zuschauen oder DEUTSCHLAND einmischen? Aus der Krise lernen 4 potentiale des alters nutzen! SCHWERPUNKT Arbeitsbereich der FES zum Einbinden bürgerschaftlichen Engagement statt abschieben 21 älterer Menschen INTERNATIONAL Europa aus dem Gleichgewicht 28

2/2010  TITELTHEMA

Eigener Arbeitsbereich der FES Bürgerschaftliches Engagement älterer Menschen stärken B ü r g e r s c haftli c hes E n g a g ement und gesellschaftspolitische Partizipation sind zentrale Themen in der Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung, die auf ganz unterschied- liche Weise bearbeitet werden. Eine besondere Form der Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex ist der Arbeitsbereich „Bürgerschaftliches Engagement älterer Menschen stärken“.

In Deutschland ist der demo- einsamung von älteren Men- rungswissen oft nicht in erfolg- graphische Wandel in vollem schen begegnet werden? Wel- reiche Aktivitäten umgesetzt Gang. Im Jahr 2050 wird jede/r che Rollen können und wollen werden. dritte Deutsche 60 Jahre oder ältere Menschen in einer sich Die Friedrich-Ebert-Stiftung älter sein, jede/r neunte sogar ändernden Gesellschaft einneh- möchte diesen Trend unterstüt- 80 Jahre oder älter. men? zen und das bürgerschaftliche Ein posi- Engagement älterer Menschen tiver As- weiter stärken. Ein Projektziel pekt des ist es, die ältere Generation demogra- darin zu unterstützen, ihr Er- phischen fahrungswissen, ihre Potenziale Wandels und Ressourcen noch stärker ist: Ältere für die Gestaltung und für den Menschen Zusammenhalt unserer Gesell- sind heute schaft einzubringen. im Durch- Ein Schwerpunkt des Projektes schnitt ist die politische Mitwirkung gesünder von Senioren und Seniorinnen. und besser Schließlich soll durch bürger- ausgebil- schaftliches Engagement nicht det als in der Sozialstaat ersetzt wer- der Ver- den, sondern die gesellschaft- Im Zuge dieser Veränderungen gangenheit. Sie sind länger ak- liche Teilhabe der Menschen stellen sich viele Fragen: Wie tiv und vielseitig interessiert. gewährleistet sein. Im Rahmen kann der gesellschaftliche Zu- Auch der Fünfte Altenbericht des Projektes „Bürgerschaft- sammenhalt gestärkt werden? der Bundesregierung „Poten- liches Engagement älterer Wie können Kommunen auch tiale des Alters in Wirtschaft Menschen stärken“ sind es vor in dünn besiedelten Regionen und Gesellschaft“ zeigt auf, allem aktive oder angehende mit hohen Abwanderungsra- dass die Menschen sinnvoll äl- Mitglieder von Seniorenver- ten ihr Angebot aufrechterhal- ter werden wollen, indem sie tretungen und vergleichbare ten? Welche Formen des Zu- ihr Erfahrungswissen und ihre Gremien, die von den Projekt- sammenlebens – innerhalb von Ressourcen für sich und für die angeboten profitieren können. Familien und darüber hinaus Gesellschaft einbringen. Ohne Die Workshops und Seminare – entwickeln sich? Wie kann adäquate Weiterbildung und umfassen unter anderen die einer Vereinzelung oder Ver- Qualifizierung kann das Erfah- folgenden Themen: Gesprächs-

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führung und Kommunikations- Artikel in dieser Ausgabe: techniken, soziale Kompetenz April – MAI – Juni – Juli 2010 und Teamfähigkeit, Konflikt- mediation, interkulturelle Kom- DEUTSCHLAND petenz, Öffentlichkeitsarbeit Podiumsdiskussion des Managerkreises: und Präsentationstechniken so- Aus der Krise lernen...... 4 wie Organisationsmanagement und Planungsmethoden. Mindestlöhne in Deutschland: Durch Konferenzen und Po- Hilferufe an die Politik...... 6 diumsdiskussionen bietet die Familien- und Geschlechterrollenbilder: FES eine Plattform für den öf- Arbeit, Geld und Macht sehr ungleich verteilt...... 10 fentlichen Diskurs zu den ge- 21. Bautzen-Forum: sellschaftlichen und politischen Willkür. Macht. Gewalt...... 16 Rahmenbedingungen des En- gagements. Beispielsweise wird SCHWERPUNKT der Prozess der Entstehung Politische Mitbestimmungsrechte für Senioren: oder Weiterentwicklung von Letztlich entscheidet die Kassenlage...... 20 Seniorenmitwirkungsgesetzen Mitwirkung von Senioren mit Zuwanderungsgeschichte: durch öffentliche Debatten be- Aufgaben und Hausaufgaben...... 26 gleitet. Daneben bietet die FES zahlreiche Fort- und Weiter- INTERNATIONAL bildungen an. Das Qualifizie- Analysen zur Finanzmarktkrise: rungsangebot richtet sich an Europa aus dem Gleichgewicht...... 28 zu Engagement bereite und be- FES-Jubiläum in Polen: reits aktive ältere Menschen. Den Blick nach vorne richten...... 36 Aber auch Multiplikator/innen, Rechtspopulismus in Europa: die hauptamtlich mit älteren Schwere Schäden des politischen Spektrums...... 46 Aktiven zusammenarbeiten, können die Schulungsangebote Der künftige Weg Brasiliens: nutzen. Lulas Erbe und die Präsidentschaftswahlen...... 55 Die oben beschriebenen Ent- Neue Publikationen der FES...... 58 wicklungen des demogra- phischen Wandels betreffen in Impressum...... 59 besonderer Weise Regionen in Ostdeutschland. Daher kon- zentrieren sich die Schulungs- angebote des FES-Projektes Textbeiträge in dieser Ausgabe des FES-Info: Linke, Hans Mathieu, Thomas Maettig, auf Mecklenburg-Vorpommern Simone Mayer, Stephan Meuser, Henrik und Sachsen-Anhalt, Branden- Vasyl Andriyko, Gerda Axer-Dämmer, Meyer, Kerstin Ott, Tobias Paul, Tim Pet- Verena Bach, Stephanie Böhm, Hermann schulat, Alexander Petratschkov, Werner burg und Berlin, Sachsen sowie Bünz, Michael Dauderstädt, Knut Deth- Rechmann, Franziska Richter, Michael Thüringen. Konferenzen und lefsen, Sina Dürrenfeldt, Michael Ehrke, Roll, Bettina Luise Rürup, Patrick Ruether, öffentliche Diskussionen sowie Matthias Eisel, Jan Niklas Engels, Philipp Jeanette Rußbült, Christina Schildmann, Fink, Alina Fuchs, Helene Gall, Alex Gei- Markus Schreyer, Adalbert Schlag, Seve- Publikationen beziehen sich auf ger, Daniel Goetze, Rainer Gries, Björn rin Schmidt, Franziska Schröter, Beyhan überregionale bzw. bundesweit Hacker, Anne Haller, Henriette Heimbach, Sentürk, Markus Sievers, Nikolai Sonnen- aktuelle Fragestellungen. Stephanie Hepper, Ralf Hexel, Matthias berg, Sebastian Sperling, Susanne Stoll- Jobelius, Türkan Karakurt, Nicole Katsiou- reiter, Stephan Thalhofer, Markus Troem- lis, Indira Kroemer, Felix Eikenberg, Janett mer, Yin Tsan, Urban Überschär, Annika meh r zum thema Kampf, Christos Katsioulis, Philipp Ulich, Maria Unrau, Achim Wachendor- Kauppert, Joachim Knoop, Ursula Koch- fer, Martin Weinert, Carsten Werner, www.fes.de/forumpug/inhalt/ Laugwitz, Kathrine Kollenberg, Volker Sidonie Wetzig, Petra Wilke, Andreas senioren.htm Lehmann, Yvonne Lehmann, Kristin Wille, Meike Wöhlert, Meik Woyke

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Podiumsdiskussion des Managerkreises Aus der Krise lernen

„A us de r K r ise le r nen . V o r s c hl ä g e zu r r E F O r m des W i r ts c hafts - systems “, lautete das Motto, unter dem die Diskussion des Managerkreis am 3. Mai in Berlin stand.

Neben Hubertus Heil waren rente Produkte, der Umgang wir in den letzten Jahren erlebt Dr. Klaus Günter Deutsch, Lei- mit schädlichen Leerverkäufen haben.“ Aufgabe der Politik ist ter des Büro Berlin der Deut- und Derivatehandel, das alles es daher, Alternativen zu erar- sche Bank Research, Dr. Dierk müsse zur Sprache gebracht beiten. Sie muss, so Hubertus Hirschel, Leiter Wirtschafts- werden, um Maßnahmen zur Heil, einen Rahmen schaffen und Steuerpolitik der DGB- Risikoeinschätzung, die Einfüh- „für mehr Fairness und Ord- Bundesvorstandsverwaltung, rung einer Finanztransaktions- nung auf dem Arbeitsmarkt, und der stellvertretende Spre- steuer oder die Schaffung einer für eine gerechtere Steuer- und cher des Managerkreises Ul- europäischen, öffentlich-recht- Finanzpolitik und für eine aus- rich Pfeiffer zu Gast sowie die lichen Ratingagentur voranzu- geglichenere Einkommensver- Mitautoren des Buches „Der bringen. teilung – und für notwendige gute Kapitalismus“ Dr. Chris- Eine wachsende Ungleichheit öffentliche Investitionen.“ tian Kellermann und Prof. Dr. in Einkommens- und Vermö- Weitere Informationen: Sebastian Dullien. Die Autoren gensverteilung ist nach Ansicht Sebastian Dullien, Hansjörg entwickeln in diesem Buch, des Chefökonomen des Deut- Herr, Christian Kellermann: dessen Ausgangspunkt ein Ex- schen Gewerkschaftsbundes Der gute Kapitalismus … und pertenworkshop der FES im Dierk Hirschel nicht allein ein was sich dafür nach der Krise Januar 2009 war, eine auf dem soziales, sondern auch ein ändern müsste Prinzip nachhaltiger Balance ökonomisches Problem. Denn zwischen Gesellschaft, Staat „wenn die Einkommens- und meh r zum thema und Wirtschaft basierende Re- Vermögenskonzentration zu- formperspektive, die positive nimmt, die unteren und mitt- http://library.fes.de/pdf-files/id/ Aspekte des Kapitalismus und leren Einkommensschichten ipa/06748.pdf einen aktiven Staat vereint. nicht mehr hinreichend kon- Die letzte Finanzmarktkrise sei sumieren können, erhöht sich www.transcript-verlag.de/ weder singuläres Ereignis noch in der Spitze der Einkommens- ts1346/ts1346.php ein zufälliger Betriebsunfall. Es pyramide der Spieleinsatz im ist das System selbst, das ins Casino. Das ist genau das, was Schlingern geraten ist. Prozyk- lisch funktionierende Finanz- +++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + K U R Z märkte alimentieren Verschul- dungszyklen, so der Leiter des + + + In Zeiten der Wirtschaftskrise liegt die große Herausforderung FES-Büros in Stockholm Chris- für die soziale Demokratie darin, eine eigenständige politische Vision tian Kellermann. Sie stehen in für die Gesellschaften des 21. Jahrhunderts zu entwickeln. Große Konkurrenz zur realen pro- Zukunftsfragen diskutierten Dr. Ernst Hillebrand, Leiter des Pariser duktiven Wirtschaft und sind Büros der FES, und Dr. Thomas Beyer, stellvertretender Vorsitzender „buchstäblich außer Kontrolle der BayernSPD und Vorsitzender der AWO Bayern, am 17. Juni mit gut geraten und zu einem Paralle- 80 Teilnehmer/innen in München. Als Elemente eines neuen Gesell- luniversum geworden“. schaftsmodells betonten beide Referenten die Notwendigkeit, die Ver- Das Versagen der Finanz- teilungsfrage erneut in den Mittelpunkt zu stellen und den Faktor märkte, das Platzen von Im- Arbeit deutlich aufzuwerten, z. B. durch die Einführung von Mindest- mobilienblasen, intranspa- löhnen. + + +

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V e r anstaltun g ü be r die K r ise de r L andesbanken Altkanzler liest Landesbanken die Leviten

Helmut Schmidt wies Die globale Finanz- und Wirt- Helmut Schmidt wies auf gra- Landesbanken müssten sich bei der FES-Veranstal- tung auf gravierende schaftskrise hat eine Vielzahl vierende Fehlentwicklungen daher nunmehr dringend zu Fehlentwicklungen im Landesbankensektor an wirtschafts- und finanzpoli- im Landesbankensektor hin. einer Neuordnung des Landes- hin. (Foto: Amann) tischen Fehlentwicklungen der Diese hätten sich von ihren ur- bankensektors durchringen. letzten Jahre und Jahrzehnte sprünglichen Funktionen be- offenbart. Einen Bereich, der in reits vor vielen Jahren weit- Deutschland dringend neu ge- gehend verabschiedet und regelt werden muss, stellen die sich mehr und mehr auf das Landesbanken dar. Sie sind im riskante Kreditersatzgeschäft Zuge der Krise in eine existenz- konzentriert. Wie die Krise gefährdende Schieflage gera- nun aber gezeigt habe, stell- ten. Viele Landesbanken konn- te dies kein tragfähiges und ten nur durch hohe Garantien nachhaltiges Geschäftsmodell und massive Eigenkapitalhil- dar. Spätestens seit dem Weg- fen von Seiten des Bundes, der fall der Gewährträgerhaftung Länder und der Sparkassen und Anstaltslast für die Lan- gerettet werden. Auf einer Ver- desbanken hätten deren Eigen- anstaltung der Abteilung Wirt- tümer darauf drängen müssen, das g uta c hten schafts- und Sozialpolitik in der sowohl das Geschäftsgebaren FES-Berlin, u. a. mit Altkanzler als auch die Strukturen der Harald Noack; Mechthild Schrooten: Die Zu- Helmut Schmidt, wurde die Zu- Landesbanken zu reformie- kunft der Landesbanken – Zwischen Konsoli- kunft der Landesbanken näher ren. Die Länder und auch die dierung und neuem Geschäftsmodell beleuchtet. Sparkassen als Eigentümer der http://library.fes.de/pdf-files/wiso/06823.pdf r E I H E „ b r u c hzonen de r g lobalisie r un g “ Ist ein anderer Kapitalismus möglich?

Seine Thesen von einem bes- Löschzuges gesessen und den ökologischen Gesichtspunkten seren Kapitalismus standen im Staat über den Tisch gezogen strukturiert und personennahe Mittelpunkt des Vortrags des hätten. Er halte die Mahnungen Dienste in den Bereichen der Sozialethikers Prof. Friedhelm der Bundesregierung, wonach Bildung, Gesundheit, Kommu- Hengsbach im Rahmen der Ver- die Deutschen über ihre Ver- nikation und Kultur weiterent- anstaltungsreihe „Bruchzonen hältnisse leben würden und wickelt werden. Die Auswei- der Globalisierung“ am 18. Mai deshalb Sparsamkeit in der Kri- tung kapitalgestützter privater in Leipzig. se notwendig sei, für absolut Absicherungssysteme müsse Auch in der Krise, so Hengs- unbegründet. Die Lösung der rückgängig gemacht werden, bach, konnten sich die Verur- Krisensituation erfordere statt- zugunsten von solidargemein- sacher behaupten, sodass die dessen die staatliche Durchset- schaftlichen Sicherungssyste- Brandstifter am Lenkrad des zung allgemeinverbindlicher men. Außerdem seien in einem Regeln. Laut Hengsbach bedarf einheitlichen Währungsraum es eines umfassenden Umbaus ausgleichende Transferleistun- Forderte die staatliche Durchsetzung allge- der Wirtschaft. Verkehrssyste- gen unerlässlich, um langfristig meinverbindlicher me, Energiegewinnung und Er- eine Angleichung der Lebens- Regeln: Prof. Friedhelm Hengsbach in Leipzig. nährungsweisen müssten nach verhältnisse zu erreichen. (Foto: Waldek)

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Ta g un g ü be r M indestl ö hne f ü r D euts c hland Hilferuf an die Politik

Der deutsche Arbeitsmarkt fällt lition durchgesetzten Reformen anschließenden Podiumsdis- international gleich durch zwei für mehr Branchenmindestlöh- kussion. Zwar berichtete er von Besonderheiten auf: Sehr viele ne. Mittlerweile hätten jedoch positiven Erfahrungen mit dem Menschen werden mit Niedrig- Union und FDP diesen Prozess Mindestlohn in seiner Branche. löhnen abgespeist. Und anders ins Stocken gebracht, wenn Er warnte aber vor der Gefahr, als in den meisten EU-Staaten nicht gar zum Stillstand. dass ein allgemeiner gesetz- reagiert die Politik darauf nicht Wie es in der deutschen Ar- licher Mindestlohn die Löhne in mit einem allgemeinen gesetz- beitswelt zugeht, zeigte der seiner Branche unter Druck set- lichen Mindestlohn. Journalist Markus Breitscheidel zen könne. Arbeitgeber, die bis- mit einem kurzen Film und sei- her mehr und nach Tarif zahl- nem Vortrag. Er recherchiert, ten, würden diesen als Maßstab indem er sich selbst als Leihar- für die Gehälter insgesamt be- beiter verdingt oder als Hartz- trachten. Dies bekräftigte He- IV-Empfänger auf Jobsuche ribert Jöris vom Hauptverband geht. „Ich habe so viele weit- des Deutschen Einzelhandels. gehend verzweifelte Menschen Das richtige Lohnniveau zu fin- getroffen, die bereit wären, für den, müsse Aufgabe der Tarif- eine Festanstellung alles zu ge- parteien bleiben. ben“, fasste Breitscheidel seine Diese Bedenken wiesen sowohl Beobachtungen zusammen. Franz-Josef Möllenberg, Vorsit- Für Claudia Weinkopf vom Ins- zender der Gewerkschaft Nah- titut Arbeit und Qualifikation rung Genuss Gaststätten, als an der Universität Duisburg-Es- auch die arbeitsmarktpolitische sen steht fest, dass die Politik Sprecherin der SPD-Bundes- Mit diesem Thema befasste sich die Erosion der Tarifstrukturen tagsfraktion, Anette Kramme, am 21. April in Berlin eine Ta- noch beschleunigt hat. In ei- zurück. „Das ist ein Hilferuf an gung des FES-Gesprächskreises ner Expertise für die Friedrich- die Politik“, rechtfertigte Möl- Arbeit und Qualifizierung. Ebert-Stiftung schreiben Wein- lenberg die Forderung nach „In den letzten Jahren ist die kopf und ihre Mitautoren: „Ein einem gesetzlichen Mindest- soziale Balance immer mehr einheitlicher gesetzlicher Min- lohn. In vielen Branchen sei es aus den Fugen geraten“, stell- destlohn, der das Lohnspekt- für die Gewerkschaften nicht te Ursula Engelen-Kefer fest. rum nach unten hin begrenzt, mehr möglich, aus eigener Die langjährige stellvertretende wäre insbesondere wichtig für Kraft für menschenwürdige Ar- Vorsitzende des DGB warb für Bereiche, in denen die Gewerk- beit zu sorgen. „Mit einem ge- eine zweigleisige Strategie: schaften oder Arbeitgeberver- setzlichen Mindestlohn können „Notwendig sind die Ausdeh- bände nicht präsent oder zu wir dieser Entwicklung entge- nung der tariflichen Mindest- schwach sind, um angemessene genwirken“, so Kramme. löhne sowie die Einführung Löhne zu vereinbaren.“ eines ausreichenden gesetz- Oliver Zander lichen Mindestlohns“. Engelen- vom Haupt- +++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + Kefer beklagte die langsamen verband der + + + „Eine Wirtschaftspolitik der Sozialen Demokra- politischen Fortschritte, erin- Deutschen tie stellt den Menschen in den Mittelpunkt“: Das war nerte aber auch die vom ehe- Bauindustrie die Hauptbotschaft von Franz Müntefering, der beim maligen Bundesarbeitsminister widersprach Wirtschaftsseminar der Akademie für Soziale Demo- Olaf Scholz in der Großen Koa- dem in der kratie in Bad Münstereifel zu Gast war. Über zwei Stunden diskutierte das sozialdemokratische Urge- stein mit den Seminarteilnehmern. + + +

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S omme r ta g un g des K o c hele r K r eises Agenda 2010 – Bilanz der Arbeitsmarktreformen

Nachdem nun das Zieljahr der sen, und auch Prof. Dr. Dr. h. c. die Weiterentwicklung der Ar- „Agenda 2010“ erreicht ist, Joachim Möller, Präsident des beitslosenversicherung zu einer widmete sich die diesjährige Instituts für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsversicherung. Sommertagung des Kocheler Berufsforschung (IAB) in Nürn- Die meisten Experten stimmten Kreises für Wirtschaftspolitik berg hin. Mit Mindestlöhnen darin überein, dass die Lösung der Frage, welche Erfolge in und einer generellen Ausdeh- den zurückliegenden Jahren nung der Allgemeinverbindlich- erzielt wurden, welche Fehlent- keitserklärung von Tarifverträ- wicklungen es gegeben hat und gen müsse der zunehmenden welche Neujustierungen auf Einkommensungleichheit be- dem Arbeitsmarkt gegebenen- gegnet werden. falls erforderlich sind. Das Problem der Spaltung des Für weitere Deregulierungen Arbeitsmarktes konnten die der Arbeitsmärkte plädierten Arbeitsmarktreformen jedoch Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Werner nicht lösen. Während früher Sinn, Präsident des ifo-Insti- eine Spaltung zwischen Be- tuts in München, und auch Dr. schäftigten und Arbeitslosen Werner Eichhorst, stellv. Di- vorlag, zeigt sich heute eine rektor Arbeitsmarktpolitik am Spaltung zwischen Stammbe- des Arbeitslosigkeitsproblems Große Geste, aber keine neue Idee: Prof. Institut zur Zukunft der Arbeit legschaft und Randbelegschaft. nicht allein der Arbeitsmarkt- Hans-Werner Sinn plä- (IZA), und warnten vor der Ein- Das Langzeitarbeitslosigkeits- politik überlassen werden dür- diert nach wie vor für die weitere Deregulie- führung von Mindestlöhnen. problem wurde durch die fe. Generell gelte es, und das rung der Arbeitsmärk- te. (Foto: Amann) Auf die in vielen westlichen In- Agenda 2010 ebenfalls kaum sei auch eine zentrale Lehre dustriestaaten erzielten guten gelöst. Um dem zu begegnen, aus den Erfahrungen rund um Erfahrungen mit Mindestlöh- plädierte Prof. Dr. Dr. h. c. Gün- die Agenda 2010, dass Maß- nen wiesen dagegen Prof. Dr. ther Schmid, ehem. Direktor nahmen zur Flexibilisierung Gerhard Bosch, geschäftsfüh- der Abteilung Arbeitsmarkt- von Arbeitsmärkten stets durch render Direktor des Instituts politik und Beschäftigung am stabilisierende und Vertrauen Arbeit und Qualifikation an Wissenschaftszentrum für So- schaffende Politikmaßnahmen der Universität Duisburg-Es- zialforschung (WZB) Berlin, für flankiert werden müssten.

Arbeit von morgen – gerecht verteilt und gesund?! Wachsende Arbeitsintensität, hohe Erwartung an renzsaal ihre Konzepte vor, berichteten von ihren Flexibilität und unsichere Arbeitsverhältnisse sind Erfahrungen und präsentierten ausgewählte Belastungen, denen sich Arbeitnehmer ausgesetzt Modellprojekte. Hubertus Heil, Stellv. Vorsitzender sehen: mit negativen Folgen für deren Gesundheit. der SPD-Bundestagsfraktion und Wolfgang Schrö- Wie kann also die Arbeit von morgen solidarischer der, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Sozi- verteilt und wie kann sie gestaltet werden, dass ales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg, Gesundheit und Arbeit miteinander verträglich diskutierten mit Peter Clever von der Bundesverei- sind? Dieser Frage widmete sich eine gemeinsame nigung der Deutschen Arbeitgeberverbände über Fachtagung des FES-Projektes „Gesellschaftliche Interventionskonzepte an der Schnittstelle von Integration“ und „Gesundheit Berlin-Brandenburg Arbeits-, Sozial- und Gesundheitspolitik. e. V“. Vertreter/innen aus Politik, Praxis und Wis- Mehr Informationen unter www.fes.de/integration senschaft stellten am 23. Juni im Berliner Konfe-

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M ana g e r k r eis zu r I nf r ast r uktu r finanzie r un g Möglichkeiten zur Optimierung nutzen

Die Finanzierung der Verkehrs- die notwendige Haushaltskon- Infrastrukturbereitstellung“ infrastruktur in Deutschland solidierung zu einem stei- und regte damit eine lebhafte steht vor großen Herausforde- genden Druck zur Ausgabenre- Debatte zur Rolle des Staates rungen. In den vergangenen duzierung kommen. an. Nach Ansicht einiger Po- Jahren lag die Investitionsleis- Am 15. Juni lud der Manager- diumsteilnehmer besteht die tung stets deutlich unter 10 kreis daher zu einer Diskus- Notwendigkeit, mehr nutzerfi- Mrd. Euro pro Jahr. Diese Situ- sion über „Schwerpunkte der nanzierte Elemente im System ation konnte mit Hilfe der Kon- Infrastrukturfinanzierung“ ein. zu etablieren. Insbesondere junkturprogramme zwar kom- Dr. Stefan Kooths, Konjunktur- die mittel- bis langfristige Sta- pensiert werden, aber mit dem experte am Institut für Welt- bilisierung der Finanzierung Haushalt 2011 werden diese wirtschaft in Kiel, eröffnete das werden dabei als Argumente auslaufen. Einnahmeausfälle Podium, das mit Prof. Klaus- genannt. Nicht alle Podiums- aus der Lkw-Maut sind abseh- Dieter Scheurle, Staatssekre- teilnehmer sahen jedoch eine bar, zusätzlich wird es durch tär im Bundesministerium für ausreichende Bereitschaft, für Verkehr, Bau und Mobilität zu zahlen. Um die Stadtentwicklung, Gefahr zu vermeiden, sich in Florian Pronold, MdB einem politisch aufgeladenen und stellvertretender Diskurs zwischen Privatisie- Fraktionsvorsitzen- rung oder Nutzerfinanzierung der der SPD-Bundes- festzubeißen, müssen auch die tagsfraktion, und Dr. Möglichkeiten zur Optimierung Peter Fischer, Präsi- des bestehenden Systems ge- dent der Pro Mobi- nutzt werden, so die Podiums- lität – Initiative für teilnehmer. Eine große Hürde Verkehrsinfrastruk- stellten in Deutschland das all- tur e. V., besetzt war. gemeine gesetzliche und das Kooths forderte die föderale Regelungssystem dar. „Entpolitisierung der

K oope r ationsve r anstaltun g ü be r W i r ts c hafts - und I ndust r iespiona g e in D euts c hland Unternehmen in der Globalisierungsfalle

Nicht nur im Krimi werden kaum anwendbar“, betonte Dr. Vor allem China und die Rus- deutsche Unternehmen Opfer Burkhard Even, Leiter der Ab- sische Föderation, die bei- von Spionageangriffen. Dabei teilung „Spionageabwehr“ des den einzigen Staaten, die der- ist zwischen Wirtschaftsspio- Bundesamtes für Verfassungs- zeit in Spionagetätigkeiten in nage von Nachrichtendiensten schutz (BfV), bei der Kooperati- Deutschland involviert sind, fremder Staaten einerseits und onsveranstaltung der FES und nutzen beispielsweise durch der Industriespionage eines Un- des Gesprächskreises Nachrich- Zollbestimmungen gewonnene ternehmens durch einen Wett- tendienste in Deutschland e. V. sensible Daten auch strategisch bewerber andererseits zu un- „Wirtschafts- und Industriespi- zum Aufbau der eigenen Unter- terscheiden. „Im Alltag ist diese onage – Unternehmen in der nehmen. Verwertbare Informa- Unterscheidung aber vor allem Globalisierungs- und Technik- tionen können Daten zu Unter- bei einem Anfangsverdacht falle?“ am 20. Mai in Bonn. nehmensstrategien, Baupläne

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von Produkten oder beispiels- rer der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit“ für Wirtschaft wie weise auch anstehende Perso- Sicherheit der Wirtschaft e. V. Endverbraucher entwickeln nalentscheidungen sein. Ein gesundes Maß an Misstrau- soll. Er ging vor allem auf die Während Global Player meist en gegenüber allen Neuen in „Technikfalle“ ein, die erhöh- über eine entsprechende Ri- Betrieben, Unternehmen und ten Risiken, die sich durch die sikowahrnehmung verfügen, auch Behörden sei deshalb an- Nutzung elektronischer Spei- seien die hochinnovativen, gebracht, riet Dr. Even. Dies cher- und Kommunikationsme- aber auf dem globalisierten war auch der Ansatzpunkt für dien ergeben. Er rief zu einem Markt unerfahrenen mittel- Michael Hange, Präsident des kontrollierten Umgang mit In- ständischen Unternehmen die Bundesamtes für Sicherheit in formationen auf: „Nicht jeder Gruppe mit dem größten Risiko der Informationstechnik (BSI), Mitarbeiter muss überall und für erfolgreiche Spionageatta- das als Sicherheitsbehörde jederzeit zu allen Daten Zugriff cken, erläuterte Dr. Berthold – nicht als Nachrichtendienst haben!“ Stoppelkamp als Geschäftsfüh- – Lösungen zur „angemessenen

