Inhaltsverzeichnis Plenarprotokoll 17/185

Deutscher

Stenografischer Bericht

185. Sitzung

Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 46: Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Verbraucherschutz a) Erste Beratung des von der Bundesregie- und Nachhaltigkeit im Wettbewerbsrecht rung eingebrachten Entwurfs eines Ach- verankern ten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes (Drucksache 17/9956) ...... 22195 D gegen Wettbewerbsbeschränkungen  (8. GWB-ÄndG) Dr. Philipp Rösler, Bundesminister  (Drucksache 17/9852) ...... 22195 A BMWi ...... 22196 A b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: (SPD) ...... 22197 A Sondergutachten der Monopolkommis- sion gemäß § 44 Absatz 1 Satz 4 des Geset- Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) ...... 22199 C zes gegen Wettbewerbsbeschränkungen Die 8. GWB-Novelle aus wettbewerbs- Ulla Lötzer (DIE LINKE) ...... 22201 D rechtlicher Sicht (BÜNDNIS 90/ (Drucksache 17/8541) ...... 22195 B DIE GRÜNEN) ...... 22203 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) ...... 22204 C gie zu dem Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß (SPD) ...... 22206 C Elvira Drobinski-Weiß, Gabriele Hiller- Ohm, Dr. Wilhelm Priesmeier, weiterer Dr. (CDU/CSU) ...... 22207 C Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Für faire Lebensmittelpreise und trans- (DIE LINKE) ...... 22209 B parente Produktionsbedingungen – Ge- Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ gen den Missbrauch von Marktmacht DIE GRÜNEN) ...... 22210 A (Drucksachen 17/4874, 17/5824) ...... 22195 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Dr. (SPD) ...... 22210 D Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- Ernst Hinsken (CDU/CSU) ...... 22212 A gie zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Presse- Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) 22214 B Grosso gesetzlich verankern (Drucksachen 17/8923, 17/9989) ...... 22195 C Anlage 1 in Verbindung mit Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 22219 A

Zusatztagesordnungspunkt 5: Anlage 2 Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. , Nicole Maisch, weiterer Amtliche Mitteilungen ...... 22219 D

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(A) (C)

185. Sitzung

Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Beginn: 9.15 Uhr

Vizepräsident Dr. : Hiller-Ohm, Dr. Wilhelm Priesmeier, weiterer Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Abgeordneter und der Fraktion der SPD Sitzung ist eröffnet. Für faire Lebensmittelpreise und transparente Ich bitte, die Verspätung zu entschuldigen. Die Frak- Produktionsbedingungen – Gegen den Miss- tionen von SPD und Grünen hatten noch Fraktionssit- brauch von Marktmacht zungen. Jetzt können wir aber umso schneller in die Ta- – Drucksachen 17/4874, 17/5824 – gesordnung eintreten. Berichterstattung: Ich rufe den Tagesordnungspunkt 46 a bis d sowie Abgeordneter Dr. Georg Nüßlein Zusatzpunkt 5 auf: d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- 46 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- gebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur (B) nologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Frak- (D) Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbe- tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schränkungen (8. GWB-ÄndG) Presse-Grosso gesetzlich verankern – Drucksache 17/9852 – Überweisungsvorschlag: – Drucksachen 17/8923, 17/9989 – Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Rechtsausschuss Berichterstattung: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Abgeordneter Dr. Georg Nüßlein Verbraucherschutz Ausschuss für Gesundheit ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. Tobias Lindner, Nicole Maisch, b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre- weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- gierung NIS 90/DIE GRÜNEN Sondergutachten der Monopolkommission ge- Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit im mäß § 44 Absatz 1 Satz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsrecht verankern Wettbewerbsbeschränkungen – Drucksache 17/9956 – Die 8. GWB-Novelle aus wettbewerbsrechtli- Überweisungsvorschlag: cher Sicht Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Rechtsausschuss – Drucksache 17/8541 – Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Überweisungsvorschlag: Verbraucherschutz Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Rechtsausschuss Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Ausschuss für Gesundheit die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es Ausschuss für Tourismus Widerspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Ausschuss für Kultur und Medien Dann eröffne ich die Aussprache und erteile als ers- c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- tem Redner das Wort dem Bundesminister Dr. Philipp richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- Rösler. nologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Ab- geordneten Elvira Drobinski-Weiß, Gabriele (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) 22196 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

(A) Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Wirtschaft weil sie den Gegebenheiten auf den Märkten – bedingt (C) und Technologie: durch das Internet und die Globalisierung – gerecht wer- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und den wollen. Das Wettbewerbsgeschehen spielt sich künf- Herren! Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen tig nicht mehr primär innerhalb von Kreisgrenzen, bei- ist seit mehr als 50 Jahren gleichsam das Grundgesetz spielsweise zwischen zwei Kreiszeitungen, und auch unserer Wirtschaftsordnung. Ludwig Erhard hat das nicht zwischen zwei Landkreisen ab, sondern mindes- Wettbewerbs- und Kartellrecht als einen wesentlichen tens national, eher aber noch europäisch oder global. Baustein in das Fundament der sozialen Marktwirtschaft Es stellt sich so die Frage: Wie sehen die Märkte der eingefügt. Die Bedeutung des Wettbewerbs galt damals, Zukunft aus? Wir wollen, dass auf diesen Märkten der sie gilt allerdings natürlich auch noch heute, und zwar Zukunft künftig auch deutsche Verlage eine starke Rolle gerade deshalb, weil sich die Märkte verändert haben spielen können. Dafür müssen sie die Möglichkeit be- und sich weiter verändern werden. Es ist unser Ziel, die- kommen, selber zu wachsen und sich den neuen Struktu- ses Grundgesetz der Wirtschaftsordnung den neuen Ge- ren anzupassen. Deswegen ist es richtig, dass wir die gebenheiten anzupassen und es weiter zu modernisieren. Aufgreifschwellen auch bei Pressefusionen weiter erhö- Die Märkte haben sich, wie gesagt, verändert. Also müs- hen, damit unsere Unternehmen die Chance haben, zu sen wir auch unseren Kartellbehörden neue Instrumente wachsen und damit auf den globalen Märkten weiter ak- an die Hand geben. Sie brauchen schärfere Instrumente tiv und erfolgreich zu sein. bis hin zur Ultima Ratio der Entflechtung. Auch das zeigt: Wir haben erkannt, dass es neue Wir brauchen auf und in diesen neuen Märkten mehr Marktstrukturen gibt. Wir handeln, um unseren deut- Transparenz; auch dafür sorgt diese Novelle. Schließlich schen Unternehmen auf den Weltmärkten auch künftig wollen wir die Verbraucherinnen und Verbraucher besser eine Chance geben zu können. schützen. Am Ende nützt ein gutes Wettbewerbs- und Kartellrecht nämlich vor allem den Menschen in unse- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten rem Land. Mit der Vorlage der 8. Novelle zum Gesetz der CDU/CSU) gegen Wettbewerbsbeschränkungen bekennt sich diese Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP klar zur Der dritte Bereich ist das Gesundheitswesen. Eine Bedeutung des Wettbewerbs. Denn wir wissen: Den gute Versorgung fängt schon bei den Krankenkassen an: Wohlstand in unserem Lande verdanken wir dem Wachs- flexible Angebote, wenig Bürokratie, gute Leistungen. tum. Wachstum wird durch Wettbewerbsfähigkeit mög- Wie in allen anderen Bereichen auch, ist die beste Ga- lich. Und zur Wettbewerbsfähigkeit gehört eben auch ein rantie dafür eben der Wettbewerb. gutes Wettbewerbs- und Kartellrecht. Es wird durch (Zurufe von der LINKEN: Ja, ja!) (B) diese Novelle eindeutig verbessert. (D) Deswegen müssen wir auch bei den Krankenkassen (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) für mehr Wettbewerb sorgen. Die Krankenkassen wer- den sich künftig auch dem Kartellrecht unterwerfen Es geht um drei Bereiche: müssen. Es kann nicht sein, dass sich Krankenkassen Erstens haben sich die Strukturen verändert. Es gibt zum Beispiel bei Zusatzbeiträgen oder anderen Dingen heutzutage große Konzerne, und hier wollen wir einen absprechen. Wenn sie im Sinne der Versicherten zusam- besseren Einblick bekommen. Wir brauchen mehr Trans- menarbeiten wollen, dann ist das gut. Wenn sie sich aber parenz, gerade für unsere Kartellbehörden, zum Beispiel absprechen, dann schadet das den Patientinnen und Pa- in den Bereichen Energie, also Strom und Gas, aber auch tienten. im Hinblick auf die Tankstellen. Mit dem Markttranspa- (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- renzstellen-Gesetz schaffen wir eine gute Grundlage für NEN]: Ihr habt doch die Zusatzbeiträge einge- eine noch einzurichtende Markttransparenzstelle. Wir führt!) wollen, dass die Kartellbehörden auch einen Einblick in die vertikalen Strukturen im Bereich der Energieversor- Gleichzeitig wollen wir auch Krankenkassenfusionen gung bekommen, um dann im Interesse der Verbrauche- wieder der Aufsicht des Kartellamts unterstellen. Wir rinnen und Verbraucher handeln zu können. Künftig wollen Vielfalt bei den Krankenhäusern und bei den haben auch die Verbraucherschutzverbände die Möglich- Krankenversicherungen; denn dieser Wettbewerb durch keit, gegen Kartellrechtsverstöße selber aktiv vorzuge- Wahlfreiheit nützt den Patientinnen und Patienten. Das hen. Die Kartellbehörden wiederum haben die Möglich- zeigt ganz konkret, wie ein gutes Kartellrecht den Men- keit der Vorteilsabschöpfung. Das nützt den Kundinnen schen im Alltagsleben nützt. und Kunden und zeigt, wie sehr das Wettbewerbsrecht auch dem Verbraucherschutz in Deutschland hilft und (Zuruf von der LINKEN: Gehen Sie mal da- dient. hin, wo die Menschen sind!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) All diese Beispiele zeigen, dass wir erkannt haben, dass sich die Märkte verändert haben. Also muss man Der zweite Bereich, in dem sich die Märkte aus unse- auch das Wettbewerbs- und Kartellrecht entsprechend rer Sicht dramatisch geändert haben und sich noch wei- anpassen. Wir kommen zu Verbesserungen und zu einem ter ändern werden, sind die Verlage und die Medien. Wir modernen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, stellen fest, dass die klassischen Verlage mehr und mehr das für mehr Transparenz sorgt, schärfere Instrumente das Ziel verfolgen, sich zu Medienhäusern umzubauen, für die Kartellrechtsbehörden bereitstellt und am Ende Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22197

Bundesminister Dr. Philipp Rösler (A) mehr Leistungen für die Verbraucherinnen und Verbrau- also einer Schule, mit der die heutige vom Neoliberalis- (C) cher, für die Kundinnen und Kunden, ermöglicht. mus geprägte FDP und weite Teile der Union eigentlich nichts mehr zu tun haben wollen. Das beweist: Wettbewerb nützt zuallererst den Men- schen, und das ist das Ziel eines gutes Wettbewerbs- (Beifall bei der SPD – Burkhardt Müller- rechts. Sönksen [FDP]: Das ist doch Unfug! – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Ach, hör Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. auf!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Diesem Wettbewerbsrecht lag doch die historische Erfahrung zugrunde, dass ungezügelte Märkte, also Ka- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: pitalismus pur, dazu neigen, den Wettbewerb als Grund- Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Barthel von der lage der Marktwirtschaft aus sich heraus selbst abzu- SPD-Fraktion. schaffen. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das war die Erfahrung aus Kaiserreich und Weimarer Klaus Barthel (SPD): Republik. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach je- (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Herr dem Lebensmittelskandal, bei jeder Preiswelle bei Strom Honecker hat das besser gemacht! – Wider- und Gas und bei jeder neuen Benzinpreisabzockerei kün- spruch bei der LINKEN – digen die schwarz-gelben Minister und Abgeordnete der [DIE LINKE]: Hören Sie mir doch mit Koalition verschärfte Maßnahmen an und drohen mit Honecker auf! – Gegenruf des Abg. Dr. Martin dem Kartellamt und dem Wettbewerbsrecht. Lindner [Berlin] [FDP]: Euer Mann! Genau!) (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wie hat das denn Nach dem Faschismus und der Katastrophe des Zwei- der Minister Clement gemacht?) ten Weltkriegs ging es darum, die Wirtschaft zu entflech- ten und wirtschaftliche Übermacht zu verhindern. Dank Geschehen ist bis heute nichts, lieber Kollege Hinsken. erfolgreicher Die Bundesregierung lässt nämlich die Unternehmen, kleinerer und mittlerer Unternehmen, dank die sich fair verhalten, die Verbraucherinnen und Ver- gesetzlicher Regelungen, dank Kartellämtern und ande- braucher und die jeweils betroffenen Arbeitnehmerinnen rer Behörden stimmen wir sicher darin überein, Herr Rösler und Arbeitnehmer im Regen stehen. , dass sich unser Wettbewerbsrecht bewährt hat. (B) Aber der Punkt ist eben: Es hat sich in der Tat viel verän- (D) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dert. der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Ich fange einmal bei den Rohstoffen an. Unsere Ver- GRÜNEN – Dr. Erik Schweickert [FDP]: sorgung hängt von ganz wenigen Lieferanten auf der Blödsinn!) Welt und von Spekulationen ab, egal ob es dabei um Me- Für einen Bundeswirtschaftsminister, der die Worte talle, Öl oder Lebensmittel geht. Es geht um weltweite „Wettbewerb“ und „Wachstum“ wie ein Papagei – ge- Marktmacht und um tatsächliche stoffliche Knappheiten. fühlt dreimal pro Satz – vor sich hin redet, Da fällt der Bundesregierung nichts Besseres ein, als Hand in Hand mit den globalen Konzernen sogenannte (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Rohstoffpartnerschaften einzugehen und dabei die Do- minanz dieser Konzerne zu zementieren. muss es nach den Ankündigungen im Koalitionsvertrag, nach den vollmundigen Reden seines Amtsvorgängers, Beim letzten Glied in der Kette, zum Beispiel bei den nach all den wüsten Drohungen, als es um Tankstellen Tankstellen, kommen Sie dann und kontrollieren dieses und Steckdosen ging, anlässlich der Lebensmittelskan- letzte Glied. Ich behaupte ja nicht, dass es dort nicht ver- dale und anlässlich der Verarmung der Presselandschaft dächtige Vorgänge gibt. Aber wer allen Ernstes glaubt, doch eher peinlich sein, hier zur besten Sendezeit eine dass der Benzinpreis an der Tankstelle gemacht wird, der solche Vorlage wie diese GWB-Novelle zu präsentieren. glaubt auch, dass der Strom aus der Steckdose kommt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – GRÜNEN – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das würdet [FDP]: Nur weil Sie es nicht verstehen!) ihr noch gerne ändern, dass der Strom aus der Steckdose kommt! Das glaube ich!) An dieser Stelle muss man einmal ein paar grundle- gende Gedanken in Erinnerung bringen – Herr Rösler Wer dann noch glaubt, dass man dem Problem mit einer hat es schon angesprochen –: Das Wettbewerbsrecht be- neuen Behörde namens Markttransparenzstelle bei- steht in dieser Form seit den 50er-Jahren und stammt aus kommt, der kommt aus derselben Denkschule wie die, der Denkrichtung des Ordoliberalismus, die glauben, dass Betreuung von Betreuungsgeld kommt. (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Wohl- stand für alle!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) 22198 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Klaus Barthel (A) Auch die Untersagung von Preis-Kosten-Scheren in nen gewissen Herrn Middelhoff, mit den Worten: „Wir (C) diesem Bereich klärt doch die entscheidende Frage brauchen den Druck der Finanzmärkte“. Er beschreibt in nicht, woher eigentlich der Preis kommt, den ein Öl- seinem Buch Am besten nichts Neues die Bedrohung des konzern verlangt. Die Bundesregierung macht sich nicht Qualitätsjournalismus und der Meinungsvielfalt, die Do- einmal die Mühe, die sogenannten dynamischen Preis- minanz des Anzeigengeschäfts und den gesteuerten mechanismen, wie das wissenschaftlich heißt, aufzu- Kampagnenjournalismus. Wenn wir ehrlich sind, liebe decken, die seltsamerweise besonders immer dann viel Kolleginnen und Kollegen auch von der Koalition, dann Geld in die Kassen der Konzerne spülen, wenn die Ware wird uns zur Entkräftung dieser alarmierenden Zustands- knapp ist und der Markt eigentlich dafür sprechen beschreibung relativ wenig einfallen. würde, dass sich dann die Margen und Gewinne verrin- gern. Die Ursachen dieser Entwicklungen sind sicherlich vielfältig, und die bekommen wir auch nicht allein mit Das Problem bei dieser Art von Tankstellenaktionis- dem GWB in den Griff. Aber schlicht davor zu kapitu- mus ist doch, dass sich Staat und Politik lächerlich ma- lieren und Zusammenschlüsse weiter zu erleichtern, chen – darüber müssen Sie sich wirklich im Klaren ohne eine Gegenstrategie zu haben oder zu wollen, das sein –, wenn Sie immer so tun, als würden Sie jetzt den ist doch erbärmlich. großen Hammer herausholen, aber Sie in Wirklichkeit nur mit den Fingerpuppen des Herrn Dr. Rösler spielen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulla Lötzer [DIE LINKE]) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie verzichten sogar darauf, diese Entwicklung einmal wissenschaftlich fundiert untersuchen zu lassen, wie wir Völlig außen vor in der ganzen Debatte, in dieser es in einem Antrag der Grünen und der SPD seit langem Wettbewerbsperspektive bleibt der globale Finanzsektor, fordern. die Banken und Schattenbanken. In diesem Bereich ist die Konzentration besonders hoch, mit Folgen nicht nur (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Herr im Bereich des Bankensektors selber, sondern auch in Rösler hat ja nicht einmal Zeit, zuzuhören!) der Realwirtschaft. Schon jetzt, drei Jahre nach der Das nährt unseren Verdacht, dass Ihnen ein Schnell- Krise, ist der weltweite Finanzkapitalumschlag wieder schuss zugunsten der Großverlage aus dem Gebüsch mehr als 70-mal so hoch wie der Austausch von Waren wichtiger ist als tatsächliche Medien- und Meinungsviel- und Dienstleistungen. Sie müssen uns einmal erklären, falt in Deutschland. warum es in diesem hochkonzentrierten Bereich – von einem Markt kann man hier gar nicht reden – nicht end- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ernst (B) lich einmal zu einer Entflechtung kommt. Da wäre Ent- Hinsken [CDU/CSU]: Kollege Barthel, Sie ha- (D) flechtung gefragt. Das wäre doch mal was für einen libe- ben das Ganze doch nicht gelesen! Sonst ralen Wirtschaftsminister, der überall von Mittelstand, könnten Sie nicht so daherreden!) Wachstum und Eigenverantwortung redet. Während also durch Erleichterungen im Pressefusions- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten recht die Meinungs- und Medienvielfalt möglicherweise der LINKEN) weiter gefährdet wird, enthält der Gesetzentwurf der Bundesregierung keinen Vorschlag zur gesetzlichen Ab- Beim Pressefusionsrecht – das haben Sie angespro- sicherung des Presse-Grosso. Das Presse-Grosso sichert chen – kommt die neoliberale Handschrift noch deutli- in seiner bisherigen Konstruktion eine flächendeckende cher heraus. Die Anhebung der Aufgreifschwellen soll und diskriminierungsfreie Vertriebsstruktur für Presseer- Fusionen im Verlagsbereich erleichtern, um mehr Wirt- zeugnisse schaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu ermögli- chen. Das ist ein Anliegen der Verlegerverbände, deren (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Unterstützung die Bundesregierung natürlich an anderer Das stimmt nicht!) Stelle gut gebrauchen kann. Dieses Anliegen kam plötz- und schafft damit faire Wettbewerbsbedingungen zwi- lich bei einem Ihrer zahllosen Koalitions- und Versöh- schen kleinen und großen Verlagen. Es verhindert, dass nungsgipfel Mitte März auf den Tisch, wie aus dem größere Verlage einen besseren Zugang zu den Verkaufs- Nichts. stellen haben und aufgrund ihrer Macht günstigere Kon- Auch wir erkennen an, dass die bisherige Rechtslage ditionen durchsetzen können. die Pressevielfalt nicht hinreichend sichern kann. Im Ge- Dieses seit Jahren erfolgreiche System wird jetzt auf genteil: Immer mehr Menschen in immer mehr Regionen Druck und Klagen eines einzelnen Verlags durch Ge- – inzwischen sind es 60 Prozent der Landkreise – haben richtsurteile infrage gestellt. Deswegen fordern die Frak- nur eine Monopolregionalzeitung „zur Auswahl“. Ende tionen von SPD und Grünen – die künftige Koalition – der 60er-Jahre war das erst ein Viertel und Anfang der 90er-Jahre aber immerhin schon die Hälfte der Land- (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) kreise. „Die Axt tobt durch den Blätterwald“, schreibt ei- in einem gemeinsamen Antrag, den wir heute beraten, ner, der es wissen muss, der die Ökonomisierung und die eine gesetzliche Verankerung des Presse-Grosso. Dies Konzentration in der Presselandschaft analysiert. könnte zum Beispiel durch eine Ergänzung im GWB er- Der Zeitungsjournalist Tom Schimmeck zitiert den folgen, die dem Bundesverband Presse-Grosso die Mög- damaligen Hoffnungsträger des Hauses Bertelsmann, ei- lichkeit gäbe, wie bisher für alle Grossisten gemeinsam Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22199

