssen, wie er sich auswirkt, wenn viel niedriger sind, als von manchem im Vorfeld be- wir irgendwann einmal eine konjunkturelle Delle oder fürchtet worden ist. Es gibt weitere Ergebnisse, nämlich einen Konjunkturabschwung haben. Erst dann wird sich die Frage, wie das auf die Arbeitszeiten wirkt. Ich glau- zeigen, wie sich der Mindestlohn auf die Beschäftigung be, dass dieser Punkt noch weiterer Forschung bedarf. und den Arbeitsmarkt auswirken wird. Das Problem ist, auch da verlässliche Daten zu bekom- Abgeordneter Prof. Dr. Zimmer (CDU/CSU): Eine direk- men. Arbeitszeit zu erheben ist ein ganz schwieriges te Nachfrage an Frau Stolz. Könnte das, was Sie gerade Feld. Es gibt keine Daten in Deutschland, die drei An- ausgeführt haben, daran liegen, dass der Mindestlohn forderungen erfüllen, die man eigentlich bräuchte, näm- ein ordnungspolitisches Instrument zur Regulierung des lich einmal eine große Zahl von Beobachtungen, eine Wettbewerbes ist und kein sozialpolitisches Instrument präzise Erfassung der Arbeitszeiten und eine präzise zur Bekämpfung von Armut? Erfassung der Entgelte der Arbeitnehmer. Alles drei bräuchten Sie, um wirklich verlässliche Aussagen zum Sachverständige Stolz (Bundesvereinigung der Deut- Beispiel über die Einhaltung des Mindestlohns zu ma- schen Arbeitgeberverbände): Der Mindestlohn ist natür- chen. Ich glaube, daran wäre zu arbeiten, und ich glau- lich in erster Linie ein Eingriff in die Tarifautonomie. Er be, in der Kommission wird das ganz ähnlich so gese- ist kein wirksames Instrument, um Armut zu reduzie- hen. ren. Es ist so: Auch wenn wir von der Niedriglohn- schwelle sprechen, wenn wir eine überproportionale Sachverständige Stolz (Bundesvereinigung der Deut- Erhöhung des Mindestlohns hätten, dann würde das schen Arbeitgeberverbände): Um das noch zu ergänzen: den Niedriglohnsektor in dem Sinne nicht senken, denn Was der Bericht allerdings auch festhält ist, dass der Niedriglohnsektor ist immer alles das, was unter 60 Mindestlohn in einer sehr guten konjunkturellen Ent- Prozent des Medianlohns ist. Das bedeutet, dass wir wicklung eingeführt wurde, wie auch die Weiterent- immer diese Problematik des Niedriglohnsektors hätten. wicklung des Mindestlohns und auch die zweite An- Das Risiko, arm zu sein, geht nicht in erster Linie von passung bzw. die erste Anpassung, die bereits vollzogen den niedrigen Löhnen aus, sondern davon, keine Arbeit

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zu haben und arbeitslos zu sein. Diese Menschen profi- Sachverständige Stolz (Bundesvereinigung der Deut- tieren von Mindestlöhnen oder von überproportionalen schen Arbeitgeberverbände): In erster Linie hilft natür- Anhebungen von Mindestlöhnen überhaupt nicht. lich der Tarifbindung, wenn die Sozialpartner zusam- men attraktive Tarifverträge vereinbaren. Denn die Ta- Sachverständige Lezius (CDU/CSU): Meine Frage geht rifbindung ist in Deutschland freiwillig, und die Betrie- an Herrn Professor Dr. Thüsing. Ich war früher selbst be müssen sich dafür entscheiden und Vorteile darin Unternehmerin und habe auch Jugendliche ausgebildet. sehen, eine Tarifbindung einzugehen. Das kann natür- Deswegen geht meine Frage in diese Richtung. Sprechen lich nur entstehen, wenn die Sozialpartner moderne Ihrer Ansicht nach verfassungsrechtliche oder rechts- und flexiblere Tarifverträge vereinbaren, Tarifverträge systematische Argumente gegen eine Ausnahme von die Öffnungsklauseln enthalten, damit man in konjunk- Jugendlichen ohne Ausbildung vom Mindestlohn? turell schwierigen Zeiten auch von Regelungen abwei- Sachverständiger Prof. Dr. Thüsing: In der Tat: Als das chen kann. Das ist auch in den letzten Jahren immer Mindestlohngesetz verabschiedet wurde, wurden solche stärker so passiert. Da ist ein sehr starker und guter Mo- Bedenken geäußert. Es war nicht nur ein rechtspoliti- dernisierungsprozess im Fluss. Es bedarf auch modera- scher Widerstand, der sich dort gezeigt hat, sondern es ter Tariflohnanhebungen, die der konjunkturellen Ent- wurde teilweise auch gesagt, dass das verfassungswidrig wicklung entsprechen. Das bedeutet nicht, dass es im- sei. Gleiches hat man auch im Hinblick auf den Min- mer nur geringe Lohnanhebungen geben muss, sondern destlohn bei Zeitungszustellern gesagt, für den Über- der Konjunktur entsprechend. Wir sehen das auch jetzt. gangsfristen eingeräumt wurden, um auf das allgemeine Wir hatten eine gute konjunkturelle Entwicklung. Das Niveau angehoben zu werden. Auch dort hat man ge- wurde auch in den Tariflöhnen, in den Tarifsteigerungs- sagt, das wäre verfassungswidrig. Beim Letzten hat das raten, die vereinbart wurden, deutlich, auch in den Ta- Bundesarbeitsgericht vor wenigen Wochen entschieden, riflohnabschlüssen, die jetzt auch in den letzten Jahren dass dem nicht der Fall ist, sondern dass das von der nicht so viele Flexibilisierungsmöglichkeiten hatten im Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers abgedeckt Entgeltbereich z. B. in den aktuellen Tarifverträgen, ist. Und auch der Mindestlohn für Jugendliche ohne weil die Konjunktur einfach gut war. Aber es ist eben Ausbildung kann vom Gesetzgeber anders gestaltet wer- wichtig, dass es Möglichkeiten gibt in konjunkturell den, als bei denen mit Ausbildung oder von nicht mehr schwierigen Zeiten. Was keine Lösung ist, wie es oft- Jugendlichen. Wir haben im Ausland ganz viele Min- mals vorgeschlagen wurde und auch in dem Antrag der destlohngesetze, die die Jugend komplett ausnehmen, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mitschwang, dass die die Jugend teilweise mit Stufen je nach Alter an den man hier weiter irgendwelche Voraussetzungen für die allgemeinen Mindestlohn heranschieben. Das ist etwa Allgemeinverbindlicherklärungen aufweicht, um Tarif- in Belgien oder in den Niederlanden der Fall. Man verträge allgemein gültig zu machen für die Betriebe, braucht gar nicht so weit zu schauen. Wenn es nach die nicht tarifgebunden sind. Das wäre der vollkommen verschiedenen Erhebungen ein Grund ist für verschie- falsche Weg, denn die Betriebe hätten dadurch gar kei- dene Jugendliche, sich einen bestimmten Lehrberuf da- nen Anreiz mehr, in einen Arbeitgeberverband einzutre- nach auszuwählen, wie hoch das Lehrgeld ist, dann ten, wenn sie sowieso immer automatisch Tarifverträge scheinen die finanziellen Überlegungen durchaus eine anwenden müssten. Ich weiß auch nicht, ob der Anreiz Rolle zu spielen, ob ich und welche Lehre ich mache. dann noch groß wäre auch für Beschäftigte in Gewerk- Wenn ich dann als Staat sage, ich will keinen Anreiz schaften einzutreten, wenn sie wissen, ich werde ja so- bieten, eine solche Ausbildung nicht anzutreten, dann wieso durch einen Tarifvertrag abgedeckt, wozu muss ist das eine legitime verfassungsrechtliche Wertung, die ich dann noch Mitglied in einer Gewerkschaft zu sein? Vorbilder im Ausland hat, von der ich sagen würde, Ich denke dieses politische Überstülpen der Tarifbin- dass man sich auch vielleicht die Frage stellen könnte: dung funktioniert einfach nicht. Das muss von unten Sollte man das Alter noch höher ansetzen? Denn der herkommen, von den Betrieben, aus der Überzeugung Zeitpunkt bei den im Median eine Lehre in Deutschland her muss es gestärkt werden. begonnen wird, liegt jenseits der 18. Deswegen sollte Sachverständiger Wagner (Deutscher Gewerkschafts- man überlegen - wenn man an dieses Ziel tatsächlich bund): Jetzt musste ich fast ein bisschen schmunzeln. glaubt und festhalten will -, ob man dieses nicht anhe- Die Gewerkschaften sind sehr attraktiv. Wir sind sehr ben sollte. Andere Länder haben - wie gesagt - auch hö- stark in den Mitgliederzahlen, aber egal. Bevor wir Ta- here Mindestalter für Mindestlohn. rifverträge abschließen, gibt es noch eine Hürde, die wir Abgeordneter Schummer (CDU/CSU): Meine Fragen meistens zu gehen haben und die ist, dass wir auf Ar- gehen an die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeit- beitgeberseite auch Arbeitgeber brauchen, die mit uns geberverbände und an den Deutschen Gewerkschafts- gewillt sind, Tarifverträge abzuschließen. Wenn man bund. Frau Stolz, Sie haben uns sehr eindringlich ge- sich anguckt, wie denn die Entwicklung der Tarifbin- schildert, dass der Mindestlohn nur eine subsidiäre Hil- dung in den letzten Jahren ist, dann liegt es vor allem fe sein kann, also nachrangig vor der eigentlichen Tarif- daran, dass die Arbeitgeber massiv Tarifflucht betrei- autonomie und den Branchenverträgen und dass diese ben, indem sie z. B. in ihren Verbänden Mitgliedschaf- nicht karikiert werden sollen. Aus Ihren Erfahrungen ten ohne Tarifbindung zulassen usw. Ich glaube, wenn bisher: Was können die Sozialpartner miteinander tun, man da rangehen würde und nochmal schaut, wie man um die Tarifbindung und damit auch den Tariflohn als denn eigentlich Tarifbindung wirklich stärken kann. Mindestlohn wieder zu stärken? Wir haben als DGB mit unseren Mitgliedsgewerkschaf-

