Neue Kriminalpolitik Bietet Von Michael Walter
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15. Jahrgang NEUE M 13276 F • ISSN 0934-9200 NK KRIMINALPOLITIK Forum für Praxis, Politik und Wissenschaft 4‘03 Standpunkt: Heinz Steinert über Gewalt im Jugendstrafvollzug Ausserdem: Michael Walter über Prävention im Zeichen der Sicherheit Rolf Gössner zu den Schwierigkeiten der Aufarbeitung von Polizeigewalt Joachim Walter über das Just-Community-Projekt in der JVA Adelsheim ÜberbelegungÜberbelegung imim StrafvollzugStrafvollzug INHALT Rückblick und Ausblick Titel: Überbelegung im Strafvollzug In meinem ersten Jahr als »Chefredak- Der Strafvollzug in Deutschland ist hoffnungslos überbelegt. Das bedeutet, es fehlt nicht nur an Zellen, teur« der Neuen Kriminalpolitik ha- sondern auch an Arbeit, Betreuung und anderen Angeboten, die eine Resozialisierung befördern soll- ben wir, die Herausgeber, mit großer ten. Gleichzeitig stehen Haftplätze im offenen Vollzug leer, werden die Möglichkeiten ambulanter Maß- Euphorie »10 Thesen für eine Krimi- nahmen nicht ausgeschöpft. Unsere Autoren beleuchten die Ursachen der Überbelegung und zeigen nalpolitik mit Augenmaß« formuliert, leicht realisierbare Lösungen auf. in der Hoffnung, die öffentliche Debatte wieder stärker in Richtung MAGAZIN problembezogener und humaner Alternativen zum Strafen zu bewegen. Abschiebung: Nicht zuletzt ging es auch darum zu Der Fall des »Kalifen von Köln« zeigen, dass wir nach der Ära Helmut von Martin Hagenmaier . 122 Ortner, der die Zeitschrift mit gegrün- Alternative Strafen: det und die Redaktion neun Jahre lang Reform des Sanktionenrechts – neuer Anlauf geleitet hatte, mit ebensoviel Mut und von Frieder Dünkel . 123 Engagement weitermachen wollten. Nach sechs Jahren ist es nun auch für Jugendkriminalität: mich Zeit, das Staffelholz weiterzurei- Kriminalpolitische Impressionen chen. Die »10 Thesen« haben nichts von Bernd-Rüdeger Sonnen . 125 an Aktualität eingebüßt, die herr- schende Kriminalpolitik ist eher noch Standpunkt: weiter ins Fahrwasser populistischer Universität des Verbrechens Sicherheitsparolen abgeglitten. Den- von Heinz Steinert . 127 noch möchte ich eine optimistische Bilanz ziehen, denn nach wie vor ar- beiten viele Menschen in Praxis, Poli- tik und Wissenschaft an kriminalpo- FORUM litischen Alternativen mit Augenmaß Neue Präventionsbewegung und Probleme der Privatisierung und die Neue Kriminalpolitik bietet von Michael Walter. 128 ihnen ein unersetzliches Forum für gemeinsame Diskussionen. Trotz der schwierigen Situation im Verlagswe- THEMEN sen, die viele Fachzeitschriften zur Aufgabe zwang, konnten wir uns be- Fürsorgepflicht oder Organisierte Verantwortungslosigkeit? haupten, konnten neue Autoren und Strukturelle Probleme bei der justiziellen Aufarbeitung von Polizeigewalt in Thüringen neue Leser gewinnen, neue Themen von Rolf Gössner . 133 erschließen und dazu beitragen, dass kritische Positionen weiterentwickelt Demokratie und Moralentwicklung im Jugendstrafvollzug? und verbreitet wurden. Das Just-Community-Projekt in der JVA Adelsheim – ein Praxisbericht Wie groß der Einfluss liberaler und von Joachim Walter. 