Klaus Barthel (A) Konditionen auszuhandeln. Unser Appell an die Bundes- Klaus Barthel (SPD): (C) regierung und alle Fraktionen lautet: Lassen Sie uns mit Ich glaube – ich bin bei meinem letzten Satz, Herr der GWB-Novelle eine rechtlich saubere und europa- Präsident –, wir sollten die Anhörungen und die Aus- rechtskonforme gesetzliche Neuregelung des Presse- schussberatungen in den nächsten Wochen wenigstens Grosso im Sinne unseres Antrags auf den Weg bringen! dazu nutzen, um bei den Punkten, bei denen es möglich ist, Änderungen zu erzielen und dem Gesetzentwurf die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Giftzähne zu ziehen. Wir sollten an der einen oder ande- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE ren Stelle nachbessern und flankierende Regelungen GRÜNEN) schaffen, wo immer es möglich ist. Wir bitten Sie herz- Es gäbe jetzt noch viel zu sagen. Bei der Wasserwirt- lich, dass Sie sich auf diese Diskussion einlassen; denn schaft und bei den Krankenkassen lässt die Bundesregie- das, was bisher vorliegt, ist völlig unbefriedigend. rung erkennen, wohin die Reise gehen soll: Schrittweise (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sollen immer mehr Bereiche der Daseinsvorsorge und DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der des Sozialstaats dem Wettbewerb und der Privatisierung LINKEN) unterworfen werden. Sie machen das zugegebenermaßen sehr geschickt: nach und nach. Beim Wassersektor sind Sie jetzt einen Schritt zurückgegangen. Dafür schlagen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Sie bei den Krankenkassen voll zu. Aber dazu wird Für die CDU/CSU-Fraktion erteile ich jetzt dem Kol- nachher mein Kollege Lauterbach noch etwas sagen. legen Dr. Georg Nüßlein das Wort. Im Lebensmittelbereich treibt die Billigkultur täglich (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) neue Blüten. Ich kann das jetzt nicht ausführen. Die Kol- legin Drobinski-Weiß wird nachher darauf eingehen. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Aber eines ist schon jetzt erkennbar: Die GWB-Novelle Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nach wird auch im Lebensmittelbereich den Problemen nicht dieser linken Fundamentalkritik, gerecht. (Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Ich komme erst Letzten Endes sind wir sehr gespannt, was die Koali- noch!) tion zum Thema Entflechtung zu sagen hat und wie Sie bei der das Wenigste, was Sie gesagt haben, tatsächlich begründen, dass von Ihren großen Ankündigungen das GWB betraf – es waren vielmehr allgemeine politi- nichts übrig bleibt. Denn wir haben in der Tat das Pro- sche Themen –, wieder zur Sache zurückzukehren, ist blem, dass wir in den privatisierten und liberalisierten eine schwierige, aber notwendige Aufgabe. (B) Netzinfrastrukturbereichen eben nicht einen blühenden (D) Wettbewerb, sinkende Preise und Investitionen vorfin- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) den, wie es uns in den Modellen immer angekündigt worden ist. Stattdessen erleben wir Preistreiberei bei Ich möchte vorab betonen, dass wir sicher nicht von Strom und Gas, schlechten Service bei der Telekom, der linken Seite dieses Hauses Nachhilfe bei den The- Lohndumpingwettbewerb bei der Post men Wettbewerb und Bedeutung des Wettbewerbs brau- chen. (Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Auch bei öffentlichen Unternehmen, Herr Barthel!) ( [Peine] [SPD]: Genau von hier! – Klaus Barthel [SPD]: Von wo denn und vor allem eine erhebliche Investitionsblockade in al- sonst?) len diesen Bereichen. Wettbewerb ist die Grundlage und der Motor unserer Dem ist mit den Methoden, die Sie bisher vorzuwei- Marktwirtschaft. sen haben, nicht beizukommen. Die Frage ist doch, wa- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- rum zum Beispiel im Energiesektor eine Rendite von neten der FDP) 9,25 Prozent brutto für Netze nicht ausreichen soll, um Investitionen anzuziehen, sodass jetzt nach dem Staat Das müssen Sie uns doch nicht beibringen. oder nach riesigen Milliardenbeiträgen der Verbrauche- (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Deswegen rinnen und Verbraucher gerufen wird, um die Energie- machen Sie die Krankenkassen kaputt!) konzerne und Netzbetreiber zu Investitionen zu bewe- gen. – Dazu werde ich noch etwas sagen. Warten Sie doch einmal ab! Vielleicht sind Sie überrascht. Zuhören ist Es gibt viele Fragen; vieles bleibt offen in diesem Be- manchmal erkenntnisreicher, als dazwischenzubrüllen. reich. Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir das alles nicht mit dem Wettbewerbsrecht allein regeln können. (Beifall des Abg. Wolfgang Börnsen Wir sind uns auch darüber im Klaren, dass wir mit dieser [Bönstrup] [CDU/CSU]) Regierung keinen großen Wurf beim Wettbewerbsrecht hinbekommen können. Ich möchte vorab deutlich sagen, um welche Dimen- sion es hier geht. Man muss auch der Öffentlichkeit ein- mal darlegen, welchen volkswirtschaftlichen Schaden Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Hardcorekartelle, also Kartelle, die durch Absprachen Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Märkte aufteilen und Absatzquoten durchsetzen, anrich- 22200 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Dr. Georg Nüßlein (A) ten. Die EU schätzt den Schaden durch solche Kartelle geändert. Das moderne Kartellrecht, das wir schaffen, (C) auf 12 bis 24 Milliarden Euro pro Jahr. wird sich dem anpassen müssen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Für die machen Beim Pressefusionsrecht muss es darum gehen, Fu- Sie Politik, Herr Nüßlein!) sionen zuzulassen, wo sie unumgänglich sind. Das tun wir dadurch, dass wir die Aufgreifschwellen bei beab- Man kann davon ausgehen, dass durchschnittlich 20 Pro- sichtigten Fusionen im Bereich der Presse anheben, das zent der Umsatzerlöse durch kartellbedingte Preiserhö- also im unteren Bereich etwas leichter machen. hungen zustande kommen. (Klaus Barthel [SPD]: Also die Konzentration (Klaus Barthel [SPD]: Und das GWB ist jetzt beschleunigen!) die Antwort darauf?) Wir tun das dadurch, dass wir die Bagatellmarktklausel – Die Antwort darauf ist, dass wir uns darüber Gedanken so einführen, dass wir eine Zusammenschlusskontrolle machen müssen, wie man mit Bußen, aber auch mit bei kleinen Verlagshäusern unnötig machen, weil wir se- Schadensersatzforderungen diese Schäden minimiert hen, dass es einen riesigen Druck gibt, sich zusammen- und Zusatzgewinne, die erzielt werden, abschöpft. zuschließen. Das haben wir nicht gern, aber das ist eben (Klaus Barthel [SPD]: Und was kommt dazu? – so. Wir werden auch noch einmal über die Frage disku- Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Hat nur nichts tieren müssen, ob wir eine Sanierungsfusion brauchen. mit Ihrem Gesetz zu tun!) Was tut man, wenn absehbar ist, dass ein Verlag im Markt nicht existieren kann? Darüber werden wir im parlamentarischen Verfahren noch reden. Das Nämliche gilt beim Presse-Grosso. Herr Kollege Barthel, Sie haben recht; ich unterstreiche Ihre Ausfüh- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Gut, dass wir rungen dazu vollständig. Ich kann auch keinen großen darüber geredet haben! – Klaus Barthel [SPD]: Dissens in diesem Hause erkennen. Wir wollen dafür Jetzt kommt die eigentliche linke Rede! – Sorge tragen, dass Medien, Journale und Zeitungen flä- Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sozialismus aus chendeckend verteilt werden und dass kleine Verlage die Bayern!) Chance haben, in den Markt zu kommen. Dazu ist das Presse-Grosso, wie wir es organisiert haben, ein gutes – Na ja! Instrument, das wir erhalten, aber auch so gestalten wol- (Ulla Lötzer [DIE LINKE]: Jetzt ist er sprach- len, dass es auf der einen Seite weder gerichtlich noch los!) europarechtlich angegriffen werden kann, (B) (D) – Zu solchen saudummen Zwischenrufen fällt einem (Beifall bei Abgeordneten der FDP) wirklich nichts mehr ein. Ganz ehrlich. dass auf der anderen Seite aber so viel Flexibilität im (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – System bleibt, Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Vorwärts immer, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aha!) rückwärts nimmer!) dass beim Presse-Grosso den Tatsachen Rechnung getra- Jedenfalls ist dieses Gesetz schon in der jetzigen gen werden kann, dass die Auflagen zurückgehen und Form geeignet, entsprechende Rahmenbedingungen zu dass man Vertriebsstrukturen an eine solche Situation schaffen, die Fusionskontrolle voranzubringen, sinnvoll anpassen muss. (Klaus Barthel [SPD]: Davon würden wir (Klaus Barthel [SPD]: Da schauen wir mal, gerne etwas merken!) was Sie dazu vorlegen!) europäischen Vorgaben besser gerecht zu werden und Die Union ist an dieser Stelle ganz klar positioniert. das Kartellrecht noch effizienter durchzusetzen. Ich lade Sie gerne ein, im parlamentarischen Verfahren mit uns (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ein Eiertanz ist zusammenzuarbeiten. Konstruktiv mitzuwirken ist bes- das!) ser, als hier Zwischenrufe zu machen. Dann werden wir Wir wollen das auch im Rahmen dieser GWB-Novelle sehen, was wir noch tun müssen. entsprechend regeln. Glauben Sie uns: Das wird uns ge- (Klaus Barthel [SPD]: Darauf sind wir auch lingen. gespannt!) (Klaus Barthel [SPD]: Da sind wir gespannt!) Bei den Medien haben wir die größten Marktverände- Lassen Sie mich etwas zu den Ausführungen von rungen zu verzeichnen. Über diese Veränderungen hat Kollege Barthel zum Benzinmarkt anmerken. Ich gehöre auch der Minister gesprochen. Es gibt dramatische Auf- zu denen, die sagen: Lasst uns keine falschen Erwartun- lagenrückgänge. Natürlich muss sich das Kartellrecht an gen wecken. Ich glaube nicht, dass das, was wir als Ge- der wirtschaftlichen Realität orientieren. Man muss sich setzgeber an dieser Stelle tun können, einen Beitrag dazu fragen, was sich auf dem Markt tut. Herbeibeten kann leisten wird, dass die Benzinpreise sinken. man die Medienvielfalt nicht. Das, was sich auf dem Markt abspielt, resultiert aus einer anderen medialen (Klaus Barthel [SPD]: Das haben Sie aber Nutzung. Das Verbraucherverhalten hat sich nun einmal eben angekündigt!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22201