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ten dazu 14 Punkte formuliert, die aus unserer Perspek- trolliert und vielleicht die Kontrollen verschärft. Ich tive geeignet sind, die Tarifbindung zu stärken. Da geht glaube, das hätte eine abschreckende, eine stärker dis- es um Maßnahmen, die den Grad der Tarifbindung er- ziplinierende Wirkung als neue Dokumentationspflich- höhen, aber auch die Verbandsmitgliedschaft sowohl ten, die am Ende doch nicht ernst genommen werden, auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite stärken und weil sie eben zu weit greifen. auch gleichzeitig Tarifflucht erschweren. Ich rede da Abgeordneter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Ich von der Einschränkung von Mitgliedschaften, ich rede möchte gern etwas von Herrn Möller vom IAB wissen. da von Verbandsklagerechten, die man tatsächlich Wir haben einige Ausnahmeregelungen und zu zweien macht. Und wir reden auch über die Frage, welche Rolle möchte ich Sie gern befragen. Das Eine ist die Ausnah- Allgemeinverbindlichkeitserklärungen zukünftig haben meregelung für die Langzeitarbeitslosen. Können Sie als sollen. Darüber können wir reden, und darüber stärken IAB etwas sagen zu den Zahlen und haben sich da ir- wir die Tarifbindung, und darüber machen wir möglich, gendwelche Drehtüreffekte ergeben, wie das befürchtet dass wir für mehr Beschäftigte wieder ordentliche Ta- worden ist? Das Zweite ist die Ausnahmeregelung für rifverträge abschließen können. Jugendliche ohne Berufsabschluss. Halten Sie diese Abgeordneter Prof. Dr. Zimmer (CDU/CSU): Ich habe Ausnahme im Hinblick auf das Gesetzesziel, Jugendli- eine Frage an das Handwerk und an Professor Thüsing. che nicht durch finanzielle Fehlanreize von einer Be- Wie schätzen Sie denn die Forderung der Linken ein, rufsausbildung abzuhalten, für gerechtfertigt? Wenn Sie im Arbeitszeitgesetz eine Dokumenationspflicht des Ar- uns auch da eine Einschätzung geben könnten. beitgebers für jede Stunde Arbeit einzuführen? Sachverständiger Prof. Dr. Dr. h. c. Möller (Institut für Sachverständige Dr. Schubert (Zentralverband des Arbeitsmarkt- und Berufsforschung): Zunächst zu der Deutschen Handwerks): Gerade für kleine Betriebe im Frage der Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose. Handwerk ist die Dokumentation der Arbeitszeiten Vielleicht zu den Zahlen, wir haben aktuell etwas über schon nach geltendem Recht mit einem nicht unerheb- 800.000 Personen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind. lichen bürokratischen Aufwand verbunden. Eine Wir wissen, dass die Personen, die langzeitarbeitslos Pflicht, jede Stunde - und im Antrag hört es sich wirk- waren und reintegriert werden in den Arbeitsmarkt zu lich so an - jede Stunde jedes Arbeitnehmers aufzu- 40 % bei Betrieben arbeiten, die dem Tariflohn unter- zeichnen, würde die Belastung nochmals deutlich erhö- liegen. Es kann sein, das der unterste Tariflohn über hen und wäre in vielen Fällen, gerade wenn man an hö- dem Mindestlohn liegt. Das heißt, nicht alle dieser her bezahlte Arbeitnehmer oder Führungskräfte denkt, 800.000 Menschen wären potenziell betroffen, weil ein geradezu absurd. Der Mehrwert in Bezug auf die Kon- Teil eben in diesen tarifgebundenen Betrieben landen trolle und Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns würde. Die Frage, wie hat die Ausnahmeregelung ge- wäre hier im Übrigen fraglich, denn diejenigen, die den wirkt? Wir wissen aus Befragungen, dass nur 25 % der Mindestlohn vorsätzlich nicht zahlen, werden auch bei Langzeitarbeitslosen diese Ausnahmeregelung über- den Aufzeichnungspflichten betrügen. Das zeigen schon haupt kannten. Das finde ich einen erschreckend nied- heutige Erfahrungen. Am Ende belasten Dokumentati- rigen Prozentsatz. Die Inanspruchnahme generell war onspflichten vor allem die ehrlichen Betriebe, während extrem niedrig. 1,4 % haben tatsächlich einen Antrag die „schwarzen Schafe“ betrügen und tricksen. Wirksam gestellt und wie viele tatsächlich mit diesem Antrag aus Sicht des Handwerks sind vor allem zielgerichtete zum Arbeitgeber gegangen sind, wissen wir gar nicht. Es Kontrollen. Dies zeigen z. B. die erst kürzlich durchge- sind wahrscheinlich noch deutlich weniger gewesen. führten Schwerpunktkontrollen des Zolls. Mit anderen Worten, diese Regelung hat nicht wirklich viele Personen betroffen und deswegen können auch die Sachverständiger Prof. Dr. Thüsing: Mit dem Argument gesamten Folgeeffekte, wie die Drehtüreffekte oder – das ist zu bürokratisch – kann man letztlich viele Lohneffekte dieser Regelung nur als äußerst gering ein- Neuerungen ablehnen. Man muss aber in der Tat sehen, geschätzt werden. Meine Meinung ist, diese Regelung jede neue Regelung muss sich rechtfertigen, ob sie das hat wenig Nutzen gebracht, aber auch wenig Schaden Ziel, was sie erreichen will, tatsächlich erreichen kann angerichtet. Vielleicht könnte man, wenn man mehr in- und wenn ja, ob es der geringste Eingriff ist, um dieses formieren würde, noch andere Größenordnungen erzie- Ziel zu erreichen. Und da hätte ich bei einem solch len, aber ich wäre da skeptisch. Ich glaube nicht, dass weitgehenden Antrag doch meine großen Zweifel. Be- das der richtige Weg ist, Langzeitarbeitslose in den Ar- reits jetzt gibt es Dokumentationspflichten. An diesen beitsmarkt zu integrieren. Dokumentationspflichten wird man regelmäßig absehen können, ob der Mindestlohn bezahlt wurde oder nicht. Vorsitzender Dr. Bartke: Jetzt kommen wir zur Frage- Man wird auch erkennen können, ob diese Dokumenta- runde der SPD-Fraktion. Da hat als erstes Herr Rützel tionspflichten ordnungsgemäß ausgeführt wurden. das Wort. Wenn man das nicht erkennen kann, würde man es Abgeordneter Rützel (SPD): Meine erste Frage geht an auch bei intensiverer Dokumentation wahrscheinlich den DGB. Ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie die Be- nicht erkennen. Deswegen glaube ich, das wäre ein schäftigungsentwicklung seit Einführung des Mindest- Weg, der doch mit sehr großen Netzen wirft, um viel- lohns einschätzen, vor allem im Bereich der Löhne in leicht sehr kleine Fische zu fangen. Sinnvoller scheint den unteren Einkommensgruppen und welcher wichtige es mir zu sein, dass man tatsächlich das, was man bis- Punkt das in Bezug auf gute Arbeit spiegelt. her an Dokumentationspflichten hat, ernst nimmt, kon-

19. Wahlperiode Protokoll der 15. Sitzung Seite 262 vom 24. September 2018

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Sachverständiger Wagner (Deutscher Gewerkschafts- rinnen und Arbeitnehmer sein. Weitere Politikfelder bund): Man kann erstmal festhalten, dass aus Sicht der sind notwendig. Dann will ich nur kurz noch etwas zur Gewerkschaften die Einführung des gesetzlichen Min- Tarifbindung sagen, weil Sie es angesprochen haben. destlohns ein Erfolg ist. Bei der Einführung haben vier Für uns ist das Thema Stärkung der Tarifbindung das Millionen Beschäftigte profitiert und zwar entgegen der Gerechtigkeitsthema der aktuellen Zeit. Wir wollen ge- Unkenrufe - wir hatten es heute schon mal bemerkt. Ne- meinsam mit den Arbeitgebern dafür sorgen, dass wir gative Auswirkungen auf Beschäftigung und Wirt- die Tarifbindung in dem Bereich wieder stärken. Wie schaftswachstum sind nicht erkennbar, im Gegenteil, wir das machen wollen, das habe ich vorhin schon ge- wir hatten durch Einführung des gesetzlichen Mindest- sagt. Wir glauben, dass nur durch Tarifverträge und lohns sogar mehr sozialversicherungspflichtige Beschäf- nicht durch Mindestlöhne und auch nicht durch gesetz- tigung, zum Beispiel dadurch, dass Minijobverhältnisse geberische Maßnahmen gute Arbeit für die Beschäftigen umgewandelt wurden. Lassen Sie mich persönlich an- herzustellen ist. merken: Es zeigt sich mal wieder, dass moderne Ar- Abgeordneter Rützel (SPD): Meine nächste Frage geht beitsmärkte nicht neoklassisch funktionieren, sondern an den Herrn Goswin Brehe von der GDP, vom Zoll. Ich dass es tatsächlich darauf ankommt, Nachfrage zu haben möchte Sie fragen, wie Sie denn die bisherigen Befug- und dass daran die Beschäftigung gebunden ist. Deshalb nisse der Finanzkontrolle Schwarzarbeit bewerten? Ob wundert es aus unserer Perspektive auch nicht, dass das Sie vielleicht Erweiterungsmöglichkeiten sehen, die Wirtschaftswachstum der vergangenen zwei Jahre, was sinnvoll sind und vor allem, wie diese Strukturreform wir hatten, vor allen Dingen durch Konsumaufgaben der im Zoll 2014 Einfluss auf die Kontrolle des Mindest- privaten Haushalte getragen wurde. Es zeigt sich, dass lohns durch die FKS genommen hat? die gute Entwicklung der Einkommen, zu der der ge- setzliche Mindestlohn beiträgt, zu einem Anstieg der Sachverständiger Brehe (Gewerkschaft der Polizei, Be- Kaufkraft geführt hat und letztendlich der gesamtöko- zirksgruppe Zoll): Ich habe direkt mal zur Uhr hochge- nomischen Lage zu Gute kommt. Wir haben das mal ge- sehen. Das wird jetzt knapp. Die Befugnisse sehen auf rechnet: ein Cent Mindestlohnerhöhung heißt ungefähr den ersten Blick gar nicht so schlecht aus. Wenn man in 50 Millionen Euro an Kaufkraft im Jahr. Rückblickend das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz hineinschaut, auf die Löhne - da haben Sie nachgefragt – sehen wir, dann sieht man, dass die FKS-Beamten recht weitrei- dass fünf Jahre nach Mindestlohneinführung, wenn wir chende Befugnisse haben. Sie können die Betriebsstät- in das Jahr 2019 schauen, der Mindestlohn ungefähr um ten der Arbeitgeber betreten, sobald dort jemand arbei- zehn Prozent gestiegen sein wird - nicht ungefähr, son- tet. Sie müssen nicht um Erlaubnis fragen. Sie können dern tatsächlich - und dass das sozusagen reale Ein- die Arbeitnehmer befragen, können Geschäftsunterlagen kommenserhöhungen im Niedriglohnbereich zur Folge einsehen und das alles auch noch unter Rahmenbedin- hat. Das gab es die letzten 30 Jahre nicht mehr. Das gungen, bei denen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit- muss man auch mal ganz klar so sagen. Im Gegenteil, wirken müssen. Das sieht erst einmal gar nicht so seit der deutschen Wiedervereinigung gab es in den un- schlecht aus, das ist auch gar nicht so schlecht. Das teren Einkommen reale Einkommensverluste. Wir haben funktioniert auch. Es wird erst dann schwieriger, wenn gerechnet, dass von 1991 bis 2015 die verfügbaren Ein- man ins Detail geht und dann mal schaut, in welchem kommen gerade von den Geringverdienern um zehn Kontext diese Befugnisse innerhalb der Zollverwaltung Prozent gesunken sind. Und deshalb war es für uns so ausgeübt werden. Da kann man dann feststellen, dass wichtig und richtig, dass wir in diesem Moment gesagt sich kurz hinter dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz haben, dass wir einen gesetzlichen Mindestlohn brau- - sage ich mal - die Dinge wieder teilen. Da gibt es ein- chen. Ja natürlich, Herr Prof. Dr. Zimmer, haben wir mal die Vollzugsdienste der Finanzkontrolle Schwarz- damit auch in den Wettbewerb eingegriffen. Aber das arbeit, dann gibt es den Zollfahndungsdienst. Es gibt war der Wettbewerb, der immer auf die Löhne gedrückt Kontrolleinheiten, Verkehrswege und weitere Kontrol- hat. Das war der Wettbewerb zu Lasten der Beschäftig- leinheiten. Die sind alle innerhalb des Zolls mehr oder ten und damit - haben wir zurecht gesagt - ist jetzt weniger für sich organisiert. Da findet man reichhaltig Schluss. Hier brauchen wir eine untere Grenze, weil und zahlreiche Parallelstrukturen, die auch Ressourcen Arbeit ihren Wert hat und Würde hat ihren Preis. Des- fressen. Da ist es dann auch so, dass, wenn man die Ge- wegen war es auch richtig, mit dem gesetzlichen Min- setze nebeneinander legt, was die Befugnisse angeht destlohn da einzuwirken und zwar nicht, wie Frau Stolz feststellt: Zollverwaltungsgesetz für die FKS, Zollfahn- gesagt hat, um die Tarifautonomie dort zu schwächen, dungsdienstgesetz für die Zollfahndung. Und wenn ich sondern im Gegenteil, um sie zu stärken und langfristig in die Organisationsstruktur der Generalzolldirektion auch wieder an die Tarifverträge in dem Bereich heran- hineinschaue, dann finde ich auch überall dafür pas- zuführen. Aus unserer Perspektive ist allerdings völlig sende Direktionen wieder. Diese Parallelstrukturen, die klar, dass auf Mindestlohnniveau kein existenzsichern- sind nicht immer hilfreich, sie behindern immer wie- des Leben möglich ist. Wir haben vorhin gesagt, dass der. Wie gesagt, sie schonen auch nicht gerade die Res- wir durch die Einführung des gesetzlichen Mindest- sourcen. Das heißt also, dort müsste eine Bündelung der lohns nicht alle Herausforderungen, denen Beschäftig- Vollzugsdienste des Zolls unter einem Dach erfolgen. ten heutzutage entgegenstehen, beheben können. Ich Alles das, was im Prinzip ein Ermittlungsbeamter, ein nenne Mieten, Renten, ich nenne aber auch bewusst ge- Kontrollbeamter ist, das muss einheitlich geführt wer- sellschaftliche Teilhabe. Da kann die Höhe des Mindest- den in einer gemeinsamen Struktur. Da ließe sich dann lohns nur ein Bestandteil guter Politik für Arbeitnehme- auch das Ausüben dieser Befugnisse nochmal ganz an-

