Raumordnerischer Entscheid über die Ortsumgehung Ottersheim – im Zuge der L 509

zur vereinfachten raumordnerischen Prüfung gemäß § 18 Landesplanungsgesetz Rheinland-Pfalz

Juli 2020

Raumordnerischer Entscheid „Ortsumfahrung Ottersheim und Knittelsheim“ vom 31.07.2020

Inhaltsverzeichnis

A. Raumordnerischer Entscheid ...... 2

B. Gegenstand der Prüfung ...... 6

C. Verlauf des Verfahrens ...... 8

D. Zusammenfassung der Stellungnahmen ...... 9

E. Raumordnerische Bewertung und Abwägung ...... 26

1. Landesplanerische Beurteilung ...... 26

2. Landwirtschaftliche Belange ...... 28

3. Verkehrliche Belange ...... 33

3.1. Lärm- und Abgasemissionen ...... 35 4. Naturschutzfachliche Belange ...... 37

5. Weitere fachliche Belange ...... 41

5.1. Forstwirtschaftliche Belange ...... 41 5.2. Siedlungswesen ...... 42

5.3. Sonstige Belange ...... 42

6. Raumordnerische Gesamtabwägung ...... 43

F. Abschließende Bemerkungen ...... 45

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A. Raumordnerischer Entscheid

Unter Beachtung der im Landesentwicklungsprogramm (LEP) IV und im Einheitlichen Regionalplan (ERP) Rhein-Neckar enthaltenen Ziele der Raumordnung und Landes- planung sowie nach Abwägung der sich aus § 2 Abs. 2 Raumordnungsgesetz (ROG) i.V.m. § 1 Abs. 4 Landesplanungsgesetz (LPlG), dem LEP IV und dem ERP erge- benden Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung und Landespla- nung ergeht folgender

raumordnerischer Entscheid:

Der geplante Bau der Ortsumgehung Ottersheim-Knittelsheim im Zuge der L 509 zur Fortführung der im Bau befindlichen Südumgehung ent- spricht in der modifizierten Variante 3 den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung, wenn die nachfolgenden Maßgaben erfüllt und die weite- ren Anregungen und Hinweise berücksichtigt werden.

Die in den Antragsunterlagen dargestellten übrigen Trassenvarianten entsprechen nicht den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung.

1. Die Variante 3 ist wie folgt zu modifizieren: a) Die Trasse ist im Westen von Ottersheim um ca. 50 – 100 m vom Ort abzurücken. Die Querung des Brühlgrabens hat dabei in dem gehölzarmen Abschnitt zu erfol- gen. b) Südlich von Ottersheim und Knittelsheim ist die Trasse um ein Gewanne nach Süden auf den Wirtschaftsweg zu verlegen. c) Der Anschluss an die Umgehung Bellheim ist so zu optimieren, dass der Flä- chenverbrauch und die Zerschneidung landwirtschaftlicher Flächen reduziert werden.

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2. Die exakte Ausgestaltung der Linienführung bleibt der Detailplanung unter Beach- tung städtebaulicher, verkehrstechnischer, landwirtschaftlicher und naturschutzfach- licher Gesichtspunkte im Rahmen des nachfolgenden Planfeststellungsverfahrens vorbehalten.

3. Im Planfeststellungsverfahren hat eine Aktualisierung der Verkehrszahlen bzw. des Verkehrsgutachtens zu erfolgen. Dadurch sind das Erfordernis der Ortsumgehung und die damit einhergehende Entlastung für die Ortsgemeinden zu belegen.

4. Die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte der 16. Bundesimmissionsschutzverord- nung (BImSchV) vom 12.06.1990 ist für die von der Ortsumgehung berührten Sied- lungsbereiche im Planfeststellungsverfahren nachzuweisen.

5. Die landwirtschaftlichen Betriebe sind grundsätzlich in ihrem Fortbestand zu sichern. Im Rahmen des nachfolgenden Genehmigungsverfahrens sind für die betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe Existenzgefährdungsgutachten zu erstellen.

Sofern möglich sind entsprechende landwirtschaftliche Ersatzflächen in der näheren Umgebung bereitzustellen.

Bestehende Bewässerungssysteme sind in Abstimmung mit den Landwirten wieder herzustellen.

Die Trasse hat sich soweit wie möglich am Parzellenverlauf bzw. am landwirtschaftli- chen Wegenetz zu orientieren, um unwirtschaftliche Reststücke zu vermeiden.

