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Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung Beiträge 29 zur inneren Sicherheit Brühl 2006 Siegfried Schwan / Sven Max Litzcke (Hrsg.) Nachrichtendienstpsychologie 4 Schriftenreihe des Fachbereichs Öffentliche Sicherheit Siegfried Schwan / Sven Max Litzcke(Hrsg.) Nachrichtendienstpsychologie 4 Brühl / Rheinland 2006 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 938-3-938407-17-2 ISSN 0946-5782 Druck: Statistisches Bundesamt Zweigstelle Bonn Herausgeber: Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung Fachbereich Öffentliche Sicherheit www.fhbund.de Inhaltsverzeichnis Vorwort 3 Nonverbale Warnsignale - Glaubhaftigkeitsdiagnostik & Glaubwürdigkeitsattribution 5 Sven Max Litzcke, Max Hermanutz & Astrid Klossek Die Stunde Null der nachrichtendienstlichen Ausbildung in der DDR aus dissonanztheoretischer Sicht 21 Helmut Müller-Enbergs Stress in der Kommunikation – Erkenntnisgewinnung durch Sprachsteuerung 87 Dietrich Ungerer Survivability – Psychologie der Gefahrenwahrnehmung und der Gefahrenbewältigung 117 Uwe Füllgrabe Psychologische Verhaltensdiagnostik in der kriminalistischen Handlungslehre 151 Manfred Krauß Die Wirksamkeit eines Trainings zur Vernehmung und Glaubhaftigkeitsbeurteilung 163 Max Hermanutz, Frank Adler, Andreas Siebert, Rebecca Weber Vorwort Mit dem vorliegenden Band kann bereits der Vierte zum Thema Nachrichtendienstpsychologie herausgegeben werden. Nach Kennt- nis der Herausgeber stoßen die Aufsatzsammlungen zu unter- schiedlichen psychologischen Themen, die im Rahmen der nach- richtendienstlichen Arbeit von Interesse sind, auch außerhalb der Nachrichtendienste auf Interesse. Dies dürfte zum Teil darauf zu- rückzuführen sein, dass einige Themen inhaltliche Überschneidun- gen zu der Aufgabenstellung anderer Sicherheitsbehörden, wie z.B. der Polizeibehörden aufweisen. Aber auch innerhalb der Nachrich- tendienste ergibt sich verstärkt die Notwendigkeit, bei der Lösung von Fragestellungen psychologische Erkenntnisse zu nutzen bzw. – auf dem speziellen Gebiet der Nachrichendienstpsychologie – selbst zu generieren. Die Nachrichtendienste sind Bestandteil einer rechts- staatlichen Struktur, die Gefahren für die Öffentlichkeit erkennen sol- len. Dass auch Nachrichtendienste sich nicht vom wissenschaftli- chen Fortschritt abkoppeln können, wenn sie dieser Aufgabe nach- kommen wollen, ist evident. Wenn beispielsweise Gefahren für die öffentliche Sicherheit von Personen ausgehen, die sich ihrerseits psychologischer Mittel bedienen, müssen Sicherheitsbehörden klä- ren, wie diese psychologischen Mittel eingesetzt werden und welche Wirkung sie entfalten, um ggf. Gegenstrategien vorzuschlagen. Aber auch ihr eigenes Instrumentarium müssen Nachrichtendienste stän- dig verbessern. Zentral dafür ist die Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hierzu beizutragen ist eine Funktion der Reihe Nachrichtendienstpsychologie. Brühl und Hildesheim, im Mai 2006 Die Herausgeber Nonverbale Warnsignale - Glaubhaftigkeitsdiagnostik & Glaubwürdigkeitsattribution Sven Max Litzcke / Max Hermanutz / Astrid Klossek Zusammenfassung Die Befunde zur Glaubhaftigkeitsdiagnostik werden in komprimierter Form vorgestellt. Im Zentrum steht die Antwort auf die Frage, welche Warnsignale helfen können, um zwischen Lüge und Wahrheit in der Kommunikation zu unterscheiden. Anschließend werden die Vermu- tungen von Polizeibeamten zu Glaubhaftigkeitsmerkmalen darge- stellt (Glaubwürdigkeitsattribution). Diese Vorstellungen und An- nahmen beeinflussen das Verhalten in Kommunikationssituationen und haben somit erheblichen Einfluss auf deren Verlauf. Personen achten auf diejenigen Merkmale, von denen sie glauben, dass sie bei der Unterscheidung von Lüge und Wahrheit nützlich sind. Und zwar unabhängig davon, ob diese Merkmale tatsächlich zur Unter- scheidung geeignet sind. 1 Einleitung Die Glaubhaftigkeit von Aussagen schätzt man anhand von nonver- balen und von verbalen Merkmalen ein (Reinhard, Burghardt, Sporer & Bursch, 2002). In der Forschung zur Glaubhaftigkeitsdiagnostik wird untersucht, welche Merkmale tatsächlich mit dem Wahrheitsge- halt einer Aussage zusammenhängen. Demgegenüber werden in der Forschung zur Glaubwürdigkeitsattribution diejenigen Merkmale untersucht, die Beurteiler bei der Bewertung von Glaubhaftigkeit verwenden. Leider sind die Merkmale, von denen viele Menschen vermuten, sie könnten zwischen Wahrheit und Lüge differenzieren, für diesen Zweck oft ungeeignet. Nachfolgend werden die wesentli- chen Ergebnisse der Forschung zur Glaubhaftigkeitsdiagnostik und zur Glaubwürdigkeitsattribution dargestellt. 