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ders organisieren, und es ließen sich auch Synergieef- ausgewogenes Verhältnis zwischen Quantität und Qua- fekte erzielen, mit denen man vielleicht das Thema der lität erreichen. Die Effizienz der Kontrollen wird natür- Zahlen der Kontrollen von einer anderen Seite nochmal lich auch durch die Frage der Dokumentationspflichten, aufgreifen könnte. Zur Neuausrichtung der FKS aus was finde ich für Geschäftsunterlagen in der Firma vor, dem Jahre 2014: Genau im Herbst 2014 kam dies auf die beeinflusst. Das heißt also, wenn ich dort Zeitaufschrei- Finanzkontrolle der Schwarzarbeit zu. Damals gab es bungen habe, bei denen nur die Dauer der täglichen Ar- noch eine sog. Prävention. Das war eine Organisations- beitszeit notiert wird, da kann ich nicht viel kontrollie- einheit, die repressiv und präventiv tätig war, in der ren. Habe ich aber zum Beispiel den Beginn und das Hauptsache im Streifendienst, die Sachverhalte aufge- Ende der Arbeitszeit aufgezeichnet, so, wie es derzeit klärt hat und auch regelmäßig zu unüblichen Bürozeiten die Rechtslage ist, dann kann ich das mit den anderen unterwegs war. Diese Einheit wäre natürlich prädesti- Geschäftsunterlagen erproben. Ich kann also schauen, niert gewesen, ab dem 01.01.2015 auch die Mindestlöh- wann der Beton auf die Baustelle geliefert worden ist. ne zu kontrollieren. Leider war es so, dass man aus der Beispielsweise um 18 Uhr. Dann schaue ich in die Zeit- Sicht der Gewerkschaft der Polizei diese Einheit im Ok- aufschreibung und stelle fest, um 17 Uhr war keiner tober 2014 mehr oder weniger abgeschafft hat. Es ist mit mehr auf dieser Baustelle. Dafür benötige ich diese Zeit- Mitarbeiterzufriedenheit begründet worden - da komme aufschreibung, nämlich hinsichtlich Beginn und Ende ich gleich nochmal drauf zurück. Passiert ist es in der der Arbeitszeit. Die Effizienz der Kontrollen hängt auch Weise, dass man gesagt hat, dass man diese Kontrol- mit der Qualität des Personals zusammen. Die Kollegin- leinheiten nicht mehr haben möchte. Man hat es den nen und Kollegen, die neu bei der FKS anfangen, benö- örtlichen Behörden weitgehend selbst überlassen, wie tigen – so sagt man - immer zwei- bis drei Jahre Ausbil- sie das organisieren. Das ist teilweise ganz gut gelaufen. dungszeit, das Gleiche benötigt man auch an Einarbei- Bei einem Viertel der Beschäftigten hören wir dort posi- tung. Man darf nicht vergessen, dass wir es mit einer tive Rückmeldungen. Da hat man sich dem Personal an- Vielzahl von verschiedenen Berufen zu tun haben. Da genommen, man hat sie aufgefangen und hat gesagt, müssen berufskundliche Erkenntnisse erworben wer- dass man schaut, wie man das Thema mit allen zusam- den. Es müssen auch die Täterstrategien erkannt wer- men neu organisieren kann. In anderen Ortsbehörden ist den. Man muss also sehen, wie im Bereich der es dann so gelaufen, dass man die Leute, die in dieser Schwarzarbeit von der Täterseite her ausgegangen wird Prävention, also für den Streifendienst zuständig waren, und das dauert seine Zeit. Da muss man auch sehr viel dass man die – sie fühlten sich hinterher abgestraft – Wert auf die Qualität des Personals legen. Auch das ist verteilt hat, man hat auch die Teams aufgelöst. Sie ar- für die Effizienz der Kontrollen eminent wichtig. beiteten nicht mehr in den Strukturen zusammen, die Abgeordneter Kapschack (SPD): Jetzt komme ich mal zu sie vorher hatten. Die Führungskräfte wurden nicht be- einem anderen Thema und habe eine Frage an Professor amtenrechtlich degradiert -das ist aber ein doofes The- Sell. Es geht um die Erweiterung der Anpassungskrite- ma heute -, sondern sie wurden auf gleichwertige SB- rien im § 9 Abs. 2 des Mindestlohngesetzes. Da gibt es Posten umgesetzt. Das hat dann nicht mehr zur Mitar- die Idee, dass der Mindestlohn auch vor Armut schüt- beiterzufriedenheit beigetragen. Das hat gerade aus dem zen soll. Wäre eine Anknüpfung an diesen Begriff sinn- Personenkreis der Kollegen und Kolleginnen, die früher voll und praxisgerecht durchführbar, weil es durchaus in der Prävention tätig waren, auch zu vielen Abwande- unterschiedliche Definitionen von Armut gibt? rungen geführt, womit wir wieder bei dem Thema Stel- lenaufwachs oder Aufwachsen des Personals in der Fi- Sachverständiger Prof. Dr. Sell: Das ist natürlich der nanzkontrolle der Schwarzarbeit sind. Finger auf eine ganz offene Wunde gelegt. Wir haben unterschiedliche Definitionen für Armutsschwellen und Abgeordneter Kapschack (SPD): Ich bleibe bei Herrn wir haben, wenn wir in die sozialpolitischen Auswir- Brehe und frage nochmal nach: Für wie effektiv halten kungen schauen, natürlich das Problem, was wir bei der Sie die bisherigen Kontrollen der Mindestlöhne durch Einführung des Mindestlohns diskutiert haben - ich er- die Finanzkontrolle Schwarzarbeit insgesamt? Lässt sich innere an den Vorschlag damals, ob man regional diffe- allein die Effektivität anhand der geprüften Betriebe renzierte Mindestlöhne einführt zwischen Ost und West und der eingeleiteten Ermittlungsverfahren messen? in unterschiedlicher Kaufkraftberücksichtigung. Und so Welche Faktoren entscheiden aus Ihrer Sicht über die ist es natürlich auch mit der Armutsproblematik. Es ist Effektivität der Prüfung? offensichtlich, dass in bestimmten Großstädten der Sachverständiger Brehe (Gewerkschaft der Polizei, Be- Mindestlohn nicht ausreicht, um auch für einen Allein- zirksgruppe Zoll): Über die Effektivität der Kontrollen stehendenhaushalt - und das ist ja die Bezugsgröße - zu urteilen, das ist ein sehr weites Feld. Man muss als einen Absturz in eine Einkommensarmutslage zu ver- erstes auch dazu sagen, dass, wenn ich diese Effektivität hindern. In anderen Städten oder in ländlichen Regio- sehe, dann muss ich von Kontrolldichte und von Kon- nen gelingt das sehr wohl. Das macht diese Differenzie- trolltiefe sprechen. Ich muss also ein ausgewogenes rung, auch die Spreizung zwischen dem Moment aus, Verhältnis von Quantität zu Qualität finden. Das ist si- ab dem der gegebene Mindestlohn nicht ausreicht, um cherlich richtig, und da hat es auch keinen Sinn, die das zu erreichen. Das macht es sehr schwierig, dieses Qualität völlig außer Acht zu lassen. Das war auch eines Ziel zu operationalisieren. Es ist aber nochmal ein Un- der Argumente von 2014 bei der Neuausrichtung, dass terschied, ob man das als Ziel mit hineinnimmt in den man gesagt hat, wir müssen vielleicht an der einen oder Kriterienkatalog oder ob man eine konkrete Operationa- anderen Stelle die Qualität verbessern. Ich muss ein lisierungsvorschrift macht. Aber ich würde vor diesem

