Feindbild Emanzipation Antifeminismus an der Hochschule

1 Editorial Liebe Leser*innen, in euren Händen haltet ihr die neueste Publikation des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni Frankfurt, welche sich dem Thema Antifeminis- mus und Hochschule widmet. Nach der positiven Rückmeldung auf die Veröffentlichung des Readers »Autoritär, Elitär, Reaktionär: Studentenverbindun- gen, Burschenschaften und ›Neue Rechte‹« im Januar 2018, sahen wir uns als Redaktion dazu ermutigt, weiterhin zur Förderung eines antifaschistischen Bewusstseins in der Studierendenschaft und Gesell- schaft beizutragen. Angesichts der zunehmenden poli- tischen Erfolge reaktionärer Kräfte in Deutschland, Europa und international erachten wir ein solches Bewusstsein und sich daraus ableitende politische Aktivitäten für eine absolute Notwendigkeit. Mit der vorliegenden Publikation wollen wir vor allem die Aus- einandersetzung mit reaktionärer Geschlechterpolitik forcieren und deren zentrale Bedeutung für (extrem) rechte Bewegungen unterstreichen.

Während in Ungarn nach einem jahrelangen Prozess der autoritären Umwälzung des Staates die Fachrich- 1 tung Gender Studies an Hochschulen nun gänzlich abgeschafft wird, kann die AfD dies in Deutschland ihren WählerInnen bisher nur in Wahlprogrammen versprechen. Mit dem Einzug der AfD in den hessi- schen Landtag im Oktober 2018 sitzt dort nun eine Partei, die die Freiheit von Forschung und Lehre zer- schlagen möchte. So fordert sie nicht nur die Abschaf- fung der Gender Studies, sondern würde am liebsten jegliche Forschung und Lehre unterbinden, welche ihren ideologischen Vorstellungen widerspricht. Diese Intention stellten auch Mitglieder der AfD-Jugendor- ganisation Junge Alternative unter Beweis, als sie im Januar 2017 Flugblätter an der Goethe-Universität Frankfurt verteilten, in denen sie zur Denunzierung von ihnen politisch missliebigen Lehrenden aufriefen. In den kommenden Jahren ist womöglich mit deutlich schwerwiegenderen Angriffen zu rechnen, allen voran auf feministische Errungenschaften in Forschung, Lehre und Universitätsalltag. Derzeitige autoritäre Formierungen in der Hoch- schulpolitik können allerdings nur verstanden werden, wenn sie im Kontext des sich ausbreitenden reaktio- nären Zeitgeistes verortet werden. Angesichts gesell- schaftlicher Umbrüche im Zuge von Veränderungen im kapitalistischen Akkumulationsprozess wird das politische Angebot einer »Rückkehr« zu vermeint- lich »natürlichen« Lebensweisen für viele Menschen immer attraktiver. Hierdurch werden Kategorisie- rungs- und Hierarchisierungsprozesse innerhalb der Gesellschaft hinsichtlich Geschlecht, »Rasse« und Klasse (engl.: gender, race & class) zu vermeintlich von der Natur vorgegebenen Ordnungen deklariert, um sie so jeder Form von öffentlicher Diskussion, Kritik und demokratischer Kontrolle zu entziehen. Beispiele hierfür finden sich in den letzten Jahren zur Genüge. So fanden im Rahmen der sogenannten »Demo für Alle« christliche und extreme Rechte zueinander, um eine vermeintlich »von Gott«, beziehungsweise »der Natur«, vorgegebene patriarchale, heterosexu- elle Familienordnung zu verteidigen. Ärzt*innen wie Kristina Hänel werden auf Betreiben von christlichen FundamentalistInnen angeklagt und verurteilt, ledig- 2 lich weil sie ihren Patientinnen* Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zur Verfügung stellen. Die repressiven Strafrechtsparagraphen 218 und 219 zeigen, dass die körperliche Selbstbestimmung von Frauen* in der Bundesrepublik noch immer gefürch- tet und bekämpft wird.

Um in Zeiten dieses reaktionären Aufwindes kritische Perspektiven auf die Entwicklungen in der Gesell- schaft und an den Hochschulen zu eröffnen, konnten wir einige Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und Mitstreiter*innen für Beiträge gewinnen. Bei ihnen möchten wir uns ganz herzlich für die wichtige Arbeit bedanken, die es bedeutet, sich ausführlich mit reaktionären Kräften auseinanderzusetzen, zu recherchieren und zu analysieren. In dem Reader fin- den sich eigens für diese Publikation verfasste Texte, (überarbeitete) Reprints von bereits veröffentlichten Beiträgen und von uns geführte Interviews. Der erste Abschnitt in diesem Reader beschäftigt sich mit Fragen der theoretischen Einordnung und allgemeinen Analyse des Antifeminismus. Der zweite Abschnitt widmet sich Akteuren, Diskursen und aktu- ellen Entwicklungen des Antifeminismus in der deut- schen Hochschullandschaft. Dabei spielen Angriffe auf Gender Studies und Gleichstellungspolitiken eine zentrale Rolle. Einige Artikel nehmen außerdem anti- feministische Stimmen und Anknüpfungspunkte in verschiedenen akademischen Disziplinen und Fächer- diskursen in den Blick. Und schließlich werden auch Akteure betrachtet, die über Forschung und Lehre hinaus am Campus (politisch) aktiv sind.

Zuletzt finden sich im dritten Abschnitt Beiträge und Interviews, die sich mit möglichen Gegenstrategien gegen die antifeministische Reaktion an der Uni aus- einandersetzen und nach Inspiration im Ringen um eine emanzipatorische Zukunft suchen. Hier werden verschiedene Politiken vorgestellt und Perspektiven auf mögliche Praktiken im Hochschulleben, am Cam- pus und im Studium entwickelt. Wir haben euch zum Schluss ein antifeministisches Namensregister und eine Liste mit Empfehlungen zur weitergehenden 3 Lektüre zusammengestellt.

Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal herz- lichst bei allen Autor*innen und Interviewpartner*in- nen und wünschen euch beim Lesen viel Freude!

Euer Redaktionsteam Inhaltsverzeichnis 4 22 eind meines 16 8 6 4 2



Editorial Sebastian Scheele und ihre Hintergründe Eine diskursive Verschiebung zu » Antifeminismus Von Tanja Gäbelein und extremer Rechter zwischen konservativer Antifeminismus alsSchnittstelle Feindes istmeinFreund Der F Juliane Lang, UlrichPeters des Phänomens Einführung undEinordnung Deutschland in Antifeminismus eine Problematik. Einführung in I Antifeminismus. Inhaltsverzeichnis Anti-Genderismus«?

28 II Antifeminismus 70 III Gegenstrategien. an der Hochschule. Antifeminismus Akteure, Diskurse, an der Hochschule Entwicklungen. bekämpfen.

30 Die Freiheit der Wissen- 72 Extrem rechte schaft und ihre Feinde Geschlechterpolitiken als Angriffe auf die Herausforderung für Geschlechterforschung geschlechterreflektierte bringen alle Sozial- und

Geisteswissenschaften Pädagogik in Gefahr Olaf Stuve Manfred Köhnen 76 Pro-Choice im Medizinstudium 38 Vom Naturalismus Interview mit der Arbeitsgruppe zur Religion »Medical Students for Choice« Über die antigenderistische Radikalisierung 80 Progressive Welle des Ulrich Kutschera Die feministische Floris Biskamp Bewegung fordert Chiles Gesellschaft heraus 44 »Lebensschutz« Friederike Winterstein statt körperliche Selbstbestimmung 84 Blame the System, Interview mit Ulli Jentsch not the Victim! Sexismus auf dem Campus und Eike Sanders fantifa.frankfurt 50 Rückwärtsgewandte Forschung 86 Der Gleichstellungsrat und Lehre in Gießen des Fachbereichs Christlich-fundamentale, extreme Gesellschaftswissenschaften Rechte und die FTH Gießen stellt sich vor Sebastian Hell Gleichstellungsrat FB03

54 Antifeminismus in 88 Antifeministisches der Hochschulpolitik Namensregister Hochschulpolitische Gruppen und antifeministische Ressentiments 91 Weiterlesen zum Thema Lucius Teidelbaum Antifeminismus

60 »Vergemeinschaftet durch das Abverlangen von Standhalten und Beherrschung.« Männerbund, Mensur und Antifeminismus bei deutschnationalen Burschenschaften Judith Goetz

66 »Pick-Up-Artists« im öffentlichen Raum – whose streets…? Beobachtung eines sexistischen Gesellschaftsphänomens fantifa.frankfurt 5 s. smu s. in i fem Anti

I Einführung in eine Problematik. 6 7 Antifeminismus in Deutschland Einführung und Einordnung des Phänomens

Juliane Lang, Ulrich Peters 8

Antifeministische Inhalte und Argumentations- es vermeintlich überhistorisch, milieu- und wertvolle Anmerkungen zu diesem Beitrag. Wir danken Sebastian Scheele für muster finden sich in trauter Regelmäßigkeit in kulturübergreifend schon immer der »Natur gesellschaftlichen Debatten um die Ordnung der der Dinge« entsprochen habe. Dass Geschlech- Geschlechter im 21. Jahrhundert. Geschlech- terverhältnisse nie »naturgegeben«, sondern terkonservative Akteure unterschiedlicher immer Ergebnis sozialer Aushandlung waren, politischer Gruppierungen erfinden einen »Gen- wird von den Protagonist/innen zurückgewie- der-Wahn« und eine angeblich dahinter stehende sen – um die sozialromantische Erzählung eines Ideologie. Sie instrumentalisieren gesamtge- in sich harmonischen Friedens zwischen den sellschaftlich geführte Debatten um geschlech- Geschlechtern zu verbreiten, der durch moderne ter- und gleichstellungspolitische Inhalte für Dekadenzen in Form feministischer Politiken der polemische Angriffe und lancieren Kampagnen. Vielfalt geschlechtlicher, sexueller und familia- Es sind Themen rund um geschlechterpolitische ler Lebensweisen zerstört würde. Es lohnt der Liberalisierungen einst konservativ eng gefasster Blick zurück, um festzustellen, dass die Rede von Geschlechter- und Sexualitätsdispositive. Und einer angeblichen »Genderisierung« westlicher es ist die Ablehnung eines als omnipotent und Gesellschaften ihre Wurzeln in gesellschaftli- machtvoll verstandenen Feminismus, der extrem chen Debatten der vergangenen zehn bis zwanzig Rechte zusammen bringt mit verbrämten Kon- Jahre hat. Ein Wiedererstarken fundamentalis- servativen, enttäuschte Sozialdemokrat_innen tischer Strömungen innerhalb der Amtskirchen, mit frustrierten Scheidungsvätern, christliche Debatten um Scheidungsväter und männliche Fundamentalist/innen mit Gewaltfetischist/ Bildungsverlierer, zunehmende Hetze gegen innen und Hooligans.1 frauenpolitische Themen und Frauenförderung in unterschiedlichen politischen Spektren: Dies Was sie eint ist die Vorstellung einer machtvol- alles ist Ausdruck, Produkt und Motivation eines len »Femi-« oder gar »Homolobby«, die ihnen sich manifestierenden organisierten Antifemi- verbieten wolle, ihr Leben so zu gestalten, wie nismus um die Jahrtausendwende. Alte Muster – neue Feindbilder »Frauen und Männer seien gleich an Rech- ten und doch von Natur aus grundsätzlich, Der Antifeminismus als Abgrenzung zu femi- wesenhaft, offensichtlich ontologisch verschie- nistischer Theorie und Praxis hingegen ist so alt den. Und genau dieser ontologisch verbürgten Antifeminismus in wie der Feminismus selbst. Essays, mit denen Differenz müsse der Feminismus Rechnung die Feministin Hedwig Dohm zu Beginn des tragen.«6 Deutschland 20. Jahrhunderts auf Angriffe gegen die Frau- enemanzipation reagiert, zeigen frappierende Derartige Positionen unterscheiden sich von Parallelen zu heutigen Debatten um Geschlech- klassisch differenzfeministischen Positio- Einführung und Einordnung terpolitiken. Wenn Dohm davon schreibt, wie nen in einer vom modernen Antifeminismus behaupteten Wesenhaftigkeit von Geschlecht »unentwegt wiederholte Behauptungen (...) bei- – und sind sich zugleich einig mit diesen in des Phänomens nah wie die Riesenreklamen für irgendein Mit- der Ablehnung geschlechterdekonstruktiver tel, die uns in großen Städten oft jahrelang von Ansätze zugunsten eines Feminismus, der ein- allen Mauern, Säulen, Zäunen entgegengrinsen zig und allein das Subjekt »Frau« kennt. Genau [wirken], bis sie uns förmlich hypnotisieren jene Gefahr, die angeblich naturgegebene Ver- Juliane Lang, Ulrich Peters und – fast gegen unsern Willen – kaufen wir«2, schiedenheit von Männern und Frauen, von Männlichkeit und Weiblichkeit in ihrer Abso- so beschreibt dies ebenso heutige Auseinander- lutheit in Frage zu stellen, manifestiert sich setzungen um Behauptungen, ein angeblicher im selbsternannten »Anti-Genderismus«, der »Gender-Wahnsinn« bedrohe die Gesellschaft. aktuellen Spielart des Antifeminismus, zum Weiter heißt es bei Dohm: Kern der Argumentation.

»Im wesentlichen besteht ihre Beweisführung »›Der Feminismus‹ ist für viele ein Feindbild – wenn wir von gelegentlichen ethischen und – unabhängig davon, wie sehr Feminist_innen ästhetischen Gefühlsschaudern absehen – in immer wieder die Unterschiedlichkeit der Femi- Behauptungen. Und immer behaupten sie das- nismen betonen und darauf hinweisen, dass der selbe – dasselbe. Der Tropfen höhlt den Stein, kleinste gemeinsame Nenner dieser Feminismen wieviel mehr das weiche Menschenhirn.«3 doch die Freiheit aller Menschen sei, ihr Leben nach den eigenen Wünschen zu gestalten.« Auch hier fallen die Parallelen zur Strategie organisiert antifeministischer Akteure ins Auge: schreibt die Journalistin Margret Karsch7 – und über stete Behauptungen dessen, wofür »Gen- benennt hierbei sowohl den ursprünglichen der« stehe, werden Diskurse geprägt. Anti-Feminismus als auch die moderne Vari- ante des Antifeminismus, der sich gegen die Doch ebenso wie sich feministische Theorie Ablehnung geschlechtlicher Vielfalt wendet. und Praxis weiterentwickelte – in Abgrenzung Auch wir charakterisierten den modernen zu antifeministischer Rhetorik wie unabhängig Antifeminismus bereits an anderer Stelle als davon4, verschoben sich auch Teile antifeminis- Akteurskonstellation, die sich tischer Argumentationsmuster und Feindbil- der. Paula-Irene Villa und Sabine Hark stellen »in organisierter Form – in expliziter Geg- heraus, dass sich der moderne Antifeminismus nerschaft zu einem von ihnen als omnipotent beschriebenen Feminismus positionier[t] »im Unterschied zu den historischen Vorläufern und/ oder sich in Diskussionen um familien-, des Anti-Feminismus in erster Linie eben nicht geschlechter- und sexualitätsbezogene Themen als generelle Anfechtung von Feminismus und heteronormativ gegen die Auspluralisierung der Idee der Gleichheit präsentiert«5. sexueller, geschlechtlicher und familialer Lebensformen und eine damit einhergehende Beide Autorinnen beziehen sich hierbei expli- Anerkennung derselben in ihrer Vielfalt zit auf rechte Populistinnen wie Birgit Kelle, stell[t]«8. Gabriele Kuby oder , die nicht die Forderung aufstellen, Frauen »zurück an den Antifeminismus beschränkt sich damit nicht Herd zu schicken« sondern sagen, allein auf die verbal-radikale Distanzierung von 9 »dem Feminismus«, im klassischen Verständnis eines Anti-Feminismus. Es handelt sich um sogenannte »Wissenschaftlichkeitswächter«12, keine in sich geschlossene Ideologie, sondern der »christliche Fundamentalismus«, »explizit ein ideologisches Versatzstück unterschiedli- antifeministische Akteur_innen« und »rechte cher Akteure mit jeweils eigenen weltanschau- Organisationen«. Nicht explizit benannt sind lichen Verhaftungen. Er richtet sich christlich-konservative Akteure, die sich weder in der Gruppe der »journalistischen Gen- »gegen jene Theorien und deren Vertreter_ der-Gegner_innen« wiederfinden, noch unter innen, die für eine Gleichstellung der beiden rechten Organisationen subsumieren lassen. Geschlechter eintreten bzw. diese und darauf Zudem lässt sich insbesondere die Gruppe beruhende vertraute Weltbilder und Gewohn- der »rechten Organisationen« vor dem Hin- heiten in Frage stellen«9. tergrund der enormen Entwicklungen der letz- ten Jahre präziser ausdifferenzieren, etwa in ein Für ein analytisches Verständnis des Phäno- völkisch-neonazistisches Milieu, ein neurech- mens »Anti-Genderismus« als moderne Spiel- tes-diskursorientiertes Milieu und einen par- art des Antifeminismus lohnt es, auf die ihm lamentsorientierten Rechtspopulismus. Hinzu zugrunde liegenden Begründungszusammen- kommen explizite Netzwerkprojekte, bei denen hänge zu blicken. Wenn Hedwig Dohm bereits mehrere der benannten Akteursgruppen punk- für den Antifeminismus der Jahrhundertwende tuell und in einem in der Regel abgrenzbaren festhielt, es handele sich um jene, zeitlichen und thematischen Rahmen gemein- sam agieren, wie am Beispiel der sogenannten »die den Gedankeninhalt vergangener Jahr- Demo für alle zu sehen ist13. hunderte für alle Ewigkeit festzuhalten für ihre Pflicht erachten. Zum eisernen Bestand ihrer Die Abschaffung der Straffreiheit von Verge- Argumentation gehört der liebe Gott und die waltigung in der Ehe 1997 war eine der letzten Naturgesetze.«10, großen Errungenschaften feministischer Poli- tik – auf die über Jahrzehnte hinweg hingear- so haben sich auch hier Begründungsmomente beitet worden war. Antifeministische Reflexe erweitert. in Reaktion hierauf schienen zu schlummern und auf ein Ventil zur Artikulation zu warten. Diese werden heute etwa in einer göttlichen Einen ersten Aufschlag machte der einstige Ordnung, einem essentialisierenden Biolo- Spiegel-Redakteur Matthias Matussek 1998 mit gismus oder einer volksgemeinschaftlichen seinem Buch Die vaterlose Gesellschaft: Ordnung der Gesellschaft gesucht. Einig sind sich die Akteure in ihrer Ablehnung liberaler »Erst wenn erkannt wird, daß Väter für die Geschlechterpolitiken und dem von ihnen als Erziehung von Kindern genauso wichtig sind Feindbild besetzten Begriff »Gender«. wie Mütter, und daß die vaterlose Gesellschaft ein reales Katastrophenszenario ist, wird es eine neue Gemeinsamkeit geben. Wenn sich Akteurskonstellation im herumgesprochen hat, daß die Ausgrenzung organisierten Antifeminismus von Vätern Gewalt an Kindern bedeutet. Und wenn insgesamt die Herabwürdigung von Män- Antifeminismus ist damit kein einheitliches nern genauso sozial geächtet wird wie die von politisches Projekt: viel mehr wird er vom orga- Frauen.«14 nisierten Antifeminismus zu diesem gemacht. Die einzelnen Spektren und Akteursgruppen Derartige Beiträge brachten Debatten, wel- sind dabei nicht in eins zu setzen, verfügen che die Soziologin Susan Faludi bereits 1991 jedoch nicht zufällig über personelle Schnitt- in ihrem Buch Backlash. Die Männer schlagen mengen. Regina Frey und andere11 benen- zurück für den US-amerikanischen Kontext nen prinzipiell fünf Akteursgruppen, die in beschrieb, nun auch nach Deutschland.15 Debat- ihren antifeministisch-motivierten Angriffen ten um die »Bildungsverlierer Jungen«16 gossen in der Ehe 1997 Vergewaltigung von Die Abschaffung der Straffreiheit – auf Politik Errungenschaften feministischer eine der letzten großen war war. hingearbeitet worden hinweg die über Jahrzehnte gegen »Gender« und die emanzipatorische zu Beginn des Jahrtausends Öl in die Feuer Geschlechter- und Gleichstellungspolitik neuer antifeministischer Akteure: 2001 ging ein in Gänze gemeinsam diskursprägend sind: Vorläufer des maskulistischen Forums Wieviel eine »journalistische Gender-Gegnerschaft«, Gleichberechtigung verträgt das Land (wgvdl) ans 10 Netz. 2004 gründete sich der Verein MANN- veröffentlichte am 20. Juni 2006 einen Arti- dat, der von einer (strukturell verantworteten kel unter dem Titel Gender Mainstreaming. und gewollten) »bildungspolitischen Benach- Die politische Geschlechtsumwandlung. Er griff teiligung von Jungen als Frauenfördermittel«17 dabei fast alles vorweg, was der Geschlech- 11 spricht – und so das schlechtere Abschneiden terpolitik, der Geschlechterpädagogik sowie von Jungen bei Bildungsstudien zum Lesever- den Geschlechterstudien in den Folgejahren ständnis deutscher Jugendlicher beklagte. Was vorgeworfen werden sollte: die Debatte durchzog war die Rede von einer feministisch dominierten, männerfeindlichen »Das Ziel greift hoch hinaus: Es will nicht Gesellschaft. Gemeinsamkeiten mit heutigen weniger als den neuen Menschen schaffen, antifeministischen Argumentationen finden und zwar durch die Zerstörung der ›traditi- sich in Behauptungen, wofür Feminismus onellen Geschlechtsrollen’. Schon aus diesem angeblich stehe. Die Argumentation schuf ein Grunde muß das als Zwangsbegriff verneinte Narrativ des Feminismus als männerfeind- ›Geschlecht’ durch ›Gender’ ersetzt werden. liches Projekt – und die Männer als kollek- Und möglichst schon in der Krippenerziehung tive Opfergruppe aus dem Ruder gelaufener soll mit der geistigen Geschlechtsumwandlung Feminist_innen. begonnen werden.«21

Der Vorwurf einer ideologiegeleiteten Inter- Antifeminismus essenpolitik einer als homosexuell benannten als Netzwerkprojekt Minderheit war im Raum – und die Geschlech- tergleichstellungspolitik hatte sich fortan dazu In zeitlicher Parallelität hierzu waren es evan- zu verhalten. In den Tagen und Wochen später gelikale und pietistische Kreise, die vermehrt folgten Angriffe gegen Gender und Gender die eigene Sichtbarkeit und Teilhabe an gesell- Mainstreaming sowohl in bürgerlichen Blättern schaftlichen Debatten einforderten18. Mit ihrem wie dem Spiegel als auch in rechten und extrem Kernanliegen, der Verhinderung der Möglich- rechten Publikationen wie der Jungen Freiheit keit straffreier Schwangerschaftsabbrüche, und der Deutschen Stimme. suchten sie öffentlich den Schulterschluss mit konservativen Parteien und Politiker_innen Der Artikel Zastrows muss damit als diskurs- sowie Einflussnahme auf gesetzgeberische Ver- mächtiges Ereignis gesehen werden, der eine fahren und die Praxis von Beratungseinrichtun- erste Welle antifeministischer Angriffe gegen gen und medizinischen Anlaufstellen. Gender und eine an geschlechtlicher und sexu- eller Vielfalt orientierten Gleichstellungspolitik Die kampagnenförmigen Angriffe gegen auslöste22. Gekennzeichnet war diese erste Welle »Gender« und die daraus resultierende Dis- der organisierten Angriffe durch geteilte Feind- kursverschiebung ist auf den Sommer 2006 zu bilder in Sprache und politischem Gegenüber23. datieren. Die Debatten begannen damit erst Feminismus beziehungsweise das, was der orga- zeitlich versetzt zur Verabschiedung von Gender nisierte Antifeminismus zu diesem erklärte, galt Mainstreaming als gleichstellungspolitischer als männerfeindlich und widernatürlich – wirke Strategie.19 Damit verbunden war, dass der den es doch daraufhin, Männer als Väter und Jungen Sozialwissenschaften entlehnte Begriff »Gen- in der Bildungslandschaft zu benachteiligen. Der der« erstmals einer breiteren Anzahl von Men- Vorwurf des Widernatürlichen knüpfte sich an schen erklärbar gemacht werden musste. Doch den Vorwurf, »Gender« richte sich gegen eine entgegen allem fortan Behauptetem stellen a priori gesetzte »Natur der Dinge« – sei gar ein machtvolles Instrument, die traditionelle »[w]eder die Gleichstellungspolitik noch Gen- Geschlechterordnung abzuschaffen. Die Argu- der-Mainstreaming (...) die Zweigeschlechtlich- mentationsstränge verknüpften sich miteinander keit der Menschen infrage oder verändern die in der Erfindung des Terminus »Genderismus«: politischen Strukturen grundlegend«20. Geprägt von sich selbst als »Anti-Genderisten« begreifenden antifeministischen Akteuren, Volker Zastrow, konservativer Redakteur drückt der Begriff den Anwurf einer angeblichen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszei- machtvollen Umwälzung der Gesellschaft nach tung, hingegen behauptete das Gegenteil und den Prinzipien geschlechtlicher und sexueller Vielfalt aus. In anti-kommunistischer Tradition »Sexualpädagogik der Vielfalt« – der bereits wurde verschiedentlich von der Erfindung eines einige Jahre zuvor, ohne mediales Aufsehen zu »neuen Menschen« durch »Gender Mainstrea- verursachen, erschienen war.28 Die Auseinan- ming« gesprochen24 und behauptet: dersetzungen um den Band schlugen Wellen, was folgte waren wüste Empörungen bis hin »Gender Mainstreaming heißt im Klartext zu persönlichen Beschimpfungen gegen die kompletter Umbau der Gesellschaft und Neu- Autor_innen – und eine Breitseite gegen die erfindung der Menschheit. Gender Mainstre- Geschlechterstudien und andere verwandte aming ist eine Art totalitärer Kommunismus Disziplinen. Alte Argumentationsmuster des in Sachen Sex und Geschlechterbeziehung.«25 Familismus bzw. Familialismus29 mischten sich in die Argumentation der Gender-Gegner_ Der organisierte Antifeminismus richtete sich innen. Fortan galt es nicht nur allgemein die somit in den Angriffen gegen »Gender« und Gesellschaft vor den Gefahren des Feminismus Gender Mainstreaming von Beginn an gegen zu bewahren, sondern Kinder und Jugendliche einen angeblich männerfeindlichen Feminis- vor einer drohenden »Frühsexualisierung« zu mus und einen von diesem getriebenen, wider- schützen30. Es erfolgte eine »diskursive Ver- natürlichen »Genderismus«. knüpfung des Kindes oder Kindeswohls mit drei Themen: Gleichstellung der Geschlechter, Gleichstellung homosexueller Partner_innen- Kontinuitäten und Wellen schaften, Sexualpädagogik«. Die Setzung des antifeministischer Angriffe Motives vom ›unschuldigen Kind’ geriet zum Mobilisierungsfaktor31 – und das Schlagwort Die Angriffe gegen Feminismus und Geschlech- »Frühsexualisierung« trat eine eigendynami- terpolitiken verloren in den Jahren 2010 und sche Entwicklung »im Namen des Kindes« los. 2011 an Lautstärke und Intensität – nicht Eine differenzierte Auseinandersetzung, nicht jedoch an ideologischer Konstanz. Darüber war zuletzt um Fragen von Gewaltprävention und 12 es möglich, dass 2013 anlässlich neuer medial die Unterstützung von Betroffenen, wurde beachteter Anlässe wie der Twitter-Kampagne massiv erschwert von jenen Akteuren, die im #Aufschrei,26 in welcher vorwiegend Frauen Namen eines angeblichen Kindeswohls ihre Erfahrungen sexistischer Übergriffe und sexua- antifeministische Agenda verbreiterten. lisierter Gewalt öffentlich machten, die Angriffe erneut aufflammten. Stellvertretend für andere antifeministische Angriffe auf die von jungen Netzfeminist_innen getragene Kampagne for- mulierte die konservative Journalistin Birgit Kelle: »Dann mach doch die Bluse zu«. Sie argu- mentierte hierin gegen eine angebliche Männer- feindlichkeit feministischer Politiken, die alle Männer per se zu sexuellen Triebtätern erkläre. Gleichzeitig greift Kelle auf einen Biologismus zurück, der Männer und Frauen als von Natur aus verschieden behauptet, wenn sie schreibt:

»Auch nach weiteren 100 Jahren Feminismus werden die Männer nicht in der Lage sein, Gedanken zu lesen. Werden sie uns Frauen falsch verstehen, falsch behandeln und falsch ansprechen. Selbst wenn sie es gut meinen. Weil wir unterschiedlich sind, unterschiedlich den- ken, unterschiedliche Erwartungen haben.«27

In zeitlicher Parallelität skandalisierten anti- feministische Protagonist/innen, unter ihnen Birgit Kelle, einen Sammelband zur Eine differenzierte Auseinandersetzung, nicht zuletzt um Fragen von Gewaltprävention und die Unterstützung von Betroffenen, wurde massiv erschwert von jenen Akteuren, die im Namen eines angeblichen Kindeswohls ihre antifeministische Agenda verbreiterten.

13 Polarisierung geschlechterpolitischer Debatten

In der Praxis führten jene Debatten dazu, dass »Deshalb sind alle willkommen, die sich den die Angriffe auf pädagogische Programme verhängnisvollen Entwicklungen der letzten und Konzepte, welche die Gleichstellung der Jahre entgegenstellen wollen: Anhänger aller Geschlechter, die Infragestellung heteronorma- Religionen, Konfessionen, politischen Einstel- tiver Lebensweisen und / oder sexualpädagogi- lungen und Wertesysteme, soweit sie die Gen- sche Konzepte zum Inhalt hatten, zunahmen. der-Mainstreaming-Ideologie ablehnen und die Nur ein prominentes Beispiel: Zeitgleich zum Zerstörung der Familie aufhalten.«33 Beginn der aktuell zweiten Welle der organi- siert antifeministischen Angriffe konstituierte Die Demo für alle steht beispielhaft für ein sich in Baden-Württemberg ein heterogenes Netzwerkprojekt, das aus unterschiedlichen Bündnis antifeministischer Akteure zu einer Spektren des organisierten Antifeminismus Demo für alle. In Anlehnung an die franzö- getragen wird – und welches die Kontinuitä- sische Manif pour tous, bei der sich hundert- ten in den Argumentationssträngen aufzeigt. tausende Franzos/innen zum Protest gegen Andere personelle Kontinuitäten antifeminis- die Regierung und der tatsächlichen Gleich- tischer Netzwerke sind es ebenso: so äußerte stellung homosexueller Partnerschaften auch der bereits erwähnte Matthias Matussek, der im Adoptionsrecht zusammenfanden, mobi- 1998 Debatten um die Männerfeindlichkeit lisierten deutsche Antifeminist_innen zu ver- des Feminismus anschob, im Jahre 2017 seine schiedenen Demonstrationen in Stuttgart32. Bewunderung für die extrem rechte Identitäre Das Feindbild »Gender« blieb neben dem Bewegung34, die u.a. aufgrund ihrer plakativ Mythos der »Frühsexualisierung« das zentrale antifeministischen Selbstinszenierung Popula- Mobilisierungsmoment: rität im neurechten wie auch neonazistischen Spektrum genießt. Die Partei »Alternative für Deutschland«

Mit der Gründung der Partei Alternative für »Eine Welt aus atomisierten, allseits kom- Deutschland (AfD) erhielt der organisierte patiblen, komplett diversifizierten und also Antifeminismus eine parteipolitische Bühne: geschlechtslosen Individuen ist für mich eine Akteur/innen aus antifeministischen Netz- mindestens ebenso scheußliche Horrorvision werken waren von Beginn an in Ämtern und wie eine monokulturelle Einheitswelt aus lauter Funktionen der Partei aktiv, eine Ablehnung multikulturellen Gesellschaften. Nein, Männer geschlechtlicher, sexueller und familialer Viel- und Frauen sollen gleichberechtigt sein, aber sie falt wurde in den Angriffen gegen »Gender« sind nicht gleich in ihrer Wesensart.«35 und eine angebliche »Frühsexualisierung« von Kindern zum Parteiprogramm erhoben. So Der Einzug der AfD als explizit antifeminis- verwundert es auch nicht, dass die AfD weit- tische Akteurin in den Deutschen reichende Verschärfungen der gesetzlichen stellt geschlechterpolitische Debatten vor neue Regelung zum Schwangerschaftsabbruch und Herausforderungen. Denn ähnlich wie andere ein Ende gleichstellungspolitischer Maßnah- Akteur/innen im organisierten Antifeminismus men fordert – und sich aggressiv gegen die zeigte sich die Partei in der Vergangenheit nicht Geschlechterstudien und eine Sexualpäda- an konstruktiv-differenzierten Auseinanderset- gogik der Vielfalt wendet. Anhand des Grün- zungen um Gleichstellungspolitik interessiert, dungsmitgliedes lässt sich sondern polemisierte und erschwerte eben aufzeigen, wie langjährig aktive antifeministi- diese. In ihrer Rede zum 8. März 2018 etwa sche Personen zu Schlüsselfiguren in der Partei sprach die AfD-Abgeordnete Nicole Höchst 14 wurden: Mit dem in Berlin ansässigen Verein von einem »Gleichstellungstotalitarismus« Zivile Koalition unterstützt sie seit Jahren und bezeichnete eine strukturelle Benachtei- die Forderung der selbsternannten »Lebens- ligung von Frauen als »Yeti: alle Welt spricht schützer« nach einem generellen Verbot von davon, aber noch niemand hat ihn ernsthaft Schwangerschaftsabbrüchen. Sie gehört heute gesehen«.36 dem Bundessprecherrat der AfD an, saß für die Partei zunächst im Europaparlament und Die Auseinandersetzung mit dem Antifemi- ist aktuell Abgeordnete im Deutschen Bun- nismus der AfD und ihrem politischen Vor- destag. Zusammen mit ihrem Mann unter- feld sowie dessen Scharnierfunktion in weite hält von Storch unter dem Dach der Zivilen Teile der Gesellschaft obliegt fortan nicht nur Koalition weiterhin zahlreiche Online-Seiten, geschlechterpolitisch Aktiven, sondern wird die gegen Geflüchtete und Muslime, gegen zur Herausforderung für viele, um einem viel Schwangerschaftsabbrüche, gegen dieEhe für besungenen Rechtsruck der Gesellschaft etwas Alle und den Euro mobil machen. Dass diese entgegen zu setzen. Angriffe als politisches Konzept verstanden werden müssen, das sich unter anderem rassis- tisch begründet, zeigen auch die Aussagen des AfD-Fraktionsmitglieds Hans-Thomas Till- schneider aus Sachsen-Anhalt, in einem Inter- view, das 2016 mit dem maskulistischen Verein MANNdat geführt wurde. Darin heißt es:

Der Beitrag ist eine leicht überarbeitete Version von: Lang, Juliane/ Peters, Ulrich (2018): Antifeminismus in Deutschland. Einführung und Einordnung des Phänomens. In: dies. (Hrsg.): Antifeminismus in Bewegung. Aktuelle Debatten um Geschlecht und sexuelle Vielfalt. Hamburg: Marta Press. 1 Sofern nicht anders des Gunda-Werner-Instituts, Burschel, Friedrich (Hg.): 29 Vgl. Notz, Gisela (2015): gekennzeichnet, verwenden Berlin, S. 17ff. http://www. Aufstand der ›Wutbürger‹. Kritik des Familismus. wir den Gender-Gap, um auf gwi-boell.de/sites/default/ AfD, christlicher Funda- Theorie und soziale Realität die Vielfalt geschlechtlicher files/gender_wissenschaftlich- mentalismus, Pegida und eines ideologischen Gemäl- Identitäten jenseits eindeutig keit_und_ideologie_2aufl.pdf ihre gefährlichen Netzwerke, des. Stuttgart: Schmetterling weiblicher und männlicher (Abruf: 13.10.2017). 32-46. https://www.rosalux. Verlag. Geschlechter hinzuweisen. de/publikation/id/8319/ Ein streng zweigeschlechtli- 12 Hiermit beschreiben aufstand-der-wutbuerger/ 30 Vgl. Schmincke, Imke ches Denken ist konstitutiv Frey et al. Akteure, die (Abruf: 13.10.2017). (2015): ›Besorgte Eltern‹ für extrem rechtes Denken – sich in erster Linie auf den und ›Demo für alle‹ – das und für Teile der hier betrach- Vorwurf der Unwissen- 20 Karsch, Margret (2016): Kind als Chiffre politischer teten antifeministischen schaftlichkeit gegenüber den Feminismus. Geschichte – Auseinandersetzungen. Akteure. Bei Akteuren, die Geschlechterstudien bezie- Positionen, S. 294. Input im Rahmen der qua Handeln und/oder ent- hen. Kritik kommt hierbei Tagung »Gegner*innenauf- lang ihres weltanschaulichen sowohl aus den Sozial- wie 21 FAZ/ Zastrow, Volker klärung – Informationen Hintergrundes die Existenz auch aus den Natur- und (2006): ›Gender Main- und Analysen zu Anti-Fe- von Geschlechteridentitäten Technikwissenschaften. streaming’: Politische minismus« des Gunda-Wer- jenseits der Zweigeschlechter- Geschlechtsumwandlung. ner-Instituts. http://www. norm für sich ausschließen, 13 Billmann, Lucie (2015) Frankfurter Allgemeine Zei- gwi-boell.de/de/2016/07/29/ verwenden wir in diesem (Hg.): Unheilige Allianz. tung vom 19.6.2006. http:// besorgte-eltern-und-demo- Band den Schrägstrich – und Das Geflecht von christ- www.faz.net/aktuell/politik/ fuer-alle-das-kind-als-chiff- verweisen damit darauf, dass lichen Fundamentalisten gender-mainstreaming-poli- re-der-politischen (Abruf: sich in antifeministischen und politisch Rechten am tische-geschlechtsumwand- 13.10.2017). Netzwerken Frauen wie Beispiel des Widerstands lung-1327841.html (Abruf: Männer engagieren. gegen den Bildungsplan in 13.10.2017). 31 Ebd. Baden-Württemberg. https:// 2 Dohm, Hedwig (1902): www.rosalux.de/publikation/ 22 Vgl. Lang, Juliane (2015): 32 Vgl. Billmann, Lucie Die Antifeministen. Ein Buch id/3984/unheilige-allianz/ Familie und Vaterland in der (2015) (Hg.): Unheilige Allianz. der Verteidigung. Berlin: Herd (Abruf: 13.10.2017). Krise. Der extrem rechte Das Geflecht von christ- Dümmlers Verlagsbuchhand- Diskurs um Gender. In: Hark, lichen Fundamentalisten lung, S. 9. 14 Der Spiegel / Matthias Sabine/ Villa, Paula-Irene und politisch Rechten am Matussek (2017): Die Frauen (Hg.): Anti-Genderismus. Beispiel des Widerstands 3 Ebd. sind schuld. Spiegel-Special Sexualität und Geschlecht als gegen den Bildungsplan in vom 1.5.1998. http://www. Schauplätze aktueller politi- Baden-Württemberg. 4 Vgl. Schrupp, Antje spiegel.de/spiegel/spiegelspe- scher Auseinandersetzungen. (2017): Warum Antifemi- cial/d-7719685.html (Abruf: Bielefeld: Transcript-Verlag, 33 Aus: Aufruf der Initiative nismus mich nicht interes- 13.10.2017). 167-182. »Demo für alle« zur Demons- 15 siert. https://antjeschrupp. tration am 01.03.2014 in com/2017/08/02/warum-an- 15 Vgl. Faludi, Susan 23 Vgl. Roßhart, Julia Stuttgart. tifeminismus-mich-nicht-in- (1995): Backlash. Die Männer (2007): Bedrohungsszenario teressiert/ (Abruf: 13.10.2017). schlagen zurück. Hamburg: Gender – Gesellschaftli- 34 Vgl. Frankfurter Rund- Rowohlt. ches Geschlechterwissen schau/ Katja Thorwart: Offen 5 Hark, Sabine/ Villa, Pau- und Antifeminismus in der auf Basis des Ariernachweises. la-Irene (2017): Unterscheiden 16 Exemplarisch: Das Medienberichterstattung Online: http://www.fr.de/ und herrschen. Ein Essay zu Spiegel-Heft unter dem Titel zum Gender Mainstreaming, politik/meinung/kolumnen/ den ambivalenten Verflech- »Schlaue Mädchen, dumme Magisterarbeit der Sozial- identitaere-bewegung-of- tungen von Rassismus, Jungen« (Spiegel 21/2004). und Wirtschaftswissenschaf- fen-auf-basis-des-ariernach- Sexismus und Feminismus ten, Universität Potsdam. weises-a-1292598 (Abruf: in der Gegenwart. Bielefeld: 17 Manndat (2015): 13.10.2017). Trnascript-Verlag, S. 90. Bildungspolitische Benach- 24 Der Spiegel/ Pfister, teiligung von Jungen als René: Der neue Mensch. In: 35 https://manndat.de/ 6 Ebd. Frauenfördermittel. https:// Spiegel Heft 01/2007. interview/hans-thomas-till- manndat.de/jungen/ schneider-mdl-sachsen-an- 7 Karsch, Margret (2016): bildungspolitische-be- 25 Röhl, Bettina: Die halt-fordert-im-manndat-in- Feminismus. Geschichte – nachteiligung-von-jun- Gender Mainstreaming-Stra- terview-eine-neuorientie- Positionen. Bonn: Bundeszen- gen-als-frauenfoerdermittel. tegie. In: Cicero. Magazin rung-der-geschlechterpolitik. trale für politische Bildung, S. html (Abruf: 13.10.2017). für politische Kultur. Cicero html (Abruf: 13.10.2017). 289. Online Spezial, April 2005. 18 Vgl. Stange, Jennifer 36 Nicole Höchst, Rede 8 Lang, Juliane/ Peters, (2014): Evangelikale in 26 Vgl. Wiczorek, Anne am 1.3.2018 im Deutschen Ulrich (2015): Antifeministi- Sachsen. Ein Bericht. Her- (2014): Weil ein Aufschrei Bundestag. Online: https:// sche Geschlechter- und Fami- ausgegeben von weiterden- nicht reicht: Für einen Femi- www.youtube.com/watch?- lienpolitiken von Rechts, in: ken, Heinrich-Böll-Stiftung nismus von heute. Berlin: v=smVs-hzeJLc (Abruf: MBT Hamburg (Hg.): Moni- Sachsen. Fischer-Verlag. 10.10.2018). toring No. 4. Internet: http:// hamburg.arbeitundleben.de/ 19 Gender Mainstreaming 27 The European/ Kelle, img/daten/D28148360.pdf als von der Europäischen Birgit (2013): Dann mach (Abruf: 13.12.2017). Union 1998 im Vertrag von doch die Bluse zu! In: The Amsterdam verabschiedete, European vom 29.1.2013. 9 Karsch, Margret (2016): 2003 in bundesdeutsches http://www.theeuropean.de/ Feminismus. Geschichte – Recht gegossene gleichstel- birgit-kelle/5805-brueder- Positionen, S. 293. lungspolitische Strategie hielt le-debatte-und-sexismus?pa- seitdem im Top-Down-Ver- ge=38#comment_23747 10 Dohm, Hedwig (1902): fahren Einzug in deutsche (Abruf: 13.1.2017). Die Antifeministen. Ein Buch Amtsstuben. Zu den zeitlich der Verteidigung, S. 11. versetzten Wechselwirkungen 28 Vgl. Timmermann, Ste- von Gender Mainstreaming fan/ Tuider, Elisabeth (2008): 11 Frey, Regina/ Gärtner, als gleichstellungspolitischer Sexualpädagogik der Vielfalt. Marc/ Köhnen, Manfred/ Strategie und den Angriffen Praxismethoden zu Identi- Scheele, Sebastian (2014): gegen selbige siehe: Scheele, täten, Beziehungen, Körper Gender, Wissenschaftlichkeit Sebastian (2015): Das tronja- und Prävention für Schule und Ideologie. Argumente nische Zombie-Pferd. Fünf und Jugendarbeit. Weinheim: im Streit um Geschlech- Thesen zu einer diskursiven Juventa Verlag. terverhältnisse, Hein- Verschiebung im gegenwär- rich-Böll-Stiftung, Schriften tigen Antifeminismus. In: Der Feind meines Feindes ist mein Freund 16 Antifeminismus als Schnittstelle zwischen konservativer und extremer Rechter

Tanja Gäbelein

Antifeminismus ist so alt wie der Feminismus dabei zunächst Autor*innen des konservati- selbst. Überall dort, wo sich Feminist*innen ven Meinungsspektrums den Begriff »Gender« erhoben, um ihre Rechte und Freiheiten einzu- sowie die EU-weite Strategie zur Geschlech- fordern, gab es Personen und Gruppierungen, tergleichstellung »Gender-Mainstreaming«. In die sich dem entgegenstellten. Schon zu Zeiten den folgenden Jahren entwickelte sich daraus des Deutschen Kaiserreichs kam es dabei zu eine sowohl im Feuilleton namhafter Zeitungen Allianzen zwischen unterschiedlichen Akteu- als auch in extrem rechten Blättern geführte rInnen von völkischen NationalistInnen über Debatte über die vermeintlichen Gefahren Burschenschaften bis hin zu Konservativen, die staatlicher Programme zur Förderung der die vermeintlich »natürliche Ordnung« durch Geschlechtergleichstellung. Während extrem Frauenwahlrecht und studierende Frauen* in rechte AutorInnen dabei immer wieder Bezug Gefahr sahen.1 nahmen auf konservative Autor*innen, ließ sich eine umgekehrte Bezugnahme zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen. Wider dem »Gender- Wahn« - Die zwei Wellen des Dies änderte sich in der zweiten Welle des Antifeminismus seit 2006 neuen Antifeminismus, die ihren Beginn im November 2013 in den Protesten gegen den Bil- Seit Mitte der 2000er lässt sich eine erste »neue dungsplan 2015 in Baden-Württemberg nahm. Welle« des Antifeminismus ausmachen. Mit Konservative Eltern, christliche Fundamenta- dem Vorwurf einer Agenda der »politischen listInnen und die neu gegründete AfD pro- Geschlechtsumwandlung« (Volker Zastrow, testierten damals zunächst mit einer Petition, FAZ) und der Schaffung eines »neuen Men- ab 2014 mit regelmäßigen Demonstrationen schen« (René Pfister, Der Spiegel) attackierten der Besorgten Eltern gegen jene Passagen des Bildungsplans, die die altersgerechte Aufklä- Schnittmengen rung der Schulkinder hinsichtlich sexueller und im extrem rechten und geschlechtlicher Vielfalt vorsahen. Wie schon konservativen Geschlechter- 2006 Zastrow die vermeintliche Umerziehung und Familienkonzept der Bürger*innen im Gender-Mainstreaming prophezeite, vermuteten die Besorgten Eltern Schnittmengen zwischen extremer und kon- in der Sexualpädagogik der Vielfalt nun den servativer Rechter im Bereich der Familien- Versuch der »staatlichen Umerziehung« ihrer und Geschlechterpolitiken können dabei nicht Kinder. Bald schon wurde die Organisation wirklich verwundern. So findet die Familie im der Demonstrationen, die bis heute stattfin- Rechtsextremismus als kleinste Einheit der den, von der Initiative Familienschutz aus dem Volksgemeinschaft ihren notwendigen Aus- hochadelig-klerikalen Kampagnen-Netzwerk druck in der heterosexuellen, binären Ehe um die AfD-Politikerin Beatrix von Storch mit Kindern. Dabei gelten Frau und Mann als übernommen und enorm professionalisiert. komplementär aufeinander bezogen – qua Mit diesem Führungswechsel einher ging auch Geschlecht werden ihnen verschiedene, sich die Umbenennung in Demos für alle (in Anleh- ergänzende Aufgaben zum Erhalt der Volks- nung an die französische Manif pour tous) und gemeinschaft übertragen. Während der Mann eine schrittweise Ausweitung des Themenspek- sich außerhalb des Hauses um die ökonomi- trums. So richten sich die Demonstrationen sche Versorgung der Familie, um Politik und nun unter dem Motto »Stoppt Gender-Ideo- Verteidigung der Volksgemeinschaft kümmert, logie und die Sexualisierung unserer Kinder!« obliegt es der Frau, sich innerhalb des Hauses gegen Sexualpädagogik der Vielfalt, die Ehe für um die biologische wie auch kulturelle Repro- alle, gegen Gender-Mainstreaming und Gender duktion der Volksgemeinschaft zu kümmern. Studies. Konkret bedeutet dies, möglichst viele weiße deutsche Kinder zu gebären und diese nach Die Demonstrationen und die zugehörigen völkischen Idealen zu erziehen. Geschlecht Web-Auftritte geben sich betont bürgernah wird damit zum elementaren Platzanweiser, und familienfreundlich. Entsprechend dem der die völkische Ordnung aufrechterhält. Das französischen Corporate Design dominieren Konzept der heterosexuellen Mehrkinderfami- die Farben pink und blau als vermeintliche lie als einzig denkbare Lebensform bildet den Mädchen- und Jungenfarben, es fliegen Luft- Rahmen, innerhalb dessen die gesellschaftliche ballons. Größere Gruppen glatzköpfiger Män- Reproduktion garantiert wird. ner sind nicht zu sehen, ebenso wenig werden rechtsextreme Parolen skandiert. Stattdessen Auch im Konservatismus gilt die bürgerliche ist es eher ein im konservativen bis funda- Kleinfamilie, bestehend aus Vater, Mutter mentalchristlichen Bereich anzusiedelndes und mehreren Kindern als scheinbar natürli- Publikum, das die Demonstrationen bespielt. che Lebensform. So findet sich die Wendung Und doch lässt sich beobachten, dass mit der von der (heterosexuellen Klein-) Familie als Rede von »Genderismus« und »Gender-Ideo- »Keimzelle der Gesellschaft« nicht nur im logie« eine zentrale Argumentationsfigur des Grundsatzprogramm der AfD, sondern auch extrem rechten antifeministischen Diskurses, in ablehnenden Stellungnahmen des CSU-Prä- entwickelt in den Debatten Mitte der 2000er, sidiums zur Öffnung der Ehe für homosexuelle Einzug halten konnte in breitere gesellschaft- Paare. Diese Vorstellung von Familie basiert liche Debatten. Der Begriff »Genderismus« zum einen auf der biblischen Vorgabe, die unterstellt dabei die Existenz eines omnipo- Ehe müsse auf die »Weitergabe des Lebens« tenten Staatsfeminismus, dessen Ziel es sei, im Sinne leiblicher Kinder eines heterosexu- über Gender-Mainstreaming, Gender Studies ellen Paares ausgerichtet sein, zum anderen und die Ehe für alle sowie über die zuneh- wird auf bewährte Traditionen und Ordnungen mende Übernahme der Erziehung durch den verwiesen, die es zu wahren gelte. Mit Blick Staat (Sexualpädagogik, Ausbau von Krippen- auf die Rolle der Geschlechter wird weiterhin plätzen) die heterosexuelle Kleinfamilie als mit Ehegattensplitting und Betreuungsgeld Fundament der Gesellschaft zu zerstören. Als das Familienernährermodell, in dem die Frau Folge komme es dann zu einem gesamtgesell- für Haushalt und Kinder, der Mann für das

Größere Gruppen glatzköpfiger Männer sind nicht zu sehen, ebenso wenig Männer sind nicht zu sehen, ebenso wenig Gruppen glatzköpfiger Größere es eher ein im ist Stattdessen skandiert. Parolen rechtsextreme werden anzusiedelndes Publikum, Bereich bis fundamentalchristlichen konservativen bespielt. das die Demonstrationen schaftlichen Niedergang. Familieneinkommen zuständig ist, verteidigt. 17 Dennoch hat auch in konservativen Kreisen ein Auswirkungen auf die pragmatischer Umgang mit den Anforderungen gesellschaftliche Debatte eines neoliberalisierten Arbeitsmarktes Einzug gehalten. Arbeitende Frauen gelten mittler- Trotz dieser Unterschiede bleibt festzustellen, weile als normal, der Ausbau von Kita-Plätzen dass es die extreme Rechte in den vergangenen und die Förderung von Frauen in Führungspo- Jahren geschafft hat, ideologische Versatzstü- sitionen wird auch von Teilen der Unionspar- cke im konservativen Diskurs um Familie und teien sowie der SPD vorangetrieben. Geschlecht zu platzieren.

Weitere Unterschiede zwischen konservati- Ein Beispiel hierfür ist die bevölkerungspoli- ven und extrem rechten Geschlechter- und tische Argumentation, der zufolge jede Fami- Familienpolitiken zeigen sich im Umgang mit lie dem Erhalt des deutschen Volkes durch Abweichungen von der heterosexuellen Norm. Reproduktion dienen muss – insbesondere in So bedroht »der« Feminismus aus rechtsext- Zeiten gestiegener Einwanderung. Die funda- remer Perspektive den Fortbestand der Volks- mentalchristliche Autorin und Rednerin auf gemeinschaft durch die Pluralisierung an verschiedenen Demos für alle, Gabriele Kuby Lebensgemeinschaften und Geschlechterkon- erklärte dazu in einem Interview: zepten. Ohne klar definierte Geschlechterrol- len und die heterosexuelle Mehrkinderfamilie »Die Geburtenraten in fast allen Ländern als leitenden Rahmen löst sich die völkische Europas sind weit unter Erhaltungsniveau Ordnung auf, gerät die Reproduktion des deut- gesunken. [...] Für [...] Deutschland bedeutet schen Volkes ins Wanken. »Gender« wird in das, dass der islamische Bevölkerungsanteil diesem Sinne verstanden als chaotisches, belie- rasant wächst. Welche Folgen das hat, hat Thilo biges Gegenbild zur wohlgeordneten Volksge- Sarrazin in seinem Buch ›Deutschland schafft meinschaft, der sogenannte Volkstod gilt als sich ab‹ beschrieben.« logische Konsequenz. Und auch die mittlerweile im deutschen Bun- In konservativen Kreisen fallen die Reaktionen destag vertretene AfD erklärt, die sogenannte auf die Pluralisierung von Geschlechter- und Familienkonzepten weitaus vielfältiger aus. »Gender-Ideologie ist verfassungsfeindlich. […] So hagelte es über Jahre harsche Kritik und Sie will die klassische Familie als Lebensmodell Ablehnung der Ehe für homosexuelle Paare, und Rollenbild abschaffen. Damit steht sie in insbesondere aus dem fundamentalchristlichen klarem Widerspruch zum Grundgesetz, das Spektrum – die Demos für alle sind hierfür die (klassisch verstandene) Ehe und Familie als ein anschauliches Beispiel. Dennoch ist die staatstragendes Institut schützt, weil nur die- Öffnung der Ehe letztlich auch mit Stimmen ses das Staatsvolk als Träger der Souveränität aus SPD, CDU und CSU durchgesetzt worden. hervorbringen kann.«2 18 Auch ist festzuhalten, dass die von Konserva- tiven angestrebte Gesellschaft wesentlich plu- Ein weiteres Beispiel ist die verschwörungsthe- raler ist und vor allem auf einem gemeinsamen oretische Rede von einer vermeintlichen staat- Wertekanon beruht, während für die rechtsex- lichen Umerziehung durch Sexualpädagogik treme Volksgemeinschaft das Motiv der rassis- der Vielfalt und Gender-Mainstreaming. Die tischen Zugehörigkeit unumgänglich ist. AfD beispielsweise bezeichnet Sexualpädago- gik als »Versuch, […] durch staatlich geförderte Umerziehungsprogramme in Kindergärten und Schulen das bewährte, traditionelle Famili- enbild zu beseitigen.« Diese Argumentation wird ebenfalls prominent von der fundamen- talchristlichen Autorin und Kolumnistin Birgit Kelle vertreten, die zahlreiche Demos für alle mitorganisierte und verschiedentlich von CDU und CSU als »Expertin für Gender-Mainstre- aming« geladen wurde. In Interviews spricht sie von Gender-Mainstreaming als »totalitäre So bedroht »der« Feminismus aus rechtsextremer Perspektive den Fortbestand der Volksgemeinschaft durch die Pluralisierung an Lebensgemeinschaften und Geschlechterkonzepten.

Gleichmacherei« und von »Volks-Umerzie- Was also tun? hern«, die die Gesellschaft dazu zwingen woll- ten, Homosexualität gut zu finden. In diesem Es bleibt festzuhalten, dass sich die Sagbar- Zusammenhang ist in der AfD wie auch bei keit und Diskutierbarkeit von Positionen im Kelle immer wieder von einer sogenannten Bereich Geschlecht und Familie in den ver- »Homo-Lobby« die Rede, die ebendiese ver- gangenen Jahren weit nach rechts verschoben meintliche Umerziehung durch den Staat vor- hat. Diese Entwicklung steht im Kontext einer antreiben würde. allgemeinen Rechtsverschiebung, die weite Teile gesellschaftlicher Debatten und politi- Nicht zuletzt sei auf das mittlerweile in anti- schen Handelns erfasst hat. In dieser Situation feministischen Kreisen verbreitete Schlagwort braucht es kluge Analysen, geduldige Erklärung »Frühsexualisierung« aufmerksam gemacht. und laute Stimmen, die extrem rechte, anti- So erklärt die AfD: »Unsere Kinder dürfen feministische und rassistische Positionen als nicht zum Spielball der sexuellen Neigungen solche markieren und dem eigene Alternativen einer lauten Minderheit werden. Das ideolo- entgegensetzen. gische Experiment der Frühsexualisierung ist sofort zu beenden.« Mit Blick auf eine Aufklä- rungsbroschüre des Berliner Senats schrieb der Bild-Autor Gunnar Schupelius in ganz ähnlicher Manier, schon kleine Kinder sollten mit dieser Broschüre von »sexuellen Spielarten erfahren«. Diese aus dem rechtsextremen Spek- trum stammende Argumentationsweise stellt eine Verbindung zwischen Homosexualität und Pädophilie her. Kinder würden durch Sexu- alpädagogik der Vielfalt für pädophile Über- 19 griffe vorbereitet oder die Erziehung selbst werde von Pädophilen durchgeführt. Heute findet sich dieses Argument auch bei Masku- 1 Mit dem Gender-Stern für Personen soll in diesem listen, christlichen FundamentalistInnen und Text darauf verwiesen werden, Pegida-AnhängerInnen. dass ich Geschlecht nicht als biologische Tatsache, sondern als gesellschaftliches Konstrukt verstehe. Für völkische NationalistInnen und christliche Fundamenta- listInnen hingegeben nutze ich das Binnen-I, da in ihrer Weltanschauung queere Pers- pektiven keinen Platz finden.

2 Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht schon 2013 festgestellt, dass der grundgesetzliche Familienbegriff auch auf die sozial-familiäre Gemein- schaft von eingetragenen Lebenspartner*innen mit Kindern Anwendung findet. 20

Im Feindbild vereint - Reaktionäre bei der »Demo für Alle« am 30. Oktober 2016 inWiesbaden Zugpferde der antifeministischen Reaktion: (v.l.n.r.) Johannes Elverfeldt, Cornelia Kaminski, Birgit Kelle, Hedwig von Beverfoerde, Ludovine de la Rochère, Mathias von Gersdorff und Leni Kesselstatt bei der »Demo für Alle« am 25. Juni 2017 in Wiesbaden.

Besorgte Männer – Transparent bei der »Demo für Alle« am 30. Oktober 2016 in Wiesbaden 21 Von Antifeminismus zu »Anti-Genderismus«? Eine diskursive Verschiebung und ihre Hintergründe

Sebastian Scheele 22

Über analytische Begriffe Aber: Wenn »Gender« ein analytischer und Kampfbegriffe Begriff ist, eine Kategorie gesellschaftlicher Ungleichheit und Hierarchisierung, dann sind Ein zentraler Begriff, der bekanntermaßen im eigentlich Feminist_innen die tatsächlichen Zentrum vieler Debatten und Angriffe steht, ist »Gender-Gegner_innen«. Und diejenigen, die »Gender«. Der Begriff hat zur Zeit zwei ganz »Gender« als gesellschaftliche Strukturkate- unterschiedliche Verwendungen. Zum einen gorie, als heteronormatives Machtverhältnis ist er ein in feministischer Tradition stehender lautstark aufrechterhalten möchten, sind gen- analytischer Begriff; er bezeichnet die gesell- augenommen »Gender-Verteidiger_innen«, schaftliche Strukturkategorie Geschlecht. Zum und eben nicht »Gender-Gegner_innen«. anderen bezeichnet er von antifeministischer Pointiert gesagt: Wenn wir die Antifeminist_ Seite einen Kampfbegriff – ein »Bedrohungs- innen als »Gender-Gegner_innen« bezeichnen, szenario«, wie es die Sozialwissenschaftlerin übernehmen wir damit eigentlich deren »Gen- Julia Roßhart genannt hat. Dieser antifemi- der«-Verständnis (oder eher Unverständnis). nistische Kampf richtet sich gegen »Gender« als analytischen Begriff. Denn an Geschlecht Diese Überlegungen beziehen sich zum einen gebe es nichts zu analysieren, alles sei natürlich, auf den Gender-Begriff selbst, zum anderen beispielsweise festgelegt durch evolutionäre genauso auf einen zweiten Begriff: Genderis- Notwendigkeiten oder durch Gottes Schöp- mus. Es gibt auch hier zwei Begriffsverwen- fungsordnung. Das macht es auf den ersten dungen: zum einen eine kritisch-analytische, Blick naheliegend, von Antifeminist_innen als und zum anderen eine Verwendung als antife- »Gender-Gegner_innen« zu sprechen. ministischen Kampfbegriff. Der kritisch-ana- lytische »Genderismus«-Begriff ist nicht allzu weit verbreitet, ungleich weniger als der »Gender«-Begriff. Er tauchte vor Jahrzehnten politischer Kampfbegriff etabliert und verfes- in den Sozialwissenschaften auf bei Erving tigt werden. In der Gegner_innenaufklärung Goffman, und wird aktueller – etwas anders können wir uns daher nicht damit zufrieden konturiert – von Lann Hornscheidt genutzt. geben, das Phänomen als »Anti-Genderismus« Ganz grob skizziert: Goffman nutzt Genderis- zu bezeichnen. mus als Bezeichnung für die Kategorisierung nach Geschlecht.1 Hornscheidt nutzt Gend- Was wäre eine analytische Bezeichnung für jene erismus als Bezeichnung für eine Diskrimi- gegnerischen Bewegungen, die sich selbst als nierungsform begrifflich ähnlich zu Sexismus, »gegen Genderismus gerichtet« verstehen? Eine aber konzeptionell darüber hinausgehend. inhaltlich treffendere Bezeichnung ist »Antife- Auf den Punkt gebracht, mit Hornscheidt: minismus«. Dieser Begriff lässt die historischen »Genderismus schafft Gender als Kategorie«.2 Kontinuitäten klarer heraustreten, und wir etablieren damit nicht ungewollt gegnerische Antifeminist_innen nutzen Genderismus in Konzepte als vermeintlich zutreffende Analyse. einer zweiten Bedeutung: als alles, das sie – Die begriffliche Herausforderung ist nun, wie im beschriebenen diffusen und falschen Sinne wir innerhalb dieses Rahmens »Antifeminis- – mit »Gender« verbinden3. Als Synonym für mus« über Veränderungen sprechen können. »Gender-Ideologie«, »Gender-Wahn«, »Gen- Wenn die Frage lautet: Gibt es eine diskursive derei«, »Genderisierung«, »Gender-Gaga« und Verschiebung von Antifeminismus zu Antigen- ähnliche Kampfbegriffe. Genderismus ist das derismus? Ist die Antwort: Nein, die gibt es Bedrohungsszenario »Gender« gesteigert um nicht in dem Sinne, denn »Antigenderismus« die Silbe »- ismus«, so dass es noch mehr nach wäre eher ein Teil antifeministischer Selbstbe- einer Ideologie und nach etwas Totalitärem schreibung, nicht etwas, das Antifeminismus klingt. ablöst. Gleichzeitig: Ja, in den letzten Jahren kann eine Verschiebung beobachtet werden Wir haben bei diesen beiden Begriffsverwen- von einer Variante von Antifeminismus zu einer dungen nun dasselbe Sinnverdrehungs-Pro- anderen Variante von Antifeminismus. blem, wie ich es eben für den Begriff »Gender-Gegner_innen« skizziert habe: Der sozialwissenschaftliche analytische Genderis- Vom männerzentrierten 23 mus-Begriff ist in den Augen der Antifeminist_ zum familienzentrierten innen Teil des Genderismus. Und andersherum: Antifeminismus Die Antifeminist_innen betreiben mit ihren naturalisierten Geschlechtervorstellungen in Ich möchte diese Verschiebung vorläufig Reinform das, was kritisch-analytisch als Gen- benennen als von einem männerzentrierten derismus bezeichnet wird. Schon dies macht Antifeminismus hin zu einem familienzentrier- »Anti-Genderismus« als analytischen Begriff ten Antifeminismus, oder genauer: zu einem zumindest kompliziert. Zusätzlich untauglich VaterMutterKind-zentrierten Antifeminismus. als analytischer Begriff für jene antifeministi- Andere Autor_innen haben diese neue Phase schen Bewegungen wird er jedoch aus einem »Familienfundamentalismus«4 oder »Familien- weiteren Grund, nämlich wegen seiner proble- populismus«5 genannt. Oder man könnte die matischen Implikationen: Er impliziert, dass es Verschiebung benennen als von einem masku- etwas gäbe, das zutreffenderweise »Genderis- listischen Antifeminismus zu einem familialis- mus« genannt werden könnte. Es gibt diesen tischen Antifeminismus. Genderismus nicht, den unsere Gegner_innen als Angstfantasie ausmalen, und es gibt daher Vorher standen im Zentrum der antifemi- keinen Anti-Genderismus – außer in der Selbst- nistischen Argumentation die Männer: Vor- wahrnehmung jener, die an diese Angstfantasie stellungen von Männerdiskriminierung, glauben. Wenn wir ihre Selbstwahrnehmung Männlichkeitsabwertung, Männerfeindschaft, zum analytischen Begriff adeln, geben wir Legitimationen von männlicher Herrschaft – damit einem Aspekt der antifeministischen verschiedene Varianten, aber als gemeinsames Weltbeschreibung recht. Derartige Begriffe diskursives Zentrum: »Der Mann«. Beispiel- haben eine strategisch-diskursive Dimension, haft für diese vorherige Phase können Gruppen und sogar mit der Vorsilbe »Anti-« kann ein genannt werden wie Väteraufbruch für Kinder (VafK), MANNdat, oder das Internetforum Unterschiede bezogen auf das jeweils mobi- wgvdl (Wieviel ›Gleichberechtigung‹ verträgt lisierte Geschlechterwissen: Von einem eher das Land?) und die damit verbundene antife- biologistischen Geschlechter-Paradigma hin zu ministische Wikipedia-Imitation wikiMAN- einem religiösen Sexualitäts-Paradigma. Beide Nia.6 Jetzt, sagen wir seit 2010 oder 2011, hat schließen sich nicht logisch aus, aber die Ten- sich das verschoben: Jetzt stehen im Zentrum denz ist dennoch bemerkenswert: eine wesent- der antifeministischen Argumentation spezi- lich stärkere Sichtbarkeit und Mobilisierung fische Familienkonstellationen: miteinander des religiösen antifeministischen Geschlechter- verheiratete heterosexuelle Cis-Gender inklu- wissens als noch vor wenigen Jahren. Beispiele sive gemeinsam in die Welt gesetzter Kinder. dafür wären die kampagnenförmig gesteuerten In der Sprache des politischen Gegners heißt Demonstrationen Demo für alle und Besorgte diese Konstellation schlicht »die Familie«, als Eltern, oder auch die Märsche gegen reproduk- naturgemäße Einheit aus VaterMutterKind. Die tive Rechte (in Berlin seit 2008 jährlich und mit sich darum rankenden Argumentationen funk- zunehmender Größe). tionieren unterschiedlich, gemeinsam ist ihnen das diskursive Zentrum »VaterMutterKind« als Der männerzentrierte Antifeminismus hinge- Symbol von Heterosexualität und Geschlech- gen ist in den letzten Jahren wesentlich weni- terbinarität. Die bürgerliche heteronormative ger wahrnehmbar gewesen. Noch vor einigen Kernfamilie steht in diesem Szenario in gefühl- Jahren – bis vielleicht 2010 – zog jährlich eine ter Verteidigung gegenüber einer Unterdrü- bundesweite Demo des Väteraufbruch für Kin- ckung durch »Minderheiten«, insbesondere der durch Berlin, die auch medial präsent war, »Minderheiten«, denen eine bedrohliche Sexu- zum Beispiel als sich der Schauspieler Mathieu alität oder Geschlechtsidentität zugeschrieben Carrière 2006 vor dem Justizministerium

Es geht um eine auf spezifische Weise rassistisch, nationalistisch, klassistisch, sexistisch, homophob aufgeladene Familien-Norm.

wird. Es geht um eine auf spezifische Weise »kreuzigen« ließ. Einige Akteure haben den rassistisch, nationalistisch, klassistisch, sexis- Diskurs in beiden Phasen bedient und sozu- tisch, homophob aufgeladene Familien-Norm. sagen selbst die Verschiebung mitgemacht. Einige haben das Thema schon länger in diesem Das Angst-Szenario »Geschlechterkampf« wird Sinne beackert. Es gab auch schon Vorboten abgelöst vom Angst-Szenario »Umerziehung dieser Verschiebung: Um 2006/2007 gab es & Sexualisierung«. Vielleicht bezieht sich eine »erste Welle« der polemischen Kritik an die Verschiebung auch auf die jeweils zentral Gender Mainstreaming: Sie wurde befeuert von thematisierten gesellschaftlichen Kategorien: Artikeln insbesondere von Volker Zastrow in Von Geschlecht und Geschlechterhierarchie der FAZ und im manuscriptum Verlag, sowie zu Sexualität und Heteronormativität. Die Texten in Spiegel, Stern, Cicero, Junge Freiheit. vermeintlich zu verteidigenden Opferfiguren Auch das christlich-fundamentalistische Spek- wechseln, es geht nicht mehr um den Mann trum war damals bereits beteiligt (zum Bei- als Opfer zum Beispiel von Arbeitsplatzverlust spiel die Offensive Junger Christen). Diese klar wegen der Quote, die »entsorgten« Väter, die identifizierbare, fast kampagnenförmige erste männlichen Opfer von Gewalt durch Frauen Welle wurde schon damals kritisch analysiert, etc., sondern um die Entsorgung gleich der zum Beispiel von Julia Roßhart7 bereits Ende gesamten Familie, und um den Klassiker kit- 2007: Sie beschreibt darin das bereits erwähnte schig-paternalistischer, projektiver moral »Bedrohungsszenario Gender«, und bilanziert panic: »Denkt an die Kinder!«. Auch gibt es diese erste Welle: »Es zeichnet sich ab, dass 24 sich einige Delegitimierungsstrategien über die dass Gender Mainstreaming als untote Angst- Debatte hinaus verfestigen und Politiken rund fantasie im VaterMutterKind-Antifeminismus um den Begriff ›Gender‹ negativ besetzt wer- weiterlebt. Im Zuge des Rückbaus von Gender den.« Das ist genau das, was dann geschehen Mainstreaming sind die Anstrengungen ein- ist: Das ist genau die Verschiebung, die wir jetzt gestellt worden, Gender Mainstreaming zu auf breiter Basis beobachten können. kommunizieren oder gegen Angriffe zu vertei- digen. Das hat der Hetze 2006 und 2007 nichts Zu dieser Verschiebung haben sicherlich ver- mehr entgegengesetzt. Die antifeministische schiedene Hintergründe und Faktoren beige- Diskurshoheit über Gender Mainstreaming tragen.8 Ich möchte mich im Folgenden jedoch stellt sich aus dieser Perspektive als Versäum- auf Faktoren aus zwei Bereichen konzentrieren: nis politischer Institutionen dar, ihre eigene aus dem engeren Bereich der Geschlechter- Gleichstellungspolitik offensiv zu vertreten politik, und aus dem Bereich der politischen und öffentlich zu vermitteln. Gesamtlage im weiteren Sinne.

