Protokoll-Nr. 19/42

19. Wahlperiode Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtent- wicklung und Kommunen

Wortprotokoll der 42. Sitzung

Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Berlin, den 12. Februar 2020, 14:00 Uhr Konrad-Adenauer-Straße 1, 10557 Berlin Paul-Löbe-Haus E.400

Vorsitz: , MdB

Tagesordnung – Öffentliches Fachgespräch

Einziger Tagesordnungspunkt Seite 5 a) Antrag der Abgeordneten , Frank Federführend: Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kom- Sitta, , weiterer Abgeordneter munen und der Fraktion der FDP Mitberatend: Die Blackbox-Clubszene – Kreativ und wirtschaft- Ausschuss für Kultur und Medien

lich

BT-Drucksache 19/16833

b) Antrag der Abgeordneten , Simone Bar- Federführend: Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kom- rientos, , weiterer Abgeordneter munen und der Fraktion DIE LINKE. Mitberatend: Clubsterben stoppen Ausschuss für Kultur und Medien

BT-Drucksache 19/14156

19. Wahlperiode Seite 1 von 24

Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen

c) Antrag der Abgeordneten , Daniela Federführend: Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kom- Wagner, , weiterer Abgeordneter und munen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mitberatend: Clubkultur erhalten – Clubs als Kulturorte aner- Ausschuss für Kultur und Medien

kennen

BT-Drucksache 19/15121

19. Wahlperiode Protokoll der 42. Sitzung Seite 2 von 24 vom 12. Februar 2020

Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen

Mitglieder des Ausschusses Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder CDU/CSU Heil, Mechthild Benning, Sybille Kießling, Michael Haase, Christian Möring, Karsten Lange, Ulrich Pols, Eckhard Luczak, Dr. Jan-Marco Schweiger, Torsten Nicolaisen, Petra Vogel (Kleinsaara), Volkmar Oßner, Florian Wegner, Kai Simon, Björn Weisgerber, Dr. Anja Stracke, Stephan Zeulner, Emmi Throm, Alexander SPD Daldrup, Bernhard Bartol, Sören Kaiser, Elisabeth Gerster, Martin Mindrup, Klaus Korkmaz-Emre, Elvan Nissen, Ulli Müller (Chemnitz), Detlef Tausend, Claudia Müller, Bettina AfD Bernhard, Marc Chrupalla, Tino Hemmelgarn, Udo Theodor Pasemann, , Frank Spangenberg, Detlev FDP Föst, Daniel Faber, Dr. Marcus Reinhold, Hagen Sitta, Frank Strack-Zimmermann, Dr. Marie-Agnes Todtenhausen, Manfred DIE LINKE. Kassner, Kerstin Gohlke, Nicole Lay, Caren Tatti, Jessica BÜNDNIS 90/DIE Kühn (Tübingen), Christian Haßelmann, Britta GRÜNEN Wagner, Daniela Schmidt, Stefan

19. Wahlperiode Protokoll der 42. Sitzung Seite 3 von 24 vom 12. Februar 2020

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Liste der Sachverständigen Öffentliches Fachgespräch zum Thema „Clubsterben“ (BT-Drucksachen 19/14156, 19/15121, 19/16833) am Mittwoch, 12. Februar 2020, 14:00 Uhr

Stand: 12. Februar 2020

Tine Fuchs Leiterin des Referats Stadtentwicklung, Planungsrecht, Bauleitplanung, nationale Verbraucherpolitik Deutscher Industrie und Handelskammertag (DIHK)

Dr. Wolfgang Hopp Rechtsanwalt für Öffentliches Bau- und Planungsrecht, Besonders Städtebaurecht Rechtsanwälte Zenk

Steffen Kache Mitglied des geschäftsführenden Vorstands LiveMusikKommission (LiveKomm)

Pamela Schobeß Vorsitzende der Clubcommission Berlin Betreiberin Gretchen Club

Jakob Turtur Betreiber des ehemaligen Clubs „Jonny Knüppel“

19. Wahlperiode Protokoll der 42. Sitzung Seite 4 von 24 vom 12. Februar 2020

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Einziger Tagesordnungspunkt Hopp, auch Ihnen ein herzliches Willkommen. Sie sind Rechtsanwalt für öffentliches Bau- und Pla- a) Antrag der Abgeordneten Hagen Reinhold, Frank nungsrecht sowie besonderes Städtebaurecht von Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter Rechtsanwälten Zenk aus Hamburg. Dann begrüße und der Fraktion der FDP ich Herr Steffen Kache. Sie sind Mitglied des ge- Die Blackbox-Clubszene – Kreativ und wirtschaft- schäftsführenden Vorstands der LiveMusikKom- lich mission (LiveKomm), der Verband der Musikspiel- stätten in Deutschland e. V., herzlich willkommen. BT-Drucksache 19/16833 Dann haben wir Pamela Schobeß, Vorsitzende der Clubcommission Berlin, Verband der Berliner Club-, Party- und Kulturereignisveranstalter e. V. b) Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Simone und Betreiberin des Gretchens Club. Herzlich Barrientos, Doris Achelwilm, weiterer Abgeordne- willkommen auch Ihnen. Und, zu guter Letzt, ist ter und der Fraktion DIE LINKE. hier noch Jakob Turtur, Betreiber des ehemaligen Clubsterben stoppen Clubs „Jonny Knüppel“. Sie merken, dass ich nicht so ein Clubgänger bin, man kommt ja hier aus dem BT-Drucksache 19/14156 nicht raus. Das Fachgespräch wird live im Internet übertragen und sie können es im haus- eigenen Parlamentskanal sehen. Es wird ein Wort- c) Antrag der Abgeordneten Erhard Grundl, Daniela protokoll gefertigt, in dem Sie die Diskussion auch Wagner, Anja Hajduk, weiterer Abgeordneter und gerne nachlesen können. Das werden Sie dann auf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Homepage des Bundestages finden. Ich danke Clubkultur erhalten – Clubs als Kulturorte aner- den Sachverständigen für die vorab eingereichten kennen schriftlichen Stellungnahmen. Ausschussdrucksache 19(24)173 – Präsentation Wir kommen zum einzigen Tagesordnungspunkt der Sachverständigen Tine Fuchs (Anlage) heute, es handelt sich um einen Antrag der Abge- ordneten der FDP, „Die Blackbox-Clubszene – Kre- BT-Drucksache 19/15121 ativ und wirtschaftlich“, einen Antrag der Fraktion Die Vorsitzende: Ich begrüße die Kolleginnen und DIE LINKE., „Clubsterben stoppen“ und einen An- Kollegen ganz herzlich. Wir haben heute ein öf- trag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Clubkultur fentliches Fachgespräch zum Thema „Clubster- erhalten – Clubs als Kulturorte anerkennen“. Wir ben“. Das klingt nicht ganz so positiv, wie man es beginnen mit einem Eingangsstatement der Sach- sich als Politiker wünscht, dass hätte man viel- verständigen von drei Minuten Dauer. Nachher se- leicht auch positiver formulieren können. Es ist hen Sie, dass dort oben eine Uhr rückwärts läuft, so zugleich die 42. Sitzung des Ausschusses. Wir ha- dass Sie sehen, wann Sie zum Schluss kommen ben ein öffentliches Fachgespräch, deswegen müssen. Anschließend würden wir Sie gerne zwei möchte ich auch Sie, die Besucherinnen und Be- Runden befragen. Beginnen wir mit den Eingangs- sucher auf den Tribünen, begrüßen. Wir waren mit statements, es fängt Frau Fuchs an. 60 Leuten eigentlich ausgebucht, das sieht jetzt Tine Fuchs (DIHK): Herzlichen Dank für die Ein- noch nicht so aus, aber vielleicht finden noch Ein- ladung und dafür, dass Sie das Thema auf die Ta- lasskontrollen statt. Schön, dass Sie da sind. Sie gesordnung gerufen haben. Was wären wir denn dürfen leider nur zuhören, mit uns sprechen ginge ohne Clubkultur in Berlin, Frankfurt, München, dann vielleicht im Anschluss an die Veranstaltung, aber auch Live-Konzerte in Tübingen, Iserlohn oder aber wirklich schön, dass Sie da sind. Und ich be- auch Dresden, auf die ich jetzt ganz kurz noch ein- grüße ganz herzlich die Sachverständigen, die heu- gehen möchte? Ich spreche für den Deutschen In- te bei uns sind. In alphabetischer Reihenfolge sind dustrie- und Handelskammertag, also den Dach- es: Frau Tine Fuchs, ein herzliches Willkommen verband von 79 Industrie- und Handelskammern Ihnen. Sie sind Referatsleiterin für Stadtentwick- (IHK) und mehr als 140 Auslandshandelskammern lung, Planungsrecht und Bauleitplanung sowie na- und habe die Aufgabe, die Gesamtinteressenver- tionale Verbraucherpolitik beim Deutschen Indust- tretung der gewerblichen Wirtschaft zu repräsen- rie- und Handelskammertag. Herr Dr. Wolfgang

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tieren und insofern möchte ich meine Ausführun- den Großstädten, ein großes Flächenproblem [Aus- gen zur Clubkultur immer in den Gesamtkontext schussdrucksache 19(24)173, S. 5]. Das heißt, es der örtlichen Betriebe stellen. Das habe ich nicht gibt nicht nur einen Mangel an Flächen für die allein getan, sondern gemeinsam in Abstimmung Musikclubs, es gibt auch einen Mangel an Flächen mit den regionalen IHKs. Für uns haben sich aus für Industrie und Gewerbe und natürlich aller Or- den heute vorliegenden Anträgen fünf zentrale ten von Wohnraum. Jetzt muss man sich überlegen, Fragestellungen herauskristallisiert [Ausschuss- wie man eigentlich eine Stadtentwicklung sinnvoll drucksache 19(24)173, S. 2], nämlich einmal die gestalten kann, um für eine ordentliche Nutzungs- Frage, ob wir in der Stadtentwicklung ein Gesamt- mischung zu sorgen. Was können die Betriebe konzept zur Musikförderung brauchen oder ob wir selbst tun? Wir haben als Organisation das Thema die Clubkultur in Gewerbeflächenentwicklungs- „Mitarbeiterwohnen“ aufs Tableau gehoben, aber konzept oder in Stadtentwicklungskonzept ein- auch die Frage, wie die Stadtentwicklung reagieren ordnen sollten? Die zweite Frage ist: Sollten wir kann. Die Besonderheit der Clubkultur besteht eine neue Änderung vom Baugesetzbuch (BauGB) letztlich darin, dass sie eigentlich vergessene vornehmen? Wir haben im neuen Absatz 2a und Stadträume wieder zu neuem Leben erweckt und Absatz 2b des § 9 BauGB schon Konzepte für Ver- erst die Aufmerksamkeit auf diese Stadträume gnügungsstätten und Einzelhandel. Wäre es sinn- lenkt, dann aber oft selbst wieder durch heranrü- voll, das auch für die Clubs zu machen? Wie sieht ckende Wohnbebauung vertrieben wird. Jetzt ist es mit einer Erweiterung von § 172 Baugesetzbuch, die Frage, wie man damit am sinnvollsten umgeht. also Erhaltungssatzungen für die Clubszene, aus? Die Vorsitzende: Frau Fuchs, ich muss Sie unter- Die vierte Frage betrifft aus unserer Perspektive ei- brechen, die drei Minuten Eingangsstatement sind ne Änderung der Baunutzungsverordnung. Sind bereits um, wir sind jetzt bei vier Minuten. Clubs als Vergnügungsstätten oder eher Anlagen für kulturelle Zwecke einzuordnen? Letzterem sind Tine Fuchs (DIHK): Dann würde ich nur den ersten wir sehr zugeneigt und ich will gleich ganz kurz Punkt noch zu Ende bringen und dann auf die dazu sagen, warum. Das letzte Thema ist „Lärm- weiteren Punkte im Laufe des Gesprächs eingehen. schutz“, also wie gehen wir zukünftig mit dem Wir plädieren ganz stark dafür, im Stadtentwick- Thema „Lärmschutz“ und Clubs um? lungsplan Wirtschaft, Wohnen, aber eben auch Kultur, also Clubs als Teil von Kultur, abzubilden, Ich habe angesprochen, dass wir das Thema im dafür Flächenpotenziale bereitzustellen, ganz klar Gesamtzusammenhang der gewerblichen Wirt- auszuweisen, abzubilden und dann auch plane- schaft sehen und in diesem Zusammenhang haben risch festzusetzen [Ausschussdrucksache wir uns auch für die gewachsene europäische Stadt 19(24)173, S. 6]. Das kann ich dann auch in ausgesprochen [Ausschussdrucksache 19(24)173, § 5 Absatz 2 BauGB, indem ich bestimmte Flächen S. 4]. Das heißt, eine Stadt besteht nicht nur aus schon für die weitere Entwicklung vorsehe und Wohnungen, sondern natürlich auch aus Industrie auch dann die Abstände zu der heranrückenden und Gewerbe, den Kultureinrichtungen wie Muse- Bebauung definiere. en, Musik- sowie Opernhäusern und eben auch der Clubkultur. Die Clubkultur stellt dabei für uns auch Die Vorsitzende: Vielen Dank für Ihr Eingangs- einen wichtigen Baustein im Sinne des Stadtmar- statement. Herr Dr. Hopp, Sie sind der Nächste. ketings dar und sie ist ein wichtiger Standortfaktor Dr. Wolfgang Hopp (RA Zenk): Vielen Dank für die und ich glaube, das ist für Fachkräfte überhaupt Gelegenheit hier sprechen zu können auch von nicht zu vernachlässigen. Warum kommen denn so meiner Seite und vor allem auch vielen Dank dafür, viele junge Leute in die Großstädte? Weil es hier dass Sie dieses brisante und für viele auch bren- ein außerordentlich vielfältiges kulturelles Angebot nende Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben. gibt und dazu gehören vor allen Dingen die Clubs. Ich möchte mich bemühen, ein bisschen Zeit wie- Sie sind also Bestandteil von subkulturellem Le- der einzusparen, und mich auf drei Kernpunkte ben, ebenso Bestandteil von lokaler Ökonomie und insbesondere der bauplanungsrechtlichen Perspek- die Nachtökonomie ist ein Standortfaktor von tive beschränken, die für diesen Ausschuss im Städten, gerade in Zeiten der Digitalisierung und Vordergrund stehen könnten. von E-Commerce. Jetzt haben wir aber in allen Städten und Gemeinden, und zwar nicht nur in Zunächst einmal zum bereits angesprochenen