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Hintergrund der unterschiedlichen Schwellenwerte und mich, wo sozusagen Ursache und Wirkung liegen. Ich der unterschiedlichen regionalen Betroffenheit davor könnte zum jetzigen Zeitpunkt nicht eine konkrete Hö- warnen zu glauben, dass man mit dem Instrument des he bemessen. Das wäre die Aufgabe einer - in meinen Stundenlohnes an sich die hinter dieser Problematik Augen - etwas anders zusammengesetzten Mindest- stehenden Phänomene, wie regionales Mietpreisniveau, lohnkommission. aber auch Lebenshaltungskosten einfangen kann. Vorsitzender Dr. Bartke: Jetzt kommen wir zur Frage- Abgeordneter Rützel (SPD): Meine Frage nochmals an runde der AfD-Fraktion. Da hat sich zuerst Herr Pohl Herrn Professor Sell. Ich würde gern den Fokus auf die gemeldet. volkswirtschaftlichen Effekte durch die Einführung des Abgeordneter Pohl (AfD): Meine erste Frage geht an den Mindestlohns legen. Welche sehen Sie da? Deutschen Gewerkschaftsbund. Wir haben hier eine ab- Sachverständiger Prof. Dr. Sell: Das ist hier schon von solute Bejahung der Mindestlohnfrage und den weiteren meinen Vorrednern an mehreren Stellen angesprochen Ausbau durch den Deutschen Gewerkschaftsbund. worden. Ich will einseitig jetzt in der kurzen Zeit versu- Wenn ich mir anschaue, dass die Entwicklung der deut- chen, einen Aspekt hervorzuheben, der schon angespro- schen Wirtschaft erheblich vorangeschritten ist und die chen worden ist. Viele der Prognosen der Ökonomen- Lohnentwicklung erheblich zurückgeblieben ist, was kollegen im Vorfeld der Einführung basierten meiner sagt der Deutsche Gewerkschaftsbund unter Beachtung Meinung nach darauf, dass wir fehlende betriebswirt- des verteilungsneutralen Spielraums dazu, dass jetzt der schaftliche Engführung der Betrachtung auf den Min- Staat und nicht mehr die Tarifpartner in die Pflicht ge- destlohn haben. Betriebswirtschaftlich sind Löhne im- nommen werden sollen, um lohngestaltend einzugrei- mer Kosten und ein Problem. Die volkswirtschaftliche fen? Ist das jetzt die Loslösung vom großen Flächenta- Dimension stellt sich anders da. So wie ich die neuere rifvertrag? Mindestlohnforschung, ob es Studien von Garloff oder Sachverständiger Wagner (Deutscher Gewerkschafts- anderen, die auch regional geguckt haben, sehe oder bund): Das sind gleich mehrere Fragen. Sie sind noch auch nachvollziehen kann, kann man gerade sagen, dass nicht so lange im , deshalb kann ich Ihnen in den Regionen wo es eigentlich heftige Anpassungsre- sagen, dass die Einführung des gesetzlichen Mindest- aktionen nach unten geben müsste, die nicht gegeben lohns schon eine Weile her ist. Das heißt, jetzt wird hat. Es liegt meiner Meinung nach daran, dass wir den nicht nach dem Staat gerufen. Wir haben Anträge auf volkswirtschaftlichen Impuls auf der Nachfrageseite dem Tisch bei der Frage der Weiterentwicklung des durch den Mindestlohn in der Vergangenheit unter- Mindestlohns. Wir rufen grundsätzlich nicht nach dem schätzt haben und dass das auch ein Argument wäre für Staat, sondern wir sagen, wir sind stark genug - und das eine Erhöhung des Mindestlohnes und zwar über das zeigen wir auch schon seit über 150 Jahren -, dass wir in bestehende Niveau hinaus, ohne dass ich jetzt eine Qua- der Lage sind, gute Tarifverträge zu machen und die Ar- lifizierung vornehme. Aber ich glaube, die positiven beitsbedingungen für Beschäftigte zu gestalten. Dahin volkswirtschaftlichen Aspekte werden unterbewertet in wollen wir wieder zurück. Unser Mittel ist es, dahinge- der Diskussion. Sie wären ein Argument dafür, dass hend die Tarifbindung wieder zu stärken. Das hatte ich man über die Höhe des Mindestlohnes redet. Denn das heute schon gesagt. Problem besteht darin, dass bei der Einführung des Mindestlohnes das gewählte Niveau von 8,50 Euro kei- Abgeordneter Pohl (AfD): Entschuldigung, eine kurze ne empirisch oder konzeptionell wirklich abgeleitete Nachfrage. Sie sind nicht darauf eingegangen, Herr Größe war, sondern es war einmal ein Kompromiss in Wagner, dass wir eine starke Entwicklung der deut- der alten GroKo und zum anderen war es natürlich der schen Wirtschaft haben und dass der verteilungsneutra- Einstieg auf möglichst niedrigem Niveau, weil man un- le Spielraum Löhne zurzeit auswirft, die nicht dem ent- sicher war was die Beschäftigungseffekte angeht. Inso- sprechen. Das heißt, soll nun diese Lücke durch die fern stellt sich schon die Frage, ob man dieses historisch Mindestlohnanpassung geschlossen werden? Oder sieht bedingte Niveau in einem eigenständigen singulären der DGB dort noch eigene Handlungsspielräume? Anhebungsschritt nach oben korrigiert. Ich würde das Sachverständiger Wagner (Deutscher Gewerkschafts- aus volkswirtschaftlicher Sicht in einer gewissen Band- bund): Bevor das zum Dialog wird: Der DGB und seine breite nach oben unterstützen. Mitgliedsgewerkschaften schließen vor allem erfolgrei- Abgeordneter Rützel (SPD): Die Fraktion DIE LINKE. che Tarifverträge ab, zusammen mit unseren Kollegen fordert, den Mindestlohn auf 12 € per Gesetz festzule- der Arbeitgeberseite. Die zeigen dieses Jahr einen deut- gen. Wie sehen Sie das? lichen Reallohnzuwachs. In diesem Fall sind die vertei- lungsneutralen Verteilungsspielräume ausgeschöpft. Sachverständiger Prof. Dr. Sell: Ich könnte diesem Vor- schlag nicht folgen, aus dem ganz einfachen Grund, Abgeordneter Kleinwächter (AfD): Herr Prof. Schulten, nicht, dass ich gegen die 12 € bin, sondern weil ich meine Frage geht an Sie. Und zwar kommentieren Sie glaube, wenn man es versuchen würde, empirisch fun- insbesondere das Verhältnis der Aufstockung und des diert zu machen, dann kann man jetzt nicht einen sol- Mindestlohns und stellen durch ein Zitat fest: „…dass chen Wert vorgeben, der übrigens in meinen Augen ver- das Fehlen eines Mindestlohns ein Anreiz sein kann, ständlicherweise abgeleitet ist aus Problemen, die wir einen Lohnunterbietungswettbewerb zu führen, weil mit der Rentenformel im Rentenversicherungssystem nicht existenzsichernde Arbeitsentgelte durch staatliche haben, die wir in anderen Bereichen haben. Da frage ich Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende

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aufgestockt werden können…“. Ich möchte Sie darum ist und nach unserer Interpretation auch dem Geist des bitten, die Effekte zu bewerten, wenn es diese Aufsto- Gesetzes, nämlich einen angemessenen Mindestlohn- ckungsmechanismen nicht gäbe. Gäbe es dann Ihrer schutz zu schaffen, nicht wirklich nachkommt. Einschätzung nach eine entsprechend positive Entwick- Abgeordneter Pohl (AfD): Ich hake dort nach und frage lung auch bei den niedrigen Löhnen? Und das Zweite den Deutschen Gewerkschaftsbund, den Handelsver- ist: Sie kommentieren auf der gleichen Seite auch die band und die Bundesvereinigung der Arbeitgeberver- entsprechende Höhe des Mindestlohns und machen ihn bände: Die Mindestlohnkommission soll einen ange- - das hatte Herr Prof. Sell gerade vorher erwähnt - auch messenen Schutz der Arbeitnehmer gewährleisten an einer potentiellen Rentenerwartung fest, die durch- durch die Festsetzung des Mindestlohns. Halten Sie 12 aus problematisch ist mit der demografischen Entwick- Euro für angemessen, um auch vor Altersarmut ge- lung, mit dem Nachhaltigkeitsfaktor, mit dem Riester- schützt zu sein? Wenn nein, welche Höhe würden Sie faktor - Sie wissen das. Glauben Sie, dass dann die Be- hier veranschlagen? zugsgröße Rente eine tatsächlich verlässliche Bezugs- größe ist oder wo würden Sie tatsächlich die empirische Sachverständiger Wohlfeil (Handelsverband Deutsch- Lohnfindung oder Grenzenfindung ansetzen wollen? land – HDE e. V.): Ich kann gerne den Anfang machen. Ich greife auf, was Herr Prof. Sell gesagt hat, dass der Sachverständiger Prof. Dr. Schulten: Zunächst zu dem Stundenlohn - auch nach meiner Einschätzung - nicht Zitat, was Sie vorgelesen haben, das Zitat stammt aus das richtige Kriterium ist, um das Thema Altersarmut der Begründung des Mindestlohngesetzes von 2014. In zu bewerten. Das passt deswegen ganz gut, weil der der Tat muss man sich die Fragen vergegenwärtigen, Einzelhandel eine der Branchen ist, in der wir einen was war das Ziel der Einführung des Mindestlohns und erheblichen Anteil an Teilzeitarbeit haben. Wir haben was hat der Gesetzgeber an Gründen und Argumenten ungefähr 62 % unserer Beschäftigten in Teilzeitbeschäf- damals vorgebracht? Wir alle wissen, die Mindestlohn- tigung, in der Regel zwischen 20 und 25 Stunden in der kommission orientiert sich an den Tariflöhnen, hat aber, Woche. Dass ein Teilzeitbeschäftigter auch bei einem weil sie auch als Akteur selber einen gewissen Hand- entsprechend höheren Stundenlohn natürlich niemals lungsspielraum vorgegeben hat, die Möglichkeit, im in solche Einkommensgruppen, also Monatsgehälter, Rahmen einer Gesamtabwägung durchaus nach unter- kommt, die Altersarmut oder überhaupt Armut vermei- schiedlichen Kriterien zu beurteilen. Und eines der den können, also auch laufende Mietkosten monatlich wichtigen Kriterien, auf das ich auch in meiner Stel- usw., das liegt auf der Hand. Das ist hier keine Frage der lungnahme hingewiesen habe, ist das des angemessenen Höhe des Stundenlohnes. Der Stundenlohn mag durch- Mindestschutzes. Das Mindestlohngesetz gibt die Idee aus ausreichend sein. Es ist eben eine Frage der gerin- des angemessenen Mindestschutzes vor. Die spannende gen Stundenzahl, die tatsächlich gearbeitet wird. Um Frage ist natürlich in der Tat: Was heißt das? Wie wird das zu verändern, müsste man dann schon Teilzeitarbeit das definiert? Wenn man dann in die Begründung des verbieten. Das ist - glaube ich - nicht im Sinne des Wirt- Mindestlohngesetzes hineinschaut, dann findet man schaftsstandortes Deutschland. unter anderem das Zitat, was Sie auch gerade vorgele- sen haben, nämlich dass es doch ein Ziel war, den Sub- Sachverständiger Wagner (Deutscher Gewerkschafts- ventionsmechanismus abzuschaffen, wonach Arbeitge- bund): Wir können schon einmal festhalten, dass sich ber sagen können: Hör mal zu, ich zahle dir nur einen nach Einführung des Mindestlohns zeigt, dass die Bin- geringen Lohn und den Rest holst du dir sozusagen vom dung an den Tarifindex wirkt. Wir haben eine gute Stei- Amt. Damit dieser Mechanismus ein Stück weit aufge- gerung im gesetzlichen Mindestlohn in den letzten Jah- hoben wird und der Arbeitgeber verpflichtet ist, exis- ren hinbekommen. Allerdings auch dank der Gewerk- tenzsichernde angemessene Mindestlöhne zu zahlen. schaft und dank des Einsatzes der Gewerkschaften. Da Ich halte jetzt den Lösungsvorschlag zu sagen, man wollten die Arbeitgeber deutlich weniger. Für uns ist schafft dann die ganze Aufstockung ab, für ziemlich ab- völlig klar, dass der Mindestlohn eine einzige Stell- surd. Weil das würde dann bedeuten, dass man die schraube und nicht geeignet ist, um alle Probleme zu Menschen, die dann keine Arbeit mehr haben, ins Bo- lösen. Das ist ganz klar. Wenn wir in Berlin über zehn denlose fallen lässt. Ich weiß nicht, ob das Ihre Position Prozent Mietsteigerung haben, wie hoch soll denn der ist, dass Sie denen dann gar nichts mehr zahlen wollen. Mindestlohn jedes Jahr steigen, damit man das auffängt? Das würde ich in einem Sozialstaat für eine ziemlich Wenn man sagt, das Rentenniveau sinkt und zwar suk- absurde Position halten. Aber in der Tat muss man dar- zessive, wie hoch soll der Mindestlohn steigen, damit über nachdenken. Wir selber haben in unserem Institut man das auffängt? Deswegen garantieren für uns - noch im WSI eine Studie gemacht, wo wir uns angeschaut einmal - gute Arbeit und gute Lebensperspektiven nicht haben, welche Mindestlohnbeträge denn erzielt werden gesetzliche Mindeststandards, sondern nur Tarifverträ- müssten, damit ein alleinstehender Single-Haushalt in ge. verschiedenen deutschen Großstädten ein Gehalt hat, Sachverständige Stolz (Bundesvereinigung der Deut- wo er keine Aufstockungsleistungen mehr beantragen schen Arbeitgeberverbände): Um Altersarmut zu ver- kann. Das ist in der Tat regional relativ unterschiedlich, hindern, ist natürlich das beste Mittel, dass man auch weil das mit unterschiedlichen Wohnkosten zu tun hat. im Erwerbsleben nicht arm ist und dazu braucht man Wir können aber feststellen, dass in allen Großstädten eine Arbeit. Wie vorher auch schon gesagt wurde, das die jetzigen Beiträge nicht ausreichen und der Mindest- größte Risiko arm zu sein, ist die Arbeitslosigkeit. 50 lohn de facto ein nicht existenzsichernder Mindestlohn Prozent der Arbeitslosen haben keine Berufsausbildung,

