Die – ein echtes Kernstück der

Dr. Bruno P. Kremer

er Blick auf eine hydrographische Karte des tigen Hunsrück legt der nicht weniger enge DRheinlandes, in der nur das weit verzweigte und vielfach gewundene Talzug der Mosel fest. Gewässernetz dargestellt ist, überzeugt sofort Auch der Nachvollzug der Westgrenze gelingt davon, dass die naturräumliche Gliederung zumindest im Südwesten mit einem Talverlauf, in über- und untergeordnete Landschaftsteile nämlich von Our und vor allem Sauer: Deren nach den Eigenheiten des Reliefs sowie vor Tal ist hier gleichzeitig die politische Grenze allem nach Lage und Verlauf der Fließgewäs- zum Nachbarland Luxemburg. Im Nordwesten ser erfolgt. Bei der Eifel lässt sich dies gerade- ist die Abgrenzung der Eifel zu den westlich zu lehrbuchreif klar aufzeigen: Das untere und anschließenden Ardennen bzw. zu Belgien tief eingeschnittene Mittelrhein-Engtal zwi- in der Geländegestalt dagegen unscharf. Die schen Andernach und , im Rheinischen Nordgrenze ist wiederum eindeutig anzugeben: Schiefergebirge ohnehin die auffälligste Struk- Sie zeichnet sich – ausnahmsweise ganz ohne turachse, markiert klar und eindeutig die Ost- ein hilfreiches Flusstal – lediglich als markante grenze der Eifel. Ihre südliche Begrenzung zum Geländestufe zu den weiten Ebenen des nord- landschaftlich und geologisch völlig andersar- westdeutschen Tieflandes ab.

Heimatjahrbuch Kreis 2013 u 117 Das Gewässernetz der Eifel stellt sich gänz- lich anders dar als in den benachbarten Mittelgebirgsteilen. Ausschnitt aus: Strub J., Vonderstraß, I., Leibundgut, Ch., Kern, F.-J.: Orohydrogra- phie (Atlastafel 1.1), in: BMU (Hrsg.): Hydrologischer Atlas von Deutschland, 3. Lieferung 2003. Mit freundlicher Genehmi- gung des Bundesamtes für Gewässerkunde (Koblenz)

Die hydrographische Karte zeigt ferner, dass verwendet man unter anderem die Flussord- zahlreiche Fließgewässer den nach seinem Ge- nungszahl. Nach der klassischen Flussordnung steinsaufbau so vielfältigen Schiefergebirgs- der Geo- bzw. Hydrographen bezeichnet man block der Eifel durchqueren. Im Vergleich zu die von der Quelle bis zur Mündung direkt dem den rechtsrheinischen Schiefergebirgsteilen Meer zulaufenden Flüsse wie den Rhein als Bergisches Land und Westerwald ist das Ge- Gewässer 1. Ordnung. Deren Nebenflüsse sind wässernetz der Eifel allerdings bemerkenswert entsprechend Gewässer 2. Ordnung, alle wei- weitständig. Darin drückt sich die asymmetrisch teren untergeordneten Nebenbäche oder Zu- verteilte Niederschlagsaktivität links und rechts flüsse Gewässer 3. Ordnung. Allerdings weicht des Rheins aus – die Eifel ist eben großenteils die behördliche Wasserwirtschaft von dieser Leegebiet der atlantischen, regenfeuchten in der Landeskunde immer noch praktizierten Westdrift. Umso auffälliger sind im Kartenbild Einteilung ab: Gemäß §3 des rheinland-pfälzi- daher die vergleichsweise wenigen größeren schen Landeswassergesetzes sind Gewässer 1. und allesamt der Mosel zueilenden Fließwas- Ordnung die Bundeswasserstraßen wie Rhein sersysteme von Sauer/Prüm/Nims, Kyll, Salm, und Mosel sowie andere größere Flüsse wie Lieser, Alf und Üßbach, die bezeichnenderweise Nahe, Sieg und Sauer. Gewässer 2. Ordnung aus den Hochgebieten der Eifel ablaufen, aber sind nach dieser Einteilung Fließgewässer von jeweils nur relativ schmale Einzugsgebiete auf- wasserwirtschaftlich erheblicher Bedeutung. weisen. Nur bei Elz und Nette nehmen diese Hierher gehören alle oben benannten Neben- einen deutlich breiteren Raum ein. Die Rur gewässer der Mosel und auch die Ahr. Alle üb- und das Gewässersystem von Swist/ sind rigen gehören nach dieser Einteilung generell im Kartenbild der Eifelgewässer trotz ihrer un- zur Kategorie der Fließgewässer 3. Ordnung. bestrittenen landschaftlichen Bedeutung eher Diese Einteilung ist demnach weniger an na- Randerscheinungen. turkundlichen Kriterien orientiert, sondern re- Um die Bedeutung eines Fließgewässers im gelt in erster Linie Eigentumsverhältnisse und Gewässernetz einer Region zu kennzeichnen, Zuständigkeiten.