F r auen q uoten f ü r F ü h r un g spositionen Die gläserne Decke immer noch aus Panzerglas? Während in Deutschland das rungen Norwegens mit der Ein- können und nicht vorher an die Für und Wider einer gesetz- führung der Frauenquote zu gläsernen Decken stoßen.“ lichen Frauenquote für Auf- erhalten, hat die Internationale Und tatsächlich: Ein Blick auf sichtsräte und Konzernvor- Politikanalyse eine Studie bei die Entwicklung der vergan- stände noch diskutiert wird, zwei norwegischen Sozialwis- genen Jahre zeigt, dass sich sind andere europäische Län- senschaftlerinnen in Auftrag ohne eine verpflichtende Re- der schon weiter. Norwegen gegeben. Sie gibt Aufschluss gelung in den Aufsichtsräten hat als erstes Land auf der darüber, wie die Diskussions- und Vorständen wenig ändert. Welt eine gesetzliche 40-Pro- und Entscheidungsprozesse in Vor fast neun Jahren haben zent-„Genderquote“ für Auf- Norwegen verlaufen sind, wo in Deutschland Bundesregie- sichtsräte eingeführt – im ers- die gesetzlichen Regelungen rung und Spitzenverbände ten Schritt (2004) für staatli- ansetzen und welche Entwick- der Wirtschaft vereinbart, die che Unternehmen, im zweiten lungen nach Einführung der Karrierechancen von Frauen auch für die Privatwirtschaft Quote zu verzeichnen waren. zu verbessern. Doch die Domi- (2006). Unternehmen, die sich Am 5. Juli wurden die wichtigs- nanz der Männer in den Vor- nicht daran halten, müssen ten Erkenntnisse der Studie auf ständen und Aufsichtsräten seit 2008 mit harten Sank- einer öffentlichen Veranstal- ist seither ungebrochen. Der tionen bis zur Firmenauflö- tung in Berlin vorgestellt. Die Frauenanteil in den Vorstän- sung rechnen. Zwar gab es stellvertretende SPD-Parteivor- den der deutschen Top 100 zunächst erheblichen Wider- sitzende und Ministerin für So- Wirtschaftsunternehmen liegt stand gegen die Einführung ziales und Gesundheit in Meck- bei unter einem Prozent. In den der Quote, doch inzwischen ist lenburg-Vorpommern Manuela Aufsichtsräten nehmen Frauen sie gesellschaftlicher Konsens. Schwesig forderte eine sankti- nur 10 Prozent aller Sitze ein, Um einen Einblick in die Erfah- onsbewehrte Quote: „Wer sagt, drei Viertel von ihnen vertreten dass die Quote die Leistungsge- dabei die Arbeitnehmerseite. rechtigkeit in Frage stellt, der Im internationalen Vergleich irrt. Umgekehrt wird ein Schuh gehört Deutschland, was den Für eine Frauenquote daraus: Die Quote sorgt erst Anteil der Frauen in Aufsichts- in Führungspositionen sprach sich Mecklen- dafür, dass Frauen ihr hoch- räten betrifft, zu den Nachzüg- burg-Vorpommerns qualifiziertes Know-how in den lern. Sozialministerin Manuela Schwesig aus. Führungsetagen anbringen (Foto: Schicke )

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D iskussionsve r anstaltun g ü be r F amilien - und g E S c hle c hte r r ollenbilde r Arbeit, Geld und Macht sehr ungleich verteilt

Was ist ein „Familienfunda- minismuskritischen Debatten In der Debatte mit Thomas Ges- mentalist?“ wollte eine Teil- den Hintergrund für eine Ab- terkamp, den Gender-Exper- nehmerin der Diskussionsver- wendung von Gleichstellungs- ten Dr. Regine Frey und Jens anstaltung am 12. Mai im Haus politik, Frauenförderung und Janson, dem Focus-Journalis- der FES in Berlin wissen. Unter Gender Mainstreaming? ten Alexander Wendt und der dem Titel „Auf leisen Sohlen ... Aus Sicht des Journalisten Tho- Öffentlichkeitsreferentin vom Konservative Familien- und mas Gesterkamp, der im Auf- deutschen Frauenrat, Ulrike Geschlechterrollenbilder auf trag der FES eine Expertise Helwerth, wurde keine Einig- dem Weg in die Mitte der Ge- zum Thema erstellt hat, gibt keit über die aufgeworfenen es einen rechtskonservativen Fragen hergestellt. Trend der Neubestimmung von Vielen Teilnehmern auf dem Geschlechter- und Familienbil- Podium und im Publikum war dern. In der Publikation „Ge- an einer stärkeren Differenzie- schlechterkampf von rechts“ rung und Öffnung der Debatte (FES 2009) gibt er viele Bei- jenseits von Geschlechterdua- spiele für diese Entwicklung. lismen gelegen: Aus der Per- Auch Dr. Barbara Stiegler (FES) spektive eines Experten, der sieht deutliche Signale einer sich seit vielen Jahren mit dem medialen Umdeutung – nach sich ändernden Männerbild be- dem Motto „Die Gleichstellung fasst, wies Jens Janson darauf ist erreicht. Der Feminismus hin, wie sich auch männliche kann einpacken“. Mit empi- Lebensentwürfe verändern: rischen Daten hält sie dagegen: „Sie passen sich der Pluralität, „Die Gleichberechtigung ist der Globalisierung und anderen Das kleine Glück: sellschaft?“ wurde über Fami- nicht erreicht. Die Geschlech- Prozessen an.“ Besonders konservative Familienbilder verfügen lie, Frauen- und Männerrollen, terverhältnisse sind alles an- Auf die Frage nach dem „Fami- über großes Behar- Gleichberechtigung und Gen- dere als in Ordnung.“ Arbeit, lienfundamentalisten“ antwor- rungsvermögen. (Foto: fotolia.com/Menzl) dermainstreaming kontrovers Geld und Macht sind nach wie tete Thomas Gesterkamp mit diskutiert. vor sehr ungleich verteilt. Der einem konkreten Beispiel: „Der Über 200 Gäste interessierten Feminismus habe noch lange Familienfundamentalist ist – sich für Fragen wie: Gibt es ei- nicht ausgedient. Frauenför- zugegebenermaßen – eine Kre- ne schleichende Umdeutung derung und Gender Mainstrea- ation von mir. Das ist jemand, von bestehenden Frauen-, Ge- ming sind weiterhin notwendig, der rechtskonservative Rollen- schlechter- und Familienbil- um mehr soziale Gerechtigkeit bilder mit einem klaren Dualis- dern? Bilden die aktuellen fe- zu schaffen. mus propagiert.“

H e r mann S c hee r in L eipzi g Schneller Energiewechsel dringend erforderlich

Angesichts der nahenden Er- Ein schneller Energiewechsel tischen Arbeit als MdB u. a. schöpfung der Energiepoten- sei deshalb dringend erforder- Vorsitzender des Weltrats für ziale sei mit den derzeitigen lich, konstatierte Dr. Hermann Erneuerbare Energien. In Leip- Energiequellen das 21. Jahr- Scheer am 12. April in Leipzig. zig sprach er auf Einladung der hundert nicht zu überstehen. Scheer ist neben seiner poli- FES zum Thema „Der Klima-

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gipfel von Kopenhagen – und gung deutschlandweit gestei- tens dürfe es keine künstlichen wie weiter?“ Scheer begründe- gert werden könne, seien drei Begrenzungen der Mengen ge- te seinen Appell zum Umden- Punkte zu beachten: ben. Scheer bekräftigte jedoch, ken mit den volkswirtschaft- Erstens sei es notwendig, jedem dass die Umsetzung dieser lichen, sozialen, ökologischen Anbieter unabhängig von sei- Maßnahmen von der aktuellen und sicherheitspolitischen Pro- ner Größe den Netzzugang zu Bundesregierung nicht zu er- blemen, die aus der Abhängig- garantieren. Zweitens müsse es warten sei, sondern vielmehr keit von fossilen Energien ent- eine gesetzlich geregelte Ein- der Aufbau weiterer Hinder- stünden. speisevergütung geben, die der nisse, wie die geplanten Verän- Damit der Anteil erneuerbarer Art der Energie entsprechend derungen des Erneuerbare-En- Energien an der Energieerzeu- Abstufungen vorsehe, und drit- ergien-Gesetz (EEG) zeigten.

Die Stadt, das Geld und die Not

Angesichts eines nie zuvor erreichten Berliner men nur zu einem Strukturkonservativismus Haushaltsdefizits von 15 Milliarden Euro luden die geführt hätten. Küppers betonte, dass die Republik FES und die Berliner Senatskanzlei Ende Juni Poli- nur durch die Kommunen funktioniere und plä- tikerinnen und Politiker ein, sich Gedanken über dierte für eine Neuverteilung der Lasten. Das sah eine gemeinsame strategische Ausrichtung der Werner Gatzer als Vertreter des Bundesministeri- Städte und Gemeinden zu machen. Im Wappensaal ums für Finanzen natürlich ganz anders. So suchte des Roten Rathauses diskutierten Amelie Deufl- man weiter nach neuen Wegen, um eine verläss- hard, Intendantin Kampnagel Internationale KUL- liche Gestaltung der sozialen und kulturellen Infra- TURFABRIK GmbH, Werner Gatzer, Staatssekretär struktur zu gewährleisten. Verantwortungspart- Bundesministerium der Finanzen, Dr. Hans-Georg nerschaften, Kulturfonds in allen Bundesländern, Küppers, Vorsitzender des Kulturausschusses des Töpfe für Innovatives, Kompetenzteams der Kultur- Deutschen Städtetages und Kulturreferent der Lan- referenten und die Bildung einer Gemeindefinanz- deshauptstadt München, Prof. Dr. Alois Oberhauser, reform-Kommission waren Vorschläge, deren Finanzwissenschaftler und Jörg Stüdemann, Stadt- Umsetzung die Expertinnen und Experten des Podi- rat und Kämmerer der Stadt Dortmund. Stüdemann ums, des Publikums und auch die FES in Zusam- beklagte in seinem Einführungsreferat „Land- menarbeit mit der Berliner Senatskanzlei weiter schaften des Leidens“, dass bisherige Sparmaßnah- verfolgen werden.

Klare Orientierung, klare Perspektiven Herten im Ruhrgebiet war einmal die größte Berg- einer gesunden gesellschaftlichen und wirtschaft- baustadt Europas. Heute sind die Zechen geschlos- lichen Basis für die Zukunft zu arbeiten. Verschie- sen. Die Stadt steckt mitten im Strukturwandel, seit dene Workshops boten den rund neunzig kommu- Jahren hat sie mit einem Nothaushalt zu kämpfen nalpolitisch aktiven Teilnehmern der Sommeraka- und die Zahl der Bürger nimmt stetig ab. Trotz all- demie Gelegenheit, sich für gute Politik dem ist Herten eine Stadt mit Zukunftsperspektiven. weiterzubilden. Wichtige Werkzeuge des Kommu- Davon zeigte sich ihr Bürgermeister Dr. Uli Paetzel nalpolitikers sind die Fähigkeiten, ein Team zu leiten bei der diesjährigen Kommunalpolitischen Sommer- und Bündnisse zu schmieden, oder den eigenen Weg akademie der FES in Bonn überzeugt. Durch Fortbil- strategisch zu planen. Denn wer in der Politik Orien- dungsangebote für Erwachsene und ein umfas- tierung bieten will, muss zuerst selbst eine klare Ori- sendes Bildungsangebot für Jugendliche soll der entierung haben. Dies zu stärken, war das Anliegen Wandel von der Bergbau- zur Dienstleistungsstadt der diesjährigen Kommunalpolitischen Sommer- gelingen. Die kommunale Politik zielt darauf ab, den akademie. Die wichtigste Kompetenz eines Kommu- Bürgern Möglichkeiten zur Gestaltung ihrer Stadt an nalpolitikers aber ist, so der Hertener Bürgermeister die Hand zu geben. Orientierung bieten heißt hier, an „Menschen zu mögen und begeistern zu können“.

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E x pe r tenaustaus c h des F E S - E u r opab ü r os Daseinsvorsorge als Wirtschaftsfaktor stärken

Die Daseinsvorsorge mit sätzlich erweist sie sich in der FES am 28. April einen Ex- Dienstleistungen etwa in den aktuellen Wirtschafts- und Fi- pertenaustausch zwischen der Bereichen öffentlicher Nah- nanzkrise als wichtiger Stabi- regionalen und europäischen verkehr, Abfallwirtschaft und lisator und hält europaweit 64 Ebene mit dem Finanzminis- Energieversorgung trägt mit Millionen Menschen beschäf- ter Sachsen-Anhalts Jens Bul- Expertenrunde in Brüs- sel: Jens Bullerjahn, einem Anteil von 26 Prozent tigt. Sie findet jedoch häufig im lerjahn, dem Geschäftsführer Michael Schädlich und zum Bruttoinlandsprodukt der Grenzbereich zwischen priva- der Stadtwerke Halle, Wilfried Wilfried Klose (Foto: Heimsbach) EU bei (2,4 Billionen Euro). Zu- ten und öffentlichen Dienstleis- Klose, sowie Michael Schädlich, tungen statt und steht damit Geschäftsführer des Instituts in einem permanenten Span- für Strukturpolitik und Wirt- nungsverhältnis zum europä- schaftsförderung Halle. Von ischen Wettbewerbsrecht. der europäischen Ebene brach- Um europäische Handlungs- ten Marcel Haag, Europäische optionen für die Daseinsvor- Kommission, und Bernhard sorge im Sinne einer sozialen Rapkay, Mitglied des Europä- Ausgestaltung des EU-Bin- ischen Parlaments, ihre Exper- nenmarktes auszuloten, orga- tise ein. nisierte das Europabüro der

M edienpolitis c hes S t r eit g esp r ä c h de r F E S Konkurrenz oder Ergänzung?

Am Ende war es fast versöhn- entgegensetzen. Dass das Blog Westfälische“, bekräftigte, dass lich, das Streitgespräch, das in binnen weniger Wochen en- das Internet zu einer enormen der Politischen Akademie die orme Nutzerzahlen erreichte, Informationsbereicherung ge- Konkurrenz zwischen alten und habe ihm gezeigt, wie groß führt habe. Allerdings erreich- neuen Medien, zwischen Leitar- die Lücke war, die die traditi- ten Blogs wie „Wir in NRW“ nur tiklern und Bloggern, ausleuch- onellen Medien offen gelassen deshalb eine so große Wirkung, ten sollte. „Blog gegen Print“- hatten. weil traditionelle Medien die Anlass zu dieser Veranstaltung Genau solche Lücken oder Lö- Themen aufgegriffen oder über war ein politisches Blog im nor- cher seien die Chance für Blog- die Blogs berichtet hätten: „Das drhein-westfälischen Landtags- ger, erklärte auch Stefan Nigge- Internet ist immer noch auf wahlkampf, das mit kritischer meier, Gründer des kritischen unsere Berichterstattung als Berichterstattung über die Re- bild-blogs und Blogger-Pionier. Transmissionsriemen angewie- gierung Rüttgers die traditio- Dort wo die traditionellen Me- sen“. Für Seim gab es keinen nellen Medien in Zugzwang ge- dien ihrer „Pflicht“ nicht nach- Zweifel daran, dass diese den bracht hatte, ebenfalls über die kämen, setzten Blogs an. Inso- Tageszeitung erwachsene Kon- Sponsoring-Affäre der NRW- fern sei der Titel „Blog gegen kurrenz deren Zukunft nicht CDU berichten zu müssen. Al- Print“ irreführend. Es gehe gefährde: „Es gibt im Internet fons Pieper, Gründer des Blogs darum, dass Blogs als Ergän- unendlich viele gute Informa- „Wir in NRW“, wollte mit dieser zung zu anderen Medien an tionen. Unsere Aufgabe wird Initiative „der weich gespülten Bedeutung zunähmen. Tho- es sein, diese Informationen zu Hofberichterstattung mancher mas Seim, Chefredakteur der in bewerten und unseren Lesern großer NRW-Zeitungen“ etwas Bielefeld erscheinenden „Neue Orientierung zu geben“.

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P olitis c he S p r a c he aus S i c ht von M edien , P olitik und K ultu r MachtWorte!

Die Macht der Worte ist groß, alarmieren. Beklagt wird die In der Auftaktveranstaltung am die Macht der politischen Alltagsferne der Debatten und 8. Juni analysierten u. a. der Worte umso mehr. Was poli- die Unverständlichkeit der po- Publizist Johano Strasser, die tische Akteure öffentlich sagen litischen Sprache. Wo also lie- Bundestagsabgeordnete Gab- und wie Medien diese Debat- gen die Schwierigkeiten der riele Lösekrug-Möller und die te weitertragen, hat Auswir- Verständigung zwischen Politik Journalistin Tissy Bruns die kungen auf die demokratische und Alltag? Welche Rolle spie- politische Sprache in Deutsch- Kultur und den Zusammenhalt len die Medien für die öffent- land. So konstatierten sie, dass einer Gesellschaft. Dass Poli- liche Wahrnehmung politischer der Zeitdruck des politischen tik für immer weniger Men- Akteure? Die Reihe „Macht- und medialen Alltags zu Ver- schen ein wichtiger Bezugs- Worte!“ des Projektes „Gesell- kürzungen und Banalisie- punkt zu sein scheint und die schaftliche Integration“ im Fo- rungen in der Sprache führe; Distanz zwischen Bürgern und rum Berlin setzt sich genau mit zudem flüchteten Politiker oft den Politikern wächst, muss diesen Fragen auseinander. in Verschleierungstechniken.

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+ + + Neue Ideen und Projekte zum Schutz des + + + Vorurteile gegenüber Lesben und Schwulen Klimas und der Umwelt sollten bei einem Open halten sich im Sport besonders hartnäckig. Im Vor- Space entwickelt werden, zu dem das Forum Poli- feld der Fußball-Weltmeisterschaft diskutierten am tik und Gesellschaft junge Menschen eingeladen 19. Mai auf Einladung des Forums Politik und Gesell- hatte. Die Jugendlichen waren sich darin einig, schaft Vertreter/innen aus Politik, Sport und Wissen- dass auch in der Schule das Thema im Erdkunde- schaft über den Umgang mit Homosexualität im und Biologieunterricht früher aufgegriffen werden Sport. „Sport ist so etwas wie die größte Bürgerbe- könnte. Kritisch diskutierten die Teilnehmenden wegung“: Doch gerade hier gebe es eben auch Angst das Konsumverhalten. Nach Meinung der Schüler und Intoleranz gegenüber anderen Lebensauffas- wäre es wünschenswert, dass mehr Menschen hei- sungen, so Martin Gerster, Sprecher der Arbeitsgrup- mische und ökologisch angebaute Produkte kauf- pe Sport in der SPD-Bundestagsfraktion. Das Denken ten. Dokumentation der Veranstaltung: www.fes. in traditionellen Geschlechterstereotypen sei im de/forumpug/inhalt/doku.htm + + + Sport noch sehr stark ausgeprägt. + + +

+ + + Eine Gruppe von Absolventen der Wolgogra- + + + Um einen Beitrag zur Intensivierung der der „Schule für Regionale Elite“ brachte die FES sicherheitspolitischen Diskussion zu leisten, richte- Mitte Juni nach Deutschland, um sich in Berlin und te das FES-Landesbüro Niedersachsen das „Sicher- Köln über Einflussmöglichkeiten der Jugend auf heitspolitische Forum Niedersachsen“ ein. Die kommunaler und regionaler Ebene zu informieren. Eröffnungsrede hielt Verteidigungsminister a. D. Dr. Vor allem ging es der Delegation darum, konkrete Peter Struck. Er ging in seiner Rede auf die aktu- Projekte kennen zu lernen: angefangen mit den von ellen Herausforderungen der Bundeswehr ange- der FES entwickelten Jugendplanspielen über die sichts der veränderten Sicherheitslage in der Welt „Hauptstadt der Kinder“ (ein Sommercamp, in dem ein. Als wichtige Handlungsfelder nannte Struck Schüler eine eigene Stadt verwalten) bis zum Wahl- eine Diskussion über die seiner Ansicht nach „unsin- o-mat der Bundeszentrale für politische Bildung. Die nige“ Verkürzung der Wehrpflicht, die Verbesse- Schule für Regionale Elite wurde mit Unterstützung rung der sozialen Situation der Soldaten sowie eine der FES an der Wolgograder Akademie des öffent- zeitliche Festlegung des Engagements in Afgha- lichen Dienstes eingerichtet. + + + nistan. + + +

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D emok r atie c amp des F o r ums J u g end und P olitik „Die erfolgreichsten Projekte sind visionär“

Wie sieht sie aus, die Gesell- tretung, bei politischen Ju- vorstellungen der Parteien ka- schaft, in der wir leben wollen? gendorganisationen oder in men im Demokratieworkshop Welche Politik brauchen wir Jugendverbänden brachten sie auch die eigenen Vorstellungen dafür? Knapp zwanzig jungen, dabei ihre Erfahrungen mit po- zur Sprache. engagierten Erwachsenen aus litischem Engagement ein, und Wie Herausforderungen in West- und Süddeutschland wa- auch viele Ideen, an denen im Teams gemeistert werden kön- Projektlabor gearbeitet werden nen, wurde anschließend im sollte. Hochseilgarten ausprobiert. „Politik machen“ ist nicht nur Hier ging es ganz praktisch um im Bundestag möglich, aber die Herstellung von sozialem dort werden entscheidende Zusammenhalt und Vertrauen Weichen für unser Zusammen- und um wortwörtlich tragfä- leben gestellt. Daniela Kolbe, hige Entscheidungen in einer jüngste Abgeordnete der SPD- Gruppe. Deutlich wurde, dass Bundestagsfraktion, war für es Aufgaben gibt, die nur ge- das Auftaktgespräch zu Gast. meinsam zu bewältigen sind, Wo hakt es noch in unserer De- aber dennoch das kritische und mokratie? Kolbe und die Ju- verantwortungsvolle Mitden- gendlichen diskutierten u. a. ken jedes Einzelnen erfordern. über Möglichkeiten einer de- „Die erfolgreichsten Projekte Die „Tragfähigkeit“ ren diese Fragen beim ersten mokratischen Schule sowie den sind visionär und entstehen ihrer Entscheidungen testete die Gruppe im Demokratiecamp des Forums dringenden Öffnungsbedarf po- aus einem guten Team“, so De- Hochseilgarten. Jugend und Politik der Fried- litischer Organisationen auch nis Kittl, der als professioneller rich-Ebert-Stiftung Mitte Juli gegenüber Menschen mit Mig- Trainer das Projektlabor lei- ein Anliegen. Aus ihrem En- rationshintergrund. Neben den tete. gagement in der Schülerver- Gesellschaftsbildern und Wert-

M i g r anten in F ussballve r einen Eine Welt ohne Abseits

An jedem Wochenende finden dem Zusammenspiel von Fuß- Fairness, Toleranz und Respekt auf Deutschlands Fußballplät- ball und Integration. Einig wa- selbst zu erfahren und zu ler- zen bis zu 80.000 Spiele statt. ren sich die Teilnehmenden nen, ergänzte Markus Pauzen- Dabei kommt es zu Begeg- darin, dass der Fußball im in- berger, sportpolitischer Spre- nungen von Menschen unter- terkulturellen Dialog eine tra- cher der Berliner SPD-Frak- schiedlicher Herkunft. Sie alle gende Rolle spielt. Unabhän- tion. Eine Chance für mehr vereint die Begeisterung für gig von Herkunft, Hautfarbe Integration und Miteinander den Fußballsport. Im Rahmen und Religion stehe dabei das sieht Mehmet Matur auch dar- einer Fishbowl-Diskussion mit Miteinander im Vordergrund, in, Migranten dafür zu begeis- dem Titel „Eine Welt ohne Ab- betonte Mehmet Matur, Prä- tern, Trainer- und Schiedsrich- seits?“ diskutierten am 16. Ju- sidiumsmitglied des Berliner teraufgaben zu übernehmen. ni auf Einladung des Forums Fußballverbandes. Gerade jun- Politik und Gesellschaft junge gen Spielern biete der Fußball die dokumentation Menschen über die Frage nach so die Möglichkeit, Werte wie www.fes.de/forumpug/inhalt/doku.htm

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F ishbowl zum F r eiwilli g endienst Raus in die Welt Immer mehr junge Menschen Programms von 40 auf 29 Milli- berichtete von seinen Erfah- machen nach dem Ende ih- onen Euro gekürzt. rungen: „Insgesamt habe ich rer Schulzeit von der Möglich- Das Thema Freiwilligendienste während meines Aufenthaltes keit Gebrauch, für sechs Mo- im Ausland stand deshalb An- aber sehr viel gelernt und nate oder länger ins Ausland fang Mai im Mittelpunkt einer möchte diese Erfahrung auf zu gehen. Dabei sammeln sie Fishbowl-Veranstaltung des keinen Fall missen.“ Dr. Bär- fachliche, soziale und inter- Forums Politik und Gesellschaft. bel Kofler, stellvertretende ent- kulturelle Kompetenzen, die In der Diskussion wurde deut- wicklungspolitische Sprecherin ihnen später u.a. im Berufsle- lich, wie sehr ein solcher Frei- der SPD-Bundestagsfraktion ben nützlich sein können. Die willigendienst zur Persönlich- betonte, dass die Evaluierung schwarz-gelbe Bundesregie- keitsentfaltung beiträgt, aber der bisherigen Programme rung hat allerdings dem ent- auch, auf welche Probleme die zeige, dass eine solche Erfah- wicklungspolitischen Freiwil- Jugendlichen im Ausland sto- rung bei jungen Menschen das ligendienst des BMZ – „welt- ßen können. Bewusstsein für globale Ver- wärts“ harte Sparmaßnahmen Tore Süßenguth, ehemaliger antwortung und bürgerschaft- verordnet und den Etat des Freiwilliger in Bangladesch, liches Engagement schärfe.

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+ + + Beim Ruhr Cup 2010, einem überregionalen Bosch-Stiftung, die Stiftung Mercator Schweiz, die Stiftungsfußballturnier, konnte sich das FES-Team Software AG Stiftung, die Deutsche Telekom Stif- Anfang Juni in Essen den Turniersieg erspielen. tung und die Vodafone Stiftung. Die durch eine Entgegen der Annahme einiger Gegner war „links Startgebühr eingenommene Summe von 10.000 und frei“ beim ersten bundesweit ausgespielten Euro fließt als Spende an das Projekt „spin – sport Fußball-Ruhr-Cup der Stiftungen keine taktische interkulturell“ der Sportjugend NRW. „spin“ schafft sportliche Angebote für junge Migrantinnen und fördert so den interkulturellen Dialog. Stolz prä- sentierten die Berliner Mitglieder des Erfolgsteams den errungenen Pokal der FES-Vorsitzenden Anke Fuchs und dem Geschäftsführer Dr. Roland Schmidt (Bild). + + +

+ + + Gut eine Woche vor dem Auftakt der Fußball- WM 2010 war die Arena des amtierenden deutschen Meisters VfL Wolfsburg Treffpunkt einer besonderen Mannschaftsaufstellung. UN-Sportsonderbeauftrag- ter Willi Lemke und Nationalspielerin Britta Carlson spielten sich die verbalen Bälle zu, flankiert vom süd- afrikanischen Botschaftssekretär Sandile Gregory Anweisung, sondern das Motto des Teams aus Gwexe und dem Europaabgeordneten Bernd Lange sechs Abteilungen und vier Standorten der FES. sowie Klaus Fuchs, Leiter Sportkommunikation bei Hinter dem FES-Team und der Stiftung Mercator Volkswagen. Gemeinsam ging man der Frage nach, belegten die VolkswagenStiftung und die Deutsche ob sportliche Großereignisse wie die Fußball-WM Bundesstiftung Umwelt den dritten bzw. vierten einen nachhaltigen Effekt haben können – nicht nur Platz. Weitere Teams stellten die Bertelsmann Stif- für die Wirtschaft des Gastgeberlandes, sondern tung, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Robert- auch für die sozialen Verhältnisse. + + +

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21. Bautzen-Forum: über den Unrechtsstaat DDR Willkür. Gewalt. Macht E ine intensive und k r itis c he A useinande r setzun g mit de r ei g enen g E S c hi c hte du r c h die L I N K E mahnte Joachim Gauck in seinem einführenden Vor- trag zum 21. Bautzen-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung an.

