Die Kulturlandschaft Der Flößerei Im Frankenwald – Ein Komplexes System Und Seine Relikte1
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Thomas Gunzelmann und Christine Dorn Die Kulturlandschaft der Flößerei im Frankenwald – ein komplexes System und seine Relikte1 1. Einleitung likte in eine regionale Entwicklung im Kontext von Naturschutz und Landschaftspflege, Wasser- Frankenwald und Flößerei – diese beiden Begrif- wirtschaft und Tourismus einzubinden, muss da- fe werden auch heute noch oft in einem Atemzug her ihre Erfassung und Bewertung stehen. genannt, obwohl das letzte kommerzielle Floß schon vor fast 50 Jahren Rodach und Main hin- Die baulichen und landschaftlichen Überliefe- abgeschwommen ist. Über Jahrhunderte hinweg rungen der Frankenwaldflößerei können dabei bis weit in das 20. Jahrhundert hinein hat die keinesfalls vereinzelt betrachtet werden, denn sie Flößerei Landschaft und Menschen des Franken- waren Teil eines komplexen Systems. Jedes ein- waldes maßgeblich geprägt. Die Erinnerung an zelne Relikt, sei es ein erhaltener Abschnitt einer dieses Gewerbe halten die Floßvereine im Land- Ufermauer oder eine Wehranlage, hat eine ver- kreis Kronach, das Flößermuseum in Unterro- gleichsweise geringe Bedeutung als Einzelobjekt, dach und weitere kleinere museale Einrichtungen eine wesentlich stärkere dagegen als Teil eines al- in Friesen und Neuses wach. Handwerkliche Tra- leine im Frankenwald über 200 Flusskilometer dition und Brauchtumspflege sind somit in guten umfassenden, fein abgestimmten Systems. Die Händen, wie es auch die jährlich stattfindenden Flößerei war, vielleicht mit dem Bergbau, eine Schaufloßfahrten der Vereine, und erst recht die der wenigen Erscheinungen der vorindustriellen touristische Flößerei in Wallenfels beweisen. Zeit, welche die Anwendung des modernen Sys- tembegriffes erlaubt. Unter einem solchen »Sys- Die materiellen Relikte der Flößerei, die weitge- tem« versteht man ein aus vielen aufeinander ab- hend in Vergessenheit gerieten und zum Teil vom gestimmten Einzelteilen zusammengesetztes, mit Verfall bedroht sind, rücken dagegen erst seit ei- geordneten Abläufen versehenes Wirkungsgefü- nigen Jahren verstärkt in das Blickfeld interes- ge. Dies trifft eben auch auf die historische Fran- sierter Kreise. Hat man aber erkannt, welche kenwaldflößerei mit ihrer netzartigen Ordnung Zeugen noch von dem historischen Gewerbe kün- und ihre immensen Wirkungen auf die betroffe- den, so stellt sich unweigerlich die Frage nach ih- nen Wasserläufe und den Wald, aber auch auf die rer Bedeutung, nach ihrer Erhaltungswürdigkeit Menschen, die von ihr lebten, zu.2 und erst recht nach den Möglichkeiten ihrer Er- haltung. Am Beginn aller Bemühungen, diese Re- Ein solches System mit seinen technischen, orga- - 83 - nisatorischen, wirtschaftlichen und sozialen Ver- knüpft sind. Am Beispiel eines Dorfes mit seinen knüpfungen lässt sich hinsichtlich seiner mate- erhaltenen historischen Bauten und seinen Neu- riellen Auswirkungen und seinen Hinterlassen- bauten lässt sich dies leicht nachvollziehen. schaften im Raum am besten als Kulturlandschaft beschreiben. Daneben gibt es aber auch Elemente in der Kul- turlandschaft, die zwar materiell noch vorhanden, 2. Kulturlandschaft und System – jedoch ihre Nutzung im ursprünglichen Sinn ver- Begrifflichkeiten loren haben und damit als »fossil« zu bezeichnen sind. Schließlich sind auch ruinöse oder ober- Kulturlandschaft kann man definieren als das Er- flächlich nicht mehr erkennbare Strukturen eben- gebnis der Wechselwirkung zwischen naturräum- so Elemente der Kulturlandschaft. In historischer lichen Bedingungen und menschlicher Einfluss- Betrachtung gilt es außerdem den Grad der nahme im Verlauf der Geschichte. Sie ist jedoch Durchdringung von Natur und Kultur zu beach- nicht statisch; der dynamische Wandel im Sinne ten. Grundsätzlich kann man von einem naturna- von Werden und Vergehen ist ein Wesensmerk- hen und kulturfernen Ausgangspunkt ausgehen, mal der Kulturlandschaft.3 In Mitteleuropa gibt es dann durchdringen sich Natur und Kultur unter keine Naturlandschaft im strengen Sinne mehr, dem Einfluss des Menschen in verschiedenen der Mensch hat sie seit Jahrtausenden in immer Stufen, bis schließlich sich die Kultur als eindeu- stärkerem Maß wie auch in immer größerer Ge- tig dominant erweist und ihre Hervorbringungen schwindigkeit so umgestaltet, dass sie heute flä- weitgehend unabhängig von den naturräumlichen chenhaft als ein Werk der menschlichen Betäti- Vorgaben werden. gung in den Feldern des Wohnens und Wirtschaf- tens, des Verkehrs, des staatlichen Handelns, aber Eine so verstandene Kulturlandschaft als kom- auch der Erholung oder der Religionsausübung plexes raum-zeitliches System mit differenzierten ist. und sich überlagernden aktiven und fossilen Ele- menten ist in ihrer Gesamtheit mit den wirkenden Überhöht