118 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2013 Die Ahr ist ganz anders km2 (genau 897,468 km2) großes Einzugsgebiet Nach der klassischen wie auch nach der be- die Kennziffer 2-718. Die Ziffer 2 besagt, dass hördlichen Gewässerklassifizierung ist die Ahr sie zum Stromgebiet des Rheins gehört; die in jedem Fall ein Gewässer 2. Ordnung. So stel- Ziffernfolge 718 weist sie als eigenes Flusssys- len es auch der Hydrologische Atlas von Rhein- tem aus. Alle der Ahr zulaufenden Bäche und land-Pfalz und der bundesbehördliche Gewäs- deren Quellverästelungen werden mit 10- bis seratlas (vgl. Abb. S. 118) dar. Diesen Rang 13-stelligen Kennzahlen angegeben. teilt die Ahr unter anderem mit der Kyll, die mit rund 149 km Länge unstrittig das längste Name und Benennung Eifeler Fließgewässer ist, aber auch mit Lieser, Die Kelten, die auch in unserer Region ab et- Elz und Nette. Dennoch kommen der Ahr einige wa 1000 v. Chr. erscheinen und die Träger der bemerkenswerte Alleinstellungsmerkmale zu: eisenzeitlichen Kulturen sind, haben zwar fast • Sie ist das einzige bedeutendere Fließgewäs- kein Schriftgut hinterlassen, aber dennoch wirkt ser der Eifel, das nach Osten in den Mittel- ihre Sprache bis heute in vielen geographischen rhein entwässert. Bezeichnungen nach. So sind die Namen der • Ferner ist sie nicht einfach der Nebenfluss größeren Flüsse im ehemals von den Kelten be- eines Nebenflusses wie Sauer oder Kyll, son- siedelten Gebiet eben keltisch (vorgermanisch- dern ein Direktzufluss des Rheins, des wich- alteuropäisch) und lassen sich vielfach sogar tigsten Vorfluters im westlichen Mitteleuro- auf indoeuropäische Sprachwurzeln zurück- pa. führen. So leitet sich auch die Bezeichnung Ahr • Auf ihrer gesamten Fließstrecke ist die Ahr – ähnlich wie im Fall der schweizerischen Aare ein Bestandteil der Eifel – im Unterschied zur und etlichen weiteren Beispielen aus Mitteleur- Nette, die im Hohe-Acht-Bergland entspringt opa – von ar = Wasser ab. In Rhein und Rhône und zwar ebenfalls nach Osten entwässert, steckt die sprachliche Wurzel re = rinnen, in aber einen großen Teil ihrer Fließstrecke au- Saar und Sauer der Wortbestandteil serre = flie- ßerhalb der Eifel im Mittelrheinischen Becken ßen. Es ist somit überaus verlockend, anhand zurücklegt. sprachgeschichtlicher Ableitungen gleichsam • Schließlich dominiert die Ahr als einziger regionale Archäologie zu betreiben. Fluss eine in der naturräumlichen Gliede- Im heutigen amtlich-landeskundlichen Sprach- rung der Eifel eigens nach ihr benannte Land- gebrauch versteht man unter der Ahr unstrit- schaftseinheit, nämlich die im Aremberg bis tig und einheitlich das Fließgewässer, des- 623 m ü. NN reichende Ahreifel innerhalb sen Quelle unterhalb von Burg Blankenheim der Osteifel, in manchen Darstellungen auch liegt. Aus früherer Zeit sind dagegen andere Ahrgebirge genannt. Bezeichnungen überliefert. Als Aer bzw. Ahr • Während Elz, Üß, Salm oder Lieser, die in wird in den Grenzumgängen der Herrschaft bemerkenswert tief und steilhängig einge- Schmidtheim von 1511 sowie 1563 der heu- schnittenen Tälern verlaufen, eher den Cha- tige Eichholzbach bezeichnet. Er entspringt rakter großer Bäche aufweisen und auch um- im Bereich der rheinland-pfälzisch/nordrhein- gangssprachlich so genannt werden, gilt die westfälischen Landesgrenze beim 594 m hohen Ahr auf einem