Gedenktourismus Im Departement Moselle 1
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GEDENKTOURISMUS IM DEPARTEMENT MOSELLE 1 VERANSTALTUNGSREIHE „MOSELLE DÉRACINÉE“ DAS DEPARTEMENT MOSELLE LÄDT SIE EIN ZU EINER ORIGINELLEN (NEU-)ENTDECKUNG SEINER REGION UND SEINER GESCHICHTE VORWORT Technik, Militärkunst, Architektur, Geschichte, Kulturerbe: Die Gedenkstätten im Departement Moselle erinnern an all dies zugleich, aber jede in unterschiedlichem Maße. Unser Departement hat glorreiche Zeiten und schmerzliche Augenblicke erlebt, davon zeugen zahlreiche Stätten. Sie zu erkunden und zu erläutern lohnt sich. Von der Genialität Vaubans über Maginot bis zum europäischen Gründervater Robert Schuman haben berühmte Persönlichkeiten das Departement Moselle geprägt. Deshalb lädt das Departement Sie in Zusammenarbeit mit den zahlreichen, fast immer ehrenamtlich, aber stets leidenschaftlich arbeitenden Betreibern dieser „Gedenkorte“ zu einer originellen (Neu-)Entdeckung unserer Region und unserer Geschichte ein. 2020 ist ein besonderes Jahr für unser Departement, denn wir gedenken mit der Veranstaltungsreihe „Moselle Déracinée“ eines der prägendsten und zugleich am wenigsten bekannten Kapitel des Zweiten Weltkriegs. Zwischen 1939 und 1940 waren über 400.000 Menschen aus dem Departement gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um in einem der vielen französischen Departements Unterschlupf zu finden, entweder um aus der Gefechtszone gebracht zu werden, oder weil sie von den Nazis vertrieben wurden. Gleichwohl hat dieses erzwungene und quälende Exil unverbrüchliche Bande zu den Aufnahmeregionen geschaffen, die wir im Laufe dieses Gedenkjahres würdigen möchten. Ich wünsche mir, dass es durch informative Besichtigungen allen möglich ist, dieses Kapitel unserer Geschichte weiterzuerzählen. Patrick WEITEN Präsident von Moselle Attractivité Präsident des Rates des Departements Moselle Ehemaliger Abgeordneter der Nationalversammlung S6-11 VERANSTALTUNGSREIHE „MOSELLE DÉRACINÉE“ 1 S12-23 MUSEEN, STANDORTE UND INFORMATIONSZENTREN 2 S24-37 ANLAGEN DER MAGINOT-LINIE 3 S38-41 DIE FESTEN 4 S42-49 NEKROPOLEN, GEDENKSTÄTTEN UND POLES, MONUMENTS ET CIMETIÈRES MILITAIRES SOLDATENFRIEDHÖFE 5 S50-53 INTERNIERUNGSLAGER 6 S54-57 ROBERT SCHUMAN 7 4 Hackenberg Die drei deutsch-französischen Kriege der Neuzeit haben tiefe Spuren im Departement Moselle hinterlassen. Der Krieg von 1870/71 zwischen Frankreich und den deutschen Staaten unter preußischer Führung wird drei Monate lang (von August bis Oktober 1870) im Departement Moselle geführt. Anschließend wird er bei Paris, in Nordfrankreich und an der Loire fortgesetzt. Das besiegte Frankreich tritt an das neu entstandene Deutsche Kaiserreich das Elsass und das von den Siegern „Lothringen“ genannte Gebiet ab, das geografisch dem heutigen Departement Moselle entspricht (Friede von Frankfurt, 10. Mai 1871). Nahezu ein halbes Jahrhundert lang unterstehen sie deutscher Verwaltung und werden vollständig in den deutschen Wirtschafts- und Zollraum eingegliedert, die deutschen Gesetze werden schrittweise eingeführt. Die ersten Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs, bekannt unter dem Namen „Grenzschlachten“, finden im August 1914 im annektierten und im französischen Teil Lothringens statt. Noch heute sind ihre Spuren im Departement Moselle sichtbar. Zahlreiche Gedenkstätten und Friedhöfe erinnern an die blutigen Schlachten von Morhange und Sarrebourg. Ende 1914 geht die Front entlang einer Linie von Schützengräben und befestigten Stellungen von Pont-à-Mousson bis in die Vogesen. Nach der Niederlage Deutschlands im Jahr 1918 kehren das Elsass und das Departement Moselle nach Frankreich zurück (Vertrag von Versailles, 28. Juni 1919). GEDENKTOURISMUS Um sich vor einer erneuten Invasion aus dem Osten zu schützen, beschließt die französische Regierung ab 1930 den Bau einer durchgehenden, befestigten Verteidigungslinie: die Maginot-Linie, benannt nach dem Minister André Maginot, der sie ersonnen hatte. Die wichtigsten Bauwerke entstehen im Departement Moselle, beginnend östlich von Thionville bis zum nördlichen Elsass. Am 1. September 1939 führt die Kriegserklärung zur schrittweisen Evakuierung von 300.000 Zivilisten aus dem Departement Moselle, die nahe der Maginot-Linie lebten, in 5 deren Schutz die französische Armee den Feind erwartet. Es beginnt der sogenannte „Sitzkrieg“. Die von der deutschen Armee nicht von Osten, sondern von Norden und Westen eingenommene Verteidigungslinie wird trotz erbitterter Kämpfe im Juni 1940 zur Falle für tausende französische Soldaten. Noch vor der Unterzeichnung des Waffenstillstands wird das Departement Moselle vom Reich annektiert. Seine Bevölkerung wird einer rücksichtslosen Politik der Germanisierung und Nazifizierung unterworfen, die ab August 1942 zur Zwangseingliederung von 30.000 Männern in