Geschlechterpolitik Gleichstellungspolitische unter postdemokratischen (Rück-)Entwicklungen Bedingungen

Entwicklungen in der Gleichstellungspolitik Bernard Schmid analysiert die französischen könnten zur diskursiven Verschiebung beige- antifeministischen Mobilisierungen mit Bezug tragen haben, darunter: Die Verengung von auf die gegenwärtigen postdemokratischen Geschlechterpolitik auf Familienpolitik. Das Verhältnisse13: Da sich die Unterschiede zwi- junge Politikfeld Gleichstellungspolitik, das schen den großen politischen Lagern verwischt in den 1980er Jahren als Frauenpolitik begon- hätten, seien gerade geschlechterpolitische nen hat und sich dann zum Beispiel in Form Themen wichtig geworden, weil hier »Werte« von Gender Mainstreaming seit Mitte der 90er mobilisiert werden könnten.14 In der Postde- institutionalisierte, wurde bereits Mitte der mokratie werden die Geschlechterverhältnisse 2000er Jahre wieder zurückgeschraubt.9 Man- zum letzten symbolischen Rückzugsort des che sagen sogar, es wurde als eigenständiges Konservatismus. Geschlechterpolitik ist dafür Politikfeld wieder abgeschafft, und zu einem offenbar ein besonderes Politikfeld, das auf Teilbereich von Familienpolitik degradiert, besondere Art an Identitäten und Emotionen beispielsweise zentriert um die Vereinbarkeit rührt. In dieser Erklärung würden beispiels- von Familie und Beruf.10 Wenn unter Fami- weise Themen der Moral und insbesondere lienpolitik ein bevölkerungspolitisch moti- der Sexualmoral attraktiv in Zeiten, in denen vierter, selektiver Pronatalismus11 verstanden an anderen politischen Fragen nicht gedreht wird, dürfte dies zum Erstarken eines eben- werden kann. falls bevölkerungspolitisch argumentierenden VaterMutterKind-Antifeminismus beitragen. Offenbar ist Antifeminismus besonders geeig- net, die sonstigen weltanschaulichen Diffe- Eine weitere bemerkenswerte gleichstellungs- renzen innerhalb der angeblich alternativen politische Entwicklung ist Aufstieg und Fall Gruppierungen zu überdecken, also zum Bei- von Gender Mainstreaming. Ab 1999 wurde spiel zwischen Marktradikalen, völkischen Ras- Gender Mainstreaming im Rahmen der sist_innen, christlichen Fundamentalist_innen, rot-grünen Verwaltungsmodernisierung als bis hin zu esoterischen Verschwörungsan- verpflichtende Aufgabe für alle Ministerien hänger_innen. Das Feindbild »Gender« fun- verankert. Jedoch verlor sich der Elan des Auf- giert hier als argumentative Schnittstelle, als bruchs irgendwann; es gab weniger Unter- »Scharnier«15, als »Kitt« (Juliane Lang) 16 oder stützung »von oben«, weniger Aktivitäten, als »symbolischer Klebstoff« (Eszter Kováts)17. und schließlich war Gender Mainstreaming Eine solche vereinende Funktion über wel- auf Bundesebene still entschlafen.12 Wenn tanschauliche Differenzen hinweg konnte der wir es ganz einfach zusammenfassen wollen: männerzentrierte Antifeminismus offenkundig Auf der bundesdeutschen Ebene ist Gender nicht erreichen. 25 Mainstreaming tot. Es ist nun sehr seltsam, Die Verbindung zur Konjunktur rassistischer Mobilisierungen

Eine weitere und letzte politische Entwicklung möchte ich betrachten: die enorme Konjunktur rassistischer Mobilisierungen, die wir seit eini- gen Jahren und weiterhin gegenwärtig beob- achten können. Beide beschriebenen Varianten von Antifeminismus kennen Verbindungen zu rassistischen Argumentationen – aber, und das wäre hier meine These, diese Verbindungen sind unterschiedlicher Art, unterschiedlicher »Breite«.

Nach Überlegungen von Esther Lehnert und Vivien Laumann ist Geschlecht in der extremen Rechten wichtig auf zwei Ebenen18: Zum einen auf der Ebene der Geschlechtsidentität als sol- cher (Biologisierung und Naturalisierung, Ein- deutigkeit von Grenzziehungen, Stabilität der symbolische Ordnung), zum anderen auf der Ebene der Bevölkerungspolitik (Kinderkriegen als Kampfeinsatz in einem rassistischen demo- graphischen Bedrohungsszenario). Die erste Ebene der Geschlechtsidentität war bereits im männerzentrierten Antifeminismus ent- halten (konkret insbesondere biologistische, essentialistische Vorstellungen von Männ- lichkeit). Die Verknüpfungsmöglichkeiten im familienzentrierten Antifeminismus gehen nun darüber hinaus. Hier ist auch die bevölkerungs- politische Ebene enthalten: Die Familie wird an die Stärke der Nation oder der »Volksge- meinschaft« gebunden. Der familienzentrierte Antifeminismus kann hier andocken an die 26 rassistische demographische Panik von »Volks- tod« (Neonazismus), »Deutschland schafft sich ab« (Sarrazin), um die »Kultur des Todes« (christlicher Fundamentalismus) oder um die »Keimzelle der Nation« (AfD). Das heißt der familienzentrierte Antifeminismus ist auf mehr Ebenen an rassistische Logiken anschlussfähig Bei dem Text handelt es sich um eine gekürzte und als der männerzentrierte Antifeminismus. Es bearbeitete Version der Keynote auf der Tagung gibt daher eine stärkere Konvergenz, eine brei- »Gegner*innenaufklärung – Informationen und tere gemeinsame Stoßrichtung. Daher konnte Analysen zu Anti-Feminismus« des Gunda-Werner der Aufwind rassistischer Mobilisierungen zur diskursiven Verschiebung im Antifeminismus Instituts in der Heinrich-Böll-Stiftung vom 31.05.2016 beitragen. in Berlin. Das vollständige Skript findet sich online unter: http://www.gwi-boell.de/sites/default/files/ uploads/2016/08/scheele_diskursive_verschiebung_ antifeminismus.pdf und ›Mitte der Gesellschaft,‹ eine schlicht »quantitative« 17 Lotta –Antifaschis- 1 Vgl. dazu Hark, Sabine/ Vortrag auf dem Kongress Bevölkerungspolitik (ein Mehr tische Zeitung aus NRW, Villa, Paula-Irene (2015): »Respekt statt Ressentiment« an Geburten, wie der Begriff Rheinland-Pfalz und Hessen »Eine Frage an und für unsere von LSVD und Amadeu Anto- Pronatalismus suggeriert), (2014): ›Kampf dem Gend- Zeit« Verstörende Gender nio Stiftung, 10. Juni 2015, sondern eine »qualitative« erismus‹ – Antifeminismus als Studies und symptomatische Berlin, https://www.lsvd.de/ Bevölkerungspolitik (ein Mehr Scharnier zwischen extremer Missverständnisse, in: Hark, politik/respekt-statt-ressenti- an Geburten der »Richtigen«, Rechter, Konservatismus und Sabine/Villa, Paula-Irene ment/forum-1.html. ein Weniger an Geburten der bürgerlichem Mainstream, (Hg.): Anti-Genderismus – »Falschen«) – jedenfalls eine #57, https://www.lotta-maga- Sexualität und Geschlecht als 6 Zum Weiterlesen sei Bevölkerungspolitik. Bei- zin.de/ausgabe/57. Schauplätze aktueller politi- nur eine Broschüre genannt, spielsweise wurde das Eltern- scher Auseinandersetzungen, die dieses Spektrum genauer geld als einkommensabhängig 18 Lang, Juliane (2015): Bielefeld: transcript, 15-39 betrachtet: Claus, Robert ausgestaltet, was klassistisch Familienpopulismus und Anti- (hier: 17f). (2014): Maskulismus. Antife- wirkt. Dieser Effekt wurde feminismus als Kitt zwischen minismus zwischen vermeint- extremer Rechter und ›Mitte 2 »Genderismus ist ein 2010 nochmals verschärft licher Salonfähigkeit und der Gesellschaft,‹ Vortrag weiter ausdifferenzierter durch die Streichung auch unverhohlenem Frauenhass, auf dem Kongress »Respekt Begriff, der über ein her- des Sockelbetrages von 300 Berlin: Friedrich-Ebert-Stif- statt Ressentiment« von kömmliches Verständnis Euro für Eltern, die Hartz tung, online: www.fes.de/cgi- LSVD und Amadeu Antonio von Sexismus hinausgeht. IV beziehen – also für jene bin/gbv.cgi?id=10861&ty=pdf. Stiftung, 10. Juni 2015, Berlin, Genderismus ist die struktu- Familien, die das Elterngeld https://www.lsvd.de/politik/ relle Diskriminierungsform, am dringendsten brauchen. 7 Roßhart, Julia (2007): respekt-statt-ressentiment/ die Gender/Geschlecht als Bedrohungsszenario 12 Vgl. zum Aufstieg der forum-1.html. Kategorisierung schafft und Gender – Gesellschaftliches bevölkerungspolitischen über diese Kategorisierung Geschlechterwissen und Anti- Familienpolitik: Diskriminierungen, Hierar- feminismus in der Medienbe- chisierungen, Bewertungen richterstattung zum Gender 13 Lindecke, Christiane und Gewalt herstellt und Mainstreaming, Magister- (2005): Von der Gleichstel- re_produziert. […] Gend- arbeit, Universität Potsdam, lung der Geschlechter zur erismus schafft Gender als online: http://opus.kobv.de/ nachhaltigen Familienpolitik, Kategorie.« Zitiert nach: AG ubp/volltexte/2008/1837. in: WSI Mitteilungen, Heft Feministisch Sprachhandeln 8/2005, 473-477, online: der Humboldt-Universität 8 Zu einigen im Folgen- http://www.boeckler.de/ zu Berlin (2015): Was tun? den nur kurz behandelten wsimit_2005_08_lindecke. Sprachhandeln – aber wie? Themen hier detailliertere pdf. Oder die PROKLA-Hefte W_Ortungen statt Tatenlo- Überlegungen: Scheele, mit den Schwerpunkten sigkeit!, S. 57f., online: http:// Sebastian (2015): Das »Familie und Staat« (Heft 173, feministisch-sprachhandeln. trojanische Zombie-Pferd 2013), darin insbesondere org. – Fünf Thesen zu einer die Beiträge von Katharina diskursiven Verschiebung Hajek und Susanne Schultz, 3 Das In-Eins-Setzen im organisierten Antife- sowie »›Bevölkerung‹ – Kritik unterschiedlichster Dinge minismus, in: Burschel, der Demographie« (Heft 146, gelingt nur mit einer Friedrich (Hg.): Aufstand der 2007, online: http://www. gehörigen Portion Ignoranz, ›Wutbürger‹ – AfD, Christ- prokla.de/wp/wp-content/ interessegeleitetem Missver- licher Fundamentalismus, uploads/2007/Prokla146. stehen und Paranoia. Regina Pegida und ihre gefährlichen pdf), darin insbesondere die Frey nennt es »Mythen und Netzwerke. Dokumentation Beiträge von Heike Kahlert Vermischungen«, mit denen des Gesprächskreises Rechts und Ulrike Baureithel. Für der sogenannte Genderis- zu den Treffen in Halle und diesbezügliche Anregungen mus konstruiert wird. Vgl.: Rostock, Berlin: Rosa-Luxem- danke ich Andreas Kemper. Frey, Regina/Gärtner, Marc/ burg-Stiftung, 32-46, online: Köhnen, Manfred/Scheele, http://www.rosalux.de/filead- 14 Vgl. dazu Lewalter, Sebastian (2014): Gender, min/rls_uploads/pdfs/rls_ Sandra/Geppert, Jochen/ Wissenschaftlichkeit und papers/Papers_GK-Rechts. Baer, Susanne (2009): Leit- Ideologie – Argumente im pdf. prinzip Gleichstellung? – 10 Streit um Geschlechterver- Jahre Gender Mainstreaming 27 hältnisse, 2. aktualisierte 9 Vgl. Geppert, Jochen/ in der deutschen Bundesver- Auflage, Schriften des Gun- Lewalter, Sandra (2012): Poli- waltung, in: GENDER, Heft da-Werner-Instituts, Band tikfeld Gleichstellung: Insti- 1, 124–140. 9, Berlin: Heinrich-Böll-Stif- tutionalisierungsschritte und tung, S. 28ff, online: http:// Strategien auf Bundesebene, 15 Mit »Postdemokratie« www.gwiboell.de/sites/ in: Stiegler, Barbara (Hg.): ist der Zustand gemeint, in default/files/gender_wissen- Erfolgreiche Geschlechterpo- dem Politik nicht mehr als schaftlichkeit_und_ideolo- litik. Ansprüche – Entwick- Wahl zwischen verschiedenen gie_2aufl.pdf. lungen – Ergebnisse, Bonn: Möglichkeiten, als Streit um Friedrich-Ebert-Stiftung alternative Ziele und Wege 4 Gesterkamp, Thomas 5-17, online: http://library. besteht, sondern nur noch als (2010): Geschlechterkampf fes.de/pdffiles/wiso/08830- Ausführung von angeblichen von rechts – Wie Männer- 20120116.pdf. Sachzwängen unter dem Ban- rechtler und Familienfun- ner der »Alternativlosigkeit«. damentalisten sich gegen 10 Vgl. etwa Auth, Diana/ das Feindbild Feminismus Buchholz, Eva/Janczyk, 16 Schmid, Bernard (2014): radikalisieren (WISO Diskurs Stefanie (2010): Selektive Contre l‹amour? Massenpro- – Expertisen und Dokumen- Emanzipation: Analysen zur teste gegen die Homosexuel- tationen zur Wirtschafts- und Gleichstellungs- und Famili- lenehe in Frankreich, in: Lotta Sozialpolitik), Bonn: Fried- enpolitik: Barbara Budrich. – Antifaschistische Zeitung rich-Ebert-Stiftung, online: aus NRW, Rheinland-Pfalz http://library.fes.de/pdffiles/ 11 Bekanntermaßen geht und Hessen, Heft #57: wiso/07054.pdf. es nicht um einen Pronatalis- ›Kampf dem Genderismus‹ – mus für alle, sondern darum, Antifeminismus als Scharnier 5 Lang, Juliane (2015): dass – um einen liberalen zwischen extremer Rechter, Familienpopulismus und Minister zu zitieren – nicht Konservatismus und bürgerli- Antifeminismus als Kitt »die falschen Leute die chem Mainstream, 20-22. zwischen extremer Rechter Kinder kriegen«. Also nicht II Antifeminismus an der Hochschule. Akteure, Diskurse, Entwicklungen. 28 II Antifeminismus an der Hochschule. Akteure, Diskurse, Entwicklungen. 29 Die Freiheit der Wissenschaft und ihre Feinde 30 Angriffe auf die Geschlechterforschung bringen alle Sozial- und Geisteswissenschaften in Gefahr

Manfred Köhnen

Die ungarische Regierung verbot im August Akteursgruppen 2018 den Hochschulen des Landes das Angebot von Gender Studies-Studiengängen.1 Damit 1. Journalistische wurde dort die Freiheit der Wissenschaft mas- Gender-Gegnerschaft siv eingeschränkt. Ähnliche Bestrebungen gibt Seit 2005 erscheinen auch in seriösen Pub- es in Polen, Russland, Österreich und Deutsch- likationen Artikel, die ganz überwiegend in land. In Deutschland fordert dies etwa die AfD, meinungslastigen Formaten wie Kommentar, aber auch Teile der CDU. Glosse oder Leitartikel das Feindbild »Gen- der« heraufbeschwören4. Dabei wird zumeist Es gibt sehr verschiedene Lager, die die nicht differenziert zwischen feministischer Geschlechterforschung und die Gender Stu- Bewegung, staatlicher Gleichstellungspolitik, dies aus unterschiedlichen Motiven angrei- dem politischen Engagement von Wissen- fen.2 Im Folgenden geht es um Angriffe, die schaftler*innen und dem inter- oder trans- sich jenseits von wissenschaftlicher Kritik disziplinären Fach Gender Studies. In den mittels Pauschalisierung, Polemisierung, angesprochenen Artikeln wird all das gleichge- oder verzerrter Darstellung gegen ein sozial- setzt, um anschließend anhand von einzelnen und geisteswissenschaftliches Fach richten. Beispielen polemisch alles zu diskreditieren, Wer macht sowas und warum? Wir haben was in diesen Topf geworfen wurde. Der induk- fünf Cluster identifiziert. Zu beachten ist, tive Schluss ist zwar wissenschaftlich unzuläs- dass diese sich nicht immer scharf trennen sig, aber durch das Recht auf Meinungsfreiheit lassen, da es personelle und argumentative gedeckt – zumal in Meinungsformaten. Solche Überschneidungen gibt. Andererseits gibt es Artikel werden mittlerweile vielfach zitiert ohne innerhalb und zwischen den Gruppen auch ihren Charakter zu bezeichnen. Meinungsäu- sehr große Unterschiede.3 ßerungen, die es nie in den Wissenschaftsteil ihrer Publikationen geschafft hätten, wur- Homosexualität stellen sie als Bedrohung dar den im Diskurs zu Wahrheiten aufgewertet. – zum Beispiel indem Unterricht von Kindern Diese Publikationen haben auch stark zum und Jugendlichen für eine selbstbestimmte anti-gender-Framing beigetragen, indem dort Sexualität in »Frühsexualisierung« umgedeu- Begriffe geprägt wurden wie »Gender Wahn«, tet wird. Kohärenz ist in diesem Cluster ein »staatliche Umerziehung« und Ähnliches, die seltener Wert. Die Behauptung, die Erde sei anschließend in sozialen Medien und Parteien eine Scheibe, die Ablehnung von Wissenschaft große Verbreitung fanden. Politisch würde und der Glaube an den Kreationismus pas- ich die überwiegend männlichen Autoren mit sen in diesem Weltbild zusammen mit dem Positionen identifizieren, die vage mit »staats- Unwissenschaftlichkeitsvorwurf an die Gender kritisch-libertär« über »neoliberal«, »wertkon- Studies. Gabriele Kuby möchte einerseits die servativ« bis »nationalkonservativ« beschrieben Buchreihe Harry Potter verbieten lassen mit der werden können. Begründung, dass diese schwarze Magie wie- der in die Welt hole. Andererseits wirft sie den 2. Wissenschaftlichkeitswächter Gender Studies vor, unwissenschaftlich zu sein. Eine andere Gruppe wirft Arbeiten der Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit, Familia- Geschlechterforschung prinzipiell Unwissen- lismus5 und die Sorge um das »Aussterben des schaftlichkeit vor. Diese Gruppe stellt sich als deutschen Volkes« sind Berührungspunkte mit politisch neutral und nur an der Qualität von rassistischen und nationalistischen Ideologien. Wissenschaft interessiert dar. Die disziplinären Das zeigt auch der Artikel von Gabriele Kuby Vorlieben sind dabei durchaus verschieden: in der Jungen Freiheit 6. Ob beispielsweise eine sozialwissenschaftliche Richtung wie der kritische Rationalismus beim 4. Explizit antifeministische Blog Kritische Wissenschaft – critical science Akteurinnen und Akteure (sciencefiles.org) oder eine spezifische naturwis- Diese Gruppe bedient sich des Unwissenschaft- senschaftliche Richtung wie die Evolutionsbio- lichkeits-Vorwurfs, versteht sich aber gleich- logie beim Blog Alles Evolution – gemeinsam zeitig selbst als explizit politisch – sei es im ist ihnen, dass sie der Geschlechterforschung Selbstverständnis als Männerrechtler_innen, und den Gender Studies absprechen, wissen- als Antifeminist_innen, als Maskul(in)ist_innen schaftlich zu sein. Dabei bedienen sie sich oder in einem Eintreten für »Geschlechter- häufig Argumentationsmustern, die den oben demokratie«, das primär als Zurückdrängen genannten ähneln, fokussieren aber stärker auf »des Feminismus« verstanden wird. Dieses das Wissenschaftlichkeitsargument und sind Spektrum umfasst beispielsweise Vereine wie häufig akademisch gebildet. In Teilen der wis- MANNdat oder Agens, Autoren wie Gerhard senschaftlichen und der allgemeinen Öffent- Amendt oder Arne Hoffmann und Internet- lichkeit sind sie anschlussfähig, wenn es ihnen projekte wie WikiMANNia oder die wgvdl-Fo- gelingt ihr kulturelles Kapital »Wissenschaft- ren (Wieviel ›Gleichberechtigung‹ verträgt das lichkeit« einzusetzen. Damit verkaufen sie ihre Land?). Die Gruppe ist politisch schwer zu sehr speziellen politischen und wissenschaftli- verorten. In den Foren finden sich sehr auto- chen Vorlieben als allgemeines Interesse. Des- ritäre Haltungen und Gewaltphantasien, wie halb werde ich im Folgenden näher auf diese sie sonst eher aus der rechtsextremen Szene Gruppe eingehen. bekannt sind.

3. Christlicher Fundamentalismus 5. Rechte Organisationen Auch Autorinnen und Autoren aus dem christ- Schließlich haben in den letzten Jahren Akteu- lich-fundamentalistischen Spektrum üben sich rinnen und Akteure aus rechten und extrem in Kritik an Gender Studies und Geschlech- rechten Parteien und Szenen den Vorwurf der terpolitik. Inhaltlich setzen sie dabei eigene »Gender-Ideologie« geäußert. Beispielsweise Schwerpunkte wie die »Sorge« um die Sexu- veröffentlichte die FPÖ-PolitikerinBarbara almoral. Ihre Argumentationslinie ist zumeist Rosenkranz 2008 ein einschlägiges Buch mit die, dass Gleichstellungspolitik und Gender dem Titel MenschInnen. Gender Mainstreaming Studies eine Bedrohung für das christliche – Auf dem Weg zum geschlechtslosen Menschen. Abendland seien. Selbstbestimmungsrechte Die NPD hält in ihrem Parteiprogramm fest, dass 31 (schwangerer) Frauen oder gar offen gelebte sie »die naturwidrige Gender-Mainstreaming Ideologie ab[lehnt]«7 und aus neonazistischen vom Untersuchungsgegenstand hat, das es Zusammenhängen stammte die Kampagne Free nicht in Frage stellen möchte. So formuliert Gender: Raus aus den Köpfen – Gender-Terror etwa Volker Zastrow: abschaffen.Die AfD hat ebenfalls von Anfang an gegen Gender polemisiert. Man wolle, hieß es »Vielmehr behauptet ›Gender‹ in letzter Kon- 32 schon im Programm zur sächsischen Landtags- sequenz, dass es biologisches Geschlecht nicht wahl 2014, der »menschenfeindlichen Ideologie gebe. […] Diese eher philosophische Hypothese (des) verqueren Genderismus (…), der uns mit widerstreitet der ursprünglichsten Wahrneh- aller Macht aufgezwungen werden soll«, ent- mung und Empfindung der meisten Menschen, gegentreten. Das Thema wurde insbesondere den Religionen und naturwissenschaftlicher durch den christlich-fundamentalistischen Forschung«11. Flügel innerhalb der Partei bewusst auf die Agenda gesetzt.8 Zunächst überspitzt und verzerrt Zastrow die These von der sozialen Konstruktion von Im Folgenden sollen die Grundlinien der Geschlecht. Judith Butler behauptet keines- verschiedentlich durch diese Akteure vorge- wegs, dass es Geschlecht nicht gebe, sondern brachten Behauptungen gegen Gender Studies dass es sozial konstruiert sei12. Eine Brücke etwa dargelegt werden, damit in der Kritik darauf ist ebenfalls zugleich existent und konstruiert. differenziert eingegangen werden kann. Kennzeichnend ist hier auch, dass Zastrow der Philosophin Butler zum Vorwurf macht, eine »eher philosophische Hypothese« zu formu- Kommunikationsstrategien lieren. Daran zeigt sich, wie die völlig legitime Komplexität der wissenschaftlichen Diskussion 1. Abwerten und lächerlich genutzt wird, um die von den Gender-Geg- machen: »Gender-Gaga-Framing« nern abgelehnte Disziplin ins Lächerliche zu Leider ist es den Antifeministen im Anschluss ziehen.13 Es bleibt auch unklar, inwiefern die an die Artikel in FAZ und Spiegel und in der »Wahrnehmung und Empfindungen der meis- folgenden medialen Verhandlung gelungen ein ten Menschen und Religionen« eine Vorgabe Framing zu installieren, in dem jede kritische für die Wissenschaft sein sollten. Dann wäre die Beschäftigung mit sozialen Geschlechterver- Erde immer noch eine Scheibe und die Sonne hältnissen lächerlich erscheint. Erkennbar ist würde um die Erde kreisen. diese Strategie des Framings an Begriffen wie »Gender-Gaga«9, »Gender-Wahn« (AfD) oder »Gender Ideologie« (sciencefiles.org). Mit sol- chen Begriffen wird der Eindruck transportiert, Geschlechterforschung und Gleichstellungs- politik seien verrückte Ideen ohne politische Notwendigkeit oder wissenschaftlichen Gehalt. Diese Behauptungen werden in der Regel nur aufgestellt, aber zumeist nicht begründet. Und wenn doch, dann durch fake-news, Verdrehun- gen und nur ganz selten durch echte Beispiele, deren Bedeutung absurd übertrieben wird10.

Die Kritik an den Gender Studies bedient sich hierbei häufig der Strategie, dass Zitate aus sehr komplexen wissenschaftlichen Debatten aus dem Kontext gerissen und mit dem Alltagsver- stand konfrontiert werden. Das ist eine Strate- gie, mit der man auch die Relativitätstheorie oder die Heisenbergsche Unschärferelation lächerlich machen könnte. In den Sozial- und Geisteswissenschaften verfängt sie leichter, weil das Publikum ein eigenes Alltagsverständnis – als würden plötzlich alle homosexuell, wenn es keine Diskriminierung mehr gäbe.

2. Populismus: »Gender« als betreiben eine rückwärtsgewandte Moralisie- Bedrohung darstellen rung (»Niedergang der Sexualmoral«), Polarisie- In diesem Zusammenhang werden Akteur*in- rung (»Wir gegen die«) und Personalisierung der nen als radikale, absurde und abseitige Minder- Politik (»Merkel muss weg«).14 Aufgrund dieser heiten stilisiert, die große Macht erlangt hätten Strategien von Polarisierung und Personalisie- und staatliche »Umerziehungsprogramme« auf rung ist es auch nicht verwunderlich, dass Gen- illegitime Weise durchsetzten. Dabei wird sich der-Gegner*innen immer wieder Mord- und häufig auf die ehrgeizige Programmatik der Vergewaltigungsdrohungen gegen Autorinnen Strategie Gender Mainstreaming (GM oder auch und Autoren und deren Familien versenden. Gleichstellung als Querschnittsaufgabe) bezo- Speziell mit der Dämonisierung von Gleichstel- gen. GM zielt darauf, die Kategorie Geschlecht lungspolitiker*innen und Gender Studies wird in allen politischen Maßnahmen zu berücksich- ein Klassiker der rechten Demagogie neu belebt. tigen und dadurch gleichstellungspolitische Kohärenz zu erreichen. Trotz GM wird auch 3. Angebliche Notwehr: Die autoritäre heute noch die Diskriminierung von Frauen Forderung nach einem Verbot (oder Männern) durch Fördermaßnahmen Mit der Dämonisierung des angeblich über- an bestimmten Stellen abgemildert während mächtigen Gegners inszenieren sich die Angrei- andernorts, etwa durch das Ehegattensplitting, fer von Gleichstellungspolitik und Gender das Gegenteil bewirkt wird. Inhaltlich geht es Studies als »mutige Hüter der Freiheit« oder bei GM darum, Festlegungen auf Rollenstereo- – je nach politischer Ausrichtung – »tapfere type zu vermindern und mehr soziale Entschei- Beschützer des deutschen Volkes«. Die daran dungsfreiheit zu ermöglichen. Dies beinhaltete typischerweise anschließende Strategie: Der auch weiterhin die Freiheit ein konservatives Angriff auf den politischen Gegner wird zur Familienmodell zu leben, das aber durch wei- angeblichen Notwehr stilisiert, da die Gegen- tere Familienmodelle ergänzt wurde. Aber seite auf unrechtmäßige Weise übermäßige schon die reine Diskussion von alternativen Macht erlangt hätte.Sciencefiles.org , ein zen- Lebensmodellen wird durch Populist_innen traler Blog in der Wissenschaftlichkeitswäch- zur Bedrohung aufgeblasen. ter-Szene erklärt so die Bundesrepublik zu einem »totalitären staatsfeministischen Sys- Die Abschaffung von struktureller Diskriminie- tem«, in dem die Meinungsfreiheit abgeschafft rung durch staatliche Akteure wird vor allem, und die Medien gleichgeschaltet seien.15 Die aber nicht nur von NPD, AfD und christlichen imaginierte Bedrohungssituation rechtfertigt Fundamentalist*innen in einen »Angriff auf den Einsatz jedes Mittels. Zunächst werden die traditionelle Familie« uminterpretiert. Die Frauenbewegung, Frauenförderung, Gleichstel- Forderung nach Toleranz für Homosexuelle lungspolitik, Geschlechterforschung und Gen- wird umgedeutet zu einer Kampagne, die das der Studies als homogener Block dargestellt. Aussterben des deutschen Volkes nach sich zöge Je nachdem wie weit der Verschwörungswahn – als würden plötzlich alle homosexuell, wenn geht, werden auch »die etablierten Parteien« es keine Diskriminierung mehr gäbe. Ähnlich und »die Lügenpresse« dazu gezählt.16 Dabei völkisch und biologistisch wird das Recht auf werden die oben schon erwähnten Begriffe, reproduktive Selbstbestimmung in Völkermord wie »Genderistas«, »Gender-Ideologie« oder umgedeutet und Sexualaufklärung in Schulen »Genderwahn«, zum Framing verwendet. Dann wird als Frühsexualisierung durch angeblich wird behauptet, dieser homogene Block hätte perverse Linksradikale dargestellt. das Ziel und die Macht, »die Wissenschaft« zu unterwandern. Die Freiheit der Wissenschaft Diese Anti-Gender Kampagnen zeichnen sich aus würde durch Gender (gemeint sind Gleichstel- durch Anti-Elitarismus, Anti-Intellektualismus, lungspolitiken) gefährdet. Deshalb sollte Gen- 33 Anti-Politik, und Institutionenfeindlichkeit. Sie der (also die Gender Studies) verboten werden. Auf diese Weise wird die Politik aufgefordert, funktioniert wie oben beschrieben über die massiv in die Freiheit der Wissenschaft einzu- Behauptung, es gebe keinen Unterschied zwi- greifen, indem sie ein Fach verbieten soll. Die schen Gleichstellungspolitik und Geschlech- Forderung nach dem Verbot der Gender Stu- terforschung. Angeblich hätten beide in dies ist wissenschaftsfeindlich, mit dem Verbot gleicher Weise das politisch-ideologische Ziel 34 würde ein Beispiel gesetzt für politische Ver- der Gleichstellung der Geschlechter und die bote wissenschaftlicher Arbeit. Wenn die Gen- Geschlechterforschung könnte deshalb keine der-Gegner es schafften, mit politischem Druck »objektive Wissenschaft« betreiben. eine inter- und transdisziplinäre Forschungs- richtung zu verbieten, dann geraten auch alle Dabei beziehen sich einige der Gender-Gegner anderen sozial- und geisteswissenschaftlichen auf ein veraltetes Konzept von wissenschaft- Disziplinen in Gefahr. So würden die angeb- licher Erkenntnis.21 In der Erkenntnistheorie lich liberalen Wissenschaftswächterinnern von wird der Begriff der Objektivität spätestens heute den Weg von einer offenen in eine auto- seit den Kritiken Immanuel Kants Ende des ritäre Gesellschaft ebnen. Ganz folgerichtig hat 18. Jahrhunderts zumindest kritisch diskutiert. Michael Klein, Betreiber des Blogs sciencefiles. Objektiv ist eine Erkenntnis dann, wenn sie org auch den massiven Eingriff der nationalis- unabhängig vom erkennenden Subjekt und tischen und autoritären Orban-Regierung in dessen Erkenntnismöglichkeiten wahr ist. Die die Wissenschaftsfreiheit ausdrücklich begrüßt. daraus folgenden offensichtlichen logischen Klein ist zudem wissenschaftlicher Ghostwri- Probleme wurden auf sehr verschiedene Weisen ter17, was vom Hochschullehrerverband als »wis- gelöst, wie zum Beispiel durch das Kriterium senschaftlicher Betrug« eingestuft wurde. Das der intersubjektiven Überprüfbarkeit. Diese OLG Düsseldorf verbot ihm, Werbung damit zu erkenntnistheoretische Debatte ist wesentlich machen, er sei »Marktführer des wissenschaftli- älter als die Frauenbewegung, wurde aber in chen Ghostwritings« mit der Begründung, dass den letzten Jahren auch von Autor*innen aus er ausschließlich verbotene Dienstleistungen der Geschlechterforschung und den Gender anbiete18. Der Ausnahmezustand »Staatsfe- Studies vorangebracht. Eine Strategie der Gen- ministischer Totalitarismus« (sciencefiles.org) der-Gegner besteht darin, solche Texte aus dem ermöglicht es für Klein offensichtlich, bei Kontext der 250 Jahre währenden Debatte zu der Wahl der Mittel nicht zimperlich zu sein; reißen und sie dann als »unwissenschaftlich« einerseits professionell Wissenschaftsbetrug oder gar »wissenschaftsfeindlich« darzustellen. anbieten und sich andererseits als Hüter der Das klingt dann so: reinen Wissenschaft darstellen 19. Einerseits Professorinnen der Gender Studies unterstel- »Doch muss man keineswegs akzeptieren, dass len, sie könnten nicht objektiv sein, weil sie eine sich an den Universitäten ein Fach etabliert politische Agenda hätten. Andererseits selbst hat, das wissenschaftliche Objektivität und eine politische Agenda verfolgen und mit dem Rationalität gegen offen praktizierten Subjek- CDU Politiker und Politologieprofessor Wer- tivismus eintauscht, um politisch-ideologische ner Patzelt zusammenarbeiten, ohne diesem Ziele zu erreichen«22. seine Doppelrolle vorzuwerfen.20 Dabei wird die Kritik an den Möglichkeiten der 4. Die Behauptung fehlender Erkenntnis umgedeutet in »Subjektivismus«. »Objektivität« Diese Kritik gehört aber schon lange zum guten Geschlechterforschung und Gender Studies Ton der philosophischen Erkenntnistheorie sind ein ganz normaler Teil des Wissenschafts- – auch jenseits der Debattenbeiträge aus den betriebs und unterscheiden sich in nichts von Gender Studies. anderen Fächern: Es gibt klar definierte wis- senschaftliche Standards. Lehrprogramme und Projekte werden regelmäßig durch die akademische Selbstverwaltung kontrolliert. Dennoch gelang es verschiedentlich, selbst in Artikeln von Qualitätsmedien mit einem hohen journalistischen Anspruch, das Postulat der Unwissenschaftlichkeit zu verbreiten. Dies Die Sache mit der Objektivität Ein möglicher Umgang mit dem Problem besteht in der Unterscheidung von Entde- Objektivität und Werturteil ckungs-, Begründungs- und Verwertungs- Solche Beiträge, die die Wissenschaftlichkeit zusammenhang. Diese wird zum Beispiel im von Gender Studies mit Verweis auf das Kri- Lehrbuch von Helmut Kromrey präsentiert, der terium der Objektivität bestreiten, wirken bis- sich zum kritischen Rationalismus zählt27. Im weilen plausibel für Menschen, die sich mit der »Entdeckungszusammenhang« sind normative Materie noch nicht auseinandergesetzt haben. Entscheidungen des Forschenden enthalten: Die Vorwürfe, Geschlechterforschung sei ein Welches Tema wird als relevant bewertet? In politisches Projekt und deshalb ideologisch, diesem Bereich ist Raum für politische Inter- verfängt leider ebenso wie die Behauptung, essen wie zum Beispiel die Gleichstellung der persönliche Betroffenheit mache einen zu Geschlechter. Das Erkenntnisinteresse definiert einem*einer schlechten Wissenschaftler*in. den Zweck der wissenschaftlichen Arbeit und Dabei reicht es einigen Gender-Gegnern schon, eine wissenschaftliche Kritik müsste sich darauf jemandem eine politische Meinung nachzuwei- beschränken, die Angemessenheit der Mittel zu sen, um die Minderleistung in der Wissenschaft bewerten. Der »Begründungszusammenhang« zu behaupten. stellt im Wesentlichen den eigentlichen For- schungsprozess dar. Hier werden intersubjektiv Einige der gebildeteren Autoren beziehen sich nachvollziehbar die zugrundeliegenden Theo- dabei auf Max Webers Werturteilsfreiheits- rien und die Wahl der Methoden begründet. postulat oder auf Karl Poppers Texte. Weber Werturteile sollen hier nur als Gegenstand vertrat aber eine differenzierte Position: von Untersuchungen Platz haben. Beim »Ver- wertungszusammenhang« geht es darum, dass »Gegen die Vermischung, nicht etwa gegen das die Forschenden eine gesellschaftliche Verant- Eintreten für die eigenen Ideale richten sich die wortung dafür haben, welche Wirkung ihre vorstehenden Ausführungen. Gesinnungslosig- Forschung auf die Gesellschaft hat. Auch hier keit und wissenschaftliche ›Objektivität‹ haben ist ein Platz für praktische Werturteile der Wis- keinerlei innere Verwandtschaft«23. senschaftler_innen. Die erkenntnistheoretische Position des feministischen Empirismus deckt Auch Popper forderte keineswegs von den sich weitgehend mit der hier vorgeschlagenen einzelnen Wissenschaftler_innen Objektivität: Praxis. Die feministischen Standpunkttheorien »Es ist gänzlich verfehlt anzunehmen, dass die erweitern die Forderung nach der Offenlegung Objektivität der Wissenschaft von der Objek- der Erkenntnisinteressen noch dadurch, dass tivität des Wissenschaftlers abhängt«24. »Und zusätzlich die soziale Situiertheit angegeben es ist gänzlich verfehlt zu glauben, dass der werden soll. Es lässt sich also zeigen, dass die Naturwissenschaftler objektiver ist als der Sozi- Forderung der Gender-Gegner_innen nach alwissenschaftler«25. Der Objektivität näher zu Interesselosigkeit nicht durch den kritischen kommen wird angestrebt durch den sozialen Rationalismus gedeckt ist. Der kritische Rati- Mechanismus der kritischen Methode und der onalismus ist mit politischen Erkenntnis- und sozialen Konkurrenz von Theorien26. Es geht Verwertungsinteressen wie der Gleichstellung also nicht darum, dass Wissenschafter_innen der Geschlechter vereinbar. und Institutionen neutral und interesselos sein sollten, sondern dass Interessen und Normen möglichst sichtbar gemacht und getrennt wer- den von der empirischen Forschung sowie dass die Theorie an empirische Befunde gekoppelt wird. 35 Scheinobjektivität oder Reflexion »›Wir können dem Wissenschaftler nicht seine des eigenen Standpunktes ? Parteilichkeit rauben, ohne ihm auch seine Die Angreifer der Gender Studies versuchen, Menschlichkeit zu rauben‹ (…). ›Es ist also die normative Frage nach gesellschaftlich nicht nur so, dass Objektivität und Wertfreiheit erwünschten Geschlechterverhältnissen für den einzelnen Wissenschaftler praktisch 36 durch Naturalisierung und Scheinobjektivität unerreichbar sind, sondern Objektivität und zu beantworten, wenn sie fordern, dass die Wertfreiheit sind ja selbst Werte.‹ (…). Des- Geschlechterordnung nicht mit normativen halb ist es eine der wichtigen Aufgaben ›der Veränderungsforderungen irritiert, sondern wissenschaftlichen Kritik‹ ›Wertvermischungen aus der Empirie der Naturwissenschaften bloßzulegen‹«30. abgeleitet werden solle. Die Forschenden der Natur- sowie der Sozial- und Geistes- Gender-Gegner wie Michael Klein setzen ihren wissenschaften sind selbst Teil des Untersu- eigenen Standpunkt als absolut. Und sie freuen chungsgegenstands und tragen ihre impliziten sich, wenn die Regierung von Victor Orban Vorannahmen an den Gegenstandsbereich massiv in die Wissenschaftsfreiheit eingreift – heran. Sowohl bei der Theorieentwicklung als der taz zufolge mit der Begründung: auch bei der Interpretation von Daten fließt die Normativität der Forschenden immer – »Man müsse keine besondere Begründung implizit oder explizit – in die wissenschaftli- hervorbringen, sagte Kanzleramtschef Ger- che Arbeit ein. So haben Loren Graham und gely Gulyás weiter. Es sei eine politische Ent- Helen Longino gezeigt, dass – auch in den scheidung. Die ungarische Regierungspartei Naturwissenschaften – immer schon Wertur- sei überzeugt, Geschlechter seien biologischer teile in die Theoriebildung und die empirische Natur und keine gesellschaftlichen Konstrukte, Arbeit eingeflossen sind28. Wenn Objektivität deswegen dürfe man über sie nicht reden oder im Sinne von interesseloser Neutralität also lehren.« gar nicht möglich ist, dann ist die Behauptung der eigenen Objektivität bloß eine unreflek- – auch aus religiösen Gründen. Das ist ein sehr tierte Schein-Objektivität, eine Präsentation klar antiwissenschaftliches und autoritäres Ver- des eigenen Wissens und der eigenen Meinung ständnis – es bedeutet die Abschaffung von als gültig für die Allgemeinheit – eine zutiefst Wissenschafts- und Meinungsfreiheit. autoritäre Haltung. Deshalb ende ich mit einem Bezug auf Karl Die Alternative besteht darin, das eigene Popper31, der vor dem NS-Regime flüchten Erkenntnisinteresse transparent zu machen. musste: Wer sich mit den Feinden der offenen Dabei können durchaus auch normative Gesellschaft gemein macht, der wird selber Erwägungen eine Rolle spielen und der zu einem. Scientific Community die Einordnung der wissenschaftlichen Arbeit ermöglichen. An dieser Stelle fordern einige feministische wissenschaftstheoretische Positionen eine viel weitergehende Reflexion der eigenen gesellschaftlichen Position und die Angabe dieses Standpunktes: Das ist ein zentrales Argument der feministischen Standpunkt- theorie. Sie plädiert nicht für einen unein- Zum Weiterlesen: geschränkten Subjektivismus wie Ferdinand Eine Sammlung von Argumentationshilfen mit Knauß behauptet29. Es geht nicht darum, auf verschiedenen Themenschwerpunkten: intersubjektiv nachvollziehbare Methoden zu verzichten, sondern die intersubjektive https://bukof.de/argumentation-antifeminismus/ Nachvollziehbarkeit durch die Angabe des Standpunktes zu verbessern und damit der Online Wiki zu antifeministischen Diskursen Idee von Objektivität näher zu kommen. Für und Narrativen: diese Position findet Barbara Holland-Cunz bei Karl Popper Argumente: Diskursatlas Antifeminismus – www.diskursatlas.de 1 Vgl.: https://taz. angehört, sich öffentlich aber 18 OLG Düsseldorf Akten- der Sozialwissenschaften, S. de/!5525898/ sehr modern und weltlich zeichen I-20 U 116/10 46–67. präsentiert. S. http://www.taz. 2 Ich beziehe mich im de/!5033760/. 19 Für das Programm des 28 Graham, Loren R. (1981): Folgenden auf unsere Bro- sciencefiles.blog s.: Klein, Between science and values. schüre: Frey, Regina; Gärtner, 10 Vgl. Roßhart, Julia Michael/Diefenbach, Heike New York: Columbia Uni- Marc; Köhnen, Manfred und (2007): Bedrohungsszenario (2012): Kritische Wissen- versity Press; (Graham 1981); Scheele, Sebastian (2013): Gender – Gesellschaftliches schaft. Ein Grundsatzpro- Longino, Helen E. (1990): Gender, Wissenschaftlich- Geschlechterwissen und Anti- gramm. http://sciencefiles. Science as social knowledge. keit und Ideologie. Hein- feminismus in der Medienbe- files.wordpress.com/2012/06/ Values and objectivity in rich-Böll-Stiftung / Gunda richterstattung zum Gender kritische-wissenschaft_grund- scientific inquiry. Princeton, Werner Institut. Mainstreaming. Magisterar- satzprogramm_ sciencefiles_ N.J: Princeton University beit: Universität Potsdam/ booklet.pdf (19.02.2013). Press. 3 Es ist an dieser Stelle Sozial- und Wirtschaftswis- unmöglich, eine differenzierte senschaften. http://opus.kobv. 20 Patzelt gilt als konser- 29 Knauß, Ferdinand Analyse der verschiedenen de/ubp/ volltexte/2008/1837 vativ, ist CDU Mitglied und (2007): Feministinnen erfor- Positionen und Akteur*innen (17.01.2013). wurde dafür kritisiert, er habe schen sich selbst; vgl. auch: vorzunehmen. Es gibt aber sich mit seiner Forschung Knauß, Ferdinand (2011): Das eine Homepage, auf der eine 11 Zastrow, Volker zum PEGIDA Sprachrohr Taboo der Gender-Theorie. solche Analyse in Form eines (2006): Gender – politische gemacht. Hier wurde dem- Geisteswissenschaftliche Wikis fortgeführt wird: Der Geschlechtsumwandlung. nach Politik und Wissenschaft Geschlechterforschung Diskursatlas Antifeminismus Waltrop und Leipzig: vermengt. Sciencefiles hat und die Biologie. http:// (www.diskursatlas.de). Manuskriptum. mit Patzelt einen offenen www.scilogs.de/blogs/ Brief formuliert, in dem blog/geschlechtsverwirrung 4 Vgl. etwa: Pfister, René 12 Butler, Judith (1993): unter anderem Merkel mit (23.01.2013). (2006): Der neue Mensch. Bodies that matter. On the Goebbels grafisch verbunden In: Der Spiegel, 30.12.2006. discursive limits of ›sex‹. New wurde. 30 Holland-Cunz, Barbara http://www.spiegel.de/ York: Routledge. (2003): Die Vision einer spiegel/a-457053.html 21 Vgl. Manfred Köhnen feministischen Wissenschaft (23.01.2013); Zastrow, 13 Vgl. dazu auch: Scheele, in: Frey, Regina et al (2013): und der Betrieb der normal Volker (2006): »Gender Sebastian (2011): Argu- Gender, Wissenschaftlich- science. In: Renate Niekant/ Mainstreaming« – Politische mente zum Thema »Was keit und Ideologie. Hein- Uta Schuchmann (Hg.): Femi- Geschlechtsumwandlung. In: ist Geschlecht?«. Natur, rich-Böll-Stiftung / Gunda nistische Erkenntnisprozesse. faz.net, 20.06.2006. http:// Biologie, Gender Studies und Werner Institut. Zwischen Wissenschaftsthe- www.faz.net/aktuell/politik/ Gleichstellungspolitik. In: orie und politischer Praxis. gender-mainstreaming-po- Ebenfeld, Melanie/Köhnen, 22 Knauß, Ferdinand Opladen: Leske + Budrich. litischegeschlechtsum- Manfred (Hg.): Gleichstel- (2007): Feministinnen erfor- S. 38. wandlung-1327841.html lungspolitik kontrovers. schen sich selbst. In: Han- (23.01.2013); Zastrow, Eine Argumentationshilfe. delsblatt, 19.09.2007. http:// 31 Popper, Karl R. (1992): Volker (2006): »Gender Friedrich-Ebert-Stiftung/ www.handelsblatt.com/tech- Die offene Gesellschaft und Mainstreaming« – Der Abteilung Wirtschafts- und nologie/forschung-medizin/ ihre Feinde. J.C.B. Mohr; 7. kleine Unterschied. In: faz. Sozialpolitik. Bonn: Fried- forschung-innovation/gen- Auflage (2 Bände). net, 07.09.2006. http://www. rich-Ebert-Stiftung, S. 48–53. derstudies-feministinnen-er- faz.net/aktuell/politik/gen- https://library.fes.de/pdf-fi- forschen-sich-selbst-sei- der-mainstreaming-der-klei- les/wiso/07877.pdf. te-all/2863394-all.html ne-unterschied-1329701.html (23.01.2013). (23.01.2013). 14 Vgl.: Definition Populis- mus auf der Homepage der 23 Weber, Max (1904): Die 5 Kuby behauptet in Bundeszentrale für politische »Objektivität« sozialwissen- der Jungen Freiheit, die Bildung: http://www.bpb.de/ schaftlicher Erkenntnis. In: Betreuung in Krippen und apuz/75848/wesensmerkma- Weber, Max (1951): Gesam- Kitas führe zu psychischen le-des-populismus?p=all. melte Aufsätze zur Wissen- Störungen. Online unter: schaftslehre. Tübingen: J.C.B. https://donotlink.it/Gb7V 15 https://sciencefiles.org/ Mohr, S. 157. (30.10.2018). 2013/03/30/die-beseiti- gung-von-freiheitsrech- 24 Popper, Karl R. (1989): 6 Ebd. ten-im-namen-des-staatsfe- Die Logik der Sozialwis- minismus/. senschaften. In: Theodor 7 NPD Parteiprogramm W. Adorno/Hans Albert/ 2010, S. 6. Online: https:// 16 Es ist nicht klar, Ralf Dahrendorf/Jürgen medien.npd.de/dokumente/ inwiefern der Gleichstel- Habermas/Harald Pilot/ parteiprogramm.pdf. lungsgrundsatz und der Karl R. Popper (Hg.): Der (10.11.2018) bundesdeutsche Rechtsstaat Positivismusstreit in der als totalitär wahrgenommen deutschen Soziologie. 13. Aufl. 8 Vgl.: Bundeszentrale werden kann. Aber immerhin Darmstadt: Luchterhand. für Politische Bildung: hat die Gleichstellung der S. 112. http://www.bpb.de/poli- Geschlechter Verfassungsrang tik/extremismus/rechts- mit Artikel 3 Absatz 2. Wer 25 Ebd. extremismus/259953/ das grundsätzlich ablehnt, gender-und-genderwahn. könnte also als Verfassungs- 26 Vgl. Ritsert, Jürgen Eine sehr differenzierte feind bezeichnet werden. (1996): Einführung in die Expertise zu den Positionen Logik der Sozialwissenschaf- in der AfD fertigte Andreas 17 Michael Kleins Blog ten. Münster: Westfälisches Kemper im Auftrag der sciencefiles.org kreist fast aus- Dampfboot, S. 111. Friedrich-Ebert-Stiftung schließlich um die angebliche an: https://andreaskemper. Unwissenschaftlichkeit der 27 Kromrey, Helmut org/2014/04/07/keim- Gender Studies und fordert (2006): Empirische Sozi- zelle-der-nation-positio- wissenschaftliche Redlichkeit alforschung. Modelle und nen-der-afd/. ein. Zugleich bietet Klein Methoden der standar- wissenschaftliches Ghost- disierten Datenerhebung 9 Buchtitel von Birgit writing an https://ghostwri- und Datenauswertung. 11. Kelle, die der christlich-fun- ter-24.de/ghostwriter-24/ Aufl. Stuttgart: Lucius & damentalistischen Orga- unternehmen/. Lucius, S. 62ff; vgl. auch nisation Legionäre Christi Ritsert, Jürgen (1996): Einführung in die Logik 37 Vom Naturalismus zur Religion Über die antigenderistische Radikalisierung des Ulrich Kutschera