Dr. Georg Nüßlein (A) Aber wir können doch etwas dafür tun, dass die Transpa- Ein anderer Markt, der mir Sorgen macht, ist der Le- (C) renz wächst und man genauer weiß, welche Tankstelle bensmittelmarkt. Da gibt es ein hohes Maß an Konzen- zu welchem Zeitpunkt mit welchem Benzinpreis auf tration. Aber ich muss ganz ehrlich zugeben, dass das dem Markt ist. Das wird uns, wenn man die vom Minis- Kind da schon in den Brunnen gefallen ist. Wir hätten ter vorgeschlagene Markttransparenzstelle richtig ausge- früher darüber nachdenken müssen, welche zusätzlichen staltet, insbesondere dadurch gelingen, dass man die Fusionen man hier und da, etwa im Wege der Minister- Endpreise über das Internet publiziert. erlaubnis, zulässt. Ganz offen gesagt, macht es mir schon Sorgen, wenn ich sehe, dass nur noch vier oder (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: fünf Leute in dieser Republik, nämlich die Einkäufer der Das sind wirtschaftliche Güter! Was ist mit großen Lebensmittelkonzerne, über die Frage entschei- kulturellen Gütern?) den, was ich mittags auf den Teller bekomme. Deshalb Ansonsten müssen wir alles tun, meine Damen und werbe ich immer dafür, das Verbot des Verkaufs unter Herren, dass die freien Tankstellen, die eigentlichen Einstandspreis zu erhalten. Ich freue mich, dass es uns Wettbewerber zu den großen Ketten, die Möglichkeit ha- gelungen ist, dies in diesem Gesetz zu sichern. ben, weiter zu existieren. (Klaus Barthel [SPD]: Wahnsinn!) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Deshalb sind Denn jenseits der Frage, wie scharf dieses Schwert ist, die freien Tankstellen auch gegen Ihren Vor- ist es ein deutliches Signal, dass wir uns bestimmte Vor- schlag!) gehensweisen – insbesondere solche mit einer ethischen Dimension wie etwa der Umgang mit Lebensmitteln – Das machen wir über die Preis-Kosten-Schere sowie nicht gefallen lassen. über die Frage, wer wie beliefert wird. Dass sie von den großen Lieferanten nicht schlechter behandelt werden (Klaus Barthel [SPD]: Das ist der Wahnsinn!) dürfen als eigene Tankstellen, ist ganz klar. Das wird Insgesamt ist diese Novelle in ihren Grundlagen, die auch im GWB verankert bleiben. Zudem müssen wir da- der Regierungsentwurf bietet, gut. Im parlamentarischen rauf achten, dass wir im Wege der Fusionskontrolle si- Verfahren wollen wir noch an der einen oder anderen cherstellen, dass es nicht zu einer weiteren Konzentra- Stelle nachbessern. tion in diesem Bereich kommt. Das halte ich für sehr entscheidend. (Klaus Barthel [SPD]: Deutlich nachbessern!) Wir werden auch die Missbrauchsaufsicht für Strom Da, wo es Konsens gibt, beispielsweise beim Thema und Gas weiter in der verschärften Art und Weise auf- Presse-Grosso, lade ich Sie gerne zum Mitmachen ein. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dann der Kritik (B) rechterhalten; denn auch hierbei bin ich der Auffassung, (D) dass der Wettbewerb noch nicht so ist, wie wir ihn uns enthielten und uns gelegentlich einmal lobten. Das wäre alle miteinander wünschen. Deshalb macht es Sinn, dies einmal etwas Neues. aufrechtzuerhalten. Vielen herzlichen Dank. Ich gebe ganz offen zu, Herr Minister, dass die CSU (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) beim Thema Krankenkassen ausgesprochen kritisch ist. Bei den Krankenkassen handelt es sich nämlich nicht um Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ganz normale Unternehmen. Die Krankenkassen unter- liegen unserem Sozialrecht und sind vielfach sogar zur Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin Zusammenarbeit verpflichtet. Ulla Lötzer. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Guter Mann!) Ulla Lötzer (DIE LINKE): Das heißt, wenn man hier Eingriffe vornimmt, um den Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Rösler und Kol- Wettbewerb zu sichern – unstrittig ist, dass wir den Wett- lege Nüßlein, von Ihren großen Ankündigungen, Sie hät- bewerb erhalten wollen –, muss man gleichzeitig genau ten etwas vorgelegt, das eine Anpassung an die Entwick- diese Zusammenarbeitsmöglichkeiten einschränken, lung des Wettbewerbs bedeutet und der Konzentration weil dieses Thema im Interesse der Patientinnen und Pa- tatsächlich entgegenwirkt, ist in dem Entwurf überhaupt tienten liegt. Man kann das nicht einfach grob über den nichts zu spüren. Allenfalls erfüllt der Entwurf einige Kamm des Wettbewerbsrechts scheren. Vielmehr muss wenige minimale Anforderungen: die Anpassung des man ganz klar sagen: Bei einer Menge Dinge dient die deutschen Rechts an die Definition von Marktmacht in Zusammenarbeit der Gesundheit der Patientinnen und europäischen Bestimmungen, die Formulierung von Patienten. Deshalb werden wir auch an dieser Stelle Prüfkriterien, juristische Vereinfachungen, Klarstellun- noch einmal über die Frage reden müssen, wie man es gen und bessere Systematisierungen. Auch die Erweite- schafft, das eine zu sichern, nämlich den Wettbewerb, rungen im Hinblick auf das Kartellrechtsverfahren wer- und das andere nicht zu verhindern, nämlich die gesund- den von uns begrüßt. heitspolitisch sinnvolle Zusammenarbeit der Kassen. Angesichts der realen Probleme mit der Marktmacht (Klaus Barthel [SPD]: Da sind wir sehr ge- von Konzernen in vielen Bereichen gibt es aber eine spannt! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Kämp- massive Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. fen müssen wir! Kämpfen!) Letztlich wiederholen Sie hier das übliche Schauspiel Ih- 22202 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Ulla Lötzer (A) rer Regierungskoalition: Die Kernprobleme und Kon- (Beifall bei der LINKEN) (C) fliktfelder werden ausgeblendet; der Rest wird mit viel heißer Luft zur Reform aufgeblasen. Das haben Sie hier Während Sie in dem einen Bereich zu wenig regeln, heute Morgen sehr deutlich gemacht, Herr Rösler. überregulieren Sie in dem anderen, bei den Krankenkas- sen. Diese sollen in das Kartell- und Wettbewerbsrecht (Beifall bei der LINKEN) eingebunden und damit in Zukunft wie privatwirtschaft- liche Unternehmen behandelt werden. Über diesen Um- Diese Auffassung finden Sie auch in zahlreichen Stel- weg wollen Sie dem gerade von der FDP lang gehegten lungnahmen von Verbänden, Sachverständigen und so- Ziel einer schrittweisen Privatisierung des Gesundheits- gar konservativen Juristen. Lassen Sie mich einige zen- wesens näher kommen. trale Punkte herausgreifen. (Zuruf von der LINKEN: So ist das! – Zuruf Unternehmen erzielen, oft jahrelang, Erlöse und Ge- von der FDP: Blödsinn!) winne durch Absprachen mit Konkurrenten und zu hohe Preise. Festzustellen ist: Von den bisherigen Kartellstra- Das Bundesministerium für Wirtschaft soll Kontrollbe- fen und Bußgeldern geht keine abschreckende Wirkung fugnisse im öffentlich-rechtlichen Gesundheitswesen er- aus. Die Strafen sind zu gering. Es lohnt sich, gegen das halten. Krankenkassen sind nach unserer Auffassung GWB und andere Vorschriften zu verstoßen, bis man keine Unternehmen. Deshalb müssen sie aus der Novelle auffliegt. Das wird nach Ihrem Entwurf leider so blei- herausgenommen und von Herrn Röslers Kontrollbefug- ben. nissen ausgenommen werden. Das gilt insbesondere für die Benzinpreise; Herr (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Nüßlein hat eben etwas dazu gesagt. Das Bundeskartell- neten der SPD und der Abg. Birgitt Bender amt hat festgestellt, dass die Mineralölkonzerne den [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Benzinpreis künstlich in die Höhe treiben, ohne zu for- malen Preisabsprachen zu greifen. Natürlich ist ein Teil Kolleginnen und Kollegen, die skizzierten Problem- dieser Preiserhöhungen durch steigende Nachfrage und felder sind uns allen längst bekannt. Letztlich versagt die durch Spekulation entstanden oder dadurch, dass die Er- Politik seit Jahrzehnten, wenn es darum geht, die Markt- schließung neuer Ölfelder immer teurer wird. Dass in macht von Unternehmen konkret zu begrenzen. Herr dieser Situation die Mineralölkonzerne weiter ihre Ex- Rösler, trotz GWB und Fusionskontrolle auf deutscher tragewinne aufgrund ihrer Oligopolstellung draufschla- und europäischer Ebene steigt die Konzentration. Ab- gen können, ist umso weniger hinzunehmen – genauso sprachen und Preiskartelle werden immer wieder aufs wenig wie Ihre Untätigkeit gegenüber der Spekulation. Neue aufgedeckt. Oft werden Verfahren nur durch Aus- sagen von Kronzeugen und Mitbewerbern möglich; Ver- (B) (Beifall bei der LINKEN) bote werden dann ausgesprochen und Kartellrechtsstra- (D) fen verhängt. Weiter bestimmen auf vielen Märkten nur Nach unzähligen Rettungsschirmen haben wir es wenige große Unternehmen über Angebotsmengen und heute mit Finanzmarktakteuren zu tun, die noch größer Preise. Der in Ihren Reden immer wieder beschworene und damit noch systemrelevanter sind als 2007. Das Pro- freie Wettbewerb findet nicht oder nur eingeschränkt blem des „too big to fail“ ist mithilfe der zugunsten der statt. Banken mobilisierten Steuermittel und Garantien bei uns und in Europa noch drängender geworden statt kleiner. Das Problem ist: Sie gehen nicht an den Kern des Pro- Darauf geben Sie keine Antwort. Der Entwurf ist diesbe- blems heran. Marktbeherrschende Unternehmen unter- züglich ein Totalausfall. liegen der Missbrauchsaufsicht. Sie gehen aber nicht das Grundproblem der Vermachtung der Märkte mit all ihren Ähnliches gilt für die viel diskutierte Frage der Pres- sozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen an. sefusionen. Knapp 60 Prozent aller Zeitungen werden Seit langem verweisen Bundeskartellamt und Monopol- von zehn großen Verlagen angeboten. Die Konzentration kommission darauf, dass sich der Machtmissbrauch in steigt von Jahr zu Jahr. Sie ist nicht das Ergebnis des diesen Bereichen oft nicht nachweisen lässt. Deshalb Wettbewerbs um die besten Presseprodukte, sondern müsste eine Entflechtung an eine marktbeherrschende schlicht das Ergebnis eines Verdrängungswettbewerbs, Stellung gebunden werden – sie darf nicht erst Instru- in dem die finanzstärksten Verlage dominieren. ment der Missbrauchsaufsicht sein –, und genau das tun Natürlich wissen auch wir, dass weniger Konzentra- Sie nicht. tion im Medienbereich nicht Garant ist für differenzierte (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Berichterstattung, Meinungsvielfalt und demokratische neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Streitkultur. Aber ohne die Sicherung einer Vielzahl un- Zuruf von der CDU/CSU: Weil es um Verstöße abhängiger Medien ist der Anspruch darauf überhaupt geht!) nicht zu erfüllen. Ohne Maßnahmen gegen die Konzen- tration finden viele engagierte Verlage und Journalisten, Die Umsetzung Ihrer vollmundigen Ankündigung, insbesondere bei kleineren Regionalzeitungen, erst recht Herr Rösler, ein wirkungsvolles Entflechtungsgesetz in keinen Platz mehr. Stattdessen – das haben Sie beide diesem Sinne zu formulieren, ist schlicht ausgeblieben. deutlich gemacht – wollen Sie die Global Player im Me- Jetzt bleibt uns bis zur Verabschiedung des vorliegenden diengeschäft auf europäischer Ebene fördern. Das ist un- Gesetzentwurfs tatsächlich nur noch der Wettbewerb um erträglich angesichts der Bedeutung der Medien in der einen besseren Entwurf, damit Sie, Herr Nüßlein, in den Demokratie. Debatten, in den Anhörungen und im weiteren Verfahren Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22203

