Die Entstehung des Ahrtales

Prof. Dr. Wilhelm Meyer

as Ahrtal hat immer wieder Geologen ange- deshalb Trockentäler oder sie führen nur zeit- Dlockt und so zur Kenntnis des Rheinischen weise Wasser. Unterhalb von Ahrhütte verlässt Schiefergebirges beigetragen. Denn der Fluss die diese Kalkmulde, fließt dann andert- hat in z. T. imposanten Felswänden Gesteine halb Kilometer durch Sandsteine und Ton- freigelegt, die in dem Zeitraum entstanden, der steine des Wiesbaumer Unterdevonsattels und 385 bis 410 Millionen Jahre zurückliegt, das ist tritt danach in die Ahrdorfer Kalkmulde ein, die in der Erdgeschichte der Abschnitt zwischen sie etwa 3 km weit durchquert. Die Ahrdorfer Untersiegen (Unterdevon) und Oberem Mit- Kalkmulde, die sich in die Hillesheimer Mulde teldevon. Einige der bei Kreuzberg, Altenahr fortsetzt, ist die einzige der Eifelkalkmulden, und Schuld an den Talhängen herauspräpa- die ein Stück in den Kreis hinein- rierten Gesteinsfalten sind in Lehrbüchern weit zieht (bei Dorsel). Im Bereich der Mündung des bekannt gemacht worden. Außerdem lässt sich Ahbaches verlässt die Ahr diese Kalkmulde hier einiges über die Entstehung unserer Täler lernen. Der Untergrund des Ahrtales Die ersten Kilometer des Flusslaufes liegen im Kreis . Dieser Bereich gehört zur Zo- ne der Eifeler Kalkmulden, in der hauptsächlich während der Mitteldevon-Zeit in einem war- men Flachmeer entstandene Kalke breite Wan- nen bildeten, die in der Geologie als Mulden bezeichnet werden. Zwischen ihnen kommen in Sättel genannten Aufwölbungen Unterdevon- Gesteine an die Oberfläche, das sind Sandsteine und Schiefer, die ebenfalls in einem Meer und seinem Küstenbereich entstanden. In der Blankenheimer Kalkmulde entspringt die Ahr als Karstquelle; das bedeutet, dass unterir- disches Wasser, das in Hohlräumen in Kalk ge- speichert ist, an einer undurchlässigen Schicht sich zur Oberfläche emporstaut, so dass es aus- fließt. Die ersten 4,5 Kilometer des Flusslaufs liegen in einem Gebiet mit Sandsteinen und Tonsteinen aus dem Unterdevon. Erst unterhalb der Einmündung der Straße von Freilingen tritt die Ahr wieder in mitteldevonische Kalke ein und durchquert dann die wannenförmig breite Dollendorfer Kalkmulde. Dabei verliert sie viel Wasser in den Untergrund, der verkarstet ist, also viel Lösungshohlräume enthält, in denen Die Eisenbahnbrücke östlich Burg Are bei Alten- das Oberflächenwasser verschwindet. Viele ih- ahr: Die Felsen zeigen senkrecht stehende Sie- rer Nebentäler in der Dollendorfer Mulde sind gen-Schichten im Steilflügel einer riesigen Falte.