Floris Biskamp

Kutscheras naturalistisches Weltbild

Für seinen ersten in breiter Öffentlichkeit aus- getragenen Kampf hatteUlrich Kutschera sich einen Gegner ausgesucht, der in den USA stark 38 ist, in Deutschland aber noch verhältnismäßig Von Beruf ist Ulrich Kutschera Professor für begrenzten Einfluss hat, nämlich den literalis- Pflanzenphysiologie an der Universität Kassel, tischen Kreationismus. Gemäß dieser Lehre ist von Berufung ist er aber ein Evolutionsbiologe die biblische Schöpfungsgeschichte inklusive von Welt. Diese Berufung lebt er nicht nur fach- aller ihr zu entnehmenden Zeitangaben wort- wissenschaftlich, sondern auch gesellschafts- wörtlich gültig – und sollte mindestens als eine politisch aus, indem er sich immer wieder als mögliche Theorie gleichberechtigt neben der Evolutionsbiologe in öffentliche Kämpfe wirft. Evolutionsbiologie im schulischen Biologieun- terricht gelehrt werden. Dem stellte sich Kut- Im Folgenden diskutiere ich Kutscheras Posi- schera mit Artikeln, Interviews und Vorträgen tion und Wirken in drei Abschnitten. Im ersten entgegen, in denen er die Schöpfungslehre als skizziere ich sein naturalistisches Weltbild; im wissenschaftlich falsch und ihren Vormarsch als zweiten erläutere ich die Rolle, die das Feind- gesellschaftlich gefährlich auswies1. In diesem bild Gender darin einnimmt; und im dritten Wirken gegen religiösen Fundamentalismus erläutere ich seinen Radikalisierungs- und Mar- war Kutschera auch in einigen linksliberalen ginalisierungsprozess der letzten Jahre. Kontexten eine gern gehörte Stimme, stand er doch für eine engagierte Verteidigung von Wissenschaft und Rationalität gegen den Ein- fluss religiöser Eiferei. Jedoch kann der Naturalismus, wie Kutschera In den wenigen Momenten, in denen Kutschera ihn dabei vertritt und wie er im »neuen Athe- sich explizit und abstrakt zu solchen Fragen ismus« oder »neuen Humanismus« verbreitet äußert, leugnet er die sowohl biologische ist, nur gemessen am religiösen Fundamenta- als auch gesellschaftliche Bestimmtheit des lismus als rational und demokratisch erschei- Menschlichen nicht rundheraus. Im Gegenteil nen. In anderen Kontexten wird deutlich, dass betont er, dass sowohl nature als auch nurture es sich selbst um eine starre Weltanschauung eine Rolle spielten. Ganz anders sieht es aber handelt, die insbesondere außer Stande ist, in weitaus häufigeren Momenten aus, in denen Gesellschaft und die gesellschaftliche Bedingt- er sich konkreter dazu äußert, was biologisch heit des Menschlichen zu verstehen. Kutschera und was soziologisch zu deuten ist. Dann über- betrachtet Menschen nämlich in erster Linie trumpft für ihn die biologische Perspektive als Naturwesen und stellt gesellschafts- sowie immer die soziologische. Am deutlichsten wird geisteswissenschaftliche Perspektiven unter dies bei Begriffen von Geschlecht und Sexuali- einen grundsätzlichen naturwissenschaftlichen tät. Hier insistiert Kutschera immer und immer Vorbehalt: Sie könnten nur »im Lichte der Bio- wieder auf sehr enge biologische Kategorien: logie«2 Sinn ergeben – und erwiesen sich bei dieser naturwissenschaftlichen Prüfung allzu »[Es gibt] männliche Tiere, die sind definiert oft als Unsinn. Dieser Szientismus macht im als Spermienproduzenten – Mann gleich Sper- Lichte der Wissenschaftstheorie keinen Sinn3 mienproduzent – und weibliche Organismen, und erweist sich in der Konsequenz als irrati- die sind definiert als Eizellenproduzenten. […] onal und antidemokratisch. Wenn also ein Spermium mit einer Eizelle ver- schmilzt und dadurch eine Zygote entsteht, das Dies wird besonders im zweiten großen öffent- ist Sex«4. lichen Kampf deutlich, in den Ulrich Kutschera sich begab und dem er ab 2015 große Teile Damit ist für Kutschera erschöpfend definiert, seiner Aufmerksamkeit widmete: Dem Kampf was Männer, Frauen und Sex sind. Sex ist der gegen das, was er als »Gender-Ideologie« Akt der Befruchtung, Männer und Frauen sind bezeichnet. die Lebewesen, die die zu dieser Befruchtung nötigen Elemente produzieren und bereitstel- Freilich hat Kutschera nicht grundsätzlich len. In einem evolutionsbiologischen Kontext Unrecht damit, Menschen unter biologischen machen diese engen Begriffe durchaus Sinn. Gesichtspunkten zu betrachten, denn es steht Wenn man die Evolution im Blick hat, ist außer Frage (Stand: 2018), dass Menschen auch die Fortpflanzung zweifelsohne von großer biologische Wesen sind, die in biologisch-kör- Relevanz; dies gilt für die zweigeschlechtliche perlicher Form existieren. Und diese Biologie Fortpflanzung in besonderem Maße, weil diese 39 stellt nicht nur ein neutrales Gefäß dar, in wesentlich zur genetischen Varianz und somit das beliebig strukturierbare, sozial determi- zur Evolution beiträgt. nierte menschliche Substanz gegossen werden könnte. Vielmehr strukturieren und begren- Kutschera belässt es aber eben nicht dabei, diese zen irreduzibel körperlich-biologische Erfah- Begriffe als die evolutionsbiologisch relevan- rungen, Affekte und Unmöglichkeiten das ten auszuweisen, sondern ist überzeugt davon, Menschliche in entscheidender Weise. Jedoch damit das Wesen von Geschlecht und Sexua- sind Menschen eben auch soziale Wesen. Ihre lität insgesamt erfasst zu haben, sodass ihm gesellschaftliche Bedingtheit ist weit mehr als alle abweichenden Begriffe als ignorant oder ein bloß sozial überformter oder vermittel- ideologisch gelten. Völlig fremd scheint ihm ter Ausdruck biologisch determinierter Sub- der Gedanke, dass dieselben Worte (Geschlecht, stanzen und Differenzen. Vielmehr bestimmt Sexualität) in verschiedenen Diskursen und Gesellschaft nicht nur darüber mit, welche Kontexten anders verwendet werden könnten biologischen Aspekte und Differenzen wie und dass verschiedene Verwendungsweisen relevant werden, sie produziert auch Struktu- legitim sein könnten. Stattdessen muss sich ren und Differenzen ohne jedes nennenswerte für ihn jedes gesellschafts- oder kulturwis- biologische Korrelat – und auch die Wissen- senschaftliche Sprechen über Geschlecht und schaft der Biologie ist in diesen gesellschaftli- Sexualität nach den Regeln des biologischen chen Diskursen verfangen. Diskurses richten, wie er ihn versteht. So ist er So ist er außer Stande einzusehen, dass es auch gesellschaftliche Praktiken und Strukturen namens Sexualität und Geschlecht gibt, die in mancher Hinsicht etwas mit dem zu tun haben, was er als Sexualität bezeichnet, sich aber keinesfalls darin erschöpfen.

außer Stande einzusehen, dass es auch gesell- Von der vermeintlichen zwei- und gegenge- schaftliche Praktiken und Strukturen namens schlechtlichen Normalität abweichende Iden- Sexualität und Geschlecht gibt, die in mancher titäten und Praktiken werden Kutschera nicht Hinsicht etwas mit dem zu tun haben, was er grundsätzlich zum Problem – solange er sie als Sexualität bezeichnet, sich aber keinesfalls als Ausdruck biologisch-statistischer Abwei- darin erschöpfen. chungen verstehen kann, bringt er beispiels- weise für Intersexualität und Homosexualität Kutschera geht noch einen Schritt weiter: Die eine paternalistische Toleranz auf. Gleichge- naturalistisch-biologische Perspektive auf schlechtliches Begehren hält er für asexuell: Zu Sexualität und Geschlecht ist ihm nicht nur einer Befruchtung, ergo zu Sex im eigentlichen die einzig wahre Beschreibung der betreffen- Wortsinne könne es nicht kommen, so dass die den Phänomene. Diese Perspektive ist bei ihm vermeintliche Sexualität in Wahrheit nur Erotik zugleich auch teleologisch und normativ auf- und somit evolutionär sowie gesellschaftlich geladen. Nicht nur vertritt er die These, dass nutzlos sei. Weil es bei einem Teil der Bevölke- die Muster der Partner_innenwahl biologisch rung aber eine entsprechende angeborene Ver- determiniert seien – Männer suchten sich viele anlagung gäbe, dürfe der Staat sie nicht daran Frauen zur Paarung (um ihre Spermien/Gene hindern, diese Biologie auch auszuleben. Eine möglichst weit zu verbreiten), Frauen einen Gleichberechtigung lehnt Kutschera jedoch möglichst starken Mann (um die besten Sper- ab: Die Ehe für alle stelle die gesellschaftlich mien/Gene für ihren Nachwuchs zu bekom- nutzlose gleichgeschlechtliche Partnerschaft men) –, sodass er dem zuwiderlaufende soziale der gesellschaftlich nützlichen, weil Reproduk- und politische Praktiken (z.B. Feminismus) für tion ermöglichenden gegengeschlechtlichen widernatürlich hält. Diese Widernatürlichkeit gleich, was widersinnig sei. Zudem wärmt er beschreibt er auch als Krise und als Gefahr für das alte homophobe Klischee des pädophilen den Fortbestand der Menschheit, der Gesell- Schwulen auf, indem er auf fragwürdiger, aber schaft oder des deutschen Volkes. Entspre- aus seiner Sicht unumstößlich-wissenschaftli- chend drastisch ist seine Metaphorologie, wenn cher Basis behauptet, dass gleichgeschlechtli- er etwa die universitäre Geschlechterforschung che Paare in besonderem Maße zum sexuellen als »Krebsgeschwür«5 bezeichnet. Missbrauch adoptierter Kinder neigten. Bei Einführung eines gleichen Adoptionsrechts Indem er so soziale Praxis an evolutionsbiolo- drohe daher »staatlich geförderte Pädophilie gischen »Erfolgs«-Kriterien misst, weist er eine und schwersten Kindesmissbrauch«6. Geistesverwandtschaft zum Sozialdarwinismus auf – gleichwohl er Humanist genug ist, um Sowohl die aggressiv antifeministischen als nicht die offen menschenfeindlichen Konse- auch die homophoben Kommentare führten quenzen zu ziehen, die in der Vergangenheit nicht nur zu öffentlichen Protesten von Stu- auf ähnlicher argumentativer Grundlage Mas- dierenden und Wissenschaftler_innen, son- senmorde legitimierten. dern auch zu öffentlichen Rüffeln von Seiten seines Arbeitgebers, der Universität Kassel, die dienstrechtliche Schritte 2017 zumindest prüfte7. 40 Das Feindbild »Gender« eine doppelte Gefahr: Zum einen bedeutete sie ungemeine Gewalt, weil den Einzelnen ihre Während Ulrich Kutschera sich bloß abwei- natürlichen Verhaltensmuster künstlich aber- chenden Identitäten gegenüber halbwegs zogen werden müssten; zum anderen stünde 41 tolerant gibt, sagt er allen sozialen und poli- damit auch die Partner_inennwahl, die Repro- tischen Initiativen den Kampf an, die an der duktion der Gesellschaft und letztlich die ganze Naturnotwendigkeit der Geschlechterordnung soziale Ordnung auf dem Spiel. zweifeln oder gar ihre Veränderung anstreben. Diese Initiativen liegen freilich in einer unüber- schaubaren Zahl und Variation vor und stehen Radikalisierung und Isolation: oft miteinander in Konflikt. Dieser Vielfalt Der Werdegang eines begegnet Kutschera durch die Konstruktion verhinderten Aufklärers eines einheitlichen Feindbildes »Gender« – eine Konstruktion mit der er sich in etablierte Seitdem Ulrich Kutschera 2015 den Fokus Diskurse insbesondere der politischen Rechten seines Aktivismus hin zum Kampf gegen »Gen- einschreiben kann8. derismus« verschoben hat, haben sich seine Positionen in der Sache nicht mehr wesentlich Wie es im Antigenderismus verbreitet ist, zieht verändert – er hat sie nur weiter ausgebreitet10. auch Kutschera unter dem Begriff »Gender« Dennoch lässt sich ein Prozess der Radikali- das Verschiedenste wild zusammen: »Gender« sierung und Isolation beschreiben. steht bei ihm für eine »Mann-gleich-Frau- Ideologie«, der zufolge Biologie für Geschlecht Inhaltlich zeigt sich der Radikalisierungspro- keine Rolle spiele, der alle Differenzen und zess vor allem in der Ergänzung des Antigen- Identitäten als sozial konstruiert und beliebig derismus durch andere Ideologiefragmente, veränderbar gälten und die auf eine umerzie- mit denen sich Kutschera deutlich den Welt- herische völlige Angleichung von Männern und deutungen der Neuen Rechten annähert. So Frauen zu identischen Unisex-Wesen ziele. spannt er in einem auf der rechten Propag- Als Vertreter_innen dieser Ideologie nennt anda-Plattform Deutscher Arbeitgeber Ver- Kutschera insbesondere die akademischen band im Oktober 2015 veröffentlichten Text Gender Studies und die Politik des Gender einen Bogen von Gender zur Migration und Mainstreaming. Auf diese Art setzt er ein sehr beschreibt – sich vorsichtigerweise hinter vielfältiges interdisziplinäre Forschungsfeld einem Zitat versteckend – die Fluchtmigration (Gender Studies) und eine sehr moderate libe- des Jahres 2015 als eine »Invasion« durch junge rale Gleichstellungspolitik (Gender Mainstre- muslimische Männer11. So wird Fluchtmigra- aming) in eins, die kaum mehr miteinander tion zu einer politischen oder gar militärischen gemein haben als das Wort Gender, um sie Aggression besonders gefährlicher Männlich- dann beide inhaltlich mit der Karikatur eines keiten, der das feministisch entmannte Europa radikalen Queerfeminismus zu identifizieren, wehrlos gegenüberstehe. Dass Kutschera darin den man in der von ihm behaupteten Form nicht nur einen zufälligen Effekt, sondern eine allenfalls an den Rändern der Gender Studies verschwörerische Absicht vermutet, macht er findet und der von Gender Mainstreaming dann in einem Compact-Interview aus dem denkbar weit entfernt ist 9. Jahr 2016 deutlich:

Diese Zusammenziehung ist inhaltlich absurd, »Wenn ich spekuliere, dann würde ich sagen erzeugt aber das Bild einer radikalen Politik, ja, man kann hinter dem Ganzen einen Gene- die von starken politischen Kräften durchge- ralplan erkennen. Es kann schon sein, dass setzt wird – schließlich streben die Verein- Deutschland beziehungsweise Mitteleuropa ten Nationen, die Europäische Union und die regierbarer gemacht werden soll und dass hin- Bundesregierung Gender Mainstreaming an ter dieser Politik-Agenda praktische Interessen und haben viele Universitäten Gender Studies stehen. […] Es drängt sich der Verdacht auf, institutionalisiert. dass diese Gender-Biopolitik zu einer leichteren Lenkbarkeit der betreffenden Menschen führen Aus Kutscheras evolutionsbiologisch-naturalis- soll«12. tischer Perspektive ist diese angebliche Politik Durch die sich in diesen beiden Statements ernstgenommen.19 Die einzig nennenswerte ausdrückende ideologische Rahmung rückt wissenschaftliche Rezeption erfolgte durch sein Denken deutlich in die Nähe der neurech- eine Gruppe von Geschlechterforscher_innen ten Ideologie des »großen Austauschs«. aus Marburg, die sich die Mühe machte, das Buch inhaltlich zu diskutieren und die zahl- Gleichzeitig mit dieser inhaltlichen Radika- reichen inhaltlichen und formalen Mängel im lisierung verschob sich auch die Auswahl der Detail aufzuzeigen20. Publikationsorgane, in denen Kutschera seine Thesen verbreitet. Zunächst geschah dies noch Der Grund dafür, dass Kutschera die gute in seriösen Medien wie dem Focus13 oder dem Gesellschaft so verweigert wurde, dürfte neben Radio Berlin Brandenburg14. Darauf erschien der schieren Absurdität vieler seiner Behaup- dann ein Profil im für rechte Diskurse zumin- tungen über Gender Studies und Gender Main- dest offenenCicero . 2016 konnte er seine streaming vor allem darin begründet liegen, Thesen dann nur noch im verschwörungsideo- dass er – seinen Bekenntnissen zu Huma- logischen Compact Magazin15 und 2017 auf der nismus zum Trotz – immer wieder deutlich rechtskatholischen Seite kath.net16 verbreiten. herabwürdigende Äußerungen und faktische Gerade letzteres birgt freilich die Ironie, dass Diskriminierungsforderungen insbesondere er in seinem Kampf gegen den »Genderismus« gegen Frauen und Homosexuelle tätigt. nun bei einem Medium angelangt ist, das in der Vergangenheit wohlwollend über die Berück- Insgesamt scheint es so, als sei der Antigen- sichtigung der Schöpfungslehre im Biologieun- derismus in der radikalen und verbal ausfäl- terricht berichtet hatte. Im Kampf gegen den ligen Variante, für die Kutschera steht, in der Feminismus finden Naturalismus und Religion Bundesrepublik – anders als etwa in Ungarn – wieder zusammen. Zudem wurde Kutschera gegenwärtig nicht gesellschafts-, geschweige 2018 Mitglied des Kuratoriums der AfD-nahen denn mehrheitsfähig. Sein Einfluss, gerade Desiderius-Erasmus-Stiftung – und wirkt somit auf das konservative Feuilleton in Welt, FAZ nun auch offen im Umfeld der Partei, die den und NZZ ist nicht zu vernachlässigen, aber es Antigenderismus zum Teil ihres politischen scheint sich um eine Minderheitenposition zu Programms gemacht hat17. handeln – ebenso wie bei Rechtspopulismus und Neuer Rechter insgesamt. Dieser Weg nach rechts zeigt zwar, dass Kut- scheras naturalistisches Weltbild entspre- chende ideologische Anknüpfungspunkte aufweist, dennoch dürfte er nicht gänzlich selbst gewählt sein. Vielmehr ist davon aus- zugehen, dass diese Radikalisierung auch ein Umgang mit dem Sachverhalt ist, dass seri- öse Medien und Organisationen Kutschera immer weniger Raum gaben. Besonders deut- lich wurde dies anhand zweier Fälle, bei denen ihn die Universitäten in Marburg und Bremen, die ihn zu Vorträgen über Kreationismuskritik eingeladen hatten, wegen seiner antifeministi- schen Ausfälle wieder ausluden.

Auch sein 2015 groß als endgültige Erledigung der »Gender-Ideologie« angekündigtes und 2016 erschienenes Buch Das Gender-Para- doxon18, in dem er dem Anspruch nach mit naturwissenschaftlichem Wissen die soziolo- gische und kulturwissenschaftliche Geschlech- terforschung zerlegt, blieb ohne größeres Echo. Es wurde fast nur in der überschauba- ren antigenderistischen Online-Community 42 1 Vgl. etwa Kutschera, 8 Hark, Sabine/Villa, 16 Kutschera, Ulrich Ulrich (2009): Die kruden Paula-Irene (2015): Anti-Gen- (2017): Ehe für alle? Diese Thesen deutscher Antidarwi- derismus. Sexualität und widersinnige Entscheidung nisten. http://www.spiegel. Geschlecht als Schauplätze überrascht mich nicht. de/wissenschaft/natur/ aktueller politischer Ausei- evolutionslehre-die-kru- nandersetzungen. Bielefeld: 17 Lang, Juliane (2017): den-thesen-deutscher-an- transcript; »Wider den Genderismus!« ti-darwinisten-a-607704.html Lang, Juliane (2017): »Wider Extrem rechte Geschlechter- (4. November 2018) den Genderismus!« Extrem politiken. In: Milbradt, Björn/ rechte Geschlechterpolitiken. Biskamp, Floris/Albrecht, 2 Kutschera, Ulrich (2008): In: Milbradt, Björn/Biskamp, Yvonne/Kiepe, Lukas (Hrsg.): Lobenswerte Bemühungen. Floris/Albrecht, Yvonne/ Ruch nach rechts? Rechtspo- https://www.laborjournal. Kiepe, Lukas (Hrsg.): Ruch pulismus, Rechtsextremismus de/editorials/317.lasso (4. nach rechts? Rechtspopu- und die Frage nach Gegen- November 2018). lismus, Rechtsextremismus strategien, S. 107-118. und die Frage nach Gegen- 3 Kissler, Alexander (2010): strategien. Opladen: Barbara 18 Kutschera, Ulrich (2016): Angriff auf den »Verbalwis- Budrich, S. 107-118. Das Gender-Paradoxon. senschaftler«. https://www. Mann und Frau als evolvierte sueddeutsche.de/kultur/ 9 Ein sich durch alle Texte Menschentypen. geisteswissenschaften-an- Kutscheras zum Thema griff-auf-den-verbalwis- ziehendes Phänomen ist 19 Eine Ausnahme senschaftler-1.613301 (4. die bizarre Überbewertung bildet eine wohlwollende November 2018); der Bedeutung, die John Besprechung im populär- Zauner, Hans (2015): Biologen Money für die gegenwärtige wissenschaftlichen Magazin im Gender-Getümmel. Geschlechterforschung habe. Spektrum der Wissenschaft: https://www.laborjournal. Vgl. hierzu: Krüger-Kirn, Rehm, Hubert (2016): Gefähr- de/editorials/983.lasso (4. Helga/Lather, Dietger/Näser- liche Ideologie? https://www. November 2018). Lather, Marion/Schumacher, spektrum.de/rezension/buch- Nina (2017): Rezension. Das kritik-zu-das-gender-parado- 4 Kutschera, Ulrich (2015): Gender-Paradoxon, S. 2-4. xon/1414502 (4. November Interview RBB Inforadio. Online: https://www.uni-mar- 2018). https://www.inforadio.de/ burg.de/de/genderzukunft/ programm/schema/sendun- publikationen/online-publi- 20 Krüger-Kirn, Helga/ gen/zwoelfzweiundzwan- kationen/rezensionkutschera. Lather, Dietger/Näser-Lather, zig/201507/220887.html (8. pdf (4. November 2018). Marion/Schumacher, Juli 2015). Nina (2017): Rezension. Das 10 Kutschera, Ulrich (2016): Gender-Paradoxon. 5 Ebd. Das Gender-Paradoxon. Mann und Frau als evolvierte Men- 6 Kutschera, Ulrich (2017): schentypen. Münster: LIT. Ehe für alle? Diese widersin- nige Entscheidung überrascht 11 Kutschera, Ulrich (2015): mich nicht. http://www.kath. Gender als geistige Vergewal- net/news/60177 (4. November tigung des Menschen. https:// 2018). deutscherarbeitgeberverband. de/aktuelles/2015_10_26_ 7 Himmelrath, Armin dav_aktuelles_gender.html (4. (2015): Professor gegen November 2018). Genderforschung »Jung, attraktiv, muss gut kochen 12 Kutschera, Ulrich (2016): können«. http://www.spiegel. Vater Staat gegen Mutter de/lebenundlernen/uni/ Natur. In: universitaet-kassel-pro- Compact-Spezial 12. fessor-ulrich-kutsche- ra-zieht-ueber-genderfor- 13 Kutschera, Ulrich schung-her-a-1050888.html (2015): »Gender ist Non- (4. November 2018); sens!« https://www.focus. Pflüger-Scherb, Ulrike (2017): de/gesundheit/news/ Kasseler Professor nach wissen-und-gesundheit-gen- Kritik an Homo-Ehe: »Artikel der-ist-nonsens_id_4940279. unsachlich«. Uni prüft html (4. November 2018). Schritte. https://www.hna.de/ kassel/kritik-an-homo-ehe- 14 Kutschera, Ulrich (2015): uni-kassel-prueft-schritte-ge- Interview RBB Inforadio. gen-professor-8497667.html (4. November 2018). 15 Kutschera, Ulrich (2016): Vater Staat gegen Mutter Natur. 43 »Lebensschutz« statt körperliche Selbstbestimmung Interview mit Ulli Jentsch und Eike Sanders

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Ulli Jentsch und Eike Sanders haben gemeinsam mit Kirsten Achtelik in ihrem Buch »Kulturkampf und Gewissen – Medizinethische Strategien der ›Lebensschutz‹-Bewegung« einen kritischen Überblick zur derzeitigen Anti-Abtreibungsbewegung in Deutschland veröffentlicht. Das Buch ist 2018 im Verbrecher Verlag erschienen. Wir als Redaktion haben mit den Autor*innen darüber gesprochen, inwiefern das Thema auch die medizinische Forschung und Lehre an der Hochschule betrifft. 45 Redaktion: Jentsch und Sanders: Könnt ihr kurz skizzieren, Am sichtbarsten wird die »Lebensschutz«-Bewegung bei ihren jährlich was sich hinter dem Sammelbegriff durchgeführten Märschen für das Leben, die in Berlin, in Annaberg-Buch- »Lebensschutz«-Bewegung holz, Münster, Freiburg und anderen Städten stattfinden. Dort treffen versteckt, insbesondere hinsichtlich sich von wenigen hundert bis zu mehreren tausend Menschen, sehr viele des Frauen*bildes und der politi- organisiert durch ihre christlichen Gemeinden, viele ältere, aber auch schen Ideologie(n)? viele Familien mit ihren Kindern, um in Gedenken an die »im Mutterleib getöteten Kinder« mit weißen Kreuzen schweigend durch die Straßen zu marschieren. Sie eint die, teilweise radikale, Ablehnung von Abtrei- bungen unter jeglichen Umständen und die Abscheu vor einer hedonis- tischen Gesellschaft, die sich von den angeblich ehemals hegemonialen christlichen Werten verabschiedet hat. Zur Argumentation der »Lebens- schutz«-Bewegung gehört fundamental die Verknüpfung von Frau-Sein mit Mutter-Sein. Eine Frau*, die aus freien Stücken kinderlos bleiben will oder eine, die sich ohne Zwang gegen das Austragen einer ungewollten Schwangerschaft entscheidet, kommt offiziell in ihrer Vorstellungswelt nicht vor. Kinderlos bleibende oder ihre Schwangerschaft abbrechende Frauen handeln quasi gegen ihre »Natur«. Aus diesem Geschlechterrol- lenbild heraus appellieren sie an das Gewissen von Frauen*, die nicht zu »Mörderinnen« werden sollten. In Frankfurt beten deswegen alle halbe Jahr eine Handvoll katholischer Fundamentalist*innen vor der Beratungs- stelle der Pro Familia, in der Hoffnung, mit ihren abschreckenden Bildern und ihrer Propaganda ungewollt Schwangeren ein schlechtes Gewissen zu machen, sie einzuschüchtern und letztendlich vom Abbruch abzuhalten.

