Aquagene 22.09.10 07:08 Seite 3
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Hagen_Aquagene 22.09.10 07:08 Seite 3 CORD HAGEN AQUAGENE Thriller WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN Hagen_Aquagene 22.09.10 07:08 Seite 2 DAS BUCH Drohende Vorzeichen: In China versammeln sich unheimliche »Regenhäute« auf dem größten Staudamm der Erde, auf Grön- land beschwören Schamanen der Inuit die Rückkehr der Meeres- göttin. Und während Europa im Hochwasser versinkt, planen die Großmächte den arktischen Krieg, denn es geht um die letz- ten Erdölreserven der Erde. Als der Hydrotechniker Brandel auf der Bohrinsel Devon III im grönländischen Scoresbysund ein- trifft, wird er von den Ereignissen überrollt. Auch die polizeilich gesuchte Umweltaktivistin Jenna Resch weiß nicht, was sie auf Grönland erwartet. Als sie an der Ostküste landet, führt sie ihr Weg mitten hinein in einen arktischen Krieg, in dem rebellische Inuit gegen Söldner der Erdölindustrie kämpfen. Zusammen mit Glenner, einem amerikanischen Globetrotter, stößt Jenna auf finanzstarke Sektierer, die den steigenden Meeresspiegel als evolutionäre Chance begreifen. Doch welche Ziele verfolgt die- ser »Devonische Zirkel« wirklich, und welche Gene braucht der Mensch, um in einer Wasserwelt zu überleben? Ein radikaler Ökothriller über die Folgen des Klimawandels und den Kampf um die letzten Erdölreserven. DER AUTOR Cord Hagen, geboren 1963, ist das Pseudonym eines bekannten deutschen Bestsellerautors. Er hat neben Romanen auch Dreh - bücher, Hörspiele, Erzählungen und poetische Reportagen ge- schrieben. Cord Hagen lebt in Berlin und auf der Kanareninsel La Palma, auf der sein erster Öko-Thriller Der Schlund spielt. LIEFERBARE TITEL Der Schlund Hagen_Aquagene 22.09.10 07:08 Seite 5 Ich glaube an die friedliche Koexistenz von Menschen und Fischen. – GEORGE W. B USH, 43. Präsident der USA Der zornige Gott Jubmel aber sprach: Ich werde die Welt umdrehen. Ich werde den Flüssen gebieten, bergauf zu fließen; ich werde das Meer heißen, sich zusammenzuraffen zu einer riesenhoch aufragenden Mauer, um sie auf euch verderbte Erdenkinder zu schleudern und euch zu vernichten. – Aus LAPPLANDS WELTSCHÖPFUNGSEPOS, übersetzt von Léonne de Cambrey, 1926 Hagen_Aquagene 22.09.10 07:08 Seite 7 1. Teil Wasserbabys Wenn man einen Sumpf trockenlegen will, darf man damit nicht die Frösche beauftragen. – MARK TWAIN Hagen_Aquagene 22.09.10 07:08 Seite 8 Darstellung der Entwicklungsreihe des Frosches zum Menschen aus dem Jahre 1832. Quelle: C. F. Meisner: De amphibiorum quorundam papil- lis glandulisque femorabilus, Basel, Schweighauser, 1832. Hagen_Aquagene 22.09.10 07:08 Seite 9 CGTCCCAGGGTATTCCCCATGCTTCCGACTTAGTATTCCCCA ACCGGGTAAGGGT VORZEICHENVORZEICHEN AGGACGGAGTAC CTTCCATCGGGGTATTCCAACCCAGCTTCTCATCGGGGTATT Qui vivra, verra. Die Zukunft wird es zeigen. – FRANZÖSISCHES SPRICHWORT Kulusuk, Ostgrönland, März 1982 »Alarm! Los, los, alle Mann raus aus den Kojen! Wir haben eine Situation!