großen Teil ihrer Fließstrecke Heidenkopf zwischen Dahlem und Waldorf und als kleiner Fluss mit einer Breite bis 25 m oder mündet als Schafbach nahe der Abzweigung sogar mehr. Sie ist somit nach ihrer Stellung der K 43 (Richtung Ripsdorf – Jünkerath) von im Gewässernetz der Eifel etwas Besonderes der B 258 in die Ahr. Auch eine 1687 gefertigte und unstrittig ein echter Eifelfluss. Karte der Herrschaft Jünkerath bezeichnet das • Dieser Sachverhalt kommt zusätzlich in ihrer kleine Fließgewässer ausdrücklich als „Ahr oder amtlichen Fließgewässerkennziffer der Bund/ Eicholsbach“. Eine Karte von 1763 nennt den Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser zum Aus- nördlich von Ripsdorf fließenden Bach Aer. Mo- druck, die man auch Gewässerkennzahl nennt: derne topographische Karten, beispielsweise die Seit 1970 tragen die Ahr und ihr rund 900 Wanderkarte Nr. 12 Blankenheim und Oberes

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2013 u 119 Ahrtal des Eifelvereins (1:25000), verzeichnen den längsten Quellast des Eichholzbaches als Archetsbach. Manfred Konrads deutet diese Bezeichnung als verschliffene Form von Ahr- heltsbach. Held bzw. Helt meint nach Dittmaier (1963) einen sanft ansteigenden Hang. Dem- nach ist Ahrhelt also die Bergflanke, wo die Ahr entspringt. In der berühmten Tranchot- karte ist der Quellbereich als Ahrelt verzeich- net. Und noch eines erscheint bemerkenswert: Am Eichholzbach liegt – fast 5 km westlich der heutigen Ahr – die bis heute so benannte Ahrmühle, die ihren Namen offensichtlich nach den früheren Bachbenennungen erhielt. Noch im „Geschichtlichen Handatlas der deutschen Länder am Rhein“ (Niessen 1950) findet sich ei- ne physische Karte, welche die Ahr im Eichholz nahe Schmidtheim entspringen lässt. Wann die Bezeichnung Ahr erstmals auf den in Blankenheim entspringenden Bach (in einem Blankenheimer Dokument von 1640 übrigens Burgbach bzw. Gippendaller Bach genannt) übertragen und letztlich in dieser Festlegung sogar amtlich wurde, ist bislang unklar. Hier Quellhaus der Ahr im Ortszentrum von Blan- besteht für die heimatkundliche Forschung also kenheim durchaus noch Potenzial. auf der Basis der amtlichen topographischen Hydrographisches zur Ahr Karten mit modernen Mitteln nachzumessen. Für die gesamte Lauflänge der Ahr in der mo- Am genauesten gelingt dies mit der elektro- dernen Begriffsfestlegung findet man in ver- nischen Version der TK50 des Landesamtes für schiedenen Quellen unterschiedliche Angaben. Vermessung und Geobasisinformation Rhein- Größere Lexika benennen überwiegend 89 oder land-Pfalz und den darin enthaltenen digitalen 90 km. Auch die in der Buchreihe „Deutsche Werkzeugen zur Entfernungsmessung. Unter Landschaft“ in mehreren Auflagen erschienene größtmöglich exakter Berücksichtigung aller große Eifelmonographie (Schramm 1974) be- Biegungen selbst der kleineren Wiesenmäan- nennt für die Ahr eine Länge von strichgenau der beträgt die Länge des Eifelflusses Ahr von 90 km. In der Internet-Enzyklopädie Wikipedia der Quelle bis zur Mündung (heute) 83,1 km. findet sich dagegen die Längenangabe 85,1 km, Einzigartig ist bei der Ahr im Vergleich zu allen während der Geoexplorer der rheinland-pfälzi- Mittelgebirgsflüssen die Quellsituation: Sie tritt schen Wasserwirtschaftsverwaltung die Länge eigenartigerweise im Keller eines Fachwerk- mit 86 km und in