138 kritischer Positionen auf die öffentli- che Politik ist, hängt wesentlich von TITEL Rahmenbedingungen ab, auf die wir keinen Einfluss haben. Auch wenn in Überbelegung = Fehlbelegung? !!! dieser Hinsicht wenig Besserung in Plädoyer für grundlegende Systemverbesserungen im deutschen Strafvollzug Sicht ist, wird irgendwann auch wie- von Bernd Maelicke . 143 der eine Zeit kommen, in der diese Alternativen kriminalpolitisch nach- Fakten zur Überbelegung im Strafvollzug und Wege gefragt und umgesetzt werden. zur Reduzierung von Gefangenenraten In diesem Sinne wünsche ich allen von Frieder Dünkel und Bernd Geng . 146 Herausgebern, Autoren und Lesern Zur jüngsten Haftzahlenentwicklung in Österreich auch weiterhin viel Schwung beim von Arno Pilgram . 150 Kritisieren, Streiten, Analysieren und Kämpfen und bedanke mich für die vielen schönen Momente, die solche RUBRIKEN Arbeit immer wieder mit sich bringt. Recht . .154 Noch mehr beste Fachlektüre Neue Bücher . .155 wünscht Ihnen Rezensionen . .156 Terminal . .159 Oliver Brüchert Impressum . .160 NEUE KRIMINALPOLITIK – 4/2003 121 MAGAZIN tierung, erneuter Abschiebung, er- neuter Rückkehr ... Im Unterschied Der Fall des »Kalifen von Köln« zum aktuellen Fall des »Kalifen« findet sich aufgrund von Mangel an Ein Lehrstück für Rechtsanwendung Finanzierungsmöglichkeiten nie- mand, der ihren jeweiligen Einzel- Martin Hagenmaier fall durch alle Instanzen kämpft. Sollten sogar wie im Fall des »Kali- Weil ihm im Herkunftsland Folter droht, weigern sich die Gerichte, einen verurteilten fen« rechtliche Konsequenzen im Herkunftsland drohen, werden die- Straftäter auszuliefern und verhindern die Abschiebung. Ein neuerlicher Beweis für den se als unerheblich eingestuft, weil funktionierenden Rechtsstaat? Ganz im Gegenteil, argumentiert Martin Hagenmaier im das deutsche Ausländerrecht – so folgenden Beitrag: Die Nichtabschiebung des »Kalifen von Köln« stellt leider die seltene lautet das Argument – niemanden Ausnahme angesichts einer nach wie vor rigorosen Abschiebepraxis dar und zeigt, dass vor allgemeiner strafrechtlicher der Schutz vor Abschiebung ein sehr selektives Rechtsgut ist. Verfolgung schützen kann. Auch für verurteilte Ausländer gilt: Humanität und Schutz vor nach allgemeiner Auffassung zu er- e nach politischer Couleur freuen selbst Personen, deren Aufenthalt stimmten Einzelfall als Schutz vor wartender ungerechter Behandlung oder empören sich Presseorgane in der Bundesrepublik als Bedro- Willkür verstanden und akzeptiert genießt nur, wer in der Lage ist, J und politische Kommentator- hung der öffentlichen Sicherheit wird, muss man aus solcher Argu- dies rechtlich in jahrelangen Ver- Innen über die Gerichtsentschei- rechtlich bestätigt ist und die we- mentation schließen, dass dies für fahren geltend zu machen. Das dung zum Fall »Kaplan«. Das Düs- gen eines kriminellen Delikts nicht die Türkei angeblich nicht gelten aber hängt erheblich von der Be- seldorfer Oberlandesgericht lehnte unerheblichen Ausmaßes verurteilt kann. Das öffentliche Interesse an gleitung durch Interessengruppen die Auslieferung des »Kalifen von sind. Wir könnten uns der wahren dem Fall des Kalifen wäre im Falle und vom öffentlichen Status eines Köln« als dem deutschen Ausländer- Humanität rühmen, die selbst ihre seiner Abschiebung