64 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2012 Die Gucklei bei der Lochmühle in der großen Ahrschleife von Mayschoß: Es ist ein turmartig herausge- witterter Zufuhrschlot eines 46 Millionen Jahre alten Basaltvul- kans. Die Erdoberflä- che, auf der er einst einen Vulkankegel oder Lavastrom bildete, lag damals mindestens 200 m höher und das Ahrtal existierte noch nicht. So ist die Guck- lei ein Denkmal für die Erosionsleistung des Flusses. und verläuft dann bis zum Rhein ausschließ- mengeschoben. Die Ahr hat besonders im Raum lich in Unterdevongesteinen, die also fast frei Schuld und bei Altenahr mehrere Gesteinsfal- von Kalk sind. ten freigelegt, die durch die Untersuchungen In ihrer Zusammensetzung ist die 3-5000 m des Bonner Geologen Hans Cloos (1885-1951) mächtige Unterdevonfolge ausgesprochen mo- und seiner Schüler weit bekannt geworden noton, so dass zwischen den Gesteinsbänken, sind. Wir haben darüber bereits im Heimat- die unterhalb von Müsch gegenüber dem Park- jahrbuch Kreis Ahrweiler 2007 berichtet und platz angeschnitten sind und denen am Südfuß wollen deshalb hier nicht darauf weiter einge- der Landskron gegenüber dem Bahnhof Hei- hen und uns mit den Vorgängen beschäftigen, mersheim kein Unterschied zu sehen ist, ob- die zur Bildung des Tales und der charakteristi- gleich die Gesteine von Müsch in den oberen schen Felsschluchten geführt haben. Teil des Unterdevons gehören, in die sogenann- ten Ems-Schichten, während die vom Bahnhof Die Entwicklung des Ahrtales Heimersheim zu den Unteren Siegen-Schichten Wenn man den Flusslauf in der Karte betrach- gestellt werden, also etwa 10 Millionen Jahre tet, so fällt auf, dass mehr oder weniger gerad- älter sind. Die Alterseinstufung lässt sich nur linige Abschnitte mit stark mäandrierenden nach bestimmten Resten von Meeresbewohnern abwechseln. Wenn ein Fluss nach einer nur (hauptsächlich Brachiopodenarten) vornehmen. schwach gekrümmten Laufstrecke anfängt zu Da die Unterdevon-Schichten des Ahrgebietes mäandrieren, also kreisförmige Bogen und aber in einem Randbereich des Meeres oder so- Schlingen ausbildet, so ist das ein Zeichen, dass gar außerhalb des Meeres abgelagert wurden, sich sein Gefälle verringert hat. Im Lauf der Ahr sind solche fossilen Reste in ihnen relativ selten. gibt es zwei Abschnitte, in denen der Fluss stark Es kommt noch hinzu, dass durch Flüsse von mäandriert: der eine liegt zwischen Fuchshofen Norden her große Mengen Sand und Ton in das und Insul mit den eindrucksvollen Schleifen Becken geschwemmt wurden, welche das Was- von Schuld, der zweite zwischen Kreuzberg ser trübe machten, so dass es für die Schalen- und Rech; es ist die berühmte Strecke mit den tiere als Lebensraum nicht attraktiv war. hohen Felswänden und der kilometerlangen Vor etwa 300 Millionen Jahren wurden diese Schleife bei Altenahr, die als „Langfigtal“ so- Ablagerungen zu einem Faltengebirge zusam- gar einen eigenen Talnamen bekommen hat.

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2012 u 65 In diesen beiden Abschnitten muss also das steigt das Rheinische Schiefergebirge langsam Gefälle verringert worden sein, zum Beispiel auf. Im Nordwesten sank an Verwerfungen die dadurch, dass sie an ihrem Ende flussabwärts Kölner Bucht ein, von hier aus überquerte ei- angehoben wurden. So etwas kann durch Ver- ne Senkungszone das Schiefergebirge, in der werfungen geschehen. Das Ahrtal liegt am Süd- schließlich der Mittelrhein seinen Weg fand. rand des großen Bruchfeldes der Kölner Bucht, Damit konnten sich auch seine Nebenflüsse von dem aus einige Brüche nach Süden ziehen, entwickeln, und gegen Ende der Tertiärzeit und solche Verwerfungen begrenzen die bei- entstand so das Ahrtal mit den erwähnten Mä- den angekippten Schollen. Die Scholle mit den anderstrecken auf den angekippten Schollen. Mäandern von Schuld wird im Osten von ei- Bei fortgesetzter Hebung des Schiefergebirges ner Bruchlinie begrenzt, die bei Dümpelfeld aus mussten sich die Flüsse in den Block einsägen dem Tal des Adenauer Baches in nordöstliche und bildeten zuerst weite flache Täler aus. Vor Richtung zieht. Ihr folgt die Ahr in geradem etwa 800 000 Jahren, also mitten im Eiszeital- Verlauf bis 500 m südlich Hönningen. An ihr ter, nahm die Hebung aus noch unbekannten dürfte die westliche Scholle angehoben worden gründen plötzlich stark zu. Diese Phase starker sein, so dass sich das Gefälle im Tal vermindert Hebung, die in der mit lebhafter Vulkan- hat. Die Mäanderstrecke zwischen Kreuzberg tätigkeit einhergeht, dauert bis heute an. Die und Rech wird im Osten auch von einer Nord- Flüsse mussten sich nun kräftig einschneiden, nordost-Verwerfung begrenzt. Sie verläuft auf der Rhein bildete tiefe Talschluchten aus und der Linie Rech – Dernau – Holzweiler und ist so auch das Ahrtal. Die Mäanderbögen wur- verantwortlich für den auffällig geraden Fluss- den von Anfang an in den aufsteigenden Block lauf zwischen Rech und Dernau. Ursprünglich eingefräst. Bei der jungen starken Hebung war folgte die Ahr dieser Bruchlinie über Holzwei- der Fluss zwischen den Talwänden gefangen ler, Vettelhoven weiter nach Norden und floss und musste sich in ihnen tiefer einschneiden. dann über Eckendorf und in die Er ist bestrebt, seinen Lauf zu verkürzen und Kölner Bucht. Vor etwa einer Million Jahren schneidet vielfach die Mäanderschleifen ab, so wurde sie von einem Nebenfluss des Rheins, dass der Bogen trocken fällt. Relativ junge, also der im Raum Sinzig - Bad Neuenahr einem Ost- nur wenig über dem heutigen Fluss liegende West-Verwerfungssystem folgte und sich nach Mäanderschleifen mit Umlaufbergen finden Westen immer weiter einschnitt, bei Dernau sich westlich von Insul und bei Altenahr- angezapft und so zum Rhein umgeleitet, da- Altenburg. An der Ahrschleife bei Altenahr durch wurden Mittelahr und Unterahr vereint. nimmt der Fluss heute bei Hochwasser noch Das lässt sich an Flussgeröllen im Raum Dernau die Abkürzung durch den Straßentunnel, wie rekonstruieren. In dem ehemaligen Ahrtal un- die Hochwassermarken am östlichen Tunnel- terhalb von Holzweiler fließt heute der Swist- portal zeigen. bach, und so ist das Missverhältnis zwischen diesem kleinen Bach und der weiten Talung zu Die Terrassenlandschaft erklären. Der weite Ahrbogen am Calvarienberg Die Eintiefung ging während des Eiszeitalters zwischen Walporzheim und Ahrweiler hat an- nicht kontinuierlich vor sich. Es wechselten dere Ursachen: ein mächtiger Schuttstrom, der Kaltzeiten, in denen nur wenig Wasser zur aus dem Tälchen südlich des Silberbergs ins Verfügung stand, da es durch Eis und Schnee Ahrtal geflossen ist und eine große Römervilla gebunden war, ab mit Warmzeiten, in denen begraben hat, drückte den Fluss gegen die süd- reichlich Wasser floss. Man spricht auch von liche Talseite. Das muss sich in historischer Zeit Eiszeiten und Zwischeneiszeiten, da aber das zugetragen haben, nach der Römerzeit. Schiefergebirge keine geschlossene Eisdecke Die Frage, warum der Fluss seine Schleifen hatte wie die Alpen und einige andere Mittel- heute in den harten Fels weiter eintieft, beant- gebirge, zieht man hier die Begriffe Kaltzeit wortet sich aus der Entwicklungsgeschichte des und Warmzeit vor. Das spärliche Wasser in den Fluss-Systems. Seit etwa 30 Millionen Jahren Kaltzeiten konnte die Fracht des Flusses nicht