einem anderen Dokument mit hauses im nordrhein-westfälischen Blanken- 82,9 km zitiert. heim auf 474 m ü. NN bei den (geographischen) Nun sind Längenangaben selbst in amtlichen Koordinaten 50°26’17’’ N und 6°38’58’’ O un- Publikationen nicht unbedingt korrekt oder zu- ter einem Felsen hervor, nachdem sich mehrere verlässig, wie unlängst die kritische Überprü- wenig oberhalb gelegene ergiebige Karstquel- fung der Rheinlänge ergab (vgl. Kremer 2010). len der Blankenheimer Kalkmulde zur Haupt- Die doch erheblichen Unterschiede der Längen- quelle vereinigt haben. Die Quellschüttung liegt angaben immerhin im Bereich von annähernd bei ständig etwa 12 L in der Sekunde oder rund 10% waren mithin Anlass genug, die Fließlänge 720 L in der Minute, was für eine Karstquelle

120 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2013 dieses Typs als durchaus ungewöhnlich gilt. Gesteinsschichten durchschneidet. Die im mit- Vermutlich entwässern im Quellbereich zwei teldevonischen Kalk angelegten Talhänge sind sich kreuzende Störungen im Gesteinsunter- durchweg etwas steiler als die Talflanken in den grund ein tieferes Wasserreservoir. Nach etwa Schiefer- und Siltsteinen des Unterdevons. Auf 15 km verlässt die junge Ahr Nordrhein-West- dieser Strecke verläuft das Ahrtal noch ziemlich falen und passiert bei Ahrhütte die rheinland- geradlinig – die junge Ahr pendelt hier in ei- pfälzische Grenze. Ungefähr an dieser Stelle ner 100–130 m breiten Wiesensohle und bildet erreicht sie auch ihren südlichsten Punkt. Die viele, aber insgesamt nur kleinere und im Land- restliche Fließstrecke verläuft ausschließlich schaftsbild kaum auffallende Mäander aus. im Landkreis Ahrweiler. Die Mündung in das Unterhalb von Ahrdorf biegt das Tal nach der untere Engtal des Mittelrheins befindet sich bei Aufnahme des Ahbaches in weitem Bogen aus 50°33’34’’ N und 7°16’37’’ O direkt südlich vom bisher südwestlicher fast rechtwinklig in un- Remagener Ortsteil Kripp, aber gerade noch auf gefähr nordöstliche Richtung um und tritt jetzt dem Gebiet der Stadt Sinzig auf etwa 57 ü. NN. endgültig in die rund 400 Millionen Jahre al- Auf ihrem relativ kurzen Weg von nur ein paar ten Schieferzonen des Unterdevons ein. Diese Dutzend Kilometern überwindet sie also einen Ausrichtung behält das Tal im Wesentlichen Höhenunterschied von etwas mehr als 400 m. bis zum Übergang in den Unterlauf bei, ob- Die Quelle in Blankenheim und die Mündung wohl das Flussbett alsbald seinen ungemein bei Kripp liegen nur 46 km auseinander. Dieser windungsreichen Verlauf mit großbogigen Mä- Distanzunterschied zur Fließlänge von mehr als andern beginnt. Zwischen Ahrdorf und Müsch 50% spricht für einen windungsreichen, stark bildet die Ahr zwei besonders enge Talmäan- mäandrierenden Verlauf, den die Ahr auch tat- der, in denen sich die Talsohle sogar auf nur sächlich durchmisst. 