« Die verzerrte Stimme aus den Deckenlautsprechern passte so gar nicht zu Reynar Frithjof, dem Chef der Rettungszentrale des Heliports Kulusuk, der an diesem Abend direkt an einer Schlechtwetterfront lag. Schon als der leuchtende Punkt der immer tiefer fliegenden Cessna von den Radarschirmen verschwand, wusste Frithjof, der ruhige Abend bei Rentiergulasch und herbem »Viking«-Bier war fürs Erste gelaufen. Trotz vager Angaben über die Absturzstelle – sie lag dicht vor der Küste in grönländischen Hoheitsgewässern –, hatte er sich entschieden, sofort einen Heli zu schicken. »Der Pilot hat ein SOS absetzen können«, meldete Brynjar, der wachhabende Offizier, »bei der Wassertemperatur ist es aller - dings fraglich, ob es Überlebende gibt.« 9 Hagen_Aquagene 22.09.10 07:08 Seite 10 »Das werden wir sehen«, sagte Frithjof. Es war ohnehin seine Aufgabe, bis zuletzt an die Rettung der Verunglückten zu glau- ben, aber diesmal kam noch etwas dazu: Die Maschine gehörte einem gewissen Paulino Hernando Pesceros, seines Zeichens Öl- baron, Großaktionär und neuerdings auch Regierungsberater. Der gebürtige Kolumbianer gehörte zu den als »unabkömmlich« eingestuften Personen des dänischen Königreichs. Frithjof war geradezu in der Pflicht, denn der Milliardär und seine Familie waren persönlich an Bord des Unglücksvogels gewesen. »So ein Mist …« Das Gewitter, das sich draußen zusammen- gebraut hatte, drückte seine hässliche, von Blitzen vernarbte Visage gegen die Panzerglasscheibe und vergegenwärtigte dem Rettungschef, dass er diesmal seine besten Männer aufbieten musste. »Verdammt, Reynar, das ist ein Fall für die Küstenwache! Die sollen ein Boot schicken und die Leute aus dem Wasser fischen!« Wenn man vom Teufel spricht, dachte Frithjof. Der Mann, der in diesem Moment in die Einsatzzentrale polterte, hörte auf den Namen Sig Bendikson. Er hatte den klassischen Werdegang eines Helipiloten durchlaufen – erst Mechanikerlehre, dann Helikoptermonteur bei der Luftwaffe, ein Job, der es ihm später ermöglicht hatte, die Pilotenlaufbahn einzuschlagen. Inzwischen galt er als Ass des Luftrettungsdienstes und »größter Hubschrau- berpilot« Skandinaviens – ein spitzfindiger Nörgler am Boden, doch einmal in der Luft unschlagbar, wenn es darum ging, Men- schenleben zu retten. So wie damals – Frithjof erinnerte sich – an der Südspitze Grönlands, als Bendikson seine Maschine über einen eingenebelten Gletscher dirigiert und dann – wegen be- schlagener Scheiben – halb aus dem Fenster hängend, Proviant und Verbandszeug abgeworfen hatte. Auch dass er einmal dreißig Schiffbrüchige in einer leckenden Rettungsinsel am Seil in den 10 Hagen_Aquagene 22.09.10 07:08 Seite 11 Hafen eingeschleppt hatte, war Frithjof noch lebhaft in Erinne- rung geblieben. »Nun, halt mal die Luft an«, knurrte Frithjof. »Glaubst du, ich würde dich da rausjagen, wenn ich eine Wahl hätte? Wo der Vogel abgestürzt ist, wimmelt es von Klippen … Das Skagerrak ist ein Dreck dagegen! Du bist meine einzige Chance. Tut mir leid, alter Schwede.« »Und mir erst!