Der Landkreis Kronach: Ein Avifaunistisches Profil Von 2007 Bis Herbst 2015
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© Ornithologische Gesellschaft Bayern, download unter www.zobodat.at ORNITHOLOGISCHER ANZEIGER Zeitschrift bayerischer und baden-württembergischer Ornithologen Band 54 – Heft 2/3 April 2016 Ornithol. Anz., 54: 121–276 Der Landkreis Kronach: ein avifaunistisches Profil von 2007 bis Herbst 2015 Jonathan Guest The administrative district of Kronach: an avifaunistic profile, 2007–autumn 2015. This work summarises the status of all 183 bird species encountered in the Kronach district (651 km²) since 2007. Between 2010 and 2014 breeding birds were mapped using a grid of 1/16 of a 1:25.000 map sheet, giving 108 grid squares (or part squares) of just over 8 km². The population of each breeding species was estimated using data from the breeding bird survey and from two monitoring plots, where all territories were mapped annually between 2008 and 2013. From 2011, daily species lists were com- pleted in ‚Excel’ files. These provided data, from which the seasonal occurrence and breeding behav- iour of each species could be defined. On many days in autumn, timed counts were made of visibly migrating birds. Data from these counts are presented in tabular form. In addition casual records were also used in the preparation of the species accounts. In 2015, additional records were requested from local birdwatchers. Key words: avifaunistic profile, Kronach, Bavaria, grid maps, phenology Jonathan Guest, Parkstr. 7, 96317 Kronach, Deutschland E-Mail: [email protected] Hintergrund „Atlas Deutscher Brutvogelarten“ (Ge deon et al. 2014) sowohl in Kronach als auch in den angren- Als ich 2007 in den Landkreis Kronach zog, fand zenden Landkreisen teil. Erst nach Ende der ich nur sehr wenig Literatur über die hiesige Kartierung erfuhr ich, dass mehrere Kronacher Vogelwelt. Die Veröffentlichung von Gubitz und Messtischblätter überhaupt nicht bearbeitet Pfeifer (1993) über die Vogelwelt Ostoberfrankens worden waren. Die Ergebnisse (Rödl et al. 2012) enthielt viele Daten aus dem Landkreis, lag aber halfen kaum, den Status vieler Vogelarten im schon 14 Jahre zurück. Die Kartierung der „Brut - Landkreis aufzuklären. Das Ziel des Atlas, „Ver- vögel in Bayern“ (Bezzel et al. 2005) umfasste zwar breitung und Häufigkeit der Brutvogelarten in die Jahre 1996 bis 1999, der Landkreis Kro nach Bayern darzustellen und so aktuelle Grund la - aber war nur sehr lückenhaft bearbeitet worden. gen für Naturschutzarbeit und Wissenschaft zu 2008 bis 2010 nahm ich an der Kartierung für den schaffen“ (Rödl et al. 2012), war auf der Land kreis- © Ornithologische Gesellschaft Bayern, download unter www.zobodat.at 122 Ornithol. Anz., 54, 2016 Abb. 1. Das Untersuchungsgebiet, der Landkreis Kronach (Bayern). Grün = Waldflächen, rot = Siedlungen, Gitternetz = 1/16 der Topografischen Karte 1:25.000. – The study area, the district of Kronach (Bavaria). Green = forests, red = cities and villages, grid net = 1/16 topographical map of Bavaria M 1:25.000. © Ornithologische Gesellschaft Bayern, download unter www.zobodat.at Guest: Avifaunistisches Profil Landkreis Kronach 123 ebene verfehlt worden. Inzwischen hatte ich auch für viele Vogelarten, sowohl häufige Arten wie Einblick in das Arten- und Biotop schutz programm Reiherente, Graureiher, Turmfalke, Sommergold - (ABSP 2004) für den Landkreis be kommen, worin hähnchen oder Blaumeise als auch seltene Gäste, unter anderem stand, dass nur drei Fundorte für kein Nachweis aus dem Landkreis Kronach den Waldlaubsänger und nur acht für den Baum - erwähnt. Ich hatte auch viele Daten zum Wegzug, pieper bekannt waren. welche das regionale Bild ergänzen, außerdem Ich habe mich also entschieden, die Brutvögel besonders aus dem Herbst zum sichtbaren Zug im Landkreis selber zu kartieren. 1978 bis 1984 von Greifvögeln, Finken, Drosseln, Piepern usw. hatte ich eine führende Rolle in der Kartierung Ich habe mich also entschlossen, meine Daten als und als Autor fast aller Artentexte für einen Atlas „avifaunistisches Profil“ zu verfassen. Es bleiben der Brutvögel in der Grafschaft Cheshire, England zwar viele Lücken in meiner Kenntnis der hie- (Guest et al. 1992), inne. Als Rastereinheit für jenen sigen Vogelwelt, aber eine große Lücke in der Atlas dienten Quadrate von 2 km x 2 km, also Literatur zur bayerischen Avifauna wird ge- 4 Quadratkilometer. Es war mir klar, dass ich schlossen. die Feldarbeit für einen Kronacher Atlas allein Natürlich ist dieses Profil keineswegs kom- erledigen müsste. Um den Landkreis innerhalb plett. Mir sind zusätzliche Daten immer will- weniger Jahre zu bearbeiten, musste ich eine kommen. Raster einheit wählen, die möglichst detaillierte Verbreitungs muster liefern würde, ohne die Zahl Der Landkreis Kronach: Geologie, der nötigen Exkursionen zu weit