Ulla Lötzer (A) von der Linken lernen können, was Wettbewerb und schaftsminister Brüderle hat den sinnvollen Vorschlag (C) Wettbewerbsförderung in einer sozialen Marktwirtschaft gemacht, wonach nicht der Nachweis des Missbrauchs tatsächlich sind. durch die marktbeherrschenden Unternehmen entschei- dend sein sollte; vielmehr sollte allein die Tatsache, dass Danke für die Aufmerksamkeit. es ein marktbeherrschendes Unternehmen gibt, Anlass (Beifall bei der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein dazu geben, das Entflechtungsinstrument anzuwenden. [CDU/CSU]: Volkseigene Betriebe, Frau Kol- Die Monopolkommission und das Kartellamt haben die- legin! – Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: sen Vorschlag bekräftigt. Wider besseres Wissen ver- Von der DDR Wettbewerbsrecht, ja? Anständi- schimmelt dieser Vorschlag nun in der Schublade. Es ger Fünfjahresplan statt Wettbewerb, ja, Frau wäre doch wirklich gut, wenn Sie ihn noch einmal her- Lötzer?) vorholten. Was Sie jetzt praktizieren, ist ein Einknicken und dient weder dem Wettbewerb noch dem Markt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das Wort hat jetzt die Kollegin Kerstin Andreae für NEN]: Ganz im Gegenteil!) Bündnis 90/Die Grünen. Bei der Anwendung des Entflechtungsinstruments haben Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie nicht den entscheidenden Schritt getan. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht gibt es noch Bewegung. Wir werden Ihnen Eine erstaunliche Fusion von Frau Lötzer und Herrn diesen Vorschlag noch einmal unterbreiten. Wir hoffen, Brüderle bei der Frage eines möglichen Entflechtungs- dass wir dann zumindest auf die Stimmen der FDP zäh- instruments! Ich komme noch dazu. len können. Vorab vielleicht eines: Ich finde, es ist wirklich eine (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Auf die sehr intensive und sehr fachliche Debatte, in der wir uns FDP immer! – Heiterkeit bei Abgeordneten mit dieser GWB-Novelle auseinandersetzen. Ich glaube, der FDP) dass wir im Verfahren auch noch Verbesserungen errei- chen, weil wir alle eine unternehmerische Landschaft – Ich finde schon, dass Sie sich mit der Frage auseinan- wollen, in der es Kreativität und Flexibilität gibt, weil dersetzen müssen, wie Sie dieses Entflechtungsinstru- wir vermachteten Strukturen entgegenwirken wollen, ment – Sie führen immer wieder an, dass Sie wollen, weil wir wollen, dass nicht der Stärkere, sondern der dass es wie ein scharfes Schwert wirkt; der Minister hat Bessere die Nase vorn hat und die Verbraucher profitie- es als Ultima Ratio bezeichnet – so anwenden, dass es ren. greifen kann. Unter den jetzigen Voraussetzungen kann (B) es nicht greifen; das wissen Sie im Übrigen so gut wie (D) Herr Rösler, ich fände es wirklich passend, wenn Sie ich. Für Sie stellt sich natürlich die Frage, ob Sie hier dieser Debatte aufmerksamer folgten, als Sie es tun. nicht noch nachbessern sollten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entscheidend ist, dass die verhängten Bußgelder auch und bei der SPD – Dr. Erik Schweickert gezahlt werden. Bisher funktioniert das ganz gut: Rund [FDP]: Oh!) 80 Prozent der Bußgelder, die verhängt werden, werden – Doch! Da brauchen Sie nicht „Oh!“ zu sagen. – Herr gezahlt. 2011 wurden Bußgelder in Höhe von ungefähr Rösler, Sie haben sehr viele Kollegen im Kabinett, die 190 Millionen Euro verhängt; davon sind 162 Millionen immer dann, wenn es um Debatten zu ihrem Bereich Euro gezahlt worden. Nun ist Folgendes passiert: Der geht, sehr aufmerksam dabei sind, das Parlament ernst BGH hat im Jahr 2011 zwei Grundsatzentscheidungen nehmen und im Hinblick auf die Frage: „Welche Verbes- gefällt. Er hat dadurch potenziellen Kartellsündern auf- serungsmöglichkeiten und Ideen gibt es noch?“ die De- gezeigt, wie man durch Umstrukturierungen in einem batte wirklich aufmerksam verfolgen. Das nehme ich bei Unternehmen in der Lage ist, solchen Bußgeldern zu Ihnen leider gerade nicht wahr. Ich hatte die letzten entgehen. Jetzt muss die entstandene gesetzliche Lücke 40 Minuten die Möglichkeit, Sie zu beobachten. Ich geschlossen werden. Es geht zum einen um das Geld, muss sagen: Ich würde mir mehr Aufmerksamkeit von das dem Bundeshaushalt nicht zufließt, zum anderen um Ihnen wünschen. die Glaubwürdigkeit des gesamten Verfahrens. Wir müs- sen alle Lücken schließen, die sich bei der Frage erge- (Zuruf von der CDU/CSU: Sie beobachten ben, wie man Bußgelder und Kartellbescheide umgehen also 40 Minuten Herrn Rösler! Das ist ja auch kann, damit wir als Staat deutlich machen: Uns ist es interessant!) ernst mit Wettbewerb. Uns ist es ernst damit, vermach- Der Gesetzentwurf, den die Regierung hier vorgelegt tete Strukturen und Kartelle zu bekämpfen. Wir werden hat, erfüllt noch nicht die Voraussetzungen, die wir brau- uns hier für den Mittelstand, für die kleinen Unterneh- chen, um den Wettbewerb als Herz der Marktwirtschaft merinnen und Unternehmer einsetzen. zu schützen, um wirklich faire Spielregeln aufzustellen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. [SPD]) und bei der SPD) Der Schutz des Wettbewerbs ist auch Verbraucher- Das Entflechtungsinstrument ist derzeit noch ein zahn- schutz. Das ist bereits erwähnt worden; wir teilen diese loser Tiger. Ich habe es gesagt: Der damalige Wirt- Auffassung. Der Verbraucherschutz muss daher als 22204 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Kerstin Andreae (A) Schutzzweck in das Gesetz aufgenommen werden. Es Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) wäre ganz wichtig, dass Sie sich hinstellen und sagen: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Martin Lindner Ja, Verbraucherschutz ist Zweck des Gesetzes. von der FDP-Fraktion. (Beifall der Abg. Caren Lay [DIE LINKE] – (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Nur Frau Lay ap- Klaus Barthel [SPD]: Jetzt kommt der Anti- plaudiert! – Beifall der Abg. Tabea Rößner Nüßlein!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Caren Lay [DIE LINKE]) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Die Verbraucherverbände sagen uns: Die Hürden für die Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Kol- Möglichkeiten, dem Verbraucherschutz tatsächlich nach- legin Andreae, das Thema, das wir hier behandeln, be- zukommen, sind nach wie vor zu hoch. Es muss nachge- rührt den Kernbereich liberalen Denkens. Natürlich geht wiesen werden, dass Absprachen getroffen worden sind. es – Kollege Barthel, Sie haben recht – um Ordolibera- Ein solcher Nachweis ist nicht zu leisten. Die Gewinnab- lismus. Sie konstruieren hier allerdings einen Gegensatz schöpfungsmöglichkeit ist nach wie vor nicht gegeben. zum Neoliberalismus, der einer historischen Analyse Wir müssen die Vorteilsabschöpfung, die man durch überhaupt nicht standhält. Der Neoliberalismus, auch Kartellbildung hat – oft liegen die Kartellrenditen zwei- Ordoliberalismus genannt, war in der Nachkriegszeit die bis dreimal höher als die zu zahlenden Bußgelder –, Antwort der klassischen Lehre auf den Laisser-faire- wirklich ernst nehmen. Die Verbraucherverbände sollten Liberalismus des davorliegenden Jahrhunderts. Dieser gestärkt werden. Hier müssen wir nachbessern; sonst wurde noch vertreten von von Mises. Die Vertreter des bleibt das Ganze eine Fata Morgana. Ordoliberalismus – Müller-Armack, Eucken und andere – setzten dem ein Modell – jeder kann machen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN was er will – entgegen, bei dem der Staat ein starker und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Schiedsrichter, ein starker Regelgeber ist, aber kein Mit- LINKEN) spieler. Das ist der Unterschied zu Ihrer Denklehre. Sie Jetzt noch ein Wort zur Frage der Ministererlaubnis vertreten eine Denkschule, in der der Staat durch öffent- und der Rolle des Parlaments. Es ist angesprochen wor- liche Unternehmen selbst eine starke Rolle spielt. Diese den, dass wir in der Vergangenheit mehrere Minister- vertreten wir nicht. Wir bekennen uns aber zu einem erlaubnisse hatten. Jede zweite Ministererlaubnis ist starken Staat als Regulierer und Aufsichtsführenden übrigens gegen das Votum der Monopolkommission aus- über die wirtschaftlichen Prozesse in diesem Lande. gesprochen worden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (B) (D) (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dies ist in der Tat die Grundvoraussetzung, dass sich NEN]: Das ist unglaublich!) Wettbewerb zugunsten des Verbrauchers entwickelt. Da- Ein Mal war es unter Beteiligung der Grünen, übrigens rin stimme ich mit Ihnen vollständig überein. Der Libe- drei Mal unter Beteiligung der FDP. Jeder von uns hat ralismus und hier speziell das Wettbewerbsrecht hat die also ein Päckchen zu tragen. Die Ministererlaubnis als zentrale Rolle, dem Verbraucher zu nutzen, indem er ihm Instrument muss bei der Frage nach einem überragenden ein möglichst breites Angebot zur Verfügung stellt und Interesse eine Rolle spielen. Das, was wir wollen, haben nicht den Markt auf Oligopole oder gar Monopole be- wir in unseren Antrag geschrieben: Stärken Sie die Rolle schränkt, seien sie staatlich oder privat. Hier muss ich des Parlaments! Die Ministererlaubnis muss erst einmal sagen, dass mir das öffentliche Monopol lieber ist als das durch den Bundestag. Es geht nicht, dass der Wirt- private Monopol. Auch dies gehört zur Wahrheit. schaftsminister allein entscheidet. Wenn Sie sich nicht Wir haben in Deutschland – das muss man klar be- dazu durchringen können, dass der Bundestag entschei- kennen; deswegen danke ich dem Minister für die Vor- det, so sollte das ganze Kabinett über eine Ministerer- lage dieses Gesetzes – Entwicklungen, die durchaus laubnis beschließen. Die Ministererlaubnis darf nicht al- schwierig sind und einer besonderen Beobachtung be- lein in der Hand des Wirtschaftsministers bleiben. dürfen, so zum Beispiel im Einzelhandel. Man muss (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ganz klar sehen, dass es dort eine unerfreuliche Tendenz bei der SPD und der LINKEN) zu weniger dominierenden Unternehmen und herstellen- den Unternehmen gibt, die in ihrem Bereich durchaus Also: Den Gesetzentwurf werden wir im parlamenta- eine Marktpotenz haben. Sie geraten dann in Schwierig- rischen Verfahren sehr ernsthaft mit Ihnen diskutieren. keiten, wenn in den Regalen nur noch ein Miniaturanteil Wir werden Ihnen Vorschläge machen. Wir haben schon angeboten wird. Dies bringt die Lebensmittelhandelsbe- Vorschläge in einem Antrag festgehalten. Wir finden es triebe in eine sehr starke Stellung. Deswegen ist es rich- wichtig, dass hier nachgebessert wird zum Schutz des tig, dass wir hier vorgehen und ein starkes Gesetz behan- Wettbewerbs, den wir alle wollen, aber auch zum Schutz deln. der Verbraucherinnen und Verbraucher, denen der Wett- bewerb nutzt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. [DIE LINKE]: Mutig!) Herzlichen Dank. Der zweite Aspekt, den ich hier aufgreifen möchte, ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Entwicklung der Mineralölpreise. Dies ist ein bei der SPD und der LINKEN) schwieriges Feld. Heute liegt der Preis für 1 Liter Rohöl Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22205

Dr. Martin Lindner (Berlin) (A) bei 49 Cent. Wenn Sie jetzt den staatlichen Anteil hinzu- (Klaus Barthel [SPD]: Da fällt ihm nichts (C) nehmen – also die Steuern: Mineralölsteuer, Ökosteuer, mehr zu ein!) Umsatzsteuer, Steuer auf die Steuer –, kommen Sie auf Eine Medienkonzentration gibt es nur noch teilweise. In etwa 90 Cent. Wenn Sie das addieren, kommt man auf den meisten Regionen Deutschlands ist der Medien- den Bereich, der in Deutschland überhaupt einer Regu- lierung zugänglich ist; der liegt bei etwa 20 Cent. Das markt im Grunde intakt. Kein Mensch kann doch be- haupten, dass es zu wenig Verlagsprodukte gibt. Aller- betrifft die Raffinierung des Öls, den Vertrieb und die dings gibt es tatsächlich – Herr Barthel, spitzen Sie Ihre Tankstellen. Wenn Sie von dieser Summe jetzt noch die Positions- und Herstellungskosten abziehen, erkennen Ohren – in einigen Bereichen der Printmedien eine Kon- zentration; zum Beispiel dort, wo der SPD-eigene Me- Sie, über welchen Bereich wir hier tatsächlich diskutie- dienverlag ddvg unterwegs ist, ren. (Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD: Wenn Ihnen der Vorschlag des Ministers nicht weit Ah! Oh!) genug geht und Sie sagen: „Das reicht uns nicht“, dann machen Sie Vorschläge. der regelmäßig im Kommissionsbericht der KEK, der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Me- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dienbereich, erwähnt wird. NEN]: Ja, natürlich!) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nur weil die Es gibt ja internationale Ideen, zum Beispiel das soge- FDP pleite ist! Nur kein Neid! – Zurufe von nannte westaustralische Modell, das sich bemerkenswer- der FDP: Hört! Hört!) terweise schon im restlichen Australien nicht durchge- setzt hat, weil es nichts taugt. Deswegen mein Rat: Fangen Sie einfach einmal bei sich an! (Klaus Barthel [SPD]: Haben Sie doch immer abgeblockt!) (Klaus Barthel [SPD]: Oje!) Es gibt das sogenannte österreichische Modell, ebenfalls Machen Sie das Ganze doch transparent. Schreiben Sie ein Regulierungsmodell, das aber eher zur Erhöhung der auf jede Ihrer Publikationen oben drauf, dass sie der Preise geführt hat. SPD gehört. Dann wissen die Leser wenigstens, was da- rin steht oder warum es darin steht. (Klaus Barthel [SPD]: Das ändert doch an dem (Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Barthel Problem nichts!) [SPD]: Ist transparent! Kann man alles nach- (B) Wenn Sie jetzt fordern, dass wir in diesem Bereich zu lesen!) (D) Entflechtungen kommen sollen, Kollege Barthel und Ich würde an Ihrer Stelle erst einmal bei mir selbst an- Kollegin Andreae, dann müssen Sie schon sagen, was fangen, bevor ich mit dem Finger auf andere zeige. Sie entflechten wollen und was Sie entflechten können. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Die Nazis woll- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein! Sie haben ten uns enteignen, die Kommunisten, und Sie das angekündigt!) jetzt auch!) Entflechten können Sie ja nur die Kette zwischen Raffi- – Ich will Sie doch nicht enteignen. Ich will nur, dass die nierung, Vertrieb und Tankstelle. Ich garantiere Ihnen: Leser wissen, wer der Urheber des ganzen Unsinns ist, Das wird nicht zu sinkenden, sondern zu steigenden der teilweise darin steht. Nur darum geht es mir. Preisen führen. (Klaus Barthel [SPD]: Kann man alles nach- (Klaus Barthel [SPD]: Sie haben das immer auf- lesen!) gebracht! Das steht im Koalitionsvertrag!) Lassen Sie mich zum Schluss noch einige grundsätz- Deswegen ist es richtig, dass wir uns auf eine Markt- liche Bemerkungen zum Wettbewerb in der Daseinsvor- beobachtung konzentrieren. Deswegen ist das von der sorge machen. Koalition gewählte Mittel das einzig vernünftige. (Klaus Barthel [SPD]: Schwacher Entlastungs- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das steht im angriff!) Koalitionsvertrag!) Der Wettbewerb in der Daseinsvorsorge ist auch eine Sie aber haben keine Vorschläge, wie immer in den De- zentrale Forderung und die Grundvoraussetzung für sin- batten, die wir hier gemeinsam führen. kende Preise. In diesem Zusammenhang mache ich Ih- nen klar: Das, was wir fordern, ist kein Etikettenschwin- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – del in dem Sinne, dass ein öffentliches Unternehmen Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das steht in Ih- jetzt in eine private Rechtsform gegossen wird und das rem Koalitionsvertrag! Das war nicht unsere Ganze dann als Privatisierung läuft. Vielmehr interes- Idee, Herr Lindner! Herr Brüderle hat den Un- siert uns auch hier der Wettbewerb, weil auch hier nur sinn angekündigt, Sie kriegen das nicht hin!) der Wettbewerb zu günstigen Preisen führt. Im Medienbereich haben wir eine besondere Situa- Ihre Vorgehensweise – vor allem in den Ländern unter tion, die ebenfalls unsere Aufmerksamkeit verdient. SPD-Verantwortung –, bei den Wasserbetrieben Minder- 22206 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Dr. Martin Lindner (Berlin) (A) heitsbeteiligungen an Unternehmen der Daseinsvorsorge (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (C) in private Hand zu geben, ohne Wettbewerb zu schaffen, ist ein sozialdemokratisches Modell des Wettbewerbs; Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: das ist nicht unseres. Das Wort hat jetzt die Kollegin Elvira Drobinski- (Klaus Barthel [SPD]: Sie wollen sogar an die Weiß von der SPD-Fraktion. Kommunen heran, Herr Lindner! Sagen Sie es (Beifall bei der SPD) doch!) Dieses Modell würde überhaupt nur Sinn machen, wenn Elvira Drobinski-Weiß (SPD): hier durch eine Vergabe dafür gesorgt würde, dass die öf- Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kol- fentlichen Ansprüche gedeckt werden. legen! Sehr verehrte Damen und Herren! Aus Ver- brauchersicht enthält dieser Regierungsentwurf, Herr Das gilt übrigens auch bei den Krankenkassen. Die Minister, nur Placebos. Wirksame Mittel für den Ver- Qualität des Produkts wird durch Aufsicht und die Regu- braucher sind im Vorschlag dieser Bundesregierung lierung erreicht, aber nicht durch die Tatsache, dass das nicht enthalten; Sie täuschen das nur vor. Ganze durch öffentlich Bedienstete ausgeführt wird. Das bringt überhaupt nichts. Man merkt es aber: Jedes Mal, So wollen Sie zum Beispiel den Verbraucherverbän- wenn es um Ihre heiligen Kühe, die öffentlichen Unter- den ein Klagerecht einräumen, wie es das für Unterneh- nehmen, geht – das war auch bei der Kollegin Lötzer so –, mensverbände schon seit der 7. GWB-Novelle gibt. Das dann kreischen Sie auf und nennen das Ganze „Überre- ist gut; denn damit greifen Sie einen Vorschlag der rot- gulierung“. grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2005 wieder auf. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist ja der (Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) Sozialstaat! Das haben Sie nicht begriffen! Da- Damals hatten Sie das Verbandsklagerecht für Verbrau- seinsvorsorge!) cherverbände im Vermittlungsverfahren wieder heraus- – Herr Heil, das hat mit dem Sozialen doch gar nichts zu geworfen. Ich hoffe nun, dass das nicht wieder passiert. tun. Das Soziale kommt dann ins Spiel, wenn im Rah- (Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) men des Wettbewerbs vernünftige Leistungen zu günsti- gen Preisen angeboten werden. Dennoch ist das Klagerecht ein Placebo; denn wir alle wissen inzwischen, dass die Klagebefugnis allein nicht (Beifall bei der FDP – Hubertus Heil [Peine] reicht. Der Vergleich mit dem Klagerecht der Unterneh- [SPD]: Art. 20 Grundgesetz!) mensverbände und den ähnlich gestalteten Regelungen (B) Schauen Sie sich einmal Ihren Sozialstaat hier in Ber- im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zeigt: Das (D) lin an, wo Ihre Partei dafür sorgt, dass beispielsweise im Klagerecht allein ist noch kein wirksames Mittel. Bereich der S-Bahn ein Monopol quasi zementiert wird! Stattdessen müssen wir erstens Anreize schaffen, so- Anstatt hier Leistungen zu vergeben und öffentlich aus- dass die Verbraucherverbände das Klageinstrument auch zuschreiben, sorgen Sie dafür, dass immer wieder der- nutzen. Wenn der Vorstand einer Verbraucherzentrale selbe Anbieter die Leistungen anbietet, und wundern auf der Grundlage des Regierungsentwurfs versuchen sich, dass diese Leistungen dann eben nicht mehr ad- würde, die zulasten der Verbraucher erlangten Vorteile äquat sind. bei einem Unternehmen abzuschöpfen, bringt es ihn in die Nähe einer Untreuehandlung; denn das Prozessrisiko Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: trägt allein seine Verbraucherzentrale. Das kann für die Herr Lindner, kommen Sie bitte zum Schluss. Verbraucherzentrale sehr schnell zu Kosten im fünfstelli- gen Bereich führen. Gewinnt die Verbraucherzentrale, Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): muss sie die abgeschöpften Unrechtsgewinne an die Bundeskasse abführen. Warum also sollte sie klagen? Ganz zum Schluss mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsi- dent, ein Satz zum Thema Ministererlaubnis. Sie versu- Der Bundesrat schlägt deshalb vor, ein Sondervermö- chen immer wieder, die Belange der Exekutive und die gen zu bilden, in das die abgeschöpften Vorteile fließen der Legislative zu mischen. sollen. Damit könnten die Arbeit der Verbraucherzentra- len und die Prozessrisiken finanziert werden. Wir haben Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: bereits vor zwei Jahren gefordert, die abgeschöpften Un- Herr Lindner, nein, Sie müssen jetzt zum Schluss rechtsgewinne mit demselben Ziel der Deutschen Stif- kommen, bitte. tung Verbraucherschutz zur Verfügung zu stellen. Klar ist: Auf gar keinen Fall dürfen die Unrechtsgewinne beim Unternehmen verbleiben; denn Wettbewerbsver- Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): stöße dürfen sich nicht lohnen. Das sind klassische Einzelfallentscheidungen, und das werden sie auch bleiben. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Ich freue mich auf die Beratungen und wünsche Ihnen Das Kaffeerösterkartell, das im Jahr 2009 vom Kar- ein schönes Wochenende. tellamt aufgedeckt wurde, hat bei den Verbrauchern nach Schätzungen der Verbraucherverbände einen Schaden Herzlichen Dank. von rund 4,8 Milliarden Euro verursacht. Die verhängten Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22207