50 m verschmälert. Bei Fuchshofen ziehen die Das Sohlgefälle ist, abschnittweise etwas un- terschiedlich, im Durchschnitt mit rund 0,5‰ anzugeben – auf 1 km Fließstrecke beträgt das Gefälle also etwa 50 cm. Die mittlere jährliche Niederschlagsmenge im Osteifeler Einzugsge- biet der Ahr liegt bei 675 mm (= 675 Liter/ m2), weswegen ihr Flussgebiet zu den relativ niederschlagsarmen Teilbereichen von Rhein- land-Pfalz gehört. Der mittlere Abfluss (MQ) beträgt 6,63 m3/Sekunde. Das Verhältnis von niedrigster und höchster Abflussquote (am Pe- gel Altenahr) liegt bei 1:850 und ist damit als ziemlich unausgeglichen zu bezeichnen. Nach starken Niederschlagsereignissen kann die nor- malerweise eher beschaulich dahin fließende Ahr also durchaus zu einem reißenden Gewäs- ser werden und beachtliche Schäden anrichten. Ein Tal in drei ungleichen Teilen Wie bei vielen anderen Flüssen kann man auch den Talverlauf der Ahr in drei Abschnitte glie- dern, die sich landschaftlich stark voneinander unterscheiden. Das oberste Teilstück der Ahr zwischen Blankenheim und Ahrdorf verläuft in einem relativ breit angelegten Wiesental, Vorfrühling im oberen Ahrtal unterhalb von das abwechselnd mittel- und unterdevonische Blankenheim

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2013 u 121 Rumpfflächen der Ahreifel bis unmittelbar an den Taleinschnitt heran, so dass die Talflanken hier um fast 230 m aufragen. Bei Schuld, weiter ahrabwärts, beginnt ein Talabschnitt, der sich wiederum durch auffällige Mäanderbildungen auszeichnet und bis Insul reicht. Die einzel- nen Schlingen erreichen hier jedoch wegen der noch geringen Wasserführung keine all- zu großen Schwingungsweiten und sind folg- lich auch etwas weitständiger angeordnet. Ab Schuld verläuft das Ahrtal auf einem kurzen Teilstück fast geradlinig nach Osten. Hier ist der Talboden erstmals um 500 m breit. Bei Dümpelfeld nimmt die Ahr den wasserreichen Ahrbiegung bei Dorsel – obere oder schon mitt- Adenauer Bach auf, der im Kartenbild, unter- lere Ahr? stützt durch die moderne Straßenführung, fast immer wie die natürliche Fortsetzung ihres eigenen Talzugs erscheint. Jetzt wird das fast nach Norden abbiegende Ahrtal endgültig zum Kerbtal mit wechselnder Sohlenbreite von et- wa 200–300 m. Bis Pützfeld drängen mehrere Bäche mit ihrer Schotterführung die Ahr öfter zur Seite. In diesem Abschnitt durchschneidet das Ahrtal in spitzem Winkel die zum Unter- devon gehörenden Herdorfer Schichten, die relativ leicht verwittern. Daher fallen hier die Talhänge deutlich sanfter aus als im nachfol- genden Engtalabschnitt. Auf der rund 20 km langen Fließstrecke von Müsch bis Kreuzberg liegt die begleitende Rumpffläche der Ahreifel Die Flusssohle der Ahr liegt stellenweise direkt bei gleichbleibend etwa 400 m ü. NN. Die Tal- auf den senkrecht stehenden Schichten des Un- sohle fällt aber von etwa 300 m auf etwa 180 m. terdevons. Somit hat die Ahr hier ihren Einschnitt in das Schiefergebirge von annähernd 100 m auf über Manche landeskundlichen Darstellungen rech- 200 m vertieft und damit auch die Reliefenergie nen allerdings auch den Abschnitt von Dorsel erheblich vergrößert. bis Hönningen zur oberen Ahr, obwohl sich bei der letzteren Ortschaft eigentlich noch kein Wo beginnt die mittlere Ahr? markanter Landschaftswechsel andeutet. Ob der Talabschnitt zwischen Ahrdorf und Mit der mittleren Ahr identifiziert die Ahrtal- Dümpelfeld noch zum oberen Ahrtal gehört Touristik meist nur die besonders beeindru- oder bereits zum Gebiet der Mittelahr zu rech- ckende Engtalstrecke zwischen Kreuzberg nen ist, könnte man zum Gegenstand langer bzw. Altenahr und Walporzheim, die zweifellos Diskussionen machen. Nach der Talgestalt den landschaftlich reizvollsten Talabschnitten ist die Grenzziehung oberes/mittleres Ahr- darstellt und so schon von vor Jahrhunderten tal eigentlich bei Dümpelfeld vorzunehmen, wahrgenommen wurde (vgl. Jahrbuch 2007). nachdem die erste große Mäanderstrecke Sein Erscheinungsbild ist aus den besonde- durchlaufen ist. Die Mittelahr fiele dann in das ren geologischen Verhältnissen abzuleiten: Gebiet der Verbandsgemeinde Altenahr, die Die Ahr hat hier ihr Tal in einer markanten von Dümpelfeld bis unterhalb Dernau reicht. tektonischen Großstruktur der Eifel angelegt,

