Die Netzstadt – heute und morgen

Nr. 20

Rainer Klostermann glow. das Glattal, wurden im Dialog und pro- Andreas Flury zesshaft optimiert umgesetzt.

Impulsgeber der Stadtentwicklung Die Netzstadt Stadtentwicklung als inneres Wachstum stellt Die acht Städte und Gemeinden rund um den hohe Anforderungen an den Lebensraum und Hardwald – von den Strukturdaten her die viert- ist nur mit einer vernetzten und integralen Be- grösste Stadt der Schweiz – verstehen sich als trachtung urbaner Landschaftsräume möglich. Netzstadt. Unter Wahrung der Gemeindeauto- Weiche und harte Faktoren, technische und so- nomie lösen sie Aufgaben auf freiwilliger Basis ziale Zusammenhänge sowie Wirtschaftlichkeit überkommunal, wenn sich dadurch Mehrwerte und Lebensqualität sind gleichwertig in den und Synergien für die Beteiligten nutzen lassen. Prozess einzubringen. Längst bekannte Begriffe Eine Gemeindefusion ist zurzeit keine Option. wie «innere Verdichtung» oder «Lage- und Er- schliessungsqualitäten» werden vor dem Hin- Abbildung 1: Unter dem Titel GlattalbahnPLUS wird das tergrund der Vernetzung neu zu definieren sein. Konzept auf Initiative von glow. das Glattal und der Zürcher Planungsgruppe ZPG weiterentwickelt. Im Vordergrund ste- hen Erweiterungen im Bereich und Stadtbahn im Glattal – der Prozess Flugplatz Dübendorf – . Der Projektanstoss durch die Standortgemein- den hat den Kanton nach Festlegung der strate- gischen Eckwerte veranlasst, als Besteller auf- Kloten zutreten und das Projekt Glattalbahn (GTB) an Rümlang die marktverantwortliche Verkehrsunterneh- Bassersdorf mung VBG auszulagern. Kanton und Standort- / Glattbrugg Dietli- kon Zürich 11 gemeinden sind Aktionäre der VBG. Diese nutz- Wangen- te die Chance als Erstellerin und schaffte wo im- Brüttisellen mer möglich Mehrwerte für die Stadtentwick- Zürich 12 lung. Wünsche der Gemeinden, abgestimmt mit Dübendorf Zentrumsgebiete den Vorstellungen der Regionalorganisation Glattalbahn GlattalbahnPLUS Abbildung 3: Grenzraum ist Lebensraum – neue Stadtbilder entstehen in der Zwischenstadt, den Grenzräumen. Im Vordergrund die Querung der Glattalbahn über die Autobahn A1 beim Glattzentrum, das Zwicky-Areal im Bauzustand am 22. April 2010, im Hintergrund das Quartier Hochbord in Dübendorf mit dem Bahnhof Stettbach

Lebensraum und Mobilität

2

Die Zwischenstadt Glattalbahn und Peripherie Urbanität und Landschaft, neuer Die ursprüngliche Vorstadt Die neuen Glattalbahn-Linien führen bewusst Lebensraum füllte sich auf Grund des Urba- nisierungsdruckes. In den an den historischen Zentren der Dorfgemein- Die neue urbane Identität kann nicht allein von Grenzräumen sammelte sich den vorbei. Sie liegen in den peripheren Grenz- klassischen Vorstellungen abgeleitet werden. alles an, was in den Dorfzen- räumen, durchstossen grosse Infrastrukturen Mitten in den Strukturen von Autobahn, Eisen- tren oder in der Kernstadt kei- bahn, Ver- und Entsorgung werden aus ehema- nen Platz fand oder nicht ge- und geben den auto-orientierten Gewerbe- und braucht werden konnte. Dienstleistungsgebieten ein neues Bewusst- ligen Stadträndern Wohn-, Freizeit- und Arbeits- Neben den Knotenpunkten sein im urbanen Prozess. Die Peripherie wird räume, vernetzt mit der Landschaft. der Netzstadt erschliesst die Stadtraum und findet zum Fussgänger, zur Der neue Stadtraum überlagert die ur- Glattal bahn auch Grenzräume. Neue räumliche und funktio- Durchmischung und zum öffentlichen Aussen- sprüngliche Identität der Landschaft. Statt Ver- nale Qualitäten entstehen. Da- raum mit entsprechenden Aufenthaltsqualitä- drängung soll ein lebendiges Nebeneinander von profitieren unter anderem ten. Die Glattalbahn ist zwar die erste Tangen- entstehen. Zukünftig gilt es, die gegenseitige Fussgänger und Velofahrer. Aussenräume werden aufge- tiallinie des Zürcher Tramnetzes, aber eigentlich Wirkung von bestehenden und neuen Identitä- wertet. Die durch die Glattal- schon eine radiale Durchmesserlinie in der neu- ten zu steuern. Neben Marktmechanismen spie- bahn geschaffene Identität en Netzstadt Glattal. len auch soziale und ökologische Fragen eine und Orientierung geben den Rolle. Werdegang bei der Urbanisie- rung ehemals peripherer Stadtlandschaften vor. Abbildung 2: Vom Auffüllen (links) zum Vernetzen (rechts) – mit dem Impulsgeber und roten Faden der Glattalbahn erhält das Mittlere Glattal neue urbane Qualitäten