Sie müsse nach der moralischen Formen von Gewalt und Will- tigen Perspektive auf die DDR Schuld aller fragen und nicht kür gewesen und damit Voraus- zwischen kritischer Distanz, nur bei Einzelnen verharren. setzung für das Funktionieren Verklärung und Faszination. Auch über die LINKE hinaus der „Mitläufergesellschaft“. Dabei diskutierten Prof. Ines sei die „innere Einkehr“ jedes Die späten 1940er und die Geipel, frühere DDR-Leistungs- Einzelnen wichtig. Nur auf die- 1950er Jahre waren eine Zeit sportlerin, Ulrike Poppe, Stasi- sem Weg sei wirklicher Dialog, des „bekennenden Terrors“. Beauftragte in Brandenburg, Später, als es um die interna- der ZEIT-Journalist Christoph tionale Anerkennung der DDR Dieckmann und der Parlamen- ging, nahm die physische Ge- tarische Staatssekretär a. D. walt zwar ab, jedoch wurden Ulrich Kasparick. Ein großes die psychischen Druckmittel Problem bei der Erinnerung an verfeinert und ausgebaut. In die DDR, so die Diskussions- der Stasi-Sprache hieß dies teilnehmer, sei die zweigeteil- „Zersetzung“, eine „Bestrafung te Wahrnehmung vieler Ost- und Verfolgung ohne Urteil“, so deutscher. Neben der positiven die Politikwissenschaftlerin Dr. Erinnerung an das Leben mit Sandra Pingel-Schliemann. Freunden und Familie gebe es Diese seit Mitte der 1970er Jah- zugleich Angst vor der Entwer- re verstärkt eingesetzte Form tung der eigenen Lebensleis- der Repression wurde auf alle tung, sagte Kasparick. Daneben Brachte die Frage der wirkliche Reue und wirkliches oppositionellen Kräfte ange- existiere eine offizielle Erinne- moralischen Schuld zur Sprache: Joachim Vergeben möglich. Dies sei ein wandt. Ziel war es, bei den Op- rungskultur, die das Bild einer Gauck beim 21. Baut- schwieriger Weg, doch lohne positionellen Lebenskrisen her- repressiven DDR zeige, und das zen-Forum (Foto: Wal- dek). es, ihn zu gehen. vorzurufen und sie dadurch in in Gedenkstätten und im Schul- In der nachfolgenden Diskussi- ihren Aktionen zu schwächen. unterricht vermittelt werde. Ei- onsrunde betonte der Histori- Selbsttötungen wurden dabei ne sinnvolle Aufklärung dürfe ker Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk in Kauf genommen. Das ab- die Bilder nicht gegeneinander generell den Diktaturcharakter schließende Podiumsgespräch auszuspielen, sondern müsse der DDR und ihren Anspruch beschäftigte sich mit der heu- sie verbinden. auf Durchherrschung, der in allen gesellschaftlichen Berei- +++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + K U R Z chen gewirkt habe. Die Verur- + + + Die Schriften von Richard Löwenthal (1908–1991) zu den Weltan- teilung durch sowjetische Mili- schauungsdiktaturen im 20. Jahrhundert stellte Mike Schmeitzner, Wissen- tärtribunale, die berüchtigten schaftlicher Mitarbeiter des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusfor- Stasigefängnisse in Bautzen schung, vor. Der Berliner Politikwissenschaftler Löwenthal stützte seine und anderswo, die Gleichschal- Interpretation nicht nur auf die Fähigkeit der brillanten Analyse, sondern tung in der NVA oder die Un- ebenso auf die eigene bittere Erfahrung mit den diktatorischen Herausfor- mündigkeit in den sozialisti- derungen seiner Zeit – dem Faschismus und dem Bolschewismus. Mike schen Schulen – all dies seien Schmeitzner zeichnete nach wie sich Löwenthal als junger Kommunist mit diesen Weltanschauungen auseinandersetzte und bereits sehr früh zu kla- ren, unverwechselbaren Erkenntnissen kam. + + +

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g E S c hi c htsmythen und ih r e V e r b r eitun g du r c h r E c htse x t r emisten „Kraft durch Freude“, Mutterkreuz und Autobahn

Anhänger der rechten Sze- konkret die Besetzung histo- ne tendieren dazu, historische rischer Orte und Daten durch Ereignisse umzudeuten und Rechtsextremisten funktioniert, für ihre Zwecke zu instrumen- wurde im Anschluss in mehre- talisieren: Täter des Dritten ren Workshops diskutiert, dabei Reiches werden so zu Opfern wurde auch die Rolle der Medi- und Helden stilisiert. Auch in en genauer betrachtet. Prof. Dr. Niedersachsen gibt es Orte Wolfgang Benz, Leiter des Zen- und Ereignisse, die alljährlich trums für Antisemitismusfor- zu „Gedenktagen“ der rechten schung an der TU Berlin, warn- Szene führen. Anlass für das te davor, dass durch die Medi- FES-Landesbüro Niedersach- en beliebigen Zeitzeugen mehr sen, auf einer Tagung am 31. Glauben geschenkt würde als deckt. Als Konsequenz wurde Juli über das Thema „Rechts- den Forschungen anerkannter zu mehr Sensibilität im Um- extremismus und Geschichts- Wissenschaftler. gang mit historischen Daten mythen“ zu diskutieren. Ein Workshop suchte nach den und Orten in der schulischen Steffen Holz vom DGB Nie- Ursachen dafür, dass solche aber auch außerschulischen dersachsen-Mitte stellte die Mythen bereitwillig aufgenom- Bildung aufgerufen. In diesem Geschichte des Wincklerbades men werden. Ausgangsbasis Zusammenhang bedauerte es in Bad Nenndorf vor, das von bot hier das Zahlenmaterial aus Olaf Lies, der neu gewählte Rechtsextremisten als Ort alli- den FES-Studien „Vom Rand Landesvorsitzende der SPD in ierter Verbrechen stilisiert wird zur Mitte“ und „Bewegung in Niedersachsen, dass die nieder- und jedes Jahr eine zuneh- der Mitte“. Verdrängung und sächsische Landesregierung die mende Anzahl von Rechtsextre- mangelhaftes Wissen über his- Landeszentrale für politische misten zur Teilnahme an einem torische Ereignisse wurden Bildung in Niedersachsen ab- Trauermarsch veranlasst. Wie als mögliche Erklärungen ent- schafft.

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+ + + Anlässlich des 85. Geburtstags von Bernhard + + + Angesichts der zunehmenden Akzeptanz Heisig zeigte das Archiv der sozialen Demokratie rechtsextremen Gedankengutes in weiten Teilen eine Ausstellung mit seinen Lithografien in Trier, der Bevölkerung sah sich das FES-Landesbüro Nie- Bonn und Berlin. Der Maler verkörpert wie kaum dersachsen zum Handeln veranlasst: So wurde im ein anderer Vertreter der zeitgenössischen Kunst Herbst 2009 eine bereits vorhandene Ausstellung die wechselhafte deutsche Geschichte. Als einer der zum Thema „Rechtsextremismus“ überarbeitet Protagonisten der „Leipziger Schule“ wandte sich und um den neuen Schwerpunkt „Demokratie“ der ehemalige Kriegsteilnehmer gegen Krieg und ergänzt. Von Januar bis Juni 2010 sahen die Aus- Nationalsozialismus. Als SED-Mitglied und Hoch- stellung mehr als 2000 Schülerinnen und Schüler schulrektor brach er mit der Doktrin des Sozialisti- u. a. aus rechtsextremen Schwerpunktregionen in schen Realismus und der Kulturpolitik des „Bitter- Niedersachsen wie Celle, Bad Fallingbostel oder felder Weges“. Bis heute ist er ein umstrittener und Schneverdingen. Rund um die Ausstellung fand dar- streitbarer Künstler geblieben. + + + über hinaus meist ein von den Schulen selbst gestal- tetes Begleitprogramm mit Workshops, Vorträgen und Projektarbeiten statt. + + +

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E in W o r kshop von J u g endli c hen f ü r J u g endli c he Argumente gegen rechts Zu einem Argumentations- penarbeit ihre rhetorischen gang mit Nazis kommt es vor training gegen rechtsextreme sowie argumentatorischen Fä- allem darauf an, keine Angst Stammtischparolen lud die FES higkeiten trainieren und aus- zu zeigen. Das FES-Projekt gemeinsam mit „Gegen Ver- bauen. Das Besondere: Es „Auseinandersetzung mit dem gessen – für Demokratie“ e. V. handelte sich dabei um einen Rechtsextremismus“ bietet mit und der Bundeszentrale für Workshop von Jugendlichen der Seminarreihe „Hilfen zum politische Bildung am 7. Mai für Jugendliche, gestaltet von Handeln“ nach Bedarf auf Ziel- rund 150 Jugendliche ein. Die Schülerinnen und Schülern gruppen abgestimmte Semi- 150 Jugendliche kamen Jugendlichen im Alter von 12 der Europa-Schule Bornheim nare an. zu dem Workshop in der FES. bis 26 Jahren konnten in Grup- und der Evangelischen Schu- le Berlin-Köpenick. meh r zum thema Rechte Stammtisch- parolen wurden www.fes-gegen-rechtsextre- analysiert, theore- mismus.de tisches Wissen ver- Das Seminarangebot des mittelt und Rollen- Forums Politik und Gesell- spiele durchgeführt; schaft für Jugendliche unter: das Ziel: sich nicht www.fes.de/forumpug/inhalt/ einschüchtern las- aktuell.htm sen. Denn im Um-

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+ + + Viele Jugendliche sehen es inzwischen als völ- jedoch ein ganzes Leben lang verfolgen. Deshalb ist lig normal an, sich an den Wochenenden bis zur es wichtig, dass die Schulleitung oder die Lehrer Besinnungslosigkeit zu betrinken. „Voll blau! Voll frühzeitig eingreifen. Wegsehen ist keine Lösung. cool? Lässt du dich zur Flasche machen?“, lautete Im Rahmen des diesjährigen Präventionstages (10. daher die Kernfrage eines Open Space, den das bis 11. Mai im ICC Berlin) veranstaltete das Forum Forum Politik und Gesellschaft der FES im Rahmen Politik und Gesellschaft der FES einen Open Space des 15. Deutschen Präventionstages veranstaltete. zum Thema Schulmobbing. Ziel war es, den über- Es gebe einfach einen großen Gruppenzwang, dem wiegend jugendlichen Teilnehmern Gelegenheit zu nur wenige widerstehen könnten, so die Teilnehmer. geben, gemeinsam nach Möglichkeiten zu suchen, Hier müssten auch die Schulen viel früher eingreifen wie Mobbing verhindert werden kann. + + + und besser informieren, so eine Forderung aus dem Open Space. Ein richtiger Umgang mit Alkohol müsse + + + Welche politischen Botschaften lassen sich in auch erst gelernt werden. + + + ihren Lieblingssongs finden? Welche Rolle spielt Pro- test, Widerspruch und Sozialkritik in der Jugend- und + + + Lästern, ignorieren, tratschen und schlagen Musikkultur? Was ärgert uns und wie lässt sich dies – Mobbing kann viele Gesichter haben. Für die in einem Musikvideo zum Ausdruck bringen? Diesen Betroffenen selbst ist das alles andere als komisch. Fragen widmeten sich Jugendliche im Rahmen des Dies kann im schlimmsten Fall sogar dazu führen, zweitägigen Workshops „Was hören wir, was wollen dass sie Angst haben, zur Schule zu kommen oder wir?“ des Forums Jugend und Politik in Bonn.Zwei an schulischen Aktivitäten teilzunehmen. Die Fol- Tage lang wurde getextet, komponiert, gefilmt und gen für die Opfer sind auf den ersten Blick meistens musiziert und am Ende ein eigener Protestsong live gar nicht sofort ersichtlich. Seelische Schäden, her- aufgenommen. vorgerufen durch Mobbing, können die Betroffenen Das Ergebnis: YouTubeKanal von FESonline. + + +

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+ + + Einen spannenden 90-Minuten-Geschichts- ter, die er rief“, die mit dem Preis „Das Politische unterricht bot ein Abend mit Manfred Stolpe, der Buch“ 2010 der Friedrich-Ebert-Stiftung ausge- als SPD-Ministerpräsident von 1990 bis 2002 die zeichnet worden ist. + + + Geschicke des Landes Brandenburg leitete. Mode- riert von dem brandenburgischen SPD-Generalse- + + + Bis zum 5. September 2010 präsentierten der kretär Klaus Ness schilderte Stolpe im vollbesetzten Freundeskreis Willy-Brandt-Haus und das Archiv Burgsaal zu Storkow anschaulich, wie er nach der der sozialen Demokratie die Ausstellung „Erich Wende vom hochrangigen Kirchenmitarbeiter zum Kuby zum 100. AufZeichnungen. 1939–1945“. Der Politiker wurde. In seiner persönlichen Bilanz zu herausragende Publizist der deutschen Nachkriegs- 20 Jahren Brandenburg bezog er sich auch immer geschichte prägte unter anderem bei der Süddeut- wieder auf seine langjährige Arbeits- und Sozialmi- schen Zeitung, dem SPIEGEL und dem „Stern“ den nisterin Regine Hildebrandt. Sie und er hätten sich bundesrepublikanischen Journalismus. Der scharfe über die wunderbaren neuen Möglichkeiten für die Gesellschaftskritiker galt als „linkes Gewissen der Menschen und die Entwicklung des Landes gefreut, Nation“. In der Ausstellung sind bisher unbekannte aber zugleich schon im Frühjahr 1990 vor großen Zeichnungen und Aquarelle von Kuby aus den Brüchen gewarnt. Kriegsjahren zu sehen, kombiniert mit Tagebuch- Notizen, die er während der gesamten Kriegszeit machte, um geistig zu überleben. Die Ausstellung wird noch an weiteren Orten der Bundesrepublik, unter anderem in Bonn, gezeigt werden. + + +

+ + + Was macht ein glückliches Leben aus? Was kennzeichnet glückliche Gesellschaften? Ist es Wohlstand, der uns glücklich macht, oder gibt es weitere Merkmale für persönliches sowie gesell- schaftliches Wohlbefinden ? 2009 stand in der Reihe „Identität in einer globali- sierten Welt“ das Thema „Heimat“ im Fokus der Debatte. Im Jahr 2010 – im Europäischen Jahr zur Einen breiten Raum nahm auch die gescheiterte Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung Länderfusion von Berlin und Brandenburg ein. – beschäftigt sich die Trilogie „Glück“ mit den „Eine übereilte neue Fusionsdebatte brauchen wir Zusammenhängen zwischen Glück und Wohlstand nicht“, machte Stolpe deutlich, „aber wir brauchen sowie Glück und Teilhabe. Die Definition von Glück, den entschlossenen Willen zur guten Zusammenar- die Grenzen der Wohlstandsideologie und die Kon- beit. Denn wer zusammenarbeitet, der wächst sequenzen für die Politik standen im Mittelpunkt zusammen. Berlin und Brandenburg bilden eine der Diskussion mit der Schriftstellerin Juli Zeh am ideale Metropolenregion, die sich in ihren Stärken 11. Mai. Die Frage, welche Rolle individuelle ergänzt. Sie ist unsere Zukunft.“ + + + Gestaltungsspielräume für ein erfülltes Leben dar- stellen, stand im Fokus einer zweiten Veranstal- + + + Marx ist heute noch aktuell – aber nicht als tung am 8. Juni. In der Abschlussveranstaltung der Prophet der Revolution, sondern als scharfer Ana- Reihe, am 17. Setember, wird es um die Frage lytiker seiner Zeit. Dies zeigte eine Podiumsdis- gehen, wie weit Solidarität in eine(r) glückliche(n) kussion im Karl-Marx-Haus in Trier, die im Rah- Gesellschaft reicht. Gast wird u. a. der Schriftstel- men der städtepartnerschaftlichen Ost-West-Kul- ler Ilija Trojanow sein. turwoche („zusammen hören, was zusammen Mehr Informationen unter: gehört“) in Trier und Weimar live ausgestrahlt www.fes.de/integration + + + wurde. Diskutiert wurde vor dem Hintergrund der neuen Marx-Biografie von Rolf Hosfeld „Die Geis-

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Politische Mitbestimmungs- rechte für Senioren auf Letztlich entscheidet dem Prüfstand die Kassenlage

B e r lin hat seit knapp f ü nf J ah r en als e r stes B undesland ein S e - nio r enmitwi r kun g s g esetz ; Mecklenburg-Vorpommern wird in Kürze folgen. Nun wird auch Thüringen ein solches Gesetz erhalten, kündigte Heike Taubert, Sozialministerin des Freistaates Thüringen, während einer Veranstaltung der FES am 11. Mai in Erfurt an.

Zahlreiche Aktive aus Seni- Das Seniorenmitwirkungsgesetz sind länger aktiv und vielseitig orenvertretungen und ver- regelt die Aufgaben und Ar- interessiert. Die Ergebnisse des gleichbaren Gremien waren beitsweisen von Seniorenvertre- aktuellen Freiwilligensurveys zur Tagung „Politische Mitbe- tungen. Das sind Gremien, die bestätigten ein hohes Interes- stimmungsrechte für Senio- auf kommunaler Ebene eine be- se älterer Menschen an mehr rinnen und Senioren auf dem ratende Funktion zu senioren- gesellschaftlicher Teilhabe und Prüfstand“ zusammengekom- politischen Themen ausüben. eine zunehmende Bereitschaft men, um Ideen zu entwickeln, Durch die rechtliche Stärkung zum bürgerschaftlichen Enga- wie ihre politische Partizipati- der politischen Mitbestim- gement. mung soll in Thü- „Ich wünsche mir von der Poli- ringen der demo- tik die Schaffung besserer Rah- graphischen Ent- menbedingungen für die Seni- wicklung im Land orenmitwirkung. Damit würde Rechnung getra- der Staat uns zeigen, dass un- gen werden – ei- sere Mitwirkung willkommen ne rückläufige Ge- ist. Und das wiederum wird burtenrate sowie dazu führen, dass sich mehr durchschnittlich Menschen engagieren“, er- steigende Lebens- klärte Ellenberger. Uneinigkeit erwartungen der herrschte über Aussehen und Menschen verän- Wirkungsweisen der zu schaf- dern die Alters- fenden Rahmenbedingungen. struktur. Die Bevöl- Sozialministerin Taubert kerung schrumpft. warnte vor zu hohen Erwar- on gestärkt werden kann. Ab- Diese Tendenzen werden in tungen an die Wirkungen des schließend wurden ihre Vor- ländlichen Regionen durch ho- geplanten Seniorenmitwir- stellungen und Wünsche mit he Abwanderungsraten junger kungsgesetzes. Es werde äl- politisch Verantwortlichen Menschen verstärkt. teren Menschen ermöglichen, diskutiert. Mit auf dem Podi- Allerdings könnten mögliche sich unter ganz bestimmten um saßen Irene Ellenberger, negative Auswirkungen die- Regeln einzumischen und ih- Vorsitzende der Landessenio- ser Entwicklung eingedämmt re Erfahrungen einzubringen. renvertretung Thüringen, Hei- werden, wenn entsprechende „Das heißt aber noch lange demarie Fischer, Vorsitzende Vorkehrungen getroffen wer- nicht, dass dadurch mehr Pfle- der Landesseniorenvertretung den. Hierzu zählt u. a. die Akti- geheime oder mehr betreu- Berlin, und Angelika Graf, vierung älterer Menschen, die tes Wohnen eingerichtet wer- MdB und stellvertretende Bun- heute im Durchschnitt gesün- den können. Das wird allein desvorsitzende der AG 60+ der der und besser ausgebildet sind die Kassenlage entscheiden“, SPD. als in der Vergangenheit. Sie machte die Politikerin deutlich.

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Seniorenvertretung und Seniorenmitwirkungsgesetz: Seniorenvertretungen auf kommunaler Ebene gibt wirkungsgesetzen planen, wird das Verfahren es in Deutschland in allen Bundesländern. Senio- durchaus kritisch diskutiert. Befürworter einer renvertretungen vertreten die Interessen älterer gesetzlichen Regelung jenseits der kommunalen und alter Menschen gegenüber politischen Gre- Ebene sehen darin ein Zeichen moderner Senio- mien, Wohlfahrtsverbänden und anderen rele- renpolitik. Dagegen haben Kritiker oftmals verfas- vanten Einrichtungen. Außerdem sind sie im vor- sungsrechtliche Bedenken und sehen in der Ein- parlamentarischen Raum auf Landes- oder Kom- führung von Seniorenmitwirkungsgesetzen eine munalebene als Sachverständigengremium zu Bevorzugung dieser Bevölkerungsgruppe. Die seniorenpolitischen Themen beratend aktiv. Interessen älterer Menschen würden durch beste- Seniorenvertretungen sind parteipolitisch unab- hende Gremien vertreten. Die weitergehende hängig, konfessionell ungebunden und arbeiten Möglichkeit der politischen Teilhabe sei eine posi- auf ehrenamtlicher Basis. Ihre Arbeitsweisen sind tive Diskriminierung von Seniorinnen und Seni- je nach Bundesland gesetzlich unterschiedlich oren, so eines der Argumente. geregelt. Berlin ist bisher das einzige Bundesland, Auch in anderen europäischen Ländern gibt es dass ein gesondertes Seniorenmitwirkungsgesetz vergleichbare Gremien. Als Vorlage für das Berli- hat, welches die Existenz von kommunalen Senio- ner Seniorenmitwirkungsgesetz hat eine entspre- renvertretungen verbindlich und verpflichtend chende Bestimmung in Österreich gedient. Die vorschreibt. Mecklenburg-Vorpommern wird in skandinavischen Länder zählen bei der recht- Kürze ein vergleichbares Gesetz auf den Weg brin- lichen und institutionellen Verankerung von Seni- gen; in Thüringen wird voraussichtlich 2011 eine orenvertretungen auf kommunaler bzw. regio- solche Bestimmung entstehen. Das Berliner Seni- naler Ebene zu den Vorreitern in Europa. orenmitwirkungsrecht sieht auch für ältere Zuwanderinnen und Zuwanderer ohne deutsche meh r zum thema bzw. EU-Staatsangehörigkeit das vollständige Bundesarbeitsgemeinschaft der Landessenio- Wahlrecht für Seniorenvertretungen vor. Das renvertretungen: www.bag-lsv.de/ Wahlverfahren sieht, wieder abhängig vom jewei- Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz: ligen Bundesland, eine direkte Wahl, eine Dele- www.berlin.de/imperia/md/content/ giertenwahl oder ein Mischverfahren vor. In Bun- batreptowkoepenick/soziales/ desländern, die die Einführung von Seniorenmit- berliner_20seniorenmitwirkungsgesetz.pdf

P e r spektiven eine r alte r nden g E S E L L S c haft Einbinden statt Abschieben

Altern ist heute, so formuliert ales Problem: Demenz kränkt Mehrzahl der Seniorinnen und es der Theologe und Soziologe den Menschen in seinem ur- Senioren führe dazu, dass sie Professor Dr. Reimer Grone- eigensten Selbstverständnis, eher wohlwollend in den kon- meyer bei einer Veranstaltung sie nimmt den Betroffenen die sumorientierten Ruhestand über Altersarmut und Demenz Möglichkeit, Entscheidungen verabschiedet werden als wei- der FES in Mainz, eine repara- selbst zu treffen, ein selbststän- terhin gesellschaftlich und fa- turbedürftige Betriebsstörung diges und selbstbestimmtes Le- miliär eingebunden zu sein. und das Sterben ein nicht hin- ben zu führen. Er fordert, Men- Das Signal, nicht mehr ge- nehmbarer Skandal. Dennoch schen mit Demenz so weit wie braucht zu werden, könne den wird der Anteil der Pflegebe- möglich in das gesellschaftliche Eintritt einer Demenz begünsti- dürftigen steigen. Hierin sieht Leben mit einzubinden. gen und ihren Verlauf verstär- Gronemeyer neben dem me- Die derzeitige relativ gute fi- ken. Gleichzeitig zeichne sich dizinischen vor allem ein sozi- nanzielle Absicherung der ab, dass Altersarmut zuneh-

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mend ein Problem in Deutsch- Soziologe an der Universität cherung hin zu einer Erwerbs- land werden wird. Als verant- Duisburg-Essen, plädiert für tätigenversicherung mit Min- wortlich dafür gelten die Um- ein gemischtes Reformkonzept, destsicherungselementen. Offen brüche auf dem Arbeitsmarkt welches auf der (Neu-)Ordnung blieb jedoch die Frage, wie die und im Rentenrecht. Die Zahl des Arbeitsmarktes aufbaut. Er Weichen bereits heute gestellt der Vorschläge und Modelle zur plädiert für die Stärkung der werden müssen, damit auch Vermeidung von Altersarmut Rentenversicherung und des die kommenden Generationen ist kaum noch überschaubar. Solidarausgleichs sowie für die im Alter nicht in Armut und Professor Dr. Gerhard Bäcker, Ausweitung der Rentenversi- Krankheit leben müssen.

E h r enamtli c he S c hulmediaton von S enio r en in P otsdam Jung lernt von Alt lernt von Jung

Henriette Hentschel geht in die Schule. Sie geht schon eine Lehrerin Rat: „Ich habe ein Problem“, gerne in die Schule. Am Schultor der Zeppelin- sagt sie im Türrahmen stehend. Grundschule in Potsdam trifft sie schon die ersten Das Prinzip der Mediation ist einfach: Als moderie- bekannten Gesichter: zwei Jungs aus der 5b. Hen- rende, unparteiische Instanz versuchen die Media- riette Hentschel ist 68 Jahre alt, pensioniert und toren, Gespräche zu moderieren und zu initiieren, Mediatorin an der Schule. Ehrenamtlich arbeitet sie damit Streit und Gewalt – sowohl physische als auch einen Tag pro Woche als Streitschlichterin im Rah- verbale – gemindert werden. Dabei entstehe eine men des Ver- Beziehung zwischen Mediator und Schüler, die eins „Senior- anders als die Lehrer-Schüler-Beziehung ist, p a r t n e r i n schildert Hentschel. Die Arbeit beruht auf Freiwillig- School“ (SiS). keit, sowohl von den Mediatoren als auch von den SiS bietet mit Schülern. Neben der praktischen Mediation an der d e m F o r u m Schule ist Hentschel auch zweite Vorsitzende der Politik und Ge- 2006 gegründeten SiS Brandenburg mit über 60 sellschaft der ausgebildeten Mediatoren an insgesamt 23 Schulen F E S A u s b i l - im Brandenburger Land. „Auf dem Land ist es d u n g e n u n d schwieriger, Senioren für unsere Arbeit zu finden“, Fortbildungen resümiert Hentschel. Jeder Interessierte kann sich für Seniorinnen beim gemeinnützigen Verein SiS zur Mediatorin und Senioren oder zum Mediator ausbilden lassen, danach blei- Als unparteiische Ins- an. Durch den ehrenamtlich-en Einsatz der SiS- ben Fortbildungen und Supervision Pflicht, sodass tanz versuchen die Mediatoren, den Schü- Mediatoren werden Alt und Jung zusammengeführt Austausch untereinander und auch ein Qualitäts- lern bei der Lösung und lernen voneinander. Ältere übernehmen eine standard gewährleistet werden. Die Ausbildung ihrer Streitigkeiten zu helfen. sinnvolle und verantwortungsvolle Aufgabe und bleibt kostenfrei, aber die Mediatoren sollen min- Jüngere haben Raum und Ansprechpartner bei zwi- destens für 18 Monate an einer Schule bleiben. schenmenschlichen Konflikten und erlernen soziale Im Durchschnitt sind die Ehrenamtlichen bei SiS Kompetenzen. Auch für die Lehrerinnen und Lehrer Brandenburg zwischen 60 und 70 Jahre alt und stellt das Engagement der Mediatoren eine erheb- überwiegend weiblich. Fragt man nach der Motiva- liche Entlastung dar. tion, erzählt Hentschel, dass sie „einen Beitrag leis- Henriette Hentschel geht die Treppen der Grund- ten möchte, dass Kinder sich daran gewöhnen, ohne schule hinauf und tritt in ihren Raum ein. An der Tür Gewalt Konflikte zu lösen.“ Sie arbeite gerne ehren- hängen Fotos der beiden Mediatoren Henriette amtlich, weil es ihr Hentschel und Uwe Jahns. In Zweierteams betreuen bisher im Leben meh r zum thema die Seniorpartner die Schulen, damit kontinuierliche gut gegangen sei. - www.seniorpartnerinschool.de Betreuung gewährleistet werden kann. Da sucht - www.sis-brandenburg.de - www.seniorpartner-nrw.de/ - www.sis-sachsen.de

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P r ojekte de r A kademie F r ankenwa r te Anders alt werden!

Die Lebenserwartung steigt, benswelten sein können. Aus Akademie Frankenwarte. Die aber in der öffentlichen Wahr- diesen Beobachtungen, aber Gruppe brachte 2009 das Ak- nehmung schwankt die Be- auch durch seine Lebenserfah- tionskunstprojekt „Moment- urteilung dieses Phänomens: rung als Mediziner und Philo- aufnahmen aus der Welt des In Wellenbewegungen malen soph entstand der Ansatz des Vergessens“, Fotoportraits von Medien und Politik abwech- dritten Sozialraumes. und mit demenzerkrankten selnd die „Greisenrepublik“ Es ist nicht allein als Horrorszenario aus, dann der Kostendruck, wieder die „Potentiale des Al- der eine große ters“. Mehr Klarheit über die Zahl von Menschen realen Chancen und Probleme andere Wege su- zu erlangen, ist daher Aufgabe chen lässt: Doch der politischen Erwachsenen- bis die vielen Ini- bildung. tiativen, die es in Was also bewegt jene Men- Deutschland gibt, schen, die das eigene Älterwer- das Denken und den nicht verdrängen, die ge- Handeln der Mehr- sellschaftlich Einfluss nehmen heit erreichen, und gestaltend eingreifen? braucht es seine Als einen Reisebericht bezeich- Zeit. net Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner Ein Leuchtturm- aus Hamburg sein Buch: „Le- projekt ist die langjährige Zu- Menschen der Leitstelle Älter- Guter Rahmen für gemeinsames Engage- ben und sterben, wo ich hin- sammenarbeit zwischen der werden des Kreises Offenbach ment: Neue Projekti- gehöre. Dritter Sozialraum Akademie Frankenwarte und nach Würzburg – und es ka- deen entstehen in der Akademie Frankenwar- und neues Hilfesystem“. Er be- den Kommunen Dreieich, Rö- men 100 Bürger zur Vernis- te. suchte in den letzten zehn Jah- dermark und Langen. Enga- sage. Im Herbst steht die Fra- ren über 1500 Initiativen und gierte Sozialarbeiterinnen und ge „Gesellschaftliche Teilhabe Gruppen, fragte nach Motiven Sozialarbeiter aus dem Seni- – altersbegrenzt?“ auf dem und verfolgte die Ergebnisse. orenbereich sehen und bear- Programm. Die Motivation der Es gibt sie also: vielfältige Ge- beiten mit den Bürgerinnen Beteiligten ist riesig. So kann meinschaften und alternative und Bürgern, mit Stadtplanern demografischer Wandel plötz- Wohngruppen, in denen hilfs- und Kommunalpolitikern die lich Spaß machen und das Äl- bedürftige Bürgerinnen und Chancen und Probleme im All- terwerden in kultureller Viel- Bürger integrierter Bestandteil tag. Jedes Jahr kommen sie falt selbst gestaltet werden. der von ihnen gewählten Le- mit neuen Projektideen in die

D e r demo g r aphis c he W andel und die A r beit des L andesb ü r os de r F E S Eine Querschnittsaufgabe für Thüringen

Die neuen Bundesländer sind chung des Landesamts für Sta- und gesellschaftlichen Be- in besonderer Weise vom de- tistik bis 2030 rund ein Fünftel reiche des Landes. Es ist eine mographischen Wandel betrof- seiner Bevölkerung. Der demo- Herausforderung, die als Quer- fen: Thüringen etwa verliert graphische Wandel betrifft alle schnittsaufgabe für die Politik laut einer aktuellen Untersu- wirtschaftlichen, kulturellen verstanden werden muss.

