Udo Lindenberg: Sonderzug nach

Udo Lindenberg hatte in einem Radiointerview am 5. März 1979 seinen Wunsch geäußert, für seine Fans ein Konzert in Ostberlin veranstalten zu wollen. Das Interview wurde in der DDR im Originalton aufgezeichnet und einen Tag später als Information dem Chefideologen und Kulturverantwortlichen der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) vorgelegt. Dieser schrieb am 9. März 1979 handschriftlich auf die Information: „Auftritt in der DDR kommt nicht in Frage“. Lindenberg war über diese Ablehnung verärgert, doch gelang es ihm für einige Jahre nicht, seinen Plan umzusetzen. Dann kam er Anfang 1983 auf die Idee, als Reaktion auf diese Ablehnung einen deutschen Text auf Glenn Millers Swing-Klassiker zu verfassen. Der deutsche Text des Liedes richtet sich in ironischer Weise direkt an den damaligen Staatsratsvorsitzenden . Dieser wird respektlos als verknöcherter und scheinheiliger Mann bezeichnet, der offiziell die Ideologie der Regierung präsentiere, aber innerlich ein Rocker sei und heimlich West-Radio höre.

Der Bezug zum Berliner Bezirk Pankow im Titel beruht auf der Tatsache, dass das dort gelegene Schloss Schönhausen von 1949 bis 1960 Sitz des Präsidenten sowie anschließend bis 1964 des Staatsrates der DDR war. Auch danach hatten viele Angehörige der DDR-Regierung und ranghohe Mitarbeiter anderer Behörden ihren Wohnsitz in Pankow, unter anderem am . Pankow wurde in der Zeit des Kalten Krieges als Synonym für „Regierungssitz der sowjetisch besetzten Zone“ benutzt. Zum Schluss der Aufnahme ist eine Bahnhofsdurchsage in Russisch zu hören. Der Originaltext lautet: „Towarischtsch Erich! Meshdu protschim, werchownij sowjet ne imejet nitschewo protiw gastrolej Gospodina Lindenberga w GDR!“, auf Deutsch übersetzt: „Genosse Erich, im Übrigen hat der Oberste Sowjet nichts gegen ein Gastspiel von Herrn Lindenberg in der DDR!“ Diese Passage sollte darauf hinweisen, dass ohnehin wesentliche Entscheidungen der DDR in der Sowjetunion getroffen würden.

In einem Begleitbrief zum Song hatte Lindenberg am 16. Februar 1983 an Honecker geschrieben: „Lass doch nun auch mal einen echten deutschen Klartext-Rocker in der DDR rocken. Zeig Dich doch mal von Deiner locker-menschlichen und flexiblen Seite, zeig uns Deinen Humor und Deine Souveränität und lass die Nachtigall von Billerbeck ihre Zauberstimme erheben. Sieh das alles nicht so eng und verkniffen, Genosse Honey, und gib dein Okey für meine DDR-Tournee“.

Der geringschätzige und respektlose Text hatte Honecker aufgebracht. In einem Brief versuchte der Lindenberg-Berater Michael Gaißmayer noch im August 1983, die Wogen zu glätten. Daraufhin lud man Lindenberg ein, im Rahmen eines Friedenskonzertes mit Künstlern aus aller Welt, im Palast der Republik in Ost- vor ausgewähltem Publikum vier seiner Lieder zu spielen. Er durfte den Titel allerdings nicht spielen. Zu einer von Lindenberg für das folgende Jahr vorgesehenen Tournee durch die DDR kam es nicht, denn die Gastspielreise wurde im Februar 1984 endgültig abgesagt.

Lindenbergs Bemerkung im Lied, dass Honecker heimlich auch gerne eine Lederjacke anziehe, wurde im Jahre 1987 umgesetzt. Er sandte Honecker 1987 eine Lederjacke zu, was von Honecker mit einem Dankesbrief beantwortet wurde, in dem er die Rockmusik für vereinbar mit den Idealen der DDR hielt. Des Weiteren schrieb Honecker, dass er die Lederjacke an eine Jugendorganisation weitergeben werde, damit dieser sie einem Rockfan zukommen lassen könne. Außerdem lag dem Brief eine Schalmei als Geschenk für Lindenberg bei. Honecker hatte solch ein Instrument während seiner Jugend gespielt. Als sich Honecker am 9. September 1987 während eines Staatsbesuches in Wuppertal aufhielt, schenkte ihm Lindenberg eine E-Gitarre mit der Aufschrift „Gitarren statt Knarren“.