Die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen für naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahmen ist möglichst zu vermeiden. Sollte dies unumgänglich

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sein, ist die Landwirtschaftskammer bei der Suche bzw. Festlegung der Flächen frühzeitig zu beteiligen.

Das landwirtschaftliche Wirtschaftswegenetz ist in Abstimmung mit der Landwirt- schaftskammer wieder herzustellen bzw. zu ergänzen. Südlich von Ottersheim und Knittelsheim ist mindestens jeweils eine Querungen für den landwirtschaftlichen Ver- kehr (Brückenbauwerke) an geeigneten Stellen sicherzustellen.

Die Erreichbarkeit der Aussiedlerhöfe ist zu gewährleisten.

6.

Für den Trassenverlauf im westlichen Anschlussbereich zwischen Ottersheim und Offenbach an der ist eine vertiefende artenschutzfachliche Untersuchung von Fledermäusen durchzuführen.

Die Auswirkungen auf die betroffenen Vogelarten, insbesondere auf die stark gefähr- deten Feldvogelarten, sind vertieft zu untersuchen und zu bewerten.

Erforderliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind auf der Grundlage einer Ein- griffs- und Ausgleichsbilanzierung in einem Fachbeitrag Naturschutz detailliert aus- zuarbeiten und umzusetzen. Dieser ist in Absprache mit der Oberen Naturschutzbe- hörde zu erarbeiten und dem Planfeststellungsverfahren zugrunde zu legen.

7. Die geplante Linienführung kreuzt eine Produktenfernleitung. Bei der weiteren Pla- nung hat daher eine frühzeitige Abstimmung mit der Fernleitungs- Betriebsgesellschaft mbH (FBG) zu erfolgen. Die dabei vorgebrachten Anregungen und Hinweise sind im Rahmen des nachfolgenden Planfeststellungsverfahrens zu beachten.

Ebenfalls sind die seitens der Generaldirektion Kulturelles Erbe – Direktion Lan- desarchäologie formulierten Auflagen und Hinweise im nachfolgenden Planfeststel- lungsverfahren zu berücksichtigen.

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8. Die von den Trägern öffentlicher Belange in Teil D des Entscheids näher dargelegten Anregungen und Hinweise sind bei der weiteren Planung zu berücksichtigen.

Ebenso ist das Ergebnis der raumordnerischen Bewertung und Abwägung in Teil E des Entscheids bei der weiteren Planung zu beachten.

9. Durch den raumordnerischen Entscheid werden erforderliche Genehmigungen, Er- laubnisse und/oder Bewilligungen nach anderen Rechtsvorschriften nicht ersetzt.

Der raumordnerische Entscheid ist nach einem Zeitraum von fünf Jahren von der zuständigen Landesplanungsbehörde zu überprüfen, wenn bis dahin kein Planfest- stellungsverfahren eingeleitet worden ist. Gegebenenfalls entscheidet sie, ob eine neue raumordnerische Prüfung durchzuführen ist.

10. Die für das Planfeststellungsverfahren beantragte Trassenführung ist der Oberen Landesplanungsbehörde nach Abschluss der Bauarbeiten in digitaler Form zum Ein- trag in das Raumordnungskataster (ROK 25) zuzusenden.

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B. Gegenstand der Prüfung

Der Landesbetrieb Mobilität Speyer plant zwischen dem Gewerbegebiet „Interpark- Süd“ in Offenbach an der Queich und Bellheim die Herstellung einer Ortsumgehung im Zuge der L 509 für die Gemeinden Ottersheim und Knittelsheim. Dadurch sollen die Ortslagen von Ottersheim und Knittelsheim vom Durchgangsverkehr entlastet und gleichzeitig die derzeit im Bau befindliche Südumgehung Bellheim ergänzt und fortgeführt werden.

Für die Ortsumfahrung der Gemeinden Ottersheim, Knittelsheim und Bellheim gibt es eine Trassenplanung und einen raumordnerischen Entscheid aus dem Jahr 1993. Aufgrund der seither vergangenen Zeit ist die geplante Ortsumgehung Ottersheim und Knittelsheim jedoch hinsichtlich der aktuellen Erfordernisse der Raumordnung zu überprüfen und zu beurteilen.