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Das Landesbüro Thüringen Wandels vorgelegt. Die soge- kungsgesetz veranstaltete der Friedrich-Ebert Stiftung nannte „Seitz-Studie“ sorgte (siehe Text auf Seite 21). nimmt sich daher des Themas wochenlang für Diskussionen Vergleichsweise neu im Be- bereits seit einigen Jahren an in der Thüringer Politik und reich der politischen Bildung und hat dazu eine Vielzahl von in den Medien. Im Jahr darauf ist das Verfahren der Szena- Aktivitäten durchgeführt, die veröffentlichte das Landesbüro rio-Entwicklung. Das Landes- von klassischen Veranstaltun- die „Altersstudie Thüringen“, büro Thüringen lud im März gen der politischen Bildung eine repräsentative Umfrage, und April 2010 zu Workshops über Politikberatung bis hin die Einstellungen und Erwar- nach Erfurt und Ilmenau ein, zu innovativen, beteiligungso- tungen älterer Menschen er- um sich mit Hilfe der Szena- rientierten Formaten reichen. fasste. rio-Technik Gedanken zur Ent- Ziel ist es, in Zusammenarbeit In diesem Zusammenhang wicklung des Landes vor dem mit Bürgerinnen und Bürgern wurde vom Landesbüro gezielt Hintergrund des demogra- sowie Verantwortungsträgern das Thema Seniorenpolitik auf phischen Wandels zu machen. der Politik Perspektiven für die Agenda gesetzt. Im Fokus Bei dieser Technik werden von den Freistaat aufzuzeigen. steht eine stärkere Beteiligung den Workshopteilnehmern, Schon im Jahr 2006 wurde von Seniorinnen und Senioren positive, negative und soge- eine viel beachtete Studie zur am politischen und gesell- nannte Trendszenarien für die finanziellen Situation des Bun- schaftlichen Leben. Im Dezem- Entwicklung des Landes in den deslandes vor dem Hinter- ber 2009 führte das Landes- nächsten 20 Jahren erarbei- grund des demographischen büro in Weimar beispielsweise tet. Der Vorteil besteht darin, eine Ideenbörse zum dass übliche Denkmuster und gesellschaftlichen En- Einstellungen durchbrochen gagement von Senio- werden und die Bürger als rinnen und Senioren „Experten in eigener Sache“ durch. auftreten. Im Mai des Jahres Die erarbeiteten Handlungs- 2010 wurde in Zu- empfehlungen für die Politik sammenarbeit mit wurden schließlich am 3. Juni dem Forum Politik an die Thüringer Ministerin für und Gesellschaft der Soziales, Gesundheit und Fa- FES Berlin eine Fach- milie, Heike Taubert, in Erfurt tagung zum kommen- übergeben. den Seniorenmitwir-

E n g a g ement ä lte r e r M ens c hen in S a c hsen -A nhalt Freiwillig in Stadt und Land

In Sachsen-Anhalt sind rund renamtlichen Bereich vereint schaft der FES führt in Sach- 660 000 Bürger ehrenamtlich die Landesarbeitsgemeinschaft sen-Anhalt in Kooperation mit aktiv, schätzt der Länderbe- der Freiwilligenagenturen der lagfa sowie dem Ministe- richt über Bürgerschaftliches (lagfa) in Sachsen-Anhalt. In- rium für Gesundheit und Sozi- Engagement in Sachsen-An- teressierte, die Freiwilligenar- ales eine Reihe von Kompetenz- halt 2009. Das bedeutet, jeder beit leisten wollen, und Orga- trainings durch. Im gesamten dritte Einwohner engagiert nisationen, die Freiwilligenar- Bundesland werden rund 100 sich freiwillig. Eine Koordinie- beit brauchen, werden beraten Seminare pro Jahr angeboten, rung und Beratung der Ange- und zueinandergeführt. um ältere Menschen für ein bote und Nachfragen im eh- Das Forum Politik und Gesell- Ehrenamt fit zu machen oder

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Hauptamtliche zu schulen, die bietet sowohl große Städte als reiches Engagement. Konkrete mit mehrheitlich älteren Ak- auch ländliche Gebiete: Bür- Bedürfnisse der älteren Aktiven tiven zusammenarbeiten. Das gerschaftliches Engagement kristallisieren sich in zwei Be- Angebot ist vielfältig. Von der in ländlichen und kleinstädti- reichen: Zum einen fehlt es im „Kunst des Führens“ für ehren- schen Regionen ist häufiger zu ländlichen Raum an unterstüt- amtliche Gruppenleiter/innen finden als in Mittel- und Groß- zenden Einrichtungen, die das in Wernigerode über „Tipps städten, so lautet ein Befund Engagement begleiten könnten. zur Presse- und Öffentlichkeits- von Dr. Peter Zeman, Senior Zum anderen ist die einge- arbeit“ in Stendal bis hin zu Advisor am Deutschen Zen- schränkte Mobilität hemmend: „Chancen und Grenzen von Pa- trum für Altersfragen. wenn die Ersatz-Oma im Nach- tenschaftsprojekten“ in Magde- Aus der Praxis kann Olaf Ebert, bardorf bis 19 Uhr helfen soll, burg werden die unterschied- Vorstandsmitglied der lagfa kann sie das nicht, wenn der lichsten Themen behandelt, um Sachsen-Anhalt, das auch be- letzte Bus schon gegen 17 Uhr das Engagement älterer Men- stätigen. Eine starke Identifizie- fährt. „Das Ortsschild ist dann schen in Sachsen-Anhalt zu rung mit dem Gebiet und sozi- die Grenze“, resümiert Uwe stärken. Das 20 500 km² große ale Vernetzung sind, laut Ebert, Lummitsch von der lagfa Sach- Bundesland Sachsen-Anhalt die Voraussetzung für erfolg- sen-Anhalt.

Publikationen zum Thema:

Dedring, Klaus-Heinrich Schuldt-Baumgart, Nicola Rückkehr zur lebensstandardsichernden und Für moderne und realistische Altersbilder: der armutsfesten Rente: Expertise im Auftrag der Beitrag des bürgerschaftlichen Engagements Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Fried- älterer Menschen, Berlin. Friedrich-Ebert-Stif- rich-Ebert-Stiftung. – Bonn, 2010. (WISO-Diskurs) tung, Forum Politik und Gesellschaft, 2009 „Seit mehreren Jahren deutet sich an, dass das „Das vielfältige bürgerschaftliche Engagement finanzielle Niveau der Altersvorsorge in Deutsch- älterer Menschen spielt bei der Entwicklung posi- land sinkt. Waren früher Lebensstandardsicherung tiver und realistischer Altersbilder in der Gesell- und Vermeidung von Altersarmut in Deutschland schaft eine große Rolle. Je sichtbarer das Engage- herausragende sozialpolitische Ziele deutscher ment und die Leistungen der älteren Menschen Rentenpolitik, so scheinen diese aufgrund der vor- sind, desto eher sieht man den großen gesellschaft- rangigen Orientierung an Beitragssatzstabilität lichen Nutzen, den die Erfahrungen und Potenziale faktisch nicht mehr erreicht zu werden. Es wundert der Älteren haben und desto eher entwickeln sich nicht, dass das Rentenniveau in Deutschland im positive Altersbilder. Auch die sozialen und poli- Vergleich zu anderen europäischen Ländern bereits tischen Rahmenbedingungen tragen ganz wesent- jetzt eher am unteren Ende der Skala rangiert. lich dazu bei, dass die Kompetenzen und Erfah- Deshalb wird dafür plädiert, das Alterssicherungs- rungen älterer Menschen erhalten, entwickelt und system so umzustellen, dass die beiden Hauptziele, gesellschaftlich genutzt werden und so in der nämlich Lebensstandardsicherung und strukturelle öffentlichen Wahrnehmung als ein wichtiger Indi- Armutsfestigkeit innerhalb der umlagefinanzierten kator für die Entwicklung realistischer Altersbilder gesetzlichen Rentenversicherung wieder erreicht erscheinen. Aufgrund der Bedeutung, die Alters- werden können. Dies ist ohne nachteilige Wirkungen bilder für individuelles und gesellschaftliches Han- für die deutsche Volkswirtschaft machbar. Es wird deln haben, ist deren kritische Reflexion eine wich- vorgeschlagen, sich am Wert des Rentenniveaus zu tige Aufgabe, sowohl für ältere Menschen als auch orientieren, der vor dem partiellen Systemwechsel für Entscheidungsträger/innen in ihren politischen, des Jahres 2000 bestand und der nach der dama- kulturellen und sozialen Institutionen.“ ligen Einschätzung allgemein als ausreichend und lebensstandardsichernd akzeptiert war.“

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Politische Mitwirkung von Senior/innen mit Zuwande- Aufgaben rungsgeschichte und Hausaufgaben

F ü r M i g r antinnen und M i g r anten ist es in D euts c hland zuweilen s c hwe r , si c h am politis c hen L eben zu beteili g en . Wer keinen deutschen Pass hat, kann weder wählen noch gewählt werden. Unter diesen Umständen sehen viele Zugewanderte keinen Ansporn, sich politisch zu engagieren.

Auch wenn sie die deutsche folgt er die Geschehnisse und Posten im Seniorenbeirat kan- Staatsbürgerschaft besitzen, trägt sie weiter. Er beschreibt didieren. Valentina Böhm ar- haben viele Hemmungen, es als „Hausaufgabe“, die neu- beitet vor allem mit Spätaus- dies tu tun. Vor allem bei äl- en Beschlüsse des Bezirks ins siedlern, die wie sie selbst aus teren Migranten sind die Hür- Arabische zu übersetzen, so- der ehemaligen Sowjetunion den oft hoch, da sie der neuen dass Informationen innerhalb stammen. Somit haben sie zwar Heimat mit Distanz gegenü- des Bezirks auch weitere Men- rechtlich gesehen jedes Teilha- berstehen. Gelegentlich tun schen erreichen. Warum er das berecht in Deutschland, doch Sprachbarrieren und die Un- ehrenamtlich mache? Es sei die Realtät sieht oft anders aus. kenntnis institutioneller Struk- wichtig, nicht viel Arbeit und Im Integrationszentrum „Dia- turen ihr Übriges. Doch in Ber- er wolle sich nicht langweilen, log“ in Berlin-Köpenick arbeitet lin demonstriert das Konzept denn es seien ja nur wenige Böhm daran, dass mehr Senio- der Seniorenvertretungen auf Stunden in der Woche. Gaafar rinnen und Senioren von ihren Bezirksebene, dass es auch an- Saad engagiert sich auch im Rechten und Teilnahmemög- ders geht: Hier sind Senioren Quartiersmanagement seines lichkeiten überhaupt erst erfah- – unabhängig vom Pass – poli- Bezirks und ist im Sudanclub ren; und darin bestärkt werden, tisch aktiv. Grundlage dafür ist e. V. aktiv. Darüber hinaus bil- tätig zu werden: „Die Menschen das Berliner Seniorenmitwir- det er sich regelmäßig fort: Das trauen sich nicht. Viele Aus- kungsgesetz von Mai 2006. Das Forum Politik und Gesellschaft siedler kommen aus Dörfern Gesetz sieht ausdrücklich das der FES führt gemeinsam mit und für sie ist das alles ganz aktive und passive Wahlrecht dem Kompetenz-Zentrum In- anders hier.“ Am Anfang ha- für alle Menschen ab 60 Jahren terkulturelle Öffnung der Al- be Böhm ihre Arbeit mit allen vor – ungeachtet ihrer Herkunft tenhilfe (kom-zen) regelmäßig Spätaussiedlern gestaltet, doch bzw. Nationalität. Konkret be- Workshops durch, die ältere später wurde ihr klar, dass spe- deutet dies, dass ältere Einwan- Zuwanderinnen und Zuwan- ziell die Älteren Unterstützung derer hier als Mittler zwischen derer in ihrem Bürgerschaft- brauchen. Und es erfülle sie mit Bürgern und Behörden, Institu- lichen Engagement stärken. Stolz und Freude, wenn immer tionen und Einrichtungen fun- Neben einem Rhetorik-Training wieder Leute zu ihr kommen gieren. An den Sitzungen der hat der Senior auch an einer und sagen: „Ohne dich hätten bezirklichen Seniorenvertre- Workshop-Reihe zum Thema wir es nicht geschafft.“ tung nehmen jeweils bis zu 17 Interkulturelle Kompetenz teil- Ehrenamtliche teil. genommen. Hier war es das weite r e info r mationen So zum Beispiel ist auch Gaafar Ziel, das Diskussionsverhalten • Kompetenz-Zentrum Interkulturelle Saad aktiv. Er stammt aus dem der deutschen Mehrheitsgesell- Öffnung der Altenhilfe – www.kompe- Sudan und war als Sozialar- schaft im Landesseniorenbeirat tenzzentrum-altenhilfe.de/ beiter in Deutschland tätig. Als besser verstehen und einord- • AG Interkulturelle Arbeit mit Mig- ständiger Gast im Landessenio- nen zu können. Und nächstes rantinnen und Migranten des Berli- renbeirat Berlin-Spandau ver- Jahr möchte Saad für einen ner Landesseniorenbeirates – www. landesseniorenbeirat-berlin.de/2010/ ag_migrantinnen.html

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E n g a g ement ä lte r e r Z uwande r innen und Z uwande r e r Kein Einsatz zweiter Klasse

„Berlin ist die Hauptstadt der von Menschen mit Migrations- Seniorinnengruppe aktiv und Migrantenvereine. Das Enga- hintergrund wird zuweilen als gibt in einer Begegnungsstätte gement der Migrantinnen und Einsatz zweiter Klasse abge- Nähkurse. Migranten ist hier sehr vielfäl- wertet mit der Begründung, Ülker Radziwill, MdA und se- tig, zumal es über Jahrzehnte dass sich die Zugewanderten niorenpolitische Sprecherin gewachsen ist“, stellte Günter lediglich um die eigenen Belan- der SPD-Fraktion im Berliner Piening fest, Beauftragter des ge und nicht um Berliner Senats für Integration gesellschaftlich re- und Migration. Unter dem Mot- levante Bereiche to „Jetzt reden wir!“ diskutier- kümmern. „Da- te er mit zahlreichen Aktiven, bei wäre es ohne Fachleuten und weiteren Po- dieses Engagement litikern die Perspektiven und schlecht bestellt Interessen von älteren Zuwan- um Berlin“, konsta- derinnen und Zuwanderern tierte der Integrati- im bürgerschaftlichen Engage- onsbeauftragte. ment auf einer Veranstaltung Hamzeh Mudallal der FES und des Kompetenz- beispielsweise Zentrums Interkulturelle Öff- gründete 2005 den Verein Jor- Abgeordnetenhaus, wies auf Unter dem Motto „Jetzt reden wir!“ nung der Altenhilfe. danische Gemeinde e. V., der eine besondere Situation hin: diskutierten ältere Ute Kumpf, Bundestagsabge- inzwischen eine Anlaufstelle für „Ältere Zuwanderer sind in be- Zuwanderer über ihre Perspektiven im bürger- ordnete und stellvertretende ca. 1400 arabische Familien ist. sonderem Maße von Altersar- schaftlichen Engage- ment (Foto: Kelm). Vorsitzende des Unteraus- Maria Antonia Gonzáles Ca- mut betroffen, da sie durch die schusses Bürgerschaftliches bezas verließ als politischer harte körperliche Arbeit meist Engagement bemängelte die Flüchtling Chile und fand in der in Frührente gehen mussten. fehlende Wahrnehmung: „Erst damaligen DDR Zuflucht. Die Außerdem leiden sie häufig seit zwei Jahren werden Mig- Seniorin unterstützt heute u. a. unter Depressionen und nicht rantenorganisationen in die diverse Tanzgruppen, in denen verarbeiteten Migrationser- Umfragen zu bürgerschaft- Kindern wie Erwachsenen die fahrungen. Diese Faktoren ha- lichem Engagement einbezo- Folklore Lateinamerikas nahe- ben Einfluss darauf, in welcher gen.“ Piening sprach aus, was gebracht wird. Darüber hinaus Form sie sich engagieren kön- viele denken: Das Engagement ist sie in einer interkulturellen nen.“ Anders altern – Perspektiven für Lesben und Schwule Die Notwendigkeit lesbisch-schwuler Seniorenar- die besonderen Bedarfe älterer Lesben und Schwu- beit in einer Stadt wie Köln, betonte deren Bürger- le nicht ausklammern dürfe, erkannte die Stadt meisterin Elfi Scho-Antwerpes im Rahmen der Köln bereits vor fünf Jahren. Seit 2005 unterstützt Fachtagung „Anders leben. Anders altern. Neue sie eine professionelle Netzwerkkoordination. Perspektiven für Lesben und Schwule“, die die FES Hauptziel des Netzwerks sei es, mit Gruppen und in Kooperation mit dem Sozialwerk für Lesben und Eigeninitiativen eine drohende Isolierung zu ver- Schwule e. V. in Köln veranstaltete. hindern. Darüber hinaus gehe es darum, Wohnpro- Sozialdezernentin Marlis Bredehorst erläuterte das jekte wie z. B. die „villa anders“ zu begleiten und Konzept der Kölner Seniorennetzwerke, die sehr mit Pflegeeinrichtungen zu kooperieren, um auch erfolgreich auf soziale Integration und aktive Betei- hier die Türen zu öffnen für eine lesben- und schwu- ligung setzen. Dass die kommunale Seniorenarbeit lenfreundliche Entwicklung.

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Analysen zur Finanzmarktkrise Europa aus dem Gleichgewicht

I m F r ü hlin g 2 0 1 0 s c hien E u r opa am A b g r und zu stehen . Die Finanz- märkte zweifelten an der Kreditwürdigkeit vieler Mitgliedsstaaten, allen voran Griechen- lands. Gewaltige Rettungspakete mussten geschnürt werden, scheinbar unumstößliche Regeln wurden zum Opfer der Krise.

Bei der Suche nach den Ursa- liche Kritik an der deutschen nahme der Löhne beruht. chen geriet Deutschland bald Wirtschaftspolitik durch den Die Verteilung der Verantwor- ins Zentrum der Aufmerksam- französischen Wirtschaftswis- tung und Lasten innerhalb der keit. Nicht nur war die Mer- senschaftler Patrick Artus. Im EU ist Gegenstand einer hef- kel-Regierung besonders zö- Mai veranstalteten das Pariser tig geführten Debatte. Dieser gerlich bei Gegenmaßnahmen, Büro zusammen mit der Abtei- Frage widmete sich auch ei- sondern das Land hatte – nach lung Wirtschafts- und Sozial- ne Podiumsveranstaltung des Auffassung prominenter Kri- politik und der französischen Managerkreises am 28. Juni Ökonomenver- in Berlin mit dem Thema „Ex- einigung „Cerc- portüberschussfetischismus le des Econo- oder mehr Exporte als Ausweg mistes“ einen aus der Krise? Zum Problem internationalen der außenwirtschaftlichen Un- Workshop zur gleichgewichte in der EU“. Der Schuldenkrise. ehemalige Berliner Finanz- Die wichtigs- senator und Bundesbankvor- ten Argumente standsmitglied Thilo Sarrazin fassten Micha- hielt die Kritik an Deutschland el Dauderstädt für unberechtigt. Deutschland und Wolfgang habe – unter anderem dank Münchau in einer mit Blick auf den Welt- tiker wie der französischen zwei wiso-direkt zusammen. markt vernünftigen Lohnzu- Finanzministerin Lagarde Nur eine abgestimmte Politik rückhaltung – Exporterfolge, – durch seine hohen Export- von Gläubiger- und Schuld- während die Südachsen-Län- überschüsse die Probleme nerländern und eine bessere der des Euro-Raums dagegen mitverursacht. Koordinierung innerhalb der ihre Wettbewerbsfähigkeit Die FES, besonders ihr Pari- EU kann die ser Büro und die Abteilung Krise über- • Michael Dauderstädt/Ernst Hillebrand, Export- Wirtschafts- und Sozialpolitik winden. Letzt- europameister Deutschland und die Krise, hatten schon lange vorher auf lich braucht Bonn, 2009 (WISO direkt) die tickende Zeitbombe im Eu- Europa ein • Patrick Artus, Die deutsche Wirtschaftspolitik: ein roraum hingewiesen. Schon im neues Wachs- Problem für Europa? Bonn, 2010 (WISO direkt) April 2009 hatten deren Leiter tumsmodell, • Wolfgang Münchau, Letzter Ausweg gemeinsame (Ernst Hillebrand und Micha- das auf einer Anpassung: die Eurozone zwischen Depression el Dauderstädt) ein warnendes gleichgewich- und Spaltung, Bonn, 2010 (WISO direkt) gemeinsames Papier verfasst. tigen, produk- • Michael Dauderstädt, Staatsschulden und Schul- Im Januar 2010 erschien in der tivitätsorien- denstaaten: Europa braucht ein neues Wachs- Reihe wiso-direkt eine deut- tierten Zu- tumsmodell, Bonn, 2010 (WISO direkt) Alle Vorträge des Pariser Workshops: www.fes.de/wiso/sets/s_eur_vera.htm

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durch maßlose Lohnsteige- seien und eine bessere Vertei- „Neues Wachstum“ Anfang Ju- rungen ruiniert hätten. Michael lung der Einkommen sowohl li konnte Michael Dauderstädt Dauderstädt hielt dem entge- der Binnennachfrage als auch seine Thesen vorstellen. Die gen, dass die Löhne in Deutsch- der Überwindung der Eurokri- bekannteste französische Wirt- land über zehn Jahre hinweg se dienen würde. schaftszeitung, „Les Echos“, kontinuierlich hinter der In- Auf der Jahrestagung des publizierte Auszüge aus seinem flationsrate plus Produktivi- „Cercle des Economistes“ in Beitrag. tätsfortschritt zurückgeblieben Aix-en-Provence zum Thema

K onzepte f ü r eine E u r op ä is c he W i r ts c hafts r e g ie r un g Gleichgewicht wiederherstellen

Seit die Wirtschaftskrise den kreis Europa ein Modell einer lands und den spiegelbildlichen Euroraum erfasst hat und Balance aus eigenverantwort- Leistungsbilanzdefiziten Grie- zwei voluminöse ad-hoc-Ret- lich wahrgenommener Wirt- chenlands, Spaniens, Italiens tungspakete geschnürt werden schaftspolitik einerseits und und weiterer Länder soll so mussten, sind die Rufe zur Ein- zentral gelenkten Maßnahmen überwunden werden. Allein die richtung einer Europäischen andererseits vor. Eine Euro- Verschärfung der Sanktionen Wirtschaftsregierung lauter päische Wirtschaftsregierung des Stabilitäts- und Wachs- geworden. Der Arbeitskreis wird dabei definiert als Kom- tumspaktes, wie von Bundes- Europa der FES hat sich inten- bination eines präventiven und regierung und Europäischer siv mit den Hintergründen der eines reaktiven Arms. Präven- Kommission gefordert, greift Krise auseinandergesetzt. Der tiv sollen die Mitgliedstaaten zu kurz, um künftige Krisen Hamburger Ökonomieprofes- makroökonomische Ungleich- abzuwenden. sor Arne Heise sieht nicht in gewichte dezentral verhindern. den gegenwärtigen Haushalts- Nur, wenn dies nicht gelingt, meh r zum thema problemen einzelner Länder greifen reaktive Instrumente, Arne Heise/Özlem Görmez-Heise das Hauptproblem, sondern die zentral gesteuert werden. „Auf dem Weg zu einer europä- im strukturellen Mangel einer Vor allem das Problem zuneh- ischen Wirtschaftsregierung“ umfassenden wirtschaftspoli- mender wirtschaftlicher Un- Arbeitskreis Europa „ Die Zu- tischen Koordinierung in der gleichgewichte zwischen den kunft der Europäischen Wirt- Eurozone. Vor diesem Hinter- Euroländern durch Leistungs- schafts- und Währungsunion“ grund schlägt der FES-Arbeits- bilanzüberschüsse Deutsch-

Mit neuem Mut für ein soziales Europa

Die neue EU-Zukunftsstrategie „Europa 2020“ dis- klausel zu ergänzen. Mindestlöhne, gemeinsame kutierten am 30. Juni in der FES in Berlin Vertre- Sozialstandards und progressive Steuersysteme ter-innen und Vertreter aus Politik und Gesell- seien nur prominente Beispiele, um ein gesell- schaft. Trotz des 2010 ausgerufenen Europäischen schaftliches Auseinanderdriften zu verhindern. Jahres gegen Armut und soziale Ausgrenzung Zusammen mit Kristin Schreiber von der Europä- warnte Inge Kaufmann vom DGB deutlich davor, ischen Kommission forderten DGB und SOLIDAR die sozialen Probleme auf den Armutsbegriff zu einen kohärenteren Politikansatz, der die einzel- beschränken. Conny Reuter vom europäischen nen Mitgliedsländer stärker zu ihrer europäischen Netzwerk der Nichtregierungsorganisationen, Verantwortung verpflichten soll. Die politischen SOLIDAR, forderte deshalb, den Wirtschafts- und Entscheidungsprozesse müssten transparent und Wachstumspakt durch eine soziale Fortschritts- bürgernah gestaltet werden.

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A nalysepapie r zu E U - F inanzma r kt r efo r men Zielgenau und effizient

Seit die akuten Gefahren der zender und Sprecher des FES- haftigkeit untersuchen und Finanz- und Wirtschaftskri- Managerkreises. zulassen. Einige kritische Stim- se gebannt scheinen und die In ihrem Papier beklagten die men warnten in der Diskussion Wirtschaft in den allermeisten Autoren die Verwässerung der vor einem zu komplexen Re- Industrieländern die Rezessi- aktuellen Reformvorhaben im gelwerk, das die Intransparenz on hinter sich gelassen hat, ist Entscheidungsprozess und for- der Finanzmärkte am Ende das Thema Finanzmarktregu- derten im Wesentlichen eine womöglich noch weiter erhö- lierung aus der öffentlichen Orientierung an den wesentlich he. In diesem Sinne bestand Wahrnehmung verschwunden. strengeren Vorschlägen der Einvernehmen darüber, dass Im Hintergrund tut sich jedoch DeLarosière-Expertengruppe. Regulierungen zur nachhal- einiges, auch auf Ebene der Unterstützt wurde diese Positi- tigen Stabilisierung des Finanz- Europäischen Union. on von den politischen Vertre- systems notwendig sind, diese Zentrale Bereiche der EU-Fi- tern am Tisch. So müsste un- aber zielgenau und effizient ge- nanzmarktregulierung stellten ter anderem etwa eine strikte staltet werden müssen. die Ökonomen Sebastian Dul- Trennung von traditionellen lien und Hansjörg Herr am 2. Bankgeschäften und riskantem die analyse Juni im Brüsseler Europabüro Investmentbanking erfolgen. Dullien, Sebastian; der FES einem Expertenround- Ebenso sollten die Eigenkapi- Herr, Hansjörg table vor und bewerteten die talerfordernisse dringend an Die EU-Finanzmarktreform: wichtigsten Vorhaben. Kom- die Risikointensität einzelner Stand und Perspektiven im mentiert wurden die Autoren Aktivitäten angepasst werden Frühjahr 2010 von , Mitglied und ein Finanz-TÜV sämtliche http://library.fes.de/pdf-files/id/ des Europäischen Parlaments, Finanzmarktprodukte auf de- ipa/07157.pdf und Karl Kauermann, Vorsit- ren volkswirtschaftliche Sinn-

E u r op ä is c he E ne r g iepolitik und de r „ V ie r te K o r r ido r “ Versorgungssicherheit und Stabilität

Die Diversifizierung der Erd- Jahren verfolgt, um die Versor- samen Expertengespräch von gas- und Öllieferungen ist eines gungssicherheit der EU-Mit- FES und der Deutschen Gesell- Expertenrunde zur der wichtigsten Ziele, das die gliedsländer zu erhöhen. Da- schaft für Auswärtige Politik am Energieaußenpolitik in Berlin (Foto: Schicke) europäische Energiepolitik seit bei gewinnt der so genannte 14. Juni vor. Er betonte, dass „Vierte Korridor“, es bei der europäischen Ener- der die bestehenden gieaußenpolitik auch darum Transportwege aus ginge, den Energielieferanten Russland, der Nord- und Transitländern der EU zu see und Nordafrika helfen, Rechtsstaatlichkeit und ergänzen soll, an Be- wirtschaftliche Entwicklung zu deutung. Das Konzept fördern. Dem pflichtete Alexan- des Vierten Korridors der Schönfelder vom Auswär- stellte Brendan Dev- tigen Amt bei und unterstrich lin von der Europä- zugleich die Unterstützung der ischen Kommission Bundesregierung für die in- bei einem gemein- nerhalb des Vierten Korridors

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geplante Nabucco-Pipeline. Al- Premierministers für Energie- von der Bahçeşehir Universi- lerdings werde über das Pro- außenpolitik: Drei Viertel aller tät Istanbul gab einen Über- jekt nicht nur auf Basis von po- weltweiten Energieressourcen blick über die Exportpotentiale litischen Motiven entschieden, befänden sich in der Nachbar- Ägyptens, Iraks, Katars und auch wirtschaftliche Gründe schaft der Türkei. Eine Ener- Irans. Die russisch-türkischen spielten eine Rolle. giepartnerschaft würde nicht Energiebeziehungen und die Was die Kooperation zwischen nur mehr Versorgungssicher- geplante South-Stream-Pipeline Türkei und Europäischer Union heit für Europa bringen, son- wurden abschließend von Ma- anbelangt, bestünde eine Win- dern Frieden, Stabilität und ria Belova vom Institut für En- win-Situation, so Ömer Fatih Entwicklung für die gesamte ergie und Finanzen in Moskau Sayan, Berater des türkischen Region bedeuten. Mert Bilgin dargelegt.

T r ansatlantis c he r D ialo g zu E r neue r ba r en E ne r g ien Wasser in den Wein?