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und ein Drittel von denen keinen Berufsabschluss. Das und auch das Verständnis der Mitarbeiter ist, die eine bedeutet, dass diese Menschen in Beschäftigung geführt Ausbildung und eine Berufserfahrung haben, die natür- werden müssen. Das kann nur durch einfache Tätigkei- lich mehr verdienen wollen, als die Mitarbeiter in der ten gelingen. Gerade bei diesen einfachen Tätigkeiten untersten Lohngruppe. Es ist völlig klar, dass das insge- brauchen wir auch Löhne, die betrieblich abbildbar samt zu einer erheblichen Anhebung der Personalkosten sind. Nur, wenn man den Einstieg in den Arbeitsmarkt im Einzelhandel führen wird. Jetzt haben wir sehr un- schafft, ist das die beste Versicherung gegen Armut. Da- terschiedliche Branchen und Segmente bei uns, die von abgesehen, wird immer viel von Armut im Alter teilweise sehr unterschiedlich lohn- und personalkos- gesprochen. Aber Gott sei Dank ist es so, dass bislang tenintensiv sind. Der Discounter hat natürlich entspre- nur drei Prozent, die über 64 sind, auch einen Anspruch chend weniger Personal in der Fläche wie das Waren- auf die Grundsicherung haben. Es ist kein so großes haus. Aber bei jedem wird es zu Personalkostenerhö- Problem, wie es oftmals suggeriert wird. hungen führen. Die Frage ist, was dann im Ergebnis passiert. Da gibt es aus unternehmerischer Sicht immer Vorsitzender Dr. Bartke: Jetzt kommen wir zur Frage- nur die zwei Möglichkeiten: Entweder erhöhe ich die runde der FDP-Fraktion, Herr Cronenberg hatte sich Preise, das heißt, es wirkt sich auf die Verbraucherprei- gemeldet. se aus, das ist eine Frage, die im Konkurrenzumfeld mit Abgeordneter Cronenberg (FDP): Zunächst möchte ich den anderen Handelsunternehmen ausgetestet werden auf den Antrag 19/96 kommen und Herrn Wohlfeil vom muss. Wer kann tatsächlich eine Preiserhöhung durch- HDE fragen: Welche Folgen hätte eine Erhöhung des setzen und in welchem Umfang? Die andere Möglich- Mindestlohns auf 12 Euro speziell in Ihrer Branche, keit, die ich habe, ist, dass ich die Produktivität steigern insbesondere auch unter Berücksichtigung des gesamten muss und dann auch über Automatisierung und Perso- Lohngefüges in Ihrer Branche und dem Tarifgefüge? nalabbau nachdenke. Denken Sie nochmals an die Aushilfen, die Schüler und Studenten, die Unqualifi- Sachverständiger Wohlfeil (Handelsverband Deutsch- zierten, die diese Jobs brauchen, um sich etwas dazuzu- land – HDE e. V.): Ich glaube, es ist in der Tat ganz gut, verdienen, die also sicherlich nicht aus existenzsi- wenn man die möglichen Auswirkungen auf eine be- chernden Gründen arbeiten gehen. Ob solche Arbeits- stimmte Branche bezieht. Ein Punkt, der ist schon ange- plätze bei einem Mindestlohn von 12 Euro noch angebo- sprochen worden, ist für mich der Ausgangspunkt. Die ten werden können von den Unternehmen, das ist eine Erhöhung auf 12 Euro wäre ein Eingriff in die Tarifau- betriebswirtschaftliche Frage, ob die eben entsprechend tonomie. Das meine ich gar nicht so sehr tarifrechtlich, wegrationalisiert werden oder ob dann andere Lösungen obwohl ich dies schon für bedenklich halten würde. gefunden werden. Es ist ja im Moment nachzulesen, Aber das ist eine Frage, die dann eher Rechtsgelehrte dass viele Unternehmen über automatisierte Kassen beantworten müssen. Tatsächlich sind die untersten nachdenken anstelle von Kassenarbeitsplätzen, die wir Gehaltsgruppen im Einzelhandel nah am gesetzlichen zahlreich haben. Diese sind heute schon technisch ohne Mindestlohn wie er jetzt ist, oder knapp darüber. Wir weiteres ersetzbar, die Technik ist da. Das ist nur eine haben 16 Bundesländer mit 16 unterschiedlichen Ge- Frage der Kosten und der Akzeptanz. Was die Kosten haltstabellen. Wir haben sehr viele Bundesländer, die angeht, ändert sich natürlich dann die Kalkulation der sich in diesem Bereich bewegen, in der untersten Ge- Unternehmen, wenn ich die Lohnkosten entsprechend haltsgruppe. Das sind die ungelernten Arbeitnehmer erhöhe. zw. Arbeitnehmerinnen ohne Berufserfahrung, also die Einstiegsgruppe, die aber tatsächlich in den Unterneh- Abgeordneter Cronenberg (FDP): Wir hatten das ein- men existiert. Denken Sie nur an die vielen Aushilfen, gangs schon einmal mit der Bürokratie. Ebenfalls an die im Einzelhandel beschäftigt sind, die Schüler und Herrn Wohlfeil (HDE) und auch an Frau Schubert vom Studenten, auf die wir in einem großen Maße angewie- ZDH die Frage: Welcher Aufwand entsteht den Mit- sen sind, auch auf die geringfügig Beschäftigten natür- gliedsbetrieben - bei Frau Schubert vielleicht im spezi- lich. Das heißt, für diese unterste Tarifgruppe hätten ellem Blick auf das Bauhandwerk - durch erweiterte wir, wenn wir jetzt von - ich nehme schon mal den 1. Forderungen Richtung Mindestlohndokumentation, Ar- Januar 2019 - 9,19 Euro als dem neuen Mindestlohn beitszeitdokumentation? sprechen, der auf die 12 Euro ansteigt, so wäre das für Sachverständiger Wohlfeil (Handelsverband Deutsch- diese Personengruppen eine Tariflohnsteigerung von land – HDE e. V.): Der Einzelhandel ist keine Branche, etwas über 30 Prozent. Natürlich wirkt sich eine solche die unter das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz fällt. Steigerung der untersten Lohngruppe auf das gesamte Aber wir sind insofern durch die Mindestlohndokumen- Lohngefüge aus, weil die oberen Gruppen mit entspre- tationspflichten belastet, als wir in erheblichem Umfang chend höherer Qualifikation und Berufserfahrung übli- immer noch geringfügig Beschäftigte beschäftigen. Wir cherweise einen gewissen Lohnabstand haben. Also, haben etwa 3 Mio. Beschäftigte insgesamt im Einzel- selbst wenn man diese ganze Tabelle etwas staucht, handel. Davon sind etwas über 820.000, also 26 %, ge- liegt es natürlich auf der Hand, dass ein Anstieg um 30 ringfügig Beschäftigte. Die Zahl ist seit Jahren rückläu- Prozent seine Spuren auch in den oberen Einkommens- fig, aber sie ist immer noch relativ hoch. Für diese gruppen hinterlassen muss und wird. Das heißt, es wird 820.000 geringfügig Beschäftigten müssen eben diese insgesamt auch in den anderen Gruppen eine entspre- Dokumentationspflichten erfüllt werden, die schon an- chende, vielleicht nicht eine ganz so starke Anhebung gesprochen wurden vorhin. Beginn und Ende der Ar- geben, weil es einfach das Lohnabstandsgebot erfordert beitszeit sowie Dauer der Arbeitszeit sind aufzuzeich-