2 Glaubhaftigkeitsdiagnostik 2.1 Übersicht Für die Analyse von nonverbalem Verhalten stehen mehrere Merk- male (Köhnken, 1986; Köhnken, 1990; Vrij, Edward & Bull, 2001) zur Verfügung: • Psychophysiologische Begleiteffekte (Atmung, Blutdruck, Haut- leitfähigkeit etc.) • Paraverbale Merkmale des Sprechverhaltens (extralinguistische, stilistische, vokale Charakteristika etc.) • Nonverbale Merkmale im engeren Sinne (Mimik, Gestik, Blick- verhalten, Körperhaltung etc.) Gut messbar sind psychophysiologische Veränderungen mit dem Polygraphen. Unabhängigkeit von der kontroversen fachwissen- schaftlichen Diskussion (Dahle, 2003; Fiedler, Schmid & Stahl, 2002; Füllgrabe, 1998) ist der Einsatz der so genannten Polygraphie aus juristischer Sicht mit der deutschen Rechtsordnung in weiten Teilen nicht vereinbar (Adler, 2005, 13f.). Zwar werden von Vertre- tern der Rechtspsychologie abweichende Meinungen vertreten, bei- spielsweise Fabian und Stadler (2000, 611), wonach der Polygraph zwar im gerichtlichen Hauptverfahren nicht zugelassen sei, es aber 6 Spielraum für den Einsatz des Tatwissenstests in Ermittlungsverfah- ren gäbe. Selbst wenn man der Argumentation von Fabian und Stadler (2000) folgt, blieben dem Polygraphen nur enge Anwen- dungsnischen. Faktisch spielt der Polygraph in Deutschland im Ver- gleich zu anderen Ländern eine untergeordnete Rolle. Auch paraverbale Merkmale bieten Ansatzpunkte für eine Glaubhaf- tigkeitseinschätzung (Zuckerman & Driver, 1985; Ekman, O’Sullivan, Friesen & Scherer, 1991; Feeley & de Turck, 1998), diese sind nach der Metaanalyse von DePaulo, Lindsay, Malone, Muhlenbruck, Charlton und Cooper (2003, 92f), abgesehen von der Stimmspan- nung und –frequenz, aber zur Unterscheidung von Wahrheit und Lügen wenig aussagekräftig. Sofern relevante Ergebnisse zu para- verbalen Merkmalen vorliegen, werden diese nachfolgend bei den nonverbalen Merkmalen mitberichtet. Die Beobachtung nonverbaler Merkmale verspricht deshalb Erfolg, weil sich falsch aussagende Personen möglicherweise stark auf den Aussageinhalt konzentrieren und es ihnen deshalb gelingt, im verba- len Bereich unauffällig zu bleiben. Gleichzeitig leidet nach Köhnken (1986) jedoch häufig die Beherrschung nonverbalen Verhaltens und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, Warnsignale anhand nonverba- ler Merkmale zu erkennen, die auf Unwahrheit hinweisen. Das Ein- beziehen von Verhaltenskorrelaten in die Glaubhaftigkeitseinschät- zung wird indes kontrovers diskutiert, da sich keine stabilen Muster für einzelne nonverbale Verhaltensweisen nachweisen lassen, um zwischen wahr und falsch unterscheiden zu können (Köhnken, 1986; Vrij, Harden, Terry, Edward & Bull, 2001, 290). Nach der Me- taanalyse von DePaulo et al. (2003) besteht jedoch Grund zu der Annahme, dass sich Personen, die lügen, von solchen, die wahr aussagen, im nonverbalen Verhalten systematisch unterscheiden. Unterstützt wird diese Annahme auch durch die Argumentation von Masip, Garrido und Herrero (2004), wonach die schlechteren Er- gebnisse nonverbaler Warnsignale im Vergleich zum Polygraphen und zu inhaltlichen Merkmalen auf systematischen Unterschieden in der Anwendung der verschiedenen Methoden beruhen. Während die Personen, die mittels Polygraph oder merkmalsorientierter Aussa- 7 geanalyse vorgehen, ein systematisches Training erhalten, fehlt dies bei vielen Studien zu nonverbalen Warnsignalen. Sofern ein Training zu nonverbalen Warnsignalen stattfand (Vrij, Edward, Roberts & Bull, 2000) erhöhte dies die Trefferrate. Ferner beeinflusst eine Viel- zahl von Variablen - beispielsweise die Lügenspontaneität, die Lü- genmotivation, die Beziehung zwischen Sender und Empfänger, die Kenntnis des Basisverhalten des Senders, die Erwartungen des Empfängers - die Trefferrate, so dass die Einschätzung, nonverbale Merkmale trügen nichts zur Einschätzung der Glaubhaftigkeit bei, differenziert und relativiert werden muss. Entscheidend ist, wer wen unter welchen Umständen belügt. 2.2 Basisrate Von zentraler Bedeutung ist der Unterschied zwischen Status- und Prozessdiagnostik. Man muss die Basisraten einer Person kennen, um nonverbale Verhaltensänderungen sinnvoll interpretieren zu können. So interessiert beispielsweise, ob eine Person an einer heiklen Stelle im Gespräch mehr oder weniger Adaptoren / Illustrato- ren zeigt als sonst. Dazu muss bekannt sein, wie viele Adaptoren / Illustratoren diese Person im Durchschnitt zeigt, wenn sie die Wahr- heit sagt. In anderen Worten: Die Basisrate des nonverbalen Verhal- tens einer Person muss bekannt sein. Die absolute Anzahl von A- daptoren und Illustratoren ist unerheblich, solange die Adaptoren und Illustratoren als persönliche Eigenheit im gesamten Gespräch gleichhäufig vorkommen; ähnlich argumentiert DePaulo (1994). Die Verhaltsauffälligkeiten einer Person können nur dann in Bezug