Wir verwenden in unseren Analysen den Begriff der Lebensschutz» «-Be- wegung für jene Akteure, die sich zunächst über das gemeinsame Ziel definieren, Abtreibungen einzuschränken oder zu verhindern. Da aber die Themenpalette dieser Gruppierungen weit über dieses eine Ziel hinaus geht, halten wir die Bezeichnung als »Abtreibungsgegner*innen« für ver- kürzt. In den vergangenen Jahren haben sich weite Teile der Bewegung zu verschiedenen familienpolitischen und bioethischen Fragen positioniert. Die Bewegung eint ein konservatives bis extrem rechtes Weltbild sowie ein unterschiedlich starkes, aber immer vorhandenes christliches, meist fundamentalistisches, Bekenntnis, auch als gemeinsame soziale Praxis. In Deutschland umfasst die Bewegung derzeit mehr als 60 explizite »Lebensschutz«-Organisationen, weite Teile der katholischen Kirche, evangelikale und freikirchliche Gemeinden sowie publizistische Teile der Neuen Rechten. Parteipolitisch ist ihre Heimat sowohl in der CDU/CSU, insbesondere der Vereinigung Christdemokraten für das Leben (CDL) zu finden, als auch in christlich-fundamentalistischen Kleinstparteien wie dem Bündnis C oder der Deutschen Zentrumspartei, und natürlich in der AfD; dort insbesondere in der Bundesvereinigung Christen in der AfD (ChrAfD). Diese bietet gerade wegen ihres starken Antifeminismus und ihrer latenten Homo- und Trans*feindlichkeit viele Bezüge. Der christ- liche Bezug der AfD ist aber auch Teilen der »Lebensschutz«-Bewegung zu dünn und ihr offener Rassismus einigen zuwider. Da finden gerade sicherlich einige harte Kämpfe hinter den Kulissen, aber auch in offenem Widerspruch zueinander, statt. Welche Akteur*innen und Organisa- Besonders stark engagieren sich Mitglieder der katholischen Kirche und tionen haltet ihr innerhalb der Bewe- der evangelikalen und freikirchlichen Gruppen innerhalb der »Lebens- gung für besonders einflussreich? schutz«-Bewegung. Sie stellen nach unserer Beobachtung die Mehrzahl Inwiefern gibt es auch Versuche, sich der Funktionär*innen und führen die einflussreichsten Organisationen an Hochschulen zu organisieren? an. Zu nennen ist hier der Bundesverband Lebensrecht (BVL), der 13 Ver- eine und Initiativen vereinigt. Der BVL veranstaltet den jährlichen Marsch für das Leben in Berlin, die größte öffentlichkeitswirksame Veranstaltung dieses Spektrums, die vom BVL penibel orchestriert wird und auch 2018 nach unserer Zählung 3.500 Menschen auf die Straße brachte. Vorsit- zende des BVL ist seit vergangenem Jahr Alexandra Maria Linder, die gleichzeitig Vorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (AlfA) ist. AlfA ist mit 11.000 Mitgliedern (Eigenangabe) in aktuell 32 Regionalverbänden die wahrscheinlich größte Organisation bundesweit. Sie verfügt mit der Jugend für das Leben über eine eigene Jugendorganisation, betreibt ein Beratungstelefon für Schwangere und arbeitet unter anderem eng mit den Ärzten für das Leben (ÄfdL) zusammen. Wichtig vor allem in den ostdeutschen Bundesländern ist KALEB e.V. Kooperative( Arbeit Leben ehrfürchtig bewahren) mit 35 regionalen Anlaufstellen, die meisten in Sachsen und Thüringen.

Ableger von expliziten »Lebensschutz«-Organisationen an den Hochschu- len haben wir nicht festgestellt. Es gibt aber mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner (ACM) eine Fachgruppe für angehende Ärzt*innen unter anderem in der evangelikalen Studentenmission in Deutschland (SMD). Bei »aktuellen, umstrittenen medizinethischen Themen mit gesellschaftspolitischer Relevanz« werden von der ACM Stellungnahmen veröffentlicht, darunter vor allem zu Präimplantationsdiagnostik (PID) und zum ärztlich assistierten Suizid. Burschenschaften und Studenten- verbindungen hingegen bedienen eher das diskursive Feld des Antifemi- nismus und haben deswegen negative Auswirkungen auf emanzipative und feministische Teile der Studierendenschaft.

Euer Buch befasst sich mit »medizin­ Die »Lebensschutz«-Bewegung bemüht in den vergangenen Jahren ver- ethischen Strategien der ›Lebens- stärkt medizinethische Argumente und fokussiert auch verstärkt auf schutz‹-Bewegung«. Inwiefern die Ärzt*innenschaft und das gesamte medizinische Personal, die als beobachtet ihr eine Erweiterung Gatekeeper*innen in der Abtreibungsfrage verstanden werden. Bio- von oder verstärkte Fokussierung auf ethische Argumentationen haben den Vorteil, dass sie in einer säkularen medizinethische Argumentationen Gesellschaft einfacher zu vermitteln sind als religiös-fundamentalis- in diesem Bereich? Welche Argu- tische. So wird sich in Fragen der Gen- und Reproduktionstechnik, mente oder Theorien werden hierbei der Pränataldiagnostik und der Sterbehilfe geäußert. Wichtig ist der bemüht? »Lebensschutz«-Bewegung dabei immer die Frage nach dem »natürlichen« Anfang und Ende des Lebens. Die befruchtete Eizelle ist ihnen gleich Embryo gleich Mensch und genieße daher den umfassenden Schutz eines geborenen Menschen. Anstatt von der von Gott geschaffenen Seele redet man allerdings öffentlich lieber von dem »einmaligen Genom«, das bei der Zeugung entstehe und das daher schützenswert sei. Besonders in der Frage der Spätabtreibung von Föten mit Behinderung als Folge der PND bemüht sich die »Lebensschutz«-Bewegung darum, sich als einzige Fürsprecher der »Schwächsten der Schwachen« zu gerieren. Sie konnte hier Leerstellen erobern, die von emanzipativen und linken Gruppen 46 offen gelassen wurden. Ihr stellt in eurem Buch heraus, dass Wir haben mit mehreren Mediziner*innen und Medizinstudierenden das Verhältnis von Medizin und gesprochen, die sich einig waren, dass für Diskussionen über ethische Ethik in der aktuellen Praxis, Fragen, mit denen Mediziner*innen ja zwangsläufig in ihrer Praxis kon- Forschung und Lehre kein einfaches frontiert sein werden, schon im Studium viel zu wenig Raum ist. Ein*e ist. Inwiefern kann Propaganda der Ärzt*in trägt eine große Verantwortung gegenüber der körperlichen selbsternannten »Lebensschützer« Integrität der Patient*innen, sie müssen die »Würde« des Menschen hier in eine Leerstelle einhaken wahren, also seine Selbstbestimmung sicherstellen, und gleichzeitig und sie für ihre Zwecke nutzen? Leben retten. Dass das nicht immer einfach ist, sieht man in der durch- aus im Studium behandelten Fragestellung, ob man einem bewusstlosen streng gläubigen Zeugen Jehovas eine lebensrettende Bluttransfusion geben soll oder nicht. Die Zeugen Jehovas lehnen aus religiösen Gründen Bluttransfusionen ab. Die Fragen um die reproduktive Medizin spielten allerdings so gut wie nie eine Rolle, weder eine Erörterung von sich ent- gegenstehenden Bewertungen von Schwangerschaftsabbrüchen, noch von anderen – zugegebenermaßen ja sehr komplizierten – ethischen Fragen. Wir als Nicht-Mediziner*innen haben auch nicht immer sofort eine Antwort, aber aufgrund der großen Verantwortung und Macht, die Mediziner*innen haben, müssen gerade sie sich auch mit ethischen Fragen auseinandergesetzt, sich einen eigenen moralischen Kompass zurecht gelegt haben, um im Einzel- oder gar Notfall, aber auch in der Forschung nicht nur dem Primat der Machbarkeit zu gehorchen – oder eben zu denken, dass die christliche Ethik die einzige sei, die klare Regeln zu bieten hätte. Genau deswegen kann die Propaganda der Lebens» - schutz«-Bewegung unter Umständen auf fruchtbaren Boden fallen: Auch Ärzt*innen sind den sozialen Gegebenheiten, eigener Sozialisation und politischen Einflüssen ausgesetzt.

Inwiefern bewertet ihr die Berufung Die Berufung auf den Hippokratischen Eid, benannt nach dem im 4. der »Lebensschutz«-Bewegung auf Jahrhundert vor Christus praktizierenden griechischen Arzt Hippokra- den Hippokratischen Eid als propag- tes von Kos, ist in den Publikationen der »Lebensschutz«-Bewegung so andistische Taktik? omnipräsent, dass man ihrer Propaganda fast glauben mag und dem Eindruck verfällt, der Eid sei immer noch das gültige Gelöbnis aller Ärzt*innen. Sicherlich gelten einige Richtlinien, die schon im Hippo- kratischen Eid festgeschrieben sind, noch immer, eben weil sie auch den modernen Moral- und Rechtsvorstellungen entsprechen: Das Gebot Kranken nicht zu schaden, keine sexuellen Handlungen an Patient*in- nen durchzuführen, die Schweigepflicht einzuhalten. Verboten sind im Hippokratischen Eid auch aktive Sterbehilfe durch Gift und die Durch- führungen von Abtreibungen, aber auch das Operieren von Blasensteinen. Der Eid enthält Passagen zur ökonomischen Regelung des Berufsstandes im Sinne eines Generationenvertrages, die nichts mehr mit der heutigen Realität zu tun haben. Er muss also an jedem einzelnen Punkt in seinem historischen Kontext betrachtet werden. Genau dies tut die »Lebens- schutz«-Bewegung nicht, sondern propagiert den Hippokratischen Eid in Ergänzung zur christlichen Medizin als vermeintlich überhistorischen Beleg für ein von ihnen ersehntes kulturen- und zeitenübergreifendes Verbot von Abtreibungen und Sterbehilfe. Zu den Blasensteinen und den anderen ökonomischen Berufsstandsregeln schweigt sich die »Lebens- schutz«-Bewegung übrigens auch aus. 47 Ihr stellt fest, dass die »Lebens- Wir denken, dass der (extrem) rechte Aufschwung, den wir europa- und schutz«-Bewegung sich in einem sogar fast weltweit erleben müssen, sich auch in der Rhetorik des Kultur- Kulturkampf wähnt und entspre- kampfes der »Lebensschutz«-Bewegung widerspiegelt. Und damit auch chend ihre Strategie anpasst. Wie in ihrer Praxis. Die Bewegung ist zwar eine Ein-Punkt-Bewegung, aber können wir uns (queer)-feministisch je nach den gesamtgesellschaftlichen Umständen findet sie Kooperati- auf diese Strategie einstellen, was onspunkte, Aktualisierungen, Verstärkungen außerhalb ihrer selbst. Die können wir ihr entgegensetzen? zwei stärksten Narrative sind das der bedrohten Christenheit – von außen durch »den Islam«, von Innen durch die Säkularisierung – und das der untergehenden traditionellen Familie. Hier verbindet sich beispielsweise die Demo für Alle mit der »Lebensschutz«-Bewegung. Sie kämpfen für die Bevorzugung der Ehe ausschließlich zwischen »Mann und Frau«, sind also gegen die Öffnung der Ehe, gegen das, was sie als »Genderwahn«, »Frühsexualisierung« und Auflösung der heteronormativen Zweige- schlechtlichkeit ablehnen. Ganz konkret wenden sie sich gegen viele Errungenschaften der Frauen*- und Queerbewegungen, von denen wir denken wollen, sie seien selbstverständlich. Dabei modernisieren sie ihre Strategien, passen sie den jeweiligen aktuellen Auseinandersetzungen an. Sie benutzen die Berufung auf Gewissens- und Religionsfreiheit und Menschenrechte, um gegen Antidiskriminierungsrichtlinien zu kämpfen. Das bedroht vor allem religiöse und sexuelle Minderheiten und Frauen*. Sie benutzen juristische Widersprüche, um einzuhaken und beispielsweise Psychoterror gegen Ärzt*innen auszuüben wie der Fall Kristina Hänel zeigt. Die öffentlichen und juristischen Debatten um das sogenannte Werbeverbot im § 219a haben das in aller Deutlichkeit gezeigt. Aber solange wir den § 218 nicht abgeschafft haben und das Recht auf Schwan- gerschaftsabbrüche erkämpft ist, wird dies negative Konsequenzen für Frauen* haben, denn es geht immer nicht nur um juristische Regelungen, sondern um die Deutungshoheit, also den Kulturkampf.

Wir müssen auch erkennen, dass das von der »Lebensschutz«-Bewegung propagierte Weltbild nicht nur ungewollt Schwangere und Ärzt*innen bedroht, sondern in seiner Konsequenz und in der gesellschaftlichen Wechselwirkung völkische Argumentationen stützt, Islamfeindschaft schürt, behinderte Menschen und Frauen* bevormundet. Im Prinzip wollen sie auch alle von ihrer restriktiven Norm abweichenden sexuel- len Identitäten, Orientierungen und Praktiken in die Unsichtbarkeit, in ihre Schranken weisen. Gemeint sind also (fast) wir alle – wenn auch in unterschiedlicher Weise – und das ist, so glauben wir, noch nicht in allen Teilen der antifaschistischen, feministischen, queeren, behindertenpo- litischen, kapitalismus- und religionskritischen Linken angekommen.

Danke für das Interview!

48 Das rechtskonservative »Demo für alle« Bündnis hielt ihr Symposium 2018 in Kelsterbach bei Frankfurt ab. Rund 100 Personen demonstrierten vor dem Kongresszentrum gegen die Veranstaltung. An einer Demo in Innenstadt der Frankfurter beteiligten sich später mehr als 2500 Menschen. 49 Rückwärtsgewandte Forschung und Lehre in Gießen Christlich-fundamentale, extreme Rechte und die FTH Gießen

Sebastian Hell

Im mittelhessischen Gießen befindet sich mit der Bibel ausgeht«3. Laut der »Bekenntnisgrund- Freien Theologischen Hochschule eine wichtige lage« bedeutet dies, dass »Forschung und Lehre Institution der Evangelikalen. An der Hochschule an der Freien Theologischen Hochschule [...] wird auf Grund eines Glaubensbildes gelehrt im Glauben an Gott, wie er sich offenbart hat und geforscht, welches sich an einer strengen in der Schöpfung« vermittelt wird und dieser Bibelauslegung orientiert. Diese Ausrichtung Glaube Grundlage ist4. Im Gegenzug wird der bietet Anschlussfähigkeit und Überschneidung Ansatz staatlicher Universitäten als »bibelkri- für das christlich-fundamentale Spektrum bis tische« Auslegung verortet. hin zur extremen Rechten.

Die Freie Theologische Hochschule (FTH) ist eine »Institut für Ethik & Werte« staatlich anerkannte Privathochschule aus dem evangelikalen Spektrum. Momentan lehren 22 Gerade in der Zeit bevor der FTH die staatliche DozentInnen und studieren 140 Studierende Anerkennung erteilt wurde, fanden sich auf der aus »verschiedenen evangelischen Kirchen, Homepage keine Bekenntnisse zu den klassi- Freikirchen und Gemeinschaftsverbänden« an schen Themen evangelikaler Fundamentalis- der Hochschule. Gegründet wurde die FTH ten. Offenbar sollte eine allzu deutliche Nähe 1974 als Freie Theologische Akademie in Seeheim zu fundamentalistischen Kreisen vermieden (Bergstraße). 1981 folgte der Umzug nach Gie- werden, um die Anerkennung als staatliche ßen, im Oktober 2008 erfolgte die Hochschul- Ausbildungseinrichtung nicht zu gefährden5. genehmigung und im November 2010 wurde Auch heute finden sich auf der Homepage der die FTH eine »staatlich anerkannte Hoch- FTH selbst keine Grundsatztexte zu solchen schule«1. Unterhalten wird sie vom Förderverein Themen, sondern nur auf der Homepage des für evangelikale Theologie und Ausbildung e.V., angeschlossenen Instituts für Ethik & Werte welcher darüber hinaus weitere Institute, eine (IEW). Studienbegleitung für Lehramtsstudierende und eine Fachbuchhandlung betreibt2. Das IEW ist mit der FTH auf verschiedenen Ebenen verbunden. Einerseits durch den Die FTH verortet sich in der Tradition der gemeinsamen Trägerverein Förderverein für »evangelikalen Bewegung« und bietet »ein evangelikale Theologie und Ausbildung e.V.6, Studium an, das von der Glaubwürdigkeit der ebenso auch räumlich. Das IEW selbst sowie 50 die Bibliothek des IEW befinden sich auf dem Teil eines Netzwerkes Campus der FTH. Auch personell gibt es eine Vielzahl an Überschneidungen. So ist zum Worauf diese Zuspitzung letztendlich hinaus- Beispiel der Direktor der FTH, Stephan Holt- läuft, wird auch mit einem Blick auf das Netz- haus, im »Wissenschaftlichen Beirat« des IEW. werk deutlich, in dem sich das IEW organisiert: Umgekehrt ist der Direktor des IEW, Christoph Teil des Bündnis Ehe und Familie ist neben dem Raedel, zugleich Professor an der FTH Gießen. IEW auch das Deutsche Institut für Jugend und Insofern ist davon auszugehen, dass Themen Gesellschaft (DIJG)14. Die DIJG ist eine Art For- und Grundsätze des IEW auch von der FTH schungszentrum des Vereins Offensive Junger Gießen so vertreten und in den Seminaren oder Christen. Die beiden Institutionen gelangten Vorlesungen auf diese Weise interpretiert wer- 2012 in den Fokus öffentlichen Interesses, da den und damit in die Lehre einfließen. sie eine »Konversionstherapie« anboten15. Diese solle es nach Meinung des DIJG einer »über- Auf der Homepage des IEW werden im »Forum sehene[n] und vergessene[n] Minderheit«16 Ethik« über 40 Grundsatztexte zu verschiede- möglich machen zu »konvertieren«17 – sprich: nen Themen angeboten. Die »Dokumentati- ihre Homosexualität bekämpfen. Diese »Min- onsreihe des Instituts«7 wartet mit zum Teil derheit« definiert das DIJG als »Menschen, die typischen Themen aus dem evangelikalen Spek- unter ihren homosexuellen Gefühlen leiden trum auf, welche auch inhaltlich in ebendiese und diese als unvereinbar mit ihren Wünschen Stoßrichtung gehen. So wird gleich im ersten und Überzeugungen ansehen«18. Die Crux dabei erschienen Text das Themenfeld Homosexu- ist nur, dass es genau genommen nach den alität behandelt8. Hierbei wird grundsätzlich evangelikalen Grundsätzen überhaupt nicht abgesteckt, in welchem Rahmen sich Sexualität möglich ist, als homosexueller Mensch glück- abspielen soll (und in welchem nicht): »Die lich zu sein, also nicht unter homosexuellen Bibel betrachtet Geschlechtsverkehr als gute Gefühlen zu leiden. Demnach sind hier de facto Gabe Gottes, die ausschließlich im Rahmen alle homosexuellen Menschen angesprochen. einer lebenslänglichen heterosexuellen Ehe Es wird bewusst ausgeblendet, dass es fatale praktiziert werden soll«9. Hierbei wird nicht Folgen haben kann, wenn Menschen sich unter 51 nur der heteronormative Grundgedanke deut- (sozialem) Zwang therapieren lassen, weil sie lich, zugleich wird Sexualität außerhalb der dem Idealbild evangelikalen Glaubens entspre- Ehe als verwerflich dargestellt. Dass es sich chen wollen oder müssen. In diversen Studien hierbei nicht nur um ein paar gut gemeinte wurde auf die negativen Folgen von »Konver- Ratschläge handelt, wird im weiteren Verlauf sionsbehandlungen« hingewiesen, während sie des Textes deutlich, wenn die vermeintlichen »keine gesundheitsförderlichen Effekte valide Konsequenzen für ein Ausbrechen aus dem nachweisen können«19. religiös geschaffenen Rahmen aufgezeigt wer- den. So heißt es weiter: »Gott hat das Recht, uns vorzuschreiben, wie wir zu leben haben. Im Netzwerk Und er wird uns auch dafür zur Rechenschaft mit der extremen Rechten ziehen«10. Das soll in diesem Kontext insbeson- dere als Drohung verstanden werden gegenüber Auch anhand personeller Verstrickungen lässt »Christen, die bei sich eine homosexuelle Nei- sich das Netzwerk von Christlich-fundamenta- gung entdecken«. Diese »Neigungen« werden len bis in die extreme Rechte nachzeichnen. So zunächst als »Versuchung« bezeichnet, der es ist der Direktor der FTH, Stephan Holthaus, gilt zu widerstehen: »Doch darf die Neigung Teil des Hauptvorstandes der Evangelischen nicht als Ausrede für homosexuelle Praktiken Allianz in Deutschland 20, in welcher er auch mit dienen, die in der Bibel als Unrecht bezeich- der »evangelikalen Nachrichtenagentur« idea net werden«11. »Betroffenen« wird daher ein verwoben ist21. Er unterstütze die Petition von Ausweg angeboten, indem zunächst in den AbtreibungsgegnerInnen22 der europäischen Raum gestellt wird: »Viele gehen davon aus, Bürgerinitiative Einer von Uns (EvU)23. Jene sexuelle Orientierung sei so unveränderlich«12. forderte erfolglos den Stopp von EU-Geldern Demnach scheint die letztlich einzige Konse- für Forschung mit embryonalen Stammzel- quenz: »Der Wunsch nach Veränderung, die len24. Nationale Koordinatorin der Initiative Überzeugung, dass sie möglich ist«13. in Deutschland war Hedwig von Beverfoerde25. Ebendiese ist auch Koordinatorin der Demo für dritten »Verbandsgründungstagung«36. Ebenso Alle (DfA)26, die sich in der Vergangenheit als bei dem geschichtsrevisionistischen Verein eine Sammlungsbewegung von christlich-fun- Gedächtnisstätte, der nahe Sömmerda (Thü- damentalen, konservativen, sowie (extrem) ringen) ein Tagungshaus und eine »Gedächt- rechten Zusammenhängen gezeigt hat27. nisstätte für die deutschen zivilen Opfer des Zweiten Weltkrieges durch Bomben, Ver- Letztendlich lässt sich der Weg von der Initi- schleppung, Vertreibung und in Gefangenen- ative EvU auch zur Zivilen Koalition e.V. (ZK) lagern« unterhält, und der aus dem Spektrum zeichnen, welche die Homepage der Initiative deutscher Holocaust-LeugnerInnen gegründet betreibt28. Der Vorstand von ZK besteht aus wurde, ließ sich Seubert als Referent einla- Sven und Beatrix von Storch. Die AfD-Poli- den. Im Rahmen eines »Vortragswochenendes« tikerin Beatrix von Storch ist ebenso zu dem am 20. und 21. Oktober 2012 im »Rittergut christlich-fundamentalen Spektrum zu rech- Guthmannshausen« referierte Seubert hier als nen29. Im Mai 2014 zog sie als Abgeordnete Gastredner zum Thema »Dekadenz und Orien- für die Alternative für Deutschland (AfD) in tierungslosigkeit – Zur geistigen Situation in das Parlament der Europäischen Union ein. Deutschland«37. Im Juni 2013 war er erneut für Seit Oktober 2017 ist sie eine von vier stell- einen Vortrag in Guthmannshausen angekün- vertretenden Fraktionsvorsitzenden der digt38, der Auftritt fiel aber aus unbekannten AfD-Bundestagsfraktion. Gründen aus.

»Neurechter« Lehrende der FTH im Dozent an der FTH christlich-fundamentalen Spektrum Seit September 2017 unterrichtet Harald Seubert an der FTH in Gießen. Die Vita des Bereits im Jahr 2009 unterzeichnete Holthaus, Professors für Philosophiegeschichte ist mit sowie auch Seubert, die homophobe Marbur- diversen Verbindungen zur »Neuen Rechten« ger Erklärung. Darin sprachen sich die Unter- behaftet. Seubert war bis 2016 Präsident des zeichnerInnen gegen »totalitäre Bestrebungen 39 52 deutschnationalen Studienzentrum Weikers- der Lesben- und Schwulenverbände« aus. heim30, einer ursprünglich am rechten Rand der Christlich Demokratischen Union (CDU) Am 6. Mai 2017 referierte Seubert auf dem beheimateten Denkfabrik, sowie zeitweise Prä- Symposium der Reaktionären DfA in Wies- sident des monarchistischen Preußeninstituts31. baden. Er philosophierte während seines Vor- Des Weiteren veröffentlichte er in derJungen trags von der »Zwangsbeglückung nach dem Freiheit32 und in der von Götz Kubitschek her- Reißbrett« und einer »lobbyistenstarken Sexu- ausgegebenen Sezession33. Die Verbindung zu alpädagogik, die totalitäre Züge« annehme. Kubitschek, der nicht zuletzt 2017 durch den Schließlich verdammte er Sexualpädagogik als Eklat auf der Frankfurter Buchmesse rund um ideologischen Totalitarismus, der einzig einer seinen Verlag Antaios in der öffentlichen Wahr- (Pädo-)Lobby in die Hände spiele.40 nehmung vermehrt präsent war, lässt sich auch durch Seuberts Auftreten als Referent auf der In den evangelikalen Kanon stimmt auch der 13. »Winterakademie« 2013 von Kubitscheks Direktor des IEW, Christoph Raedel, ein. Die- Institut für Staatspolitik darlegen34. ser gab seinerseits im vergangenen Jahr das Buch Das Leben der Geschlechter heraus. In Außerdem kann ihm eine gewisse Nähe zu einer Rezension, die auf der Seite der FTH ver- extrem rechten und rechtskonservativen Bur- öffentlicht wurde, wird jeglicher Alternative zur schenschaften attestiert werden. Im Dezember heterosexuellen lebenslangen Ehe und auf die- 2012 trat Seubert als Festredner vor knapp 40 sen Prinzipien aufgebauten Familie eine deut- Mitgliedern des extrem rechten Dachverbands liche Absage erteilt. Damit verbunden wird die Deutsche Burschenschaft (DB) auf.35 Auch in Forderung nach einer »tragfähigen Geschlech- der Gründungsphase des neu gegründeten tertheorie und einer dem Gemeinwohl die- Dachverbandes Allgemeine Deutschen Bur- nenden Geschlechterpolitik«41 aufgestellt. schenschaft (ADB) referierte er 2014 bei dessen Unterstrichen wird dies, indem die »natürliche 1 Angaben von der Home- tet-angebliche-thera- 38 http://www.dullophob. Polarität von Mann und Frau als Gabe Gottes page der FTH https://www. pie-an-a-871001.html com/PDF-Dateien/Gedaecht- fthgiessen.de/willkommen/ nisstaette%201.%20Halbjah- interpretiert [wird], die dem Menschen hilft, wer-wir-sind/ 18 https://www.dijg.de/ resprogramm%202013.pdf sich in der Geschichte Gottes mit der Welt als homosexualitaet/dijg-ar- 2 https://www.fta.de/ beit-engagement-homose- 39 https://archive.fo/ Geschöpf zu verorten und die Gesellschaft als index.php?id=567 xualitaet/ WfstC Raum versöhnter Geschlechterverhältnisse 3 https://www.fth- 19 https://www.vlsp.de/ 40 http://www.fr.de/poli- 42 zu gestalten« . Dem wird die Unmöglichkeit giessen.de/willkommen/ files/pdf/stellungnahme_ tik/symposium-demo-fuer-al- »eine[r] gerechtere[n] Gesellschaft« gegenüber- faq/#toggle-id-1 vlsp_verbot_konver_sionsthe- le-reaktionaeres-weltbild-ver- rapien_antrag_gruenen.pdf wissenschaftlicht-a-1274334 gestellt, in der nicht »die Würde der natürlichen 4 https://www. 43 fthgiessen.de/willkom- 20 https://ead.de/ueber- 41 https://www.fthgiessen. Familie anerkannt wird« . Selbstbestimmung men/wer-wir-sind/ uns/netzwerk-und-struktur/ de/leben-der-geschlechter/ wird deklariert als »eine Persönlichkeitsent- bekenntnisgrundlage/ geschaeftsfuehrender-vor- stand/ 42 https://www.fthgiessen. faltung, die die Einbettung in soziale Gefüge 5 https://www.heise.de/ de/leben-der-geschlechter/ verleugnet, nicht Freiheitsgewinn, sondern tp/features/Bibeltreu-wissen- 21 https://www.lotta-ma- schaftlich-und-streng-glaeu- gazin.de/ausgabe/online/ 43 https://www.fthgiessen. 44 Selbsttäuschung ist« . big-3382782.html der-preistr-ger-und-sein-blatt de/leben-der-geschlechter/

6 https://www.fta.de/ 22 http://kath.net/ 44 https://www.fthgiessen. Die dargelegten heteronormativen, sexisti- index.php?id=567 news/59404 de/leben-der-geschlechter/ schen, homophoben Positionen und Grund- 7 https://www.ethikinsti- 23 https://www.cvjmsulz. 45 https://www.fth- sätze bilden demnach die Basis »für das eigene tut.de/index.php?id=115 de/einer-von-uns/ giessen.de/willkommen/ faq/#toggle-id-1 Glaubensleben und für die Persönlichkeitsent- 8 https://www.ethikinsti- 24 https://www3. wicklung«45, welche von der FTH ihren Stu- tut.de/index.php?id=115 kaiserslautern.de/wb/pages/ 46 https://www.heise.de/ posts/keine-gesetzesaende- tp/features/Deutsche-Evan- dierenden vermittelt und gelehrt wird. Lokal 9 https://www.ethik- rung-durch-buergerinitia- gelikale-3835606.html und überregional sammeln sich in diesem institut.de/fileadmin/ tive--einer-von-uns-3158. ethikinstitut/redaktionell/ php?p=840 47 https://www.heise.de/ Netzwerk christlich-fundamentale bis extrem Texte_fuer_Forum_Ethik/1-_ tp/features/Deutsche-Evan- Peter_Saunders_Homosexua- 25 http://kath.net/ gelikale-3835606.html rechte Akteure, die aufgrund ihres Bibelbezugs litaet_neues_Layout.pdf news/42075 sich einer einzig gültigen Wahrheit verpflichtet 48 https://www.fth- 10 https://www.ethik- 26 https://demofueralle. giessen.de/willkommen/ sehen. Dies alles hat Einfluss auf Forschung und institut.de/fileadmin/ blog/eine-seite/kontakt/ wer-wir-sind/ Lehre an der FTH. Somit wird deutlich, welche ethikinstitut/redaktionell/ Texte_fuer_Forum_Ethik/1-_ 27 http://www.fr.de/rhein- Art von Gesellschaft, Geschlechterrollenbildern Peter_Saunders_Homosexua- main/hessen-demo-ordner- und Lebensentwürfen dort idealisiert und dass litaet_neues_Layout.pdf von-der-npd-a-297485 diese als alternativlos dargestellt werden. 11 https://www.ethik- 28 http://www.1-von-uns. institut.de/fileadmin/ de/content/impressum.html ethikinstitut/redaktionell/ Dies muss vor dem Hintergrund betrachtet Texte_fuer_Forum_Ethik/1-_ 29 https://www.welt. Peter_Saunders_Homosexua- de/politik/deutschland/ werden, dass es sich bei den Evangelikalen litaet_neues_Layout.pdf article125450132/Auf- um »eine der am schnellsten wachsenden loesungserscheinun- 12 https://www.ethik- gen-in-der-AfD.html religiösen Bewegungen weltweit« handelt, institut.de/fileadmin/ die »zunehmend auch im deutschsprachigen ethikinstitut/redaktionell/ 30 https://www.der-rech- Texte_fuer_Forum_Ethik/1-_ te-rand.de/archive/1596/ Raum an Bedeutung« gewinnt46. Momen- Peter_Saunders_Homosexua- fruehling-in-weikersheim/ litaet_neues_Layout.pdf tan kann von etwa 1,7 Millionen Glaubens- 31 http://www.ver- anhängerInnen, also etwa zwei Prozent der 13 https://www.ethik- lag-inspiration.de/rezensi- institut.de/fileadmin/ on-was-wir-wollen-koennen. 47 Bevölkerung, ausgegangen werden . Mit der ethikinstitut/redaktionell/ html FTH, aber auch mit Privatschulen, Verlagen Texte_fuer_Forum_Ethik/1-_ Peter_Saunders_Homosexua- 32 https://jungefrei- und Informationsdiensten verfügen Evangeli- litaet_neues_Layout.pdf heit.de/kultur/2017/ kale über Netzwerke, die von Kindheit bis ins praktische-vernunft/ 14 https://web.archive.org/ Erwachsenenalter erziehen und sozialisieren. web/20180325233136/http:// 33 https://sezession.de/ www.buendniseheundfamilie. sezession-54-juni-2013 Und die letztendlich dazu ausgebildet werden, de/das-buendnis.html »in Gemeinde, Mission oder Lehrdienst«48 die 34 https://staatspolitik.de/ 15 http://www.spiegel. akademien/ Glaubensrichtung und ihre Grundsätze zu ver- de/panorama/gesellschaft/ breiten. Dass sie damit hinter viele gesellschaft- homosexualitaet-verein-bie- 35 https://www. tet-angebliche-thera- aida-archiv.de/index.php/ liche Errungenschaften zurückfallen, wird von pie-an-a-871001.html chronik/3429-15-dezember- ihnen nicht als Widerspruch begriffen, denn 2012-nbg 16 https://www.dijg.de/ letztendlich wähnen sie sich bei der einzigen homosexualitaet/dijg-ar- 36 https://www.anti- beit-engagement-homose- fainfoblatt.de/artikel/ und unumstößlichen Wahrheit. xualitaet/ deutsche-burschenschaft-light

17 http://www.spiegel. 37 https://www.der-rech- de/panorama/gesellschaft/ te-rand.de/archive/1596/ homosexualitaet-verein-bie- fruehling-in-weikersheim/ 53 Antifeminismus in der Hochschulpolitik Hochschulpolitische Gruppen und antifeministische Ressentiments