122 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2013 nämlich in der Nordflanke des ausgedehnten Ahr-Sattels mit seinen senkrecht aufragenden Gesteinsschichten des Unteren und Oberen Mittelsiegen (Unterdevon). Direkt bei Altenahr durchläuft die Ahr darin auch ihre größte, mehr als 2 km lange Flussschleife, die als Langfig(tal) sogar eine eigene Bezeichnung trägt. An der engsten Stelle sind die Talabschnitte nur etwa 150 m voneinander entfernt. Der Mäanderhals ist durch einen Straßen- und Eisenbahntun- nel durchstochen. Die Mäanderschleife selbst ist aus guten Gründen Naturschutzgebiet und konnte als solches glücklicherweise vor den Plänen der lokalen Touristikbranche bewahrt Im mittleren Ahrtal bei Altenahr werden, die hier einen großen Stausee anlegen lassen wollte. Nicht nur in diesem Talabschnitt 1860), für den die Ahr „ohne Bedenken der ro- kann man zwei erwähnenswerte Vogelarten mantischste Fluss von allen, welche ihre Was- beobachten, den farbprächtigen Eisvogel und ser in den Rhein gießen“ ist – so nachzulesen in die Wasseramsel, die als einziger Singvogel seiner um 1831 entstandenen Routenbeschrei- tauchend nach Insektenlarven Ausschau hält. bung „Das Ahrtal und seine Umgebungen“. Fast am unteren Ausgang des mittleren Talab- schnittes unmittelbar oberhalb von Walporz- Breite Aue und heim befindet sich übrigens die engste Stel- ansehnlicher Schlussakkord le des gesamten Ahrtals: Der hier weit in die Ab Walporzheim weitet sich das Ahrtal relativ Talflucht vorkragende Felsvorsprung trägt die unvermittelt zur breiten Aue und gibt daher eigenartige Bezeichnung Bunte Kuh. einer dichten Besiedlung Raum. Auch die trotz Der Mittelahr-Talabschnitt hat schon die Au- des ziemlich geradlinigen Talverlaufs reichlich toren der frühesten Landschaftsbeschreibungen verworrene Verkehrswegeführung trägt hier fasziniert, darunter vor allem den berühmten zumindest abschnittweise nicht besonders zur Bonner Professor Ernst Moritz Arndt (1769– landschaftlichen Attraktivität bei. Bis zur Mün- dung weist die Ahr jetzt keine nennenswerten Biegungen mehr auf. Der heutige fast schnur- gerade Verlauf ist jedoch nicht überall natür- lich, wie der Vergleich mit einer historischen Karte zeigt: Auf der preußischen Uraufnahme von 1847, dem direkten Vorläufer unserer heu- tigen amtlichen Topographischen Karten, der die heimatliche Landschaft erstmals in einem bestechend klaren Kartenbild wiedergibt, ist der Unterlauf der Ahr noch mit mancherlei Kleinmäandern, Altarmen und Flussbänken dargestellt. Spätestens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als der Rhein zur Groß- schifffahrtsstraße ausgebaut wurde, haben die Wasserbauer auch in den Unterlauf der Ahr und in ihr Mündungsgebiet eingegriffen, ihre Ufer mit Steindeckwerk festgelegt, die vielen Alt- Die Wasseramsel erbeutet ihre Nahrung tau- arme verödet und sogar die Mündung um rund chend am Boden von Fließgewässer. einen halben Kilometer nach Norden verlegt.