Im Rahmen der vereinfachten raumordnerischen Prüfung wurden insgesamt fünf Trassenvarianten untersucht. Alle Varianten verlaufen südlich der Ortslagen von Ot- tersheim und Knittelsheim nahezu auf gleicher Trasse und unterscheiden sich ledig- lich hinsichtlich des Anschlusses an die vorhandene L 509 westlich von Ottersheim voneinander.

Trassenvarianten

Die Variante 0 schließt an den vorhandenen Kreisverkehr bei Offenbach an der Qu- eich an. Um diesen neuen Anschluss aufnehmen zu können, muss der Kreisverkehr vergrößert werden. Anschließend führt die Variante nach Süden und durchschneidet den Auwald im Bereich des Brühlgrabens auf ca. 70 m Länge. Auf Höhe eines Wirt- schaftsweges schwenkt die Trasse in einem großen Bogen nach Osten, bis sie nach ca. 2,5 km auf die in Bau befindliche Ortsumgehung Bellheim trifft. Die Gesamtlänge der Trasse beläuft sich auf ca. 5,2 km.

Die Variante 1 schließt über einen neu zu bauenden Kreisverkehr an der Einmün- dung zum Gewerbegebiet „Interpark-Süd“ in Offenbach an der Queich an. Im weite-

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ren Verlauf nach Süden durchquert die Trassenvariante im Bereich des Brühlgrabens eine Wiese außerhalb des Auwaldes, bevor die Trasse in einem Bogen nach Osten verschwenkt und auf die Trasse der Variante 0 trifft. Ab hier verläuft sie identisch mit der Variante 0. Die Trasse ist insgesamt ca. 4,4 km lang.

Variante 2 schließt über eine neue Linksabbiegerspur an die bestehende Einmün- dung in das Gewerbegebiet „Interpark-Süd“ in Offenbach an der Queich an. An- schließend verläuft sie in südöstliche Richtung, quert den Brühlgraben und schließt nach ca. 1 km ebenfalls an die Trasse der Variante 0 an. Die Gesamtlänge der Tras- se beträgt ca. 4,5 km.

Variante 3 beginnt ca. 400 m westlich der Ortslage von Ottersheim. Sie verläuft in einem Abstand von mindestens 200 m um Ottersheim herum und schließt südlich der Gemeinde - analog den Varianten 1 und 2 - an die Trasse der Variante 0 an. Die Trasse hat eine Gesamtlänge von ca. 4,2 km.

Die Variante „Raumplanerischer Entscheid 1993“ liegt zwischen den Varianten 2 und 3. Sie schließt „stumpf“ an die vorhandene L 509 zwischen dem Gewerbegebiet „Interpark-Süd“ in Offenbach an der Queich und Ottersheim an, wodurch der Bau eines Kreisverkehrs erforderlich wird. Der Auwald im Bereich des Brühlgrabens wird auf einer Länge von ca. 90 m durchschnitten, bevor die Trasse nach ca. 800 m nach Osten schwenk, um im Bereich der Ortsumgehung Bellheim an diese anzuschließen. Die Trasse ist insgesamt ca. 4,0 km lang.

Eine detaillierte Beschreibung des Vorhabens enthält der Erläuterungsbericht des Landesbetriebs Mobilität Speyer vom 27.03.2020, die Verkehrsuntersuchung - L 509 Ortsumgehung Ottersheim - Knittelsheim auf Basis des Landesverkehrsmodells Rheinland-Pfalz von März 2020 sowie die Faunistische Kartierung – L 509, OU Ot- tersheim - Knittelsheim von Januar 2020. Diese Unterlagen sind vom Landesbetrieb Mobilität Speyer, vom Ingenieurbüro VERTEC für Verkehrsplanung und –technik, Koblenz sowie vom Büro Ber.G (Beratung.Gutachten), Berg (Pfalz), erarbeitet wor- den.

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C. Verlauf des Verfahrens

Der Landesbetrieb Mobilität Speyer hat mit Schreiben vom 02.04.2020 die Einleitung einer vereinfachten raumordnerischen Prüfung nach § 16 ROG i.V.m. § 18 LPlG bei der Oberen Landesplanungsbehörde der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd beantragt.

Die Obere Landesplanungsbehörde hat mit Schreiben vom 06.04.2020 die verein- fachte raumordnerische Prüfung mit einer schriftlichen Anhörung eingeleitet, um das Vorhaben mit anderen Fach- und Einzelplanungen von überörtlicher Bedeutung ab- zustimmen und die Übereinstimmung mit den Zielen der Raumordnung und Landes- planung zu bestätigen bzw. herbeizuführen.