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Thema der Einstufung von Musikclubs als Anlagen stätten den Anlagen für kulturelle Zwecke zuord- für kulturelle Zwecke. Wenn man sich die Recht- net. Die Schwierigkeit wird dann sein, hier ein Ab- sprechung anschaut, fällt auf, dass es keine höchst- grenzungskriterium zu finden, damit eine Abgren- richterliche Klärung zu der Frage gibt, wie eigent- zung gegenüber den Diskotheken gelingt, die auch lich Musikclubs und andere Live-Musikspielstätten weiterhin nicht als Anlagen für kulturelle Zwecke bauplanungsrechtlich einzustufen, also welcher anzusehen sein dürften, weil dort der gewerbliche Nutzungsart sie zuzuordnen sind. Die obergericht- Aspekt im Vordergrund steht. Ein mögliches Krite- liche Rechtsprechung zeigt aber eine sehr deutliche rium wäre etwa die Zahl der Liveauftritte, der Tendenz: Sie stuft sie in aller Regel als Vergnü- Konzerte, das wäre ein Punkt, an dem man anset- gungsstätten ein. Das überrascht, weil es ja Paralle- zen könnte. Rechtstechnisch könnte es etwa umge- len zwischen Konzerthäusern, wo Live-Auftritte setzt werden, indem man an der ersten Stelle der stattfinden, und Musikclubs, wo auch Li- Baunutzungsverordnung, an der Anlagen für kul- ve-Auftritte stattfinden, gibt. Die Begründung ist turelle Zwecke erwähnt werden, durch einen Zu- vor allem, dass mit dem negativen städtebaulichen satz ergänzen oder erläutern könnte, dass dazu Aspekten oder Auswirkungen argumentiert wird, auch Livemusikspielstätten gehören mit dann noch insbesondere Lärmerzeugung und Verkehr. Aber näher einzugrenzenden Merkmalen. Dies wäre der solche Auswirkungen, wie insbesondere Verkehr, erste und für mich vielleicht wichtigste Punkt. gibt es ja auch bei Konzerthäusern. Deswegen ist Das Zweite ist das Thema „Kulturerhaltungsgebie- nicht einsichtig, weshalb diese Unterscheidung so te“. Das ist die Idee, die auch in dem Antrag der strikt ist, dass man jedenfalls in aller Regel, mit Fraktion DIE LINKE. aufscheint, dass man das In- ganz wenigen Ausnahmen, Musikclubs den Ver- strument der Erhaltungsgebiete, das bislang nur zur gnügungsstätten zuordnet. Das hat dramatische Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevöl- Folgen im Bauplanungsrecht, weil Vergnügungs- kerung und städtebaulicher Funktion konzipiert ist, stätten in den Baugebietstypen der Baunutzungs- um die Erhaltung stadtkultureller Belange, inklu- verordnung nur in sehr viel geringerem Maße zu- sive einer Musikclubszene, erweitert, das wäre lässig sind als Anlagen für kulturelle Zwecke. Das immerhin denkbar, dann könnte man sogar das In- hat die LiveKomm in ihrer Stellungnahme über- strumentarium der § 172 ff. BauGB nutzen. sichtlich in einer Tabelle dargestellt, worauf ich Bezug nehme. Beispielsweise sind Vergnügungs- Der letzte Punkt, Lärm, wurde schon angesprochen. stätten in der Regel nur in Kerngebieten und in Das mache ich ganz kurz. Hier sehen wir insbe- gewerbegeprägten Teilen von Mischgebieten allge- sondere deswegen Novellierungsbedarf, weil pas- mein zulässig. Hinzu kommt, dass die Gemeinden siver Lärmschutz nur aufgrund von Bauleitplänen, häufig auch noch in Bebauungsplänen, selbst in aufgrund von Bebauungsplänen vorgeschrieben den Gebieten, in denen Vergnügungsstätten eigent- werden kann, um Wohngebäude oder heranrü- lich allgemein zulässig sind, sie aufgrund von ckende Wohngebäude vor den Geräuschen von § 1 Absatz 5 Baunutzungsverordnung (BauNVO) Musikclubs zu schützen. Es wäre hilfreich, wenn ausschließen, sodass sich dann die Zulässigkeit man etwa durch eine Novellierung von weiter einschränkt. Das verhindert die notwendige § 15 BauNVO klarstellen würde, dass man auch Planungssicherheit und führt oft dazu, dass Mu- passiven Lärmschutz im Rahmen von Schallschutz sikclubs dann aufgrund Nachbarbeschwerden oder nachweisen und im Baugenehmigungsverfahren -klagen geschlossen werden müssen, weil sie ein- berücksichtigen kann. fach bauplanungsrechtlich nicht zulässig sind. Die Die Vorsitzende: Wir danken Ihnen. Dann haben Einstufung überzeugt nicht, weil die dogmatischen wir als nächstes Herrn Kache von der LiveKomm. Unterschiede zwischen Anlagen für kulturelle Zwecke und Vergnügungsstätten anhand eines Ab- Steffen Kache (LiveKomm): Vielen Dank für die stellens auf die negativen Auswirkungen nicht Einladung und vielen Dank, dass dieses Thema überzeugt, angesichts der Abgrenzung in anderen hier auf die Tagesordnung gesetzt wurde, weil es Bereichen, und sie ist auch nicht sachgerecht. für uns als Clubs und Livemusikspielstätten ein Deswegen sollte man, um hier die notwendige sehr wichtiger Punkt ist. Nicht nur, was die Planungssicherheit zu schaffen, einen Weg finden, Baunutzungsverordnung betrifft, sondern generell wie man, jedenfalls grundsätzlich, Livemusikspiel- die Anerkennung von Livemusikspielstätten und

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Clubs als kulturelle Orte, denn das ist das, was wir internationalen Künstler waren bei uns zu Gast. Es machen. Es sind halt keine Diskotheken. sind Labels gegründet wurden und die „Distillery“ war schon so der Dreh- und Angelpunkt der Tech- Ich würde gerne versuchen, am Beispiel unseres noszene in Leipzig. Leider war es dann so, dass zu Clubs in Leipzig, der „Distillery“, zu erzählen, was erwarten war, dass irgendwann auf diesem ehema- wir so machen, um einfach ein Gefühl dafür zu er- ligen Bahngelände ein Wohngebiet entstehen wird. zeugen, was es genau denn ist, was wir da tun, um Im Jahr 2011 gab es dann die ersten Planungen für von diesem trocknen Paragrafenkram wegzukom- ein Wohngebiet, für einen neuen Stadtteil, und, men. Den Club gibt es seit 1992, das war kurz nach welch Wunder, wir waren dabei nicht vorgesehen. der Wende, Aufbruchsstimmung im Osten. Es gab Die „Distillery“ gab es auf den Plänen nicht. Wir eine neue Musikrichtung, das war Techno. Wir haben wieder protestiert, wir hatten eine Demonst- waren eine Gruppe von jungen Leuten, die für die- ration mit über 2 000 Leuten, wir hatten Onli- se Musik brannten. Wir konnten diese leider nir- ne-Petitionen mit über 10 000 Unterschriften, es gendwo in den Diskotheken hören, denn es war gab Unterstützerbriefe von allen Bundestagsabge- verpönt, man konnte damit kein Geld verdienen. ordneten aus Leipzig und es gab sogar einen Stadt- Die Leute haben nur getanzt, aber nichts getrunken. ratsbeschluss, der besagte, dass die Stadt sich dazu Das heißt, wir mussten irgendwie schauen, ob wir bekenne, dass der Club dort bleibt, wo er ist. Das nicht selbst einen Club eröffnen könnten. Berlin hat leider alles nichts geholfen. Wir müssen jetzt in war unser großes Vorbild, da gab es schon viele zwei Jahren den Ort verlassen. Das Argument des Clubs. Uns ging es darum, die Musik zu fördern, Investors war, was die Stadt da will, ist ja ganz Künstler aus der ganzen Welt nach Leipzig zu ho- nett, aber ihr seid eine Vergnügungsstätte, wir len, Leipzigern die Möglichkeit zu geben, selbst DJs bauen hier ein Wohngebiet und das geht nun mal und Künstler zu werden, im Prinzip diese Techno- nicht zusammen. Mit dem Argument, dass wir eine szene nach Leipzig zu holen und zu unterstützen. Vergnügungsstätte sind und das passt nicht zu- Wir haben dann eine leerstehende Brauerei gefun- sammen, am Ende gibt es nur Konflikte und Ärger, den und sind einfach da rein. Wir hatten kein Geld, ich sehe euch hier nicht mehr, ihr müsst leider ge- wir hatten keine Ahnung, wie das funktioniert, es hen, wurden im Prinzip alle politischen Unter- gab keinen Businessplan, wir haben einfach ange- stützungen weggebügelt. Jetzt haben wir ein neues fangen, es war die Musik, die uns die Energie dafür Objekt gefunden, das haben wir auch gekauft, das gegeben hat. Der Club wurde dann relativ schnell ist auch ein ehemaliges Bahngelände und jetzt ha- über die Leipziger Grenzen hinaus bekannt, wir ben wir dasselbe Problem, dass nämlich das Stadt- hatten sogar einmal „Depeche Mode“ als Gast. Na- planungsamt, die Genehmigungsbehörden, bei dem türlich hat auch das Ordnungsamt relativ schnell Wort Vergnügungsstätte, ich sage es mal lapidar, mitbekommen, dass da ein Club ist, illegal, und die Hosen voll haben. Es ist ein riesengroßes Prob- wollte uns schließen. Wir haben es dann schon lem, wenn man einen Club eröffnen will, denn es 1994 mit einer ersten großen Demonstration vor ist eine Vergnügungsstätte, sofort haben alle Angst dem Leipziger Rathaus geschafft, eine weitere und trauen sich da nicht ran. Für uns ist es ein rie- Duldung zu bekommen. Das war für die Leute im sengroßes Problem, wenn es darum geht, die Clubs, Rathaus etwas völlig Unvorstellbares, dass Leute wenn sie schon verdrängt werden, irgendwo anders für einen Club auf die Straße gehen und dafür neu anzusiedeln. Dann ist auch ein Thema, dass kämpfen, dass dieser Club bestehen bleibt. Das hat die Clubs durch die Einordnung als Vergnügungs- dann dazu geführt, dass wir, als wir 1995 umziehen stätte ein sehr schlechtes Image haben und viel mussten, auch sehr viel Unterstützung von der leichter wegzurationalisieren sind, als wäre es Stadt bekommen haben. Wir sind auf ein ehemali- Kultur. ges Bahngelände gezogen und hatten endlich ein- mal die Hoffnung, dass es jetzt eine längerfristige Die Vorsitzende: Vielen Dank für diesen Bericht Lösung für den Club gibt und jetzt können wir den aus der Praxis. Jetzt kommen wir zu Frau Schobeß. auch so entwickeln, wie wir das für richtig halten. Pamela Schobeß (Clubcommission Berlin): Guten Da hatten wir dann auch ungefähr zehn Jahre Zeit. Tag! Auch von mir ein riesengroßes Dankeschön, Der Club wurde international bekannt. Es gibt jetzt dass wir hier sprechen dürfen und dass Sie sich einige Künstler, die international unterwegs sind, mit dem Thema beschäftigen. Ich würde gerne an die bei uns groß geworden sind. Alle möglichen