Lässt sich unsere Energiever- digte an, dass er etwas „Was- Sonne zwar so intensiv, dass sorgung zu 100% auf erneuer- ser in den Wein gießen“ müsse: kleine Photovoltaik-Anlagen auf bare Energien umstellen? Um Zwar wird auch in Amerika in Privathäusern deren Strombe- diese Frage ging es am 8. Ju- erneuerbare Energien inves- darf völlig decken würden. Die ni bei einem transatlantischen tiert, aber nur, wenn sich damit Investition in eine solche An- Klimadialog mit deutschen und Geld verdienen lässt. Die Poli- lage amortisiert sich aber erst amerikanischen Experten und tik unterstützt solche Vorhaben nach 7 bis 14 Jahren. Da Ame- Politkern in Berlin. in einigen Bundesstaaten mit rikaner im Durchschnitt nicht Nachdem MdB Ulrich Kelber Steueranreizen, wenn Arbeits- 10 Jahre im selben Haus woh- sich zunächst überzeugt zeigte, plätze geschaffen werden und nen, erachten die meisten sei- dass der Energiesektor mit den die Abhängigkeit von Ener- ner Landsleute eine solche In- nötigen Investitionen auf ein gieimporten gesenkt werden vestition als nicht lohnenswert. emissionsneutrales Niveau ge- kann. Klimaschutz spiele sel- Kelber ließ sich kein „Wasser bracht werden könne, gab sich ten eine Rolle. Senator William in den Wein gießen“, sondern C. Brad Williams, Deputy Sec- Douglas Stoner aus Georgia er- ging auf politische Instrumen- retary of Energy in Oklahoma, gänzte ein konkretes Beispiel: te wie die Einspeisevergütung weniger optimistisch und kün- In den Südstaaten scheint die ein, mit denen Anreize zu mehr „grüner“ Investition geschaffen +++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + K U R Z werden können. Mit einer sol- + + + Zwanzig Preisträgerinnen des vom Zentrum für Europäische chen Einspeisevergütung lie- Bildung jährlich ausgeschriebenen Wettbewerbs kamen auch in die- ßen sich wahrscheinlich mehr sem Jahr auf Einladung der FES nach Straßburg. Junge Erwachsene Hausbesitzer in Amerika von in der Altersgruppe 17 bis 21 Jahre, die den Schülerwettbewerb unter privaten Solaranlagen über- dem Motto des Europäischen Jahres 2010 „Zur Bekämpfung von zeugen. Die gemeinsam von Armut und sozialer Ausgrenzung“ gewonnen hatten, beschäftigten FES und dem Ecologic Institu- sich während der Woche mit den deutsch-französischen Beziehungen, te organisierte Veranstaltung den Europäischen Institutionen sowie Armut und sozialer Ausgren- konnte die Eingangsfrage zwar zung. Außerdem besuchten sie die historische Gedenkstätte „Mémo- nicht beantworten, wurde aber rial d’Alsace Moselle“ (Bild). + + + dennoch besonders von der hochrangigen amerikanischen Delegation als willkommenes Politikberatungsangebot ge- würdigt.

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H ube r t V é d r ine ü be r die deuts c h - f r anz ö sis c he V e r st ä ndi g un g Rigueur oder Grandeur?

Unterschiedliche Interessen in den Hintergrund geraten. über hinaus sollte eine echte zwischen den beiden europä- Deutschlands Überlegungen Zukunftsvision entwickelt wer- ischen Riesen seien üblich, über eine „Wirtschaftsregie- den. Die deutsch-französische was aber Besorgnis erre- rung“ und die deutsche Spar- Beziehung sei keine einfache, ge, seien die aktuellen Span- politik schätzt er problema- aber eine stabile, resümierte nungen im deutsch-franzö- tisch ein. Kanzlerin Merkels Védrine. Zur Bewältigung der sischen Verhältnis. Sorge, die Zentralbank könne Wirtschafts- und Finanzkrise Hubert Védrine – von 1997 bis geschwächt werden, wenn die bedürfe es einer umfassenden 2002 französischer Außenmi- 16 Euro-Länder eine gemein- Debatte über Währung, Fis- nister und am 22. Juni Gast same Wirtschaftspolitik be- kalpolitik und Haushalte. Eur- des deutsch-französischen trieben, hält Védrine für un- opa habe keine Alternative zu Gesprächskreises der FES in begründet. Die rigorose deut- einer deutsch-französischen Berlin – wirft Deutschland sche Sparpolitik könne zudem Verständigung. Beide Län- vor, es wolle seine strengen negative, inflationäre Auswir- der besäßen die Kraft, Motor finanzpolitischen Vorstellun- kungen haben. Natürlich sei der europäischen Politik zu gen der gesamten Eurozone es unumgänglich, Europas sein, davon zeigte sich Hubert aufzwingen. Gemeinsame eu- Staatsverschuldung in den Védrine überzeugt. ropäische Interessen würden Griff zu bekommen. Aber dar-

+++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + K U R Z G EFASST +++ FES + + + + + + Wie können Werte wie Freiheit und Gerechtig- der Verbraucherrechte schlägt die Europäische keit auch im Internet gewahrt bleiben? Wie können Kommission eine übergreifende Verbraucherrech- Bürgerrechte im digitalen Zeitalter gestärkt wer- terichtlinie vor. Ein zentraler Streitpunkt in der Dis- den? Um über die Kompetenzen der EU im Bereich kussion ist u. a. die Frage, ob grundsätzlich von Netzpolitik zu informieren, fand vom 27. bis 30. Juni mündigen oder von hilfebedürftigen Verbrauchern in Brüssel ein Seminar für Multiplikatoren aus auszugehen ist. Während die Unternehmerseite vor Deutschland statt, die sich in ihren beruflichen oder allem die Kosten von zusätzlichem Verbraucher- ehrenamtlichen Tätigkeiten mit europa- und netzpo- schutz als Nachteil auch für die Kunden interpre- litischen Fragen beschäftigen. In den Gesprächen tiert, kamen die Seminarteilnehmer zu dem Schluss, unterstrichen die Teilnehmer immer wieder die For- dass ein höheres Konsumentenvertrauen auch den derung nach einer Demokratisierung des Netzes. Um Unternehmen zugutekomme. + + + eine „digitale Lücke“ zu vermeiden, müssten der Netzzugang sowie die Vermittlung von Medienkom- + + + „Zivilisationen entwickeln sich immer durch petenzen vorangetrieben werden. + + + Handel, aber Handel ist nicht immer zivilisiert“, mit diesem Zitat wies der Gründer des Wuppertal-Insti- + + + Verbraucher sind darauf angewiesen, vor tuts, Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker, auf einen unlauteren Geschäftspraktiken geschützt zu wer- Kernpunkt einer Konferenz des FES-Büros Genf den. Auch wenn mehrere europäische Richtlinien und des International Trade Centre am 1. Juli hin. bereits einzelne Aspekte des Verbraucherschutzes Reichen die Märkte als einzige Indikatoren für Nach- abdecken, sind viele Verbraucher verunsichert hin- haltigkeitsstandards aus oder bedarf es gesetzlicher sichtlich ihrer Rechte und Garantien. Um die euro- Regulierungen? Im Gegensatz zur Mehrheit der Teil- päische Debatte um Verbraucherrechte auszuwei- nehmer, die gesetzliche Regelungen befürworteten, ten, veranstaltete das Europabüro der FES vom 2. sprach sich eine Vertreterin der EU mit dem Verweis bis zum 5. Mai ein Seminar für Multiplikatoren aus auf die höhere Flexibilität des Privatsektors gegen Deutschland. Zur einheitlicheren Ausgestaltung staatliche Interventionen aus. + + +

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A f g hanistan -D iskussion in K anada „How do we get out of this mess?“

Die Ausgangslage für den Ab- abgeordnete Niels Annen sowie sein Scheitern eingestehen und zug aus Afghanistan ist in den drei kanadische Parlamentsmit- den Wählern erklären müsste, USA, Deutschland und Kanada glieder und der Vertreter eines dass ihre Söhne ganz umsonst sehr unterschiedlich. Die Kana- US-Think-Tanks. gefallen seien. dier, die in ihrem Einsatzgebiet In allen drei ISAF-Partnerlän- Paul Dewar von der sozialde- Kandahar pro Kopf die meisten dern ist die öffentliche Unter- mokratischen New Democratic Soldaten verloren haben, ha- stützung für die Mission tief Party bekannte sich zu einem ben sich als Einzige auf einen gesunken. Was Termin festgelegt: Ihre Trup- Afghanistans pen werden sich im Laufe des Zukunft betrifft, Jahres 2011 zurückziehen. Die herrscht auf USA haben 2009 gleich zweimal beiden Seiten beschlossen, ihre Militärprä- des Atlantiks ei- senz, aber auch ihren zivilen ne gewisse Rat- Einsatz deutlich zu verstärken, losigkeit. sprechen aber auch von einem Klose mahnte Beginn des Rückzugs ab Mitte zur Geduld. des nächsten Jahres. Deutsch- Einen failed land hingegen will den Taliban state neu auf- keinen Zeitpunkt nennen, auf zubauen, dau- den hin sie ihre Kräfte bündeln ere mindestens und zukünftige Aktivitäten pla- eine Generation. Außerdem post-militärischen Entwick- nen könnten. Auch Hans-Ulrich sei ein überstürzter Abzug ein lungsprogramm, während der Klose, Koordinator der Bun- fatales Signal an Terroristen liberale Abgeordnete Keith desregierung für die deutsch- jeder Couleur, die ihn als Sieg Martin forderte, sich aus sicher- amerikanische Zusammen- und Ermutigung interpretieren heitspolitischen Erwägungen arbeit, vertrat während einer würden. Claude Bachand, ka- heraus mehr um die Integration Podiumsdiskussion in Ottawa, nadischer Parlamentarier vom der muslimischen Bevölkerung organisiert von der Kanada- Bloc Québécois, stellte jedoch in den westlichen Ländern zu Dependance des Washingtoner die Verantwortung gegenüber kümmern als um die Taliban. FES-Büros und dem Canadian seinen kriegsmüden Wählern Brian Katulis vom Washingto- International Council, diese Po- in den Vordergrund. Niels An- ner Center for American Pro- sition. Im Panel saßen außer- nen interpretierte es dagegen gress schilderte die unabläs- dem der frühere Bundestags- als Vertrauensbruch, wenn man sigen Mühen der US-Regierung, die aktuelle Lage in Afghanistan +++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + K U R Z überhaupt richtig einzuschät- + + + Um über ihre Rolle auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien zen und Begriffe wie „Sieg“ und Welt zu diskutieren, trafen sich bei der FES europäische Abgeordnete „Fortschritt“ an diese Realität im Anschluss an die Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungs- anzupassen. Eine der anschlie- vertrages (NVV) im Mai in Brüssel. Randy Rydell vom Büro für Abrüs- ßenden Publikumsfragen laute- tung der Vereinten Nationen präsentierte die Ergebnisse der Überprü- te schlicht: „How do we get out fungskonferenz und zog eine positive Bilanz. Immerhin hatten sich of this mess?“ „So genau wis- 172 Mitgliedsstaaten auf ein Abschlussdokument einigen können, das sen wir das leider auch nicht“, ihr Bekenntnis zum Nichtverbreitungsregime erneuert. Frieda Bre- musste das Panel eingestehen. poels, Abgeordnete des Europäischen Parlaments, erinnerte an zen- trale Resolutionen, mit denen die europäischen Parlamentarier zum NVV Stellung bezogen haben. + + +

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P odiumsdiskussion mit dem no r we g is c hen A ussenministe r Auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt

Die Auswirkungen der Nicht- nicht allein als sicherheitspoli- zentrum für transatlantische verbreitungskonferenz in New tisches Thema zu betrachten, Sicherheit wurde deutlich, York und die Debatte um das sondern vielmehr als präven- dass Kernwaffen heute keine strategische Konzept der NA- tive humanitäre Maßnahme. zusätzliche Sicherheit schaf- TO für das Ziel der Abschaf- Allerdings wies Jonas Gahr fen, sondern vielmehr eine Be- fung von Atomwaffen weltweit Støre darauf hin, dass das Ab- drohung darstellen. Der deut- standen im Mittelpunkt einer rüstungsengagement nach sche Bundestag habe auch dem Ende des Kalten Krieges deswegen im März 2010 einen nachgelassen habe. Die Politik Beschluss gefasst, dass alle der neuen US-Administration US-Atomwaffen aus Deutsch- sei zwar eine positive Ausnah- land abzuziehen seien. me, sie müsse aber stärker Problematisch verhalte es mit konkreten Inhalten ver- sich mit der zivilen Nutzung tieft werden, wie beispielswei- von Kernenergie, die immer se dem neuen START-Vertrag schwerer von der militärischen zwischen den USA und Rus- zu trennen sei. Atomenergie sland. Er betonte zudem die müsse als „Proliferationsherd“ Einbindung der Zivilgesell- betrachtet werden, eine Di- schaft in die Abrüstungsdis- mension, die bei der zivilge- kussion. sellschaftlichen Debatte bis- Setzte sich dafür ein, Podiumsdiskussion der FES, In der anschließenden Dis- lang noch eine untergeordnete die Zivilgesellschaft in die Abrüstungsdiskussi- die der norwegische Außen- kussion zwischen dem Ab- Rolle spielt. Diese Debatte, so on einzubinden: Nor- minister Jonas Gahr Støre am rüstungsbeauftragten der betonten die Diskutanten mit wegens Außenminister Jonas Gahr Store. 22. Juni in Berlin eröffnete. Bundesregierung, Botschafter Bezug auf den norwegischen (Foto: Schicke) Støre führte einen zentralen Peter Gottwald, MdB Gernot Außenminister, sei zentral für Gedanken der norwegischen Erler und Otfried Nassauer die Verwirklichung der Vision Friedenspolitik aus: Abrüstung vom Berliner Informations- einer atomwaffenfreien Welt.

+++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + K U R Z G EFASST +++ FES + + + + + + ���Die internationale Menschenrechtsarbeit zum Ziel gesetzt, zur weiteren Gestaltung der Part- stand im Mittelpunkt eines Gesprächs, zu dem���� die nerschaften beizutragen. So veranstaltete es am 12. UN-����������������������������������������Hochkommissarin für Menschenrechte Nava- Mai ein Gespräch zur strategischen Partnerschaft nethem Pillay������������������������������������ mit der FES-Vorsitzenden Anke Fuchs zwischen der EU und Südafrika. Siphamandla Zondi, in Genf zusammengetroffen war. Frau Pillay hatte����� Direktor des Institute for Global Dialogue (Bild) dis- 2003, als Präsidentin des Internationalen Tribunals kutierte mit Vertretern aus europäischen Institutio- für Ruanda, den Menschenrechtspreis der FES nen zum einen die bilateralen Beziehungen, zum erhalten. + + + anderen aber auch Fragen nach Chancen und Gren- zen der Gestaltung globaler Politik. + + + + + + Zur Gestaltung ihrer Außenbeziehungen setzt die EU auf sogenannte „Strategische Partner- schaften“ mit aufstrebenden regionalen sowie mit globalen Führungsmächten. Über die Benennung dieser Partner, u. a. die USA, Russland, China, Brasi- lien und Südafrika, ist man allerdings noch nicht hin- aus gekommen. Das FES-Europabüro hat sich daher

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FES-K lausu r ta g un g liefe r t I mpulse f ü r „ U N W omen “ UN-Gleichstellungseinheit nimmt letzte Hürde

In einer historischen Sitzung hängig, dass auch die UN-Ent- neue Abteilung erstmals von beschloss die UN-Generalver- wicklungshilfearbeit reformiert einer Untergeneralsekretärin sammlung Anfang Juli die Ein- würde: – dem dritthöchsten UN-Rang richtung einer neuen UN-Ein- Um diese Blockade endlich zu – geführt. Langfristig noch ent- heit zur weltweiten Stärkung beseitigen, fand unter Mithilfe scheidender könnte allerdings der Frauenrechte. „UN Wo- der FES-New York im April eine eine Innovation bei der Zusam- men“ soll die vier bisher be- Klausurtagung von 30 UN-Bot- mensetzung des Exekutivrats stehenden UN-Programme zu schaftern statt. Der informelle für das neue Organ sein: Hier einem eigenständigen Instru- Rahmen trug maßgeblich dazu wurde der Einfluss traditio- ment der Gleichberechtigung bei, dass sich die verschiedenen neller Geberländer zu Gunsten von Frauen kombinieren. politischen Lager in einem anderer Nationen verringert, Die Debatte unter den Mit- konstruktiven Dialog aufeinan- was sich als ein Vorbild für die gliedsstaaten um die neue UN- der zu bewegten. Heraus ka- UN-Entwicklungshilfe bei Pro- Institution zog sich nicht zuletzt men die wesentlichen Elemente grammen wie UNDP und UNI- deshalb über ein halbes Jahr- der jetzt angenommenen Reso- CEF erweisen könnte. zehnt hin, weil UN Women im lution. Diese sieht unter ande- Als Fazit blieb, dass informelle Paket mit einer Harmonisie- rem vor, dass die neue Gleich- Zusammenkünfte bei richtig rung der UN-Entwicklungshil- stellungseinheit ein Budget von gewähltem Zeitpunkt und dem fe verhandelt wurde. So mach- jährlich US$ 500 Millionen ha- vorhandenen politischen Willen ten viele Länder der Gruppe ben soll. Um der Gleichstellung einen wichtigen Impuls für er- der 77 ihre Zustimmung zu der von Frauen genügend Gewicht folgreiche Verhandlungen lie- neuen Institution davon ab- zukommen zu lassen, wird die fern können.

V e r anstaltun g des E u r opab ü r os de r F E S Gendermainstreaming-Politik der EU

Mit dem im Dezember 2009 in nern. Auf Einladung des FES- lichen Organisationen. Trotz Kraft getretenen Lissabon-Ver- Europabüros kam daher An- der im Vergleich recht hohen trag wurde Geschlechtergleich- fang Juni eine Delegation von rechtlichen Standards, aus de- stellung in den Grundwerte- Genderexpertinnen aus dem nen die EU für sich selbst eine kanon der EU aufgenommen. Cono Sur (Argentinien, Brasi- Vorreiterrolle im Bereich der Nicht nur innerhalb der EU lien, Chile, Paraguay, Uruguay) Genderpolitik ableitet, wurde soll Gendermainstreaming da- nach Brüssel, um sich über die in den Gesprächen aber deut- mit in Zukunft aktiv gefördert Gendermainstreaming-Politik lich, dass die Probleme bei der werden, sondern ebenso in den der EU zu informieren. Die Teil- alltäglichen Umsetzung von Außenbeziehungen zu Dritt- nehmerinnen, die in ihren Län- Gleichstellungsfragen oftmals staaten und -regionen. So wer- dern auf Stadt-, Länder- oder ähnlich gelagert sind. So ent- den EU-geförderte Projekte auf Bundesebene mit Gleichstel- stand schnell ein fruchtbarer ihren sogenannten „Gender im- lungsfragen befasst sind, trafen Austausch über „best practi- pact“ geprüft. Um bei der Um- sich mit Europaabgeordneten, ces“, der von den Teilneh- setzung von Projekten diesem Vertretern der Europäischen merinnen auch genutzt wurde, Gender-Ansatz gerecht zu wer- Kommission, des Ausschusses um sich über Initiativen in den den, bedarf es aber auch der der Regionen sowie mit ver- südamerikanischen Ländern zu Kommunikation mit den Part- schiedenen zivilgesellschaft- informieren.

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Die FES feiert in Polen Jubiläum Den Blick nach vorne richten

S eit 4 0 J ah r en ist die F r ied r i c h -E be r t-S tiftun g in P olen aktiv. Seit 1990 unterhält sie in Warschau ein eigenes Büro.

Anlässlich dieses Jubiläums erinnerte vor rund 200 Zuhö- Prof. Dr. Gesine Schwan, Prä- lud die Stiftung am 2. Juli zur rern an die langjährige und sidentin der Humboldt-Viadri- Konferenz „Vom Runden Tisch gute Zusammenarbeit mit den na School of Governance, be- zur EU-Präsidentschaft – 20 polnischen Partnern auf dem tonte dass es in den letzten 20 Würdigte die Förde- Jahre Friedrich-Ebert-Stiftung Weg zur europäischen Inte- Jahren Deutschen und Polen, rung des politischen Austauschs durch die in Polen“ ein. Der Leiter der gration Polens. Der ehemalige gelungen sei, „einen gemein- FES: Polens ehemaliger Abteilung Internationaler Di- Präsident Polens, Aleksander samen Blick auf die Vergan- Präsident Aleksander Kwasniewski. alog, Dr. Alexander Kallweit, Kwaśniewski, unterstrich die genheit mit Perspektivenwech- Bedeutung der Stiftung gera- sel“ zu werfen. Mit den Worten de im Jahr 1990. Insbeson- von Willy Brandt: „Freiheit ist dere die deutschen Sozialde- das Wichtigste“ fasste Knut mokraten, so Kwaśniewski, Dethlefsen, Leiter der FES hätten einen wichtigen Bei- in Warschau, die Konferenz trag zu der geglückten Trans- zusammen. Er erinnerte an formation in Polen geleistet. Brandts Ostpolitik und deren Die Bedeutung der FES heu- Beitrag zur Überwindung der te liege darin, den politischen Teilung Europas. Die deutsch- Austausch weiter zu fördern polnischen Beziehungen hät- und so Antworten auf Heraus- ten das Potential, zum Motor forderungen unserer Zeit zu eines Europas der sozialen Ge- finden. rechtigkeit zu werden.

B u c hp r ä sentation und P odiumsdiskussion in W a r s c hau Fundamente der Versöhnung

„Wenn Gefühle die Politik blo- ven der 1960er-Jahre und die diese Publikation nun auch in ckieren, kann ein Anstoß von Entspannungspolitik“. Wäh- polnischer Sprache erschienen. außen bewegen, was sich rend sich die wissenschaftliche Aus diesem Anlass luden sonst nicht rührt. Die Denk- Forschung bei der Analyse die FES und die Kardinal- schrift sowie der Brief der pol- der deutsch-polnischen Wie- Wyszyński-Universität zu einer nischen Bischöfe waren ein derannäherung in den 1960er Podiumsdiskussion am Sitz der Einbruch christlichen Denkens Jahren meist auf die politische polnischen Bischofskonferenz in die Politik“, schreibt Pe- Ebene beschränkt hat, zeich- ein. Zeitzeugen und Wissen-

Priester Jarosław ter Bender in dem von Fried- net dieses Buch Mrówczyński, stellver- helm Boll, Wiesław Wysocki den gemeinsamen tretender Generalse- kretär der polnischen und Klaus Ziemer herausge- Beitrag zivilgesell- Bischofskonferenz, betont die Bedeutung gebenen Sammelband „Ver- schaftlicher und des polnischen söhnung und Politik: Polnisch- politischer Akteure Bischofsbriefs für Versöhnungspolitik. deutsche Versöhnungsinitiati- nach. Im Juni ist

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schaftler debattierten dabei Bischöfe Polens mit seiner be- noch die ehemaligen deut- über den Zusammenhang zi- rühmten Schlussformel „Wir schen Ostgebiete als polnisches vilgesellschaftlicher Versöh- vergeben und bitten um Ver- Staatsgebiet anerkannt. „Der nungsinitiativen und die Ent- gebung“ veröffentlicht wurde. Dialog der Kirchen förderte ein spannungspolitik der 1960er Die Bedeutung dieses ersten gesellschaftliches Umdenken Jahre. Schrittes betonte auch Klaus zugunsten einer Aussöhnung“, Erzbischof Prof. Dr. Henryk Ziemer, Professor für Politik- so Ziemer: „Die Menschen wa- Muszyński erinnert sich noch wissenschaft. Damals wurde ren, wie Willy Brandt einst gut an diese Zeit, als 1965 der weder die deutsche Schuld ge- sagte, weiter als die Politiker.“ Hirtenbrief der katholischen genüber Polen thematisiert

W ande r ausstellun g „ W illy B r andt und P olen “ Wandel durch Annäherung

Mit seiner neuen Ostpolitik un- die Eröffnung der Wanderaus- EU-Poli- ter dem Motto „Wandel durch stellung „Willy Brandt und Po- tik an der Annäherung“ leitete Willy len“ am 15. Juni im Neuen Rat- Ostgrenze Brandt als deutscher Bundes- haus in Danzig. Danzigs Ober- Europas kanzler vor vierzig Jahren ei- bürgermeister Pawel Bogdan sowie ge- ne Wende in der deutschen Adamowicz machte Brandts genüber Außenpolitik ein. Ein beson- Rolle als Wegbereiter des ver- Zentrala- ders wichtiger Schritt für die einigten Europas deutlich. An- sien wer- deutsch-polnische Aussöhnung schließend betonte Angelica den.“ war damals die Unterzeich- Schwall-Düren, Ministerin für Die nächste nung des Warschauer Vertrags Bundesangelegenheiten, Eur- Station der und die damit verbundene An- opa und Medien in Nordrhein- Ausstellung erkennung der Oder-Neiße-Li- Westfalen, dass Brandt es ver- ist Breslau, nie als Westgrenze Polens. standen habe, eine vertiefte wo sie im Rahmen der Willi- Die Ausstellung wurde im Danziger Neuen 40 Jahre danach erinnert die Westintegration Deutschlands Brandt-Lesung am 7. Oktober Rathaus eröffnet. FES an diesen Meilenstein in mit einer Annäherung an die eröffnet wird. Danach wandern den polnisch-deutschen Bezie- östlichen Nachbarstaaten zu die 21 Tafeln am 7. Dezember hungen. Auftakt einer ganzen verbinden: „Heute kann die- zum Jahrestag des Warschauer Reihe von Veranstaltungen war se Politik zum Leitbild für die Vertrags in Polens Hauptstadt.

Deutsche Sozialdemokraten kondolieren in Warschau

Was als Beratungseinsatz zur Stärkung der grenzü- und SPD-Parteivorsitzende Björn Engholm, der Bun- berschreitenden Kooperation im Ostseeraum destagsabgeordnete Franz Thönnes, die Europaab- gedacht war, wurde zum Kondolenzbesuch: Die geordnete Ulrike Rodust, die Landtagsabgeordneten Warschau-Reise einer schleswig-holsteinischen Birte Pauls und Wolfgang Baasch sowie Landesge- SPD-Delegation am 13. und 14. April stand im Zei- schäftsführer Christian Kröning in die polnische chen des Flugzeugabsturzes von Smolensk, bei dem Hauptstadt. Dem Vorstand der sozialdemokra- nur wenige Tage zuvor der polnische Präsident und tischen Schwesterpartei SLD, die bei dem Unglück zahlreiche weitere Personen des öffentlichen Lebens zwei ihrer stellvertretenden Parteivorsitzenden ver- tödlich verunglückt waren. Angeführt vom Landes- loren hat, überreichte Ralf Stegner einen Kondo- und Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner reisten der lenzbrief Sigmar Gabriels sowie eine Beileidsbekun- frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident dung des FES-Geschäftsführers Roland Schmidt.

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polnis c h - deuts c he K onfe r enz in K atowi c e „Grüne Wirtschaft“ in Oberschlesien

Mit gut zwei Millionen Einwoh- Vertreter lokaler und regio- aus Recklinghausen, zeigte am nern in 14 Städten ist Schle- naler Verwaltungsstellen sowie Beispiel seiner Heimatregion sien Polens zweitgrößter Bal- Repräsentanten zahlreicher die Erfolge einer nachhaltigen lungsraum. Als Zentrum des NGOs. Von Seiten der wissen- Umgestaltung eines ehemals polnischen Bergbaus und der schaftlichen Experten wurden schwerindustriell geprägten Schwerindustrie hat Schlesien die im Report diagnostizierten Ballungsraumes auf. „Die Regi- mit ähnlichen Umwelt- und Umwelt- und Strukturprobleme on hat in der ökologischen In- Strukturproblemen zu kämp- der Region bestätigt und die dustriepolitik eine neue ökono- fen wie ehemals das Ruhrge- Notwendigkeit entscheidender mische Chance entdeckt.“ biet. Am 27. Mai veranstaltete Veränderungen unterstrichen. die FES deshalb eine polnisch- Einig wa- deutsche Konferenz in Katowi- ren sich die +++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + ce über die „Nachhaltige Ent- Fürsprecher wicklung der Metropolregion einer struk- + + + Wie haben sich Wahlkämpfe in den letzten Jah- Schlesien“. turellen und ren verändert? Wie treffen Wähler ihre Entscheidung? Diskussionsgrundlage der Ver- nachhaltigen Ob in Polen oder in Deutschland, mit diesen Fragen anstaltung war ein umfas- Entwicklung, müssen sich alle Politiker beschäftigen. Um voneinan- sender Bericht der Stiftung dass diese der und miteinander zu lernen, veranstaltete die FES Przestrzenie Dialogu (Räume nur einher- vom 2. bis zum 4. Juli eine Kommunalakademie in des Dialogs), der auf über 100 gehen könne Danzig. Dabei kamen die deutschen Trainer mit jun- Seiten die Chancen der Region mit der Idee gen Politikern des Bundes der Demokratischen Linken aufzeigt und analysiert. Über der „grünen aus der Region Pommern zusammen. Theoretische die Vorschläge der Autoren Stadt“. Frank Grundlagen, persönliche Gestaltung, Themenfindung, diskutierten in der Aula der Schwabe, Wege zur Öffentlichkeit, Finanzierung, Planung –das Universität Katowice Politiker, Bundestags- waren die zentralen Themen des Workshops. + + + Wissenschaftler, Journalisten, abgeordneter

V e r anstaltun g zum 6 5 . J ah r esta g des K r ie g sendes in E u r opa Schröder empfiehlt EU-Assoziierung Russlands

Mit einer deutsch-russischen schaft zwischen beiden Län- mit Nikolaj Schmeljow, Direktor Gedenkveranstaltung beging dern zu den heutigen engen des Europa-Instituts der Rus- die FES am 6. Mai den 65. Jah- Beziehungen. Dabei wurde es sischen Akademie der Wissen- restag des Endes des 2. Welt- mehrfach als ein „Wunder“ be- schaften, und Klaus von Beyme, krieges. Unter dem Motto „Von zeichnet, dass sich Russen und Politikwissenschaftler von der der Kapitulation zur Koope- Deutsche, die sich einst im blu- Universität Heidelberg, den ration: Deutschland, Russland tigsten Krieg der Geschichte Fragen von Moderator Dirk Sa- und Europa 65 Jahre nach dem gegenüberstanden, inzwischen ger, dem ehemaligen ZDF-Kor- Zweiten Weltkrieg“ schlugen so freundschaftlich begegnen. respondenten in Moskau. Altbundeskanzler Gerhard In der anschlie- Schröder und der Vorsitzende ßenden Podiums-

Gedenkveranstaltung des russischen Föderations- diskussion stellten bei guter Laune: Sergej rates Sergej Mironow den Bo- sich die beiden Po- Mironow, Peter Struck und Gerhard Schröder gen von der einstigen Feind- litiker gemeinsam

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Mironows Anliegen war es vor ziierung mit der EU enger an fachte Visaregelungen; aber allem, für eine neue europä- die europäischen Strukturen zu auch engere Kooperationen, ische Sicherheitsarchitektur zu binden. Eine volle EU-Mitglied- die die Sicherheitspolitik ein- werben, die der russische Prä- schaft sei mittelfristig zwar schließen, wäre nicht nur für sident Dmitri Medwedjew an- realistischerweise nicht zu er- die Modernisierung Russlands geregt hat. Man benötige etwas warten, das Partnerschafts- bedeutsam, so Schröder. Auch Neues, ohne die Auflösung von und Kooperationsabkommen, die EU könnte damit ihre glo- NATO und OSZE zu fordern. über das derzeit verhandelt bale politische und ökono- Bundeskanzler a. D. Gerhard wird, reiche jedoch nicht aus. mische Wettbewerbsfähigkeit Schröder sprach sich dafür Eine echte Assoziierung, die erhöhen. aus, Russland durch eine Asso- Handelsliberalisierung, verein-

1 0 - j ä h r i g e J ubil ä umsve r anstaltun g des „ P ete r sbu r g e r D ialo g “ Gemeinsamkeiten betonen

Auf die Gemeinsamkeiten der der Arbeitsgruppe Politik beim deutsch-russischen Geschich- 10. Petersburger Dialog. Be- te aufbauen und in die Zukunft sonders der neue Vorschlag denken – dieser Leitfaden zog eines institutionalisierten Si- sich durch den 10. Petersbur- cherheitsforums Russland-EU, ger Dialog, der vom 13. bis 15. das von EU-Außenkommissa- Juli parallel zu den deutsch- rin Ashton und dem russischen russischen Regierungskonsul- Außenminister Lavrov geleitet tationen in Jekaterinburg statt- werden soll, fand regen Zu- fand. Diese Veranstaltungsreihe spruch in der Runde der Ver- wird seit ihrer Gründung von treter aus Politik und Think- der FES und den anderen deut- Tanks der beiden Länder. schen politischen Stiftungen als Den in Russland vieldiskutier- eine zentrale Dialogplattform ten Ideen einer „wünschens- derungen auf den Gebieten der Im russischen Jekaterin- burg fand die zehnte der Zivilgesellschaften unter- werten Zukunft“ des präsi- Arbeitsmarktstrukturen und Runde des Petersburger Dialogs statt. (Foto: stützt. Die deutsch-russische dentennahen InSor-Instituts des demographischen Wan- Wikipedia/ Alpindustria Modernisierungspartnerschaft, folgend, die in der FES Berlin dels kann die soziale Partner- Tour) bereits 2008 im Petersburger am 2. März vorgestellt worden schaft im Inneren ein wichtiges Dialog beschlossen, entspricht waren, plädierten russische Element zur Bewältigung der diesem zukunftsorientierten Experten für eine engere wirt- künftigen Veränderungspro- Ansatz. Eine gesamteuropä- schaftspolitische Anbindung ih- zesse darstellen, ein Modell, ische Sicherheitsarchitektur res Landes an die EU, etwa in dessen Funktionieren Russland und deren mögliche Gestaltung Form einer Assoziierung. An- vor allem in Deutschland auf- war einer der Schwerpunkte gesichts ähnlicher Herausfor- merksam beobachtet.

