Strukturen Im Albvorland
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Auf den Spuren einer frühen „Industrielandschaft“ Eisenerzgewinnung und Herrschafts- strukturen im Albvorland Aktuelle landschafts- und montanarchäologische Forschungen im Albvorland haben neue Aspekte ergeben, die Ressourcennutzung und Entwicklung von mittelalterlichen Machtzentren am mittleren Albtrauf in einen unmittelbaren Zusammenhang setzen. Die Grundlagen von wirtschaftlicher und damit ver- bunden politischer Macht können auf der Basis moderner Grabungsergebnisse und Analysemethoden neu bewertet werden. Geländebegehungen und eine gezielte Auswertung der Geländescandaten (LiDAR) deuten darauf hin, dass dem Eisenbergbaurevier spätestens seit dem hohen Mittelalter eine zentrale Bedeutung für die Herrschaftskonzentration in dieser Region zukommt. Dabei spielt die Montanarchäologie – seit Kurzem ein fest verankertes Aufgabenfeld der archäologischen Denkmalpflege – eine zentrale Rolle. Jörg Bofinger/ Guntram Gassmann/ Anke K. Scholz Ressourcen im Albvorland ideale Voraussetzungen. Verkehrstopografisch er- schließen Neckarlauf und bedeutende Fernhan- Die dem Albtrauf nördlich vorgelagerte Landschaft delsstraßen die Region zwischen der Albhochflä- 1 Luftbild des Albvorlan- zwischen Kirchheim unter Teck im Osten und Reut- che und den fruchtbaren Lösslandschaften der Fil- des bei Kirchheim unter lingen im Westen ist in vielerlei Hinsicht als Gunst- derebene (Abb. 1). Teck, Kr. Esslingen, das region für Besiedlung und Wirtschaft anzusehen. Unterschiedlichste Baumaterialien sind gut ver- von den Höhenburgen Geomorphologisch bietet das Urach-Kirchheimer fügbar. So wurde Kalkstein in unzähligen Stein- Teck und Limburg be- Vulkangebiet für Höhensiedlungen und Burgen brüchen im Weißen Jura erschlossen und schon herrscht wurde. bau rücken bestimmte Elemente der Kulturland- schaft in den Fokus der archäologischen Denk- malpflege, die erst nach einer flächenhaften Aus- wertung der LiDAR-Geländescans in ihrer ganzen Dimension und Erhaltung erkennbar sind: Wölb - äcker und Terrassierungen als Relikte mittelalter- licher Landwirtschaft sind hier an erster Stelle zu nennen. Weiterhin können auch die im LiDAR- Scan erkennbaren Überreste von Fischteichen zum Verständnis mittelalterlicher Landnutzung beitra- gen. Der Opalinuston des Albvorlandes bietet ide- 2 Beispiel unterschied- ale Voraussetzungen für die Anlage von Teichen, licher Erzgruppen, die von denen manche primär auch zur Erzwäsche ge- während des Mittelalters dient haben könnten, liegen sie doch nicht selten im nördlichen Albvorland in unmittelbarer Nähe zu den Abbaurevieren intensiv abgebaut und (Abb. 3). weiterverarbeitet wur- Die Spuren der Landnutzung dieser Region reichen den. Links: Stuferz, Länge des Objekts 10 cm; rechts bis in die Jungsteinzeit zurück, wie Fundstellen aus Toneisensteingeode, dem 6. und 5. Jahrtausend v.Chr. belegen, als der Durchmesser ca. 2 cm. Wandel von der Natur- zur Kulturlandschaft ein- setzte. Im Laufe der Jahrtausende menschlicher 3 Kartierung der im Li- Siedlungs- und Wirtschaftsaktivitäten hat sich in DAR-Geländscan erkenn- der Landschaft ein komplexes Bild konserviert, das baren Kulturlandschafts- mithilfe der LiDAR-Geländescans visualisiert und elemente im Umfeld der durch tiefergehende Untersuchungen auch ver- Limburg bei Weilheim an ständlich und interpretierbar wird. der Teck, Kr. Esslingen. Ganz besonders erwähnenswert sind in diesem Zu- Rot: Abbauspuren, Gelb: Burgstellen, Orange: sammenhang die dortigen Eisenerzvorkommen. Schlackenplätze, Blau: Dieser Rohstoff (Abb. 2) scheint eine zentrale Dämme. Ressource für die im Hochmittelalter florierende Region gewesen zu sein, deren Bedeutung im Fol- 4 Beispiel für die Visuali- genden unter Berücksichtigung des mittelalter- sierung von Pingenfel- lichen Herrschaftsphänomens „Burg“ in Verbin- dern bzw.- reihen bei dung mit den Abbaurevieren näher beleuchtet Owen, Kr. Esslingen, im wird. LiDAR-Geländescan. Eine Montanlandschaft wird immer bedeutender Die archäologische Denkmalpflege beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit den Bergbauspu- ren im Albvorland. Mit Laszlo Szöke wurde bereits in den 1960er Jahren ein Geologe damit beauf- tragt, einem möglichen Zusammenhang der schon lange bekannten Bergbauzeugnisse – Pingen und Schlackenhalden – des Albvorlandes mit dem auf der Albhochfläche befindlichen Oppidum „Hei- dengraben“ nachzugehen. Neben einem detail- lierten Kartenwerk zur Verteilung Tausender von in römischer Zeit diente Lehm zur Herstellung von Schürfpingen zwischen Weilheim an der Teck und Ziegeln, wie Ausgrabungen auf der Trasse der ICE- Reutlingen-Sondelfingen kartierte er besonders Neubaustrecke Stuttgart–Ulm bei Weilheim an der um Frickenhausen-Linsenhofen zahlreiche Schla- Teck jüngst belegt haben. Auch die Ölschiefervor- ckenplätze, die