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Herrn Kache anknüpfen und meine Geschichte er- 80 Jahren besuchen. Unsere Gäste kommen aus der zählen. Ich bin seit über 20 Jahren zusammen mit ganzen Welt. Viele reisen extra wegen eines Kon- meinem Partner Clubbetreiberin in Berlin. Ich zerts oder einer Clubnacht aus dem Ausland an, möchte gerne zeigen, warum diese Einordnung als weil wir eben besondere, ungewöhnliche, interes- Vergnügungsstätte für einen jeden Clubbetreiber sante KünstlerInnen präsentieren. Jeder einzelne eine Art „Damoklesschwert“ ist und warum das Gast kommt zu uns und in jeden anderen Club ganz unangebracht und unnötig ist. Wir waren 23 Jahre gezielt zu einer einzigen Veranstaltung, wegen der alt, als wir Mitte der 1990er unseren Musikclub jeweiligen KünstlerIn. Wir haben für unser Pro- „Icon“ am Prenzlauer Berg eröffnet haben. Wir ha- gramm mit dem „Gretchen“ bereits dreimal den ben damals schon KünstlerInnen aus dem In- und Applauspreis erhalten, das ist die Auszeichnung Ausland gebucht, mit Musikstilen wie der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien für Drum 'n' Bass, Electronica, Elektro, Dubstep und ein außerordentliches Kulturprogramm. Um ein vielen anderen, und Pionierarbeit bei der Weiter- solches Kulturprogramm aufzustellen sind wir entwicklung von Clubmusik geleistet. Nach 365 Tage im Jahr damit beschäftigt Musik zu re- 15 Jahren mussten wir wegen heranrückender cherchieren, KünstlerInnen zu buchen, also unser Wohnbebauung schließen. Die klitzekleine Baulü- Programm zu kuratieren. Uns als Vergnügungsstätte cke über unserem Eingangsbereich wurde mit ein zu bezeichnen und mit Bordellen oder Spielhöllen paar wenigen hochpreisigen Wohnungen geschlos- gleichzusetzen, ist immer wieder wie ein Schlag sen. Konflikte mit den neuen Mietern waren vor- ins Gesicht. Das ist unfair, ungerecht, entspricht programmiert. Bis dato hatten wir aber überhaupt nicht der Realität und ist auch überhaupt nicht gar keine Probleme mit der Nachbarschaft. Wir mehr zeitgemäß. ClubbetreiberInnen suchen sich waren integriert in ein Gebiet, was aus Wohnungen übrigens nicht Orte aus, an denen es zu Konflikten bestand, und es gab keine Akten der Behörden zu mit der Nachbarschaft kommen kann. Wir haben irgendwelchen Beschwerden. Es hat super funktio- damals das „Gretchen“ auf dem Dragoner-Areal er- niert, bis der Neubau kam. Es wurde einfach eine öffnet, weil es ein Gewerbegebiet ist und die Baugenehmigung erteilt und damit eine internati- nächsten Nachbarn nicht in unmittelbarer Nähe onal bekannte Kulturinstitution nach 15 Jahren sind. Auch hier haben wir überhaupt keine Prob- vernichtet, weil sie offiziell nur eine Vergnügungs- leme mit der Nachbarschaft. Genau wie mit unse- stätte und damit nicht schützenswert war. Jetzt rem ersten Club, dem „Icon“. Aber jetzt wird plötz- sind wir seit fast neun Jahren mit unserem Club lich der Bebauungsplan geändert und es sollen „Gretchen“ auf dem sogenannten Dragoner-Areal Wohnungen gebaut werden. Das heißt, trotz Aus- und sind wieder in der Situation, dass heranrü- zeichnungen der Bundesregierung für unser kura- ckende Wohnbebauung auf uns zukommt. Wenn es tiertes Kulturprogramm werden wir aufgrund einer gut läuft, haben wir dieses Mal vielleicht Glück, veralteten Rechtsprechung als Vergnügungsstätte denn das Grundstück gehört dem Land Berlin und bezeichnet, damit inhaltlich diskreditiert und man möchte uns tatsächlich behalten. Das heißt, städtebaulich ausgegrenzt. Ich bitte alle Beteiligten dass man das „Gretchen“ im Städtebau mitdenkt. darum, darüber nachzudenken, und bitte Sie, auch Das allerdings geht tatsächlich nur freiwillig. Laut im Namen aller anderen ClubkulturmacherInnen, Akten sind wir auch hier eine Vergnügungsstätte, das zu ändern, weil es einfach nicht mehr passt. die nicht wichtig ist, die also theoretisch weg kann. Die Vorsitzende: Vielen Dank. Herr Turtur. Nur durch unseren persönlichen Einsatz wurde in dem Verfahren den Beteiligten klar, was wir mit Jakob Turtur („Jonny Knüppel“): Auch ich bedan- dem „Gretchen“ wirklich sind, eine Musikspiel- ke mich für die Einladung zu diesem Fachgespräch. stätte, die ein hochrangiges Kulturprogramm mit Es freut mich, mit Ihnen u. a. über das Problem der KünstlerInnen aus dem In- und Ausland anbietet. baurechtlichen Einschätzung von Clubs als Ver- Eine Konzert-Venue, die Jazz, Soul, Sin- gnügungsstätten zu sprechen. Ich denke, dass diese ger-Songwriter und zig andere Musikstile präsen- Einschätzung nicht mehr zeitgemäß ist, sie führt tiert. Ein Club, der neue elektronische Musikstile dazu, dass für die schließenden Clubs nur sehr er- vorstellt. Ein Ort, an dem sich junge KünstlerInnen schwert neue nachwachsen können. Zu dieser Ein- ausprobieren können. Ein Ort, den Menschen bei schätzung komme ich durch meine Erfahrungen als Konzerten im Alter von 16 bis in Clubnächten auch einer der Betreiber des Clubs „Jonny Knüppel“. Wir

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beantragten zwischen 2015 und 2018 eine Geneh- wurde damals die Berliner Baunutzungsverord- migung als gemeinnützige Kunst- und Kulturstätte nung von 1958 herangezogen. Zwischen der Eröff- in einem innerstädtischen Gewerbegebiet. Durch nung der ersten Diskothek in der Bundesrepublik, das Vorhandensein einer Tanzfläche und eines DJ die überhaupt erst im Jahre 1959 aufmachte, bis zu in unserer Betriebsbeschreibung wurden wir jedoch dem, was wir heutzutage als Clubkultur bezeich- vom Stadtplanungsamt als Vergnügungsstätte ein- nen, liegen also mehr als 60 Jahre kultureller Ent- geschätzt. Dies wurde insbesondere unseren mul- wicklung. Aus diesem Grund ist es dringend not- tifunktionalen Räumlichkeiten und unseren diver- wendig, dass die Baunutzungsverordnung dem- sen Programmen nicht gerecht, denn es gab neben entsprechend so aktualisiert wird, dass erstens Tanzveranstaltungen auch Konzerte, Lesungen, Musikspielstätten als Kunst- und Kulturstätten an- Theater-Performances und Ausstellungen. Erst als erkannt werden und damit, zweitens, dafür zu sor- wir unsere Tanzfläche auf zehn Prozent der gesam- gen, dass sie in fast allen Gebieten zulässig sind, ten Größe unserer Mietfläche verringert hatten, insbesondere aber in Gewerbegebieten. Und drit- wurden wir als Kunst- und Kulturstätte einge- tens, dass mindestens dort, wo bereits Clubkultur schätzt und haben einen positiven Bescheid von existiert, Schutzgebiete definiert werden, welche der Stadtplanung erhalten. Bis hierhin waren be- dem Vermarktungsdruck entzogen werden. An- reits tausende Euros in ArchitektInnen, Brand- sonsten werden wir einen Großteil unseres Kul- schützerInnen und insbesondere Immissionsprog- turangebots und dessen Diversität verlieren, was nosen geflossen. Auch das sollte alles vergeblich über kurz oder lang auch wirtschaftliche Schäden gewesen sein, denn zu diesem Zeitpunkt zog der hervorrufen wird. Ganz abgesehen davon, dass Investor sein Angebot zur Mietvertragsverlängerung diese Orte auch einen wichtigen Beitrag zu einer zurück. Wir hatten keinen Nutzen mehr für den positiven gesellschaftlichen Entwicklung beitragen. Investor, stellten als Kunst- und Kulturbetrieb mit Uns mit Bordellen und Spielkasinos auf eine Ebene Unterstützung aus der Politik vielleicht sogar eher zu setzen, ist einfach nicht angebracht. eine Gefahr für die zukünftige Entwicklung des Die Vorsitzende: Wir danken Ihnen für Ihre Ein- Gebiets dar. Wir mussten räumen und seitdem gangsstatements. Dann kommen wir zur Fragerun- steht die Fläche leer. Die Bedingungen insbeson- de der Kollegen. Jede Fraktion hat fünf Minuten für dere für die innerstädtische Clubkultur sind abso- Fragen. Die Kollegen sollten möglichst kurz fragen, lut grenzwertig geworden. Wir haben sehr hohe damit Sie innerhalb der fünf Minuten auch noch Genehmigungs-, Anschaffungs- und Betriebskosten, Zeit zu antworten haben. Wir fangen mit Herrn mit denen wir auf dem freien Markt kaum mehr in Schweiger von der CDU/CSU-Fraktion an. Konkurrenz zu anderen Angeboten treten können. Innerstädtische Mieten können wir kaum mehr be- Abg. (CDU/CSU): Erst einmal an zahlen. Meistens sind die Mietverträge jederzeit dieser Stelle vielen Danken für die Einschätzungen. kündbar oder werden nur jährlich verlängert. Ex- Ich habe eine Frage an Frau Fuchs. Haben Sie einen perimente kann sich kaum noch jemand leisten, Vorschlag, wie man die Abgrenzungsproblematik, genauso wenig langfristige Investitionen wie z. B. die es dann auch zu anderen Klubs, Raucherklubs, energiesparende Heizungs- oder Lüftungsanlagen. Sportklubs, Buchklubs, was es auch immer da gibt, Diese Bedingungen führen auch dazu, dass wir zu- lösen könnte? nehmend an den Stadtrand verdrängt werden und Die zweite Frage geht an Herrn Dr. Hopp. Vergnü- das wiederum führt zu einer Kommerzialisierung gungsstätten sind in allgemeinen Wohngebieten und „Mainstreamisierung“ in den Innenstädten, die auch nicht ausnahmsweise zulässig. Könnte denn unsere vielfältigen Kulturlandschaft zerstört, denn genau da eine Änderung der Baunutzungsverord- die kleinen Clubs müssen in der Innenstadt aufge- nung den gewünschten Effekt erzielen? Das man an ben und die großen am Stadtrand werden zu Pil- dieser Stelle möglicherweise eine Öffnung betreibt. gerorten am Wochenende, jedenfalls solange, bis Ich möchte darauf hinaus, dass oft Städte auch in die Stadt nachgewachsen ist und auch sie weiter- den Wohngebieten, wo es prinzipiell zulässig ist, es ziehen müssen. Die Möglichkeit, spontan ein di- pauschal ausschließen. Das wird mit Verweis auf verses Kulturangebot, z. B. ein kleines Konzert, die kommunale Planungshoheit gemacht, die die unter der Woche in der Innenstadt zu erleben, Städte haben. Ist das aus Ihrer Sicht eine miss- stirbt aus. Als Rechtsgrundlage für die Versagung bräuchliche Nutzung in großem Umfang und kann

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man da möglicherweise einhaken? delt, sofern dort Livemusik in einem noch nicht näher definierten Umfang stattfindet. Tine Fuchs (DIHK): Darf ich die Präsentation nochmal einblenden? Ich habe da nämlich eine De- Ihre zweite Frage zielte auf diese Ausnahmemög- finition drauf. Ansonsten sind wir auf jeden Fall lichkeiten nach § 1 Absatz 5 BauNVO. Das ist ein auch für eine Änderung der Baunutzungsverord- Problem. Die Städte und Gemeinden machen in re- nung. lativ großem Umfang von diesen Ausschlussmög- lichkeiten Gebrauch, um das klar zu sagen. Das Die Vorsitzende: Die Präsentation können Sie lei- heißt, die schließen in ihren Bebauungsplänen re- der nicht parallel einblenden. gelmäßig Nutzungen aus, die eigentlich nach den Tine Fuchs (DIHK): Sie lag ja aus, dann nehme ich Bestimmungen der Baunutzungsverordnung allge- darauf Bezug. Auf den Seiten 10 und 11 [Aus- mein zulässig sein sollen. Das kann natürlich nur schussdrucksache 19(24)173], schlagen wir vor, im Ausnahmefall greifen, weil diese Regelbebau- Musikclubs und Livespielstätten als Anlagen für ung auf den Gebietscharakter charakterisieren. Und kulturelle Zwecke zu definieren, um eben genau wenn man pauschal Vergnügungsstätten aus- eine Abgrenzung zu Buchklubs oder Tennisklubs, schließt, ohne zwischen den unerwünschten und oder was es noch alles an Klubs gibt, vorzunehmen denen, die man haben will, zu differenzieren, dann und wir haben einen Definitionsvorschlag unter- führt das nach dem Motto „Mitgefangen, Mitge- breitet, dass man dann von Musikclubs und Live- hangen“ dazu, dass die Musikstätten dann leider spielstätten – wir würden beides gerne rein neh- auch nicht mehr zulässig sind, obwohl man die ei- men, weil es ja auch viele Livekonzerte draußen gentlich haben wollte. Vielleicht hat man nicht da- gibt – sprechen kann, wenn in der Regel mehr als ran gedacht. Man denkt in erster Linie an zwölf Livekonzerte oder Kleinkunstangebote pro Sex-Kinos, Spielhallen und was man noch an un- Jahr stattfinden, bei denen überwiegend ein geson- appetitlichen Nutzungen unter diesen Vergnü- dertes Eintrittsgeld von den Besuchern erhoben gungsstätten hat, aber man denkt nicht an Mu- wird. Der Definitionsvorschlag basiert auf einer sikclubs, die werden aber mit ausgeschlossen. Das Abstimmung innerhalb der IHKs und es liegen ihm ist ein Problem und es ist sicherlich nicht verhält- auch mehrere Gutachten zugrunde, beispielsweise nismäßig, immer im großen Stil diesen pauschalen hat auch die IHK Rhein-Neckar mit der Popakade- Ausschluss von Vergnügungsstätten vorzunehmen. mie in Mannheim zusammen ein Gutachten beauf- Die Vorsitzende: Jetzt kommen wir zu Herrn Bern- tragt, in dem diese Definition mit entwickelt wor- hard von der AfD. den ist. Abg. (AfD): Wir sehen es schon so, Dr. Wolfgang Hopp (RA Zenk): Zu Ihrer ersten dass durchaus die Clubszene eine Bereicherung des Frage nach den allgemeinen Wohngebieten. Wie städtischen Lebens ist. Aber was wir sehen, sind Sie richtig ausgeführt haben, sind in allgemeinen auch die Probleme, die hier zurecht geschildert Wohngebieten Vergnügungsstätten nicht einmal werden. Es sind Probleme, die auch insgesamt vie- ausnahmsweise zulässig, das heißt, sie sind dort len anderen begegnen, Gewerbetreibenden, Disko- gar nicht zulässig. Musikclubs sind, vielleicht für theken, die durch herannahende Wohnbebauung juristische Laien und Nichtplanungsrechtler über- verdrängt werden. Es ist also nicht ein Problem, raschend, gar nicht zulassungsfähig. Das ist ein das nur die Clubs betrifft, sondern es ist durch Problem. Eine denkbare Lösung wäre, wie Sie ge- Ausbreitung der Städte ein Problem, das allgemein sagt haben, dass man dort Vergnügungsstätten we- vorliegt. Es stellt sich für uns die Frage, warum nigstens ausnahmsweise zuließe, wenn man an der ausgerechnet die Clubs gegenüber allen anderen herkömmlichen, von der bisherigen Rechtspre- privilegiert werden sollten, also gegenüber anderen chung geprägten Einstufung von Musikclubs als Betrieben, die Arbeitsplätze schaffen, wie Disko- Vergnügungsstätten festhielte. Das wäre eine Al- theken usw. Da müssen wir schon sagen, dass das ternative. Ich persönlich würde es bevorzugen, schon ein bisschen merkwürdig ist. Das geht aus wenn man die im Grunde unangemessen stigmati- diesen ganzen Papieren, die eingereicht wurden, sierende Einstufung von Musikclubs als Vergnü- nicht hervor. Die Clubs werden hier sogar zu einem gungsstätten aufgeben würde zugunsten einer Klar- Nukleus einer besseren Welt stilisiert, und das ist stellung, dass es sich um Musikspielstätten han- eigentlich eine Überhöhung, die nicht so ganz