« Bendikson raufte sich seine grauen Stoppel- haare, aber dann marschierte er ab, ganz so wie es Frithjof von ihm gewohnt war. Ein Expresslift bracht Bendikson aus der Tiefe des Berges hinauf zur Landplattform des Heliports. Im Hangar, der wie eine wür- felförmige Festung an der Steilküste klebte, war der Copter, ein nagelneuer US-Coast-Guard-»HH 65A«, schon betankt und startklar. Sein frisch eingewachster Rumpf funkelte im Licht der Scheinwerfer. Zwei AVCO-Lycoming-Triebwerke mit jeweils sie- benhundertunddreißig Pferdestärken verliehen dem auch »Polar- Heli« genannten Hubschrauber die nötige Kraft, auch bei orkan- artigem Wetter zu fliegen. Der Weg über die beleuchtete fünf mal fünf Meter messende Plattform erschien Bendikson diesmal länger als sonst. Ohne zu grüßen, schwang er sich in den Sitz, schnallte sich an. »Vergesst mir die Wärmflaschen nicht«, war das Einzige, was er sagte, und Gunnar Steinkehl, der Flughelfer nickte. Auch die Thermodecken gehörten zum Vorbereitungsmaterial auf der Liste, die er täglich gewissenhaft checkte. Sollte es ihnen gelin- gen, Menschen aus Seenot zu bergen, dann war die Wiederbele- bung durch Wärme die Medizin, die sofort anschlug, um den Kreislauf zu stabilisieren. Als Piloten brauchte man Flughelfer wie Gunnar, die an alles dachten und im Laufe ihrer Dienstzeit 11 Hagen_Aquagene 22.09.10 07:08 Seite 12 ein fast kybernetisches Verhältnis mit der Maschine eingingen. Sie verbreiteten das Gefühl von Sicherheit. Nicht zuletzt saßen sie im selben »fliegenden Boot«, das sie in Technikkursen immer wieder auseinandergenommen und zusammengesetzt hatten. Der junge Blondschopf neben Gunnar hieß Enok Jensen, er war Marine-Rettungstaucher, doch was echte Einsätze anbelang- te noch ein unbeschriebenes Blatt. Beim Winschen hatte er sich schon ein paar Mal bewährt, doch dieser Einsatz war seine Feuer - taufe, und er machte einen etwas in sich gekehrten Eindruck. Der vierte an Bord hieß mit vollem Namen Hanak Amaalik Innunguaq, doch wurde er von allen – wegen seiner Neigung zu Alleingängen – spöttisch Han Solo genannt. Er kauerte in seinem Kaltwasseranzug hinter Gunnar auf dem Rettungsmaterial, den Notfallsack und sein Schwimmbrett zwischen die Beine ge- klemmt. Han war ein gebürtiger Inuit, der seinen Weg aus einem kleinen Dorf namens Brandeliteqilaq in die westliche Zi- vilisation gemacht hatte. Seine bärenhafte Statur trat in dem hautengen Anzug deutlich hervor. Zu seinem Phlegma gehörte die typische Gutmütigkeit der Inuit, vermischt mit einer Prise schwarzen Humors. Abgesehen von seinem Job hatte er nur ein einziges Hobby – die Robbenjagd , die sein Clan, die kukiit inui oder Claw People, bereits seit über zweihundert Jahren in Ost- grönland betrieb. Ein einziges Mal war Bendikson einer Ein - ladung von Han gefolgt und dabei Zeuge eines Tupilak-Rituals der Jäger geworden. Das Christentum hatte auf Grönland schon lange verspielt, selbst in Nuuk, der Hauptstadt, war man längst wieder zur alten naturheidnischen Religion zurückgekehrt. Be- sonders die Jüngeren beteten wieder zu dem Mondgott Igaluk, der diejenigen, die ein sinnvolles Leben gelebt hatten, ins Qud- livun, dem Paradies der Eskimos, heimführen würde. Er war auch der Gott der Liebe, der Gott der Lampenlöschspiele. 12 Hagen_Aquagene 22.09.10 07:08 Seite 13 Han gehörte zu einem anderen Kult, einem Kult, der die See- göttin Sedna wie die Heilige Jungfrau Maria verehrte. Die Zere- monie, der Bendikson beiwohnen sollte, hatte sich auf dem of- fenen Eis abgespielt, an einem großen Luftloch, in dem die See schmatzte und gurgelte. Ein Schamane versuchte die frosch- mäulige, gefräßige Göttin vom Meeresgrund an die Oberfläche zu locken, in dem er – Robbengekröse mit einer