ausgedrückt ist damit Kulturlandschaft Kräften und den Beziehungen zwischen diesen nichts anderes als der »objektivierte«, also der und ihren einzelnen Elementen kaum mehr be- »geformte Geist« des Menschen.4 Somit ist sie schreibbar. Die kulturlandschaftliche Wirklich- ein komplexes Gefüge mit Elementen und Struk- keit ist so komplex, dass auch umfangreiche Be- turen, die aus unterschiedlichen Zeiten stammen. schreibungs- und Deutungsversuche diese Reali- Sie besitzt also eine »historische Tiefenschich- tät nie vollständig abbilden können. Sie bleiben tung«5, in der heute geschaffene mit noch leben- damit Hilfskonstruktionen, die mindestens teil- digen Elementen aus der Vergangenheit ver- weise von der subjektiven Wahrnehmung und den - 84 - Leitbildern des jeweiligen Verfassers abhängig das Floß dem Fluss, andererseits aber auch der sind. Fluss dem Floß angepasst. Transparenter wird das komplexe System Kultur- 3. Das System der Frankenwaldflößerei landschaft, wenn man einen dominanten Faktor ihrer Prägung herauszieht, sozusagen isoliert, und 3.1 Typen der Flößerei damit die Komplexität reduziert, und ihr Wir- kungsgefüge entlang dieser Leitlinie beschreibt Die Flößerei ist bei weitem nicht ein homogener und analysiert. Als ein solcher dominanter Faktor Vorgang des Holztransports von Langhölzern auf eignet sich hervorragend das Gewerbe der Flöße- dem Wasser, sondern es sind – und dies auch im rei im Frankenwald. Die durch die Flößerei ge- Frankenwald – unterschiedliche Typen der Flöße- prägte Kulturlandschaft ist aber auch in anderer rei zu unterscheiden, die wiederum unterschiedli- Hinsicht ein hervorragendes Beispiel. In ihrer che Anforderungen an den Fluss, aber auch an die letzten Blütezeit im 19. Jahrhundert zeigt sie sich Menschen stellen. Grundsätzlich unterschieden in einer weitgehend ausgewogenen Stufe der werden muss zwischen der ungebundenen Flöße- Durchdringung von naturräumlichen Grundlagen rei oder Trift und der gebundenen oder eigentli- und menschlicher Prägung. Das System als Gan- chen Flößerei, die bemannt und steuerbar sein zes ist auf das dichte, nach Südwesten entwäs- musste. Alle Formen der Flößerei waren im sernde Flusssystem des Frankenwaldes angewie- Frankenwald üblich. Die Trift bezeichnet den sen. Als fremdenergiefreies vorindustrielles Transport von Säge- oder Brennholz, wobei die Transportsystem profitiert die Flößerei in hohem Stammabschnitte auf dem Wasser schwimmen Maße von diesen einzigartigen Vorgaben der Na- und das Triftpersonal vom Ufer aus für einen tur, denn selten wird ein bewaldetes Mittelgebir- möglichst reibungslosen Fortgang sorgen muss- ge in Deutschland so eng durch sich bündelnde te.6 Die Trift selbst lässt sich wiederum unterglie- Fließgewässer erschlossen. Der nächste Floßbach dern in die Scheitholztrift und in die Blöchertrift. war nie mehr als vier Kilometer vom Hiebsort des Holzes entfernt. Andererseits genügten die 3.1.1 Scheitholzflößerei Naturvorgaben dennoch bei weitem nicht, um ganzjährig das immense Transportvolumen ge- Die Scheitholzflößerei oder Scheitholztrift, bei währleisten zu können. Deshalb waren schon welcher hauptsächlich kurze Stammabschnitte frühzeitig Anpassungen durch die Nutzer der von etwa 1,2 m Länge geflößt wurden, diente vor Landschaft erforderlich. Diese lassen sich im kul- allem der Brennholzversorgung der Städte, aber turlandschaftlichen Sinne in passive und aktive auch der Versorgung von Salinen und Eisenhüt- Komponenten untergliedern. So wurde einerseits ten. Die Scheitholztrift, im sächsischen und thü- - 85 - ringischen Raum oft nur als »Flöße« bezeichnet, besaßen in Oberfranken auch die Städte Bay- erforderte ebenso wie die anderen Formen der reuth, Kulmbach und Hof, welche die Holzvorrä- Flößerei die Einrichtung spezieller Anlagen.7 Da- te und das Gewässernetz des Fichtelgebirges zu zählten vor allem aufwändige Rechenanlagen nutzten.11 mit Uferbefestigungen und Stegen, die das Holz sicher auffangen sollten, sowie die an den Re- 3.1.2 Die Blöchertrift chen anschließenden Holzanger.8 Sie spielte im Frankenwald eine geringere Rolle, da die meisten Eine wesentlich größere Bedeutung als die Orte aufgrund ihrer Waldnähe keine Probleme Scheitholztrift hatte für den Frankenwald die mit der Brennholzversorgung hatten. Lediglich Blöchertrift. Dabei wurden längere Stammab- die Stadt Kronach selbst ist wohl zumindest zeit- schnitte zwischen 3,5 und 5 m als Ausgangsmate- weise auf diesem Weg mitversorgt worden. So ist rial für die Weiterverarbeitung in den Sägemüh- belegt, dass Christoph von Thüna um 1575 len getriftet. Die Blöchertrift stellte ähnliche An- Brennholz nach Kronach flößen und auf den städ- forderungen an die Ausgestaltung der Floßbäche tischen Angern aufsetzen ließ, wofür er Lager- wie die Scheitholztrift. Die Ufer der Bäche muss- geld zu zahlen hatte.9 Es kann angenommen wer- ten problemlos begehbar sein,