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passt. Deswegen sehen wir aus jetziger Sicht keine turstiftung könnte Immobilien kaufen, um sie dann Notwendigkeit, sie als kulturelle Einrichtungen der Kultur zur Verfügung zu stellen. Diese Immobi- anzuerkennen. Vor allem ist doch eins klar, dass lien würden dann auf Dauer dem Markt entzogen aus Sicht der Gäste das persönliche Vergnügen im sein, das heißt, man könnte auch nicht damit spe- Vordergrund steht und aus Sicht der Betreiber die kulieren. Gewinnerzielung. Das sagt nicht die AfD, sondern Zum Thema Mitverträge: die Clubs haben oft das das ergibt sich aus dem Forschungsbericht der Problem, dass sie, da sie nur ganz gewöhnliche Hochschule der populären Künste. Darauf können Gewerbemieter sind, überhaupt keinen Schutz ge- Sie in Ihren verschiedenen Statements nachher nießen und dann, wenn die Mietverträge ausgelau- noch eingehen. Speziell habe ich zwei Fragen, und fen sind, auf Gedeih und Verderb den Vermietern zwar zum einen an Herrn Kache. Sie haben in Ih- ausgeliefert sind. Es gibt in Berlin einige Beispiele, rem Statement den „Agent of Change“-Ansatz an- wir haben das auch in Leipzig. Genauso wie bei gesprochen. Also derjenige, der das Projekt ver- Wohnungsmietern bauen im Prinzip alle Firmen wirklicht und dann so einen Club verdrängen ihre Existenzen in ihren Gewerberäumen auf und würde, der soll Ausgleichszahlungen in einen das hängt dann am seidenen Faden, wenn die Ver- Fonds einzahlen. Wie würden Sie das sehen, wenn mieter die Miete beliebig erhöhen können und da- durch herangehende Bebauung andere Unterneh- mit die Existenz dieser Unternehmung gefährden. men oder Diskotheken verdrängt werden? Sollen Das betrifft nicht nur die Clubs, sondern alle Ge- die dann auch in den Fonds einbezahlen? Und was werbemieter. In diesem Punkt schließen wir uns hilft es insbesondere dem Clubbetreiber vor Ort, auch dem Antrag der Grünen an. Dass es da mehr dass der Bauunternehmer in den Fonds einzahlt? Schutz bedarf, ist ganz wichtig, um die Kultur zu Was passiert mit dem Geld? schützen. Diese Art von Mietverträgen ist eine ge- Die andere Frage ist: Sie sagen auch, dass auch die nauso große Gefährdung wie die Stadtentwicklung. langfristigen Mietverträge nicht geholfen hätten. Die Vorsitzende: Jetzt ist die SPD dran, Herr Dazu machen Sie aber keine weiteren Ausführun- Mindrup. gen. Was war da das Problem? Könnten Sie bitte zu diesen zwei Problemen Stellung nehmen. Abg. (SPD): Ich fange mit Frau Schobeß an, die aus meiner Nachbarschaft im Steffen Kache (LiveKomm): Was uns vorschwebt, Prenzlauer Berg verdrängt wurde und jetzt auf dem ist ein noch viel größerer Wurf, und zwar eine Art Dragoner-Areal sitzt. Wir sind nicht ganz unbetei- Kulturrahmenschutzgesetz, vielleicht vergleichbar ligt, dass Sie auf dem Dragoner-Areal sitzen, weil mit dem Naturschutzgesetz. Wenn durch die wir für eine andere Liegenschaftspolitik gekämpft Stadtentwicklung Kulturstätten verdrängt werden, haben und dass dann diese Fläche auch am Ende in dann sollte es ähnlich wie im Naturschutz sein, die Berliner kommunale Hand gekommen ist. Wäre dass Ausgleichszahlungen oder Ausgleichsflächen das nicht eine Chance, gemeinsam mit Berlin ein- geschaffen werden, wo dann diese Kultur entweder mal zu schauen, wie man eine solche Entwicklung hinziehen kann und auch die Chance bekommt, hinbekommen kann, dass Sie nicht verdrängt wer- mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestat- den – sei es über bauplanungsrechtliche Vorschrif- tet, das umsetzen zu können. Denn so einen Club ten oder sei es über städtebauliche Verträge, so dass mit Livemusikspielstätte umzuziehen, das macht man auch einen ungewöhnlichen Weg geht. Ich man nicht nebenbei, damit sind sehr viele Anfor- erwähne einmal ein anderes Beispiel: Die Hafencity derungen verbunden und das kostet auch sehr viel in Hamburg mit dem besonderen Fenster, was dort Geld. Wir wissen, dass die Investoren sehr viel entwickelt wurde, wäre bauplanungsrechtlich ei- Geld verdienen. Bei unserem Fall ist das auch so, gentlich gar nicht möglich gewesen, wenn man da sehr viel Geld wird da verdient und man drückt nicht ungewöhnliche Wege gegangen wäre. Könnte sich davor, dafür zu sorgen, dass die verdrängten das nicht ein experimenteller Punkt sein, aus dem Clubs überhaupt eine Chance bekommen, woan- man etwas lernten könnte, für das, was wir hier ders wieder neu anfangen zu können. Deswegen machen? Wenn das so weitergeht, verlieren wir die entwickeln wir gerade die Idee einer Art Bundes- Kultur unserer Stadt und werden keine gemischte kulturstiftung bei der LiveKomm, wo das Geld Stadt mehr haben. Das ist ganz gefährlich, weil das dann eingezahlt werden könnte. Diese Bundeskul- unsere Städte ärmer macht und sie ihre ganze At-

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traktivität verlieren, weil wenige Leute auf ihrem schung, über die man immer wieder spricht und Schutzstatus beharren. die an sich ein wunderbares Lebensmodell ist, hat es früher auch gegeben und das hat funktioniert. Herr Dr. Hopp, die zweite Frage an Sie. Die Bau- Jetzt wird es durch die Verdichtung immer schwie- landkommission hat eine sogenannte Experimen- riger und das betrifft uns ClubbetreiberInnen ge- tierklausel festgelegt, dass man für das Thema nauso wie kleine Gewerbetreibende. Wir versuchen „Herannahende Wohnbebauung durch Gewerbebe- das, aber es ist ein super harter Weg. Aus der Ver- triebe“ nach neuen Lösungen suchen soll. Müssen waltung, aus den Bezirksverwaltungen und auch wir das nicht parallel zu Ihren bauplanungsrecht- aus den Senatsverwaltungen, bekommen wir zu- lichen Vorschriften machen? Denn am Ende kom- rückgespiegelt, dass diese Gesetzeslage, dass wir men dann Gerichte und sagen, das ist der Lärmpe- eine Vergnügungsstätte sind, ein Problem ist. Wir gel vor dem Fenster. Müssen wir da nicht auch zu müssen darüber reden, dass wir als eine Vergnü- anderen Messwerten kommen? Weil im Augenblick gungsstätte gelten, denn wenn man uns erhalten haben wir den Unterschied zwischen Verkehrslärm möchte, ist es nicht ganz so einfach, uns da mit- und allen anderen Lärmarten und Sie können ei- reinzubringen. Wir haben jetzt einen ganz guten gentlich bei dem Umgebungslärm und bei dem Plan, der an dieser Stelle funktioniert, aber es ist Freizeitlärm fast nichts machen. Sehen Sie da in ein Thema und es wäre ein Thema weniger, was der Experimentierklausel eine Chance, flankierend wir hätten behandeln müssen, wenn wir keine zu Ihren Vorschlägen, die Sie gemacht haben? Vergnügungsstätte wären. Pamela Schobeß (Clubcommission Berlin): Ein- Dr. Wolfgang Hopp (RA Zenk): Die Experimentier- gangs hatte ich es schon gesagt, dass Bezirk und klausel ist ein lohnender Ansatz. Selbst wenn man Senat uns auf dem Dragoner-Areal behalten möch- einen Bebauungsplan hat, der passiven Lärmschutz ten. Über Jahre war das Dragoner-Areal ein riesiges für die heranrückende Wohnbebauung vorsieht, Politikum und wir sind alle total froh, dass es jetzt dann besteht immer noch das Problem, dass dann dem Land Berlin gehört. Man muss aber dazu sa- im Baugenehmigungsverfahren oder einem Nut- gen, den Weg dahin sind wir damals schon ge- zungsänderungsverfahren für einen Club ein meinsam gegangen. Seit 2015 setze ich mich für Schallschutznachweis geführt werden muss. Dann dieses Gelände ein und für eine vernünftige Ent- geht es, wie Sie richtig sagen, nach der TA Lärm. wicklung, und dass es nicht an den Investor geht. Die TA Lärm legt aber den Außenpegel zugrunde, In der Zwischenzeit hat sich eine relativ lange Be- das heißt, man misst einen halben Meter vor dem ziehung, auch eine politische Beziehung zwischen gekippten Fenster des am meisten schutzbedürfti- der Politik und der Verwaltung und mir, normaler gen Raums, also auf Deutsch gesagt, einen halben Mensch, Clubbetreiberin sowie Vertreterin der Ge- Meter vor dem gekippten Schlafzimmerfenster des werbetreibenden auf dem Gelände, entwickelt. nächsten Anwohners. Dann können Sie da ruhig Vom Abgeordnetenhaus wurde damals beschlos- drei Schallschutzfenster dahinter bauen, das macht sen, dass das Dragoner-Areal als Modellprojekt dann nichts mehr, weil es auf den Außenlärmpegel entwickelt werden soll, weshalb wir als Club ge- angelegt ist. Das ist wirklich eine nicht mehr sach- nauso wie auch die anderen Gewerbetreibenden in gerechte, auch nicht mehr angemessene Lösung. die Stadtplanung mit einbezogen sind. Es geht da- Sie hatten das Beispiel Hafencity-Fenster in Ham- rum, dass man anhand des Dragoner-Areals auf- burg erwähnt. Das ist ein sehr kreativer, und, wie zeigt, dass es auch in innerstädtischen Lagen mög- ich finde, auch guter Versuch, der erfolgreich war, lich ist, Kultur, Arbeit und Wohnen zusammenzu- wie man Außenpegel zu Innenpegel macht, indem führen, ohne dass es zu Konflikten kommt. Gerade man mehrere Fenster hintereinander schaltet, die um diesem Punkt geht es mir. Das ist nämlich mög- dann gekippt werden können, mit schalldämmen- lich, man muss es nur in der Stadtplanung mit- dem Element. Am Ende hat man dann so eine Art denken und dann kann man es über Schallschutz- Glasvorbau vor dem eigentlichen Fenster und misst vorrichtungen oder über die Art, wie man be- dann formal außen, aber in Wahrheit hinter der stimmte Gebäude errichtet, so regeln, dass Kunst, ersten Scheibe. Das ist so eine Art Umgehungsver- Kultur und Wohnen und Arbeiten nebeneinander such, der aber erfolgreich war, der funktioniert hat. funktionieren. So ist es im Übrigen früher auch Immerhin ist es auf diese Weise mit Erfolg gelun- immer gewesen. Die klassische Kreuzberger Mi- gen ein ganzes Stadtviertel in Hamburg in einer

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stark lärmvorbelasteten Gegend zu entwickeln. Wir hatten das Thema schon oft. Allein in Berlin, Aber dieser aufwendige Versuch zeigt, dass es im glaube ich, sind in den letzten Jahren über 100 Grunde nicht der richtige Ansatz sein kann, son- Clubs geschlossen worden und 70 neue entstanden. dern sinnvoller und sachgerechter wäre es, wenn Wenn es darum geht, die Genehmigungsfähigkeit man doch die Entwicklung im Bereich des passiven von Musikspielstätten zu erleichtern, haben wir Schallschutzes anerkennen würde. Auch für Ge- schon einen sehr großen Bedarf, weil diese 70 werbelärm oder besser Gewerbegeräusche, den Be- neuen Musikspielstätten als Vergnügungsstätten griff Lärm hören Clubbetreiber nicht so gern, sollte einen sehr steinigen Weg haben, was die Geneh- man auf Innenpegel und nicht mehr auf Außenpe- migungsfähigkeit betrifft. Es ist ein ganz anderer gel abstellen können, damit man auch die Wirk- Punkt, der da eine Rolle spielt, und zwar: Wenn die samkeit von passivem Lärmschutzmaßnahmen be- Clubs keine Vergnügungsstätten sind, dann ist es rücksichtigen kann. gar nicht mehr so einfach, die wegzurationalisie- ren, denn wir stünden auf derselben Stufe wie jetzt Die Vorsitzende: Die nächste Frage kommt von der ein Programmkino oder ein Theater. Und wer traut FDP, Herr Reinhold. sich, einfach ein Programmkino oder ein Theater Abg. Hagen Reinhold (FDP): Wir sind uns, glaube wegzurationalisieren? Bei einem Club, der eine ich, bei der Baunutzungsverordnung alle weitge- Vergnügungsstätte ist, nach Ansicht vieler eine hend einig, zumindest die Antragsteller. Ich ver- Disko, die auch woanders wieder eröffnen kann, ist suche einmal herauszufinden, was dafür nötig ist, das viel einfacher. damit wir keinen Unsinn machen. Zuerst frage ich Und zur anderen Frage, wie lange es optimal wäre, die LiveKomm: Wie oft wird aufgrund von Um- an einer Stelle zu bleiben. Jeder Club entwickelt bauten, Nutzungsänderung oder Neueröffnung sich im Lauf der Zeit. Je länger man Zeit hat, vor überhaupt ein neuer Bauantrag benötigt? Denn wir Ort zu bleiben, desto einfacher ist es, diesen Club sprechen ja über neue Vorhaben, nicht unbedingt zu entwickeln. Man kann jetzt nicht pauschal sagen über den Bestand. Wie lange bleibt ein Club un- fünf Jahre, zehn Jahre. Wir sind jetzt über 20 Jahre verändert an einer Stelle? Mir scheint es gerade so, am selben Ort und das hat unserem Projekt sehr gut dass da ein häufiger Wechsel stattfindet, wie Sie getan. Je dauerhafter die Perspektive für eine Mu- Ihre eigenen Historie geschildert haben. sikspielstätte ist, desto besser ist es für das Projekt Damit es nicht in die falsche Richtung geht, eine an sich. Frage an Herrn Hopp. Die Baunutzungsverordnung Dr. Wolfgang Hopp (RA Zenk): Die erste Frage ist in Ordnung. Wir haben diesen Nutzungsaus- zielte auf das Thema Nutzungsausschluss der Ge- schluss der Gemeinden und der ist nicht nur für meinden. Grundsätzlich ist aufgrund der kommu- Vergnügungsstätten, sondern auch für andere Sa- nalen Planungshoheit auch verfassungsrechtlich chen anwendbar. Wie sieht das denn aus Ihrer Er- geschützt, dass die Gemeinden in erheblichem fahrung aus, denn die Baugenehmigung erteilt im- Umfang die Entwicklung des Gemeindegebietes mer noch die Gemeinde. Ändert sich dann tatsäch- steuern können. Und sie können dazu auch von lich der Wille der Gemeinde, wenn die Clubs in der dem reichen Instrumentarium des § 1 BauNVO Ge- Baunutzungsverordnung in eine andere Kategorie brauch machen und beispielsweise auch Nutzun- rutschen oder gibt es nicht auch Gemeinden, die gen ausschließen, die nach den nachfolgenden insgesamt sowas verhindern wollen? Und heben Bestimmungen der Baunutzungsverordnung ei- eigentlich neue Flächennutzungspläne und B-Pläne gentlich allgemein zulässig sind. Das ist eben die den Bestandsschutz auf? Weil hier ganz oft der Planungshoheit der Gemeinden, die will man auch Eindruck erweckt wird, und vielleicht ist das auch nicht beseitigen, ganz im Gegenteil, das ist ja auch so, dass aufgrund eines neuen Bebauungsplanes ein wichtiges und hohes Gut. Aber man muss dann bestehende Baugenehmigungen aufgehoben überlegen, ob man nicht durch Feinschliff bei den werden können. Absätzen des § 1 BauNVO, insbesondere in dessen Steffen Kache (LiveKomm): Sie wissen bestimmt, Absatz 5, dafür sorgt, dass sich die Gemeinden dass es gerade sehr viel Bewegung, gerade in der bewusster werden, dass es auch wichtig ist, den Stadtentwicklung, gibt. Aufgrund der Nachver- Gebietscharakter insgesamt nicht zu beeinträchti- dichtung müssen viele Clubs in den Flächen gehen. gen. Gerade so ein pauschaler Ausschluss von all-