Elvira Drobinski-Weiß (A) Kartellbußen betrugen dagegen nur 159,5 Millionen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) Euro. Also haben sich die Preisabsprachen selbst nach Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Matthias Heider Abzug der Bußgelder doch für die Kaffeeröster gelohnt. von der CDU/CSU. Zweitens müssen im parlamentarischen Verfahren die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Voraussetzungen für eine Vorteilsabschöpfung refor- miert werden. Bisher muss den Kartellsündern Vorsatz oder Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Das ist eine Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): so hohe rechtliche Hürde, dass es weder die Verbände Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! noch das Kartellamt bisher gewagt haben; Kollegin Meine Damen und Herren! So wie die Debatte heute Andreae hat bereits darauf hingewiesen. morgen verläuft, scheint es nicht zu schaden, wenn wir uns noch einmal das Grundanliegen des GWB vor Au- Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Bundes- gen führen. Gerade kam die Bemerkung, dass die bayeri- kartellamt macht gute Arbeit. Gerade im Konsumgüter- sche Sichtweise hier nicht richtig sei. „Wohlstand durch bereich hat es in letzter Zeit eine Reihe von Kartellen Wettbewerb“, schreibt Ludwig Erhard aufgedeckt. Auf die Ergebnisse beispielsweise der Sek- toruntersuchung im Bereich des Lebensmitteleinzelhan- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das war ein dels sind wir schon sehr gespannt. Ich glaube, dass sich Franke! Guter Mann!) öffentliche Rechtsdurchsetzung durch das Kartellamt und private Rechtsdurchsetzung durch die Verbraucher- in seinem Buch Wohlstand für alle im Jahr 1957, genau verbände sinnvoll ergänzen können. Hinweise, die bei in dem Jahr, in dem das Gesetz gegen Wettbewerbsbe- den Verbraucherzentralen eingehen, sollten vom Kartell- schränkungen von diesem Hause beschlossen worden amt stärker genutzt werden, und dessen Arbeit kann von ist. den Verbraucherverbänden sinnvoll für Klagen auf Un- rechtsgewinnabschöpfung genutzt werden. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ludwig Erhard war ein Bayer!) Im Dezember 2009 hat die Bundesministerin Aigner, die für den Verbraucherschutz zuständig ist, einen guten Erhards Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft auf Ba- Vorschlag gemacht. Ein Teil der Kartellbußgelder soll sis der Wettbewerbswirtschaft gilt auch heute noch. den Verbraucherverbänden zur Finanzierung ihrer Arbeit Aufgabe der Wettbewerbspolitik ist es, im Interesse zufließen. Dieser Ankündigung der Ministerin sind lei- aller Unternehmen, unabhängig von Größe und Rechts- der – wie so oft – keine Taten gefolgt. Unsere Anträge form, einen möglichst uneingeschränkt funktionierenden dazu in den Haushaltsberatungen vergangener Jahre Wettbewerb zu gewährleisten. Davon profitieren auch wurden von der Koalition regelmäßig abgelehnt, obwohl (B) die Verbraucher. Funktionierender Wettbewerb ist eine (D) das Kartellamt gerade bei den Konsumgütern besonders wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Beschäfti- aktiv war. Der Bundesrat hat unsere Forderung in seiner gung. Wettbewerb fördert Innovation, optimale Ressour- Stellungnahme aufgegriffen und gefordert, dass 20 Pro- cenverteilung und begrenzt wirtschaftliche Macht. Dass zent der Bußgelder zur Finanzierung der Verbraucherar- beit verwendet werden. Ich fordere die Koalition auf, wir nunmehr im Bundestag bereits über die achte No- sich diesem Vorschlag anzuschließen. Wenn Sie das tun, velle zum GWB beraten, zeigt, dass das Prinzip, das vor Herr Nüßlein, können wir Sie dafür loben. 55 Jahren Geltung erlangt hat, nach wie vor Maßstab un- seres wirtschaftlichen Handelns ist und dass auch wett- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten bewerbliche Rahmenbedingungen von Zeit zu Zeit ange- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) passt werden müssen. Das tun wir, indem wir mit dieser Novelle Fusionskontrolle, Missbrauchsaufsicht, Buß- Wirtschaftspolitik sorgt für fairen Wettbewerb und geldvorschriften und Kartellverfahren auf den neuesten verhindert den Missbrauch von Marktmacht; das ist so- Stand der Rechtspraxis bringen und europakonform aus- gar schon einmal bei der FDP angeklungen. Unter einem gestalten. solchen Missbrauch leiden die Verbraucher, die Produ- zenten, die Zulieferer, die Beschäftigten und die Um- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) welt. Gute Wirtschaftspolitik richtet sich gegen unfaire Produktionsbedingungen und intransparente Märkte. Die achte Novelle, Herr Kollege Barthel, bringt zum Gerade im Lebensmittelbereich – sogar die FDP hat das einen deutliche Verbesserungen mit sich und behält zum schon festgestellt – beobachten wir, welche Folgen die anderen bewährte Instrumente und Vorschriften bei. Ich Nachfragemacht weniger Lebensmittelhandelsketten will mich auf einige konzentrieren und durchaus am An- hat. Im Gesetzentwurf vermissen wir dazu Vorschläge. fang einen technischen Aspekt nennen, nämlich den So wollen wir eine Ombudsstelle einrichten, die zwi- Übergang vom Marktbeherrschungstest zum sogenann- schen Herstellern und Handel schlichten soll. In einer ten SIEC-Test im Fusionskontrollverfahren. Hiernach Anhörung des Verbraucherausschusses haben sich alle wird künftig maßgeblich sein, ob ein Zusammenschluss Experten für eine solche Ombudsstelle ausgesprochen. bereits eine „erhebliche Behinderung wirksamen Wett- Ich bin gespannt, sehr verehrter Herr Minister, liebe Kol- bewerbs“ darstellt. Das bislang geltende Kriterium der leginnen und Kollegen von der Koalition, ob Sie unseren Marktbeherrschung wird beibehalten. Dass die Einzel- diesbezüglichen Vorschlag aufgreifen werden. marktbeherrschungsschwelle auf 40 Prozent angehoben Vielen Dank. wird, entspricht mittlerweile der wirtschaftlichen Reali- tät. Ich halte eine Anhebung der Schwelle für die kollek- (Beifall bei der SPD) tive Marktbeherrschung für diskussionswürdig. Das 22208 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Dr. Matthias Heider (A) sollte in unseren Ausschussberatungen Berücksichtigung Anknüpfungspunkt ist gerade nicht wettbewerbsschädli- (C) finden. ches Fehlverhalten. Mit den in Ihrem Antrag genannten Maßnahmen werden auch Fälle erfasst, in denen sich er- Neben der Ausgestaltung der Untersagungskriterien folgreiches Unternehmenswachstum widerspiegelt. Ich sind auch die Abwägungstatbestände zu berücksichti- begrüße es daher sehr, dass das Instrument der objekti- gen. In diesem Zusammenhang halte ich es für sinnvoll, ven Entflechtung zum jetzigen Zeitpunkt nicht in den weiterhin an den praxisbewährten Instrumenten der Ab- Regelungskatalog des GWB aufgenommen wird. Die wägungs- und Bagatellklausel sowie der Ministererlaub- Abhilfemaßnahmen struktureller Art hingegen sind im nis festzuhalten. Frau Kollegin Andreae, Ministererlaub- vorliegenden Gesetzentwurf enthalten. nis ist exekutives Handeln. Ich glaube nicht, dass unser Haus eine solche Entscheidung an sich ziehen sollte. Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu Unter-Ein- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- standspreis-Verkäufen und dem Verbot der Preis-Kosten- NEN]: Wenigstens das ganze Kabinett!) Schere sagen. Eines muss klar sein: Die wenigen kartell- rechtlichen Mittel, die wir der Preistreiberei mancher Lassen Sie uns einen Blick auf den Antrag der Grü- Oligopolisten entgegenhalten können, dürfen zum Jah- nen zum Thema missbrauchsunabhängiges Entflech- resende nicht achtlos auslaufen. Ein alle Autofahrer be- tungsinstrument werfen. Sehr geehrte Kolleginnen und lastender Nachahmungswettbewerb ist an den Tankstel- Kollegen von den Grünen, in Ihrem Antrag zur GWB- len zu beobachten. Ein afrikanisches Sprichwort sagt: Novelle fordern Sie die Bundesregierung auf, als Ultima „Willst du den Preis wissen, musst du über den Markt Ratio ein Entflechtungsinstrument einzuführen, selbst gehen.“ Millionen von Autofahrern fahren täglich über wenn überhaupt kein Missbrauch vorliegt. Sie verweisen diesen Markt und können die Preise sehen. Beim Blick auf das entsprechende Sondergutachten der Monopol- in den Rückspiegel sehen sie meist, dass sich die Preise kommission, allerdings nur lückenhaft. schon wieder geändert haben. Dazu einige Bemerkungen. Erstens sieht die Mono- (Klaus Barthel [SPD]: Und was hilft da die polkommission die Implementierung einer sogenannten Transparenzstelle, bitte? – Gegenruf des Abg. objektiven Entflechtungsregel ausdrücklich nicht als Björn Sänger [FDP]: Dass man Preisabspra- vordringliche Maßnahme an. Zweitens macht die Mono- chen nachweisen kann!) polkommission hinreichend deutlich, dass mit einer ob- jektiven Entflechtung auch immer die Gefahr verbunden Insofern begrüße ich es sehr, dass die Bundesregierung ist, dass Unternehmen alleine wegen der Existenz eines an diesen wichtigen Verbotsmöglichkeiten festhält. solchen Instruments Investitionen und Innovationen un- Dass die vorhandenen Instrumente auch konsequent terlassen werden, um dem Risiko einer Entflechtung zu (B) umgesetzt werden, Frau Lötzer, zeigt sich darin, dass das (D) entgehen. Kartellamt vor wenigen Wochen gegen die fünf großen (Klaus Barthel [SPD]: Aber Sie haben das Mineralölkonzerne ein Verfahren wegen des Verdachts Zeug doch in den Koalitionsvertrag geschrie- des Preismissbrauchs eingeleitet hat. ben!) (Klaus Barthel [SPD]: Eben auch ohne Trans- Ich frage Sie: Wollen Sie in der jetzigen wirtschaftlichen parenzstelle!) Lage wirklich, dass die Investitions- und Innovationsbe- reitschaft deutscher Unternehmen dadurch gehemmt Nun wird geprüft, ob der Treibstoff unter Einstandspreis wird? verkauft worden ist und ob für die Belieferungen freier Tankstellen höhere Preise verlangt worden sind als bei (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- den eigenen Kunden. In dem einen oder anderen Antrag NEN]: Das ist sehr quer gedacht!) wird behauptet, dass es an einer effizienten Kartellver- Das fördert bzw. schützt den Wettbewerb wohl kaum. folgung fehle. Angesichts dieser Vorgänge ist mir eine Drittens verweist die Monopolkommission darauf, dass solche Aussage unverständlich. Rationalisierungsvorteile zunichtegemacht und Größen- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und Verbundvorteile gefährdet werden. Diesen Nachtei- NEN]: Warum ist dann nichts dabei herausge- len, so die Monopolkommission – man höre! –, könne kommen?) durch Kompensationszahlungen aus öffentlichen Mitteln begegnet werden. Auch das scheint mir wenig markt- Das heißt nicht, dass es in den Missbrauchs- und Un- konform zu sein, und unsere Haushalte sind eh schon be- tersagensverfahren keine Verbesserungsmöglichkeiten lastet genug. gibt. Im eben genannten Verfahren, Frau Kollegin Andreae, war das Kartellamt zunächst gezwungen, den Meiner Ansicht nach birgt eine nicht austarierte und betroffenen Unternehmen förmliche Auskunftsersuchen vorschnelle Ausgestaltung eines missbrauchsunabhängi- zuzustellen, um überhaupt belastbare Daten zu erhalten. gen Entflechtungsinstruments die Gefahr, In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass markt- (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- konforme Maßnahmen und Instrumente tatsächlich wei- NEN]: Was ist denn mit den Kartellverfahren, terentwickelt werden müssen, um effektiv vorgehen zu Herr Heider?) können. Dazu zählt auch die Einrichtung der Markttrans- dass wir gegen die eingangs genannten ordnungspoliti- parenzstelle beim Bundeskartellamt, die den Handel mit schen Leitbilder unserer Wirtschaft verstoßen; denn der Kraftstoffen durchgängig beobachten muss, um schnel- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22209