An dem Verfahren wurden 13 Behörden, Gemeinden, Verbände und sonstige Stellen beteiligt.

Zur Beteiligung der Öffentlichkeit war darüber hinaus in den Amtsblättern der Ver- bandsgemeinden Bellheim und Offenbach an der Queich darauf hingewiesen wor- den, dass die Unterlagen auch auf der Internetseite der SGD Süd eingesehen wer- den konnten. Die Abgabe einer Stellungnahme war bis zum 29.05.2020 möglich. Bis zum 29.05.2020 wurden insgesamt 29 Einwendungen Privater vorgebracht. Diese wurden, soweit es sich um überörtliche raumbedeutsame Belange handelte, in den Abwägungsprozess einbezogen.

Von der Durchführung einer öffentlichen Bürgerinformationsveranstaltung musste aufgrund der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) und der damit einhergehenden Pandemie abgesehen werden. Fragen zur Projektplanung und technischen Ausführung konnten telefonisch beim Landesbetrieb Mobilität Speyer, Projektmanagement Neubau in Dahn und der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd – Obere Landesplanungsbehörde, Neustadt an der Weinstraße gestellt werden.

Die im Rahmen der schriftlichen Anhörung von den Verfahrensbeteiligten vorgetra- genen Bedenken, Anregungen und Hinweise wurden dem Antragsteller zur Auswer- tung übermittelt.

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D. Zusammenfassung der Stellungnahmen

Die schriftlichen Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten dienten dem Zweck, das Vorhaben hinsichtlich seiner Übereinstimmung mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung zu überprüfen und mit anderen Fach- und Einzelplanungen abzu- stimmen. Die nachfolgend dargelegten Aussagen werden nur insoweit wiedergegeben, als grundsätzliche Bedenken und Anregungen gegen das Vorhaben geäußert wurden, welche für die raumordnerische Entscheidung von Bedeutung sind.1

Der Verband Region Rhein-Neckar, Mannheim, erklärt, dass bei der Festlegung der Trassierung auf eine möglichst geringe Zerschneidung der intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen zu achten sei, zumal den Flächen auch eine hohe ar- tenschutzfachliche Bedeutung zugewiesen werde. Daher sei die Wahl der Vorzugs- variante 2, mit der die geringsten Betroffenheiten für den Artenschutz einhergingen, zu begrüßen.

Darüber hinaus begrüße man, dass auf die zusätzliche Querspange östlich von Of- fenbach an der Queich aus diesen Gründen verzichtet werde, zumal diese Variante auch nicht Teil der in der Raumnutzungskarte des Einheitlichen Regionalplans Rhein-Neckar eingetragenen Trasse sei. Die Prüfung alternativer Anbindungen der L 509 bei Ottersheim sei sehr wichtig, um die Betroffenheiten im Bereich des Arten- schutzes im Rahmen der Querung des Brühlgrabens so gering wie möglich zu hal- ten.

Aus regionalplanerischer Sicht werde darauf hingewiesen, dass die Bevölkerungs- zahlen von Ottersheim und Knittelsheim stagnieren würden und in den Jahren zwi- schen 2005 und 2015 annähernd konstant seien. Aufgrund dieser Tatsache und des

1 Dies betrifft insbesondere die detaillierten Auflagen und Hinweise des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr sowie des Landesamtes für Geologie und Berg- bau und der Generaldirektion Kulturelles Erbe – Direktion Landesarchäologie. Die jeweiligen Stellung- nahmen, incl. Plänen, wurden der Antragstellerin zur Berücksichtigung im nachfolgenden Verfahren zugesandt.

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zu erwartenden demographischen Wandels in der Region seien aus Sicht des Ver- bands Region Rhein-Neckar keine nennenswerten Zuwächse der Bevölkerungs- und Verkehrszahlen in diesen Bereichen zu erwarten. Dennoch ließen aus verkehrlicher Sicht die zu erwartenden Entlastungen, die auf Basis des Landesverkehrsmodells Rheinland-Pfalz berechnet worden seien, die Notwendigkeit der Ortsumgehung für die Ortskerne erkennen. Im weiteren Verlauf des Vorhabens sei jedoch eine detail- lierte Verkehrsuntersuchung zwingend erforderlich.