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2013 u 123 noch einmal mit einem hervorhebenswerten Alleinstellungsmerkmal aufwarten: Sie gilt als diejenige unter allen linksrheinischen Ne- benflusseinmündungen auf deutschem Gebiet, die den relativ höchsten Natürlichkeitsgrad aufweist – unter anderem ablesbar an ihren prächtigen Auengehölzen und der nach wie vor beeindruckenden Fließbettdynamik. Aus Gründen dieses besonderen Landschaftsbildes und ihrer enormen Bedeutung für den Arten- schutz hat man die Ahrmündung zu Recht als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Den Herren Manfred Konrads (Hellenthal) und Neu eingerichtete Raustrecke bei Bad Bodendorf Bernd Wagner (Trier) danke ich sehr für auf- – zur Erleichterung des Wanderfischaufstiegs schlussreiche Hinweise zur Terminologie und Etymologie der Ahr. In den letzten Jahren wurden mehrere früher eingebaute Stauhaltungen und Wehre wieder Literatur: - Bahlow, H.: Deutschlands geographische Namenwelt. Frankfurt 1985 ausgebaut, weil der Ahr im Rahmen der Wie- - BMU (Hrsg.): Hydrologischer Atlas von Deutschland. Koblenz 2003 deransiedlungsprogramme „Lachs 2000“ bzw. - Burggraaff, P., Haffke, J., Kleefeld, K.-D., Kremer, B. P.: Auf Tour: Eifel. „Lachs 2020“ eine besondere Rolle zufiel: His- Heidelberg 2012 - Dittmaier, H.: Rheinische Flurnamen. Bonn 1963 torisch belegt ist, dass der Atlantische Lachs - Haffke, J.: Kulturlandschaften und Tourismus. Historisch-Geographische (Salm) früher bis etwas zur Einmündung des Studien in Ahrtal und Hocheifel (Nürburgring). Bonn 2009 - Institut für Länderkunde (Hrsg.): Nationalatlas Bundesrepublik Deutsch- Ahbaches aufstieg. Die jetzt erneut eingerich- land. Band 2: Relief, Boden und Wasser. Heidelberg 2003 teten Raustrecken im Fließbett ermöglichen den - Kremer, B. P. (Hrsg.): Die Ahr erleben und genießen. 2. Aufl., Köln 1996 unterdessen wieder erfolgreich eingebürgerten - Kremer, B. P.: Der Rhein von den Alpen bis zur Nordsee. Alles Wissens- werte von einem großen Strom. Duisburg 2010 Wanderfischen einen problemlosen Aufstieg zu - Meyer, W.: Geologie der Eifel. Stuttgart 1986 ihren ehemaligen Laichgründen. - Niessen, J.: Geschichtlicher Handatlas der deutschen Länder am Rhein. Bonn 1950 Trotz mancherlei wasserbaulicher Schikanen - Schramm, J. (Hrsg.): Die Eifel. Landschaft der Maare und Vulkane. Essen kann die Ahr auch in ihrem Mündungsbereich 1974

Auenlandschaft im Naturschutzgebiet Ahrmündung

124 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2013