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gemein zulässiger Nutzung kann dazu führen, dass nehmigungen wegfallen oder zurückgenommen sich das Gebiet in eine Richtung entwickelt, die werden müssen, sondern das neue Planrecht gilt beispielsweise dem Gebietscharakter gar nicht vor allem für neue Bauvorhaben und auch Nut- mehr entspricht. Da wäre zu überlegen, ob man den zungsänderungen. Gemeinden hier eine gewisse Handreichung geben Die Vorsitzende: DIE LINKE. hat als Nächstes das kann, um bei dem Ausschluss von allgemein zuläs- Fragerecht, Frau Lay. sigen Nutzungen wirklich Augenmaß zu bewahren und den Gebietscharakter im Blick zu behalten. Das Abg. Caren Lay (DIE LINKE.): Vielen Dank auch ist bisher in der jetzigen Fassung des von meiner Seite an alle Sachverständigen und an § 1 Absatz 5 BauNVO noch nicht im Wortlaut ent- alle Clubbetreiber. Über das öffentliche Interesse halten, sondern muss im Grunde durch Interpreta- freue ich mich. Ich habe schon viele Anträge hier tion dann hineingelesen werden, aber es wäre hilf- eingebracht, aber noch keinen, der so viel öffentli- reich, auch für die Rechtsanwender in den Kom- che Aufmerksamkeit erfahren hat. Das finde ich munen, wenn das noch klargestellt werden könnte. gut, denn damit sich etwas ändert, brauchen wir Das wäre sicherlich ein Ansatz, den man fahren diesen öffentlichen Druck. Für uns ist das Club- könnte. sterben Teil des Ausverkaufs der Städte. Insofern betrifft es nicht nur Clubs, aber in diesem Fall ist es Zweite Frage: Wie ist es mit neuen Bebauungsplä- ganz besonders traurig, dass Sie Teil dieser Ver- nen? Wenn man sich zu einer neuen Einstufung drängung sind und immer mehr Clubs schließen entschließen würde, einer Klarstellung oder Er- müssen. Das wollen wir ändern. gänzung der Baunutzungsverordnung dergestalt, dass Musikspielstätten unter näher zu bestimmen- Ich richte meine Fragen an Pamela Schobeß und an den Voraussetzungen als Anlagen für kulturelle Jakob Turtur. Es geht mir erst einmal um den Zwecke einzustufen sind, dann wird das zunächst Schutz der bereits bestehenden Clubs. Wir haben in einmal nur bei neuen Bebauungsplänen wirken, die unserem Antrag viele Maßnahmen vorgeschlagen. man erlässt, denn die alten Bebauungspläne, die Hier erwähne ich drei. Das eine ist die Änderung auf der Grundlage der älteren Fassung der Baunut- der Baunutzungsverordnung in dem genannten zungsordnung erlassen wurden, die bleiben so wie Sinne, dass also Clubs im Grunde mit Konzerthäu- sie sind. Das Maß des Zulässigen wird nicht auto- sern und Kultureinrichtungen gleichgestellt wer- matisch für alle Bebauungspläne, die erlassen den und sich nicht mehr in der Schmuddelecke des worden sind, geändert, sondern nur für die, die auf Baurechts bei den Bordellen wiederfinden. Das der Grundlage des dann novellierten Rechts erlas- zweite ist ein besserer Kündigungsschutz für Clubs. sen werden. Insoweit haben die alten Bebauungs- Und das dritte ist so eine Art Kulturschutzgebiet, pläne Bestandsschutz. Was allerdings noch in den analog dem Milieuschutzgebiet, wie wir es auch Bereichen der faktischen Baugebiete zu ergänzen auf dem Wohnungsmarkt haben, dass eine Stadt ist, also solchen Gebieten, die von ihrer faktischen sagen kann, in einen bestimmten Quartier gibt es Zusammensetzung der Nutzung den typisierten Clubs, die dazu gehören, die wollen wir schützen Baugebieten der Baunutzungsverordnung entspre- und die können dann durch besondere Maßnah- chen, da wirkt sich dann die Rechtsänderung sofort men vor Verdrängung geschützt werden. Meine aus. Insofern gibt es zwei Aspekte, es wirkt sich bei Frage an euch ist, ob das euren Club, also in dem neuen Bebauungsplänen und bei faktischen Bauge- Fall „Jonny Knüppel“, hätte retten können, ob es bieten aus. Auch hier würde eine neue Einstufung den Club noch geben würde bzw. ob es für andere als Anlagen für kulturelle Zwecke den Clubbetrei- Clubs, die von Verdrängung bedroht sind, hilfreich bern helfen. wäre, wenn wir solche Maßnahmen bei der Ände- rung des Baugesetzbuches beschließen würden, Sie hatten noch das Thema „Bestandschutz für was übrigens demnächst auch ansteht? Baugenehmigungen“ angesprochen. Da ist es so, dass vorhandene, bestehende Baugenehmigungen Jakob Turtur („Jonny Knüppel“): Hätte uns insbe- Bestandschutz genießen. Ändert sich ein Bebau- sondere die Änderung der Baunutzungsverordnung ungsplan oder wird ein neuer aufgestellt, der zu und eine Einschätzung als Kunst- und Kulturstätte einem geänderten Planrecht führt, führt das nicht retten können? Das hätte schon geholfen, weil man automatisch dazu, dass die bestehenden Bauge- nicht mehr eine kerngebietstypische Nutzung dar-

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stellt, denn normalerweise sind Vergnügungsstät- Sie würden es aber vielleicht gerne, weil sie das ten kerngebietstypisch. Das kann dazu führen, dass, Gebiet nicht hochpreisig entwickelt haben möch- gerade wenn sich Clubs in Gewerbegebieten ansie- ten, oder sie möchten nicht die und die Art von deln, sie mehr oder weniger instrumentalisiert Wohnung, oder die und die Art von Gewerbe. Es werden können, damit die Gewerbegebiete aufge- würde wahnsinnig helfen, wenn die Verwaltung wertet werden. Dann wird man gekündigt, sobald die Möglichkeit hätte, einen Ort als Kulturschutz- ein Gewerbegebiet kippt. Deswegen ist es ganz gebiet oder Kulturort oder ähnliches auszuweisen. wichtig, dass wir nicht mehr kerngebietstypisch Soweit ich weiß, geht das auch auf sehr kleine sind, sondern allgemein in Gebieten, insbesondere Grundstücke, also man müsste jetzt nicht irgend- in Gewerbegebieten, zulässig werden und nicht nur wie 500 Fußballfelder unter diesen Schutz stellen, als Ausnahme. Denn sonst ist es schon ein Prob- sondern darüber könnte man eine Musikspielstätte lem, bevor man überhaupt den Mund beim Stadt- schützen, die für die Stadt, für den Bezirk oder die planungsamt aufgemacht hat. Kommune insgesamt mehr Wert hätte als eine ent- sprechende Bebauung auf dem Nachbargrundstück. Zu Frage zwei: Besserer Kündigungsschutz und Deswegen würde ich das sehr begrüßen, weil das auch gleich auch zu Frage drei. Das hätte uns ge- auch eine Möglichkeit wäre, im Nachgang beste- holfen. Sobald ein Gebiet bereits mehrere Clubs hende Clubs zu schützen, die unter altes Vergnü- hat, dann hilft so ein Schutz. Ich habe noch Be- gungsstättenrecht fallen, wenn ich das jetzt richtig denken, dass man, wenn man einen Sonderschutz- verstanden habe. status bekommt, erst gar nicht mehr von Investoren oder Vermietern angesiedelt wird. Es wäre sehr Kündigungsschutz für Mietverträge: Das ist ein an- wünschenswert, wenn es einen besseren Kündi- deres Thema, was nicht unbedingt hierher gehört, gungsschutz im Gewerbemietrecht gibt und insbe- aber das nicht vorhandene Mietrecht für Gewerbe- sondere Milieuschutzgebiete für Clubs dort entste- treibende und auch für ClubkulturmacherInnen ist hen, wo schon traditionell oder seit geraumer Zeit ein totales Desaster, weil man nicht planen kann. Clubs ansässig sind. Man muss aber natürlich auf- Ich vermute, dass es sich viele von Ihnen relativ passen, wenn man so ein Gesetz in Angriff nimmt, einfach vorstellen, einen Club zu betreiben, aber dass es nicht gleichzeitig dazu führt, dass Investo- tatsächlich ist es, wie es Steffen Kache schon gesagt ren oder Vermieter sich gar nicht mehr trauen, hat, sehr teuer. Gerade, wenn man im Livemusik- Clubs anzusiedeln, weil sie einen zu großen Son- bereich unterwegs ist, braucht man extrem viel derschutz haben. Die einfachste Art und Weise, Equipment und das muss hochwertiges Equipment den Clubs zu helfen, wäre, sie als Kunst- und Kul- sein, es muss immer das neuste Equipment sein. turstätten anzusehen und nicht mehr als Vergnü- Wir möchten gerne auf digitale Sachen umstellen, gungsstätten, weil sie dann keine Ausnahmen mehr die Technik entwickelt sich immer weiter. Man sind und deswegen auch nicht mehr instrumentali- muss also sehr viel Geld erwirtschaften, um sich siert werden können. das leisten zu können und um dann Kultur machen zu können. Da ist man manchmal auch auf Kredite Pamela Schobeß (Clubcommission Berlin): Ich angewiesen oder auf die Hilfe von Geldgebern, von fange bei den Kulturschutzgebieten an. Auf dieser Brauereien, und die bekommt man in der Regel Seite der Tische sind wir alle keine Rechtsanwälte. nicht, wenn man einen kurzen Mietvertrag hat. Das Das würde ich daher einmal von der anderen Seite ist total schwierig und wir alle begeben uns da, betrachten. Wenn wir z. B. einen Club haben, der zum Teil leichtfertig, auf sehr dünnes Eis, wenn hat einen netten Vermieter, an der Stelle, wo er ist, wir solche Musikspielstätten gründen und weiter- passt er gut hin, es funktioniert wunderbar, der hat führen wollen, weil es finanziell sehr eng ist. den Rücken frei und dann soll auf dem Nachbar- grundstück etwas entwickelt werden, wofür eine Die Vorsitzende: Jetzt sind noch die Grünen dran, Baugenehmigung erteilt werden muss und es gibt bitte, Herr Grundl. keine Rechtsgrundlage, diese Baugenehmigung sei- Abg. Erhard Grundl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): tens der Verwaltung zu verwehren. Das sieht man Vielen Dank, Frau Vorsitzende. Vielen Dank, liebe in den entsprechenden Bezirksverwaltungen relativ Sachverständige, vielen Dank auch zunächst der oft, dass ihnen aufgrund der Gesetzeslage die Hän- Clubcommission und der LiveKomm für die vielen de gebunden sind und sie nicht nein können sagen. Gespräche, die wir auch schon weit im Vorfeld