in die Höhe zu Vegetation und Klima treiben. Ich entschied mich für 1/16 eines Mess - tischblatts der TK 1:25.000. Im Landkreis (651 km²) Geologie und Topografie. Die nördlichen zwei liegen 108 solche Einheiten bzw. Teileinheiten. Drittel des Landkreises Kronach liegen im Fran - Eine solche Einheit misst etwas mehr als 8 Qua - kenwald (hauptsächlich 600 m bis 750 m über NN), dratkilometer. das südwestliche Drittel im Obermainischen Wohin aber mit meinen ganzen Daten außer- Hügelland (300 m bis 550 m über NN). Die höchste halb der Brutsaison? In „Die Vogelwelt Ost- Erhebung im Landkreis liegt nordöstlich von oberfrankens“ (Gubitz und Pfeifer 1993) wurde Kleintettau mit 749 m über NN. Die höchsten Er- Foto 1. Deutlich setzt sich die stellenweise reich gegliederte Kulturlandschaft des Hügellandes gegen den dicht bewaldeten Frankenwald (Hintergrund) ab. Heckenlandschaft bei Unterrodach. – The cul- tural landscape of the hill country still retains areas with smaller fields (here the hedged landscape by Unterrodach) and contrasts with the upland Frankenwald (background) with its extensive forests. Foto: H.-J. Fünfstück, www.5erls-naturfotos.de © Ornithologische Gesellschaft Bayern, download unter www.zobodat.at 124 Ornithol. Anz., 54, 2016 Foto 2. Buchenmischwald mit Naturverjüngung bei Thiemitz. – Mixed beech woodland with natural rege- neration near Thiemitz. Foto: H.-J. Fünfstück hebungen des Frankenwaldes (Döbraberg 794 m, Die Elbe-Main-Wasserscheide folgt dem Rücken Wetzstein 792 m) liegen knapp außerhalb der des Frankenwaldes nördlich von Tettau und Landkreisgrenzen. Geologisch besteht der Fran - Steinbach am Wald. Die nordwärts, Richtung Elbe, ken wald vorwiegend aus Tonschiefern, Grau- fließenden Bäche (Loquitz und Taugwitz) sind wacken, Konglomeratlagen und Diabas aus dem meist schattig und für Brutvögel wenig interes- Paläozoikum. Das Hügelland wird von jüngerem sant. Das tiefe Tal der Loquitz bildet aber eine Gestein charakterisiert, insbesondere Sandstein, Zugroute im Herbst für viele durchziehende Muschelkalk und tonigen Keuperschichten. Auf Arten, die einen Weg über bzw. durch den Thü - Äckern im Gebiet zwischen Stockheim und ringer und Frankenwald suchen. Die Bäche und Rothen kirchen fallen die roten Böden des Rot - Flüsse, die Richtung Main fließen (Thüringer liegenden auf, das aus dem Abtragungsschutt des Steinach, Haßlach mit Tettau, Kronach mit Krem - alten Frankenwaldes entstand. Das Rotliegende nitz und Grümpel, Rodach mit Fränkische Musch - zählt geologisch zum Frankenwald, avifau nistisch witz, Ölsnitz und Leitsch, Wilde Rodach mit aber gehört dieses Gebiet zum Ober mainischen Lamitz und Thiemitz), liegen meist auf einer Hügelland. Achse von Nordost nach Südwest, ihnen folgen Die Frankenwaldrand-Verwerfung, eine große auch viele Zugvögel. Sämtliche Flüsse und Bäche Bruchlinie, bildet die Grenze zwischen dem Fran - des Frankenwaldes, welche für Holztrift und kenwald und dem Hügelland. Diese markante Flößerei genutzt wurden, sind entsprechend Hanghaube macht sich mit einem relativen Höhen - begradigt und verbaut worden. unterschied von 100–280 m zum Vorland hin deut- lich bemerkbar (Foto 1). Der hohe Ge birgs rand, Vegetation und Landnutzung. Laut ABSP (2004) die „Fränkische Linie“, bildet bei bestimmten sind etwa 57 % (37.400 ha) des Landkreises Wetterlagen eine Barriere für den Vogelzug, was bewaldet, und 71 % des Frankenwaldes. 3,4 % im Frühjahr zu „Zugstaus“ führen kann. (2.197 ha) waren Siedlungsflächen, und etwa 39 % © Ornithologische Gesellschaft Bayern, download unter www.zobodat.at Guest: Avifaunistisches Profil Landkreis Kronach 125 (25.600 ha) wurden als landwirtschaftliche Nutz - fläche klassifiziert. Der Landkreis Kronach liegt bei den waldreichsten Landkreisen Bayerns nach Land kreis Regen (Bayerischer Wald) und Land - kreis Main-Spessart (Spessart) an dritter Stelle. Die natürliche Vegetation des Frankenwaldes bestand hauptsächlich aus Buchenwald (Foto 2). Dieser ließ sich in zwei Typen teilen: eine bota- nisch artenarme über den saueren Böden entlang der Wasserscheide und eine artenreiche, wo die Böden reicher an Nährstoffen sind, insbesondere wo Grundwasser aus den Hängen sickert, wie in den Schluchtwäldern entlang der Bachtäler. Der artenarme Buchenmischwald wurde wohl von Drahtschmiele Deschampsia flexuosa, Heidelbeere Vaccinium myrtillus und Wachtelweizen Melam - pyrum pratense charaktisiert; im artenreicheren Wald kamen Hasenlattich Prenanthes purpurea, Schmalblättrige Hainsimse Luzula luzuloides, Bingelkraut Mercurialis perennis und viele weitere Pflanzen vor. Die Verbreitung dieser beiden Buchenwald-Typen lässt sich anhand der jetzigen Verbreitung von Waldpflanzen grob rekonstru- ieren (Abb. 2), obwohl die Buche aus forstwirt- schaftlichen Gründen großflächig, auf den ärme- Abb. 2. Die Verbreitung der Zwiebelzahnwurz ren Böden beinahe