die Wehrmacht führt. Zudem werden über 70.000 sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Osteuropa in rund 250 Lagern im Departement Moselle interniert. Nach heftigen Gefechten zwischen September 1944 und März 1945 wird das Departement Moselle durch die amerikanischen Streitkräfte befreit. In der vorliegenden Broschüre werden zahlreiche Stätten vorgestellt, die Zeitzeugen dieser Kriege sind und über das gesamte Departement Moselle verteilt sind, darunter auch befestigte Städte und Orte, die älter sind als die drei deutsch-französischen Kriege und die wir dem genialen Militäringenieur Vauban verdanken. Die Broschüre schließt mit der Erinnerung an Robert Schuman, einer der Gründerväter der Europäischen Union, Abgeordneter der Nationalversammlung und Minister aus dem Departement Moselle, der seine letzte Ruhestätte unweit von seinem Haus in Scy Chazelles gefunden hat. Insbesondere lancierte er am 9. Mai 1950 die nach ihm benannte wegweisende Schuman-Erklärung und setzte sich mit Nachdruck für den Frieden und die deutsch-französische Aussöhnung ein. Friedhof für US-amerikanischen Soldaten St-Avold GEDENKTOURISMUS VERANSTALTUNGSREIHE „MOSELLE DÉRACINÉE“ 1 8 Die Evakuierung der Bewohner aus dem Departement Moselle Im September 1939 werden aufgrund der allgemeinen Mobilmachung in Frankreich massenhafte Evakuierungen der vor der Maginot-Linie lebenden Zivilbevölkerung erforderlich. Vom Bitscher Land bis zum Bezirk Thionville-Ost brechen die Menschen im Departement Moselle fast alle unverzüglich und gleichzeitig auf. Am 10. Mai 1940 löst die deutsche Offensive eine zweite Evakuierungswelle aus, dieses Mal hinter der Maginot-Linie, hauptsächlich in den Bezirken Thionville und Boulay. 300.000 Menschen aus 300 Gemeinden verließen auf diese Weise ihre Häuser, um mehrheitlich in die Departements zu fliehen, die einige Monate zuvor von der Regierung als Zufluchtsorte festgelegt worden waren: Charente und Vienne, zu denen noch Charente-Inférieure kommt, als absehbar wird, dass die Aufnahmekapazitäten von Charente bald erschöpft sind. Die Bergarbeiter gehen in die Industrie- und Bergbaureviere in Nord- und Zentralfrankreich, denen es aufgrund der Mobilmachung an Arbeitskräften fehlt. Doch die zweite Evakuierungsphase begann unter dramatischen Umständen. So hatten zahlreiche der im Mai 1940 aus dem Departement Moselle geflüchteten Menschen nicht die Mittel, um bis nach Westfrankreich zu gelangen und machten deshalb im Burgund und in der nördlichen Auvergne Halt. Wer das nötige Geld hatte und unabhängig von den organisierten Sammelabreisen für einen Zufluchtsort für seine Familie gesorgt hatte, bricht ebenfalls auf, in die Departements Meuse, Meurthe-et-Moselle oder sogar an einen Ort im Departement Moselle… Nach einer zumeist strapaziösen Reise (30 bis 70 km Fußmarsch, und noch viel mehr für einige Pechvögel, sodann eine zwei- oder dreitägige oder manchmal noch längere Zugfahrt, und das häufig in Güterwagen), landen die Menschen aus dem Departement Moselle in Angoulême, Lens, Poitiers, Saint-Etienne oder kleineren Städten mit Bahnhof, wo sie von Empfangskomitees GEDENKTOURISMUS aus Beamten und Mitgliedern des Roten Kreuzes erwartet werden, die ihnen Trost spenden, sie beraten oder an ihre endgültigen Unterkunftsorte bringen. Die Bürgermeister haben nicht nur den Auftrag, für jeden ein Dach über dem Kopf zu finden, falls erforderlich in behelfsmäßigen Sammelunterkünften. Sie sollen sie auch verpflegen, diese erschöpften, entwurzelten, alten oder ganz jungen Reisenden (die Männer im arbeitsfähigen Alter sind an der Front), die sich unbehaglich fühlen, wenn man sich auf Französisch, oder schlimmer, in westfranzösischer Mundart an sie wendet, sie, die ab 9 einem gewissen Alter nur ihren Dialekt verstehen und nur Deutsch lesen können, die Sprache des Feindes. Wie sollen sie das ihren Landsleuten in Westfrankreich erklären? Die Regierung und die Präfekten tun alles, was irgend möglich ist: Es wird ein Minister für Flüchtlingsfragen ernannt, im Frühjahr 1940 wird ihm sogar ein Unterstaatssekretär zur Seite gestellt (es handelt sich um Robert Schuman, aktiver und geachteter Abgeordneter aus dem Departement Moselle). Wer nicht arbeitet, erhält finanzielle Unterstützung, lothringische Schulen werden für die kleinen Flüchtlinge geöffnet. Die Bauern, Winzer (rund um Cognac), und die Waffenmanufaktur Châtellerault bieten Arbeitsplätze an. Und die Frauen, die nicht übermäßig viele Kinder zu versorgen haben, stricken für die Soldaten. Die Bergleute stellen sicher, dass die Produktion in den Revieren in Zentral- und Mittelfrankreich und im Nord-Pas-de-Calais weitergeht. Trotz des fehlenden Einfühlungsvermögens (sind die Lothringer nicht für einige Bewohner auf dem westfranzösischen Land „Boches“, also Deutsche?) und des Frusts aufgrund des beruflichen Abstiegs ist alles recht reibungslos