Lucius Teidelbaum

Auch an den Hochschulen in Deutschland macht »Der« Feminismus fungiert dabei als Feind- 54 sich seit einigen Jahren eine neue Variante des bild, dem diverse Zuschreibungen gemacht Antifeminismus breit, zumeist tritt sie in Form werden, die oft nur wenig mit der Realität zu des Feindbildes »Genderismus« in Erscheinung. tun haben. Der Antifeminismus speist sich Auf studentischer Ebene sind vor allem die Hoch- zumeist aus einem konservativen Verständnis schulgruppen der rechtspopulistischen »Alter- von Geschlechterrollen. native für Deutschland« (AfD) Träger dieser Entwicklung, aber auch die Hochschulgruppen AntifeministInnen1 üben keine irgendwie gear- der konservativen Unionsparteien und der libe- tete Kritik am Feminismus, es handelt sich viel- ralen (FDP) bedienen sich dieses Feindbildes. mehr um ein ausgewachsenes Feindbild. Häufig wird »dem« Feminismus dabei eine Omnipo- tenz zugeschrieben und teilweise wähnt man(n) Was ist eigentlich sich bereits in der »Diktatur des Feminismus«. Antifeminismus? Es gilt zu beachten, dass bei weitem nicht alle AntifeministInnen alle Errungenschaften der Antifeminismus bezeichnet eine politische Frauenbewegung grundsätzlich ablehnen. Bei- Position, welche die Bewegungen der Frau- spielsweise das Frauenwahlrecht wird auch von en*emanzipation, ihre Errungenschaften einer Mehrheit der AntifeministInnen nicht und Ziele teilweise oder ganz ablehnt und offensiv in Frage gestellt. bekämpft. Zumeist wird »der« Feminismus als eine linke Ideologie betrachtet, welche die Im Kampf gegen den »Genderismus« tritt seit traditionelle und angeblich »natürliche« Ord- Anfang des 21. Jahrhundert eine neue Vari- nung der bürgerlichen Kleinfamilie und des ante des Antifeminismus auf. Zu beachten ist konservativen Rollenverständnisses bedrohe. dabei, dass der »Genderismus« ebenfalls als Demnach existiere eine Art geheimer Plan, der seit Jahrhunderten und global auf eine Auflösung der »natürlichen« Geschlechterordnung abziele.

ein kompaktes Feindbild funktioniert, in dem Rechten im RCDS konnte es kommen, da rech- viele Dinge miteinander verbunden werden, die ten politischen Hintergründen von Personen real nur bedingt oder gar nichts miteinander häufig mit Toleranz beziehungsweise Ignoranz zu tun haben. Große Teile der antifeministi- begegnet wurde. Aber auch manche inhalt- 55 schen Bewegung verbinden ihre Anti-»Gen- lichen Positionen erzeugten eine Anziehung derismus«-Haltung mit einer »Analyse«, die auf Rechte. Beide Hochschulgruppen, sowohl stark verschwörungsideologisch geprägt ist. RCDS als auch LHG, machen zum Beispiel Demnach existiere eine Art geheimer Plan, der gerne Politik gegen linke Studienvertretun- seit Jahrhunderten und global auf eine Auflö- gen (Allgemeine Studierendenausschüsse, AStA sung der »natürlichen« Geschlechterordnung oder Studierendenparlamente, StuPa) und linke abziele. Der Antifeminismus mit dem Schwer- Hochschulgruppen, von denen meist auch die punkt Anti-»Genderismus« ist in Deutschland vehementeste Kritik an Studentenverbindun- in der extremen, der christlichen und der kon- gen ausging. Oft wurde auch einfach nur allge- servativen Rechten hegemonial, kann aber auch mein das Feindbild »links« bedient. darüber hinaus auftreten. Bei der LHG ist zudem auffällig, dass sie einen postideologischen Charakter (»ideologiefreie RCDS und LHG Politik«) beansprucht, ähnlich wie die AfD in ihrer Anfangszeit (»Politik des gesunden Wie alle größeren Parteien, so unterhalten auch Menschenverstandes«). Diese angeblich ideo- die Freie Demokratische Partei (FDP) und die logiefreie Politik wird dann meist einem links beiden Unionsparteien Christlich Demokra- dominierten AStA, StuRa bzw. StuPa und den tische Union (CDU) und Christlich-Soziale von diesen finanzierten und organisierten Vor- Union (CSU) eigene Hochschulorganisationen. trägen, zu Feminismus, Rassismus und Öko- Der FDP steht dabei die Liberale Hochschul- logie als angebliche »linke Klientelpolitik« gruppe (LHG) nahe und den Unionsparteien gegenübergestellt. der Ring Christlich-Demokratischer Studen- ten (RCDS). Diese Ableger sind die beiden In diesem Zuge wird von LHG und RCDS auch einzigen nichtlinken Hochschulgruppen mit gerne als Thema das Feindbild »Genderismus« bundesweiter Struktur und Kontinuität. Der bedient. An der Hochschule wendet man sich RCDS hat wie die CDU/CSU vor Ort oft einen dabei konkret gegen das Gendern in der Spra- rechtskonservativen Flügel. Auffällig ist eine che und gegen die »Gender Studies« bzw. Gen- starke Anziehungskraft beider Hochschul- der-Wissenschaften und die damit verbundene gruppen für rechtskonservative bis extrem kritische Theorie. Gegen letztere wird dabei rechte Verbindungsstudenten und andere gerne agitiert, indem ihnen die Wissenschaft- rechte StudentInnen. Besonders beim RCDS lichkeit abgesprochen wird. führte das in Vergangenheit immer wieder zu Skandalen, weil KandidatInnen eine extrem Der Verweis auf eine vermeintliche Unwissen- rechte Polit-Biographie aufwiesen oder in einer schaftlichkeit der »Gender Studies« erstaunt deutschnationalen Studentenverbindung Mit- auch deswegen, weil man in anderen Fächern glied waren. kein Problem damit zu haben scheint, etwa in der Theologie. Es wäre aber zu einfach, die Meist waren es Mitglieder von Burschenschaf- LHG einfach nur als Hochschulgruppe mit ten, die im extrem rechten Dachverband Deut- antifeministischer Tendenz zu bewerten. Bei sche Burschenschaft (DB) organisiert waren oder einigen LHG-Gruppen wird sich positiv auf sind. Zu der Mitgliedschaft von extremeren eine Variante des Feminismus bezogen, die als »liberaler Feminismus« bezeichnet wird. Die sehr stark. Dadurch kommt beim RCDS auch LHG kann sich, wenn sie das Feindbild »Gen- der männerbündische Antifeminismus der derismus« bedient, inzwischen auch auf ihre Korporierten oft wieder zum Vorschein. Denn Mutterpartei berufen. Der Parteivorsitzende Antifeminismus hat Tradition im Milieu der etwa, der auch in den Berei- Männerbünde. So nannte sich beispielsweise 56 chen Migrationspolitik punktuell versucht, mit eine korporierte Uni-Wahlliste in Marburg »Die der AfD zu konkurrieren, sprach das Thema so Heteros«. Im Jahr 2012 gaben zwei der drei auch in seiner Rede auf dem 69. Parteitag am damaligen RCDS-Bundesvorstandsmitglieder Rande an: dem Magazin ACADEMIA, Verbandsblatt des katholischen Korporierten-Dachverbandes »Jedenfalls, die FDP ist die wirkliche Alterna- Cartellverband (CV), ein zweiseitiges Interview. tive für Frauen, die selbstbestimmt leben wollen, Beide Interviewpartner, Christian Stadler und die wirtschaftliche Vernunft wollen, die eine Andreas Heddergott, waren auch Mitglied in moderne Gesellschaftspolitik wollen. Die sich einer CV-Verbindung. Heddergott kritisiert in aber selbst von jeder Form der Genderideologie seiner Antwort auf die Frage nach seiner Position freimachen möchten.«2 zu einer »Verfassten Studierendenschaft« auch das politische Engagement von vielen AStA: Der RCDS bedient das Thema Anti-»Genderis- mus« stärker als die LHG. Einzelne RCDS-Orts- »An privaten Hochschulen ist die Studieren- gruppen versuchen sich in regelrechten denvertretung, wenn es überhaupt eine solche Kampagnen gegen den »Genderismus«. So wurde gibt, viel weniger politisch. Wenn es nach dem bundesweit ein »RCDS-Gender-Bullshit-Bingo« RCDS ginge, wäre es auch so an den normalen erstellt, auf dem (vermeintliche) feministische Hochschulen. Kein Student braucht einen AStA, Gegenargumente und Phrasen weggestrichen der sich mit ›Gendern‹ beschäftigt, Resolutionen werden können. Gerne wird auch das Kosten-Ar- zum Afghanistan-Krieg verfasst oder die Antifa gument als vermeintlich rationales Argument offen unterstützt.«4 angeführt. Damit argumentierte auch der RCDS Baden-Württemberg in seinem Online-Werbe- bild »Gender-Verblendung kostete Studenten Hunderttausende«. Darin heißt es u.a.:

»Bereits mehrfach hat der RCDS Baden-Würt- temberg sie kritisiert, nun ist sie gekommen: Die landesweite Umbenennung der Studen- tenwerke in Studierendenwerke. Was wie ein Scherz klingt, ist leider der real gewordene Irrsinn einer verblendeten rot-grünen Gen- der-Ideologie mit Folgen für die Studenten«3

Der RCDS Bonn machte es sich da noch ein- facher. Er übernahm zur StuPa-Wahl 2013 ein altes Bild aus den Batman-Comics, auf dem zu sehen ist, wie Batman seinen Sidekick Robin ohrfeigt. Robin sagt: »Hochschulpolitik im Sinne der Studierenden ...« und Batman gibt ihm eine Ohrfeige und korrigiert: »... Studen- ten!«. Dazu wirbt der RCDS mit dem Slogan: »Mit uns gegen den Gender-Wahnsinn! Statt über Grammatik und gendergerechte Sprache reden wir über Inhalte.« Dieses Bild wurde auch in korporierten Kreisen gerne geteilt.

Die personellen Überschneidungen zwischen RCDS und Studentenverbindungen sind oft Der RCDS hat dabei in Gestalt des CDU-Mit- aktiven Hochschulgruppen der AfD sind in glieds Birgit Kelle eine eigene antifeministi- ihrer Anzahl und Größe überschaubar und sche Vordenkerin. Die in der Union bestens ihr Personal wird fast ausschließlich von Män- vernetzte Kelle trat auch mehrfach für den nern gestellt, nicht selten von solchen mit RCDS als Referentin auf. Zu der »Pop-Antife- korporierten Hintergrund. So war etwa Vorsit- ministin« (Juliane Lang) schrieb der Journalist zender der Jungen Alternative (JA)-Hochschul- Ernst Kovahl 2015 treffend: »Kelle führt ein gruppe Göttingen,Lars Steinke, Mitglied der politisches Doppelleben zwischen bürger- Burschenschaft Hannovera Göttingen. lich-konservativen und neu-rechtem Milieu – und ist damit überaus erfolgreich.« Kelle Im verbindungsstudentischen Milieu ist das trat am 29. September 2015 zur so genannten Interesse für die AfD allgemein groß. Immer »Wiesn-Landessitzung« des RCDS Bayern auf. wieder referierten VertreterInnen der AfD Sie selbst schreibt in einem Bericht: auf Verbindungshäusern und werben für ihre Partei. Die AfD-Hochschulgruppen sind aber »Viele der Studenten berichteten leidvoll von trotz der zunehmenden Verwurzelung der AfD ihren Erfahrungen mit gegenderter Sprache an im korporierten Milieu bisher insgesamt ver- der Uni und ich hab mal empfohlen, eine neue hältnismäßig schwach aufgestellt. Das liegt Studentenrevolte zu entfachen. Kann ja nicht auch daran, dass die AfD für ihre Fraktionen in so schwer sein. Stell dir vor es ist gendergrechte den Landtagen und Bundestragen alles fähige Sprache und keiner macht mit!«5 akademische Personal direkt von den Uni- versitäten weg rekrutiert und die hochschul- Ebenfalls trat sie am 1. Mai 2016 in Stuttgart politischen Aktivitäten dann aus Zeitmangel beim sogenannten Wasen-Landesausschuss brach liegen. des RCDS Baden-Württemberg auf und sprach zum Thema »Gendern an Uni & Co.«6 Hier Die AfD beziehungsweise die JA hat zudem appellierte Kelle an ihr Publikum: »Birgit Kelle offenbar bisher keinen Plan für eine bundes- richtete einen direkten Appell an uns und for- weite Struktur der Hochschulgruppen, die derte uns auf, die Unterwanderung der Spra - bisherigen Gruppen sind erkennbar Wild- che auch an der Universität zu stoppen.«7 Im wuchs. Selbst die Namensgebung ist nicht Oktober 2017 trat sie dann sogar auf dem einheitlich. Meist heißen die AfD-Ableger an RCDS-Bundeskongress in Berlin auf. Der von den Hochschulen inzwischen Campus Alter- Kelle geprägte Begriff »Gendergaga« wird vom native, manche tragen aber auch Namen wie RCDS auch gerne als Hashtag »#GENDER- AfD-Hochschulgruppe und die in Kassel trat GAGA« verbreitet. unter dem Namen Junge Alternative Uni Kassel in Erscheinung. Die AfD-Hochschulgruppen traten auch bisher kaum zu Wahlen an. Wo sie Die »Alternative für es versuchten, wie etwa in Göttingen, scheiter- Deutschland« auf dem ten sie zumeist. Bisher gibt es bundesweit nur Campus eine einstellige Zahl an AfD-VertreterInnen in den gewählten Studierendenvertretungen. Die einstige Professoren-Partei AfD tut sich Konkret ist das bisher in Düsseldorf, in Kassel, bisher eher schwer mit ihrer Ausdehnung auf in Halle, an der Fernuni Hagen und in Kiel die Universitäten und Hochschulen. Die Ver- der Fall. suche eigene Hochschulgruppen zu gründen sind eher unbeständig und verfangen bisher Die AfD ist sicherlich die wichtigste Vertre- kaum. Seit der Gründung der AfD versuchten terin des Antifeminismus im Parlament. Ihr Parteimitglieder Ableger an den Universitä- antifeministisches Programm betrifft auch ten und Hochschulen zu gründen. Bis Mitte die Gender-Wissensschaften. So heißt es im 2018 tauchten AfD-Hochschulgruppen an AfD-Grundsatzprogramm von 2016: etwa 25 Hochschulstandorten auf. Aktivitä- ten aktuell und jenseits von Facebook lassen sich aber nicht bei allen dieser Gruppen fest- stellen. Derzeit dürfte es eher um die zehn aktive AfD-Hochschulgruppen geben. Die 57 »Die Gender-Forschung erfüllt nicht den und männliche Gleichstellungsbeauftragte 1 In diesem Text wird das Gender-Sternchen verwendet, Anspruch, der an seriöse Forschung gestellt eine Seltenheit sind, gehört zur Ironie dieses wo Menschen beschrieben werden muss. Ihre Methoden genügen nicht Themenkomplexes.«10 werden, die sich nicht als Hetero-Mann oder Hetero- den Kriterien der Wissenschaft, da ihre Ziel- Frau verstehen. Bei den Vom Stil her erinnerte diese Aktion stark an die VertreterInnen der Rech- setzung primär politisch motiviert ist. Bund ten und des organisierten und Länder dürfen daher keine Sondermittel extrem rechte Identitäre Bewegung. Ähnliche Antifeminismus wird dagegen 8 das Binnen-I verwendet, da für die Gender-Forschung mehr bereitstellen.« Aktionen wurden auch schon in Düsseldorf von es in ihrem Selbstverständnis der JA-Hochschulgruppe ausgeführt. keine weiteren Geschlechter, sondern nur Männer und Darüber hinaus gehen aber manche AfD-Lan- Frauen gibt. desprogramme. So fordert etwa die AfD 2 Bearbeitete Mitschrift Baden-Württemberg in ihrem Landtagswahl- Fazit der Rede des FDP-Bundesvor- programm von 2016: sitzenden Christian Lindner beim 69. Ord. Bundespartei- Das Feindbild »Genderismus« fungiert auch tag der Freien Demokrati- schen Partei, Pressemitteilung »Die an allen baden-württembergischen bei studentischen Gruppen an den Hoch- vom 12.05.2018, https://mai- Universitäten und Hochschulen per Gesetz schulen in der extremen Rechten (Campus lings.fdp.de/node/123621.

installierten sogenannten Gleichstellungsbe- Alternative), bei der konservativen Rechten 3 RCDS Baden-Württem- auftragten sollen angeblich die Chancengleich- (RCDS) und bei Liberalen (LHG) als Konsens- berg: »Gender-Verblendung kostete Studenten Hundert- heit von Frauen und Männern garantieren. thema. Zu befürchten ist, dass sich dadurch tausende«, 26. August 2014, In Wahrheit führen sie – im Verein mit dem zukünftig in den Studierendenvertretungen https://www.facebook.com/ RCDS.BW/ Instrument der Frauenquote – regelmäßig Allianzen oder Kooperationen ergeben könn- photos/a.471199572579. ten. Es ist jedenfalls ein relativ wirkmächtiges 261241.323071302579/ zur Diskriminierung von männlichen Stel- 10152834012842580/ lenbewerbern. Die AfD fordert ihre ersatzlose Feindbild, auch weil antifeministische Einstel- ?type=3&theater. 9 Abschaffung.« lungen in Teilen der Bevölkerung verbreitet 4 »Wir brauchen keinen sind und auch Universitäten hier keine Aus- AStA, der sich mit Gendern beschäftigt«, Academia Auch die AfD-Hochschulgruppen polemisieren nahme darstellen. Gerade auch an den Hoch- 2/2012, Seite 66 stark gegen den »Genderismus«. Ebenso wie schulen zeigt sich, dass der stark akademisch 5 Mit Stoiber beim RCDS der RCDS und Teile der LHG empört man sich geprägte feministische Diskurs noch immer Bayern – Wiesn-Landessit- über Gender-Studies und das Gendern von auch ein Vermittlungsproblem hat, da hier die zung, 29.09.2015, http://www. birgit-kelle.de/. Sprache, etwa die Umbenennung von Studen- Realität von progressiver, komplexer Gender 6 Antifeministin beim tenwerk in Studierendenwerk. Forschung mit der von nicht-soziologisch stu- RCDS in Stuttgart, 22. dierten Menschen aufeinandertrifft. So können Mai 2016, http://kei- nealternative.blogsport. An den Universitäten versucht die AfD dar- Missverständnisse entstehen, die dann Antife- de/2016/05/22/antifeminis- über hinaus direkt propagandistisch aktiv zu ministInnen als Vorlage für ihre gezielten Fal- tin-beim-rcds-in-stuttgart/. werden. So führte im April die Junge Alter- schinterpretationen und Fake-News verwenden 7 Johanna Riecken: native Reutlingen-Tübingen eine Aktion mit können. Hier gilt es unbedingt nachzubessern, Birgit Kelle zu Gast beim Wasen-LA, in: NEUIG- Sprühkreide durch, die sich auch gegen den um AntifeministInnen den Boden zu entziehen. KEITEN VOM RCDS BADENWÜRTTEMBERG, Feminismus richtete. Die JA selbst schreibt in Frühjahrssemester 2016, einem Bericht: Seite 3-4, http://rcds-bw. de/wordpress/wp-content/ uploads/2014/12/Newslet- »In den frühen Morgenstunden des 15. April ter_2016.pdf.

2018 haben Mitglieder der Jungen Alternative 8 »PROGRAMM FÜR Reutlingen-Tübingen im Umfeld der Tübinger DEUTSCHLAND«. Das Grundsatzprogramm der Universitätsbibliothek, sowie am Zentrum für Alternative für Deutschland, beschlossen auf dem Bun- Islamische Theologie, eine Aktion mit Sprüh- desparteitag in Stuttgart am kreide durchgeführt. [...] Die vielfach an der Uni 30.04./01.05.2016, Seite 52.

anzutreffende Ideologie der Alt-68er (›Talare 9 AfD Baden-Württem- von heute - rotgrüne Häute‹) wurde dabei im berg: Für unser Land – für unsere Werte. Landtagswahl- Umfeld der Universitätsbibliothek ebenso ins programm 2016 der AfD Visier genommen, wie auch die immer stärkere Baden-Württemberg, 2016. Durchsetzung eines Quoten-Unwesen (›Leis- 10 Junge Alternative Reutlingen-Tübingen hat tung statt Quote‹) oder ein zunehmend über 7 neue Fotos hinzugefügt, die Stränge schlagender Feminismus (›Femi- 15.04.18, https://www. facebook.com/jarttue/ nismus ist nur ein Konstrukt‹). Dass die Mehr- posts/740676939471471. heit aller Genderlehrstühle weiblich besetzt ist 58 Antifeminismus in Printform 59 »Vergemeinschaftet durch das Abverlangen von 60 Standhalten und Beherrschung.« Männerbund, Mensur und Antifeminismus bei deutsch­ nationalen Burschenschaften

Judith Goetz

Im Folgenden soll die feste Verankerung Frauen*bewegungen antifeministische Reak- antifeministischer Denkformen sowohl im tionsmuster von Burschenschaften aufgezeigt burschenschaftlichen Denken als auch im und die gleichbleibenden diskursiven und damit verbundenen Brauchtum in den Blick argumentativen Muster festgemacht werden. genommen werden. Dabei werde ich an Herrad Gerade angesichts der durch die Frauen*be- Schenks Unterscheidung zwischen der Frauen- wegungen angestoßenen Veränderungen und feindlichkeit im Allgemeinen und Antifeminis- Transformation kommt homosozialen Män- mus »als Reaktion auf die Frauenbewegung, als nergemeinschaften »die zentrale Bedeutung Widerstand gegen deren tatsächliche oder ver- [...] für die Reproduktion des männlichen Hab- meintliche Ziele«1 im Besonderen beziehungs- itus zu[...]«.3 weise Ute Planerts Erweiterung anknüpfen und

»zwischen 1. Misogynie – der Vorstellung einer Männerbünde und erste ontologischen Minderwertigkeit der Frauen Frauen*bewegungen – als ,feste(m) Bestandteil abendländischer Kultur’, 2. Frauenfeindlichkeit – bewußten Die nähere Betrachtung des (burschenschaft- Handlungen und politische Praktiken, die lichen) Männerbundes scheint insofern von darauf abzielen, die Diskriminierung von Bedeutung, als dass seine Reproduktion und Frauen in die Tat umzusetzen – und 3. Anti- Aufrechterhaltung als Teil einer antifeministi- feminismus als unmittelbare Reaktion auf schen Strategie verstanden werden muss, deren Emanzipationsansprüche«2 vorrangiges Ziel es ist, allem gesellschaftlichen und geschlechterpolitischen Wandel zum Trotz, differenzieren. Historisch kontextuali- dualistische Geschlechterideologien aufrecht siert sollen am Beispiel der drei Wellen der zu erhalten. Erst die Emanzipationsbestrebungen der Ers- Männern strukturierten Gesellschaften«9, ten Frauen*bewegung und in weiterer Folge andererseits aber auch als »Distanzkonstruk- die Zulassung von Frauen* an den Universi- tion zur Frau«, da Frauen* »bewußt ausge- täten führten zu einer weitreichenden »argu- grenzt, bzw. mit Funktionszuschreibungen«10 mentative[n] Defensivposition«4, so dass die versehen werden. Vorstellung männlicher Überlegenheit einer Erklärung bedurfte und die geschlechterspe- zifische Mitgliederselektion rein männlicher E(h)rziehung und Bierfamilien Organisationsformen (wie im Falle der Bur- schenschaften) auf Druck der Frauen*politik Waren vor dem Aufkommen der Frauen*be- hin legitimiert werden musste. Die Selbstver- wegung noch alle Männer mit Männlichkeit ständlichkeit bestimmter männlicher Privile- ausgestattet, musste Männlichkeit, um ihren gien war ins Wanken geraten und somit wurden Fortbestand abzusichern, nun mit bestimm- Vorstellungen hegemonialer Männlichkeiten ten Ausschlusskriterien verbunden werden. durch ihre Infragestellung geschwächt. Inso- Denn als weiblich wurden nicht nur Frauen* fern mag es auch nicht verwundern, dass die ausgemacht, sondern auch »feminine Männer, Reaktionen von Burschenschaftern auf das welche die als maskulin geltenden Geschlechts- Frauen*studium in der Regal negativ ausfielen, zuschreibungen bewusst oder unbewusst die Burschen den Zugang von Frauen* zu den ablehnen bzw. nicht vertreten.«11 Es handelt Universitäten zuerst zu verhindern versuchten, sich folglich bis heute um eine »doppelte weil sie eine »Feminisierung der Wissenschaft« Abgrenzung, die zu Dominanzverhältnissen befürchteten und Studentinnen in weiterer sowohl gegenüber Frauen als auch gegenüber Folge entweder als Konkurrenz oder Störung anderen Männern führt.«12 wahrnahmen5 und ihnen das Leben an den Uni- versitäten erschwerten. Die breit gefächerten Bis heute scheint die »Monogeschlechtlich- Ziele der Antifeministen reichten dabei von keit«13 in burschenschaftlichen Kreisen derart Forderungen nach Geschlechtertrennung an selbstverständlich zu sein, dass sie auch in der den Universitäten und eigenen, schlechter burschenschaftlichen Textproduktion in den qualifizierten Frauenakademien, Ausschluss seltensten Fällen thematisiert wird. Ähnliches vom Wahlrecht bis hin zur gänzlichen Zurück- gilt auch für das Wesen der Mensur, die eben- drängung von Frauen* in ihre vermeintlich falls zumeist erst auf Kritik hin verteidigt wird, natürlichen Sphären.6 Weitere gesellschaft- ohne jedoch den Ausschluss von Frauen* im liche antifeministische Reaktionsweisen auf Besonderen zu rechtfertigen. So meint bei- die Erste Frauen*bewegung bestanden unter spielsweise Werner Lackner (B! Olympia Wien) anderem. darin, dass die (spezifisch deutsche) in der Festschrift »150 Jahre Burschenschaft«, antifeministische Männerbund-Ideologie von dass Kritik in der Regel von »Vertretern des den bekannten Verfechtern des Männerbund- politisch (äußerst) linken Lagers« ausgehen gedankens wie beispielsweise Heinrich Schurtz würde, weil sie in der Mensur ein wirksames (1902, Altersklassen und Männerbünde) oder Erziehungsmittel ihrer politischen Konkurren- Hans Blüher (1916, Der bürgerliche und der ten zu selbstbewussten, einsatzfreudigen und geistige Antifeminismus) nun auch theoretisch gemeinschaftsorientierten Persönlichkeiten, untermauert wurde. die nur schwer gängelbar sind, erkannt14 hätten. Der Symbolgehalt der Mensur führe zudem »zu Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass einer opferbereiten Gemeinschaftsideologie, Weiblichkeit nicht nur in den studentischen aber weg vom (sozialistischen) Gleichheitsideal« Korporationen »zum Symbol für Wandel und und diene dem »(konservativen) Festhalten an Modernität schlechthin«7 imaginiert wurde und einmal akzeptierten Normen«. Dadurch stelle die männerbündische Organisationsform von die Mensur »das bisher ökonomischste Mittel Beginn an »eine Gegenkonzeption zur Eman- für den erwünschten Zweck«15 dar. zipation der Frau« darstellte. »Je enger die Frau an die Welt der Männer rückte, desto enger Studentische Korporationen verfügen in ihrem wurde die Bundkonzeption.«8 Männerbünde Brauchtum über eine ganze Reihe von »Hypo- fungieren somit einerseits als »Kernbestandteil theken«16, die die Einübung einer spezifischen 61 von geschlechterhierarchisch zugunsten von Form von Männlichkeit und männlichem Habitus gewährleisten sollen und der Aufrecht- Neue Frauen*bewegung, erhaltung bestimmter Männlichkeiten dienen. alte Burschenschaften Ähnliches gilt auch, wie unter anderem Lynn Blattmann17 nachweist, für den Biercomment, Da sich der Großteil der Burschenschaften der in seiner Funktionsweise kaum von der während des Nationalsozialismus selbst aufge- Mensur unterscheidet. Denn auch in den »im löst und in den NS-Apparat eingegliedert hatte, Biercomment festgesetzten Unterwerfungs- mussten sich die Verbindungen in Österreich und Demütigungsrituale[n]«18 geht es um die und der BRD nach 1945 erst wieder gründen. »konnotative Koppelung von exzessivem Alko- Mit der Restauration des burschenschaftlichen holkonsum und Körperkraft«. Verbandswesens in den 1950er Jahren kehrte auch eine neue Welle des Antifeminismus »Die starke Geschlechtsgebundenheit dieses zurück an die Universitäten, da insbesondere Verhaltens grenzte die Frauen aus, und mit »Anhänger des Korporationsstudententums« dem demonstrativen exzessiven Alkoholkonsum nach wie vor die mit der »biologischen Bestim- wurde ,Männlichkeit’ inszeniert. Das Spezielle mung der Frau« argumentierte Auffassung und auf den ersten Blick paradoxe am verbin- vertraten, »dass Frauen für die Hochschullauf- dungsstudentischen Trinkexzeß liegt darin, daß bahn ungeeignet seien.«24 Dennoch gerieten er festen Regeln folgte und typische Rituale Burschenschaften durch die gesellschaftlichen beinhaltete. Sie dienten der Formierung und Veränderungen, ausgelöst durch die 1968er Verschmelzung der Männer und zementierten Bewegungen, erneut in eine (Legitimations-) so die Abgrenzung spezifisch männlicher und Krise, die sich einerseits durch sinkende Mit- weiblicher Räume.«19 gliedszahlen und mangelnden Nachwuchs und andererseits durch eine erneute Schwächung Gleichzeitig führt das Fehlen von Frauen* im ihres Elite-Status sowie der schwindenden burschenschaftlichen Männerbund aber auch männerbündischen Einstellungen bemerkbar zu einer »eigenartig imaginäre[n] Beziehung machte. Durch die stärker werdende Neue bzw. zur Weiblichkeit, die nicht zuletzt im Praktizie- Zweite Frauen*bewegung standen geschlech- ren familienähnlicher Rituale ihren Ausdruck terpolitische Themen erneut auf der Tagesord- fand.«20 Der sich im Männer- und Lebensbund nung, die wichtige Diskussionen in Hinblick manifestierende, künstliche Familienverband auf Gleichberechtigung auf allen Ebenen, von Männern, die Bierfamilie, fungiert zudem Gewalt gegen Frauen*, Abtreibung, die sexuelle auch als Abgrenzung zur heterosexuellen Befreiung der Frauen* und ähnliches initiier- (Klein-)Familie und folgt der antifeministi- ten. Als Reaktion darauf formierten sich jedoch schen Vorstellung, dass »[r]ichtige Männer [...] abermals antifeministische Strömungen. 21

nur von richtigen Männern erzogen werden« Koppelung geht es um die »konnotative könnten. Standen in der ersten Phase des (burschen- schaftlichen) Antifeminismus vor allem biolo- Im Männerbund wird also die »›Utopie der gistische Funktionszuschreibungen innerhalb reinen Männergesellschaft‹, eines universi- eines hierarchisch konstruierten Geschlechter- tären und generell öffentlichen Lebens ohne dualismus im Vordergrund, so ging es in der Frauen, ins 21. Jahrhundert«22 transferiert antifeministischen Reaktion auf die Zweite und die antifeministischen und antidemokra- Frauen*bewegung in erster Linie um eine tischen Muster dieser Organisationsform fort- Wiederbelebung traditioneller Wertvorstellun- geschrieben. Auch in Bezug auf die Mensur lässt gen unter dem bis heute in burschenschaft- sich sagen, »daß der männlichkeitsbildende lichen wie auch in rechten beziehungsweise Aspekt der Mensur wichtiger genommen rechtsextremen Kreisen verbreiteten Credo wurde als die gesellschaftlichen und politischen »gleichwertig, aber nicht gleichartig«. Im Unvereinbarkeiten.«23 Vordergrund steht für Burschenschafter wie auch andere Antifeministen nach wie vor, die soziale Komponente der Produktion von Ungleichheit zu negieren und stattdessen biologistische Vorstellungen der vermeint- lich natürlichen Aufgaben von Männern und Frauen* in dieser Gesellschaft fortzusetzen Denn auch in den »im Biercomment festgesetzten Unterwerfungs- Unterwerfungs- festgesetzten Denn auch in den »im Biercomment und Demütigungsrituale[n]« 62 und Körperkraft« Alkoholkonsum exzessivem von und die eigene privilegierte Stellung in der Gender-Mainstreaming, Frauen*förderungs- Gesellschaft abzusichern. In diesem Sinne ist programme und ähnliches) im Fokus, aber die burschenschaftliche Geschlechterideologie auch geschlechtersensible Sprache, die allesamt »als Ideologie von den naturgewollten kom- auf eine vermeintliche Geschlechtslosigkeit plementären Geschlechterrollen und darauf abzielen würden. Dementsprechend gilt nicht basierende[r] Politik«25 zu entlarven, die darauf mehr die Frauen*bewegung als vorrangiges abzielt, soziale, also gesellschaftlich produ- Ziel antifeministischer Rhetoriken, sondern zierte Ungleichheit zu naturalisieren und als die innerhalb feministischer Auseinanderset- unüberwindbar darzustellen. zungen entstandenen Theorien, (staatlichen) Gleichstellungspolitiken, allem voran Gen- Ging es in der ersten Phase des (burschen- der Mainstreaming, sowie die feministischen schaftlichen) Antifeminismus um die Theore- Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Die tisierung männlicher Überlegenheitsideologie rhetorischen Mittel, die Burschenschafter sowie der Suprematie der Männerbünde, so ebenso wie andere Antifeministen dabei zum mussten Männerbünde in der zweiten Phase Einsatz bringen, sind zudem breiter gewor- gegen ihre Infragestellung und konkreter wer- den und reichen von Stigmatisierung, Lächer- dende Aufweichungsbedrohung erneut mit lichmachung, Umkehrungen, Anti-Etatismus biologistischen Argumenten verteidigt wer- bis hin zur Inszenierung als vermeintliche den. Geschlechterhierarchien halten schließ- Tabubrecher. lich auch Männerbünde aufrecht und diese wiederum tragen zur Reproduktion männlicher »Bist Du normal geblieben, sind Political Cor- Herrschaft bei. rectness und Genderwahn spurlos an Dir vor- beigezogen?«27 heißt es beispielsweise auf der Startpage der »Heimatseite« der B! Olympia Diskursive Muster (Wien) und auch die Burschenschaftlichen Blät- ter verfassten 2010 einen Schwerpunkt zum Während andere Männer »eine beachtliche Thema »Erzwungene Gleichstellung: Gender Kreativität an den Tag [legen], um Irritationen, Mainstreaming«. Darin erkennen sie in Gen- 63 die durch den Wandel der Geschlechterver- der-Mainstreaming eine »Irrlehre«28 sowie hältnisse erzeugt werden, nicht in Krisener- eine »erzwungene Form der Gleichstellung, fahrungen münden zu lassen«26, scheint die mit dem Leitbild eines geschlechtslosen Men- burschenschaftliche Phantasie begrenzt. Wie schen«29, die ihre Ursprünge »im Feminismus, bereits angedeutet haben sich antifeministische den 68ern und der links-sozialistischen Gleich- Rhetoriken in burschenschaftlichen Spektren machungspolitik hat« (ebd.) und von einer »mil- bis heute kaum verändert, was den ihrem Den- liardenschwere[n] Lobby«30 unterstützt wird. ken zugrunde liegenden Biologismus betrifft, Ziel wäre, so wird in den Burschenschaftlichen sondern lediglich hinsichtlich der Themen, auf Blättern aufgedeckt und dabei Gender Main- die sie Bezug nehmen. Dies bedeutet jedoch streaming in seiner Wirkmächtigkeit maß- nicht, dass Burschenschafter nicht auf aktu- los überschätzt, nicht die Gleichstellung der elle Entwicklungen wie die seit den 1990ern Geschlechter, sondern deren Abschaffung. In stärker werdenden Auseinandersetzungen den sich über mehrere Beiträge erstreckenden rund um sex und gender sowie die Pluralisie- Polemiken treten auch erneut Berufungen auf rung geschlechtlicher Identitäten reagieren. die Natur oder die Biologie als ein altbekanntes Im Gegenteil, mischen Burschenschafter in Muster zu Tage, das im Zuge der Auseinander- ihren Funktionen in den diversen politischen setzungen mit Gender Mainstreaming lediglich Gremien oder in ihren eigenen Publikations- aktualisiert wird. So wird Gender Mainstrea- organen in den Diskussionen und Polemiken ming vorgeworfen, »alle wesentlichen Unter- gegen »Genderwahn« und »Genderismus«, die schiede zwischen Mann und Frau« zu leugnen nicht zuletzt als Reaktion auf eine dritte Welle »und damit allen Ergebnissen der wissenschaft- des Feminismus bzw. auch der Frauen*bewe- lichen Forschung«31 zu widersprechen, wäh- gung verstanden werden können, mit. Aktuelle rend es »tausend gute Gründe« gebe, »eine geschlechterpolitische Auseinandersetzungen Gleichsetzung und völlige Gleichbehandlung von burschenschaftlicher Seite haben folglich der Geschlechter für verheerend zu halten«32. vor allem Gleichstellungspolitiken (Quoten, Wenngleich diese nicht näher benannt werden, wird deutlich, dass Burschenschafter erneut diskursive Muster können erneut in enger Ver- jene Selbstverständlichkeiten, mit denen sie bindung mit der männerbündischen Organi- sich die Welt erklären, in Gefahr sehen, da, so sationsform sowie den damit verbundenen ihre Vorstellung, »die Ideologen durch Umer- Brauchtumsformen gesehen werden. ziehung [versuchen, diese] zu unterdrücken oder sogar auszurotten.«33 Auf entlarvende Art »Homosoziale Gemeinschaften sind instituti- und Weise wettert auchAxel Kassegger (B! Ger- onelle Stützen des Leitbildes der hegemonialen mania Graz, B! Thessalia Prag in Bayreuth), der Männlichkeit. Sie bieten ihren Mitgliedern seit 2013 auch für die FPÖ im österreichischen unter anderem die Möglichkeit, tradierte Bilder Nationalrat sitzt, gegen Gender-Mainstrea- männlicher Hegemonie auch gegenüber Irri- ming: »Institutionen wie die UNO zwingen tationen aufrechtzuerhalten, wie sie durch die die Völker von oben herab, Dinge zu tun, die Umbrüche im Geschlechterverhältnis erzeugt sie nicht wollen – Gender Mainstreaming und werden.«37 die ganze Weltethik der Menschenrechte sind Beispiele«. Dass er Gender-Mainstreaming mit Da hegemoniale Männlichkeiten sowie die Vor- Menschenrechten vergleicht zeigt einerseits, stellung männlicher Vorherrschaft stärker denn dass durch beide ähnliche Ziele verfolgt wer- je in Frage gestellt werden, bedürfen sie zur den. Andererseits verdeutlicht die Ablehnung Sicherung der eigenen Privilegien der gegen- von Menschenrechten aber auch den zutiefst seitigen Versicherung des Fortbestehens der antidemokratischen Charakter antifeministi- Geschlechterdifferenz im Männerbund. »Die scher Ideologie. dabei gewonnene habituelle Sicherheit bleibt allerdings prekär, weil sie nur im Binnenraum Unbeeindruckt von den gesellschaftlichen der Männergemeinschaft gewiss ist.«38 Es wäre

Entwicklungen beharren sie darauf, dass »[v] folglich an der Zeit, ihnen auch den Binnen- handelt es sich um einen gekürzten Wiederabdruck Bei dem Text in dem erscheinen ist der zuerst des gleichnamigen Artikels, Aktuelle Debatten in Bewegung. Sammelband »Antifeminismus von herausgegeben Vielfalt«, um Geschlecht und sexuelle 2018. Marta Press, Hamburg: und Ulrich Peters, Juliane Lang on Natur aus […] Frauen eben die Gebären- raum zu entziehen. den und Männer die Erzeugenden«34 seien, beklagen, dass »die vorhandenen Unterschiede weder als von Gottes Schöpfung, dem Leben, der Natur Vorgegebenes begriffen werden«35 und bestehen darauf, dass Biologie nicht abge- schafft werde könne. Entsprechende diskursive Muster werden bis heute in fast gleichblei- 64 bender Manier wiederholt. Erst 2016 meinte Bernd Kallina36 (B! Danubia München), dass »das links-ideologische EU-Projekt namens Gendermainstreaming […] die biologisch vor- gegebene Rollenteilung zwischen Mann und Frau in grotesker Weise auf den Kopf zu stellen versucht.« In dieser Delegitimierungsstrategie feministischer Errungenschaften und Theorien zeigt sich jenes alt bekannte diskursive Muster, abwechselnd die Wissenschaft, die Natur oder auch den lieben Gott ins Spiel zu bringen, wenn es um die Aufrechterhaltung der Annahme der Geschlechterdifferenz sowie dem dadurch pro- duzierten Ungleichverhältnis geht.