66 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2012 transportieren, und Sand und Geröll sanken telterrassenleiste erhalten geblieben, auf der zu Boden und schotterten weite Terrassenflä- die Kapelle steht. Auch der alte Ortskern von chen auf. Das reich strömende Schmelzwasser Hönnigen liegt auf einer Mittelterrasse. in den Warmzeiten ließ die Flüsse sich in diese Die Niederterrassen sind in der letzten Kaltzeit Ablagerungen einschneiden und sich auf ein entstanden und daher höchstens 100 000 Jahre tieferes Niveau hinabsenken. Denn die Hebung alt. Sie bilden im unteren Ahrtal weite Flächen, des ganzen Blockes war inzwischen weiter auf denen sich Ahrweiler und Bad Neuenahr aktiv geblieben, so dass das Gefälle zwischen ausbreiten. Da der Schiefergebirgsblock immer dem Gebirge und dem Mündungsgebiet zuge- noch aufsteigt, hat sich der Fluss in dieses Ter- nommen hat. So entstand eine Terrassentreppe, rassenniveau inzwischen mehrere Meter tief bei der die ältesten Stufen am höchsten liegen. eingeschnitten. Das ist an der Mündung bei Die ältesten Terrasssen des Eiszeitalters nennt Kripp besonders deutlich zu sehen. Hier fließt man Hauptterrassen, auf diesem etwa 800 000 die Ahr in einem breiten Graben in bogigem, Jahre alten Niveau überquert die A 61 bei Bad sich immer wieder änderndem Lauf, bevor der Neuenahr das Ahrtal. Rhein sie aufnimmt. Die Terrassen etwa auf halber Höhe zwischen den Hauptterrassen und dem heutigen Fluss nennt man Mittelterrassen. Sie bilden oft bal- Literatur: konartige Vorsprünge an den Talflanken. Es - Lafrenz, G. (1933): Das Ahrtal und seine Terrassen. – Beitr. Landeskunde Rheinlande, 2, 76 S; /Köln. gibt Mittelterrassen, die auch unterschied- - Meyer, W. & Stets. J. (1986): Das Rheintal zwischen Bingen und Bonn.- liches Alter haben. Das Dorf Pützfeld liegt auf Samml.geolog. Führer 89, 386 S.; Berlin/Stuttgart (Borntraeger). - Quitzow, H. W. (1978): Der Abfall der Eifel zur Niederrheinischen Bucht einer Mittelterrassenfläche, auf der gegenüber im Gebiet der utneren Ahr.- Fortschr. Geol. Rheinld. Westfl, 28, S. 9 – 50; liegenden Talflanke ist nur eine schmale Mit- Krefeld.

Blick vom Kaiserberg bei Linz auf die Ahrmündung; es ist die einzige Flusslandschaft am Rhein, die nicht voll kanalisiert und vermauert ist.

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