Flughafen Flughafen

Kloten Kloten

Rümlang Opfikon Rümlang Opfikon

Wallisellen Wallisellen

Zürich Zürich

Dübendorf Dübendorf Auffüllen Vernetzen 3

Gesamtmobilität Freiraum Die Schritte zu einer neuen Die Glattalbahn ist ein Identitätsträger, der Stadt- In den Siedlungsräumen werden in Zukunft die Identität im Mittleren Glattal ebene in Anspruch nimmt, aber auch Neues öffentlichen Aussenräume mit Freizeit- und Er- Vorgeschichte: Gestützt auf schafft. Im Netzwerk der Mobilitätstypen entsteht holungsqualität immer wichtiger. Diese Flächen ein eigenes Geschichtsbe- mit der Bahn Raum für Fussgänger und deren Be- sind sowohl in bebauten als auch in neu ent- wusstsein agieren die Glattal- bahn-Gemeinden autonom wickelten Gebieten rar. Sie geraten zunehmend dürfnisse. Gleichzeitig ist sie auch Ursprung für und mit weitgehend unabhän- verschiedene Ergänzungen und neue Qualitäten unter Druck. Die Gemeinde Wallisellen hat sich gigen Entwicklungsstrategien. im Strassennetz, sowohl für den Langsamverkehr aus diesem Grund vorbildhaft an die Bearbei- als auch den motorisierten Individualverkehr. tung eines Freiraumkonzeptes gemacht. Die 1988 Vier Gemeindepräsidenten for- kommunale Initiative bereitet übergeordnete mulieren die Idee einer Zu- Monitoring der Mobilität auf der Stadt- Strategien auf der Umsetzungsebene vor. sammenarbeit ohne grund- ebene sätzlichen Autonomieverlust.

Die Glattalbahn greift unmittelbar und effektiv in 1990 den wirtschaftlichen Entwicklungsprozess ein. Die Gemeinden Dübendorf, 550 Millionen Franken hat die öffentliche Hand für Wallisellen, Opfikon und Klo- ten gründen die Interessens- das Kernprojekt der Glattalbahn aufgewendet. gemeinschaft Zukunft Glattal, 9 Milliarden Franken zusätzlich haben öffentliche IG ZUG. und private Investoren in einem Zeitraum von 15 Jahren seit Beginn der Bauarbeiten im Ein- 1991 Die Berichte «Glattal wohin» zugsbereich der Glattalbahn-Haltestellen inves- der IG ZUG bilden die Grund- tiert. Dies wiederum verlangt ein effizientes Moni- lage für eine gemeinsame Ent- toring der Mobilitätsträger – zur systematischen wicklungsplanung. Ein zentra- les Kernprojekt darin ist die Beobachtung der Leistungsfähigkeit sowie einer Abbildung 4: Freiraumkonzept Wallisellen, innere und äus- Stadtbahn Glattal. Der ZVV zeit- und bedarfsgerechten Weiterentwicklung. sere Landschaft nimmt sich dem Projekt an.

Abbildung 5: Überblick über die Investitionen im 400-Meter-Umkreis der Haltestellen 1995 Rümlang stösst zur IG ZUG hinzu, ebenso – mit Berater- status – die Stadt Zürich.

2001 Aus der IG ZUG wird glow. das Glattal – inzwischen mit be- reits 8 Gemeinden. Es herrscht Aufbruchstimmung.

2004 – 2010 Das Projekt Glattalbahn kommt in Fahrt und wird Realität. D

Abbildung 6: Neue «Stadt-Landschaften», neue Identität und Orientierung – die «Vereinnahmung» von vormals peripheren Grenzräumen durch die sich entwickelnden kantonalen Zentrumsgebiete