er auch punktuell archäologisch kommen bei Holzmaden wurden beispielsweise als untersuchen und ins Frühmittelalter datieren Dachplatten auf der Limburg und als Auskleidun- konnte. Damit war die zentrale Frage nach einem gen von Drainagekanälen zwischen Wölbäckern möglichen Zusammenhang des Oppidums mit den im Albvorland verwendet. Erzvorkommen abschlägig beschieden, die zeitli- Zusammen mit dem mittelalterlichen Landesaus- che Tiefe der Montanaktivitäten blieb aber weit- 62 Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2018 gehend unerforscht. Seit den 1990er Jahren ge- lang es dem Archäologen Martin Kempa, durch systematische Untersuchungen an Schlackenplät- zen in großer Entfernung zu den von Szöke unter- suchten Plätzen, eine zweite Generation von Schla- ckenhalden des Hochmittelalters nachzuweisen, die wesentlich umfangreicher als jene des Früh- mittelalters ausfielen und sich mit weiterem Ab- stand voneinander über einen größeren Raum er- streckten, beispielsweise im Äußeren Wald bei Metzingen-Neuhausen. Mittlerweile konnte im Landesamt für Denkmal- pflege die Montanarchäologie personell fest ver- ankert werden, wodurch es möglich wurde, diese bisherigen Forschungsansätze aufzugreifen und nun mit einem breiten Fragenkatalog und vielver- sprechenden Zwischenergebnissen fortzuführen. Systematische Geländebegehungen an den Bach- läufen und auf zahlreichen Pingenfeldern zwi- schen Weilheim an der Teck und Mössingen ha- ben eine Vielzahl neuer Schlackenhalden erbracht, die sich schlackentypologisch den von Kempa ins die Verteilung der unzähligen Bergbauspuren. Na- 5 Schlackenhügel im Hochmittelalter datierten Anlagen zuordnen las- turräumliche Spezifika und lokale Auffälligkeiten Wald bei Metzingen, sen. Dadurch verdichten sich die Anzeichen, dass können auf regionaler Ebene dargestellt und her- Kr. Reutlingen. das Montanwesen im Albvorland für die regionale ausgearbeitet werden: Hier liegt das besondere Po- Entwicklung von hoher Bedeutung gewesen sein tenzial der LiDAR-Daten, deren Modellierung den könnte. Neben den konventionellen Erkundungs- Blick auf die großräumigen Zusammenhänge methoden wie Geländebegehungen und archäo- lenkt, weit über die Betrachtung des einzelnen logischen Grabungen setzt das Landesamt für Fundplatzes hinaus (Abb. 5). Die Kulturlandschaft Denkmalpflege zur Prospektion insbesondere in in ihrer Gesamtheit wird zum Gegenstand archä- Waldgebieten auf die Auswertung der für Baden- ologischer Forschung und kann als Quelle für die Württemberg flächig vorliegenden Geländescans. Darstellung historischer Entwicklungen herange- Daraus ergibt sich ein zusammenhängendes Bild zogen werden. Tausender in den Waldgebieten noch deutlich erhaltener Pingenfelder, die perlschnurartig an- Burgenlandschaft Albvorland einander gereiht dem gesamten Erzausbiss zwi- schen Weilheim an der Teck und Mössingen fol- Die Zone entlang des Steilabfalls am nordwest- gen (Abb. 4). lichen Rand der Schwäbischen Alb zählt zu den Die einzelnen Pingen erreichen Durchmesser von burgenreichsten Regionen in Deutschland, wobei etwa 10 m und waren nur wenige Meter tief. Sie es sich sowohl um mächtige Höhenburgen als zielten demnach auf die Bereiche der Erzvorkom- auch um kleinere Burgen handelt. Zu den erstge- men, die durch Verwitterung natürlich aufbereitet nannten zählen die Stammburgen bedeutender waren und sich leicht gewinnen ließen. Die Ana- Adelsgeschlechter, wie die Staufer auf dem Ho- lyse der LiDAR-Daten liefert ein präzises Bild über henstaufen, die frühen Zähringer auf der Limburg bei Weilheim an der Teck (Abb. 6) oder die Her - zöge von Teck mit der Burg Teck, die zwischen dem 11. bis 13. Jahrhundert angelegt bzw. ausgebaut wurden. Weiterhin sind in diesem Zusammenhang die Burgen auf dem Hohenneuffen, dem Hohen - urach und der Achalm zu nennen. Vervollständigt wird das Bild der Burgenlandschaft des 12. / 13.Jahrhunderts von zahlreichen Nieder- 6 Luftbild des Plateaus adelsburgen, die teils gut versteckt im Wald in der Limburg bei Weilheim einer Art Dornröschenschlaf bis in die heutige Zeit an der Teck, Kr. Esslingen, überdauerten und über deren Struktur und Bedeu- auf dem noch deutlich tung allzu häufig nur spärliche Hinweise bekannt Ruinenreste unter der sind. Am Beispiel des Waldgebietes „Talwald“ und schützenden Grasbede- „Gemeindewald“ westlich von Dettingen unter ckung erkennbar sind. Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2018 63 7 Die Burgstelle „Bol“ bei Dettingen unter Teck ist auch heute noch im Wald sehr gut mit ihren tiefen Gräben zu erkennen und stellt ein beindruckendes Zeugnis der Burgenland- schaft im Albvorland dar. Teck bzw. Owen soll dieses Phänomen exempla- auch militärische Belange unterstreichen die Be- risch veranschaulicht werden. In Sichtweite von deutung dieses Rohstoffes. Die Kontrolle über die Limburg und Teckberg befinden sich