Dr. Matthias Heider (A) ler reagieren zu können. Ein entsprechender Regierungs- bänden einräumen, werden nicht greifen. Wir wissen (C) entwurf wird bereits heute im Bundesrat beraten. doch, dass das in der Realität so nicht funktioniert. Die Beweislast soll bei den Verbraucherverbänden liegen. Es ist richtig: Die Preise für Kraftstoffe steigen auf Die Schäden sollen sie selbst ermitteln. Das ist doch völ- lange Sicht an. Das ist ein Ärgernis für uns Verbraucher lig unrealistisch. Das ist unpraktikabel. So funktioniert und eine ernste Kostenbelastung für unsere Unterneh- das einfach nicht. men. Die Bundesregierung kann die Preise aber nicht per Verordnung einfach ändern. Das wäre Planwirtschaft. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Das ist nicht unser Modell. Unsere Aufgabe muss es sein, strukturelle Voraussetzungen für funktionierenden Eines ist für uns als Linke völlig klar: Wenn es Preis- Wettbewerb zu schaffen. Das werden wir mit dieser No- absprachen und Kartellverstöße gibt, zahlen die Verbrau- velle angehen. Eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs cherinnen und Verbraucher Milliarden Euro zu viel. droht immer. Deshalb ist es Aufgabe des Staates, den Dieses Geld aus Unrechtsgewinnen müssen die Verbrau- Ordnungsrahmen für den Wettbewerb von Zeit zu Zeit cherinnen und Verbraucher in vollem Umfang zurücker- neu zu schaffen. halten. Zum Schluss: (Beifall bei der LINKEN) Wenn ein Unternehmen auf Dauer bestehen und Bisher stehen die Bußgelder – dieses Beispiel ist fortschrittlich bleiben will, gibt es nichts Schlim- schon genannt worden – in keinem Verhältnis zu den meres, als keine Wettbewerber zu haben. Unrechtsgewinnen der Unternehmen. Beispiel Kaffee: Geschätzt 4,8 Milliarden Euro haben die Unternehmen Das sagte Robert Bosch, ein deutscher Unternehmer und aufgrund des Kaffeerösterkartells zu viel verdient. Die Erfinder. Ihm ist zuzustimmen, auch dem Entwurf dieser Bußgelder betrugen gerade einmal 160 Millionen Euro. Novelle. Das steht in keinem Verhältnis. An diese Regelungen Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. müssen wir endlich heran. Wir als Linke sagen gemein- sam mit dem vzbv: Wir wollen dieses Geld in vollem (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Umfang zurückfordern.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei der LINKEN) Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin Ich finde, dass dieses Geld nicht einfach in das Staats- Caren Lay. säckel wandern sollte. Es sollte, wann immer es geht, (Beifall bei der LINKEN) den Verbraucherinnen und Verbrauchern individuell zu- (B) gutekommen. Für die Fälle, in denen das nicht möglich (D) ist, hat Ministerin Aigner einen durchaus interessanten Caren Lay (DIE LINKE): Vorschlag gemacht. Sie hat gesagt: Dieses Geld aus den Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Kartellstrafen soll der Verbraucherarbeit zugutekom- Herren! In einem sind wir uns hoffentlich einig: Die Ver- men. Das wären trotz der gerade skizzierten laschen Re- braucherinnen und Verbraucher müssen im Wettbe- gelung in den letzten zehn Jahren immerhin 1 Milliarde werbsrecht endlich gestärkt werden; Euro gewesen. Das sind für uns Verbraucherschützer (Beifall bei der LINKEN) ganz utopische Summen. Die Verbraucherministerin ist leider ihrem Ruf als Ankündigungsministerin wieder ge- denn die Bürgerinnen und Bürger sind die Leidtragenden recht geworden. Ich hätte mich gefreut, wenn sie zumin- von Monopolen und Preisabsprachen. Ob bei Kaffee-, dest an der heutigen Debatte, in der es ja um die Ver- Benzin- oder Strompreisen, die Schäden für die Verbrau- braucherrechte geht, teilgenommen hätte. cherinnen und Verbraucher sind enorm. Die Verbrauche- rinnen und Verbraucher zahlen nach Berechnungen des (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Ach, Umweltbundesamts allein 10 bis 15 Milliarden Euro im komm!) Jahr zu viel an die Stromkonzerne. Ich finde, das kann Ein letztes Beispiel: die Strompreise. Sie schlagen man so nicht hinnehmen. Das ist wertvolles Geld, das vor, bestehende Regelungen zu verlängern. Ich sage: den Bürgerinnen und Bürgern im Portemonnaie fehlt. Das wird es nicht bringen; denn es hat auch schon in den Das müssen wir endlich angehen. letzten Jahren nicht funktioniert. In den letzten Jahren (Beifall bei der LINKEN) hat die Missbrauchsaufsicht den enormen Anstieg der Strompreise nicht eindämmen können. In den letzten Mit dem Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, wird zehn Jahren haben sich die Strompreise verdoppelt. Im das leider nicht geändert. Dieser Gesetzentwurf ist reine gleichen Zeitraum haben die vier Energieriesen über Symbolpolitik. Dieser Gesetzentwurf ist einfach nur Au- 100 Milliarden Euro Gewinne eingestrichen. Deswegen genwischerei. Ich will Ihnen das an einigen Beispielen sage ich hier ganz klar: Das Problem ist nicht der Miss- erläutern: brauch, sondern das Problem sind die vier großen Ener- Erstens: die angebliche Stärkung der Verbraucherver- gieriesen, die den gesamten Markt beherrschen, die den bände im Kartellrecht. Die Verbraucherverbände selbst Verbraucherinnen und Verbrauchern das Geld aus der sagen, dass durch diesen Gesetzentwurf kein messbarer Tasche ziehen und das eigene Säckel damit füllen. Das Fortschritt zu erwarten ist. Das sollte Ihnen zu denken ist der Regelfall auf dem Strommarkt. Dieses Problem geben. Die Möglichkeiten, die Sie den Verbraucherver- müssen wir endlich angehen. 22210 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Caren Lay (A) Wir als Linke sagen: Wir brauchen eine staatliche (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) Preisaufsicht. Wir wollen diese Konzerne auch entflech- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- ten. Mit diesem Gesetzentwurf kommen wir bei der Ent- KEN – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das hätte flechtung keinen Schritt voran. Dieser Gesetzentwurf ich sehen wollen! – Hubertus Heil [Peine] dient nicht dem Verbraucherschutz, er dient bestenfalls [SPD]: Gefallene Helden!) der Verbrauchertäuschung. Warum nun diese Nacht-und-Nebel-Aktion zweier Vielen Dank. FDP-Minister? Es scheint ja so, dass dem Bundeskartell- amt die Arbeit ausgeht, weil immer mehr Zuständigkei- (Beifall bei der LINKEN – Dr. Erik Schweickert ten von der EU wahrgenommen werden. Soll das jetzt [FDP]: Oh, Frau Lay!) also eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zulasten der Krankenkassen sein, oder will das Wirtschaftsministe- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: rium Kontrollbefugnisse über das Gesundheitswesen er- Jetzt hat das Wort die Kollegin Birgitt Bender von langen, um die Privatisierung des Gesundheitswesens Bündnis 90/Die Grünen. voranzutreiben, für die Sie ja nicht einmal in Ihrer Koali- tion eine Mehrheit haben? Solch eine Politik durch die Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hintertür ist überhaupt nicht akzeptabel. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Wir brauchen spezifische Wettbewerbsregeln im So- vorliegenden Entwurf soll das Kartellrecht auf das Ver- zialrecht. Man muss einmal über das Verhältnis zwi- hältnis der Krankenkassen untereinander ausgedehnt schen Kollektiv- und Selektivverträgen reden und über werden. Da stellt sich die Frage: Passen Kartellrecht und die unterschiedlichen Aufsichten in Bund und Ländern. das Sozialgesetzbuch V eigentlich zusammen? Die Ant- Dort besteht Reformbedarf, aber die Regierung traut sich wort heißt Ja, wenn es um die Vergabe öffentlicher Auf- nicht, dies anzugehen. Stattdessen agieren Sie hier aus träge geht, etwa bei Rabattverträgen. Die Antwort heißt rein ideologischen Gründen an der völlig falschen Stelle. auch Ja, wenn es um das Verhältnis von Krankenkassen und Leistungserbringern geht, auch wenn Handwerk und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Krankenhäuser da noch Nachbesserungsbedarf sehen. sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- Die Antwort heißt vielleicht Ja, wenn es um das Verhält- KEN) nis der Krankenkassen zu ihren Versicherten geht und wir über Verbraucherschutz reden. Auch Krankenkassen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: sind keine Heiligen. Wir hören von den Verbraucher- Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Karl Lauterbach schutzverbänden, dass Kassen zunehmend in der von der SPD-Fraktion. (B) Akquise zu Cold Calls greifen, nicht auf die Rechte der (D) Versicherten bei der Einführung von Zusatzbeiträgen (Beifall bei der SPD – Dr. Martin Lindner hinweisen oder gar versuchen – wir alle wissen, dass [Berlin] [FDP]: Oh! Will der uns jetzt etwas dies geschieht –, unliebsame Versicherte abzuschrecken. über Wettbewerb erzählen?) Die Antwort lautet aber klar Nein, wenn das Kartell- recht auf die Beziehungen zwischen den Krankenkassen Dr. Karl Lauterbach (SPD): ausgeweitet werden soll. Was steht denn im SGB V? Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Krankenkassen sind zur Zusammenarbeit verpflichtet. Herren! Die Anwendung des Kartellrechts auf die Kran- Gleichzeitig soll ihnen das durch das Kartellrecht nun kenkassen wieder verboten werden. So etwas nennt man politische Schizophrenie. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ist gut!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist ein großer Schritt in die falsche Richtung. sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Nein! Ganz und Abg. Klaus Barthel [SPD]) gar nicht!) Man kann es auch anders ausdrücken: Die Regierung Ich versuche, das, bevor ich es kritisiere, zunächst ein- fordert von den Kassen die Quadratur des Kreises. Nor- mal zu erläutern, sodass wir überhaupt wissen, worüber menklarheit, Herr Minister Rösler, sieht anders aus. Die wir reden. FDP redet ja gerne von Bürokratieabbau, aber hier füh- ren Sie sowohl bei der Aufsicht als auch bei den Rechts- Erstens bedeutet dies, wie eben schon von Frau wegen Doppelzuständigkeiten ein. Die Folgen werden Bender dargestellt, dass viele Initiativen der Kranken- ständige Abgrenzungsprobleme und ständige Rechtsun- kassen, die derzeit gemeinsam durchgeführt werden, sicherheit sein. dann nicht mehr möglich sind. Die Krankenkassen sind dann nämlich Teilnehmer im Wettbewerb und nicht Das Ergebnis lautet dann: mehr Staat statt mehr Wett- mehr Agenten der Versicherten. Das hat zum Beispiel bewerb. Denn dann muss man wieder vorschreiben, dass zur Folge, dass Zusammenschlüsse von Krankenkassen, die Kassen etwa bei regionalen Versorgungskonzepten in deren Rahmen sie gemeinsam Kliniken bewerten, Re- zusammenarbeiten dürfen oder gar müssen. Das sieht gister zur Qualität bestimmter Eingriffe erstellen oder auch Herr Singhammer so. Leider reden Sie heute nicht. die Vorbeugung organisieren, zum Beispiel die Krebs- Das ist schade, Herr Singhammer, Sie hätten von uns vorsorge durch Mammografie- und Darmkrebs-Scree- wahrscheinlich viel Beifall erhalten. nings, dann nicht mehr möglich sein werden, wenn nur Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22211