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nen. Nicht alle Unternehmen, insbesondere nicht die Abgeordneter Birkwald (DIE LINKE.): Meine Frage geht kleinen und mittleren, haben elektronische Arbeitszeit- an Herrn Prof. Schulten. Sie haben eben schon kurz an- aufzeichnungssysteme. Die machen das dann händisch. gedeutet, dass es in deutschen Großstädten notwendige Uns stört vor allen Dingen, dass wir nicht erkennen Stundenlöhne bei vollzeitbeschäftigten Singlehaushal- können, warum ausgerechnet die Minijobber, also die ten gibt, die ohne Anspruch auf Aufstockungsleistungen geringfügig Beschäftigten, eine besonders gefährdete nach SGB II leben wollen, die deutlich höher liegen, als Arbeitnehmergruppe sein sollen, bei denen diese Ar- der bisherige gesetzliche Mindestlohn - München beitszeitaufzeichnungen vorgeschrieben sind. Sie sind 12,77 €, Köln 11,20 €, Bonn - mit Blick auf Herrn Thü- für den Arbeitgeber sogar teurer als regulär sozialversi- sing - 10,84 € und Sie kommen aus Düsseldorf 9,98 €. cherungspflichtig Beschäftigte, weil die Abgabe mit Deswegen frage ich Sie: Warum halten Sie eine Erhö- 30 % pauschaliert höher ist als die Sozialversicherungs- hung des gesetzlichen Mindestlohnes auf 12 € für not- abgaben. Deswegen leuchtet es uns auf den ersten Blick wendig? Ich bitte Sie, uns die wesentlichen Argumente nicht so richtig ein, warum wir die Aufzeichnungen dafür zu bringen, dass die gegenwärtige Höhe des ge- vornehmen müssen. Einen Missbrauchstatbestand ste- setzlichen Mindestlohnes zu niedrig ist. hen wir hier eigentlich nicht. Der Einzelhandel ist in Sachverständiger Prof. Dr. Schulten: Meine Argumenta- den Statistiken der Finanzkontrolle Schwarzarbeit und tion basiert tatsächlich auf dem Mindestlohngesetz sel- auch bei der Deutschen Rentenversicherung, was die ber. Wir müssen, ich habe es eben schon angesprochen, Nichteinhaltung des Mindestlohnes angeht, absolut un- nochmals rekapitulieren, die gesamte Diskussion um auffällig. Es ist schwer für die Unternehmen nachzu- den Mindestlohn hat als Kernargument die These ge- vollziehen, warum hier diese Aufzeichnungen vorge- habt, man soll von seiner Arbeit leben können. Nun ist nommen werden müssen. mir selber auch klar, dass man mit dem Mindestlohn, Sachverständige Dr. Schubert (Zentralverband des das ist auch vielfach gesagt worden, nicht alle sozialen Deutschen Handwerks): Ich möchte gerne ergänzen, was Probleme löst und dass er auch nicht in der Lage ist, für Herr Wohlfeil gesagt hat. Zum einen: Das Baugewerbe jeden auch nur erdenklichen Haushaltskontext ein aus- fällt ja unter das Arbeitnehmerentsendegesetz. Dort kömmlicher Lohn zu werden. Aber dass man die Min- sieht man die Dokumentationspflichten nicht so kri- destanforderungen, dass eine alleinstehende Person, die tisch, weil man sich ja freiwillig für diese Regelungen nur von ihrem Lohn lebt, dass da eine Existenzsiche- entschieden hat. Anders ist es beim Mindestlohngesetz. rung so gefasst sein muss, dass diese Person eben bei Da möchte ich etwas zur monatlichen Entgeltgrenze sa- einer Vollzeitbeschäftigung tatsächlich auch so leben gen. Es gibt zwei Entgeltgrenzen für das verstetigte mo- kann, dass sie nicht mehr zusätzliche noch zum Amt natliche Bruttoentgelt, bis zu denen die Aufzeichnungs- gehen muss. Das erscheint mir da als die Untergrenze, pflichten gelten. Das sind einmal die 2.958 Euro, die von der wir ausgehen müssen. Wenn wir diese definie- quasi sofort gelten. Für alle, die mehr verdienen sind ren nach den aktuell geltenden Regeln, dann kommt keine Aufzeichnungen zu führen. Die zweite Grenze man eben auf diese Beträge, die Sie genannt haben. Vor sind 2.000 Euro monatlich, die erst gelten, wenn dieses diesem Hintergrund glaube ich, ich habe mich nicht di- Entgelt, also die 2.000 Euro, ein Jahr lang nachweislich rekt ausgesprochen, dass 12 € der richtige Betrag ist. Ich gezahlt wurden. Bei einer Vollzeittätigkeit von 38,5 Std. glaube, dass es auch in dem Sinne schon sinnvoll ist, sind das 18 Euro pro Stunde, bei 2.958 Euro bzw. dass man mit Unterstützung einer Mindestlohnkommis- 12 Euro pro Stunde bei der 2.000-Euro Grenze. Dabei sion da einen konkreten Betrag definiert. Aber dass man stellt aus unserer Sicht die monatliche 2.000-Euro- auf jeden Fall aktuell mit dem Mindestlohn, geschuldet Grenze eine sinnvolle Entgeltgrenze dar, die ausschließ- durch den sehr, sehr niedrigen Einstieg, den wir ge- lich gelten sollte. Diese zwölf Monate sind so etwas wie wählt haben, deutlich hinter diesem Ziel zurück ist und eine Bewährungsfrist für jeden neuen Beschäftigten in dass es von daher Anpassungsschritte perspektivisch einem Betrieb. Die 12-Monatsregelung sollte daher ent- bedarf, die den Mindestloch auf ein existenzsicherndes fallen und damit auch die höhere Entgeltgrenze von Niveau setzen, erscheint mir unabdingbar. Wenn man 2.958 Euro für die Dokumentationspflichten. Ebenfalls auch vergleicht, den deutschen Mindestlohn zum Bei- müsste man den Fokus mal auf Teilzeitbeschäftigung spiel mit dem Mindestlohn in anderen westeuropäi- legen, denn die monatliche Entgeltgrenze gilt auch für schen vergleichbaren Volkswirtschaften. Auch da sind Teilzeitbeschäftigte. Dort führt sie zu einem erheblichen wir deutlich unter dem Niveau, was zum Beispiel in Mehraufwand. Für eine hochgebildete Fachkraft, die Frankreich oder den Benelux-Staaten oder selbst in ei- vielleicht nur 15 Stunden die Woche arbeitet, liegt die nem Staat wie Irland gezahlt wird. Ich glaube, da haben Stundenlohngrenze somit bei knapp 30 € bei der 2000- wir auch von der ökonomischen Seite her die Möglich- €-Grenze. Und eine Aufzeichnungspflicht ausschließ- keit, dort größere Schritte nach vorne zu gehen. lich am Monatseinkommen festzumachen, ist vor die- Abgeordnete Ferschl (DIE LINKE.): Meine Frage geht sem Hintergrund wenig zielführend in Bezug auf die auch an Herrn Prof. Schulten. Mich würde interessie- Kontrolle des gesetzlichen Mindestlohns. Daher sollte ren, wie Sie die Mindestlohnkommission und den man auch die Monatsgrenze für die Dokumentations- Handlungsrahmen der Mindestlohnkommission beurtei- pflichten anteilig für Teilzeitbeschäftigte anpassen. len, insbesondere in Bezug auf die Höhe des Mindest- Vorsitzender Dr. Bartke: Das war die Fragerunde der lohns und praktisch dessen fortschreitende Entwick- FDP-Fraktion. Wir kommen zur Fragerunde der Fraktion lung. Sie haben es ganz kurz anklingen lassen: Was sa- DIE LINKE. Das erste Wort hat Herr Birkwald. gen Sie zu der These, dass der Mindestlohn von Anfang

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an zu niedrig bemessen war im Zusammenhang mit kosten ausgetragen wird, und wo zum Beispiel die Ta- dem Handlungsspielraum der Mindestlohnkommission? rifbindung nicht richtig gut funktioniert. Der Einzel- handel ist das beste Beispiel, wo die Tarifbindung eben Sachverständiger Prof. Dr. Schulten: Ich fange beim leider in großen Teilen nicht mehr funktioniert, weil die Letzten an. Mein Kollege Herr Sell hat schon gesagt, das Arbeitgeber sich weigern, Tarifverträge abzuschließen. war ein Stück weit eine politisch gegriffene Zahl. Die Vor dem Hintergrund denke ich, was notwendig wäre, 8,50 € waren jetzt nicht besonders volkswirtschaftlich ist natürlich die ganze Kontrollfrage. Aber ich glaube, hergeleitet oder durch irgendeine besondere Evidenz dass man allein durch Kontrollen das Problem auch basiert. Von daher glaube ich, stimmt die These, dass nicht lösen kann, sondern dass man vor allen die Rechte der Lohn ganz niedrig gegriffen ist. Die Tatsache kann der Beschäftigten stärken muss. Das wäre das Stichwort man auch dadurch belegen, dass wenn man den Min- Verbandsklagerecht. Dass die Beschäftigten nicht alleine destlohn ins Verhältnis zum mittleren Lohn in Deutsch- den Druck haben, ihre Mindestlohnansprüche geltend land stellt, dann liegen wir etwas über 40 %. Die meis- zu machen, sondern dass sie auf Gewerkschaften und ten anderen westeuropäischen Länder liegen bei über Betriebsräte zurückgreifen können. Und dass wir insge- 50 %, Frankreich zum Beispiel bei 60 %. Auch daran samt sozusagen vor allen Dingen das System von Be- sieht man, dass das ein sehr, sehr niedriger Lohn ist. triebsräten stärken müssen. Wir haben in unseren Un- Was die Mindestlohnkommission angeht. Ich verstehe tersuchungen festgestellt, dass in Unternehmen, wo Be- den Auftrag der Mindestlohnkommission so, sie soll triebsräte existieren, die Anzahl der Mindestlohnverstö- eine Gesamtabwägung der Lage vornehmen, das heißt, ße verschwindend gering ist, während das Problem vor nicht nur einfach dem Tarifindex folgen. Wenn sie nur allen Dingen in den Betrieben aufträgt, wo wir keine dem Tarifindex folgen würde, dann bräuchte man sie betrieblichen Interessenvertretungsstrukturen haben, gar nicht. Dann könnte man das Statistische Bundesamt weil es dort keine vernünftigen Kontrollinstitutionen das ausrechnen lassen, und dann wäre es gut. Man hat gibt. Von daher gibt es eine ganze Reihe von Maßnah- bewusst eine Gesamtabwägung gewählt. Und die Ent- men, die man machen kann, um tatsächlich eine effizi- scheidungen, die die Mindestlohnkommission getroffen entere und bessere Durchsetzung des Mindestlohns zu hat - nehmen Sie die jüngste Entscheidung - war auch gewährleisten. eine, wo sie deutlich über diesen Spielraum hinausge- gangen sind, wo sie eben entschieden haben, dass sie Vorsitzender Dr. Bartke: Vielen Dank. Ich habe jetzt nicht nur eine einfache Erhöhung von 9,19 € machen keine Fragen mehr von den LINKEN. Dann kommen wir und das für zwei Jahre gelten lassen. Das wäre sozusa- zur Fragerunde der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen das Mindeste, was sie nach dieser Logik machen NEN. Da hat sich als erstes Frau Müller-Gemmeke ge- sollten, wo sie nicht zuletzt auch auf - glaube ich - ent- meldet. sprechenden Wunsch und Druck der Gewerkschaften Abgeordneter Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE hin eine zweite Erhöhung gemacht haben, wo sie gesagt GRÜNEN): Meine Frage geht an Prof. Dr. Sell. Sie haben: Diese hohen Lohnabschlüsse, die Tarifabschlüs- schreiben in Ihrer Stellungnahme - und haben es auch se, die wir Anfang dieses Jahres in Deutschland erlebt vorhin schon gesagt -, dass auch Sie meinen, dass der haben, da müssen wir jetzt nicht zwei Jahre warten, bis Mindestlohn steigen sollte. Jetzt sind schon verschiede- diese auch den Mindestlohnempfängern zu Gute ne Aspekte angesprochen worden. Falls es jetzt noch kommt, sondern das können wir schon vorgeben, da ist irgendeinen Aspekt gibt, warum er steigen muss, haben ein Spielraum. Ich denke, im Prinzip hätte die Mindest- Sie die Möglichkeit, das jetzt auch noch einmal zu sa- lohnkommission auch die Möglichkeit im Rahmen die- gen. Aber meine eigentliche Frage geht dahin: Wenn ser Gesamtabwägung, größere Erhöhungen vorzuschla- man sagt, er soll steigen, dann geht’s um die Frage des gen und in Richtung Existenzsicherung zu gehen. Ich Wie. Da gibt’s eben die Möglichkeit, dass wir das poli- könnte mir aber durchaus vorstellen - und da wäre ich tisch im Bundestag machen oder eben weiterhin durch ein bisschen bei dem Vorschlag, der in dem Antrag der die Mindestlohnkommission. Da würde ich gerne Ihre GRÜNEN ist -, dass eine Präzisierung nochmal sinnvoll Meinung dazu hören, was besser ist und warum das wäre, um deutlich zu machen, dass wir existenzsi- besser ist. chernde Mindestlöhne tatsächlich auch wollen, dass das selbstverständlich ist, dass das durchaus nützlich Sachverständiger Prof. Dr. Sell: Vielleicht eine kurze wäre, um auch die Spielräume in der Mindestlohn- Anmerkung zu der ersten Frage und noch ein Argu- kommission besser auszureizen. ment. Wenn man sich differenziert die Entwicklung an- schaut, welche Rolle der Mindestlohn mittlerweile Abgeordnete Krellmann (DIE LINKE.): Meine Frage geht spielt, muss man zur Kenntnis nehmen, dass es ganze auch an Herrn Prof. Dr. Schulten. Was sind aus Ihrer Regionen und Branchen gibt, in dem der Mindestlohn Sicht die wesentlichen Ursachen, dass der Mindestlohn mittlerweile der Referenzlohn geworden ist, er nicht immer noch viel zu häufig umgangen wird? Wie lässt mehr als klassische Lohnuntergrenze in dem Sinne sich aus Ihrer Sicht die Situation überwinden? sozusagen als letztes Netz fungiert, sondern, wenn man Sachverständiger Prof. Dr. Schulten: Die Ursachen lie- sich offene Stellenangebote in manchen Teilen Ost- gen meines Erachtens darin, dass wir die Mindestlohn- deutschlands usw. anschaut, da werden die Stellen nur verstöße vor allen Dingen in Branchen feststellen, wo nach Mindestlohn ausgeschrieben. Das heißt, hier haben die Personalkosten eine wichtige Rolle spielen, und wo wir auch, Tarifpolitik hin oder her, ein Riesenproblem. der Wettbewerb eben nach wie vor stark über Personal- Natürlich wäre eine Erhöhung des Mindestlohnes eine