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unseres Antrags führen konnten, sowie besonders dahinter. Dann nimmt man Kontakt auf und ver- Ihnen, Frau Fuchs, vielen Dank. sucht, diesen Künstler zu buchen. Dann muss man das alles organisieren. Wir haben in unseren Mu- Frau Fuchs, Sie haben es auf den Punkt gebracht. sikspielstätten, genau wie in Theatern oder Opern- Wir sehen es hier vor allem aus Sicht der großen häusern auch, entsprechende Ton- und Lichttech- Metropolen, Berlin, München oder Leipzig, auch niker oder auch Lichtkünstler, die sich damit be- Nürnberg würde ich dazu zählen, aber das Club- schäftigen, eine Bühne in Szene zu setzen, ein ent- sterben betrifft das ganze, nicht mal so flache, sprechendes Licht auf die Tanzfläche – ja, da wird Land, von Tübingen, Darmstadt bis in die letzten auch getanzt – zu kreieren, damit es ein entspre- Winkel Niederbayerns. Das Clubsterben ist im fla- chendes kulturelles Erlebnis werden kann. Wir ha- chen Land fast noch schlimmer in den Folgen, ben einen riesigen Apparat an Veranstaltungsma- denn wo auf dem Land der Club wegstirbt, bleibt in nagement. An jedem einzelnen Abend, bei jeder diesen Orten im Endeffekt nichts außer Ödnis zu- einzelnen Veranstaltung, zu der wir die Tür öffnen, rück. ist es ein separat geplanter Prozess. Das ist total Frau Schobeß, wir teilen die Auffassung, dass die anders, als z. B. in Diskotheken, wo man – bildlich Clubs eines besonderen Schutzes bedürfen. Bei gesprochen – ein oder zwei festangestellte, auf meiner Frage möchte ich die Perspektive einmal Lohnsteuerkarte arbeitende DJs hat, die die bei umkehren: Worin sehen Sie die Prallelen zu Kul- Media Markt gekauften CDs aus dem Regal nehmen tureinrichtungen wie Opernhäusern, Theatern, und spielen und das jeden Abend. Zwar gibt es Konzerthäusern, die eine identische Einstufung dann vielleicht eine Mottoparty, dann vielleicht rechtfertigen? R’n’B, dann 90er und am übernächsten Tag Rock, aber im Wesentlichen kann man sich das so vor- Pamela Schobeß (Clubcommission Berlin): Die stellen, dass es ein Repertoire an Musik gibt, das in Frage, worin wir die Parallelen sehen, wird ver- einem Schrank steht, das man da herausnimmt und hältnismäßig oft gestellt. Anfangs bin ich immer immer und immer wieder, 365 Tage im Jahr, spielt. total sprachlos, weil ich finde, dass die Parallelen Bei uns finden hingegen im Jahr um die 250 Veran- so wahnsinnig auf der Hand liegen. In unserer staltungen statt und da gibt es in der Regel jeden Stellungnahme haben wir eine Beschreibung, man einzelne Tag eine andere Musik, einen anderen kann das dort nochmal nachlesen. Aber ich würde Künstler, eine andere Künstlerin, die dann die Mu- jetzt versuchen, das mit meinen eigenen Worten zu sik, die sie haben, auch wieder anders mischen. Ich definieren. Zum ersten in der Abgrenzung zur Dis- finde, dass man das sehr wohl mit einer Theaterin- kothek: Denn das wäre dann, wie es vorhin Herr szenierung oder einer Oper gleichsetzen kann. Es Hopp gesagt hat, wichtig, wenn es darum geht, die ist sogar noch ein bisschen besonders, denn selbst Baunutzungsverordnung zu ändern. Es werden da- wenn zwei, drei KünstlerInnen die gleiche Platte bei die Parallelen zu Theatern und Opernhäusern mitbringen, ist es dadurch, dass man sie miteinan- total klar. der mischt, jedes Mal nochmal etwas Neues. Es ist Wir ClubbetreiberInnen und Musikspielstättenbe- etwas völlig anderes als bei Diskotheken. Eben treiberInnen kuratieren unsere Programme. Wir auch aufgrund des gesamten Ablaufs. Für die sind ununterbrochen damit beschäftigt, Musik zu Künstler haben wir eine Künstlerbetreuung; man recherchieren und anzuhören sowie KünstlerInnen fährt an den Flughafen, nimmt den Künstler in zu suchen. Das macht man über das Internet. Man Empfang, kümmert sich um den, bringt den in die fährt auch zu spezielle Festivals, wo man als soge- Venue, man achtet darauf, dass es ihm gut geht, es nannter „Booker“ – das könnte man vielleicht mit gibt einen Backstage-Bereich, wo der Künstler gut so einer Art Intendant eines Theaters gleichsetzen – aufgehoben ist, wo er sich vorbereiten kann auf hinfährt, man nimmt die Kosten auf sich, um sich seinen Live-Auftritt oder auf sein Set. Ich könnte junge KünstlerInnen, junge Bands anzuhören, um noch eine Stunde erzählen. Ich möchte einfach nur, zu kucken, ob sie in das Programm passen. Dann dass Ihnen klar wird, dass es sich um etwas völlig macht man sich auf die Suche nach der jeweiligen anderes als bei Diskotheken handelt. Booking-Agentur oder dem Management dieses Sehr wohl kann man Parallelen zu Theatern und Künstlers, sofern es eins gibt. Je größer der Künst- Opernhäusern sehen, auch wenn es eine andere ler, desto eher gibt es ein entsprechenden Apparat Musik ist, aber das ist eigentlich der einzige Unter-

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schied, unterschiedliche Menschen haben unter- teressieren mich zwei Dinge. Punkt eins: Wenn Sie schiedliche Geschmäcker, aber ansonsten sind wir die Tanzfläche, den kommerziellen Bereich, so sehr nicht weniger wertvoll. verkleinert haben, funktioniert dann das Ge- schäftsmodell noch? Und die zweite Frage: Was hat Die Vorsitzende: Man hat Ihnen Ihre Begeisterung das in der Praxis für Sie gebracht oder nicht? Denn für Ihre Sache angemerkt. Vielen Dank für das da könnte man, meiner Ansicht nach, stärker an- Statement. Wir kommen zur zweiten Runde. Viel- setzen, bei dieser Frage, wobei ich nicht weiß, ob leicht können wir den Fokus auch darauf richten, das jetzt für Clubs generell Modell sein könnte oder was wir auf Bundesebene machen können, das auch nicht. richtet sich an die Kollegen. Fangen wir wieder mit der CDU an, Herr Möring. Dr. Wolfgang Hopp (RA Zenk): Ich stimme Ihnen zu, dass die Gemeinden in der Tat eine zentrale Abg. Karsten Möring (CDU/CSU): Das ist eine gute Steuerungsfunktion haben, gerade wenn es darum Überleitung, denn ich kann feststellen, dass die geht, die Konflikte zwischen der Nachverdichtung meisten, die hier sitzen, nicht katholisch gemacht von Wohnbebauung, was ja ein großes Thema ist – werden müssen. Wir sind der Überzeugung, dass nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen Groß- eine Clubszene für eine Stadt bereichernd ist und städten – insbesondere, mit den vorhandenen Mu- man Möglichkeiten schaffen sollte, dass sie sich sikclubs und anderen Gewerbebetrieben zu steuern. dort auch entfalten kann. Das kann als Basis unse- Je intensiver Gemeinden und Städte das vorhan- rer Diskussion festgehalten werden. Deswegen dene Instrumentarium des Baugesetzbuchs und der sollten wir uns auf die Themen stärker konzentrie- Baunutzungsverordnung ausschöpfen, indem sie ren, mit den wir mögliche Hindernisse beseitigen wohl abgewogene Bebauungspläne aufstellen, desto können. Ich habe aus der bisherigen Diskussion besser. Die Gemeinden haben eine Schlüsselrolle, mitgenommen, und das bestätigt meine Auffassung, das Problem ist nur, dass viele Gemeinden gar kei- dass die entscheidenden Punkte, die wichtigen ne systematische Bauleitplanung mehr betreiben – Entscheidungen, für die Clubszene letztlich auf der teilweise aus Mangel an Personal, teilweise auch kommunalen Ebene fallen. aus Geldmangel – und immer nur eine anlassbezo- Zur Baunutzungsverordnung habe ich eine Frage gene Bebauungsplanung stattfindet. Nämlich dann, an Herrn Dr. Hopp. Sie haben vorhin gesagt, dass es wenn ein Investor kommt, der z. B. ein Woh- noch keine höchstrichterliche Entscheidung gibt. nungsbauprojekt verwirklichen möchte, dann wird Es gibt relativ hohe bundesgerichtliche Entschei- für dieses Wohnungsbauprojekt ein vorhabenbezo- dungen. Der Wunsch zu sagen, die Clubs sollen als gener Bebauungsplan aufgestellt und dann mitun- kulturelle Einrichtung angesehen werden, verträgt ter auch das Konfliktpotential mit der Umgebung sich in einem Punkt mit der Baunutzungsverord- bewältigt. Was eigentlich fehlt, ist eine systemati- nung nicht. In ihr werden nämlich nicht bestimmte sche, gebietsbezogene Bebauungsplanung, die sich Einrichtungen, wie Theater oder Opernhäuser oder vom Einzelfall löst, so wie sie der Gesetzgeber beim eben Clubs, aufgezählt, sondern sie stellt darauf ab, Erlass des Baugesetzbuches im Kopf hatte. Das fin- ob eine Gemeinbedarfsorientierung ohne Gewinn- det heute in vielen Städten, z. B. in Hamburg, wo erzielungsabsicht vorliegt. Liegen wir daher nicht ich herkomme, kaum noch statt. Es wird einzel- völlig falsch, wenn wir über Änderungsmöglich- fallbezogen geplant, es wird kaum noch gebietsbe- keiten in der Baunutzungsverordnung reden? Da- zogen, systematisch geplant. Deswegen … mit kämen wir ja nur weiter, wenn es die Möglich- [Abg. Karsten Möring (CDU/CSU): Es gibt doch keit gäbe, Clubs als kulturelle Einrichtungen ohne Auflagemöglichkeiten.] Bezug auf den Gemeinbedarf, der für die anderen Einrichtungen gilt, zu definieren. Wenn ich die Dr. Wolfgang Hopp (RA Zenk): Ja, die gibt es. Baunutzungsverordnung an der Stelle richtig ver- Wenn das Instrumentarium angemessen genutzt stehe, ist das das Abgrenzungskriterium, sie geht wird, dann lässt sich das auch lösen. Das Problem, nicht auf Einzelfälle ein. was die Clubs haben, ist vor allem, dass die häufig in gewachsenen Gemengelagen liegen, in Gebieten, Herr Turtur, Sie haben vorhin davon berichtet, dass wo gar kein Bebauungsplan existiert, was vielleicht Sie bei Ihren Club den Weg gewählt haben, diesen ein Gebiet im Sinne des § 34 BauGB ist, was also gemeinnützig zu betreiben. In diesem Kontext in- ein unbeplanter Innenbereich ist, und dort greift

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das Instrumentarium nicht. Und dann fangen die che her. Probleme an, die eindrucksvoll von den Vertretern Die Vorsitzende: Jetzt können Sie sich nicht mehr der Clubs geschildert worden sind. Deswegen ist verstecken. Sie haben das Wort. der Verweis auf die Bauleitplanung richtig, aber es löst die konkreten Probleme vor Ort nicht, weil wir Abg. Marc Bernhard (AfD): Ich will nochmal kurz auch in Großstädten sehr viele unbeplante Bereiche auf Sie zurückkommen, Frau Schobeß. Sie haben haben und da greift das nicht. Trotzdem käme man, das sehr emotional und aus Ihrer Sicht auch völlig obwohl es das Instrumentarium für die Bauleit- verständlich dargelegt. Subjektiv gebe ich Ihnen planung gibt, mit einer Novellierung der Baunut- sicher Recht. Was wir brauchen, sind harte objek- zungsverordnung, mit einer anderen Einstufung, tive Abgrenzungskriterien, die ich bis jetzt noch weg von der stigmatisierenden Einstufung von Mu- nicht so recht gehört habe. Dazu habe ich zwei sikspielstätten als Vergnügungsstätten, hier schon Fragen, einmal an Herrn Kache und einmal an Frau einen Schritt nach vorne. Ich muss deutlich sagen, Fuchs. dass ich auch nicht Ihre Auffassung teile, dass ein Sie haben in Ihrer Stellungnahme versucht, eine Gemeinwohlbezug das entscheidende Merkmal ist. Abgrenzung zwischen Diskotheken und Clubs Die Abgrenzung funktioniert so, dass man sagt, bei vorzunehmen. Wenn ich mir Ihre Definition an- Anlagen für kulturelle Zwecke steht der kulturelle schaue, dann weiß ich nicht, ob ich da wirklich Bezug im Vordergrund, insoweit mittelbar ein Ge- eine Abgrenzung im Einzelnen vornehmen könnte. meinwohlbezug, als es um die Kultur geht. Bei Sie schreiben: „Eine Livemusikspielstätte ist ein Vergnügungsstätten steht mehr der gewerbliche Ort, der aus dem Kontext einer Szene heraus mit Aspekt, der Erwerbsaspekt im Vordergrund. Aber künstlerisch-kuratiertem Programm bespielt wird, es ist nicht so, dass nun zwingend nur die Theater, an dem Menschen sich begegnen und um im ge- die beispielsweise in der öffentlichen Hand sind, schützten Raum Musik zu hören, zu tanzen und zu den Anlagen für kulturelle Zwecke gehören, es sich auszutauschen.“ Diese Definition könnte man können auch Privattheater sein, die gar keine öf- wahrscheinlich bis zu einem gewissen Grad sicher- fentlichen Mittel in Anspruch nehmen. Insofern lich auch in der Diskothek verwirklicht sehen. Als liegt die Sache anders. Die Tatsache des Gemein- hartes Kriterium nennen Sie 24 Li- wohlbezugs allein würde hier noch nicht aus- ve-Veranstaltungen. Wenn es nur 23 sind, dann ist schließen, Musikspielstätten mit privatem Betreiber es kein Club mehr. Also, das ist für mich die Frage. den Anlagen für kulturelle Zwecke zuzuordnen. Es ist nicht wirklich ein hartes Kriterium. Demge- Jakob Turtur („Jonny Knüppel“): Die Gemeinnüt- genüber sind es bei Frau Fuchs zwölf Li- zigkeit hat bei unseren Genehmigungsprozessen ve-Veranstaltungen, elf reichen dann nicht mehr. überhaupt keine Rolle gespielt. Wir haben das dann Welche Zahl ist es nun eigentlich? Ich bräuchte ei- schließlich im dritten Antrag als eine UG gemacht, ne harte Abgrenzung, weil man das subjektiv so aber auch als gemeinnütziger Verein wurden wir fühlen kann, aber im rechtlichen Bereich braucht trotzdem als Vergnügungsstätte eingeordnet. Es man schon objektive Kriterien, an denen man dann macht überhaupt keinen Unterschied, in welcher entscheiden kann, ob es eine Vergnügungsstätte, Rechtsform man es betreibt. Wenn in der Betriebs- eine Diskothek oder eben ein Club ist. Wenn ich beschreibung etwa von DJ und Tanzfläche die Rede die Rechtsprechung betrachte, wenn ich mir die ist, dann ist das per se keine Kultur mehr, wird es entsprechenden Kommentare anschaue, ist relativ nicht mehr als Kultur angesehen. Und es ist kom- klar, dass für die Club momentan nicht so viel plizierter, als Verein sowas zu betreiben. Warum rauskommen kann. Da steht doch drin, dass Ver- also sollte man sich auch noch diesen Schuh an- gnügungsstätten ein jedenfalls durchweg kommer- ziehen, wenn man dadurch nichts gewinnt, keine zielles Freizeitangebot enthalten, das der Zer- zusätzlichen Förderungen bekommt etc. streuung und Entspannung dient. Das Vergnügen kann alleine im Zuschauen oder Zuhören oder in Die Vorsitzende: Herr Bernhard, ich habe das eben vermittelter eigener Tätigkeit auf der Tanzfläche vergessen und heute Morgen haben wir uns nicht bestehen. Fördert das Angebot dagegen die Ent- gesehen. Herzlichen Glückwunsch nachträglich wicklung körperlicher oder geistiger Fähigkeiten zum Geburtstag. oder die Beschäftigung mit Werken der Kunst und Abg. Marc Bernhard (AfD): Es ist schon eine Wo- Literatur, so zählt es nicht zu den Vergnügungs-