Dr. Karl Lauterbach (A) eine Krankenkasse nicht mitmacht. Diese kann dann den Leistungskatalog, den wir den gesetzlichen Kran- (C) nämlich auf der Grundlage des Wettbewerbsrechts gegen kenkassen vorgeben, auszuhöhlen? den Verbund der anderen klagen. Auch die privaten Krankenversicherungen, die nicht mitmachen dürfen, (Klaus Barthel [SPD]: Dienstleistungsricht- zum Teil qua Gesetz, könnten dann klagen, weil sie ei- linie aus Brüssel!) nen Wettbewerbsnachteil gegenüber den gesetzlichen Er ist die Grundlage unseres Solidarsystems. Ist das Kassen haben. Das muss man zu Ende denken. wirklich zu Ende gedacht? Wo ist an dieser Stelle die Herr Rösler – es würde sich vielleicht lohnen, eine CSU, die sich immer wehrt, wenn es um die Verlagerung Sekunde zuzuhören –, Sie höhlen damit einen großen von Kompetenzen nach Europa geht? Teil des Qualitätswettbewerbs zugunsten der Versicher- (Klaus Barthel [SPD]: Herr Singhammer hat ten aus, ohne dass irgendjemand etwas davon hat. sich schon nach hinten gesetzt!) (Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD] und Hierdurch würden doch die zentralen Bausteine unseres Ulla Lötzer [DIE LINKE]) Solidarsystems nach Europa verlagert, ohne dass wir ir- Wozu brauchen wir ein Recht, das die Qualitätskontrol- gendetwas davon hätten. len in unserem Gesundheitssystem und die Initiativen (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin der Kassen zur Vorbeugung zurückfährt und schwächt, Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) statt sie, was sich der Verbraucher eigentlich wünscht, zu stärken? Wo ist der Widerstand der Union? Ich sehe hier nicht ei- nen einzigen Gesundheitspolitiker von der Union. Ist (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten den Kollegen nicht klar, worum es hier geht? Ist ihnen der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE die Tragweite dieses Gesetzentwurfs nicht bewusst? Ich GRÜNEN) kann daher nur davor warnen. Zweitens wird die Anwendung des Kartellrechts auf Wer profitiert überhaupt von diesem rein ideologisch die Krankenkassen darauf hinauslaufen, dass unser Ge- bestimmten Vorhaben? Es profitiert zum einen natürlich sundheitssystem teurer wird. Denn das eine oder andere, wie immer die private Assekuranz, weil viele Wettbe- was derzeit zur Preissenkung beiträgt, wird dann schwe- werbsvorteile der gesetzlichen Krankenversicherung da- rer oder nicht mehr möglich sein. Ich denke hier zum mit zunichtegemacht werden. Beispiel an die Festbetragsregelungen für Arzneimittel. Festbeträge sind Regelungen zugunsten der gesetzlichen (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Sie haben Krankenkassen. Für die privaten Krankenversicherun- nicht zugehört!) gen gelten diese Festbeträge aber nicht. Sie hätten dann Zum anderen profitieren auch die Pharmaindustrie und (B) ein Klagerecht. (D) Wenn sich eine einzelne Kasse nicht an die Medikalprodukteindustrie. der Festbetragsregelung beteiligen will, dann bestünde plötzlich die Möglichkeit, die Festbetragsregelung kom- Lassen wir uns aber nicht täuschen: Das ist ein ganz plett auszuhöhlen. Das hätte erhebliche Zusatzkosten zur klarer Gesetzentwurf gegen die Versicherten und gegen Folge, ohne dass der Verbraucher in irgendeiner Weise die Patienten. Herr Rösler, einen solchen Gesetzentwurf davon profitiert. brauchen wir nicht, selbst wenn Sie ihn jetzt in Ihrer neuen Funktion einbringen. Das haben wir nicht ver- Das Gleiche gilt übrigens auch für die Hilfsmittelvor- dient; das hat niemand verdient. gaben. Preisvorgaben für Hilfs- und Heilmittel, die der- zeit eingehalten werden, sind freiwillige Absprachen der (Beifall bei der SPD und der LINKEN – Krankenkassen. Sie senken derzeit das Preisniveau unse- Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ihre Rede haben rer Versorgung und sichern die Qualität, weil sie immer wir nicht verdient!) mit Qualitätsvorgaben einhergehen. Auch das wäre dann nicht mehr möglich. Somit würde das System teurer. Ich komme zum Schluss. Sie haben eben relativ schlicht, wenn mir diese Bemerkung gestattet ist, über Auch Rabattverträge für Kassengruppen wären dann Ludwig Erhard und die soziale Marktwirtschaft gespro- nicht mehr möglich. Die AOK als Einzelkasse könnte chen. Soziale Marktwirtschaft bedeutet: Es gibt einen zwar noch einen Rabattvertrag abschließen, weil sie ein Bereich des Sozialen, in dem das Sozialrecht gilt, und es Unternehmen ist. Würden sich mehrere kleine Kassen gibt einen Bereich des Markts, in dem im Prinzip das zusammenschließen, dürften sie das aber nicht; dies Kartellrecht gilt. würde dann nämlich einen Verstoß gegen das Wettbe- werbsgesetz darstellen. Man muss sich fragen: Wer hat (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Na ja!) daran ein Interesse? Ich meine, dass das wahrscheinlich Sie vermengen das hier in einer unzulässigen Art und nicht zu Ende gedacht ist; denn dadurch wird der Wett- Weise. Das ist nicht die Art und Weise, in der Ludwig bewerb, den wir gemeinsam stärken wollen, geschwächt. Erhard darüber gedacht hat. Drittens. Auch das EU-Kartellrecht kommt hier sofort Man kann sich Gedanken darüber machen, ob Sie ah- zum Tragen. Wo in Deutschland das deutsche Kartell- nungslos sind oder ob Sie versuchen, uns etwas vorzu- recht gilt, gilt sozusagen im überregionalen Bereich das machen. Ich persönlich bin mir nicht sicher, was schlim- EU-Kartellrecht. Das bedeutet, dass wir einen Teil unse- mer wäre. rer Gesundheitspolitik nach Europa verlagern. Wer kann daran ein Interesse haben? Wer kann zum Beispiel ein (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ihre Rede ist Interesse daran haben, dass Europa eine Handhabe hat, schlimmer, Herr Lauterbach!) 22212 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Dr. Karl Lauterbach (A) Ich kann nur alle, die hier sind, einschließlich der Kolle- Es hat international anerkannte Maßstäbe gesetzt und (C) gen und Kolleginnen von der CSU, darum bitten: Ma- den Mittelstand unserer Republik einmal großgemacht. chen Sie sich klar, was das bedeuten würde, und helfen (Klaus Barthel [SPD]: Das haben wir schon Sie uns, diesen Unsinn, diesen Murks gemeinsam zu ver- gesagt! Was lassen Sie davon übrig?) hindern; denn das wäre ein Schritt, den wir nur schwer zurückgehen könnten. Nach sieben Jahren steht wieder einmal eine GWB-No- velle auf der Tagesordnung bei uns im Deutschen Bun- Vielen Dank. destag. Ich möchte darauf verweisen – das darf ich mit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten besonderer Genugtuung tun –: Bislang hatten wir bei den der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Änderungen immer einen Konsens. Diese wurden immer GRÜNEN) mit größter Sorgfalt, ohne Zeitdruck und unter Berück- sichtigung des Rats Sachverständiger vorgenommen. Vizepräsidentin : (Klaus Barthel [SPD]: Genau!) Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Ernst Auch dieses Mal wollen wir die Sachverständigen hören. Hinsken das Wort. Wir haben eine Anhörung anberaumt, die in der über- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und nächsten Woche stattfinden wird, bevor wir in die zweite der FDP – (Klaus Barthel [SPD]: Kommt jetzt und dritte Lesung hier im Deutschen Bundestag gehen „Lindner“ oder „Nüßlein“?) werden. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, verges- Ernst Hinsken (CDU/CSU): sen wir doch eines nicht: Das GWB ist das Grundgesetz Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen der sozialen Marktwirtschaft unserer Republik. und Kollegen! Als ich mich auf diese Debatte vorberei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und tete, habe ich mir gedacht: Sie eignet sich eigentlich der FDP – Zurufe von der SPD) nicht für Polemik, sie sollte nicht ideologiebehaftet sein. Ich habe auch nicht gedacht, dass sich verschiedene Kapieren Sie das doch auch einmal und richten Sie sich Redner nur auf einzelne Bereiche beziehen und das danach! Wettbewerb ist das Herzblut einer funktionie- große Gemeinsame, das sich hier in dieser Novelle be- renden Marktwirtschaft. Unsere Wirtschaft und gerade findet, vergessen. der Mittelstand brauchen ein klares Bekenntnis zur Marktwirtschaft und zu freiem und fairem Leistungs- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – wettbewerb. Klaus Barthel [SPD]: Das können Sie ja jetzt (B) (D) tun!) (Klaus Barthel [SPD]: Sie braucht nicht Bekennt- nisse, sondern vernünftige Regelungen!) Es wäre deshalb angebracht, dass man sich, bevor man sich hier ans Rednerpult begibt, genau darüber in- Wettbewerb reguliert sich doch nicht ganz von selbst. formiert, was Inhalt des Gesetzentwurfs der Bundes- (Klaus Barthel [SPD]: Eben! – Zuruf der Abg. regierung ist. Ulla Lötzer [DIE LINKE]) (Klaus Barthel [SPD]: Und was nicht!) Es gilt, zu verhindern, dass große Unternehmen ihre Marktmacht schrankenlos ausspielen. Verehrter Herr Kollege Barthel, ich schätze Sie persön- lich sehr, nur: Heute haben Sie mich enttäuscht, weil das, (Klaus Barthel [SPD]: Genau!) was Sie hier ausgeführt haben, ein bisschen daneben war. Deshalb ist auch von mir heute ein klares Bekenntnis zur Aufgabenstellung des Kartellamts zu hören, des Grals- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- hüters des Wettbewerbs. neten der FDP – Lachen bei Abgeordneten der (Klaus Barthel [SPD]: Das ist unbestritten!) SPD) Warum braucht man überhaupt das GWB? Erstens, Herr Minister Rösler, das, was Sie gesagt haben, war um die Freiheit des Wettbewerbs zu schützen, zweitens, dagegen wohltuend. um den Erhalt eines marktwirtschaftlichen und wettbe- (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Lachen werblichen Wirtschaftssystems für alle Teilnehmer zu bei der SPD und den LINKEN!) sichern, und drittens, um die individuelle Handlungsfrei- heit der Marktteilnehmer zu gewährleisten und wirtschaft- Sie haben kurz und prägnant auf den Punkt gebracht, liche Macht zu begrenzen. was Inhalt dieser Novelle ist und was das insgesamt ge- sehen bedeutet. (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Wen wollen Sie jetzt überzeugen?) (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Sie scherzen!) Die drei Säulen des Gesetzes sind erstens die Kartellbe- Es ist doch erfreulich und unbestritten: Das GWB hat kämpfung, zweitens die Fusionskontrolle und drittens sich bewährt. die Missbrauchsaufsicht. (Beifall des Abg. Wolfgang Börnsen (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Dann [Bönstrup] [CDU/CSU]) müssen Sie das doch auch tun!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22213

Ernst Hinsken (A) Ich sage das, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Aber Sie haben völlig danebengelangt, Herr Kollege (C) weil viele Leute – auch diese Debatte wird über Phoenix Barthel. Ich hätte mir gerade von Ihnen als Arbeiterfürer übertragen – uns zuhören, doch Verschiedene nicht wis- der SPD sen, wie sie den Inhalt der Reden deuten sollen, weil sie uns vielfach nicht mehr verstehen. (Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) (Klaus Barthel [SPD]: Dann reden Sie doch zu den konkreten Problemen!) Richtungsweisenderes erwartet. Wir müssen deshalb schon auf den Kern der Sache kom- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und men und darauf verweisen, was überhaupt Inhalt des Ge- der FDP) setzes ist. Was ist denn überhaupt das Ziel? Mit der 8. GWB- (Klaus Barthel [SPD]: Eben! Dann sagen Sie Novelle sollen die Unterschiede zwischen deutscher und es doch einmal!) europäischer Fusionskontrolle verringert und der Hand- lungsspielraum kleiner und mittlerer Presseunternehmen Das Kartellverbot und die Kontrolle von Unterneh- angemessen erweitert sowie die Durchsetzungsmöglich- menszusammenschlüssen keiten des Kartellrechts durch die Verbraucherverbände (Klaus Barthel [SPD]: Das sind doch alles nur gestärkt werden. Schlagworte, was Sie hier erzählen!) Es ist deshalb richtig, wenn die Bundesregierung aus dienen dazu, wettbewerbliche Marktstrukturen zu erhal- wettbewerbs- und mittelstandspolitischen Gründen da- ten und der Entstehung von Marktmacht entgegenzuwir- ran festhält, nicht nur marktbeherrschende, sondern auch ken, marktstarke Unternehmen mit sogenannter relativer (Klaus Barthel [SPD]: Schlagworte!) Marktmacht einer Aufsicht zu unterwerfen und die ent- sprechenden Regelungen einfacher und verständlicher und – ganz wichtig! – im Rahmen der Missbrauchsauf- zu gestalten. Das wollen wir, und das werden wir auch sicht wird überwacht, dass sich schon bestehende markt- bei den Beratungen und der Beschlussfassung im Aus- mächtige Unternehmen gegenüber anderen Marktteil- schuss und im Plenum nachhaltig vertreten. nehmern fair verhalten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Ich meine schon, hier besonders unterstreichen zu neten der FDP – Dr. Karl Lauterbach [SPD]: können: Mit dieser Novelle bringen wir ein wichtiges Kommen Sie doch zur Sache!) Vorhaben des Koalitionsvertrages auf den Weg. Wir hal- (B) ten Wort, wie das auch auf anderen Gebieten erkennbar Des Weiteren erhalten Verbraucherverbände, die von (D) ist. den Vorrednern mehrmals angesprochen wurden, die Möglichkeit, Unternehmen wegen eines Kartellrechts- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- verstoßes auf Unterlassung und auf Vorteilsabschöpfung neten der FDP – Dr. Axel Troost [DIE zugunsten der Bundeskasse für Schäden in Anspruch zu LINKE]: Vielleicht können wir jetzt einmal nehmen, die eine Vielzahl von Verbrauchern betreffen. ins Detail gehen!) Sammelklagen wollen wir aber nicht einführen. Auch Damit verbessern wir den Wettbewerbsrahmen in das sollte klar sein. Deutschland noch weiter. Schließlich ist die Reform des GWB ein klares ordnungspolitisches Signal, um die (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) Wachstumskräfte am Standort Deutschland nachhaltig Zugleich erhalten die Kartellbehörden die Möglich- zu stärken. keit, die Rückerstattung zu Unrecht erhaltener Zahlun- (Klaus Barthel [SPD]: Jetzt sagen Sie doch gen, zum Beispiel bei überhöhten Preisen im Strombe- einmal etwas Konkretes!) reich, an die Verbraucher anzuordnen. Das ist gerade jetzt ein Gebot der Stunde. Wir schalten, walten und han- – Weil Sie es vorhin anscheinend nicht kapiert haben, deln im Interesse des Bürgers. Das ist unser Anliegen. hole ich so umfangreich aus, Ich bin Ihnen deshalb, verehrte Frau Kollegin Andreae, (Lachen bei der SPD und der LINKEN) für das, was Sie hierzu sach- und fachgerecht ausgeführt haben, dankbar. damit Sie den Zusammenhang erkennen und wissen, was im Gesetzentwurf steht. Das soll allen, auch den Bürge- ( [CDU/CSU]: Das ist aber rinnen und Bürgern, klar werden. Adel! – Zurufe von der Linken: Oh!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Zudem sind Fusionen vom Bundeskartellamt zukünf- neten der FDP – Dr. Axel Troost [DIE tig zu untersagen, wenn sie wirksamen Wettbewerb er- LINKE]: Das ist vielleicht das Vorwort!) heblich behindern. Die deutsche Fusionskontrolle legt damit den gleichen Prüfmaßstab an wie die europäische. Die Verbraucher sollen und werden davon profitieren. Auf diese Weise wird erreicht, dass das Bundeskartell- Auch das wollen wir. Das wollen schließlich doch auch amt und die Europäische Kommission Fusionsvorhaben Sie; das habe ich zumindest bis vor einer Stunde ge- weitgehend gleichlautend beurteilen. Wir wollen einen meint. gemeinsamen Weg gehen und sind uns bewusst: Ohne (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) die EU wird nichts laufen, und in der EU wird ohne 22214 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Ernst Hinsken (A) Deutschland nichts laufen. Wir wollen das Gemeinsame Wenn ich zu wählen hätte zwischen einem Land mit (C) in den Vordergrund stellen. Regierung, aber ohne Zeitungen, und einem Land mit Zeitungen, aber ohne Regierung, dann würde Wir werden gleichzeitig auch dafür sorgen, dass Be- ich das Land ohne Regierung wählen. währtes wie zum Beispiel die Ministererlaubnis beibe- halten wird. Bewährt hat sich auch die Überprüfbarkeit Für ihn würde es also kein Land ohne Zeitungen geben. von Minderheitsbeteiligungen durch das Bundeskartell- Beides ist für uns jedoch unvorstellbar: ein Land ohne amt, das heißt Beteiligungen, die keine vollständige Regierung und ein Land ohne Zeitungen. Wir wollen alle Kontrolle ermöglichen, aber einen für den Wettbewerb gemeinsam, dass Deutschland weiter ein Zeitungszu- relevanten Einfluss verschaffen. Dies ist der Europäi- kunftsland bleibt. schen Kommission nicht möglich. Aber bei uns kann das Bundeskartellamt damit vor allem im Bereich der Ener- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und gieversorgung den Wettbewerb wirksamer schützen. der FDP – Klaus Barthel [SPD]: Die Frage ist, welche Regierung und welche Zeitung, Herr Abschließend möchte ich noch anmerken, dass die Si- Börnsen! – [SPD]: Dann ist in cherung der Presse- und Meinungsvielfalt in Deutsch- Deutschland ja alles gut! Zeitung, aber keine land für uns alle unverzichtbar ist. Die Erhöhung der Regierung!) Aufgreifschwelle für die Fusion von Zeitungs- und Zeit- schriftenverlagen weitet die Erlaubnis für kleine und Deshalb ist die Änderung des Gesetzes gegen Wettbe- mittlere Verlage aus, sich ohne Anmeldung beim Bun- werbsbeschränkungen nicht nur ein wirtschaftspoliti- deskartellamt zusammenzuschließen. Dies fördert die sches Thema; sie hat auch eine enorme medienpolitische Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Verlage in Bedeutung. einem geänderten Medienumfeld und gewährleistet auch eine vielfältige Presselandschaft in der Bundesrepublik Zu den medienpolitischen Zielen der Union zählen Deutschland, die wir sicherlich alle zusammen wollen. die Sicherung der Medien- und Meinungsvielfalt und die Schaffung der geeigneten Rahmenbedingungen. Wir alle (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – sind nicht weit weg von diesem Ziel. Die Rahmenbedin- Klaus Barthel [SPD]: Das tut sie eben nicht, gungen sollen den Wettbewerb auf den nationalen wie wir sehen!) Medienmärkten ermöglichen und zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Medienanbieter Dagegen unterliegt die Übernahme kleiner Verlage beitragen. Zwei Themen stehen aktuell im Blickpunkt durch Großverlage weiterhin der Kontrolle durch das der Medienmärkte: die Pressefusionskontrolle und das Bundeskartellamt. Somit ist sichergestellt: Auch in Zu- Presse-Grosso. (B) kunft findet im Pressebereich eine effektive Fusionskon- (D) trolle statt, die dessen Besonderheiten Rechnung trägt Es wird in den nächsten Tagen entschieden, ob wir und im Interesse der Pressevielfalt keine wettbewerbs- beim Grosso etwas gesetzlich regeln müssen. Es hat in schädliche Konzentration zulässt. seiner Funktion und Form seit Jahrzehnten maßgeblich zur Medienvielfalt in Deutschland beigetragen. Es ga- Das sind die Leitgedanken, die unser Handeln bestim- rantiert Neutralität und Überallerhältlichkeit, Presse- men. Dafür werden wir eintreten. Um diese umzusetzen, und Medienvielfalt überall in Deutschland und faire werden wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Wir Marktchancen für neue Titel. Das Grosso hat sich be- werden damit Sorge tragen, dass gerade das Wettbe- währt. werbsrecht für unsere Marktwirtschaft weiterhin von großer Bedeutung bleibt und die Möglichkeit gibt, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- Deutschland weiter nach vorne zu bringen. Genau das wie des Abg. Martin Dörmann [SPD]) haben wir uns ja insgesamt gesehen als großes Ziel ge- setzt. Zwar hat es einen monopolartigen Charakter – den darf man nicht verschweigen –, jedoch haben seine Vorzüge Herzlichen Dank. für alle Beteiligten, Leser, Zeitungs- und Zeitschriften- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) käufer und kleine Verlage, stets überwogen. Grundlage dafür war die „Gemeinsame Erklärung“ Vizepräsidentin Petra Pau: von 2004. Nun hat der Kollege Wolfgang Börnsen für die Unionsfraktion das Wort. (Zuruf der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Verdienstvolle Vermittlerin dieser Regelung war die da- malige Kulturstaatsministerin Christina Weiss. Fortge- führt wurde dies durch kluge Verhandlungen am runden Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Tisch von , und wieder aufgenommen Frau Präsidentin! Lieber Ernst Hinsken, deine letzten wurde diese Idee der „Gemeinsamen Erklärung“ jetzt Ausführungen sind gut geeignet, um daran anzuschlie- durch Hans-Joachim Otto. ßen. Als der dritte amerikanische Präsident, Thomas Jefferson, gewählt wurde, sagte er in seiner Einführungs- (Klaus Barthel [SPD]: Ja, aber was passiert rede: jetzt?) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22215

Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (A) Wenn es doch noch irgendeinen Weg zurück zu dieser Um die Verlage in unserer Republik zu stützen und zu (C) „Gemeinsamen Erklärung“ gibt, sollten wir ihn gehen, stärken, muss die Politik handeln. und zwar alle gemeinsam. Eine gesetzliche Regelung des zentralen Verhandlungsmandats kann nur die letzte (Klaus Barthel [SPD]: Sie hätten doch die aller Lösungen sein. Sache längst klären können!) (Zuruf der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/ Die Verlage in unserer Republik – Sie kennen doch die DIE GRÜNEN]) Wirklichkeit – fühlen sich durch die Googles und Apples dieser Welt bedrängt. Nach ihrer Auffassung würden Abgesehen davon ist eine gesetzliche Regelung voller diese international operierenden Multimediakonzerne Risiken; denn eine europarechtliche Prüfung wird erfol- bei uns – das ist auch der Fall – weit weniger reguliert gen. Wenn spezielle Verantwortliche eines bedeutenden als die deutschen Verlagshäuser. So weit die Kritik, und Verlags nicht noch zur Einsicht finden, wird der Gesetz- sie trifft zu. geber handeln. Die untersagte Übernahme von ProSiebenSat.1 durch Trotzdem halte ich es für zeitlich unpassend, dass das Haus Springer war damals beispielhaft und hat diese Rot-Grün heute hierzu ihren Antrag auf die Tagesord- Situation gekennzeichnet. Deshalb ist der Reformansatz nung gesetzt hat; denn Ende April fand im Bundeswirt- der Bundesregierung beim Pressefusionsrecht richtig. Er schaftsministerium ein runder Tisch zum Thema Presse- greift zwei medienpolitische Erfordernisse auf: Die für Grosso statt. Presseunternehmen bislang geltende Aufgreifschwelle (Klaus Barthel [SPD]: Ja, aber warum erst jetzt wird von 25 Millionen Euro auf 62,5 Millionen Euro he- und warum ohne Ergebnis?) raufgesetzt. Alle Streitpartner waren dabei, auch die Opposition. Da- (Zuruf der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/ mals wurde einhellig vereinbart, sich vor der Sommer- DIE GRÜNEN]) pause ein zweites Mal zu treffen, um eine gütliche Lö- Die Schwelle für den Bagatellmarkt wird entsprechend sung zu finden. Als Termin wurde von allen Beteiligten von 750 000 Euro auf rund 1,9 Millionen Euro angeho- auf Vorschlag von Hans-Joachim Otto der 28. Juni ak- ben. Verlagsbündnisse werden möglich. Die Wettbe- zeptiert und für gut befunden. Vor Abschluss der GWB- werbsfähigkeit wird verbessert, aber marktbeherr- Novelle sollte Klarheit geschaffen werden. schende Positionen werden durch das Bundeskartellamt Warum also setzen SPD und Grüne heute ihren An- weiter verhindert. trag gegen diese Absprache auf die Tagesordnung? (B) Die neue Rechtsetzung wurde erleichtert, weil sich (D) (Klaus Barthel [SPD]: Weil sonst überhaupt der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der nichts passiert wäre! – Weiterer Zuruf des Verband Deutscher Lokalzeitungen im Vorfeld abge- Abg. Martin Dörmann [SPD]) stimmt und sich auf eine Lösung geeinigt haben. Dafür gebührt ihnen Dank und Anerkennung. Ich glaube nicht – ich sage euch jetzt etwas Nettes –, dass man so kleinkariert denkt und es darum geht, einen Stark unterschiedliche Interessen auf einen gemein- möglichen Erfolg von Hans-Joachim Otto zu verhindern, samen Nenner zu bringen – das wissen wir aus unserem ihm die Show zu stehlen. eigenen Alltag –, ist nicht immer einfach. Die Verleger haben im vergangenen Herbst noch weitergehende Vor- (Klaus Barthel [SPD]: Ohne diesen Antrag schläge vorgelegt. Diese betreffen zum Beispiel die wäre doch nichts passiert! Das wissen Sie ge- Nachbarschafts- und die Sanierungsfusion. Auch sie ver- nau!) dienen es, von uns ernsthaft geprüft zu werden. Ich glaube auch nicht, dass man das Thema Presse- Die von der Bundesregierung jetzt geplanten Ände- Grosso einseitig parteipolitisch ausschlachten und als rungen sichern den Markt der Marken und die Medien- Pluspunkt für sich verbuchen möchte. Nein, es geht den vielfalt. Die Aufgreifschwelle ist seit 1976, also seit beiden Oppositionsfraktionen um ihre Reputation und 36 Jahren, nicht mehr angepasst worden. Die geplante darum, öffentlich deutlich zu machen, wie flexibel man Erhöhung wird nun zu einem Kaufkraftausgleich führen. ist. 2004 verdammte Rot-Grün bei fast gleichem Sach- Die Verlage haben seit Jahren steigende Kosten. Es wird verhalt ein Gesetz und pries die Verhandlungslösung. aufwendig produziert. Die Inhalte sind im Internet nur Man wollte die „Gemeinsame Erklärung“. 2012, nur schwer refinanzierbar. Deshalb sind höhere Erträge not- acht Jahre später, verdammt man die Freiwilligkeit und wendig. Das hilft der Medienvielfalt; denn kleine und re- fordert nach dem Motto: „Unser Grundsatz ist, keinen gionale Zeitungshäuser sollen nach unserer Auffassung Grundsatz zu haben“, das Fallbeil des Gesetzgebers. überleben und stark sein, und sie sollen die Meinungs- Auch beim Pressefusionsrecht – nimmt man die Länder- vielfalt sichern. auffassung dazu – Was nützt es uns, wenn Redaktionen zusammenge- (Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- strichen werden und wenn ganze Zeitungen eingestellt NEN]: Funktioniert doch nicht!) werden? Dann wird das Medienangebot für uns alle ge- huldigt die Opposition dem Zeitgeist und beschwört, ringer. Die Vielfalt sinkt, die Konzentration steigt. Klug- was eigentlich unnötig ist, alte Feindbilder. heit ist gefragt, nicht die reine Lehre! 22216 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (A) (Beifall bei der CDU/CSU) empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält (C) sich? Es tut mir leid; das Präsidium ist sich im Mo- Noch ein Punkt ist uns wichtig: Wenn wir keine Re- ment nicht einig bei der Feststellung des Abstimmungs- form betreiben, sitzen die Nutznießer in Kalifornien. ergebnisses. Wollen wir, dass sie den Reibach machen? Haben wir nicht eine Verantwortung für die Pressesituation und die (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was? Wo ist Lage der Verlage in unserem Land? Bei uns müssen wir denn der Beck?) für Reformen sorgen, damit unsere Verlage gestärkt wer- den und die notwendige Freiheit bekommen. Ihnen wird Wir können noch die Gegenprobe machen. damit auch mit Blick auf die internationalen Wettbewer- ber geholfen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, sehr gut!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte noch einmal wissen: Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? Der Kulturstaatsminister hat auf Veranlassung des Deutschen Bundestages eine Studie zur Medienmei- (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das Erste war nungsvielfalt in Deutschland in Auftrag gegeben. Die eindeutig die Mehrheit!) Resultate liegen nun vor. Sie zeigen unter anderem, dass Google.de zur Meinungsbildung bei politischen Themen – Es gibt keine Einigkeit im Präsidium. Damit bitte ich bereits die am zweithäufigsten genutzte Einzelmarke ist. Sie alle, den Saal zu verlassen. Nach § 51 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung stellen wir nun das Abstimmungs- Den Versuch, dieser Entwicklung entgegenzusteuern, ergebnis per Hammelsprung fest. sollten wir unternehmen. Wir wollen damit die Verlage stärken. Wir wollen den Journalismus in Deutschland Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Unionsfrak- stärken. Wir wollen die Medienvielfalt garantieren, die tion und aus der FDP-Fraktion, ich weiß, es gibt am die Stellung unseres Landes als demokratisches Land si- Freitagmittag unheimlich viel zu besprechen. Trotzdem chert. Damit wollen wir einen Punkt für die Zukunft des bitte ich Sie, sich auf den Weg vor den Saal zu machen, Zeitungsmarktes in Deutschland setzen. damit wir dann den Hammelsprung durchführen können. Danke schön. Während die letzten Kolleginnen und Kollegen den Weg aus dem Saal suchen, bitte ich die Schriftführerin- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzu- nehmen. Soweit ich das von hier erkennen kann, sind (B) Vizepräsidentin Petra Pau: noch nicht alle drei Abstimmungstüren ordnungsgemäß (D) Ich schließe die Aussprache. besetzt. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen Ich bitte um ein Zeichen, ob die Türen geschlossen auf den Drucksachen 17/9852, 17/8541 und 17/9956 an werden können oder ob noch Kollegen den Weg aus dem die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- Saal suchen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte schlagen. Sind sie damit einverstanden? – Das ist der Sie, den Saal durch die Tür Ihrer Wahl wieder zu betre- Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. ten, damit wir das Abstimmungsergebnis feststellen kön- Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- nen. Die Abstimmung ist damit eröffnet. empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Techno- Ich darf die Kolleginnen und Kollegen, welche noch logie zum Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel vor den Abstimmungstüren verharren, bitten, nun den „Für faire Lebensmittelpreise und transparente Produk- Saal zu betreten, damit wir das Abstimmungsergebnis tionsbedingungen – Gegen den Missbrauch von Markt- feststellen können. macht“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- empfehlung auf Drucksache 17/5824, den Antrag der Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde in Fraktion der SPD auf Drucksache 17/4874 abzulehnen. drei Minuten die Abstimmung beenden. Ich bitte die Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer Kolleginnen und Kollegen, die schon im Saal sind, mir stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Be- den Blick auf die Türen freizumachen. Es könnte ja sein, schlussempfehlung mit den Stimmen der Unionsfraktion dass noch eine Kollegin oder ein Kollege daran gehin- und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion dert wird, durch diese Türen zu gehen. Dann muss ich Die Linke und der SPD-Fraktion bei Enthaltung der ihr bzw. ihm natürlich zu ihrem bzw. seinem Recht ver- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. helfen. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus- Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh- schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag rerinnen und Schriftführer, mir das Ergebnis mitzuteilen. der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü- nen mit dem Titel „Presse-Grosso gesetzlich verankern“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schriftführerin- Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung nen und Schriftführer haben mir das Ergebnis der Ab- auf Drucksache 17/9989, den Antrag der Fraktionen der stimmung mitgeteilt: 204 Kolleginnen und Kollegen ha- SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache ben mit Ja gestimmt, 7 haben mit Nein gestimmt, kein 17/8923 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss- Kollege und keine Kollegin hat sich enthalten. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22217

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Das heißt, es haben 211 Kolleginnen und Kollegen an Das tue ich hiermit: Die Sitzung ist aufgehoben. (C) der Abstimmung teilgenommen. Damit ist gleichzeitig die Beschlussunfähigkeit des Deutschen Bundestages Ich bitte die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer aller Fraktionen zu mir zur Bespre- festgestellt worden. Entsprechend § 45 Abs. 3 GO-BT chung des weiteren Verfahrens. bin ich verpflichtet, nach Feststellung der Beschluss- unfähigkeit die Sitzung sofort aufzuheben. (Schluss: 11.34 Uhr)

(B) (D)

Anlagen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012 22219

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

 entschuldigt bis  entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Bär, Dorothee CDU/CSU 15.06.2012 Möller, Kornelia DIE LINKE 15.06.2012

Bätzing-Lichtenthäler, SPD 15.06.2012 Montag, Jerzy BÜNDNIS 90/ 15.06.2012 Sabine DIE GRÜNEN

Behm, Cornelia BÜNDNIS 90/ 15.06.2012 Ortel, Holger SPD 15.06.2012 DIE GRÜNEN Otto (Frankfurt), Hans- FDP 15.06.2012 Bellmann, Veronika CDU/CSU 15.06.2012 Joachim

Binding (Heidelberg), SPD 15.06.2012 Roth (Esslingen), Karin SPD 15.06.2012 Lothar Schaaf, Anton SPD 15.06.2012 Brinkmann SPD 15.06.2012 (Hildesheim), Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 15.06.2012 Bernhard Schmidt (Eisleben), SPD 15.06.2012 Bülow, Marco SPD 15.06.2012 Silvia

Dyckmans, Mechthild FDP 15.06.2012 Schreiner, Ottmar SPD 15.06.2012

Freitag, Dagmar SPD 15.06.2012 Steinbach, Erika CDU/CSU 15.06.2012

(B) Gabriel, Sigmar SPD 15.06.2012 Süßmair, Alexander DIE LINKE 15.06.2012 (D)

Gohlke, Nicole DIE LINKE 15.06.2012 Wagner, Daniela BÜNDNIS 90/ 15.06.2012 DIE GRÜNEN Goldmann, Hans- FDP 15.06.2012 Michael Walter-Rosenheimer, BÜNDNIS 90/ 15.06.2012 Beate DIE GRÜNEN Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ 15.06.2012 DIE GRÜNEN Zapf, Uta SPD 15.06.2012

Kauder (Villingen- CDU/CSU 15.06.2012 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 15.06.2012 Schwenningen), Siegfried Anlage 2 Kekeritz, Uwe BÜNDNIS 90/ 15.06.2012 DIE GRÜNEN Amtliche Mitteilungen

Kramme, Anette SPD 15.06.2012 Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, dass sie den An- trag Genossenschaftsgründungen erleichtern, Woh- Krellmann, Jutta DIE LINKE 15.06.2012 nungsgenossenschaften stärken, bewährtes Prüfsys- tem erhalten auf Drucksache 17/9976 zurückzieht. Krichbaum, Gunther CDU/CSU 15.06.2012 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ 15.06.2012 mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 DIE GRÜNEN Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Lemme, Steffen-Claudio SPD 15.06.2012 Ausschuss für Bildung, Forschung und Leutheusser- FDP 15.06.2012 Technikfolgenabschätzung Schnarrenberger, – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sabine Aktionsplan Nanotechnologie 2015 Menzner, Dorothée DIE LINKE 15.06.2012 – Drucksache 17/4485 – 22220 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 15. Juni 2012

(A) Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (C) mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Drucksache 17/9130 Nr. A.11 Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- EP P7_TA-PROV(2012)0058 ner Beratung abgesehen hat. Drucksache 17/9130 Nr. A.12 EP P7_TA-PROV(2012)0063 Drucksache 17/9130 Nr. A.13 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft EP P7_TA-PROV(2012)0065 und Verbraucherschutz

Drucksache 17/9797 Nr. A.6 Ausschuss für Bildung, Forschung und Ratsdokument 9294/12 Technikfolgenabschätzung Drucksache 17/8227 Nr. A.45 Ratsdokument 17188/11 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/8227 Nr. A.46 Drucksache 17/9475 Nr. A.20 Ratsdokument 17574/11 Ratsdokument 8151/12

Drucksache 17/9475 Nr. A.21 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit Ratsdokument 8173/12 und Entwicklung Drucksache 17/9647 Nr. A.16 Drucksache 17/9647 Nr. A.22 Ratsdokument 8794/12 Ratsdokument 8423/12

(B) (D)

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