E inbli c k in die aktuelle r ussis c he M ode r nisie r un g sdebatte „Die wünschenswerte Zukunft“

Das Szenariomodell für eine wird, wurde im Februar 2010 steht, veröffentlicht. Das Bay- wünschenswerte Zukunft Russ- vom Institut für moderne Ent- ernForum der FES hat diese lands, das im In- wie auch im wicklung (INSOR), das dem Modernisierungsdebatte im Ausland intensiv diskutiert russischen Präsidenten nahe- Juli in einer Veranstaltung mit

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dem renommierten russischen sei, stehe Medwedjews Präsi- haben. Diese „Repolitisierung“ Wissenschaftler Dr. Petr Fe- dentschaft vor der großen Her- stoße zwar auf Kritik und ru- dosov auch in München auf- ausforderung der Modernisie- fe Ängste vor einem Rückfall gegriffen. Fedosov stellte das rung des Landes. Der Verdienst ins „jelzinsche Chaos“ hervor, Papier in den Kontext der bis- des INSOR-Papiers sei es, den dennoch sei der politische Mo- herigen Reformbemühungen. oft wirtschaftszentrierten Mo- ment günstig, eine tatsächliche Während die Präsidentschaft dernisierungsdiskurs um eine Demokratisierung des Landes Putins in erster Linie der Sta- umfassende politische und so- voranzutreiben. bilisierung gewidmet gewesen ziale Dimension erweitert zu

Partnerschaft mit Russland in Europa Georgien, Kosovo, Gaslieferungen – das Spannungs- serten Beziehungen gesehen werden wie der Vor- potential im Verhältnis zwischen der EU und seinem schlag der EU, Russland zu einem strategischen größten Nachbarn im Osten erschöpft sich nicht in Partner zu machen. Dies waren die Vorzeichen für diesen Punkten. Und trotzdem ist derzeit vielfach den FES-Gesprächskreis „Partnerschaft mit Russ- von Aufbruch und einer Renaissance der Bezie- land in Europa“, der im April bereits zum 8. Mal, hungen zu hören. Präsident Medwedews Vorschlag erstmals in Brüssel, mit Experten und politischen einer Modernisierungspartnerschaft zwischen der Entscheidungsträgern aus Deutschland, Russland EU und Russland kann ebenso als Schritt zu verbes- und den EU-Institutionen stattfand.

g E M E I N S A M E r W o r shop von r U S S E N , E sten , L etten und L itaue r n Reflexionen im Spiegel des Anderen

„Bilder des Anderen – Baltische tät, der Daugavpils Universität Vorkriegsfieber. Man fürchtete Staaten und die Sowjetunion (Lettland), dem Institut für His- und wünschte sich gleichzeitig vor dem Zweiten Weltkrieg“, ist torisches Gedächtnis Estlands, einen finalen Krieg. Stimmen der Titel eines gemeinsamen der Staatsuniversität Vilnius nach der starken Hand fanden Projekts eines internationalen und den FES-Vertretungen in Gehör. Die drei unmittelbaren Teams von Historikern, An- den Baltischen Staaten und Nachbarn der Sowjetunion thropologen und Kulturwissen- Russland veranstaltet. beobachteten aus der territo- schaftlern. Ein erster Work- Nach dem Zusammenbruch rialen Nähe und der ideolo- Die Ostseestaaten in shop wurde am 19. April von des russischen Zarenreichs ge- gischen Ferne die Entwicklung der Zwischenkriegszeit (Karte: PUBLIX). der St. Petersburger Universi- wannen die drei baltischen Re- des stalinistischen Terrors. publiken 1918 zunächst ihre Das FES-Projekt ist ein Ver- Unabhängigkeit, verloren diese such, die Geschichte der Wahr- aber wieder im Sommer 1940 nehmung des politisch Ande- durch die Zwangsangliederung ren in der autoritären Periode an die Sowjetunion. Bereits An- der Baltischen Staaten zu ent- fang der 30er Jahre hatten sich wickeln und diese in die po- in allen drei ehemaligen De- litische Debatte einfließen zu mokratien autoritäre Regime lassen. Die Erwartungen an die etabliert. Ergebnisse dieses Projekts sind In der vom internationalen hoch, denn schon die ersten Forschungsteam analysierten Schritte zeigten Berührungs- Zeitperiode – ab 1934 bis zur ängste, die auf Vorurteile in Okkupation im Sommer 1940 den baltisch-russischen Ver- – befand sich Europa in einem hältnissen hinweisen. Ein pro-

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minentes Forschungsteam wird ßige Treffen einen selbstkriti- meh r zum thema durch den Forschungsprozess, schen Dialog unter Historikern ständige Kontakte, Meinungs- aus den vier Staaten systema- www.fes-baltic.lv austausch und durch regelmä- tisch entwickeln.

P r ojekt ü be r E r inne r un g sst r ate g ien zum H olo c aust Lettland: Spuren der eigenen Geschichte

Vor dem Zweiten Weltkrieg flo- Hochschule, die künftige Histo- Remembrance Strategies for rierte die jüdische Kultur in der riker für die Schulen ausbilden, Universities and Teachers“ ge- Stadt Rezekne im Süden Lett- wissen kaum etwas von der worden ist. Das Projekt ist eine lands und war Teil einer im- jüdischen Vergangenheit der Kombination aus interdiszip- mensen ethnischen und religi- Stadt. linären Studien mit Vorschlä- ösen Vielfalt. Lettgalier, Polen, Eine Gruppe junger Forscher gen für das Curriculum aller Letten, russische Altgläubige und Hochschuldozenten aus pädagogischen Fakultäten, die und jüdische Kleinhändler be- regionalen Universitäten und Historiker vorbereiten, und ei- fanden sich im dichtbesiedelten das Rezekne Institut für Regi- ner Debattenreihe mit jungen Südlettland im ständigen kultu- onale Studien (RALI) will nun Historikern und Lehrern für rellen Austausch. die Erinnerungen zurückge- Geschichte. Das Museum für regionale Lan- winnen und besonders für Erforscht werden mit Metho- deskunde von Rezekne aber künftige Geschichtslehrer das den der sozialen Anthropologie schweigt und zeigt keine Spu- beinahe verschwundene Erbe verschiedene Erinnerungs- und ren der Latgaler Juden in sei- der ethnischen Vielfalt erhal- Vergessensstrategien der Ein- nen Räumen, wo lettische und ten – das ist das Hauptziel der wohner der Latgale-Region zur latgalische Folklore und Bau- Initiative der Forscher, die mit Massenermordung der Juden ernkultur dargestellt wird. Unterstützung der FES zum während der Nazi-Okkupation. Sogar Dozenten der Rezekne- Projekt „Holocaust in Latgale:

Modellregion für die Welt? Wissenspartnerschaften, nachhaltiges soziales möglichst viele junge Menschen könne die Ostsee Wirtschaftswachstum, ein gemeinsamer Arbeits- Modellregion für die Welt werden. Ralf Stegner, markt und gemeinsame Ausbildungsinitiativen: Landes- und Fraktionsvorsitzender der SPD in Das sind die zentralen Themen einer sozialdemo- Schleswig-Holstein, unterstrich, dass vor allem eine kratischen Ostsee-Politik, auf die sich Politiker und gemeinsame Arbeitsmarktpolitik dabei von zen- Gewerkschafter aus den Ostseeanrainerstaaten traler Bedeutung sei. Helmut Uder vom DGB Bezirk Polen, Deutschland, Estland, Lettland, Litauen, Nord schlug deshalb vor, Ausbildungszentren zu Finnland, Dänemark und Schweden bei der von der gründen, an denen junge Menschen aus der Region FES veranstalteten Konferenz „Neues ökono- länderübergreifend zusammen ihr Handwerk misches Denken – Wirtschaftswachstum und sozi- erlernen. Der polnische SLD-Politiker Jaroslaw ale Sicherheit rund um die Ostsee“ am 15. April in Szczukowski hält besonders eine engere Zusam- Vilnius einigten. menarbeit im Bereich Tourismus für notwendig. Björn Engholm, ehemaliger Ministerpräsident von Gemeinsam müsse ein nachhaltiges Konzept entwi- Schleswig-Holstein, brachte es auf den Punkt: „Die ckelt werden, das einen „grünen“ Tourismus förde- Überwindung des Wohlstandsgefälles in der Region re. Auch ein abgestimmter Handel mit Energie sei ist gegenwärtig die größte Herausforderung.“ Mit zwischen den Ländern notwendig, um mehr Ener- erstklassiger Bildung, hochwertiger Berufsausbil- gieunabhängigkeit zu schaffen, sagte MdB Franz dung und der Öffnung der Hochschulbildung für Thönnes.

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U k r aine Reform des Energiesektors überfällig

Die Ukraine kann ihren Ener- bare Energien gefördert wer- Kooperation der Ukraine mit giebedarf nicht aus heimischen den. Mehr Effizienz in der Ener- Russland vorsehen und auf fos- Quellen decken. Der Import giewirtschaft würde auch den sile Brennstoffe sowie Atom- teurer Energieträger aus Russ- Transitkonflikt mit Russland energie setzen. Diese Verträge land belastet den Staatshaus- entschärfen. Diesen Problemla- eröffnen der ukrainischen Re- halt und die dringend notwen- gen widmeten sich die erstmals gierung Handlungsspielraum dige Reform des intranspa- auch von der FES unterstützten durch die 30%ige Senkung des renten Energiesektors ist in den fünften Kiewer Gespräche deut- Gaspreises und eine Entlastung Jahren der orangenen Revolu- scher und ukrainischer NGO- des ukrainischen Haushalts um tion nicht zustande gekommen. Vertreter Ende April in Berlin. ca. € 40 Mrd. jährlich, kon- Unrentable Kohleminen müss- Einen breiten Raum in den Dis- terkarieren jedoch die Bemü- ten geschlossen, die Korruption kussionen nahmen die aktu- hungen um Unabhängigkeit im eingedämmt, der Energiever- ellen Charkower Verträge ein, Energiebereich, so die Diskussi- brauch reduziert und erneuer- die eine enge energiepolitische onsteilnehmer.

+++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + K U R Z G EFASST +++ FES + + +

+ + + Im Rahmen einer Reise in die Republik Bela- Konferenz standen die gegenwärtige politische Krise rus, besuchte der brandenburgische Ministerpräsi- in Moldawien und dessen Bemühungen um Erleich- dent Matthias Platzeck auch das Büro der FES in terung der Visa-Bestimmungen. + + + Minsk. Ursula Koch-Laugwitz, Leiterin des FES- Regionalbüros in der Ukraine und Belarus, und + + + Die Ukraine ist zusammen mit Polen Gastge- Alexander Petrachkov, Büroleiter in Minsk, infor- ber der Fußball-Europameisterschaft 2012 und mierten das FES-Vorstandsmitglied über die gesell- möchte dieses sportliche Großereignis nutzen, um schaftspolitsche Situation in dem Land. + + + die Zugehörigkeit zur europäischen Wertegemein- schaft zu demonstrieren. Das FES-Büro in Kiew ini- + + + Moldawien und Rumänien sind Nachbarstaa- tiierte im Rahmen des Projekts „EURO-2012: durch ten der Ukraine. Neben einer Reihe politischer Pro- Toleranz im Sport zur Toleranz in der Gesell- bleme birgt die Nachbarschaft auch Chancen der schaft“ Foren mit Beteiligung staatlicher Institutio- Zusammenarbeit, gemeinsame wirtschaftliche und nen und Bürgerinitiativen. Das erste Forum fand im soziale Projekte und interkulturellen Austausch. Juni in Kharkiv, einer von vier ukrainischen EM- Experten und Entscheidungsträger aus den drei Städten, statt. Bekannte Sportler, Vertreter von Ländern diskutierten am 25. Juni praktische Fußballfanvereinen und Studenten zeigten viel Schritte zur Förderung der Zusammenarbeit im Engagement gegen Gewalt und Randale und ent- Rahmen einer FES- Konferenz in Odessa. + + + wickelten Ideen für Aktionen mit den Fans. + + +

+ + + Mit großem Engagement arbeitet die neue + + + Manager und Personalchefs von georgischen Regierung Moldawiens seit einem Jahr an einer Ver- Unternehmen sowie Gewerkschafter nahmen vom 7. tiefung der Beziehungen zur EU. Im April waren bis 20. Juni in Tiflis an einem von der FES organisier- der Vorsitzende und Präsidentschaftskandidat der ten Training zu Tarifverhandlungen und Sozialem Demokratischen Partei, Marian Lupu, und der stell- Dialog teil. In einem Planspiel wurden Strategien von vertretende Vorsitzende des außenpolitischen Aus- Tarifverhandlungen eingeübt. Das Projekt wurde schusses des Parlaments, Igor Corman, vom Euro- mit dem georgischen Gewerkschaftsdachverband pabüro der FES zu Gesprächen nach Brüssel einge- und der Georgischen Arbeitgebervereinigung durch- laden. In deren Zentrum sowie der abschließenden geführt und von der EU unterstützt. + + +

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F E S und V e r . di helfen bei de r G r ü ndun g neue r M edien g ewe r ks c haft Für mehr Meinungsfreiheit in Georgien

Als eines der arbeitnehmer- tischen Zensur Tür und Tor ge- ganisation von Medienschaf- feindlichsten Gesetze der Welt öffnet. Georgien steht deshalb fenden in Georgien entwickelt. gilt das im Jahr 2006 in Geor- wegen fehlender Meinungs- Darüber hinaus wurde ein gien verabschiedete Arbeits- und Medienfreiheit in der Kri- Gründungsdokument für eine gesetz. Es ermöglicht dem Ar- tik. Bislang gab es keine Ge- Mediengewerkschaft verab- beitgeber, ohne Nennung von werkschaft, die die Interessen schiedet. Am 18. Juli war es Gründen fristlose Kündigungen von Medienschaffenden vertre- dann soweit. Die Georgische auszusprechen. Ein ausdrück- ten hätte. Mediengewerkschaft wurde liches Recht auf gewerkschaft- Um diesen Missständen zu be- aus der Taufe gehoben. Ein Bei einem Trainingskurs von FES und Ver.di liche Mitbestimmung, Reprä- gegnen, unterstützt die FES Vorstand wurde gewählt und wurden die Grundla- sentation und Kollektivver- seit 2009 den Aufbau einer Me- ein Aktionsplan für die ersten gen für die neue Me- diengewerkschaft handlungen sieht das Gesetz diengewerkschaft in dem Kau- Monate verabschiedet. Georgiens gelegt. nicht vor. Selbst dort, wo es kasusstaat. Zunächst gründete eine gewerkschaftliche Interes- sich eine Initiativgruppe von senvertretung im Betrieb gibt, Journalistinnen und Journa- kann der Arbeitgeber sie igno- listen, die im ganzen Land um rieren. Besonders hart trifft Unterstützung für die Gewerk- dieses Gesetz die Beschäftigten schaftsgründung warb. Mitte des Mediensektors, der über- Mai 2010 fand dann ein vom durchschnittlich von prekären georgischen Gewerkschafts- Beschäftigungsverhältnissen verband, der FES und Ver.di und unfairen Arbeitsbedin- organisiertes Training für die gungen geprägt ist. Durch den Mitglieder der Initiativgruppe fehlenden Kündigungsschutz statt. Dabei wurden Strategien von Journalisten wird der poli- für die gewerkschaftliche Or-

Armenien: NGO-Netzwerk zur Östlichen Partnerschaft

Nachdem Armenien im Jahr 2004 bereits in die so die meisten der dort anwesenden Personen ihre genannte Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) eigene politische Meinung und verfügen weder über aufgenommen wurde, ist es seit 2009 auch Partner- ein Mandat noch über eine mit anderen NGOs abge- land der EU im Rahmen der Östlichen Partnerschaft. stimmte Position. Um diesem Defizit entgegenzuwir- Damit möchte die EU ihre Beziehungen zur Ukraine, ken, wurde am 7. Juni mit Unterstützung der FES die Belarus, Moldawien, Georgien, Armenien und Aser- „National Platform of the Eastern Partnership Civil baidschan vertiefen. Insbesondere in den Bereichen Society Forum“ in Armenien gegründet. Dieses lan- Handel, Energiesicherheit, Inneres und Justiz soll desweite Netzwerk vereint über 140 armenische enger zusammengearbeitet werden. Unter anderem Nicht-Regierungsorganisationen, um damit der wird über Freihandelsabkommen und Visaerleich- armenischen Zivilgesellschaft ein größeres Mitspra- terungen diskutiert. Anders als die Europäische cherecht bei der Ausgestaltung der Östlichen Part- Nachbarschaftspolitik bietet die Östliche Partner- nerschaft zu sichern. Die Gründung dieses Netz- schaft verstärkt Möglichkeiten für zivilgesellschaft- werkes hat Vorbildcharakter auch für andere Part- liche Beteiligung. So treffen sich alle sechs Monate nerländer. So wurde im benachbarten Aserbaidschan NGO-Vertreter aus den sechs Partnerländern, um bereits ein ähnliches Projekt in Angriff genommen – gemeinsame Positionen zu finden. Jedoch vertreten ebenfalls mit Unterstützung der FES.

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D e r D onau r aum Sollbruchstelle oder künftiger Integrationsraum?

Die Donau, der längste Fluss wirtschaftliche Kooperations- infrastrukturellen und kultu- der Europäischen Union, ver- potential zu nutzen. Denn noch rellen Integration des Donau- bindet oder trennt zehn Län- ist der Donauraum nicht nur raums beitragen. Die Integra- der, 16 ethnische Gruppen und politisch, ethnisch, sprachlich tion soll also eher von unten fast ebenso viele Sprachen, und kulturell, sondern auch nach oben verlaufen als von fünf Glaubensbekenntnisse und wirtschaftlich eine äußerst he- oben nach unten angeordnet zwei Schriftsysteme. In der terogene Region. Das Entwick- werden. Vergangenheit war die Region lungsgefälle von Nord nach Über die bisherigen Erfah- Schauplatz immer wieder auf- Südost ist nicht zu übersehen; rungen mit der Donaustrate- brechender Konflikte – von den die Prokopfeinkommen der gie, den zu erwartenden wirt- osmanischen Eroberungen bis reichsten Anrainerregionen schaftlichen Nutzen sowie die zu den Jugoslawienkriegen des (Baden-Württemberg und Bay- ökologische und kulturelle 20. Jahrhunderts. Mit der Aus- ern) stehen zu dem der ärms- Dimension der Integration weitung der EU in den Donau- ten (in Bulgarien und der Uk- diskutierten Politiker, Unter- raum hinein, die sich mit den raine) in einem Verhältnis von nehmensvertreter und Exper- Beitritten Österreichs (1995), mehr als zehn zu eins. ten aus Serbien, Deutschland, Ungarns und der Slowakei Daher hat die EU eine „Do- Österreich, Ungarn, Kroatien (2004), Rumäniens und Bulga- naustrategie“ aufgelegt, aller- und der Slowakei am 7. Mai riens (2007) sowie der Länder dings ohne hierfür eine neue auf einer Konferenz der FES, Institution zu der Europäischen Bewegung schaffen oder Serbiens sowie der serbischen spezielle Mittel Wirtschaftskammer in Belgrad. bereitzustellen. Dabei wurde eins deutlich: Der Diese Strate- Donauraum wird nicht mehr gie beinhaltet die „Sollbruchstelle“ Euro- im Kern nicht pas sein – zwischen Ost- und mehr als einen Westrom, Orient und Okzident, Aufruf an die dem Habsburger und dem Os- Anrainerstaa- manischen Reich, dem Ostblock (Karte: Wikipedia/Ulrich) ten, -regionen und dem Westen –, sondern in des westlichen vollzog und -gemeinden, einen Teil der seiner Vielfalt den Facetten- bzw. vollziehen wird, erhal- EU-Mittel, die sie ohnehin be- reichtum eines friedlichen und ten die Bewohner der Region ziehen, in Projekte zu investie- kooperativ verbundenen Euro- nun erstmals die Chance, das ren, die zur wirtschaftlichen, pa widerspiegeln.

1 0 J ah r e I g man -I nitiative Ein Schritt auf dem Wege der Versöhnung

Im Bosnienkrieg lagen auf dem zerstörte. Heute steht „Igman“ Die Igman-Initiative, die von Berg Igman Stellungen der für eine zivilgesellschaftliche der FES seit vielen Jahren un- bosnisch-serbischen Armee, Initiative, die die Brücken zwi- terstützt wird, brachte immer die Sarajevo fast vier Jahre schen den im Krieg miteinan- wieder Bürger und Politiker lang belagerte und deren Ar- der konfrontierten Nationen aus Bosnien, Serbien, Kroa- tillerie die Stadt weitgehend wieder aufzubauen versucht. tien und (seit 2006) Montene-

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gro zusammen und baute da- söhnung auf dem westlichen mit wieder Kontakte auf, die Balkan. im Krieg abgerissen waren. Haris Silajdzjc (Bosnien), Boris Die Arbeit der Igman-Initia- Tadic (Serbien), Ivo Josipovic tive wurde am 29. Mai, dem (Kroatien) und Filip Vujano- zehnten Jahrestag der Initiati- vic (Montenegro) betonten die ve, durch die Anwesenheit der Notwendigkeit der Wieder- Präsidenten Bosniens, Serbi- herstellung wechselseitigen ens, Kroatiens und Montene- Vertrauens. Sie hoben die Per- gros offiziell anerkannt. Damit spektive einer gemeinsamen war das Treffen der Igman- Zukunft aller vier Länder in Initiative wie die Srebrenica- der Europäischen Union her- Erklärung des serbischen Par- vor. Insofern richtete sich die so Boris Tadic, hätte für die Wichtige Schritte zur Wiederherstellung des laments vom April ein weiterer Botschaft auch an die EU: Ein Bürger des westlichen Balkans Vertrauens: Die Staats- Schritt auf dem Wege der Ver- Abbruch der EU-Erweiterung, tragische Konsequenzen. präsidenten des westli- chen Balkans am zehn- ten Jahrestag der Igman-Initiative. K osovo Vision der Mitgliedschaft

Das Kosovo teilt wie die ande- EU im Kosovo. Vor diesem Hin- Hannes Swoboda, Vizepräsi- ren Staaten im westlichen Bal- tergrund hatte das Europabüro dent der Fraktion der progres- kan die Perspektive, in nicht der FES den kosovarischen Mi- siven Allianz der Sozialisten. näher bestimmter Zukunft Mit- nister für Europäische Integra- In der Diskussion wurden die glied der EU zu werden. Im tion Besim Beqaj nach Brüssel Öffnung des Schengenraums Vergleich zu den unterzeichne- eingeladen. Während einer Ex- für einige Länder in der Region ten Stabilisierungs- und Assozi- pertenrunde wurden die EU- und die Aussicht auf Visalibe- ationsabkommen seiner Nach- Kosovo-Beziehungen und die ralisierung für das Kosovos be- barstaaten mit der EU hinkt Mitgliedschaftsperspektive dis- grüßt. In Bezug auf die Nicht- das Kosovo dennoch hinterher. kutiert. Die Sicht der EU wurde anerkennung des Kosovo durch Die Uneinigkeit der Mitglieds- vorgebracht u. a. von der ös- Serbien sollte ein „modus vi- staaten zur Statusfrage und terreichischen Europaabgeord- vendi“ gefunden werden, damit zur einseitigen Unabhängig- neten Ulrike Lunacek, EU-Be- der Integrationsprozess beider keitserklärung erschwert ein richterstatterin für das Kosovo, Länder nicht weiter hinausge- einheitliches Engagement der und dem Europaabgeordneten zögert wird.

+++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + K U R Z G EFASST +++ FES + + + + + + Nach dem Einzug der offen rechtsextremisti- muss aus den zurückliegenden Parlamentswahlen schen Jobbik-Partei in das ungarische Parlament in Ungarn, Tschechien und der Slowakei gezogen sowie zunehmend rechtsextremen Tendenzen in den werden. Der Denkzettel der Wähler ist aber auch Ländern Mittel- und Osteuropas (MOE) hat die FES- eine Chance zur Erneuerung. Tatkräftige Unterstüt- Budapest die Frage „Was tun?“ in den Fokus der zung können dabei politische Stiftungen der Region Betrachtungen gerückt. Eine Arbeitsgemeinschaft leisten. Bisher existierten zwischen ihnen allerdings von Experten aus Deutschland sowie sechs MOE- weder ein grenzüberschreitender Dialog noch per- Staaten hat in Budapest eine Analyse der Strategien sönliche Kontakte. Daher hat die FES-Budapest erst- gegen „rechts“ geliefert. + + + mals sozialdemokratische Think-Tanks aus Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei zu einem Work- + + + Die soziale Demokratie in Mittel- und Osteu- shop in die ungarische Hauptstadt eingeladen. Mehr ropa steht an einem Scheideweg – diese Erkenntnis zum Thema: www.fesbp.hu + + +

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FES-Expertendiskussion zum Rechtspopulismus in Schwere Schäden des Europa politischen Spektrums

D as sta r ke A bs c hneiden r e c htspopulistis c he r Pa r teien bei den E u r opawahlen 2 0 0 9 sowie deren Wahlerfolge bei nationalen Wahlen in ganz Europa, wie zuletzt in den Niederlanden und Ungarn, zeigen deutlich, dass der Rechtspopulismus in Europa eine neue Qualität erreicht hat. Laut einer Emnid-Umfrage aus dem Juli 2010, können sich auch in Deutschland 20 Prozent der Befragten vorstellen, eine Partei rechts von der CDU zu wählen.

Wie einflussreich sind rechts- Seine vergleichende Studie zu radoxerweise nationalistische populistische Parteien tatsäch- „Rechtspopulismus in Europa“ und rechtsautoritär-antielitäre lich und welche Herausforde- stellte der Politikwissenschaft- Einstellungen mit einer »links« rungen ergeben sich daraus ler Werner T. Bauer von der orientierten Wirtschafts- und für liberale Demokratien? Mit Österreichischen Gesellschaft Sozialpolitik, die nicht selten dieser Frage beschäftigte sich für Politikberatung und Politik- mit einer Nostalgie der kom- die Expertendiskussion der entwicklung (ÖGPP) vor. Diese munistischen Sozialordnung FES über „Rechtspopulismus in von der Internationalen Poli- verbunden ist. Er drückt eine Europa“ am 17. Juni im Paul- tikanalyse der FES veröffent- grundsätzliche Enttäuschung Löbe-Haus des Deutschen Bun- lichte Studie hebt hervor, dass über die unerfüllten Verspre- destages. rechtspopulistische Parteien chen des demokratischen Sys- ihrem Wesen nach tems und ein Misstrauen gegen ablehnend und oppo- die neue Elite aus. sitionell sind. Daher Die Vorstellung der Studie werden sie bei der wurde durch eine Analyse der Einbindung in Macht Wahlergebnisse rechtspopulis- und Verantwortung tischer Parteien bei den Parla- regelmäßig und mentswahlen in den Niederlan- rasch entzaubert. den durch Koen Vossen von der Doch was bleibt, ist Universität Leiden ergänzt. das vergiftete gesell- schaftliche Klima, sind die Tabubrü- meh r zum thema che, die immer noch weiter ausgedehnt Die Studie „Rechtspopulismus werden können. Der in Europa – Vergängliches einmal angerichtete Phänomen oder auf dem Weg Schaden, eine Ver- zum politischen Mainstream?“ schiebung des poli- von Werner T. Bauer ist im In- tischen Spektrums, ternet unter http://library.fes. ist nicht so einfach de/pdf-files/id/ipa/07293.pdf reparabel. abrufbar. Der osteuropäische

Wahlen zum Europäischen Parlament 2009: Stimmenanteile Populismus verbin- Mehr unter: www.fes-gegen- für rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien det, so der Autor, pa- rechtsextremismus.de

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F E S f ö r de r t jun g e L inke in I s r ael Politik – ja, bitte!