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stätten. Das ist ja das, was Sie hier erreichen wollen Definitionsvorschlag, wann ein Musikclub oder ei- und zwar unabhängig davon, ob es sich um Kom- ne Livespielstätte vorliegt. Sie hatten gefragt, nach merzielles handelt oder nicht. Es geht nicht um die welchem Kriterium sie bei unseren Definitionsvor- kommerzielle Frage, sondern um genau diesen schlag unterschieden werden? Wir haben gesagt, Punkt und den finde ich nicht in Ihrer Definition, dass sie in der Regel bei mehr als zwölf Livekon- also bei Herrn Kache von der LiveKomm. Da müss- zerten oder Kleinkunstangeboten pro Jahr, für die te es so sein, dass ich mich vor dem Besuch eines überwiegende ein gesondertes Eintrittsgeld von Clubs mit Werken und Kunstliteratur beschäftigen Besuchern erhoben wird, vorliegen. Da wir über und es meine geistigen Fähigkeiten weiterentwi- Musikclubs und Livespielstätten sprechen, geht es ckeln müsste. Könnten Sie das nochmal konkreti- um Musik. Es wird, so wie Frau Schobeß das dar- sieren. gestellt hat, von einem DJ Musik gemischt, oder es wird ein Konzert gemacht. Das ist etwas anderes, Die Frage an Frau Fuchs hierbei ist, wieso Sie das als wenn jemand ein Buch vorliest. Das ist für uns z. B. jetzt bei Buchklubs nicht so sehen. Da mache der definitorische Unterschied. Warum haben wir ich doch genau das. Die aktuelle Definition würde nur zwölf gesagt, im Vergleich zu 24? Wir haben bei Buchklubs genau zutreffen, aber vielleicht auf die 79 Industrie und Handelskammern befragt, die die Musikclubs nicht. Das verstehe ich nicht, wie haben unterschiedliche Studien gemacht und wir Sie darauf kommen. In Ihrer Präsentation sagen Sie wollten Rücksicht darauf nehmen, dass wir Clubs die einen sind es, die anderen nicht. nicht nur in Berlin, München, Hamburg oder Düs- Steffen Kache (LiveKomm): Das mit den 24 Live- seldorf haben, sondern auch in kleineren und mitt- musikveranstaltungen im Jahr ist eine Definition leren Städten, die vielleicht nicht 250 Veranstal- der LiveKomm. Die entscheidende Frage ist doch, tungen pro Jahr haben, sondern eben zwölf, aber was in den Clubs passiert. Zum Beispiel fragen sich auch die sind wichtig, gerade für diese kleine und die Finanzämter, wenn sie prüfen, ob wir sieben mittlere Stadt. Aufgrund dieser Rückmeldungen Prozent Umsatzsteuer oder 19 zahlen müssen, ob sind wir zu diesem Definitionsvorschlag gekom- das, was dort stattfindet, Kunst ist, ein Konzert ist, men. die DJs z. B. künstlerische DJs oder nur Dienstleis- Die Vorsitzende: Herr Mindrup von der ter sind. Das wäre doch das ganz klare Abgren- SPD-Fraktion. zungskriterium. Es geht gar nicht darum, ob die Leute, die in die Clubs gehen, Vergnügen empfin- Abg. Klaus Mindrup (SPD): Der Kollege Möring, den. Ich gehe davon aus, dass bei einem Konzert, der aus Köln kommt, hat mich jetzt eben zu einer im Gewandhaus oder in der Oper auch alle Ver- kleinen Vorbemerkung provoziert. Für einen Ber- gnügen empfinden, sonst würden sie ja nicht hin- liner ist das schwer verständlich, aber es gibt die gehen. Das ist nicht der entscheidende Unter- rheinische Karnevalskultur und wenn man an die schied, sondern der entscheidende Unterschied ist, rheinische Karnevalskultur dieselben Genehmi- ob die Protagonisten, die jetzt dort die Musik ma- gungsmaßstäbe anlegen würde, wie an die Berliner chen, Künstler sind oder nicht. Das kann man rela- Clubkultur, wäre sie wahrscheinlich schon verbo- tiv leicht unterscheiden. Wenn es eine eigene ten worden. künstlerische Leistung ist, wenn die dort eigene Frau Fuchs, Sie haben sich sehr stark für die vor- kreative Leistungen erbringen, ist das was anderes, geschlagenen Lösungen ausgesprochen. Wir unter- als wenn ein Dienstleister einfach nur Platten ab- stützen das als SPD auch. Meine, ein bisschen zu- spielt und sonst nichts passiert. Das wäre auch un- gespitzte, Frage an Sie: Sie haben eine breit aufge- ser Vorschlag, das müsste geprüft werden. Wie das stellte Organisation. Was machen Sie eigentlich, genau passieren kann, können wir noch nicht sa- wenn die Bauträger zu Ihnen kommen und sagen, gen, aber das ist die Unterscheidung. Man kann es dass es Mehrkosten wegen des Schallschutzes gibt? überprüfen, man kann auch die Finanzämter dazu- Was macht dann Ihre Organisation an dieser Stelle? ziehen und sagen: OK, wenn bei eurer Prüfung Für uns ist das wichtig, da Sie auch die Konflikte rausgekommen ist, dass nur sieben Prozent fällig intern haben, die wir auch hier im Deutschen sind, dann ist das eine Kulturstätte und keine Dis- Bundestag oftmals austragen. Wir brauchen da jede kothek. Unterstützung. Tine Fuchs (DIHK): Sie beziehen sich auf unseren

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Die zweite Frage geht an Herrn Dr. Hopp. Wir ha- als jetzt nach der TA Lärm vorgesehen, vorgibt. ben ja eben über die Lärmfrage gesprochen. Ist die Die Vorsitzende: Sie haben auch noch ein bisschen europäische Richtlinie zur Bekämpfung des Um- Zeit zum Antworten. gebungslärms in dieser Frage für uns in irgendeiner Art und Weise förderlich oder hinderlich? Tine Fuchs (DIHK): Ich würde gerne in dem Zu- sammenhang ergänzen, dass wir uns absolut dafür Tine Fuchs (DIHK): Ich habe ja eingangs gesagt, aussprechen, dass für den Gewerbelärm der gleiche dass ich meine Stellungnahmen nicht allein an Messpunkt wie für den Verkehrslärm gilt, nämlich meinem Schreibtisch schreibe, sondern ich stimme der Innenwert. Ich habe den Koalitionsvertrag gut die ab. Das Problem der heranrückenden Wohnbe- gelesen, und da steht drin, dass Sie eine Experi- bauung haben wir nicht nur bei den Clubs, sondern mentierklausel für die Öffnung der TA Lärm für das haben wir genauso in den Häfen – ich denke an Gewerbe schaffen wollen und ich kann Sie dazu Düsseldorf, Neuss oder an Hamburg – das Ham- nur ermuntern, wenn jetzt das Gesetzgebungsver- burger Fenster haben wir bereits angesprochen. fahren zur Baugesetzbuchnovelle im Rahmen der Egal, ob es um einen Club oder um einen Indust- Baulandkommission kommt, davon auch Gebrauch riebetrieb anderer Art geht, genießt derjenige, der zu machen. da ist, auch Bestandschutz. Das heißt, derjenige, der heranrückt, muss auch dafür sorgen, dass es Die Vorsitzende: Herr Sitta von der FDP-Fraktion, nicht zur Konfliktsituation kommt. Das ist die Sie sind der nächste. Grundüberzeugung und die steht auch hinter den Abg. (FDP): Grundsätzlich finde ich es Positionen, die wir hier vertreten haben. toll, dass wir dieses Thema hier im Deutschen Dr. Wolfgang Hopp (RA Zenk): Ich halte hier die Bundestag und hier im Bauausschuss besprechen. Umgebungsrichtlinie, das hatten wir auch geprüft, Da sei mir eine kurze Einführung erlaubt. Jeder nicht für förderlich. Das würde keine Verbesserung Abgeordnete kommt aus der Mitte der Gesellschaft darstellen, sondern es wäre hilfreich, auf nationaler und hat ein Vorleben. Deswegen freue ich mich, Ebene ein Modell zu entwickeln, wie man zu einer dass ich hier Steffen Kache einmal wiedersehe. Ich besseren Verträglichkeit, z. B. einer besseren Be- habe vor 20 Jahren den – und er hat Recht, dass die rücksichtigung von Konfliktminderungsmaßnah- „Distillery“ der bedeutendste ist – vielleicht zweit- men wie passivem Lärmschutz, kommt. oder drittbedeutendsten Club in Leipzig mit Freunden betrieben und kenne daher die Proble- Die Vorsitzende: Herr Mindrup, Sie können noch matik. Damals war es so, dass der Trägerverein kurz nachfragen. „Verein zur Förderung elektronischer Kunst“ hieß, Abg. Klaus Mindrup (SPD): Bei der TA Lärm haben was zeigt, dass das Problem uns schon damals be- Sie das eben angesprochen. Bietet die EU-Regel schäftigt hat. Also immer stellt sich die Frage, wer nicht die Möglichkeit, auch kreativere Lösungen zu eigentlich einordnet, was Kunst, was Kultur ist o- finden, z. B., was in Hamburg passiert ist, also die der was reine Dienstleistung zum Tanzen ist. Und Messung an anderer Stelle? Nach meiner Ansicht was macht ein Theater oder ein Programmkino nach ja, und das würde uns total helfen. Ansonsten besser als ein Club? Da möchte ich nochmal unter- wird die EU immer so dargestellt, als sei sie ein streichen, was Frau Schobeß gesagt hat. Genau das Problem für uns. Oftmals ist sie die Lösung. ist das Besondere und das gehört in die öffentliche Debatte. Das ist hier nicht der Kulturausschuss, Dr. Wolfgang Hopp (RA Zenk): Das ist in der Tat deswegen müssen wir kucken, was können wir so. Die TA Lärm ist insofern strenger als das euro- baupolitisch tun. Da ist eine große Herausforde- päische Recht, da sie eine ganz spezifische Maßga- rung, ob wir nur übereinander oder ein Stück weit be für den maßgeblichen Messort enthält. Das ken- auch miteinander reden. Wenn wir von Wohnbe- nen wir so aus der Umgebungsrichtlinie nicht. In- bauung sprechen, wohnen darin Menschen, es gibt sofern ist da das europäische Recht flexibler, wenn auch Verbände die da aktiv sind. Wir haben in un- man so will, großzügiger. Anders gesagt könnte der serem Antrag gefordert, die Bundesstiftung Bau- Bundesgesetzgeber oder Verordnungsgeber die kultur sollte die Kriterien entwickeln, wann etwas Chance nutzen, diese Flexibilität dann auch um- ein Kulturobjekt ist. Haben wir das richtig gelesen, zusetzen, in dem er verschiedene Immissionsorte dass es da schon, und das wäre die erste Frage an vorsieht oder einen abweichenden Immissionsort,