«Das Stadtwerden» – Blick in die Zukunft

4

Institutionen in der Projekt- Wilhelm Natrup gen. Im Norden Zürichs entsteht so eine Stadt ­organisation Glattal­bahn, neuen Typs. Sie ist geprägt durch den Flughafen Kultur des Dialoges n Schlichtungsstelle Vorausschauend planen Zürich und verbindet die bisherigen Vorstadt­ n Lenkungsausschuss als In- Der Metropolitanraum Zürich entwickelt sich gemeinden zu einem vielfältigen Ganzen aus formationsplattform auf dynamisch. Eine besondere Bedeutung kommt Dörfern sowie neuen städtischen Quartieren mit strategischer Ebene: Bestel- den dazugehörigen Erholungsräumen und Infra- ler Kanton Zürich, Ersteller, hierbei der Flughafenregion zu. Zukunftswei- Standortgemeinden, Eigen- sende Ideen zur Gestaltung dieser Entwicklung strukturen. Die Glattalbahn ist dabei das städ- tümer von Infrastrukturen wurden von den Gemeinden im Rahmen der re- tisch geprägte Verkehrsmittel, das über Ge- n Fachausschuss Leistungs­­ gionalen Richtplanung sowie von Interessen- meindegrenzen hinweg Identität schafft. Damit fähigkeit des Gesamtver- kehrssystems – Ziel: metho- gruppen eingebracht. Sie reichen von visionä- die notwendige Abstimmung der Planungen er- disch sauberer Nachweis ren Forschungs- und Technologiezentren, z. B. folgt, werden die Gemeinden ihre Zusammenar- des politischen Anliegens auf dem Flugplatz Dübendorf, bis zur Glattal- beit weiter verstärken müssen. Die Kooperation n Begleitgruppen – periodi- sche Sitzungen mit Be­ stadt mit 300’000 Einwohnern. Utopisch zwar, im Rahmen der Glattalbahn hat hier eine gute hördenvertretungen der aber sie zeigen das Potenzial. Grundlage geschaffen. Der skizzierte Prozess einzelnen Gemeinden Mit der Gesamtüberprüfung des kantonalen der städtischen Entwicklung im Glattal kann nur n «Mittagstisch» – vertrauens- gelingen, wenn ein höherer Anteil öffentlichen bildender, informeller Mei- Richtplans hat der Kanton die Aufgabe, dieses nungsaustausch zwischen Wachstum in geordnete Bahnen zu lenken. Ent- Verkehrs realisiert wird, wenn die Umweltbelas- Anrainern und der Projekt­ scheidend: Das Siedlungsgebiet soll nicht aus­ tungen, wie z. B. Lärm, in Grenzen gehalten wer- organisation ge­dehnt werden – trotz der Prognosen von zu- den und die städtebauliche Entwicklung hohe n Expertenrat Sicherheit – Audits zu übergeordneten sätzlich 200’000 Einwohnern und 150’000 Ar- Lebensqualität ermöglicht. Fragen beitsplätzen bis 2030. Noch nicht genutzte Flä- n Fachgruppe Vernetzter chen im Siedlungsgebiet sollen vorrangig be- Autoren Langsamverkehr – laufende Rainer Klostermann, Dipl. Arch. ETH Begleitung sensibler Berei- baut werden. Wo möglich, wird um Bahnhöfe Leiter Stab Gestaltung che wie Behindertengleich- und um die Haltestellen der Glattalbahn ver- Feddersen & Klostermann, Zürich stellung, Veloführung, Fuss- dichtet. Der Richtplan will die weitere Entwick- Andreas Flury, Dr. sc. techn., Dipl. Kultur-Ing. ETH/SIA gängerräume, Normalien lung verstärkt auf bereits gut erschlossene Räu- Direktor VBG und Gesamtprojektleiter Glattalbahn (vgl. Themenblatt Nr. 17) VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG, Glattbrugg n Fachgruppe Verkehrssteue- me lenken. Dazu hat der Kanton 12 Zentrums- rung gebiete ausgeschieden, die die Voraussetzun- Wilhelm Natrup, Kantonsplaner n Orientierungsveranstaltun- gen für eine dichte Nutzung und hohe Wert- Chef Amt für Raum­entwicklung gen für die Öffentlichkeit in Baudirektion Kanton Zürich den Gemeinden schöpfung bieten. Mit «Zürich-Nord/Opfi­kon», n Über 200 Führungen für «Kloten/Opfikon» und «Wallisellen/Zürich/Dü­ Bildnachweis Feddersen & Klostermann, Zürich Besuchergruppen aus der ben­dorf-Stettbach» liegen drei davon im Glattal. Region, der Schweiz und VBG, Glattbrugg dem Ausland (seit 2008) Die Glattalbahn vernetzt diese Zentrums­ Simon Vogt, Schlieren gebiete sowie weitere Arbeitsplatz- und Wohn- Herausgeberin gebiete untereinander und mit dem Flughafen VBG Verkehrsbetriebe Glattal AG, Glattbrugg und der Stadt Zürich. Neu geplante Standorte www.vbg.ch brauchen zusätzliche Stadtbahnerschliessun- Glattbrugg, August 2011