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sehr wichtige Einkommensquelle für die betroffenen wussten wir noch gar nicht, dass der Mindestlohn jetzt Arbeitnehmer. Zur zweiten Frage: Ja, was ist denn das in zwei Schritten, also jährlich angehoben wird. In an- Problem? Das ist ein Punkt, an dem ich dem Kollegen deren europäischen Ländern gibt es diesen Zweijahres- Schulten widersprechen würde. Auch wenn wir die ak- rhythmus nicht, den wir hier in Deutschland haben. tuellen Anpassungen der Mindestlohnkommission se- Von daher meine Frage: Wäre es auch sinnvoll, um das hen - und ich habe das versucht, in meiner Stellungna- Ziel zu verfolgen, dass man gut und kräftig langsam me detailliert darzulegen -, dann ist das gerade keine nach oben gehen kann, damit dies auch besser funktio- Abweichung von dem extrem engen Korsett, was die niert mit so einer Jahresfrist, gibt es zumindest die Mög- Mindestlohnkommission bei der Anpassungsfrage hat. lichkeit, dass man das auch in der Jahresfrist machen Das Korsett besteht aus dem § 9 Abs. 2 Mindestlohnge- kann? setz in Verbindung mit dem § 3 Abs. 1 der Geschäfts- Sachverständiger Prof. Dr. Sell: Wie immer in Arbeits- ordnung der Mindestlohnkommission, in dem genau die marktfragen bewegen wir uns in einem Raum mit unauf- rigide Verfolgung der nachlaufenden Tariforientierung lösbaren Dilemmata. Wenn ich die Perspektive habe, der Anhebung festgelegt ist. Man kann sich klarmachen, dass ich glaube, dass der Mindestlohn nachjustiert wer- wozu das führen wird. Das wird auch nicht durch diese den muss, was die Höhe angeht, ich aber einer konkre- zweigeteilten Entscheidungen jetzt aufgehoben, weil ten Höhe nicht vorgreifen will, weil ich glaube, das er- man bei der nächsten Anhebungsrunde 2020 wieder auf fordere sehr viele und abwägende Diskussionen der un- den alten Wert zurückgehen muss. Das habe ich ver- terschiedlichsten Wirkungskanäle, dann glaube ich, sucht darzustellen. Würden wir so weiter machen, dann spricht sehr viel dafür, eine jährliche Anpassung vorzu- erreichen wir die 12 Euro, die heute mehrfach genannt nehmen. Ein Gegenargument, was immer wieder ge- wurden, bei einer angenommenen Mindestlohnsteige- bracht wird ist, dass die jährlichen Anpassungen sehr rung von 2,5 Prozent pro Jahr im Jahr 2030. Das halte aufwendig sind. Es wird darauf hingewiesen, dass die ich für äußerst diskussionsbedürftig, ob man sich so ei- Betriebe Planungssicherheit wollen, auch bei den Tarif- nen langen Zeitraum vorstellen kann. Das Problem muss abschlüssen. Denn in den letzten Jahren haben wir oft in der Mindestlohnkommission gelöst werden, wenn eine 24monatige Laufzeit oder noch länger gehabt. Ich man es dort verortet. Und ja, ich würde keine politische will damit andeuten, dass es da so ein Spiel gibt. Aber Lohnsetzung befürworten, sondern setze weiter auf das ich würde die gnadenlose Festlegung auf einen zweijäh- Instrument der Mindestlohnkommission. Dann muss rigen Anpassungsrhythmus schlichtweg zur Disposition man aber den Auftrag der Mindestlohnkommission ent- auch der Kommission stellen und hier nach Bedarf ent- sprechend erweitern. Man sollte meiner Meinung nach scheiden. In der nächsten Zukunft hätten wir sicherlich auch das strukturelle Patt mit der Vetomöglichkeit nut- einen Anpassungsbedarf, der jetzt zu einer Durchbre- zen, die wir bei den gegebenen Stimmenverhältnissen chung dieses sehr langen Zeitraums führen kann, nach- und der Anforderung der Zwei-Drittel-Mehrheiten ha- laufend auch dann noch, was im Ergebnis zu Reallohn- ben. Das könnte man natürlich aufbrechen, indem man verlusten beim Mindestlohnbeschäftigten führen kann. den Kreis der stimmberechtigten Mitglieder erweitert. Und insofern würde ich auch für eine Aufhebung der Das heißt noch lange nicht, dass es davon abhängt, wer starren Jahreszahl zwei Jahre plädieren. berufen würde, dass deswegen ein höherer Mindestlohn herauskommt. Sie müssen aber die strukturellen Vo- Abgeordnete Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE raussetzungen schaffen, denn mehrfach wurde hier da- GRÜNEN): Kurz eine Frage an Herrn Prof. Schulten. rauf hingewiesen, dass die Orientierung am Tarifsystem Habe ich Sie vorhin richtig verstanden, dass Sie es sich sein muss. Da möchte ich aber darauf hinweisen, dass durchaus so vorstellen können, dass die Mindestlohn- in der Mindestlohnkommission, wenn man sie darauf kommission verändert wird mit einer klaren Zielsetzung reduziert und sagt, es wäre eine Variante des Tarifver- bei der Höhe 12 €, dass das ein gängiger Weg wäre? O- handlungssystems, wir natürlich ein logisches Problem der würden Sie sagen, dass das politisch beschlossen haben. Es gibt kein Arbeitskampfrecht in der Mindest- werden muss? lohnkommission. Es ist eine abgespeckte und reduzierte Sachverständiger Prof. Dr. Schulten: Ich glaube, dass Variante dieses Verhandlungssystems. Angesichts der man das nicht Entgegensetzen darf. Ich halte diese Ent- Bedeutung in manchen Regionen und Branchen, die der gegensetzung zwischen politischem Mindestlohn und Mindestlohn heute hat, würde ich das, was in Ihrem Kommissionsmindestlohn ein bisschen für eine künstli- Antrag auch angesprochen ist, befürworten: Keine poli- che Trennung. Letztendlich entscheidet die Regierung tische Setzung des Mindestlohns, aber die Mindest- natürlich über den Mindestlohn und hat auch die Ver- lohnkommission erweitern und strukturell Öffnen von antwortung. Sie macht das aber auf Grundlage, und das der Zielbestimmung her, auch für eine einmalige Kor- auch mit guten Argumenten, der Mindestlohnkommis- rektur des historisch bedingten Niveaus des Mindest- sion. Ich glaube, dass es gut wäre, wenn man durchaus lohns plus die Ermöglichung von flexiblen Anpassungs- ein Stück weit auch im Sinne Ihres Antrages eine Präzi- schritten des Mindestlohns, unabhängig von einer skla- sierung dieses Auftrags vornimmt, um Notwendigkeit visch vorgegebenen Tariflohnentwicklung, die nachge- existenzsichernder Löhne zu betonen. Wenn man dann bildet wird. zu einem Modell kommt, was sagt, die Mindestlohnan- Abgeordnete Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE passung ist sozusagen die Untergrenze und darüber hin- GRÜNEN): Ich habe nochmals eine Frage an Professor aus entscheidet die Kommission per Spielraum, was Dr. Sell. Im Januar, wo wir den Antrag gestellt haben,

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man noch machen kann, dann schiene mir das ein sehr haftung entwickelt hat. Ist das nach wie vor ein Prob- gutes Modell. lem? Wie lauten Ihre Forderungen in diesem Bereich? Vorsitzender Dr. Bartke: Wir kommen jetzt zur freien Sachverständige Dr. Schubert (Zentralverband des Runde, in der jede Fraktion noch ein Fragerecht hat. Da Deutschen Handwerks): Vielleicht doch lieber die Frage hat sich als erstes Frau Krellmann von der Fraktion DIE an die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber- LINKE. gemeldet. verbände, weil das Thema Auftraggeberhaftung leider bei mir gar nicht angesiedelt ist. Abgeordnete Krellmann (DIE LINKE.): Im Grunde geht es uns nicht darum, dass wir jedes Mal den Mindest- Vorsitzender Dr. Bartke: Wollen Sie es an den Bundes- lohn politisch festlegen. Es geht uns darum, dass wir vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände geben, einmalig der Mindestlohnkommission helfen bei einer Frau Schimke? höheren Grundgeschichte, wie sie daran gehen sollen. Sachverständige Wolff (Bundesvereinigung der Deut- Insofern finden wir das als Anschub für die Mindest- schen Arbeitgeberverbände): Zum Thema Arbeitgeber- lohnkommission und danach soll sie hoffentlich gute haftung ist zu sagen, dass wir darin tatsächlich immer Sachen weitermachen, was ich auch hoffe. Aber die noch ein Problem sehen. Das hängt zusammen mit Bü- konkrete Frage an Herrn Prof. Schulten geht in die Rich- rokratielasten, mit Aufzeichnungsverpflichtungen. Die tung. Neben Betriebsräten und Allgemeinverbindlich- Arbeitgeberhaftung, wie sie im Mindestlohngesetz gere- keit, was kann möglicherweise die Finanzkontrolle gelt worden ist, ist zu umfangreich. Wir fordern in die- Schwarzarbeit noch stärker zur Durchsetzung des Min- sem Bereich, dass es nicht mehr nötig sein muss, dass destlohns beitragen, der an vielen Stellen in der Tat jeder Arbeitgeber von jedem Subunternehmer immer ganz oft noch gebrochen wird, nämlich da, wo es zum eine Bescheinigung darüber anfordern muss, dass auch Beispiel keine Betriebsräte gibt? der Subunternehmer die Mindestlohnverpflichtung ein- Sachverständiger Prof. Dr. Schulten: Da gibt es viel- hält. Das kann zu einer ganz langen Kette führen und leicht noch bessere Experten hier, die das auch von den hier nicht der Sinn sein. Deshalb sollten da Erleichte- internen Strukturproblemen der Finanzkontrolle rungen für die Arbeitgeberhaftung geschaffen werden. Schwarzarbeit angehen. Ich glaube, die Stellungnahme Abgeordneter Rützel (SPD): Meine Frage geht an Herrn der GDP ist da wirklich sehr präzise von der Innensicht, Brehe vom Zoll. Wie sehen Sie die Forderung nach wo man zeigt, was da möglicherweise gemacht werden 5.000 zusätzlichen Planstellen für die Finanzkontrolle kann. Darüber hinaus ist natürlich der Punkt, wir haben Schwarzarbeit? Sehen Sie die Möglichkeit, dass die das Phänomen, dass obwohl der Mindestlohn eingeführt auch wirklich kurzfristig besetzt werden, dass man das worden ist, die Anzahl der Kontrollen erstmal radikal Personal bekommt? Zur Ausbildung usw. haben Sie nach unten gegangen ist, obwohl das zu kontrollierende schon etwas gesagt, aber wie sehen Sie die Rekrutierung Feld deutlich größer geworden ist, weil man nicht mehr und die 5.000 Stellen zusätzlich? nur die Mindestlöhne nach dem Arbeitsnehmerentsen- degesetz, sondern generell auch den allgemeinen Min- Sachverständiger Brehe (Gewerkschaft der Polizei, Be- destlohn kontrollieren musste. Von daher ist dafür Sor- zirksgruppe Zoll): Das im Personalaufwuchs in der Fi- ge zu tragen, dass überhaupt das, was als Zielgröße, nanzkontrolle Schwarzarbeit zu schaffen, ist ein sehr nämlich die 1.600 neuen Planstellen, dass die tatsäch- ambitioniertes Ziel. Die Zahl 5.000 neue Stellen für die lich vernünftig und auch qualitativ gut besetzt werden, FKS kenne ich nicht. Ich kenne einen neuen Zielwert, weil die Tätigkeit eine durchaus sehr anspruchsvolle dass man sagt, man will bis auf 10.000 hoch. Das ist ist, die solche Zöllnerinnen und Zöllner zu absolvieren auch letzte Woche nochmal propagiert worden. Das ist haben. Ich glaube, da hat die Finanzkontrolle Schwarz- sehr schwierig, vor allem, weil wir auch Abgänge zu arbeit schon auch noch Potential. Ob dann am Ende die verzeichnen haben und die Attraktivität der FKS inner- Personalzahl ausreicht oder ob nicht, wie der DGB und halb des Zolls nicht ungebrochen gut ist. Man müsste andere vorschlagen, das sogar noch weiter erhöht wer- auch dort etwas tun, und da sind wir wieder bei dem den muss, das vermag ich von der Außensicht her nicht Abschaffen der Parallel- und Doppelstrukturen. Wir zu beurteilen. Aber Fakt ist, wir wissen, auf der einen würden dann auch, wenn der Aufwuchs des Personals Seite gibt es sehr, sehr viele Mindestlohnverstöße. Es etwas auf sich warten lassen würde, mit mehr Effizienz, gibt unterschiedliche Schätzungen, aber alle kommen auch mit weniger Personal mehr Kontrollen hinbekom- zu dem Ergebnis, da ist ein massives Problem, egal ob men. Auch das wäre möglich. Ansonsten haben wir in- man jetzt die 700.000 des Statistischen Bundesamtes nerhalb der Jahre 2015, 2016, 2017 netto 500 Kollegin- oder die 1,8 Millionen des DIW oder die 2,2 Millionen nen und Kollegen für die FKS hinzugewinnen können. von uns nimmt. Egal welche Zahl, es gibt ein Riesen- Wenn man das hochrechnet auf die kommenden Jahre, problem. Daran gemessen, ist die Anzahl der Kontrol- dann haben wir noch etwas vor uns. len, die wir heute haben, sehr, sehr bescheiden. Dieses Abgeordneter Cronenberg (FDP): Ich knüpfe direkt an Missverhältnis muss ein Stück weit angegangen werden. Herrn Rützel an und frage Herrn Brehe von der GDP: Ich Abgeordnete Schimke (CDU/CSU): Das Mindestlohnge- habe letzte Woche das Hauptzollamt Bielefeld auf einer setz beinhaltete nicht nur die 8,50 €, sondern auch eine Baustelle im Wahlkreis begleitet. Daher die Frage: Wie Reihe von anderen Regelungen. Da würde mich die Auf- kann man denn die Prozesse verbessern, um die Effekti- fassung des ZDH interessieren, wie sich nach Ihrer Ein- vität bei der Missbrauchsbekämpfung zu erhöhen? schätzung insbesondere die Regelung zur Auftraggeber-