An diesen ausgewählten und relativ aktuel- len Beispielen verdeutlicht sich nicht nur der Wunsch nach einer Re-Traditionalisierung, Re-Patriarchalisierung und Re-Maskulini- sierung der Gesellschaft, sondern auch die Lang- und Zählebigkeit biologistischer Argu- mentationsweisen. Deren nahezu unveränderte 1 Schenk, Herrad (1992): 4 Schäfer, Gerhard (2015): 15 Ebd. 27 https://olympia.bur- Die feministische Herausfor- Schulen der Männlichkeit. schenschaft.at/ (Zugriff am derung. 150 Jahre Frauen- Studentische Verbindun- 16 Schäfer, Gerhard (2015): 30.08.2018) bewegung in Deutschland, gen gestern und heute. Schulen der Männlichkeit. München: Beck-Verlag, S. 163. Vortrag am 13.11.2015 von Studentische Verbindun- 28 Schlüsselberger, Gerhard Schäfer in der KTS gen gestern und heute. Gerhard (2010): Geschlechter- 2 Planert, Ute (1998): Anti- Freiburg, Online: https:// Vortrag am 13.11.2015 von politik und das Märchen der feminismus im Kaiserreich. linksunten. indymedia.org/ Gerhard Schäfer in der KTS Anti-Diskriminierung..., in: Diskurs, soziale Formation de/node/160478 (Abruf: Freiburg, Online: https:// Burschenschaftliche Blätter und politische Mentalität, 12.1.2016), o.S. linksunten. indymedia.org/ 1/2010, S. 13. Göttingen: Vandenhoeck & de/node/160478 (Abruf: Ruprecht, S. 12. 5 Kurth, Alexandra (2004): 12.1.2016), o.S. 29 Weidner, Norbert Männer – Bünde – Rituale. (2010): Mitteilung der Schrift- 3 Meuser, Michael (2001): Studentenverbindungen seit 17 Blattmann, ynnL leitung, in: Burschenschaftli- Männerwelten. Zur kollek- 1800, Frankfurt am Main u.a.: (1996): »Laßt uns den Eid des che Blätter 1/2010, S. 3. tiven Konstruktion hege- Campus-Verlag, S. 132; Stein, neuen Bundes schwören...«: monialer Männlichkeit, in: Leela (2009): »...der cou- Schweizerische Studentenver- 30 Schlüsselberger, Schriften des Essener Kollegs leurstudentischen Tradition bindungen als Männerbünde Gerhard (2010): Geschlechter- für Geschlechterforschung 2 verpflichtet, ...nach den 1870-1914, in: Kühne, Thomas politik und das Märchen der (2001), S. 27. Online: https:// Bedurfnissen einer Damen- (Hg.) (1996): Männerge- Anti-Diskriminierung..., in: www.uni-due.de/ imperia/ verbindung gestaltet«. Teut- schichte – Geschlechter- Burschenschaftliche Blätter md/content/ekfg/michael_ sche Madels in Osterreich. In: geschichte. Männlichkeit 1/2010, S. 14. meuser_maennerwelten.pdf HochschülerInnenschaft der im Wandel der Moderne, (Abruf: 12.1.2016). Universität Wien [Hrsg.in]: Frankfurt am Main u.a.: Cam- 31 Weidner, Norbert (2010): Völkische Verbindungen. Bei- pus-Verlag, S. 119-135. Mitteilung der Schriftleitung, träge zum deutschen Korpe- in: Burschenschaftliche rationsunwesen in Österreich. 18 Ebd., S. 132. Blätter 1/2010, S. 3. Wien, S. 135-158, S. 141. 19 Ebd., 124. 32 Stolz, Rolf (2010): 6 Planert, Ute (1998): Anti- Gender: Gleichmachung statt feminismus im Kaiserreich. 20 Heither, Dietrich Gleichstellung – vom Grund- Diskurs, soziale Formation (2000): Verbündete Männer. gesetz zum Gender-Schwin- und politische Mentalität, Die Deutsche Burschenschaft del, in: Burschenschaftliche S. 63. – Weltanschauung, Politik Blätter 1/2010, S. 14. und Brauchtum, Köln: Papy- 7 Ebd., S. 260. Rossa-Verlag, S. 131. 33 Ebd., S 16.

8 Peters, Stephan (2004): 21 Völger/Welck zit. n. 34 Hinrichs, Jürgen (2010): Elite sein. Wie und für welche Peters, Stephan (2004): Elite Gender-Mainstreaming – Gesellschaft sozialisiert eine sein. Wie und für welche eine positive Bewegung! in: studentische Korporation? Gesellschaft sozialisiert eine Burschenschaftliche Blätter Marburg: Tectum-Verlag, studentische Korporation?, 1/2010, S. 7. S. 194. S. 171. 35 Stolz, Rolf (2010): 9 Kurth, Alexandra (2004): 22 Weidinger, Bernhard Gender: Gleichmachung statt Männer – Bünde – Rituale. (2015): »Im nationalen Gleichstellung – vom Grund- Studentenverbindungen seit Abwehrkampf der Grenzland- gesetz zum Gender-Schwin- 1800, S. 15. deutschen« - Akademische del, in: Burschenschaftliche Burschenschaften und Politik Blätter 1/2010, S. 14. 10 Peters, Stephan (2004): in Österreich nach 1945, Wien Elite sein. Wie und für welche u.a.: Böhlau-Verlag., S. 323. 36 Kallina, Bernd (2016): Gesellschaft sozialisiert eine Die FPÖ als Modell für studentische Korporation?, 23 Blattmann, ynnL Deutschland und Europa. S. 186. (1996): »Laßt uns den Eid des Interview mit dem Vordenker neuen Bundes schwören...«: des Dritten Lagers in Öster- 11 Heither, Dietrich (1999): Schweizerische Studentenver- reich: Andreas Mölzer. in: Weltbild und Habitus eines bindungen als Männerbünde Burschenschaftliche Blätter schlagenden Männerbundes, 1870-1914, in: Kühne, Thomas 3/2016, S. 138. in: Butterwegge, Christoph/ (Hg.) (1996): Männerge- Hentges, Gudrun (Hg.) (1999), schichte – Geschlechterge- 37 Meuser, Michael (2001): S. 112. schichte. Männlichkeit im Männerwelten. Zur kollek- Wandel der Moderne, S. 123. tiven Konstruktion hege- 12 Meuser, Michael (2001): monialer Männlichkeit, in: Männerwelten. Zur kollek- 24 Heither, Dietrich Schriften des Essener Kollegs tiven Konstruktion hege- (2000): Verbündete Männer. für Geschlechterforschung 2 monialer Männlichkeit, in: Die Deutsche Burschenschaft (2001), S. 20. Schriften des Essener Kollegs – Weltanschauung, Politik für Geschlechterforschung 2 und Brauchtum, S. 286. 38 Ebd., S. 18. (2001), S. 6f. 25 Weidinger, Bernhard 13 Peters, Stephan (2004): (2015): »Im nationalen Elite sein. Wie und für welche Abwehrkampf der Grenzland- Gesellschaft sozialisiert eine deutschen« - Akademische studentische Korporation?, Burschenschaften und Politik S. 161. in Österreich nach 1945, S. 567. 14 Lackner, Werner (2009): Die Mensur, in: Graf, Martin 26 Meuser, Michael (2001): (Hg.) (2009): 150 Jahre Bur- Männerwelten. Zur kollek- schenschaften in Österreich. tiven Konstruktion hege- gestern - heute - morgen, monialer Männlichkeit, in: Graz: Ares-Verlag, S. 178. Schriften des Essener Kollegs für Geschlechterforschung 2 65 (2001), S. 11. »Pick-Up-Artists« im öffentlichen Raum – whose streets…? Beobachtung eines sexistischen Gesellschaftsphänomens

fantifa.frankfurt

Was sind »Pick-Up-Artists«? leichter zu kontrollieren, wenn sie sich durch eine Beleidigung unsicher und herabgesetzt Seit einigen Jahren schon gibt es sie, die soge- fühlten. »Freeze-Out«4 nennen es die selbst- nannten »Pick-Up-Artists« (»PUA‘s«). Als solche ernannten Künstler, wenn sie eine Frau* allein bezeichnen sich vorwiegend Männer*, die ande- lassen, sie ignorieren oder sich auf einen tak- 66 ren Männern* beibringen, wie sie effektiv im tisch abgesteckten Zeitraum nicht mehr bei ihr Sinne des »Rumkriegens« oder »Aufreißens« (to melden, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. »pick-up«), Frauen* zum Sex überreden. Dabei Frauen* sind in der »PUA« Sprache entweder wenden sie Techniken an, von denen sie glau- »HB‘s« (»Hot Babes«), »UG‘s« (»Ugly babes«) ben, Frauen* überlisten zu können. Zu diesen oder »RHB‘s« (»Rear hot babe« […] »Mädel, Techniken zählen neben Hypnose und körperli- das nur von hinten gut aussieht Hinten Blondie, cher Einschüchterung auch neuro-linguistische Vorne Zombie.«)5 Die Technik der Manipula- Programmierung und Konditionierung. »PUA‘s« tion gegenüber Frauen* durch die Anwendung haben eine eigene Sprache für ihre Techniken bestimmter Gesprächstaktiken nennen die erfunden, die sie in Internetforen und Büchern »PUA‘s« »leaden«.6 verbreiten. So bezeichnet beispielsweise etwa »LMR« (»Last Minute Resistance«)1 den letzten »PUA‘s« bezeichnen diese Techniken als Ver- zu überwindenden Widerstand der Frauen* vor führung oder Kunst. Wir nennen es in mehr- dem Sex, »Bitch Shield« das »zickige Verhalten facher Hinsicht gewaltvolle Manipulation, von Frauen, um nicht ständig angesprochen die mit Kunst, selbstbestimmter Erotik und zu werden«2 oder »Push-and-Pull«3 die Tech- gleichberechtigt ausgelebter Lust nichts zu nik der Abwechslung von Komplimenten mit tun hat. Allein diese Rhetorik gibt Aufschluss Beleidigungen. Bei Letzterem soll mit einem über die Macht- und Dominanzvorstellungen Kompliment das Interesse der Frau* geweckt der »PUA«-Männer* und ihr beschränktes, werden und gleichzeitig mit einer Beleidigung verächtliches Frauen*bild. »PUA‘s« sind keine eine Bindung hergestellt werden, da »PUA’s« Einzelphänomene, sondern international orga- davon ausgehen, dass eine Frau* sich rechtfer- nisiert.7 Weltweit nehmen abertausende Män- tigen oder erklären wird, wenn man sie belei- ner an Coachings teil und setzen Erlerntes in digt oder demütigt. Außerdem wären Frauen* die Praxis um. Ziel der »Pick-Up-Szene« ist es, in kürzester Zeit mit so vielen Frauen* wie gemeinsam mit dem antizionistischen Antife- möglich zu schlafen, bzw. sie zu letzterem auf ministen Arne Hoffmann schrieb.11 Letzterer mehr oder weniger subtile Weise zu zwingen. ist u.a. Begründer der Männerrechtsbewegung Einer der bekanntesten Vertreter der Szene ist MANNdat12, die gute Kontakte zur antisemiti- Julien Blanc. Jener ruft u.a. in seinem Unter- schen Zeitschrift deutscher Patriot*innenJunge nehmen offen, direkt und ohne Scheu zu Ver- Freiheit pflegt.13 MANNdat hält das unglei- gewaltigung an Frauen* auf. In den Coaching che Lohnverhältnis zwischen Frauen* und Seminaren empfiehlt jener selbsternannte Männern* sowie »häusliche Gewalt« für einen Frauen*versteher den Männern*, Frauen* mit »feministischen Mythos«.14 Gewalt – sein bekanntester »Trick« ist der sog. »Choke Opener«, ein Würgegriff – zum Sex Das Geschäft der »PUA’s« ist jedoch nur dann zu bringen; getreu nach dem Motto »sie wolle lukrativ, wenn es keine Privatangelegenheit ein- es doch auch«. Ein YouTube-Video von Blanc zelner Männer* bleibt, die vermeintlich hilfs- zeigt ihn in einer Fußgängerzone Tokios, wie bedürftig sind, weil sie allein keine Frauen* er Frauen* am Nacken packt und ihre Köpfe in kennenlernen. Denn das Ziel der »PUA‘s« ist seinen Schoß stößt. Mit Flirten, Koketterie oder es, ein Repertoire allgemeiner und objektiver auf gegenseitigem Respekt aufbauender eroti- »Techniken zur Verführung« von Frauen* zu scher Annäherung hat das nichts zu tun, wie bieten, auf welches alle angehenden Männer* dies viele selbsternannte Verführungskünstler qua »Pick-Up«-Schulung gegen eine nicht immer wieder behaupten. Daher verwundert geringe Summe zurückgreifen können. Um es nicht, dass Blanc den Ausdruck »Verführen« den Erfolg der in den Coachings erlernten für sich in »Führen« umgewandelt hat; Frauen* Methoden garantieren zu können, werden diese bekäme man schließlich nur ins Bett, wenn gemeinsam in der Öffentlichkeit erprobt. Das man sie »leaden« könne. Sein Ziel: Macht über heißt »PUA‘s« bleiben nicht dabei stehen, ihre Frauen* und ihre Körper auszuüben, Dominanz Propagierung frauen*verachtender Ideologien auf Widerstand aufzubauen (denn ein deutli- medial zu verbreiten, sondern probieren den ches »Nein« der Frauen sei nach Blanc erst der Erfolg genannter Techniken unmittelbar an genuin weibliche Ausruf des Wunsches nach ihrem »Gegenstand« Frau* aus. Favorisierte Sex), Unterdrückung und Vergewaltigung zum Orte dieser Erprobung sind in Frankfurt am männlichen Prinzip zu erklären. Main die Zeil, verschiedene Clubs, sowie das Gelände rund um den IG-Farben Campus, mittlerweile aber auch der Campus Bocken- Organisationsformen und heim. Neben den angeleiteten Coachings im »Pick-Up-Artists« in Frankfurt öffentlichen Raum versuchen die »PUA‘s« sich die Straßen, Clubs, Cafés und Bars auch Auch in Frankfurt am Main sind »PUA‘s« aktiv. darüber hinaus anzueignen, indem sie selb- Die Agentur Casanova Coaching8 bietet auf storganisiert in Männer*gruppen oder allein der Zeil oder in Altsachsenhausener Bars die ihr »Day-oder Nightgame« vollziehen. Sie Praxis des Aufreißens für einige hundert Euro sprechen dabei Frauen* in Situationen an, in an. Zudem veranstaltet der selbsternannte denen sie allein unterwegs sind. Unter anderem »Verführungskünstler« Marko Polo für die auf dem IG-Farben Campus begleiteten oder Unternehmen Progressive Seduction9 und Flirt besser gesagt verfolgten die »PUA‘s« Frauen* Empire10 regelmäßig Seminare in Frankfurt. bis zur Bahn, ihrem Rad oder gar auf ihrem Sowohl Marko Polo als auch xxxxx xxxxxx von gesamten Nachhause-Weg. Den Frauen* wird Casanova Coaching versuchen »PUA‘s« als ehr- damit der Raum genommen, sich frei bewegen würdige Verführungskunst und nicht als sexisti- zu können, weil sie fürchten müssen, dass ein sche Organisationsform zu verteidigen. Sie tun »Nein« nicht ausreicht, um allein gelassen zu dies u.a. in Büchern und Zeitungsartikeln, aber werden, wenn sie allein gelassen werden wollen. auch, indem sie sich mit antifeministischen Parteien und politischen Gruppen vernetzen. So ist der Leiter des Frankfurter Casanova Coa- chings Maximilian Pütz beispielsweise Autor des Buches Das Gesetz der Eroberung: Perfekte »PUA‘s« bezeichnen diese Techniken als Verführung oder Kunst. oder Kunst. als Verführung diese Techniken bezeichnen »PUA‘s« Manipulation, … Hinsicht gewaltvolle nennen es in mehrfacher Wir Strategien, wie Sie jede Frau verführen, was er 67 »Pick-Up-Artists« und der sexistische Normalzustand

Dass »PUA‘s« Frauen* in öffentlichen Räumen [...]«16 verurteilt und versucht zu deren Ver- und an belebten Plätzen am Tage ansprechen, hinderung beizutragen. Der Magistrat fordert ist Ausdruck davon, dass sich ihre geschäftige Frankfurter Hotels und Clubs dazu auf, dem Praxis ganz einfach und fast ungebrochen in Unternehmen RSD keine Räume für seine den Alltag eingliedert. Weiß man nicht um Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen. So die Praxen der organisierten Übergriffigkeit, versuchten die Stadtverordneten Frankfurt ein lässt sich die Anmache eines selbsternannten geplantes Seminar von Julien Blanc im März »Artists« kaum von einer alltäglichen sexisti- 2015 zu verhindern.17 Offiziell galt dieses Semi- schen Anmache unterscheiden. Denn »PUA‘s« nar auch als abgesagt, tatsächlich boten jedoch sind Ausdruck eines sexistischen Normalzus- Frankfurter Hotels dem »Pick-Up-Artist« ihre tandes, dem jeden Tag auf der Frankfurter Zeil, Räumlichkeiten wider den Stadtverordnenten- aber eben auch vor dem Gebäude der Gesell- beschluss an und somit konnte Julien Blanc schaftswissenschaftler*innen der Goethe-Uni sein Seminar in Frankfurt doch noch abhalten. zu begegnen ist. Die »PUA‘s« sind darin also kein Sonderfall einer ansonsten aufgeklärten Doch reicht ein Aufschrei gegen die Persona Gesellschaft. Sie sind Ausdruck und Teil der non grata Julien Blanc oder andere »PUA’s« Gesellschaft, die sie (re)produziert, denn schon aus? Müsste über das spezifische Phänomen allein die Möglichkeit dieses organisierten der »Pick-Up-Artists« hinaus nicht auch in den Sexismus‹ verweist auf eine ganz bestimmte Alltag, den systematischen Vollzug des Nor- gesellschaftliche Verfasstheit – Patriarchat, malzustandes eingegriffen werden? Heterosexismus und rape-culture gehen mit den »Pick-up-Artists« Hand in Hand. Es genügt nicht, gegen Julien Blanc und das Unternehmen Real Social Dynamics vorzuge- Und dennoch ist die professionelle Form der hen und sich auf diesen vermeintlichen Ide- Organisation des »Aufreißens« ein Novum. altypus des »Pick-Up-Artists« zu fokussieren, Genauso, wie der Versuch der Formalisie- »nur« weil er als einer der Wenigen offen und rung von erotischer Annäherung in Form der wenig subtil zur Gewalt an Frauen* aufruft. »PUA-Techniken« eine neue Dimension der Denn die Art und Weise der Überredung, der Stabilisierung und gleichzeitiger Hervorbrin- Belästigung, der psychischen Einengung – all gung heteronormativer Machtasymmetrien das was »Pick-up-Artists« wie beispielsweise darstellt. Dass »Pick-Up-Artists« ungehemmt der Frankfurter Marko Polo verharmlosend ihre Praktiken ausführen können, kann im »Flirttechniken« nennen – ist ebenfalls ein Akt Alltag nicht länger unkommentiert bleiben. der Gewalt, der sich in den alltäglichen Struktu- Die Tatsache, dass der Versuch der Unterdrü- ren sexistischer Gesellschaften zeigt. Die allzu ckung und sexuellen Ausbeutung der Frau* beliebte Unterteilung in böse und gute »PUA’s«, im öffentlichen Raum stattfindet macht sie nämlich in diejenigen, die physische und sol- aber auch angreifbar. So klagte der Frankfur- che die »nur« psychische Gewalt anwendeten, ter Rechtsanwalt Mark Geis Ende des Jahres muss sich als eine Farce herausstellen. Denn 2014 gegen die Organisator*innen des Unter- jeder Akt – egal ob eine Geste oder ein Wort nehmens Real Social Dynamics, die weltweit – der seine Machtausübung auf Widerstand sogenannte »Bootcamps«, also professionell aufbaut ist schlechterdings Gewalt. Die »PUA‘s« organisierte »PUA«-Workshops, durchfüh- unterscheiden sich lediglich in der Anwendung ren. Laut FAZ vom 24.11.201415 war die Klage ihrer Mittel zur Erreichung ein und desselben eine Reaktion auf den kurz zuvor getroffenen Ziels: Frauen* zum selbsterwählten Zweck zu Beschluss der Stadtverordneten Frankfurts, unterwerfen. der die »Durchführung von sogenannten ›Auf- reiß-Seminaren‹ des US-Unternehmen Real Social Dynamics (RSD), in denen in menschen- verachtender Weise sexuelle Gewalt, Übergriffe und Nötigung gegenüber Frauen propagiert und im öffentlichen Raum trainiert werden 68 69

Für eine Flirtkultur der Mündigkeit und Lust aller Beteiligten, gegen gelebte Omnipotenz-und Vergewaltigungsphantasien. Keep the bitch shield up!

1 http://www.pickupforum. 9 http://www.progressive- 15 http://www.faz.net/ de/ seduction.com/ aktuell/rhein-main/frankfurt/ frankfurt-anwalt-stellt-an- 2 Ebd. 10 https://flirtempire.com/ zeige- gegen-seminare-von-real- 3 Ebd. 11 http://www.dasgesetz social-dynamics-13282733. dereroberung.de/ html 4 Ebd. 12 http://manndat.de/ 16 Siehe § 5318 5 Ebd. Beschlussausfertigung aus 13 https://jungefreiheit.de/ der 36. Sitzung der Stadtver- 6 Ebd. sonderthema/2005/arne- ordnetenversammlung am hoffmann-maennerrechtler- 20.11.2014. 7 Ebd. Oder: http://www. und-medienkritiker/, https:// realsocialdynamics.com/. ef-magazin.de/2007 17 http://www.faz.net/ Oder: http://www.rsdnation. /11/15/junge-freiheit-ef- aktuell/rhein-main/frankfurt com/. Oder: http://www. gleichstellungsbeauftragter- /julen-blanc-frankfurter-stadt pick-up- arne-hoffmann-im-interview parlament-gegen-aufreisser artist-forum.com/. Oder: -seminare-13277735.html http://www.pickup-tipps.de/ 14 http://manndat.de/cate gory/feministische-mythen/ 8 http://www.casanova- berufsleben coach ing.de/ III Gegenstrategien. Antifeminismus an der Hochschule bekämpfen. 70 III Gegenstrategien. Antifeminismus an der Hochschule bekämpfen. 71 Extrem rechte Geschlechterpolitiken als Herausforderung für geschlechterreflektierte Pädagogik

Olaf Stuve

Geschlechterpolitische Themen stellen stets würde darin liegen, einer (vermeintlichen) einen zentralen Bestandteil extrem rechter Natur schicksalshaft folgen zu dürfen. Mit Politiken dar. Aktuelle Mobilisierungen von aller Macht werden auf diese Weise zweige- (extrem) rechts mit Bezug auf Geschlecht und schlechtliche Differenzen wieder relevant Männlichkeit verlaufen in etwa folgenderma- gemacht und hierarchisch geordnet. 72 ßen: Es wird die Fiktion eines zweigeschlecht- lichen und heteronormativen Urzustandes Männlichkeit wird dabei in besonderer Form als Naturzustand phantasiert, der gegen- angerufen. Es wird eine wahrhafte Männlich- über einer gesellschaftlichen (sexuellen und keit gefordert, damit Männer wieder ihre Rolle geschlechtlichen) Pluralisierung verteidigt als Gestalter von Gesellschaft und geschlecht- werden müsse. Völkisch-nationalistische, licher Ordnung wahrnehmen sowie diese dann ultraklerikale, familien-populistische sowie gegenüber »fremden Männern« verteidigen weitere extrem rechte Gruppierungen gehen können. Spiegelbildlich wird in (extrem) rech- mit aller (zunächst sprachlichen) Gewalt gegen ten Mobilisierungen wiederum das Verspre- sexuelle und geschlechtliche Vielfalts- und chen gemacht, Männlichkeit und Weiblichkeit Gleichstellungspolitiken vor. Pädagogische in wahrhaftiger Form leben zu können. Männer Ansätze, die geschlechtliche und sexuelle dürfen (als Versprechen) und sollen (als Anfor- Vielfalt und Gleichheit sowie die Förderung derung) ihrer »authentischen« Bestimmung individueller Entwicklungsmöglichkeiten wieder nachkommen, etwa indem sie Stärke von Menschen zum Ziel haben, werden zur zeigen, kämpfen, verteidigen und beschüt- Zielscheibe. Die Kern-Message einer extrem zen. Die (extrem) rechten Versprechen lauten: rechten »Anti-Gender-Allianz« lautet: Kol- Authentizität, geordnete Verhältnisse, identi- lektiv erkämpfte Selbstbestimmungsrechte täre Platzanweisungen, exklusive Solidarität bedeuteten keine Freiheit. Die wahre Freiheit und Erhalt von Dominanzpositionen. Kollektiv erkämpfte Selbstbestimmungsrechte bedeuteten keine Freiheit. Die wahre Freiheit würde darin liegen, einer (vermeintlichen) Natur schicksalshaft folgen zu dürfen.

Herausforderungen für entlang derer rechte Mobilisierungen stattfin- eine geschlechterreflektierte den, oftmals mit starken Emotionen verknüpft Pädagogik sind. So wird etwa sexuelle Vielfaltpädagogik als »Frühsexualisierung« diffamiert, oder es In Bezug auf geschlechterpädagogische Fra- werden schlicht falsche Behauptungen aufge- gen gilt, was für präventive Ansätze gegen stellt, zum Beispiel, dass Männer und Frauen Rechtsextremismus im Allgemeinen gelten unter dem Vorzeichen geschlechtlicher Vielfalt sollte: keine pädagogische Arbeit mit (extrem) nicht mehr männlich beziehungsweise weiblich rechten Ideolog_innen und Kader_innen. Mit sein dürften. Extrem Rechte nehmen dagegen Vertreter_innen der extremen Rechten päd- eine Haltung des Authentischen für sich in agogisch (in offenen Formaten) zu arbeiten, Anspruch, der zufolge man* sich nicht mehr ignoriert gänzlich, dass nicht Verständigung verbiegen müsse. Für Pädagog_innen resul- das Ziel der Rechten ist, ihr Ziel ist gerade tiert aus dieser Konstellation ein herausforde- deren Beendigung1. Sie wollen ihre Inhalte rungsvoller Balanceakt: Sie müssen sich gegen durchsetzen, in denen es um Ausschluss (sexu- Angriffe von rechts wappnen und dürfen den eller und geschlechtlicher Vielfalt) geht, um Ideolog_innen einer »Anti-Gender-Allianz« exklusive Solidaritäten (für heteronormative, keine Bühne für ihre Gewaltandrohungen bie- 73 deutsche Familien), um hierarchische Ord- ten. Zugleich gilt es, die aufgeworfenen Fragen nungen (zwischen Männern und Frauen). Auf in authentischer Weise zu bearbeiten und für geschlechter- und sexualpolitische Fragestel- eine sexuelle und geschlechtliche Vielfalts- und lungen bezogen zeigt Steffen K. Herrmann auf, Gleichheitspolitik einzutreten. Authentisch dass eine (extrem rechte) »Anti-Gender Allianz« heißt hier nicht, auf eine imaginierte Natürlich- keine demokratische Aushandlung rund um keit zurückzugreifen; vielmehr geht es hier um Fragen geschlechtlicher und sexueller Politiken das Ergebnis reflexiver und prozesshafter Ver- führen kann, da »die Pluralität von Geschlecht, ständigungsprozesses über Geschlechterfragen. Begehren und Sexualität das nicht-anerkenn- Um das zu entwickeln, sind Aus- und Weiterbil- bare Andere des politischen Diskurses« von dungen nötig, in denen Teilnehmende Zeit für rechts bildet2. Es geht in ihren (Diskurs-)Inter- eine Beschäftigung mit eigenen vergeschlecht- ventionen darum, die andere Position mit Mit- lichten Sozialisationserfahrungen haben, sie teln der (sprachlichen) Gewalt zu vernichten. sich selbst eine Haltung zu geschlechter- und sexualpolitischen Vielfalts- und Gleichheits- Für Pädagog_innen ist es daher wichtig, die perspektiven entwickeln können, dabei eigene geschlechterpolitischen Interventionen von Wünsche, Ängste und Verunsicherungen im rechts in ihrer Ausrichtung zu erkennen, zu Austausch mit anderen bearbeiten und sich verstehen, einzuordnen und auf sie reagieren ein fundiertes Wissen über die anti-egalitären zu können. Gerade der letzte Punkt ist keine Ziele extrem rechter geschlechterpolitischer einfache Aufgabe, weil die Themenfelder, Mobilisierungen aneignen können. Entlastung von Männlichkeitsanforderungen

Auf pädagogischer Ebene gilt es zu verste- hen, welche Attraktivitäten extrem rechte Geschlechterangebote möglicherweise für Kin- der, Jugendliche und Erwachsene entwickeln können. An dieser Stelle müssen Stichworte in Bezug auf Männlichkeitsversprechen und -anforderungen ausreichen: Rechte Männ- lichkeitsbilder geben vor, das mit Männlich- keit verknüpfte Souveränitätsversprechen in Verbindung mit Überlegenheitsphantasien einzulösen. Aushandlungsanforderungen wer- den durch starre Männlichkeits- und Weib- lichkeitsvorstellungen abgewehrt. In (extrem rechten) Männerbünden wird Freundschaft und exklusive Solidarität versprochen. Dies und mehr wird mit dem Nimbus des Authenti- schen umgeben, mit dem Männlichkeit wieder unhinterfragbar gemacht werden soll.

Ansätze geschlechterreflektierte Pädagogik setzen an einer Entlastung von Männlichkeits- anforderungen an3. So stellt das mit Männlich- keit verknüpfte Versprechen von Souveränität zugleich auch deren krasseste Anforderung dar, nämlich immer souverän sein zu müssen. Davon kann entlastet werden, indem Gefühle 74 der Schwäche oder der Furcht sowie die Bereit- schaft zur Aushandlung ambivalenter Wünsche oder Interessen gezeigt werden können. Gerade die von rechts abgewehrte Aushandlungskom- petenz wird gestärkt, um zwischen verschiede- nen (vergeschlechtlichten) Handlungsoptionen abwägen zu können.

Für eine solche Pädagogik bedarf es gut ausge- bildeter Pädagog*innen, die ihre Vorstellungen 1 Vgl. Speit, Andreas einer geschlechtlichen und sexuellen Vielfalts- (2017): Gesellschaft und pädagogik in Abgrenzung zu den anti-egalitä- Medien verkennen die Dis- kurs-Strategien der »Neuen ren Vorstellungen von rechts entwickelt haben. Rechten«. In: der rechte rand, Ausgabe 169.

2 Herrmann, K. Steffen (2015): Politischer Antagonis- mus und sprachliche Gewalt. Der Artikel erschien zuerst in: Lotta. In: Hark, Sabine/Villa, Paula Irene: Anti-Genderismus. Antifaschistisches Magazin für NRW, Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politi- Hessen und Rheinland Pfalz #70, scher Auseinandersetzungen. Mai 2018. Bielefeld. S. 80. 3 Vgl. etwa Dissens et al (2012): Geschlechterreflek- tierte Arbeit mit Jungen an der Schule. Texte zu Pädagogik und Fortbildung rund um Jun- gen, Geschlecht und Bildung. Berlin. 75 Pro-Choice im Medizinstudium 76 Interview mit der Arbeitsgruppe »Medical Students for Choice«

Die studentische Arbeitsgruppe hat sich 2015 an der Berliner Chartié als Ableger der seit den 1990er Jahren bestehenden us-amerikanischen gleichnamigen Gruppe »Medical Students for Choice« (MSFC) gegründet. Sie setzen sich unter anderem für eine bessere praktische Einbettung des Schwangerschafts­abbruchs im Medizinstudium ein, stellen sich einer Stigmatisierung und Kriminalisierung von Ärzt*innen, die Schwanger- schaftsabbrüche durchführen entgegen und setzen sich somit für eine Enttabuisierung dessen ein. Neben Vorträgen und anderen Veranstaltungen organisieren sie außerdem sogenannte Papaya-Workshops, in denen sie mit Hilfe von ausgebildeten Gynäkolig*innen die Grundlagen eines Schwangerschaftsabbruchs erklären und weitergeben. Redaktion: Medical Students for Choice: Wie seid ihr dazu gekommen euch Jede* von uns hat dazu glaube ich eine eigene Geschichte, aber jede* politisch zu engagieren? kennt die Vorurteile, Stigmatisierung und Tabus in Bezug auf das Thema Schwangerschaftsabbruch, mit denen man im privaten aber auch im universitären Umfeld konfrontiert wird. Dagegen wollen wir etwas tun. Außerdem sind wir alle der Überzeugung, dass der Schwangerschaftsab- bruch wichtig ist für unser aller Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und dass mehr über dieses Thema zu sprechen und die Abschaffung von §218 und §219a nur dazu führen würde, dass die Frauen*gesundheit in vielerlei Hinsicht verbessert werden würde. Zudem ist der Schwangerschafts- abbruch ein medizinischer Eingriff, noch dazu ein sehr häufiger. Dass wir die medizinischen Aspekte überhaupt nicht und die ethischen und rechtlichen kaum im Medizinstudium(!) an unserer Uni lernen, hat uns empört. Zukünftige Ärzt*innen sollten zumindest eine grobe Vorstellung davon haben, was so ein Eingriff bedeutet, denn aufgrund der Häufigkeit werden Ärzt*innen fast aller Fachrichtungen irgendwann Kontakt mit Personen haben, welche einen Abbruch in ihrer Lebensgeschichte haben.

Welche Präsenz hat das Thema Bisher hat das Thema nur bezogen auf die ethischen Aspekte eine Präsenz Schwangerschaftsabbruch in eurem in unserem Studium und dies in direkter Verbindung zur Pränataldiagnos- Studium und wie beeinflusst es tik. Vor allem Letzteres finden wir nicht gut, da etwa 96% der Schwan- euch? gerschaftsabbrüche nicht aufgrund von Pränataldiagnostik, sondern nach der Beratungsregelung vollzogen werden. Dies soll sich hoffentlich bald ändern und das Thema Schwangerschaftsabbruch sowohl getrennt von der Pränataldiagnostik als auch unter rechtlichen und ethischen Aspekte in erhöhtem Umfang behandelt werden. Da hoffen wir auf gute Ergebnisse und sind gespannt.