garantiert, wor- Falles ab. Arbeitslose, schlecht aus- recht widersprechend ab. Das Kölner Gegner vor Unbill und Schlimme- aus schon ein erheblicher Schutz gebildete und randständige Män- Verwaltungsgericht verweigerte mit den rem, ja sogar vor Gerichtsverfahren vor Willkür resultiert. Das hat sich ner kommen jedenfalls selbst dann gleichen Argumenten die Abschiebung. in ihrem Herkunftsland bewahrt, auch bei dem ganz anders gelager- nicht in den Genuss großzügiger Abgesehen von dem Einzelfall geht wenn wir sie schon nicht von der ten Fall »Mehmed« gezeigt, der vor humaner Behandlung, wenn sie in es dabei aber um die grundsätzliche Humanität und den Menschenrech- einigen Jahren die ausländerrechtli- Deutschland aufgewachsen, ihre Rechtswirklichkeit in unserem de- ten überzeugen können. che Situation illustrierte. Kinder und Eltern deutsche Staats- mokratischen Rechtsstaat. Es sieht sehr human aus, was Erheblich schwerer aber wiegen bürger sind und sie ihr theoreti- Das Ausländerrecht führt mit sei- deutsche Rechtsprechung aufgrund ganz andere Erfahrungen mit dieser sches Herkunftsland noch nie gese- nen Abschiebungshindernissen (§ 53 der Gesetzeslage produziert. Das ist Rechtsmaterie und stellen unsere hen haben. Die grundgesetzlich ga- AuslG) dazu, dass ein rechtskräftig ein Grund zur Freude über den de- eigenen Vorgaben in Frage. Huma- rantierte Gleichheit verwirklicht wegen Aufrufs zum Mord verurteil- mokratischen Rechtsstaat, zumal in nität gilt bei uns als rechtlich garan- ter Mann, dessen Ausweisung recht- der rechtlichen Argumentation auch tiert. In Wirklichkeit aber ist sie ein sich so nicht, zumal gewöhnlich lich zwingend vorgeschrieben ist, die Familie des betroffenen Kalifen, edles Gefühl und rechtlich dem zu- nicht einmal amnesty internatio- nicht abgeschoben werden kann. deren Mitglieder teilweise deutsche gänglich, der es durchsetzen kann. nal ein Interesse an verurteilten Die Abschiebungshindernisse be- Staatsbürger geworden sind, eine Aus deutschen Gefängnissen wer- ›nichtdeutschen‹ Straftätern auf- treffen die Befürchtung der erniedri- Rolle gespielt hat. (GG Art. 6, Schutz den jährlich hunderte, wenn nicht bringt. Nicht die Tatsache, dass ein genden Behandlung, Folter oder die von Ehe und Familie). Einige Aspekte tausende von verurteilten Straftä- öffentlich zum Umsturz auch unse- Todesstrafe im Herkunftsland. Der dieses Verfahrens verursachen dage- tern in ihre Heimatländer abge- rer demokratische Ordnung aufru- zwingende Ausweisungstatbestand gen erhebliche Irritationen. schoben, deren Schicksal keinen fender »Kalif« nicht abgeschoben wird im § 47 AuslG beschrieben. Die Türkei wird hier einmal mehr Menschen und schon gar kein Ge- werden kann, desavouiert unseren (Siehe Kasten) Das Düsseldorfer als folternder, rechtsunsicherer und richt interessiert. Auch hier sind Umgang mit ausländischen Mit- Oberlandesgericht hat in seiner gegen die Menschenrechte ver- oftmals Frau und Kinder, Geschwi- bürgern und unserer eigenen Hu- Entscheidung vom 26. Mai 2003 stoßender Staat dargestellt, dem ster und bisweilen sogar die Eltern manität. Vielmehr ist es die Tatsa- zunächst zwar nur die Auslieferung man auch seine Zusicherung, ein deutsche StaatsbürgerInnen. Aus che, dass jeden