Die politische Linke in Israel Angriff zu nehmen. Viele junge shipkurs ausgewählt. Bei der

befindet sich in einer schweren Linke sehen inzwischen nicht Auswahl wurden säkulare wie Unter dem Titel „Poli- Krise. Bei den Knesset-Wahlen mehr in der Arbeitspartei und religiöse, Frauen und Männer, tikvah“ – im Hebrä- ischen eine Synthese im Februar 2009 haben die so- ihre politischen Vertre- israelische Araber wie auch aus den Wörtern Politik und Hoffnung – fand zialdemokratische Arbeitspar- ter, sondern in der von Tzipi russischstämmige Israelis be- eine Workshopreihe tei und die links-liberale Me- Livni geführten Kadima-Partei. rücksichtigt, sodass eine Zu- statt, in der intensiv über die Zukunft der retz dramatische Niederlagen Diese vertritt zwar konsequent sammensetzung entstand, in Linken in Israel debat- tiert wurde. Teil des hinnehmen müssen. Nach der die Zwei-Staaten-Lösung ge- der sich die große Heterogeni- Kurses war auch eine Entscheidung, in die von Benja- genüber den Palästinensern, tät des Einwanderungslandes Exkursion in ein Bedui- nendorf in der Negev- min Netanyahu geführte rechte ist in sozial- und wirtschafts- Israel widerspiegelt. Wüste. Regierungskoalition einzutre- politischen Fragen jedoch eher ten, setzte sich die politische als Mitte-rechts-Partei einzu- Talfahrt der von Ehud Barak stufen. geführten Arbeitspartei fort. Vor diesem Hintergrund hat Begleitet wird diese Entwick- sich das FES-Büro Israel ge- lung von heftigen innerpartei- meinsam mit der israelischen lichen Debatten. Während das Partnerorganisation, der Berl- Lager um Parteichef Barak den Katznelson-Foundation, ent- Kurs der Regierungsbeteili- schlossen, langfristig linke gung verteidigt, fordern seine Führungskräfte im Alter von Opponenten den Gang in die 22 bis 32 Jahren auszubilden. Opposition, um von dort die Unter mehr als 100 Bewerbern programmatische und perso- wurden 30 Teilnehmer für ei- nelle Erneuerung der Partei in nen fünfmonatigen Leader-

L inke P olitike r aus I s r ael und D euts c hland diskutie r en ü be r die Z ukunft ih r e r Pa r teien Politikentwürfe über die Grenzen hinweg

Zahlreich waren die Vertreter fordern, sowie Chaim Oron, der über – an kontroversen An- israelischer Mitte-links Par- Vorsitzende von Meretz. sichten fehlte es also nicht. Da- teien der Einladung der FES Unter den Gästen der zwei- für sorgten auch Vertreter isra- gefolgt, um im Rahmen eines tägigen Konferenz über „In- elischer NRO wie „Peace Now“ deutsch-israelischen Dialogs nen- und außenpolitische Her- und „Peres Center for Peace“ Gemeinsamkeiten und Un- ausforderungen linker Politik sowie des Gewerkschaftsver- terschiede auszuloten. Pro- in Deutschland und Israel“ bandes Histadrut. minenteste Mitglieder der is- befanden sich überdies sechs In ihrer Eröffnungsrede äu- raelischen Delegation waren Knesset-Mitglieder und weitere ßerte sich SPD-Generalsekretä- Sozialminister Isaac Herzog, Vertreter der Arbeitspartei, rin Andrea Nahles bedauernd der vielen als neue Hoffnung Meretz, Kadima und der Green über die Schwäche der israe- der israelischen Arbeitspartei Movement Party. Obgleich sich lischen Linken: „Eine zerstrit- gilt und der angekündigt hat, alle dem Mitte-links Spektrum tene Linke kann nicht für Ge- Ehud Barak bei den nächsten zuordnen, saßen sich am Kon- rechtigkeit sorgen.“ Auch die parteiinternen Wahlen als Vor- ferenztisch Oppositionsparteien deutsche Linke befinde sich in sitzenden der Partei herauszu- und Regierungspartei gegen- einem profunden Erneuerungs-

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prozess, der, obgleich mühsam, und deutsche Teilnehmer glei- ten Jahre versäumt, gemein- auch Anlass zu Zuversicht gebe chermaßen. Zum Abschluss der same Politikentwürfe über die und bereits erste Früchte tra- Konferenz appellierte Staats- Grenzen des Nationalstaats ge. Die Sorge über die wach- sekretär a. D., Walter Kolbow, hinweg zu formulieren. Eine sende Ungleichheit und zuneh- an die Teilnehmer, die Debatte Wiederbelebung der Sozialis- mende Spaltung innerhalb der weiterhin aufrechtzuerhalten: tischen Internationale ist drin- Gesellschaft teilten israelische „Die Linke hat es über die letz- gend geboten.“

Israel: Auswirkungen des OECD-Beitritts

Am 27. Mai 2010 wurde Israel nach langen Bei- des Standortes Israel. Arbeitnehmerrechte sind von trittsverhandlungen als 31. Mitgliedsstaat in die dieser Entwicklung besonders betroffen und so Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit wurde im Rahmen des Workshops die Vernetzung und Entwicklung (OECD) aufgenommen. Um sich der Histadrut innerhalb der TUAC diskutiert. mit den Auswirkungen des OECD-Beitritts auf die Der OECD-Beitritt Israels könnte positive Auswir- Gewerkschaftsarbeit auseinanderzusetzen, orga- kungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen nisierte die FES zusammen mit dem Gewerkschafts- von Arbeitnehmern haben. Die Armutsquote ist in dachverband Histadrut und dem gewerkschaft- Israel fast doppelt so hoch wie im OECD-Durch- lichen Beratungsausschuss bei der OECD für schnitt. Viele Menschen leben unterhalb der Arbeitnehmerfragen (TUAC) einen Workshop. Armutsgrenze, obwohl sie eine Arbeit haben. Die- Die israelische Politik und Wirtschaft erhoffen sich ser Umstand kann von der Histadrut als Druckmit- durch die OECD-Mitgliedschaft Impulse für Wirt- tel in der politischen Auseinandersetzung für eine schaftswachstum und neue Investitionen. Denn die Anhebung des gesetzlich festgelegten Mindestlohns Mitgliedschaft in der OECD bedeutet einerseits ein genutzt werden. Denn die OECD fordert von ihrem Mitspracherecht bei der Setzung internationaler neuen Mitgliedsstaat Israel, bis 2012 die Armut und Standards und anderseits gesteigerte Attraktivität die Arbeitslosigkeit zu reduzieren.

g E S A N D T E r des N ahost q ua r tetts T ony B lai r bei de r F E S Face the Public

Nach drei Jahren der Blocka- Gazas und internationalen so- mehr unter „einem Mangel an de des Gazastreifens hegt der wie palästinensischen Ent- Freiheit“ als an einem „Man- Sonderbeauftragte des Nahost- scheidungsträgern stärken und gel an Lebensmitteln“ litten. quartetts Tony Blair begründe- dafür sorgen, dass die Bedürf- Blair forderte die Mitwirkung te Hoffnung auf eine Erleich- nisse der Bevölkerung Gazas in der Palästinenser, um den Mo- terung des Warenverkehrs die Politikgestaltung einfließen. ment für echten Fortschritt zu zwischen Israel und dem pa- Blair machte als nächsten po- nutzen. Nur sie selbst könnten lästinensischen Küstenstreifen. litischen Schritt die nationale die politische Einigung von Fa- Am 22. Juni diskutierte er auf Versöhnung aus. „Wir brau- tah und Hamas herbeiführen, Einladung der FES die neues- chen einen starken, vitalen die Grundlage für den weiteren ten Entwicklungen per Video- Ruck in Richtung palästinen- Fortschritt der Friedensver- konferenz mit Vertretern der sischer Staatlichkeit”, sagte handlungen mit Israel sei. Zivilgesellschaft im Gazastrei- Blair. In zahl- fen. „Face the Public“, eine Ver- reichen Wortmel- Tony Blair mit Michael Bröning, Leiter des anstaltungsreihe der FES Ost- dungen beklagten Büros der FES in Ost- Jerusalem bei der Dis- Jerusalem und ihres Partners insbesondere jun- kussion im Büro des PalThink, will die Verbindung ge Konferenzteil- Nahostquartetts in Jerusalem (Foto: FES) zwischen der Zivilgesellschaft nehmer, dass sie

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S ieben deuts c he P olitike r in I s r ael und den Pal ä stinensis c hen g E B I E T E N Blockadepolitik und Tunnelwirtschaft

“To see is to believe”-������� Unter der United Nations Relief and seine Darstellung der Inter-

diesem Motto stand der Be- Works Agency (UNRWA) fand essengemengelage innerhalb Thomas Oppermann, such einer deutschen Parla- eine Besichtigung von UNRWA- des Gazastreifens, wo einzel- Erster Parlamenta- rischer Geschäftsführer mentarierdelegation, die Mitte Projekten im Gazastreifen statt. ne Gruppen an der Blockade der SPD-Bundestags- fraktion, beim Besuch April Israel und die Palästinen- Beim Treffen mit Mitgliedern durch Israel verdienten und einer UNRWA-Jungen- sischen Gebiete bereiste. In Je- des Palästinensischen Legislati- deshalb gegen deren Aufhe- schule im Gazastreifen (Foto: FES Ost-Jerusa- rusalem, Ramallah und Gaza- vrats der informierte sich bung wirkten. lem) Stadt informierten sich die Mit- die Delegation über die schwie- glieder des Bundestags Thomas rige Lage der Fatah und ihre Oppermann, Christian Lange, Rivalität mit der dort de facto Carola Reimann, Eva Högl, Mi- regierenden Hamas. chael Hartmann sowie die ehe- Omar Shaban, Gründer und malige Abgeordnete Kerstin Direktor des FES-Partners Griese und David Gill über die Palthink for Strategic Studies, Lage in den besetzten Gebie- vertiefte die Analyse der wirt- ten. Beeindruckt zeigte sich die schaftlichen Konsequenzen aus Delegation vom Gespräch mit Blockade und Tunnelwirtschaft Mustafa Barghouthi, Generalse- und ihrer Folgen für das poli- kretär der Al-Mubadara-Partei. tische System im Gazastreifen. Mit logistischer Unterstützung Starken Eindruck hinterließ g E S P r ä c hsk r eis de r F E S - B r ü ssel Die Rolle der EU im Irak Zum zweiten Mal seit der ame- geringer geworden, die Vertei- staatlicher Strukturen im Irak rikanischen Invasion 2003 fan- lung der Öleinkünfte ist ebenso gesteckt. Die Erfolge sind aus den im März 2010 Parlaments- ungeklärt wie die inländischen der Distanz aber nur schwer wahlen im Irak statt. Im Ver- Grenzen in einem möglichen fö- erkennbar. Die FES-Brüssel lud gleich zum ersten Wahlgang deralen Staatsmodell. Und zeit- daher zwei irakische Experten vor etwas mehr als vier Jahren gleich läuft außerdem der ame- aus dem kurdischen Norden wurde diesen Wahlen eine wohl rikanische Truppenabzug auf und dem arabischen Süden zu noch größere Bedeutung bei- Hochtouren. einem Gesprächskreis ein, um gemessen, steht der Irak doch Als einer der größten Geber in Brüssel die Rolle der EU und vor extrem großen Heraus- hat die EU in den vergangenen zukünftige Strategien zur Stabi- forderungen: die ethnischen Jahren sehr viel Geld in den lisierung des Landes zu disku- Spannungen sind keineswegs Wiederaufbau und den Ausbau tieren. Die EU tue nach Ansicht der Teilnehmer gut daran, vor +++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + K U R Z allem auch den Kontakt auf zi- + + + , Vorsitzender der Fraktion der Progressiven Alli- vilgesellschaftlicher Ebene wei- anz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, informierte ter auszubauen. Insgesamt kä- sich am 23. Juni bei der FES in Ost-Jerusalem über die jüngsten poli- me es darauf an, eine langfris- tischen Entwicklungen in der Region. Anschließend brachte ihn die tige Strategie zu entwickeln, die FES zu einem Runden Tisch mit palästinensischen Regierungsver- Möglichkeiten und Grenzen des tretern in Ramallah zusammen. Teilnehmer waren u. a. Nabil Shaath, EU-Engagements realistisch der Vorsitzende der Fatah Foreign Relations Commission, Leila Ghan- berücksichtige. nam, Gouverneurin von Ramallah und Al-Bireh, und Ghassan Al-Kha- tib, Sprecher der Palästinensischen Regierung. + + +

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J emen 50 Jahre Rückschritt oder 20 Jahre Fortschritt?

Nicht nur in Deutschland wird und hatte niemals auch nur an- diskutieren. Der Andrang war 2010 der zwanzigste Jahres- nähernd die finanziellen Mög- enorm. Mit viel Emotionalität tag der Einheit gefeiert. Auch lichkeiten, die Deutschland schilderten einige Teilnehmer, im Jemen jährt sich die staat- für die Überwindung der Fol- wie sie sich als Bürger zweiter liche Einheit zum zwanzigsten gen der Teilung zur Verfügung Klasse in ihrem Land fühlen. Mal. Am 22. Mai 1990 schloss standen. Im Süden des Landes Lukrative Ländereien im Sü- sich der ehemals sozialistische werden zunehmend Rufe nach den seien auf undurchsichtige Südjemen mit dem traditionell Autonomie, besseren Lebensbe- Weise an einflussreiche Vertre- ausgerichteten Nordjemen zu- dingungen bis hin zur erneuten ter des Nordens gegangen und sammen. Der Jemen ist eines Abspaltung laut. In der Bevöl- bei Personalentscheidungen der ärmsten Länder der Welt kerung hat sich viel Unmut an- würden Nordjemeniten bevor- gestaut und Lösungen für die zugt. Insbesondere die Lage zahlreichen Probleme werden der Frauen im Süden, die zu erwartet. Um die Gemeinsam- sozialistischen Zeiten weitge- keiten und Unterschiede der hende Freiheiten und Gleich- Einigungsprozesse zu erörtern, berechtigung genossen hätten, lud die FES Vertreter von Poli- habe sich nach 1990 unter dem tik, Wissenschaft und Medien Einfluss des konservativen Nor- sowie Bürgerinnen und Bürger dens verschlechtert. Eine An- in Aden, der ehemaligen Haupt- wältin und Frauenaktivistin: stadt des Südjemens, dazu ein, „Die Einheit hat die Frauen im mit Günter Gloser, Mitglied des Südjemen um 50 Jahre zurück- Deutschen Bundestages, zu geworfen.“

I ndonesis c he P r ovinz A c eh Gewerkschaftliche Solidarität trägt Früchte

Nach dem verheerenden Tsuna- großer Teil der Tsunami-Spen- tere community centers in an- mi im Dezember 2004, der vor den deutscher Arbeitnehmer deren Städten Acehs aufgebaut. allem die indonesische Provinz floss in dieses Projekt. Gerade nach dem Abzug der Aceh verwüstete, versuchten Im Anschluss an die anfäng- internationalen Geberorganisa- nationale und internationa- liche Katastrophenhilfe ent- tionen wird es auf solche lokal le Organisationen, möglichst stand dann die Idee, auch lang- verankerten Netzwerke ankom- schnell und effektiv Hilfe für fristig freie und demokratische men, wenn es darum geht, die Aceh zu leisten. Auch der Ge- Gewerkschaften in Aceh zu sozio-ökonomische Entwicklung werkschaftsverband ASPEK fördern: im Juni 2005 wur- zu gestalten. Fünf Jahre spä- Indonesia leistete humanitäre de das Trade Union Care Cen- ter, im Juni 2010, organisierte Hilfe speziell für Arbeiter und ter (TUCC) geboren. Gewerk- TUCC ein internationales Se- deren Familien in Aceh. Kur- schaften für Postangestellte, minar über die Reform der so- ze Zeit später beschlossen der Plantagenarbeiter und Lehrer zialen Sicherungssysteme, um DGB und das American Center konnten bald von den ersten Erfahrungen aus den Philippi- for International Labour Soli- Trainings profitieren. Neben nen, Australien und Deutsch- darity gemeinsam mit der FES, der zentralen Anlaufstelle in land in die indonesische Debat- diese Idee zu unterstützen. Ein Banda Aceh hat TUCC vier wei- te mit einfließen zu lassen.

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Wandel der Kooperationsli- nien im gesellschaftlichen 20 Jahre FES Reformprozess in Vietnam

E s wa r am Ta g na c h de r deuts c hen V e r eini g un g , am 4 . O ktobe r 1 9 9 0 , dass die Friedrich-Ebert-Stiftung ein Kooperationsabkommen mit der Sozialistischen Republik Vietnam unterzeichnete.

Damals war die FES eine der Die Arbeitslinien und -schwer- Rechtshochschule Hanoi, dient ersten privaten internationa- punkte der FES in Vietnam sind das Zentrum jenem internatio- len Organisationen, die ein im Laufe der Jahre ständig an nalen Rechtsvergleich in Leh- Büro in Hanoi eröffnen konn- die aktuellen Reformanstren- re und Forschung, der für die ten. Seither residiert das Büro gungen des Landes angepasst unverändert im Gebäude der worden. Während vor zwanzig ehemaligen Handelskommissi- Jahren zunächst die Förderung on der DDR in Sichtweite von von kleinen und mittleren Un- Nationalversammlung, Zentral- ternehmen sowie Genossen- komitee der Regierungspartei schaften dazu beitrug, den Weg KPV, des Außenministeriums für die allerersten Schritte der und anderer wichtiger Projekt- wirtschaftlichen Öffnung der partner. Auch heute noch gibt ehemaligen Planwirtschaft zu es kaum vergleichbare Organi- bereiten, stehen nunmehr aus- sationen, die sich derart zentral schließlich gesellschaftspoli- inmitten des politischen Bezirks tische Themen im Mittelpunkt der vietnamesischen Haupt- der Zusammenarbeit. stadt niederlassen konnten. So unterstützt die FES derzeit u. a. die Entwicklung eines neuen Arbeitsgesetzbuches, weitere gesellschaftspolitische Ehrengäste bei der A ktuelle A r beitss c hwe r - Eröffnung des Zen- punkte de r F E S in V ietnam arbeitet an der Stärkung der Entwicklung der Sozialisti- trums für deutsches Nationalversammlung, ist schen Republik Vietnams und Recht in Hanoi: (v.l.n.r) R. Schulze (Deutscher • Projekt Stärkung Parla- Kernpartner des Gewerk- für die Herausbildung rechts- Botschafter in Viet- nam), H. Bossmann mentarismus und Gewal- schaftsdachverbandes bei der staatlicher Elemente überaus (DAAD-Vietnam), tenteilung Entwicklung der Fähigkeiten zentral ist. J.Bergstermann (FES- Vietnam), H. T. Lien • Projekt Förderung von für Tarifverhandlungen und Das Zentrum wird getragen (Vize-Justizminister Vietnams), Dr. Rüland Tarifverträgen und Tarif- hat ein anerkanntes Leucht- von einem Konsortium deut- (neu gewählte General- fähigkeit turmprojekt des deutsch-viet- scher juristischer Fakultäten sekretärin des DAAD), A .Fuchs (Vorsitzende • Projekt Arbeitsrecht namesischen Rechtsstaatsdia- und Institute und wird beson- FES), Son (Vize-Rektorin Rechtshochschule • Projekt publikumsorien- logs initiiert. ders unterstützt von Seiten des Hanoi, L. Anh (FES- tierter, partizipativer So wurde beispielsweise auf DAAD. Es wird erwartet, dass Vietnam), C. Kesper (Internationale Abtei- Rundfunk Initiative der Friedrich-Ebert- dieses Zentrum eine Trend- lung FES). • Projekt Rechtsreform und Stiftung am 6.Mai in Anwe- wende herbeiführt und die Sti- Entwicklung des Rechts- senheit des Vize-Ministers der pendienprogramme der FES staats Justiz Vietnams, Prof. Dr. Ho- und des DAAD wesentlich dazu • Projekt Führungskräfte- ang The Lien, und der FES- beitragen, dass zukünftig auch fortbildung und sozial- Vorsitzenden, Anke Fuchs, das wieder Juristen/innen aus Viet- wissenschaftliche Politik- Zentrum für Deutsches Recht nam größere Studienanteile in beratung eröffnet. Angesiedelt an der Deutschland verbringen.

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E inf ü h r un g von Ta r ifve r handlun g en in V ietnam Hoffnung für die Lohnempfänger

Löhne und Gehälter in Vietnam Verhandlungsbedingungen Ausbildungsprogramms der orientieren sich für das Gros ganz und gar nicht dem, was FES gesetzt werden: „Ihr Aus- der Beschäftigten am gesetz- nun in in- und ausländischen bildungsprogramm ist nun ab- lichen Mindestlohn und halten Betrieben gang und gäbe ist. geschlossen und es gibt im Mo- in sehr vielen Fällen nicht mit Unter anderem auch deshalb ment niemanden in Vietnam, der Entwicklung der Lebens- haben in den letzten Jahren der besser in der Lage wäre, haltungskosten, der Produkti- wilde Streiks stark zugenom- substantielle Tarifverhand- vität und der Renditen mit. Die men, die die Legitimations- lungen zu führen und zu bera- Einheitsgewerkschaften haben grundlage der Gewerkschaften ten als Sie.“ Da wurde es dieser immer noch große Probleme, ernsthaft beschädigen können. handverlesenen Kerngruppe in der rasant wachsenden Pri- Vor diesem Hintergrund prä- von Tarifexperten doch etwas vatwirtschaft gerechtere Löhne zisierte der Vize-Vorsitzende bange. Gut, dass sie auch wei- durchzusetzen. In den Zeiten des vietnamesischen Gewerk- terhin durch ein Coaching- und der Planwirtschaft waren Ta- schaftsbundes, Mai Duc Chinh, Supervisionsprogramm der IG- rifverhandlungen kein Thema die hohen Erwartungen, die Metall und der FES unterstützt und in den alten Staatsbetrie- in die Teilnehmer des einein- werden. ben ähneln die Arbeits- und halbjährigen Trainings- und

N etwo r k of S o c ial D emo c r a c y in A sia Asiatische Sozialdemokraten im Aufwind

Wie steht es um die Sozialde- tische Werte historisch bedingt auch die neuen Wahlkampf- mokratie in Asien? Eine Fra- stark stigmatisiert oder gar un- konzepte und -instrumente dis- ge, die auch die Mitglieder des terdrückt, jedoch gibt es auch kutiert, die zu den bemerkens- Network of Social Democra- Erfolgsgeschichten. werten Erfolgen der Akbayan cy in Asia beschäftigt. Anfang Zwei Beispiele: Die Democra- beigetragen haben. 2010 organisierte das Netzwerk tic Action Party (DAP) stellt Neben einem halbjährig er- in Jakarta ein internationales seit März 2008 im malayischen scheinenden Magazin, dem Seminar zu den sozialen und Bundesstaat Penang die Re- „Asian Jour- ökonomischen Folgen des Frei- gierung, während die philippi- nal“, besitzt das Netzwerk seit handelsabkommens zwischen nische Akbayan! Citizens‘ Ac- Februar nun auch ein eigenes den ASEAN-Staaten und China. tion Party Teil des Bündnisses Sekretariat mit Sitz in Penang, Sowohl Arbeitgeber als auch des im Mai 2010 gewählten Malaysia. Arbeitnehmer hatten die Regie- Präsidenten Benigno S. Aquino rungen im ASEAN-Raum dazu ist. Ein Höhepunkt war deshalb meh r zum thema aufgerufen, die Wettbewerbsfä- für das Network of Social De- higkeit der Schlüsselindustrien mocracy in Asia die Teilnahme www.socdem.asia in den eigenen Ländern besser an einer internationalen Missi- zu fördern und gegen soziale on von Wahlbeob- Verwerfungen im Rahmen des achtern anlässlich Wahlbeobachtung auf Freihandelsabkommens vorzu- dieser Präsident- den Philippinen: Eine der herausgehobenen gehen. schaftswahlen. Im Aktivitäten des Net- In manchen Ländern der Groß- Rahmen dieser work of Social Demo- cracy in Asia. region sind sozialdemokra- Mission wurden

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N i g e r ia Informeller Sektor wird zur politischen Kraft

Ob Schuhputzer oder Näherin, mellen Ökonomie und können Gründungskonferenz fordert Haushaltsgehilfe oder Straßen- kaum die Interessen des infor- FIWON selbstbewusst die Ein- verkäuferin: Vor allem in den mellen Sektors abbilden. In den beziehung in die Arbeit von Re- Großstädten von Entwicklungs- vergangenen Jahren haben sich gierungsbehörden, die sich mit ländern sind „informelle“ Jobs daher in Nigeria immer mehr Armutsbekämpfung, der För- fester Bestandteil der sozialen berufliche „Assoziationen“ ge- derung von kleinen und mitt- Realität. Gemeinsam ist ihnen, formt, um auch im informellen leren Unternehmen oder der dass sie unreguliert und unre- Sektor Interessenvertretung Schaffung von Arbeitsplätzen gistriert ausgeübt werden. Die möglich zu machen. So unter- beschäftigen. Arbeitsbedingungen sind in der halten Automobiltechniker, Regel schlecht: Arbeitsstan- Erdnussfarmer, Haarstylisten, dards gibt es nicht, Einkom- Schweißer oder Marktfrauen men liegen meist unter dem ihre eigenen Interessenver- Existenzminimum, der Zugang tretungen. Obwohl sie im Di- zu Krediten ist versperrt und alog mit den nigerianischen Schutz vor polizeilicher oder Gewerkschaften stehen, fehlte behördlicher Willkür fehlt. bislang eine übergreifende poli- Der informelle Sektor prägt tische Stimme. vor allem die afrikanischen Die Gründung einer Dachor- Volkswirtschaften. In Nigeria, ganisation informeller Asso- dem bevölkerungsreichsten ziationen, der „Federation of Land des Kontinents, spielen Informal Workers in Nigeria“ sich laut Schätzungen 80 % al- (FIWON) im Juni 2010, soll dem ler Jobs im informellen Sektor Abhilfe schaffen. Der von der ab, 60 % des Bruttoinlands- FES unterstützte Organisati- Interessant ist nun, wie sich das Die meisten Beschäf- tigten im informellen produktes werden hier erwirt- onsprozess brachte verschie- Verhältnis von FIWON zu den Sektor Nigerias sind schaftet. Die meisten Beschäf- dene informelle Assoziationen nigerianischen Gewerkschafts- Frauen. (Foto: Maettig) tigten sind Frauen. Sie sind zusammen, um im Beisein von dachverbänden Nigerian La- mit massiven politischen und Vertretern der Regierung, in- bour Congress und Trade Union sozialen Problemen konfron- ternationaler Organisationen Congress entwickeln wird. Ge- tiert. Doch die „klassischen“ und Gewerkschaften eine ei- meinsam könnten sie sich zu ei- Gewerkschaften repräsentieren gene Plattform zu schaffen. ner zentralen politischen Kraft nur die Arbeitnehmer der for- Im Abschlusscommuniqué der im Land entwickeln. g O L F von g U I N E A Ressourcenreichtum für Entwicklung nutzen

Der Golf von Guinea gehört zu nalen Konzernen betriebene Öl- kann sichergestellt werden, den öl- und gasreichsten Regi- förderung beispielsweise im Ni- dass der Ressourcenreichtum onen der Welt. Trotzdem gehö- gerdelta vor allem zu Umwelt- in Afrika vom „Fluch“ zum „Se- ren die Länder jedoch weiter zu verschmutzung, Unsicherheit gen“ für die jeweiligen Länder den ärmsten und instabilsten und Korruption beigetragen; wird? Die FES fördert den regi- der Welt. Bislang hat die fast die Bevölkerung wird an den onalen Dialog zu dieser Frage ausschließlich von internatio- Einnahmen kaum beteiligt. Wie und richtete zuletzt im Mai in

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der nigerianischen Hauptstadt de 2010 beginnen soll, wollen Bevölkerung an den Öleinnah- Abuja eine internationale Kon- nicht die Fehler ihrer Nach- men dar und provozierte damit ferenz aus. „Regierungen und barländer wiederholen. Dass kritische Nachfragen. Undurch- die regionalen Organisationen es darüber hinaus sinnvoll ist, sichtige Haushaltsführung und müssen ihre Verhandlungs- Erfahrungen aus anderen Re- Korruption trüben das Vertrau- und Gestaltungsmacht stärker gionen auszuwerten, zeigte en in eine gerechte Umsetzung nutzen“, so José Mba Abeso von der Beitrag des brasilianischen des Vorhabens. Die Diskussion der Golf von Guinea-Kommis- Präsidentenberaters Professor zeigte, dass die Notwendigkeit sion. Zahlreiche mit internati- Ildo Sauer. Mit staatlicher In- für eine entwicklungsorien- onalen Ölfirmen geschlossene tervention und strengen Auf- tierte politische Gestaltung der Verträge müssten stärker zu- lagen für Ölfirmen gewährleis- Öl- und Gasförderung von allen gunsten der Bevölkerung ge- tet Brasilien, dass das gesamte gesehen wird. Während jedoch staltet werden, so Abeso. Land nachhaltig von der Förde- in vielen der Länder gut aus- In Sicherheits- wie auch Ma- rung profitiert. gebildete Experten fehlen, um nagementfragen wurde ein in- Der Energieberater des nigeria- diese Politik zu planen und um- tensiver Erfahrungsaustausch nischen Präsidenten, Emmanu- zusetzen, wurde auch deutlich, zwischen den Ländern der el O. Egbogah, stellte erstmals dass nicht für alle Politiker die Region angeregt. Länder wie Details zu einem geplanten notwendige Gemeinwohlorien- Ghana, wo die Ölförderung En- Programm zur Beteiligung der tierung im Vordergrund steht.