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Steffen Kache, eine Art Gesprächskreis oder Ge- kann, sofern eine ausreichende Belüftung sicherge- sprächsmodus der LiveKomm mit dem GdW und stellt ist. Darum geht es ja letztlich bei dem geöff- mit der Bundesstiftung Baukultur gibt? Wie ist da neten Fenster, dass man einen Schallschutz hat der aktuelle Stand zu dieser Abgrenzungsproble- und trotzdem eine kontinuierliche Belüftung. Das matik, weil sich da, wenn wir etwas ändern, jeder lässt sich aber auch auf andere Weise darstellen. gerne als Club versteht und als etwas Förderungs- Das Hafencity-Fenster wurde auch schon von Herrn würdiges. Mindrup erwähnt, das ist dafür ein Beispiel. Das sind hintereinander gekoppelte Fenster, die gekippt Dann haben wir bei uns im Antrag auch stehen, sind, mit Schallschutzelementen an der Seite, die dass die TA Lärm überarbeitet werden soll. Frau dann für Schallschutz trotz natürlicher Belüftung Fuchs, Sie haben das Thema in Ihrer Präsentation sorgen. Das wäre die eine Möglichkeit. Oder eben auch angebracht, dass es da Veränderungen geben die Möglichkeit, auch Lüftungsanlagen vorzusehen, müsste. Jetzt wäre die Frage an Sie und wie man das bei besonders stark belasteten Berei- Herrn Dr. Hopp, was dort Ihrer Meinung nach kon- chen hat, wie etwa an Hauptverkehrsstraßen oder kret passieren müsste. Wie muss sie angepasst eben im Flughafenbereich. Insofern wäre beides werden? Wir haben technische Neuerungen sowohl denkbar. Das Petitum wäre dann, dass man diese innerhalb der Clubs als auch bei den Wohngebäu- Vorschrift der A.1.3 TA Lärm um die Möglichkeit den und den Gebäuden, die gebaut werden. Was ergänzt, diesen Immissionsort auch an einem an- wäre da Ihrer Meinung nach angemessen? Viel- deren Ort als vor dem gekippten Fenster zu wäh- leicht können Sie das nochmal zusammenfassen. len. Steffen Kache (LiveKomm): Wir sind in intensiven Die Vorsitzende: Frau Lay von der Fraktion DIE Gesprächen mit dem GdW. Du erwischst mich ge- LINKE. rade leider auf dem falschen Fuß, gebe ich zu. Denn ich bin nicht der Sprecher der AG Kultur- Abg. Caren Lay (DIE LINKE.): Erst einmal freue ich raumschutz, das ist Thore Debor, der sitzt da oben, mich, dass sich doch abzeichnet, dass es ein frak- er kann gern runterkommen. Es gibt schon sehr tionsübergreifendes Interesse gibt, Clubkultur zu enge Gespräche mit dem GdW und wir sind da schützen. Das ist bei vielen anderen Themen, die auch sehr auf einer Linie. Die konkreten Inhalte wir hier diskutieren, nicht der Fall. Eine Ausnahme kann ich leider im Moment nicht wiedergeben stellt jetzt, wie sich das darstellt, noch die AfD dar. Das wundert mich jetzt nicht, aber Herr Bernhard, Dr. Wolfgang Hopp (RA Zenk): Was ist beim The- vielleicht sollten Sie auch einfach mal in einen gu- ma TA Lärm nun konkret das Problem? Man kann ten Club gehen, dann würden sich viele der Fragen es so benennen: Das Problem ist die Regelung im die Sie hier gestellt haben, was nämlich das Be- Anhang zur TA Lärm namens A.1.3. Bitte ent- sondere und was das besonders Schöne an Clubs schuldigen Sie diese Detailliertheit, aber Sie hatten ist, automatisch beantworten. danach gefragt. Da heißt es, maßgeblicher Immis- sionsort ist „bei bebauten Flächen 0,5 Meter au- Ich möchte jetzt gerne meine Fragen stellen … ßerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des [Zwischenrufe Abg. Marc Bernhard (AfD)] vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbe- dürftigen Raumes, nach DIN 4109,“ Ausgabe so- Die Vorsitzende: Herr Bernhard, ist gut jetzt. wieso. Diese schlichte Bestimmung, die erstmal Abg. Caren Lay (DIE LINKE.): Dass Sie jetzt keinen nicht sehr dramatisch klingt, hat zur Folge, dass Sinn für Humor haben, wundert mich nicht, aber der passive Lärmschutz im Rahmen von Schall- ich komme zurück zur Sache, nämlich zu zwei an- schutznachweisen, die man führen muss, etwa als deren Dingen, die wir in unserem Antrag vorstel- Clubbetreiber, wenn man eine Baugenehmigung len. Die erste Frage geht an Herrn Hopp. Wir haben will, eben nicht berücksichtigt werden kann. schlagen u. a. Kulturgebiete und auch das Das ist überraschend. Es wäre hilfreich, wenn man Agent-of-Change-Prinzip vor. Wir hatten das The- entweder die Maßgeblichkeit von Innenpegeln ma heranrückende Wohnbebauung schon. Wer be- vorsehen würde oder zumindest alternativ vorse- zahlt dann beispielsweise die Investitionskosten hen könnte, dass man sowohl an diesem Ort, vor für Lärmschutzmaßnahmen? Ich weiß, dass das in dem geöffneten Fenster, als auch alternativ dann anderen Städten und in anderen Ländern schon einen Schallschutznachweis im Innenraum führen

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eingeführt wurde. Könnten Sie sich das vorstellen, möchte. Das ist aber auch nicht im Vordergrund. dass man diese beiden Maßnahmen, also Kulturge- Ich hatte allerdings auch Ihre Ausführung im An- biete und Agent-of-Change-Prinzip auch dann trag der Linken so verstanden, dass Sie auch eher rechtlich im Baugesetzbuch verankert? Wir schla- in die Richtung gehen, das Instrument des Erhal- gen außerdem vor, dass das, was es in Berlin posi- tungsschutzes der Milieuschutzgebiete auf die Er- tiver weise schon gibt, was dort vom rot-rot-grünen haltung von Kultureinrichtungen auszudehnen. Senat eingeführt wurde, nämlich ein Lärmschutz- Das halte ich für einen interessanten und möglich- fonds, auch bundesweit aufgelegt wird, um eben erweise gangbaren Weg. diese hohen Investitionskosten zu unterstützen. Ich Dann, zur zweiten Frage. Das richte die zweite Frage an Steffen Kache, ganz be- Agent-of-Change-Prinzip wird immer wieder zi- wusst auch aus einem Club, der nicht in Berlin ist, tiert. Es ist dem deutschen Rechte so nicht eigen. aber der vielleicht diese Problematik kennt, einer Das deutsche Recht ist eher eine Mischung aus von den vielen Clubs außerhalb der Hauptstadt, die verschiedenen Aspekten. Im Umweltrecht etwa das ebenfalls vor der Frage stehen, wer eigentlich die Verursachungsprinzip, das darauf abstellt, dass e- hohen Investitionskosten für Lärmschutzmaßnah- her derjenige, der Lärm verursacht, heranzuziehen men bezahlen soll. Wäre das eine Maßnahme, die ist. Dann gibt es das Rücksichtnahme-Gebot, das ist Ihnen oder auch anderen Clubs helfen würde? nicht eine einseitige Lastenverteilung, sondern eher Dr. Wolfgang Hopp (RA Zenk): Zunächst zu Ihrer ein Ausgleich der Interessen, beide müssen zu- ersten Frage nach den Kulturgebieten. Da gibt es rückstecken, derjenige, der als Clubbetreiber seiner zwei verschiedene Ansätze in der Diskussion. Der Umgebung ein gewisses Maß an Geräuschen zu- eine Ansatz ist der, dass man das Instrumentarium mutet, der muss Rücksicht auf die Wohnbevölke- des Erhaltungsgebietes, das man für Milieuschutz- rung nehmen. Die Wohnbevölkerung muss aber gebiete kennt, und auch für die Erhaltung der Bau- auch Rücksicht nehmen, dass sie nicht auf der strukturen, also das städtebauliche Erhaltungsge- grünen Wiese ist, in einer ruhigen, parkähnlichen biet, im Anwendungsbereich nutzt und erweitert Umgebung, sondern neben einem Club und kann und dass man auch Stadtkultur oder stadtkulturelle dort auch nicht das gleiche Maß an Rücksichtnah- Strukturen schützt. Das finde ich einen ganz inte- me oder Lärmfreiheit verlangen wie sonst. Das ist ressanten Ansatz, weil der Vorteil darin bestünde, mehr ein Ausgleich von Interessen, nicht so einsei- dass man schon ein ausgefeiltes Instrumentarium tig eine Lastenzuweisung. Deswegen haben wir hat, also Genehmigungserfordernisse, die zu den bisher im deutschen Recht dieses Prinzip so nicht. Baugenehmigungsbedürfnissen hinzutreten. Inso- Wenn man versuchen wollte, das fern könnte man ein bereits ausgefeiltes und beste- Agent-of-Change-Prinzip zu verankern, gibt es aus hendes System nutzen und erweitern und hätte ei- meiner Sicht zwei Möglichkeiten: Man könnte nen Effekt, ohne einen allzu großen Eingriff in die § 15 Baunutzungsverordnung, also die Grundlage Regelungssystematik der Baunutzungsverordnung für das Rücksichtnahme-Gebot, versuchen weiter- vorzunehmen. Das bevorzuge ich persönlich im- zuentwickeln. Da gibt es schon einen Ansatz, dass mer, dass man versucht, mit einem möglichst ge- Bauvorhaben auch rücksichtslos sein können, die ringen Eingriff in die Systematik des Gesetzes ei- sich selbst in eine störende Umgebung hineinbe- nen möglichst großen Effekt zu erzielen. Deswegen wegen, also sich selbst Immissionen aussetzen, die habe ich für diese Art von Bau- oder Kulturgebie- unzumutbar sind. Das ist auch eine Form von ten, im Sinne von Kulturerhaltungsgebieten, wenn Rücksichtslosigkeit. Das könnte man nutzbar ma- man es mal so schlagwortartig nennen möchte, viel chen. Den zweiten Ansatz haben wir jetzt schon Sympathie, das halte ich für einen interessanten diskutiert, das ist das Thema „wie kann man das Weg. mit dem Lärm lösen“. Das ist sicherlich ein Punkt, dass man statt Außenpegeln den Innenpegel maß- Es gibt noch einen weiteren Vorschlag, das ist das geblich macht, um passivem Schallschutz berück- Thema, dass man so wie Naturschutzgebiete auch sichtigen zu können. Kulturschutzgebiete ausweist. Da bin ich etwas skeptisch, weil ich schon Schwierigkeiten hätte, Der letzte Punkt ist das Thema „wer zahlt eigent- das zu verorten. Das scheint mir etwas schwierig zu lich den Schallschutz“. Es ist häufig so, dass, selbst sein, wie man das im Baugesetzbuch unterbringen wenn man technisch das Problem lösen könnte,

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indem man den angrenzenden Wohnnutzern pas- ten Stelle in einem Gesetzbuch oder in einer Ver- siven Schallschutz gewähren würde und die auch ordnung, an der ein Rechtsbegriff verwendet wird, damit einverstanden wären, immer noch die Frage diesen erläutert oder sogar definiert. Das wäre eine bleibt, wer das eigentlich zahlt. Wenn das der Möglichkeit, wie man mit der Schwierigkeit klar Clubbetreiber sein soll, scheitert es oft dann am kommt, dass die Baunutzungsverordnung ein rela- Geld und der Club muss aus finanziellen Gründen tiv altes Gesetz ist, was noch nicht so aufgebaut ist, schließen. Da gibt es in einigen Bundesländern be- wie heutige Gesetze, dass in Paragraf 1 die Zielset- reits solche Schallschutzfonds. Wie allerdings der zungen stehen und in Paragraf 2 die Begriffsbe- Bund weiterhelfen kann, müsste man weiter stimmungen. Es wäre schön, wenn man dies hier so durchdenken, es wäre schwierig. Denn grundsätz- hätte, dann könnte man einfach im Paragraf 2 die lich fallen solche Fonds in Zuständigkeiten der Definition der Musikspielstätten oder der kulturel- Länder und nicht des Bundes. len Anlagen unter Einschluss von Musikspielstät- ten vorsehen. Das gibt es so nicht und deswegen Steffen Kache (LiveKomm): Wir Leipziger schauen muss man einen Ersatz finden. Eine Möglichkeit sehr neidisch nach Berlin, wo es diesen Schall- wäre der Klammerzusatz an der ersten Stelle, wo schutzfonds gibt, der auch sehr ausgiebig genutzt der Begriff Anlagen für kulturelle Zwecke auf- wird. Ich weiß, dass auch Leipziger Politiker dar- taucht. Eine weitere Alternative wäre, dass man über nachdenken, so etwas bei uns einzuführen, dort einen Absatz einfügt und erläutert, dass zu weil das ein sehr konkretes Mittel ist, um, wenn es diesen Anlagen für kulturelle Zwecke auch be- Lärmbeschwerden gibt, den Clubs relativ zügig zu stimmte Anlagen, z. B. Musikspielstätten in denen helfen und über deren Budget hinaus zu agieren. regelmäßig Konzerte stattfinden, gehören. Ich kenne das aus unserer eigenen Erfahrung. Wir hatten auch Probleme mit Anwohnern und haben Die Vorsitzende: Damit sind wir am Ende. Wir ha- dann aus eigenen Mitteln eine Schallschutzdecke ben nur ein paar Minuten überzogen. Ich habe und Schallschutztüren eingebaut. Die sind sehr mich herzlich zu bedanken bei Ihnen als Sachver- teuer. Wir konnten das nur deswegen machen, weil ständige, dass Sie da waren. Ich bedanke mich wir gerade in dem Jahr Rücklagen zur Verfügung auch beim Publikum. Sie sind das wahrscheinlich hatten. Aber wenn die Rücklagen nicht da sind, ist gar nicht gewöhnt, dass Sie so ruhig sitzen müssen, das eine existentielle Bedrohung für die Clubs. ohne Begeisterungsstürme, aber das haben Sie toll Deswegen befürworten wir auf jeden Fall einen gemacht. Vielen Dank. Ich hoffe, es war für Sie Schallschutzfonds und man sollte drüber nach- nicht nur anregend, sondern auch ein bisschen denken, das flächendeckend zu machen und nicht vergnüglich, einmal hier bei uns zu sein. Ich danke nur in Berlin. Das ist ein sehr gutes Vorbild. für Ihr Kommen. Vielleicht sehen wir uns ja noch- mal wieder und die Kollegen sehe ich in der Die Vorsitzende: Frau Wagner von der Fraktion nächsten Sitzung. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darf noch eine Frage stellen. Schluss der Sitzung: 15:35 Uhr Abg. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Meine Frage wendet sich an Herrn Hopp, Sie hatten angedeutet, dass in der Baunutzungsver- ordnung bei die Vorschrift zu den Baugebietstypen ergänzend so geregelt werden könnte, dass zu den

Anlagen für kulturelle Zwecke auch Musikspiel- Mechthild Heil, MdB stätten gehören könnten, in denen regelmäßig Vorsitzende Konzerte stattfinden. Wie bewerten Sie denn den Vorschlag, die Baunutzungsverordnung mit einem Klammerzusatz zu ergänzen? Wäre eine solche Verfahrensvariante nach Ihrer Auffassung mit der Logik der Baunutzungsverordnung vereinbar? Dr. Wolfgang Hopp (RA Zenk): Der Klammerzusatz ist also die schlichte Technik, dass man an der ers-

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