Medizinische Aspekte des Schwangerschaftsabbruchs kamen bisher im Curriculum nicht vor und sollen es auch weiterhin nicht. Dies kritisieren wir natürlich! Der Schwangerschaftsabbruch muss unserer Ansicht nach auch neutral aus medizinischer Sicht betrachtet werden, jedoch spielen auch im Medizinstudium immer die gesellschaftspolitischen/ethischen Aspekte eine übergeordnete Rolle und der Schwangerschaftsabbruch wird nicht als medizinischer Eingriff gesehen.

Wie versucht ihr mit eurer Initiative Wir versuchen die medizinischen Aspekte stärker in den Vordergrund zu den Diskurs an der Hochschule zu rücken und die Wissenslücken darüber zu füllen, wie so ein Schwanger- beeinflussen und welche Forderun- schaftsabbruch durchgeführt wird. Mit unseren Papaya-Workshops üben gen habt ihr? wir das Ganze praktisch. Die Studierenden sollen Berührungsängste mit dem Thema verlieren – und sich vielleicht später eher dafür entscheiden selbst Abbrüche durchzuführen oder sich zumindest zu überlegen: »Will ich das später machen und wer macht das später und für wen ist das wichtig?« Denn dies zu tun ist dann auch wichtig, bevor man sich nach dem Studium die Klinik aussucht, an der man arbeiten möchte, da viele Kliniken überhaupt keine Abbrüche durchführen. Wir wollen den Diskurs dazu ankurbeln! Unsere Forderungen sind vor allem: dass die medizini- schen Aspekte stärker im Studium vorkommen, dass insbesondere der medikamentöse Abbruch gelehrt wird, dass das Thema unabhängig von Pränataldiagnostik behandelt wird, wie es bisher der Fall war, und dass ein Diskurs geführt wird, der die Rechte der Frauen* und damit ihre 77 Gesundheit stärker in den Fokus setzt. 78

Insgesamt ist da aber in unserer Gesellschaft noch ein langer Weg zu gehen, um Schwangerschaftsabbruch zu entstigmatisieren und enttabuisieren. Gibt es Reaktionen des Fachbereichs Wir haben diesen Sommer mit der Studienleitung gesprochen und kön- und insbesondere der Professor*in- nen kleine Erfolge verzeichnen: Die ethischen und rechtlichen Aspekte nen auf eure Initiative? Wie sollen nun losgelöst von der Pränataldiagnostik einzeln und vermehrt wird sie von der Studierendenschaft behandelt werden. Wie das genau umgesetzt wird, ist noch abzuwarten. aufgenommen? Aber wir freuen uns, dass wir da schon etwas bewegen konnten. Von der Studierendenschaft erhalten wir wenig, aber wenn meist positive Reak- tionen. Die Studierenden, welche zu unseren Veranstaltungen kommen, geben uns immer sehr positives Feedback. Dies bestärkt uns darin, dass unsere AG-Arbeit wichtig ist.

Habt ihr bereits Erfolge zu verzeich- Ja, den Erfolg mit der hoffentlich vermehrten Behandlung der ethischen nen? Wie kommen eure Workshops und rechtlichen Aspekte haben wir weiter oben genannt. Ansonsten an? stehen wir gerade mit der Gynäkologie in Kontakt, ob es eventuell eine Zusammenarbeit bei unseren Workshops geben kann. Ob dies zustande kommt, muss sich aber noch zeigen. Unsere Workshops stoßen auf hohes Interesse der Studierenden – wir konnten die letzten Male nicht alle Interessierten in den Workshops unterrichten, da unsere räumlichen und personellen Kapazitäten dafür nicht ausreichten. Zudem unterstützt uns unsere FSI (Studierendenvertretung).

Nehmt ihr eine Veränderung der Die Diskussion geht in unserem Fachbereich seit dem Fall Hänel meist Diskussion um Schwangerschaftsab- darum, ob §219a jetzt wirklich Werbung verbietet oder ob er sachliche bruch in eurem Fachbereich wahr Informationen unterbindet und das Recht auf Information der Frauen* seit dem Fall Kristina Hänel? Wie einschränkt und ÄrztInnen* kriminalisiert. Das stört die MedizinerIn- ordnet ihr das gesamtgesellschaftlich nen*. Allerdings dreht sich die Debatte leider noch nicht um §218 und ein? den Schwangerschaftsabbruch an sich, ob der Schwangerschaftsabbruch legalisiert werden sollte oder nicht. Leider hat die Bundesärztekammer sich ja zu §219a auch sehr unpolitisch, beziehungsweise. beide Seiten beschwichtigend ausgedrückt. Die Debatte um §219a wird schon hit- zig geführt und vielleicht wird es da tatsächlich zu einer Streichung kommen. Insgesamt ist da aber in unserer Gesellschaft noch ein langer Weg zu gehen, um Schwangerschaftsabbruch zu entstigmatisieren und enttabuisieren.

Wie nehmt ihr die internationale Wir denken schon, dass man von einer neuen Frauen*bewegung sprechen Diskussion über das Thema sexuelle kann. Der Feminismus ist glaube ich zur Zeit diskutierter als vor wenigen Selbststimmung von Frauen* und Jahren und daraus erwächst natürlich auch Verantwortung, diese aktu- die Legalisierung von Schwanger- elle Aufmerksamkeit zu nutzen. Unsere AG gibt es nun schon seit 2015, schaftsbrüchen wahr? Meint ihr, dass aber in den letzten 12 Monaten haben auch wir ein deutlich größeres man von einer neuen Frauen*bewe- mediales Interesse an unserer Arbeit wahrnehmen können. Wir finden gung sprechen kann? natürlich, dass das Thema sexuelle Selbstbestimmung der Frau* und die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen nie genug thematisiert werden kann und es dort noch einen langen Weg zu gehen gilt. Aber die aktuellen Debatten stimmen hoffnungsvoll.

Wir danken euch für das Interview!

Für mehr Informationen: https://msfcberlin.com/ 79 Progressive Welle Die feministische Bewegung fordert Chiles Gesellschaft heraus

Friederike Winterstein

»Vereint euch Frauen gegen das Patriarchat« - Frauen neue Räume eröffneten, als politische ausgehend von den Universitäten rollt seit Ende Subjekte zu agieren«. April eine feministische Welle, eine »ola femini- sta«, durch das Land. Dabei geht es nicht mehr In einigen Fällen sind die Besetzungen und »nur« um die Forderung nach gleichen Rechten Streiks eine direkte Reaktion auf interne 80 und Chancen, sondern um die Grundlagen für Vorkommnisse sexueller Belästigung und einen tiefgreifenden kulturellen und gesellschaft- Missbrauchs, andere finden sowohl aus Soli- lichen Wandel. darität statt, als auch mit dem Ziel, der Frau- enbewegung auf nationaler Ebene Ausdruck Für einen Großteil der Bevölkerung und des und Gewicht zu geben. Den Anfang mach- politischen Establishments völlig unerwartet, ten Studentinnen der Universidad Austral nimmt die feministische Bewegung in Chile in Valdivía am 17. April mit der Besetzung rasant an Wirkmächtigkeit zu und bestimmt der Fakultät für Philosophie und Geistes- mit ihren Themen die öffentliche Debatte. wissenschaften. Direkter Auslöser war die Bestärkt von der Durchsetzung der seit Sep- schleppende Bearbeitung von und Gleichgül- tember letzten Jahres legalen Abtreibung in drei tigkeit der Verantwortlichen gegenüber den Fällen und der Mobilisierung der internationa- Anschuldigungen von sexueller Belästigung, len Frauenbewegung mit globalen Kampagnen die sowohl Lehrende, als auch Studenten und wie #NiUnaMenos1 und #MeToo, nahmen vor- Funktionäre betrafen. Zehn Tage später folgte wiegend Studentinnen das Ruder in die Hand die Rechtswissenschaftliche Fakultät derUni - und besetzten eine Reihe von Fakultäten und versidad de Chile in Santiago. Den nötigen Universitäten. Rosario Olivares, Feministin, Zündstoff bat in diesem Fall die Ablehnung Schuldirektorin und Mitglied der Partei Sozia- eines Universitätsbeschlusses, der den Pro- lismus und Freiheit (SOL, Frente Amplio), sieht fessor – und ehemaligen Präsidenten des die aktuelle Mobilisierung als Ergebnis zweier Verfassungsgerichtshofs – Carlos Carmona paralleler und sich kreuzender Entwicklungen: von dem Vorwurf der sexuellen Belästigung »Einerseits die historischen Forderungen der einer Studentin ausnahm und ihn nur für drei Frauenbewegung in einer konservativen Gesell- Monate mit dem Vorwurf der »Verletzung schaft wie der unseren und andererseits die der administrativen Redlichkeit« vom Dienst Studentenproteste von 2006 und 2011, die den suspendierte. Seitdem fegt eine Welle feministischer Mobi- Die Kernforderung einer »nicht-sexistischen lisierung durch das Land, die auf ihrem bis- Bildung« betont folglich nicht nur die Not- herigen Höhepunkt Mitte Juni 15 besetzte wendigkeit, sexuelle Gewalt innerhalb der Universitäten, 30 streikende Fakultäten und Bildungseinrichtungen sichtbar zu machen, eine Reihe Aktionen von Schüler*innen einiger den Opfern eine angemessene Betreuung und 81 Sekundärstufen einschließt. Bemerkenswert Schutz zuzusichern und härtere Sanktionen war die massive Demonstration, die, von 40 für die Täter durchzusetzen. Darüber hinaus feministischen Student*innenversammlungen schwingt der Anspruch mit, die Grundlage und der Studentenförderation Confech orga- für einen kulturellen Wandel zu schaffen, der nisiert, in verschiedenen Städten des Landes es Frauen und LGBTI ermöglicht, über ihre am 16. Mai stattfand und allein in Santiago Körper und ihr Leben selbst zu entscheiden. laut Angaben der Organisator*innen 170.000 Dafür bedarf es den Aktivist*innen nach einer Menschen auf die Straße brachte. Der Protago- Änderung der Lehrpläne an Schulen und Uni- nismus stand dabei klar den Frauen zu, nur sie versitäten, in denen eine aufgeschlossene, inte- hielten Reden und gaben Interviews, während grale und die Vielfalt respektierende sexuelle die Männer unterstützten und im Hintergrund Erziehung selbstverständlich sein muss. Sie blieben. fordern die Hinterfragung der konservativen, patriarchal geprägten Rollenbilder und ein auf Die Teilnahme der Männer wird in der Bewe- der Genderperspektive aufbauendes kritisches gung kritisch diskutiert: Grundverständnis in allen Fächern und Studi- engängen. Daraus ergeben sich Forderungen »Wenn wir davon ausgehen, dass die aufge- nach der Anerkennung von Transmenschen zwungene Differenz nicht natürlich, sondern und Einführungen in die Thematik für Studi- sozial und politisch konstruiert ist, dann kön- enanfänger*innen, aber auch die Geschlech- nen die Männer an bestimmten Diskussionen terparität und gleiche Bezahlung in leitenden und Mobilisierungen teilnehmen, weil es ein Positionen der Bildungsinstitutionen, Verwal- Thema ist, das auch sie betrifft. Die auf dem tung und Wissenschaft. Patriarchat basierenden Privilegien machen es jedoch notwendig, dass die Männer in der Laut Rosario Olivares impliziert die Umsetzung Lage sind, ihre Identität zu dekonstruieren und einer nicht-sexistischen Bildung, bestimmte Räume und den Protagonismus der Bewegung nur uns Frauen überlassen«, »das gesamte Bildungssystem konzeptuell neu zu denken und institutionell neu zu struktu- so Rosario. rieren. Das schließt die Lehrpläne ein, ebenso die Nutzung von Sprache und die alltäglichen Für Polemik auf der Demonstration sorgte Arbeits- und Verhaltensweisen, die Sensibi- eine Gruppe von Studentinnen, die genau lisierung des Lehrpersonals und die Demo- vor dem zentralen Gebäude der erzkonser- kratisierung der Bildung. Wir brauchen ein vativen katholischen Universität ihre Brüste Bildungsprojekt, das laizistisch, feministisch, entblößte, barbusig und das Gesicht mit integral und kontextbezogen ist und von der bunten Mützen bedeckt einige randalierende Krippe bis in die Universitäten unvoreinge- Studenten ausgrenzte und zu guter Letzt das nommen Wissen vermittelt«. Denkmal Johann Pauls des Zweiten erklamm. Während nackte Brüste in Werbung und All- Einige Referentinnen der Bewegung sprechen tag keineswegs kritisch hinterfragt werden, von »feministischer Bildung«, um zu verdeut- scheint die Entblößung in einem politischen lichen, dass das Ziel nicht nur die Verringerung Rahmen für einen großen Teil der Bevölke- der männlichen Vorherrschaft ist, sondern es rung anstößig zu sein. Deshalb symbolisiert darum geht, die gesellschaftlichen Beziehungen dieser Akt genau das, worum sich die Proteste von Grund auf zu verändern. Eine alternative, drehen: Das Verdeckte und Tabuisierte zu emanzipatorische Logik des menschlichen entblößen, das lange Schweigen zu brechen, Zusammenlebens zu ermöglichen, die auf die alteingesessenen patriarchalen Macht- weniger Hierarchien und mehr Horizontalität strukturen aufzubrechen. beruht, auf Freundschaft, auf Solidarität, auf Schwesterlichkeit und Brüderlichkeit und auf der Anerkennung der menschlichen Vielfalt Anerkennung und Verfolgung von Gewalt gegen und Lebensvorstellungen. Da den Bildungsin- Frauen in jeder Art von Beziehungen, die För- stitutionen eine zentrale Rolle bei der Vermitt- derung von Frauen in Führungspositionen – all lung und Festigung gesellschaftlicher Werte das sind Vorschläge, die innerhalb des gelten- und Rollenverständnisse zukommt, trifft diese den kapitalistisch-neoliberalen Systems und der Forderung mit all ihren Facetten in das Herz herrschenden patriarchalen Logik umzusetzen des Patriarchats. sind und im Grunde nicht viel mehr darstellen, als die Gewähr einiger grundlegender Rechte. Die radikale Vorgehensweise und die tiefgrei- fenden Forderungen der Mobilisierung zei- »Der Feminismus ist eine Einheit politischer gen erste Erfolge. An einigen Universitäten Theorie und Praxis, der eine bestimmte Vor- wurden die Besetzungen und Streiks vorerst stellung von Gesellschaft zu Grunde liegt, die aufgehoben, nachdem die Autoritäten zumin- weder den Vorstellungen der amtierenden noch dest teilweise die Petitionen der Aktivist*innen der letzten Regierung entspricht, denn beide akzeptierten. Für hochgezogene Augenbrauen haben ihren Anteil am neoliberalen Aufbau sorgte dabei ein Foto der Versammlung der unserer Gesellschaft. Deshalb sind die Maßnah- Rektoren der traditionellsten Universitäten men Piñeras nicht feministisch, denn sie ändern des Landes, in der eine reine Männerrunde nichts an der Wurzel des Systems und basieren über Maßnahmen zur Inklusion von Frauen auf bereits existierenden Gesetzen. Beispielhaft diskutierte. Gut einen Monat nach der ers- dafür ist der Vorschlag des Präsidenten, die ten Besetzung sah sich selbst die Regierung Krankenkassenbeiträge auch für Männer zu zu einer Reaktion genötigt, Präsident Piñera erhöhen, statt die für Frauen zu reduzieren«, gestand persönlich sein »machohaftes Ver- halten« ein und kündigte ein Maßnahmenpa- so Rosario Olivares. ket zur Gleichstellung der Frau an. Nachdem unter der Präsidentschaft Michelle Bachelets Die Vorschläge der Regierung haben also weni- (2014-2018) ein gewisser Fortschritt der Frau- ger mit Feminismus als mit der Erhaltung des enrechte zu verzeichnen war, der sich in der Staus Quo zu tun. Die feministische (Studieren- Gründung des Ministeriums für Frauen und den-)Bewegung mit ihrem Ansatz einer nicht- Geschlechtergleicheit und der Legalisierung sexistischen bzw. feministischen Erziehung der Abtreibung in drei Fällen zeigte, konnte hat hingegen einen tiefgreifenden Wandel der in den ersten Wochen der Amtszeit Sebastián Gesellschaft im Sinn, der wie jeder kulturelle Piñeras eher eine gegenläufige Tendenz beob- Umbruch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. achtet werden. So ist die neue Frauenminis- Ein rasches Ende der Mobilisierung ist deshalb terin Isabel Plá gegen die Legalisierung der nicht abzusehen. 82 Abtreibung und sorgte gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium für eine Klausel, die es selbst durch öffentliche Gelder finanzierten Kliniken erlaubt, aus »Gewissensgründen« eine berechtigte Abtreibung nicht durchzuführen. Der Text erschien zuerst in: Lateinamerika Nachrichten, Nummer 528, Juni 2018, online abrufbar unter: Obwohl laut einer Umfrage des privaten Umfra- https://lateinamerika-nachrichten.de/artikel/ gedienstes Cadem 71% der Bevölkerung der progressive-welle/ Mobilisierung gegen den Machismus und die (sexuelle) Gewalt gegen Frauen zustimmen, stel- len die angekündigten Maßnahmen der Regie- rung für die durch ein extrem konservatives Rollenverständnis geprägte und sich erst seit 1 Anmerkung der Redak- tion: Übersetzt etwa »Nicht Kurzem der feministischen Debatte öffnende eine Frau weniger«. Im Jahr chilenische Gesellschaft und den rechts-kon- 2015 fanden unter diesem Motto erstmals von feministi- servativen Teil des politischen Spektrums ein schen Bewegungen organi- großes Zugeständnis dar. Eine Verfassungs- sierte Proteste in Argentinien gegen Gewalt gegen Frauen* änderung um die Gleichwertigkeit der Rechte und Femizide statt. von Frauen und Männern zu garantieren, die 83 Blame the System, not the Victim! Sexismus auf dem Campus

fantifa.frankfurt

Wenn sexistische Übergriffe oder sexuali- singuläres Ereignis? Befinden wir uns immer sierte Gewalt öffentlich werden, folgt häufig noch in einem Prozess, in dem sich Menschen ein öffentlicher Schock, verbunden mit einem scheinbar erst noch daran gewöhnen müssen, großen Aufschrei. Auch in den letzten Jahren, dass Frauen* aussprechen, was (vermutlich) Monaten und Wochen – im Zuge der #metoo alle wissen: dass sie täglich belästigt, gedemü- 84 Kampagne oder aber auch auf dem Campus der tigt und übergriffig behandelt werden? Goethe-Uni Frankfurt, schien die Öffentlich- keit von der Drastik und Gewaltförmigkeit des Als vereinzeltes Problem können singuläre herrschenden Sexismus überrascht. Auch wir sexistische Übergriffe nur dann begriffen finden es immer wieder grausam, wenn Frauen* werden, wenn man nicht versteht, dass eine (sowie alle Menschen generell) sexualisierte sexistische Struktur dahintersteht, die diese Gewalt erfahren – zugleich sind wir aber möglich macht. Patriarchale und heteronor- auch schockiert davon, dass solche Übergriffe mative Strukturen bringen Machtasymmetrien überraschen. Wir wollen diese Aufschreie hervor und ermöglichen diese. Das bedeutet, im Zusammenhang mit einzelnen Vorfällen dass es einem Dozenten, der seine Studentin- nicht delegitimieren, aber zugleich wollen wir nen übergriffig behandelt, möglich ist, dies die Vorfälle auch nicht singularisieren. Das zu tun, ohne Reaktionen, Sanktionen oder heißt: nicht so tun, als wäre es nicht alltäg- anderweitige Konsequenzen befürchten zu lich, dass Sexismus und sexualisierte Gewalt müssen. Sexualisierte Gewalt ist also vor allem omnipräsent sind. auch eine Ausübung von Macht. Genau darin sollte sie auch angegriffen werden: als widerli- Mit der Ausbreitung der Gender Studies, der cher Missbrauch einer Machtposition. Relevanz und Wichtigkeit feministischer Semi- nare im Kontext der Universität, scheinen wir Ein anderes Beispiel für konkreten Sexismus mit der These, dass Sexismus allgegenwärtig auf dem Campus sind die sogenannten »Pick- ist, eigentlich nicht allein zu sein. Wie kann Up-Artists«. Die selbsternannten »Verfüh- es also sein, dass das Öffentlichwerden eines rungskünstler« praktizieren ihre Ideologien sexualisierten Übergriffs an der Universität über das Flirtverhalten und die Psyche von so überraschen kann? Glaubt etwa irgendje- Frauen* mittels frauenverachtender und sexis- mand ernsthaft, das wäre eine Ausnahme, ein tischer Methoden seit drei-vier Jahren auch auf dem Campus. Ein prägnantes Beispiel für die Eine moralische Lösung, beziehungsweise Signifikanz und Omnipräsenz dieser Szene ist eine Lösung mit sittlichen Einschränkungen, der von Asta Frankfurt geführte – und in letzter ist keine Antwort auf das Problem, sie repro- Instanz gewonnene – Gerichtsprozess eines duziert viel eher das Bild des omnipotenten »Pick-Up-Artists«, der an der Uni Frankfurt Triebtäters. Wir wollen keine neuen Sitten- Erziehungswissenschaften studiert. Interessan- vorschriften (offene Türen, lange Kleidung, terweise hat die Unileitung – erst nachdem sich die berühmte »Armlänge Abstand«), die das eine studentische Anti-Pick-Up-Initiative sowie Problem unsichtbar machen und in die Ver- das Autonome Frauen*Lesben-Referat dafür antwortung der Betroffenen verschieben. Viel- eingesetzt haben – mit einer gewissen Selbst- mehr wollen wir, dass alle diese Verhältnisse verständlichkeit einen Senatsbeschluss gegen permanent kritisieren, sich einmischen und »Pick-Up-Artists« beziehungsweise »gegen jede dagegen vorgehen. Es muss unmöglich werden, Form sexualisierter Diskriminierung und Beläs- Sexismus ausüben zu können, nur, weil man tigung«1 verabschiedet. Wenn es hingegen um keine Reaktionen oder Sanktionen befürchten einen ihrer eigenen Mitarbeiter geht, verfällt sie muss, weil es scheinbar »normal« ist. in schlechte Apologien und Relativierungen von sexistischer und sexualisierter Gewalt. Zu einem Angriff auf die Normalität gehört immer auch ein Angriff auf sich selbst: Sexis- Indem aber alltägliche, sexistische Ereignisse mus wird zum Problem von (potentiell) Betrof- – sei es an der Uni oder sonst wo – nicht fenen gemacht, ist aber das Problem aller. Die bekämpft werden, tragen sie gleichzeitig auch Auseinandersetzung mit und das eigene Invol- zu einer Normalisierung von Sexismus bei. Das viertsein in sexistische Strukturen ist unab- Gefühl, dass es normal sei als Frau* unterwürfig dingbar für den Kampf gegen Sexismus. behandelt zu werden, führt wiederum dazu, dass Übergriffe als singulär wahrgenommen Die Verantwortung trägt nicht »nur« der werden; dass das Sprechen darüber unmög- »eine Täter/Dozent/Pick-Up-Artist«, verant- lich erscheint. Etwas alltäglich Erfahrenes wird wortlich für die Möglichkeit von Sexismus sind dadurch unsichtbar und unsagbar. ebenso und ganz besonders auch all diejenigen, die schweigen und wegschauen, wenn Über- 85 In den spezifischen – teilweise feudalen und griffe passieren, es ertragen und somit erlau- durchgängig klassenförmigen – Machtverhält- ben, wenn sexistische Scheiße im öffentlichen nissen an der Uni, haben Studierende zudem Raum ausgesprochen wird; diejenigen, die es weitere Konsequenzen zu befürchten: Werde hinnehmen, wenn in Feminismus/Gender Stu- ich schlechter bewertet? Finde ich noch eine dies Seminaren gegen Antisexismus polemisiert Betreuung für meine Abschlussarbeit? Und so wird, es zulassen, wenn feministische Kritik weiter… Traut sich unter diesen Voraussetzun- delegitimiert wird, die Sexismus immer wie- gen jemand auszusprechen, was vielen wider- der verharmlosen oder Sexismus stets als ein fährt und viele täglich (mit)erleben, erscheint Problem anderer abwehren. es als eine singuläre, paradoxe Beichte der Betroffenen und nicht als Bericht dessen, was In diesem Sinne: Blame the System, not the tragischerweise alltäglich ist. Dass es überhaupt Victim! möglich ist, Macht sexualisiert auszuüben, kann demnach nur strukturell verstanden wer- den. Denn in einem Machtverhältnis zu leben, Der Text geht auf einen Redebeitrag zurück, der heißt noch nicht automatisch, dass dieses anlässlich der »Kundgebung gegen sexuelle Belästigung, geschlechtlich konnotiert ist oder sexualisiert Sexismus und Ausnutzung von Machtgefällen« am werden kann. Dies ist nur möglich, wenn die 17. Januar 2018 an der Goethe Uni Frankfurt/Main geschlechtliche Konnotation von Machtstruk- turen permanent produziert beziehungsweise gehalten wurde. reproduziert wird.

1 https://aktuelles. Was kann es also bedeuten, wenn wir nicht uni-frankfurt.de/hochschul- im Schockzustand des Aufschreis verharren strategie/nein-heisst-nein- stellungnahme-des-senat/. wollen? Der Gleichstellungsrat des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften stellt sich vor

Gleichstellungsrat FB03 der Goethe-Uni Frankfurt

Den Frauen*rat des Fachbereichs 03 gibt es wir die derzeitigen Beratungsstrukturen an der seit 1988. In diesem Jahr hat der Fachbereich Universität für nicht ausreichend halten, setzen den Frauen*rat offiziell mit dem Ziel einge- wir uns in der neu entstandenen Arbeitsgruppe setzt, die Gleichberechtigung von Frauen* am des zentralen Gleichstellungsbüros für die Ver- Fachbereich voranzutreiben. Seit dem Jahr 2017 besserung des Beratungsangebots, die im Sinne heißen wir jedoch nicht mehr Frauen*rat, son- der Betroffenen agiert, ein. dern Gleichstellungsrat.1 Über unsere täglichen Aufgaben hinaus koope- Unsere grundsätzliche Aufgabe ist es, auf rieren wir mit anderen feministischen und möglichst allen Ebenen des Fachbereichs, das anti-diskriminatorischen Initiativen, um Ver- heißt in den unterschiedlichen Ausschüssen, anstaltungen zu organisieren oder zu unterstüt- Gremien, Berufungskommissionen und Ein- zen. So könnt ihr beispielsweise die Nutzung stellungskommissionen eine gleichstellungspo- des Frauen*raums (PEG 2.G215) bei uns anfra- litische Position einzunehmen und zu vertreten. gen. Der von uns selbstverwaltete Frauen*raum Aber auch über unseren Fachbereich hinaus (= feministischer Salon) ist ein Schutzraum für stehen wir in enger Zusammenarbeit mit allen alle FLTIQ*-Personen, also für alle Menschen anderen dezentralen Rät*innen oder Beauf- die aufgrund ihrer geschlechtlichen Zuordnung tragten und dem zentralen Gleichstellungs- oder ihrer sexuellen Orientierung von Diskri- büro. So tauschen wir uns über für uns relevante minierung betroffen sind. Hier könnt ihr lesen, Entwicklungen, Ereignisse oder Schulungs- arbeiten, andere Menschen treffen, Veranstal- möglichkeiten aus. Zudem sind wir in unserer tungen halten oder planen. Der Raum ist ein Sprechstunde für die Beratung und Unterstüt- studentischer und selbstorganisierter Ort, an zung in Fällen von Sexismus, Diskriminierung, dem sich jede Person zurückziehen, entspannen Stalking und sexuellen Übergriffen zuständig und ausleben kann. und vermitteln an andere Beratungsstellen. Da 86 87

Außerdem haben wir in diesem Sommer die 21. Ausgabe der Ratsfrau herausgegeben! Hier findet ihr Weiteres zu unserer Arbeit, aber auch Texte von externen Autor*innen zu femi- nistischen hochschulpolitischen und gesamt- gesellschaftlichen Themen. Ihr findet sie im Frauen*raum oder in anderen studentischen die und selbstverwalteten Räumen an der Uni. T S Wir freuen uns immer über Feedback und A kreative Ideen, über Hinweise, wenn Dinge R in eurem Unialltag schief gehen oder euch nerven. Und wenn ihr diskriminierendes Verhalten hier am Campus selbst erlebt oder beobachtet – zögert nicht und wendet euch frau an uns: [email protected]

1 Siehe dazu: »Vereinheitli- chung ist nicht Gleichstellung – warum wir nicht damit einverstanden sind, wie wir heißen«. In: Die Ratsfrau #21, 2018. Personen 88 Amendt, Gerhard → 31 Beverfoerde, Hedwig von → 21, 51 Blanc, Julien → 67, 68, 69 Blüher, Hans → 61 Carrière, Mathieu → 24 xxxxxxx, xxxxx → 67 Heddergott, Andreas → 56 Höchst, Nicole → 14, 15 Hoffmann, Arne → 31, 67, 69 Holthaus, Stephan → 51, 52 Kallina, Bernd → 64, 65 Kassegger, Axel → 64 Kelle, Birgit → 9, 12, 15, 18, 19, 21, 37, 57, 58 Klein, Michael → 34, 36, 37 Knauß, Ferdinand → 36, 37

sches sti sches Kubitschek, Götz → 52 gister Kuby, Gabriele → 9, 18, 31, 37 Kutschera, Ulrich → 38, 39, 40, 41, 42, 43 Lackner, Werner → 61, 65 Linder, Alexandra Maria → 46 re „Marko Polo“ → 67, 68 Matussek, Matthias → 10, 13, 15 Patzelt, Werner → 34, 37 Petry, Frauke → 9 Pfister, René → 15, 16, 37 Pütz, Maximilian → 67 Rosenkranz, Barbara → 31 Schupelius, Gunnar → 19 Schurtz, Heinrich → 61 Seubert, Harald → 52 Stadler, Christian → 56 Steinke, Lars → 57 mini ntife Storch, Beatrix von → 14, 17, 52 Storch, Sven von → 52 Tillschneider, Hans-Thomas → 14, 15 Na mens A Zastrow, Volker → 11, 15, 16, 17, 24, 32, 37 Organisationen und Institutionen

ACADEMIA → 56, 58 Christdemokraten für das Leben 89 (CDL) → 45 AfD-Hochschulgruppe → 57, 58 Christliche Fundamentalisten → 15, Agens → 31 24, 31, 32, 37, 45, 50, 51, 52, 53 Aktion Lebensrecht für Alle e.V. Christlich Demokratische Union (AlfA) → 46 Deutschlands (CDU) → 18, 30, 34, 37, Alles Evolution → 31 45, 52, 55, 57 Allgemeine Deutschen Cicero → 15, 24, 42 Burschenschaft (ADB) → 52 Compact Magazin → 41, 42, 43 Alternative für Deutschland (AfD) Christlich-soziale Union (CSU) → 17, → 1, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 26, 27, 30, 32, 18, 45, 55 33, 37, 42, 45, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58 Demo für alle → 2, 10, 13, 15, 17, 18, Antaios Verlag → 52 20, 21, 24, 48, 49, 52, 53 Arbeitsgemeinschaft Christlicher Desiderius-Erasmus-Stiftung → 42 Mediziner (ACM) → 46 Deutsche Burschenschaft (DB) Ärzte für das Leben (ÄfdL) → 46 → 52, 53, 55, 65 Besorgte Eltern → 15, 16, 17, 24 Deutsche Stimme → 11 Bundesverband Lebensrecht (BVL) Deutsche Zentrumspartei → 45 → 46 Deutscher Arbeitgeber Verband Bundesvereinigung Christen in der → 41, 43 AfD (ChrAfD) → 45 Deutsches Institut für Jugend und Bündnis C → 45 Gesellschaft (DIJG) → 51 Bündnis Ehe und Familie → 51 Die Welt → 42 Bürgerinitiative Einer von Uns (EvU) Evangelikale → 11, 15, 45, 46, 50, 51, → 51, 52, 53 52, 53 Burschenschaftliche Blätter → 63, Evangelische Allianz in Deutschland 65 → 51 Burschenschaft Danubia München Evangelische Nachrichtenagentur → 64 idea → 51 Burschenschaft Germania Graz → Frankfurter Allgemeine Zeitung 64 (FAZ) → 15, 16, 24, 32, 37, 42 Burschenschaft Hannovera Freie Demokratische Partei (FDP) Göttingen → 57 → 54, 55, 56, 58 Burschenschaft Olympia Wien → 61, Flirt Empire → 67, 69 63, 65 Förderverein für evangelikale Burschenschaft Thessalia Prag in Theologie und Ausbildung e.V. → 50 Bayreuth → 64 Freiheitliche Partei Österreichs Campus Alternative → 57, 58 (FPÖ) → 31, 64, 65 Casanova Coaching → 67 Free Gender → 32 Cartellverband (CV) → 56 Freie Theologische Hochschule (FTH) Pick-Up-Artists → 66, 67, 68, 69, 84, → 50, 51, 52, 53 85 Identitäre Bewegung → 13, 58 Preußeninstitut → 52 Initiative Familienschutz → 17 Progressive Seduction → 67 Institut für Ethik & Werte (IEW) Ring Christlich-Demokratischer → 50, 51, 52 Studenten (RCDS) → 55, 56, 57, 58 Institut für Staatspolitik → 52, 53 Real Social Dynamics → 68 Jugend für das Leben → 46 sciencefiles.org → 31, 32, 33, 34, 37 Junge Alternative → 57, 58 Sezession → 52, 53 Junge Freiheit → 24, 67, 69 Studentenmission in Deutschland (SMD) → 46 KALEB e.V. (Kooperative Arbeit Leben ehrfürchtig bewahren) Studienzentrum Weikersheim → 46 → 52, 53 kath.net → 42, 43, 53 Väteraufbruch für Kinder (VafK) → 23, 24 Katholische Kirche → 45, 46 Verein Gedächtnisstätte → 52 Kritische Wissenschaft – critical science → 31 Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land (wgvdl) → 10, 24, 31 Lebensschutz-Bewegung → 14, 44, 45, 46, 47, 48 wikiMANNia → 24, 31 Leginonäre Christi → 37 Zivile Koalition e.V. (ZK) → 14, 52 Liberale Hochschulgruppen (LHG) → 55, 56, 58 Manif pour tous → 13, 17 MANNdat → 11, 14, 15, 24, 31, 67, 69 Männerrechtler → 27, 31, 67 Manuscriptum Verlag → 24 Marburger Erklärung → 52 Märsche für das Leben → 45, 46 Maskulisten → 10, 14, 19, 23 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) → 31, 33, 37, 53 Neue Zürcher Zeitung (NZZ) → 42 Offensive Junger Christen → 24, 51 Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) → 15, 19, 27, 37 90 91 zum Thema Antifeminismus Achtelik, Kirsten/Sanders, Eike/ Frey, Regina/Gärtner, Marc/Köhnen, Jentsch, Ulli (2018): Kulturkampf Manfred/Scheele, Sebastian (2014): und Gewissen. Medizinethische Gender, Wissenschaftlichkeit und Strategien der „Lebensschutz«- Ideologie – Argumente im Streit Bewegung. Berlin: Verbrecher um Geschlechterverhältnisse, 2. Verlag. aktualisierte Auflage, Schriften des Gunda-Werner-Instituts, Band 9. Berlin: Heinrich-Böll-Stiftung. Burschel, Friedrich (Hg.) 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Redaktion D. Katzenmaier, M. Koelges, C. Mißbach, G. Zettersten

Druck drucktechnik bisping & odenthal gmbh www.drucktechnik-altona.de

Gestaltung gegenfeuer.net

Herausgeber AStA Uni Frankfurt Mertonstraße 26 – 28 60325 Frankfurt am Main

Erste Auflage 3000 Stück, Januar 2019

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Eigentumsvorbehalt Dieser Reader bleibt bis zur Aushändigung an den*die Adressat*in Eigentum des*der Absender*in. »Zur- Habe-Nahme« ist keine Aushändigung im Sinne dieses Vorbehalts. Nicht ausgehändigte Zeitungen sind ess unter Angabe von Gründen an den*die Absender*in zurückzusenden.

Bildnachweise antifaschistisches pressearchiv und bildungszentrum berlin e.v. – apabiz (S.59 ) Reflektierter Bengel (S.12, 49, pr 71, 75 unten) DPA (S.64) Protestfotografie.Frankfurt (S. 20, 21, 75 oben)

Nicht alle Texte spiegeln in allen Punkten die Meinung Im 93der gesamten Redaktion wider. Während antifeministische Strukturen und Diskurse schon immer Bestandteil der deutschen Hochschullandschaft waren, haben sie im Zuge des gesellschaftlichen Rechtsrucks zuletzt wieder an Stärke und Ausbreitung gewonnen. Um dieser Tendenz etwas entgegenzusetzen, bietet der vorliegende Reader zu Antifeminismus an der Hochschule einige aktuelle theoretische Überlegungen zu (Anti-) Feminismus, beleuchtet Strukturen und Diskurse an Hochschulen und darüber hinaus und eröffnet Perspektiven auf mögliche Gegenstrategien.