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Sachverständiger Brehe (Gewerkschaft der Polizei, Be- Arbeitsschutzbehörden, was die Kontrollen angeht, von zirksgruppe Zoll): Die Prozesse müssen sich an polizei- über 600.000 auf nur noch 200.000 im vergangenen Jahr, lichen Methoden orientieren. Das heißt also, wir müs- was ein Rückgang von 70 % innerhalb von 10 Jahren ist sen so arbeiten wie auch die Polizeibehörden arbeiten. aufgrund desaströser Personalausstattung vor Ort. Das Man muss sich mal vorstellen, dass die Finanzkontrolle weist eigentlich darauf hin, dass wir dringend eine Dis- Schwarzarbeit angesiedelt ist in den Hauptzollämtern. kussion auch sozusagen in Verlängerung dessen brau- Sie haben gerade selber davon gesprochen, dass Sie chen, was Herr Brehe gerade über eine völlige Neuauf- beim Hauptzollamt Bielefeld waren. Wenn man sich die stellung des Arbeitsschutzes ausgeführt hat, weil sozu- Auftragslage eines Hauptzollamtes ansieht und die mal sagen Mindestlohn auch ein Teil - in meinem Verständ- vergleicht mit anderen Behörden, dann kommt man da- nis von Arbeitsschutz - aus Sicht der Betroffenen ist zu, dass die gesamte Auftragslage für diese Behörde am und gerade die Arbeitszeitfragen eine ganz große Rolle ehesten vergleichbar ist mit der Auftragslage eines Fi- spielen. Denken Sie an den Hogar-Bereich. Dort geht es nanzamtes. Und jetzt stellen wir uns einmal weiter vor: doch nicht wirklich um die Mindestlohnstundensätze, Wenn wir bestimmte polizeiliche Teilbereiche hätten, sondern natürlich um das Arbeitszeitgesetz, was fort- nehmen wir meinetwegen den Einbruchdiebstahl, und während verletzt wird und was dann bei den Kontrollen man käme auf die Idee zu sagen, der Einbruchdiebstahl auffällt, wo es vorher nicht aufgefallen ist. Die Dinge wird nicht mehr von den Kreispolizeibehörden und den hängen miteinander zusammen. Deswegen kann ich Polizeipräsidien bearbeitet, sondern von den Finanzäm- auch nur appellieren, diese Diskussion zu führen, die tern, dann wäre das auch mit Sicherheit in Bezug auf im politischen Raum geführt werden müsste. Aber ich die Prozesse innerhalb dieser Behörde nicht hilfreich. sehe derzeit nicht, dass die geführt wird, obwohl sie Auch was auf die Dienststellenleiter zukommt, was die geführt werden sollte. alles beherrschen müssen an verschiedenen Prozessen Abgeordneter Pohl (AfD): Ganz kurz an den Zentralver- und Abläufen. Das sind einfach zwei völlig verschiede- band des Deutschen Handwerks. Gibt es belastbare Zah- ne Themen, die nicht in eine Behörde gehören. Und das len, wie viele Betriebe eine Steigerung des Mindest- ist ein Punkt. Es würden sich viele Prozesse verbessern lohns auf 12 Euro nicht mitmachen können, weil es lassen, wenn man das bündeln würde und an einem Ort existenzgefährdend wäre? Wo ist da die Substanz? ansiedeln würde, wie das dann auch immer heißt. Sachverständige Dr. Schubert (Zentralverband des Abgeordneter Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE Deutschen Handwerks): Zahlen habe ich dazu definitiv GRÜNEN): Ich knüpfe ebenfalls da an. Meine Frage geht keine. Aber wir wissen natürlich, dass wir eine ganze noch einmal an Prof. Sell. Es sind bei den Kontrollen Reihe von Gewerken haben, wo wir gerade im Osten schon das Personal angesprochen worden. Auch dieses Tarifverträge haben, die doch deutlich drunter liegen. Mehr an Befugnissen. Dann haben wir aber auch noch Immer noch über dem gesetzlichen Mindestlohn, aber die andere Ebene, dass zum Beispiel für das Arbeitszeit- deutlich unter den 12 Euro. Und wir wissen auch si- gesetz die Landesbehörden zuständig sind. Da wissen cher, dass das für die ein ganz großes Problem wäre. wir wiederum, dass das mit dem Personal gerade auch Aber Zahlen habe ich leider keine. nicht so dicke ist. Meine Frage: Um das Ziel tatsächlich zu erreichen, dass Mindestlöhne auch wirklich bezahlt Vorsitzender Dr. Bartke: Vielen Dank, Frau Schubert. werden, weil es wirklich die unterste Kante ist, bräuch- Wir sind damit am Ende unserer Anhörung angekom- ten wir da nicht so etwas wie eine Arbeitsinspektion? men, und ich möchte mich ganz herzlich bei Ihnen be- Was hätten Sie dazu für Vorstellungen? danken. Ganz besonders möchte ich mich aber bei Herrn Möller bedanken, weil mir Herr Zimmer eben ge- Sachverständiger Prof. Dr. Sell: Ich glaube, Sie legen da sagt hat, dass Sie in den Ruhestand gehen. Sie waren natürlich den Finger auf eine ganz große, weite und tie- häufiger Gast bei uns, daher auch von dieser Stelle noch fe Wunde. Es gibt diese Diskussion über das zersplitter- einmal ganz herzlichen Dank. Und wie ich Sie kenne, te Arbeitsschutzwesen und die Arbeitskontrolle in wird es ein Unruhestand. Guten Heimweg. Deutschland schon seit vielen Jahrzehnten. Gerade die neueren Zahlen zum Beispiel zu dem massiven Rück- gang der in Bundesländerzuständigkeit befindlichen Ende der Anhörung: 14:37 Uhr.

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Personenregister Bartke, Dr. Matthias (SPD) 254, 256, 262, 265, Schimke, Jana (CDU/CSU) 256, 271 267, 268, 269, 271, 272 Schmidt (Wetzlar), Dagmar (SPD) 256 Beeck, Jens (FDP) 256 Schneider, Jörg (AfD) 256 Birkwald, Matthias W. (DIE LINKE.) 254, 255, Schubert, Dr. Marlene (Zentralverband des 256, 258, 268 Deutschen Handwerks) 257, 258, 262, 267, Brehe, Goswin (Gewerkschaft der Polizei 268, 271, 272 Bezirksgruppe Zoll) 257, 258, 263, 264, 271, Schulten, Prof. Dr. Thorsten 257, 258, 265, 266, 272 268, 269, 270, 271 Cronenberg, Carl-Julius (FDP) 256, 267, 271 Schummer, Uwe (CDU/CSU) 256, 261 Ferschl, Susanne (DIE LINKE.) 256, 268 Sell, Prof. Dr. Stefan 257, 258, 264, 265, 266, Kapschack, Ralf (SPD) 256, 264 269, 270, 272 Kleinwächter, Norbert (AfD) 256, 265 Stolz, Natalia (Bundesvereinigung der Deutschen Knoerig, Axel (CDU/CSU) 256 Arbeitgeberverbände) 257, 258, 259, 260, 261, Kolbe, Daniela (SPD) 256 263, 266 Kramme, PStSin Anette (BMAS) 257, 258 Thüsing, Prof. Dr. Gregor 257, 258, 259, 261, Krellmann, Jutta (DIE LINKE.) 256, 269, 271 262, 268 Kurth, Markus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 256 Wagner, Michael (Deutscher Lehmann, Sven (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gewerkschaftsbund) 257, 258, 259, 261, 263, 256 265, 266 Lezius, Antje (CDU/CSU) 256, 261 Weiß (Emmendingen), Peter (CDU/CSU) 256, Mansmann, Till (FDP) 256 258, 262 Möller, Prof. Dr. Dr. h. c. Joachim (Institut für Wohlfeil, Jens Dirk (Handelsverband Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) 257, 259, Deutschland - HDE e.V.) 257, 258, 266, 267, 260, 262 268 Müller-Gemmeke, Beate (BÜNDNIS 90/DIE Wolff, Helena (Bundesvereinigung der GRÜNEN) 255, 256, 258, 269, 270, 272 Deutschen Arbeitgeberverbände) 257, 258, Oellers, Wilfried (CDU/CSU) 256, 259 271 Pohl, Jürgen (AfD) 256, 265, 266, 272 Zimmer, Prof. Dr. Matthias (CDU/CSU) 256, Rützel, Bernd (SPD) 256, 262, 263, 265, 271 260, 262, 263, 272

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