S i c he r heitspolitis c hes r E g ionalp r ojekt W estaf r ika Parlamentarier im Kampf gegen Kleinwaffen

Geschätzte zehn Millionen un- Agnekethom, Leiter der Klein- setzesinitiativen vorbereitet“, registrierte Kleinwaffen sind waffenabteilung in der ECO- so die Vorsitzende des Außen- in Westafrika im Umlauf und WAS-Kommission. Gemeinsam und Sicherheitsausschusses befeuern Kriminalität und ge- mit der ECOWAS und dem Zen- des Parlaments in Burkina Fa- waltsame Konflikte in der Regi- trum für Frieden und Abrüs- so, Ouaba Naba. Im Rahmen on. Allerdings gelang im Kampf tung in Afrika der UN hat die der Accra-Konferenz gingen gegen deren Verbreitung im FES im Rahmen ihres sicher- die Diskussionen auch schon vergangenen Jahr ein Durch- heitspolitischen Regionalpro- weit über die Konvention hin- bruch: Neun der 15 Mitglieds- jekts Vertreter aus den zustän- aus: Eine Rolle spielen auch staaten der Wirtschaftsgemein- digen Parlamentsausschüssen die Beziehungen zu den Nach- schaft Westafrikanischer Staa- aller 15 ECOWAS-Mitglieds- barregionen, wo die Kleinwaf- ten (ECOWAS) ratifizierten die staaten in einer Serie von Re- fen produziert werden. „Dazu regionale Kleinwaffenkonven- gionalkonferenzen zusammen- braucht es effektiverer globaler tion, die den Handel mit und gebracht, um Ansatzpunkte für Abkommen“, betont Laurent die Produktion von Kleinwaf- die parlamentarische Arbeit zu Hakoun, Ausschussvorsitzen- fen reguliert und beschränkt. diskutieren. Auf dem jüngsten der des ivorischen Parlaments. „Dieses Instrument muss jetzt Regionaltreffen in Accra, Gha- Spezielles Augenmerk liegt auch in allen Mitgliedsstaaten na konnten einige Parlamen- dabei auf den derzeitigen Ver- umgesetzt werden. Und das tarier bereits Erfolge vermel- handlungen zu einem Waffen- ist nicht nur eine technische, den. „Wir haben ein nationales handelsabkommen im Rahmen sondern vor allem auch eine parlamentarisches Netzwerk der UN. politische Herausforderung. zur Kleinwaffenkontrolle

Nicht immer in den Hier haben insbesondere auch gebildet, klagen die Um- richtigen Händen: Parlamentarier zentrale Auf- setzung der Konvention Waffen im Stadtbild Westafrikas. gaben“, erläutert Dr. Cyriaque ein und haben erste Ge-

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Podiumsdiskussion über den künftigen Weg Lulas Erbe und die Prä- Brasiliens sidentschaftswahlen

„K eine A n g st vo r besse r en Z eiten “ , so lautete einst der Wahlkampfslogan des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und seiner Arbeiterpartei PT. Dieses Versprechen scheint er am Ende seiner Amtszeit erfüllt zu haben. Vor wenigen Wochen wählte das TIME Magazine den beliebten Staatschef zur einflussreichsten Persönlichkeit – der Welt! – im Jahr 2010.

Damit wird ein Mann ausge- starts lud die FES am 30. Juni Der Soziologe und Initiator zeichnet, dessen Lebensweg zu einer Podiumsdiskussion des Weltsozialforums in Por- vom Schulabbrecher aus Ar- in Berlin ein, um eine Bilanz to Alegre, Emir Sader, machte mut über Etappen als Metallar- der Regierung Lula zu ziehen im Rahmen der Podiumsdis- beiter und Gewerkschaftsfüh- sowie Szenarien für den künf- kussion allerdings deutlich, rer, politisch Verfolgtem und tigen Weg Brasiliens zu entwi- dass strukturelle Reformen Parteigründer ihn 2002 nicht ckeln. Zum ersten Mal in der nur an die Spitze des größten Geschichte des Landes geht Landes Südamerikas führte, nicht nur die Armut, sondern sondern in den Folgejahren auch die soziale Ungleichheit auch zum Sprecher der gesam- zurück, und die Mittelschicht ten Region und jener Länder wächst. Iole Lopes, Direkto- machte, die im internationalen rin der politischen Stiftung Sprachgebrauch als emerging Fundação Perseu Abramo, be- economies bezeichnet werden. tonte in der FES, dass dies der Brasilien ist zweifellos Gewin- progressiven Regierung Lula ner der Globalisierung. Das durch die Rückkehr eines star- Land ist heute eine führende ken, aktiven Staates gelang, Exportnation. Als typische soft der auf makroökonomische power ist Brasilien heute, wenn Stabilität setzt, das Banken- nicht Garant, so doch der ent- system reguliert und staatliche – wie eine faire Landverteilung, Obwohl er gar nicht mehr kandidiert, spielt scheidende Faktor für die poli- Kreditprogramme sowie einen Chancengleichheit zwischen Brasiliens Präsident Lula tische Stabilität in Südamerika. kaufkräftigen Binnenmarkt schwarzen und weißen Brasi- im Wahlkampf eine große Rolle. Mit den im Oktober 2010 statt- fördert. Große Erfolge erzielte lianern sowie Umweltschutz (Foto: Danner) findenden Wahlen wird nun ein die Regierung Lula auch in der – bislang nicht eingeleitet wor- neues Kapitel in der Geschichte Armutsbekämpfung durch die den sind und Brasilien nach der brasilianischen Demokra- Ausweitung des Sozialtrans- wie vor eines der ungerech- tie beginnen. Lula wird nicht ferprogramms Bolsa Familia, testen Länder der Welt ist. Da- mehr kandidieren und die po- die Verdopplung des Mindest- mit ist klar: Der oder die zu- litischen Karten werden neu lohns und die Schaffung von künftige Regierungschef(in) gemischt. Eine Woche vor Be- über zehn Millionen forma- wird sich daran messen lassen ginn des offiziellen Wahlkampf- len Jobs. Diese Erfolge zahlen müssen, ob es gelingt, soziale sich aus – 80 % der Brasilianer Gerechtigkeit zu fördern und meh r zum thema sind mit der Politik ihres Prä- Wirtschaftswachstum sowie Ein Interview mit Emir Sader sidenten zufrieden. Lula ist da- Umweltschutz in Einklang zu sowie Iole Lopes zu Lulas mit der beliebteste Politiker al- bringen. politischem Erbe und den ler Zeiten. Präsidentschaftswahlen: www.youtube.com/fesonline

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A r g entinien FES berät Verteidigungsministerium

Trotz großer Rhetorik hat sich Lateinamerika analysiert. Ein Gesellschaft ein Instrument zur in Lateinamerika in den letzten Strategie- und Planungstreffen Sicherung der eigenen Macht Jahren in Sachen regionaler In- der Koordinatoren der natio- sieht. tegration nur wenig getan. Als nalen bzw. regionalen Arbeits- Auch bei einer Veranstaltung einer der letzten Versuche, die gruppen des Kooperationspro- über die politische Kontrol- Ansätze mit Leben zu füllen, gramms Regionale Sicherheit le der Streitkräfte zeigten sich wurde auf Initiative Brasiliens der FES in Lateinamerika und Unterschiede. Während im 2008 die regionale Kooperati- der Karibik im Mai in Bue- südlichen Lateinamerika eine onsinstanz UNASUR von zwölf nos Aires wurde für zwei wei- scharfe Trennung zwischen öf- südamerikanischen Staaten ins tere Veranstaltungen mit dem fentlicher Sicherheit und mili- Leben gerufen. Im Rahmen von Verteidigungsministerium Ar- tärischer Verteidigung besteht, UNASUR wurde dann Anfang gentiniens genutzt. Eines der gilt dies nicht für Länder der 2009, ebenfalls auf Betreiben Treffen widmete sich den Po- Andenregion oder auch Zen- des brasilianischen Staatsprä- sitionen der Andenländer. Es tralamerika und Mexiko. Einen sidenten Luis Ignacio Lula da zeigte sich, dass im Gegensatz Sonderfall bildet Venezuela, wo Silva, der südamerikanische zum südlichen Lateinamerika, Militärs inzwischen auch zu- Verteidigungsrat gegründet. wo die Gemeinsamkeiten domi- nehmend an den Schaltstellen Bereits 2009 hatte die FES-Ar- nieren, dort unterschiedliche der öffentlichen Verwaltung sit- gentinien gemeinsam mit dem Prioritäten existieren. So setzt zen. argentinischen Verteidigungs- die Regierung Kolumbiens auf Der südamerikanische Verteidi- ministerium eine Veranstaltung die Bekämpfung der internen gungsrat ist also von einem ge- zur Positionierung des Landes Guerilla und sucht dazu die Un- meinsamen Sicherheitsbündnis im südamerikanischen Vertei- terstützung der USA, während noch weit entfernt. Aber allein digungsrat organisiert. Schwer- die venezolanische Regierung seine Existenz ist ein wichtiger punktmäßig wurden dabei die Kolumbien als Einfallstor der Schritt, um zwischenstaatliche Beziehungen Argentiniens zu USA darstellt, und gleichzei- Konflikte zu entschärfen und anderen Ländern des südlichen tig in der Militarisierung seiner Vertrauen aufzubauen.

+++ FES+++KU R Z g EFASST +++ FES + + + K U R Z G EFASST +++ FES + + +

+ + + In São Paulo gibt es mehr deutsche Unterneh- Masterstudiengänge zum Thema Arbeitsbezie- men, als in jeder anderen Stadt der Welt. Über 1.200 hungen anbietet. + + + Firmen mit rund 250.000 Beschäftigten. So über- rascht es nicht, dass für die IG Metall die Kooperati- + + + Während sich in den vergangenen Jahren in on mit Brasilien immer mehr zu einer Kernaufgabe Europa die politische Landkarte immer deutlicher wird. Ziel ist der Aufbau von internationalen zuungunsten sozialdemokratischer Regierungen betrieblichen Netzwerken zur Durchsetzung fairer verfärbte, erlebte Lateinamerika die sogenannte Arbeitsstandards. Die FES unterstützt seit Jahren „pink tide“, im Zuge derer in der Mehrheit der Län- die Bildung solcher Netzwerke. Während eines Bra- der der Region linke Parteienbündnisse die Regie- silienbesuchs sprach der Vorsitzende der IG Metall, rungsverantwortung übernahmen. Die Gründe für Berthold Huber, im Rahmen eines Treffens des VW- die Krise der Sozialdemokratie in Europa und den Weltkonzernbetriebsrats mit dem brasilianischen gegenwärtigen Erfolg der progressiven Parteien in Präsidenten Lula und traf auch Lehrende und Stu- Lateinamerika standen in Montevideo im Mittel- dierende der Global Labor University, einem Netz- punkt eines Treffens des Foro de Partidos Progre- werk von Universitäten, Gewerkschaften, internati- sistas. Das Forum wird zweimal jährlich von der onalen Organisationen sowie der FES, das weltweit FES veranstaltet. + + +

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Friedrich-Ebert-Platz in Heidelberg Anlässlich der Fertigstellung des Friedrich-Ebert- Mühlhausen (Geschäftsführer der Reichspräsident- Platzes würdigte die Stadt Heidelberg dessen Friedrich-Ebert-Gedenkstätte) vor. Namensgeber mit einem Denkmal. Ein in Beton gegossenes Relief Eberts schmückt den Zugang zur neuen Tiefgarage, die unter dem Platz angelegt wurde. Ergänzt wird das Bildnis durch eine Bronze- tafel, die an den gebürtigen Heidelberger und ers- ten Reichspräsidenten der Weimarer Republik erinnert. Die Enthüllung nahmen der Heidelberger Bürgermeister Joachim Gerner, Utz Göbel (Verein Alt Heidelberg), Anja Kruke (FES Bonn) und Walter

Kurt-Schumacher-Akademie: Wechsel der Akademieleitung

Als das Haus mit der sozialdemokratischsten Adres- ein kulturpolitisches Profil der Akademie geprägt se in Deutschland beschrieb die Stiftungsvorsitzende und über Jahrzehnte wichtige Verbindungen zu Anke Fuchs die Kurt-Schumacher-Akademie in der Autoren und Kulturschaffenden geknüpft habe. Willy-Brandt-Straße in Bad Münstereifel. Damit Mit dem Wechsel in der Akademieleitung zu dem begrüßte sie am 20. Mai die rund 120 Gäste zur Ver- Nachfolger Rainer Gries ist auch eine Änderung des abschiedung des langjährigen Leiters der Akademie Profils der Kurt-Schumacher-Akademie verbunden. Dr. Helmut Mörchen (Bild links) in den Ruhestand. Neben dem Angebot gesellschaftspolitischer Bil- Anke Fuchs hob hervor, dass Mörchen als Literatur- dung kommen seit Beginn dieses Jahres die Stipen- wissenschaftler mit den von ihm begonnenen 67 diaten der FES zu ihren studienbegleitenden Semi- erfolgreichen „Münstereifeler Literaturgesprächen“ naren nach Bad Münstereifel. Drei Säulen prägen die künftige Arbeit der Akade- mie: gesellschaftspolitische Bildung für Arbeitneh- mer aus Nordrhein-Westfalen, Qualifizierungspro- gramme für Akteure zivilgesellschaftlicher Organi- sationen und das studienbegleitende Programm für Stipendiaten. Er werde verstärkt europäische, gewerkschafts- und wirtschaftspolitische Themen anbieten und die Erfahrungen und den Sachver- stand anderer Arbeitsbereiche einbeziehen, so Gries bei seiner Vorstellung.

OnlineAkademie goes Multimedia

Die FES OnlineAkademie, Vermittler politischer Bil- galerien unterstützen effektiv den Lernprozess. dung im Internet, ergänzt kontinuierlich ihr Ange- Jüngstes Kind ist eine multimediale Animation zu bot mit multimediagestützten Lernbausteinen. Die den Strömungen und Prinzipien der Sozialen Demo- Startseite wie die einzelnen Themenmodule bieten kratie, die einlädt, selbst auf Entdeckungsreise zu nun eine eigene Multimedia-Rubrik, die Videos, gehen. Zahlreiche neue Texte (z. B. in den Modulen „Online-Trainings“ oder auch einen Blog zum Rechtsextremismus, Europäische Identität, Dialog Thema Europa bereithalten. der Kulturen) runden das vielfältige inhaltliche Sich im Argumentieren gegen Geschichtsrevisionis- Angebot der OnlineAkademie ab. mus üben oder einen Einblick in den 1953er Arbei- Weitere spannende Themen folgen ... teraufstand in der DDR erhalten – die neuen Bilder- www.fes-online-akademie.de

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Neue Publikationen der FES Borgwardt, Angela; John-Ohnesorg, Marei – Vielfalt oder Fokus- 1945; Archiv der Sozialen Demokratie (Gesprächskreis Geschichte) sierung: Wohin steuert das Hochschulsystem nach drei Runden Werkstatt soziale Demokratie: Reader zur Sommeruniversität Exzellenz?; Thesenpapier und Konferenzbericht vom 26. 10.2009 2010, 12. – 16. Juli 2010, Insel Hermannswerder bei Potsdam; Abtei- Bungert, Mario – Willy Brandt i Polen: przezwyciężenie podziału lung Gesellschaftspolitische Information Europy; wystawa, FES – Willy Brandt und Polen Forum Berlin Daniel, Christiane – Bürgerengagement und demographischer Kohlstruck, Michael – Zur aktuellen Debatte um politische Wandel. (Arbeitskreis Bürgergesellschaft und Aktivierender Staat) Gewalt in der Metropole Berlin Haller, Anne – Demokratie (be)leben!: Mehr junges, gesell- Petschulat, Tim O. – Kulturflatrate: auf der Suche nach einem schaftspolitisches Engagement ist möglich (Politische Akademie) Internet-kompatiblen Urheberrecht; eine Zusammenfassung zu Herdt, Helmut; Hübner, Klaas – Neue wirtschaftliche Dynamik in Begriff, Hintergrund und Stand der Diskussion Sachsen-Anhalt: Acht Handlungsempfehlungen des Manager- Roth, Roland – Demokratie braucht Qualität!: Beispiele guter kreises Ost der Friedrich-Ebert-Stiftung Praxis und Handlungsempfehlungen für erfolgreiches Enga- Künftige Verwaltungsstrukturen in Niedersachsen: Defizite gement gegen Rechtsextremismus und Handlungsbedarf – Kriterien und Szenarien; ein Arbeitspa- Schellenberg, Britta – Europa auf dem „rechten“ Weg?: Rechts- pier; Landesbüro Niedersachsen. Red.: Petra Wilke extremismus in Europa; Zusammenfassung einer Konferenz am Möller, Kurt – Wie kann Ausstiegsarbeit gelingen?: Ausstiegs- 30.11.2009 in Berlin – http://library.fes.de/pdf-files/do/07307.pdf prozesse aus der rechten Szene; Forum Berlin (Expertisen für (deutsch und englisch verfügbar) Demokratie; 2010) Forum Politik und Gesellschaft Noack, Harald, Schackmann-Fallis, Klaus-Peter – Lehren aus der Bessing, Nina – Allein erziehend, aber nicht allein gelassen?: Finanzmarktkrise ziehen: Thesenpapier der Permanenten Arbeits- Anforderungen an eine moderne Politik für die Ein-Eltern-Familie; gruppe Finanzpolitik, Steuern, Haushalt und Finanzmärkte des Konferenz am 10. Februar 2010 Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung Schön, Christine – Regenbogenfamilien: vom anderen Ufer Schmidt, Severin – Szenario Thüringen – wie soll der Freistaat in oder vom anderen Stern?: Für lesbische und schwule Eltern und Zukunft aussehen?: Dokumentation vom Szenario-Workshop in Paare mit Kinderwunsch Erfurt und Ilmenau; Landesbüro Thüringen der FES Schwab, Waltraud – Schwestern zur Sonne, zur Gleichheit ... zur Studienförderung, 2010 Integration!: Erfahrungen und Erwartungen von Frauen an Politik (Netzwerk Exzellenz an deutschen Hochschulen) und Gesellschaft; Intern. Frauentag am 5. März 2010 Schneider, Michael – Politischer Widerstand?: Dissens im Alltag Ziegler, Uwe –Verteilungskampf oder Solidarität der Generati- des „Dritten Reichs“; zur Finissage der Ausstellung „Die Last der onen?: Generationengerechtigkeit in Zeiten der Wirtschafts- und ungesagten Worte“ Die Tagebücher des Friedrich Kellner 1938/39 bis Finanzkrise Internationale Arbeit Seit 2010 erscheinen die Publikationen der Internationalen Abtei- Selbstregulierung der Medien in Afrika eine wichtige Heraus- lungen der FES im neuen Format und im neuen Design. Sie informie- forderung bleibt ren kontinuierlich über politische, wirtschaftliche und soziale Ent- Liebert, Nicola – Employment Policy in Times of Crisis: from a wicklungen in den unterschiedlichen Weltregionen. Dabei erschei- Job-Rich Recovery to Sustainable Structural Change nen in loser Folge unterschiedliche Formate: Maihack, Henrik; Öhm Manfred – Dynamik im African Peer • Perspektive (ca. 4-6 Seiten) Review Mechanism (SPRM): Kritischer Mosambikbericht bringt versorgt Entscheidungsträger, Journalisten und die allgemeine dem Gesamtprozess neue Glaubwürdigkeit Öffentlichkeit mit kurzgefassten und kompetenten Hintergrund- kommentaren zu Kernpunkten eines Themengebietes. Mathieu, Hans – Wird Kolumbien grün?: Parlaments- und Präsi- dentschaftswahlen • Internationale Politikanalyse (ca. 8-20 Seiten) bietet detaillierte Analysen sich entfaltender Tendenzen und zu Mayer, Simone – Lateinamerikas gespaltene Gesellschaften: Schlüsselfragen von Global Governance. Sozialer Wandel durch linke Regierungen? Eine Zwischenbilanz • Studien (ca. 25-35 Seiten) Meier, Katharina – Vom „guten Geist“ zur Arbeitnehmerin?: bereiten Politikfelder empirisch auf und dienen als Länderstudie, Lateinamerikanische Erfahrungen mit der Stärkung der Arbeitneh- Regionalstudie oder Konfliktstudie der vertieften Information und merrechte von Hausangestellten Diskursgestaltung. Melzer, Ralf – Quo vadis Euromed? Tunesien, das Statut Avancé und die Union für das Mittelmeer

Perspektive: Sassenfeld, Heinrich – Wer die Wahl hat, hat die Qual: Eine Vor- schau auf die Parlamentswahlen in Venezuela Detsch, Claudia – ALBA: ein alternatives Integrationsmodell zwischen Schein und Sein Tangen, Sarah – Einer für alle und alle für einen?: Vom möglichen (Alp)traum politischer Parteikooperation in Uganda. Dirksen, Uta – Wahlen in Togo: ein bisschen mehr Demokratie gewagt; die Präsidentschaftswahl als Lackmustest der Transition – Internationale Politikanalyse: http://library.fes.de/pdf-files/iez/07197.pdf Anthony, Ian; Johnny Janssen – The Future of Nuclear Weapons Ganter, Sarah; Mund, Horst; Wannöffel, Manfred – Mit Netz und in NATO Doppelstrategie – Perspektiven internationaler Gewerk- Bauer, Werner T. – Rechtspopulismus in Europa: Vergängliches schaftsarbeit (deutsch und englisch verfügbar) Phänomen oder auf dem Weg zum politischen Mainstream? Hanke, Stefanie – Wiederaufbau ohne Neubeginn?: Haiti hat Sommer, Michael; Bsirske, Frank; Rhode, Wolfgang – Business as nur dann eine Chance, wenn ein echter Politikwechsel statt- usual oder eine neue Zukunftsstrategie?: Die Strategie Europa findet 2010 aus der Perspektive deutscher Gewerkschaften (deutsch Hennecken, Martina – Die Drohung mit dem Maulkorb: warum und englisch verfügbar)

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Clark, Michael T. – Governance Challenges in Financing Green Pohlmann, Christoph – Die G-20: auf dem Weg zu einer „Welt- and Sustainable Energy Policies; Dep. for Global Policy and Deve- wirtschaftsregierung“? (deutsch und englisch verfügbar) lopment [u.a.] Storvik, Aagoth; Teigen, Mari – Das norwegische Experiment – Dullien, Sebastian; Herr, Hansjörg – Die EU-Finanzmarktreform: eine Frauenquote für Aufsichtsräte (deutsch und englisch ver- Stand und Perspektiven im Frühjahr 2010 – fügbar) http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/07157.pdf Weßels, Bernhard – Was ist dran an der These vom Ende der (deutsch und englisch verfügbar) Sozialdemokratie?: Eine empirische Analyse der Wahlergebnisse Fricke, Thomas – Euroland auf dem Prüfstand: ist die Wäh- und Wählerprofile sozialdemokratischer Parteien in Europa in den rungsunion noch zu retten? letzten zwanzig Jahren Hassel, Anke – Markt und Staat in der europäischen Sozialde- http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/07221.pdf mokratie: Progressive Perspektiven zur Entwicklung eines sozialen Studien: und nachhaltigen Marktmodells (deutsch und englisch verfügbar) Thoumi, Francisco E. – The Impact Of Organized Crime On Martens, Jens – Steps Out Of the Global Development Crisis: Democratic Governance in Latin America – Department Latin Towards an Agenda for Change, Dep. for Global Policy and Deve- America and Carribean lopment Lang, Susanne; Härtel Alexandra; Bürsch, Michael – Zivilgesell- Meier, Oliver – Auf dem Weg der Besserung?: Der Nukleare Nicht- schaft und bürgerschaftliches Engagement in Russland – Refe- verbreitungsvertrag nach der Überprüfungskonferenz 2010 rat Mittel- und Osteuropa Meyer, Henning; Spiegel, Karl-Heinz – Die Gute-Gesellschaft- Seguino, Stephanie; Berik, Günseli; van der Meulen Rodgers, Yana – Debatte: Wie weiter mit der europäischen Sozialdemokratie? – An Investment That Pays Off. Promoting Gender Equality as a http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/07224.pdf Means to Finance Development Nassauer, Otfried – Die nukleare NATO: Ein Problemaufriss Utz, Britta; Hibbeler, Stefan – Die türkische Textil- und Beklei- Linke, Kristin – Prospects Of a Triangular Relationship?: Energy dungsbranche in Zeiten der Krise. Strukturen, Arbeitsbezie- Relations Between the EU, Russia and Turkey – hungen, Industriepolitik und Akteursstrategien http://library.fes.de/pdf-files/id/07150.pdf WISO direkt Dauderstädt, Michael – Staatsschulden und Schuldenstaaten: Pfaller, Alfred – Kultur- und Kreativwirtschaft: postmaterielles Europa braucht ein neues Wachstumsmodell Wachstum – materielles Elend Dedring, Klaus-Heinrich; Deml, Jörg; Döring, Diether; Steffen, Schneider, Thomas – Diagnose behandlungsbedürftig – Patien- Johannes; Zwiener, Rudolf – Rückkehr zur lebensstandardsi- tenrechte in Deutschland chernden und armutsfesten Rente: Kurzfassung Stiegler, Barbara – Noch mehr unbezahlt? Wie konservative Jobelius, Sebastian – Die psycho-sozialen Herausforderungen (Geschlechter) Politik mit der Betreuungsarbeit verfährt der modernen Arbeitswelt Thannisch, Rainald – Die Mitbestimmung im Kontext europä- Münchau, Wolfgang – Letzter Ausweg gemeinsame Anpassung ischer Herausforderungen – die Eurozone zwischen Depression und Spaltung http://library.fes.de/pdf-files/wiso/07222.pdf WISO Diskurs Altenkamp, Britta; Bozay, Kemal; Dogan, Ali; Geißler, Rainer; Kumru, tätsprinzips, einseitige Belastung der Versicherten, noch mehr Kli- Sinan; Oulios, Miltiadis; Parvand, Marjan; Shooman, Yasemin; Zam- entelpolitik; Expertise im Auftrag des Gesprächskreises Sozialpolitik bonini, Gualtiero – Zur Rolle der Medien in den Einwanderungs- der Friedrich-Ebert-Stiftung gesellschaft Lell, Otmar – Dienste für Bürger und Verbraucher: politische Per- Bellmann, Lutz – Beermann, Beate; Bienzeisler, Bernd; Clement, Ute; spektiven für Stromversorgung, Wasserwirtschaft und Bahnverkehr Hermann, Sibylle; Kohlrausch, Bettine; Stegmaier, Jens; Vanselow, Lenze, Anne – Hartz IV Regelsätze und gesellschaftliche Teilha- Achim; Walden, Günter – Perspektiven der Erwerbsarbeit: Fach- be: Das Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 und seine Folgen arbeit in Deutschland http://library.fes.de/pdf-files/wiso/07251.pdf http://library.fes.de/pdf-files/wiso/07287-20100624.pdf Piorr, Hans-Peter – Biokraftstoffe – Lösung, Problem oder nur Dedring, Klaus-Heinrich; Deml, Jörg; Döring, Diether; Steffen, Teil der Landschaft? Johannes; Zwiener, Rudolf – Rückkehr zur lebensstandardsi- chernden und armutsfesten Rente: Langfassung Schettkat, Ronald – Dienstleistungen zwischen Kostenkrank- heit und Marketization Greß, Stefan – Strategiewechsel in der Gesundheitspolitik Wirtschaftspolitische Konsequenzen schafft mehr Probleme als Lösungen: Aushöhlung des Solidari- von der Vring, Thomas – aus der Krise

Impressum Redaktion: Peter Donaiski, Pressestelle Berlin Hiroshimastraße 17, D-10785 Berlin Herausgeber: Telefon: 030/269 35–7038 Friedrich-Ebert-Stiftung Telefax: 030/269 35–9244 Kommunikation und Grundsatzfragen E-Mail: [email protected] D-53170 Bonn Herstellung, Satz & Layout: Go­desberger Allee 149 Publix, Harald Eschenbach, Berlin D-53175 Bonn Druck: braunschweig druck GmbH, Braunschweig Telefon: 0228/883–7031/7032 Titelfotos: Internet: www.fes.de Printed in Germany, September 2010 E-Mail: [email protected] Gedruckt auf 90 g matt gestrichen chlorfrei gebleicht Offset ISSN 0942-1351

2 / 2 0 1 0 INFO FES Friedrich-Ebert-Stiftung D-53170 Bonn Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – G 42452

Ulrich Becker/Hans Günter Hockerts/Klaus Tenfelde (Hg.)

Sozialstaat Deutschland Geschichte und Gegenwart

Reihe Politik- und Gesellschafts- geschichte, Bd. 87

360 Seiten, Hardcover 38,00 Euro ISBN 978-3-8012-4198-8

Der deutsche Sozialstaat gilt als Erfolgsmodell. Aber er steht auch vor großen Herausforderungen. Der Band behandelt seine Geschichte und seine Zukunftsperspektiven vom Kaiserreich bis zur Europäischen Union.

Die Beiträge des Bandes beleuchten Akteure und Adressaten des deutschen Sozialstaats, sie betrachten ihn im Vergleich zu anderen Ländern und analysieren neue Herausforderungen. Sie thematisieren nicht nur die Alterssicherung, das Gesundheitswesen, die Sozialhilfe und die Mitbestimmung, sondern auch transnationale Bezüge deutscher Sozialstaatlichkeit. Die Autoren verknüpfen politik- und sozialgeschichtliche Ansätze und untersuchen aus rechts- wissenschaftlicher Sicht die institutionelle Ausgestaltung des Sozialstaats.

Verlag J.H.W. Dietz Nachf. – Dreizehnmorgenweg 24 – 53175 Bonn – www.dietz-verlag.de