Die Kreisverwaltung , Germersheim, erklärt, dass seitens der Bau- leitplanung keine Anregungen vorzubringen seien. Die Untere Naturschutzbehörde sehe durch die geplante Ortsumgehung allerdings naturschutzfachliche und -rechtliche Belange in hohem Maße berührt. Entsprechend den Darstellungen des Fachgutachtens sei das Planungsgebiet im Hinblick auf die Brutvogelfauna als überdurchschnittlich artenreich anzusehen. Etwa ein Drittel der nachgewiesenen Brutvogelarten seien in der Roten Liste der Brutvögel von Rhein- land-Pfalz gelistet und somit für die Bewertung des Vorhabens von besonderer Rele- vanz.

Die Kreisverwaltung führt weiter aus, dass alle vier Trassenvarianten südlich der L 509 durch die offene Feldflur führen würden. Dieser Bereich nehme für die Brutvo- gelarten des Offenlandes eine herausragende Stellung ein. Das Planungsvorhaben führe somit zu einer starken Beeinträchtigung der teilweise hochgradig gefährdeten Feldvogelfauna. Hiervon sei v.a. die Feldlerche betroffen, die dieses Gebiet in einer hohen Dichte besiedeln würde. Weiterhin seien Bluthänfling, Grauammer, Kiebitz, Rebhuhn und Wachtel betroffen.

Positiv zu werten sei, dass die östliche Variante (Umfahrung Offenbach an der Qu- eich, die das Industriegebiet „Interpark“ im Norden und Osten umfahre), die im Hin- blick auf betroffene Arten einen mehrfach höheren Wert als die anderen Trassenfüh- rungen aufweise, aus artenschutzfachlichen Erwägungen nicht weiterverfolgt werde.

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Aus naturschutzfachlicher Sicht sei die Variante 2 den anderen Trassenführungen vorzuziehen, da diese den Brühlgraben in einem gehölzarmen Fließabschnitt quere.

Im Einheitlichen Regionalplan Rhein-Neckar sei die Ortsumgehung Bellheim, Knit- telsheim und Ottersheim als neu zu bauende regionale Straßenverbindung (Katego- rie III) eingestuft. Der Abschnitt Ottersheim - Knittelsheim sei dabei als „Trasse mit unbestimmtem Verlauf“ südlich der Ortsgemeinden dargestellt.

Dies sei der erste planerische Schritt, um die beiden Ortsgemeinden von dem sehr hohen Durchgangsverkehr zu entlasten.

Im Ergebnis habe man keine Einwände gegen die als Vorzugsvariante 2 beschriebe- ne Trasse.

Die Verbandsgemeinde Bellheim, Bellheim, nimmt Namens der betroffenen Orts- gemeinden Bellheim, Knittelsheim und Ottersheim sowie seitens der Verwaltung wie folgt Stellung:

Laut der Ortsgemeinde Bellheim führe die Vorzugsvariante 2 aufgrund der Bogen- form der Trasse zu einer großflächigen Zerschneidung landwirtschaftlich genutzter Flächen und zur Entstehung von Restflächen mit ungünstigen Zuschnitten, die die Bewirtschaftung erschweren würden. Daher werde angeregt, die Anbindung an die im Bau befindliche Südumgehung Bellheim nach Süden zu verschieben und die An- bindung durch einen Kreisverkehr herzustellen.

Die Ortsgemeinden Knittelsheim und Ottersheim befürworteten die Vorzugsvariante 2. Allerdings sei nach Inbetriebnahme der Südumgehung Bellheim eine Verkehrszäh- lung durchzuführen und die Frage der Erforderlichkeit zu prüfen. Darüber hinaus bitte die Ortsgemeinde Ottersheim um Prüfung, ob der Anschluss der geplanten Ortsum- fahrung an die L 509 über einen Kreisverkehr nicht sinnvoller sei als über zwei kurz hintereinanderliegende Zu- und Abfahrten.

Die Verbandsgemeindeverwaltung führt weiter aus, dass die bisherige Trassenfüh- rung nur vertretbar sei, wenn das Ziel der schnellen Verbindung zwischen Anfangs-

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und Endpunkten der Ortsumgehung konsequent umgesetzt werde. Dies erfordere Brückenbauwerke bei Knittelsheim und Ottersheim für die Wirtschaftswege. Sollten die Brückenbauwerke jedoch nicht realisiert werden, so verschiebe sich das Ziel ei- ner im Rahmen der zulässigen Möglichkeiten maximalen Verkehrsgeschwindigkeit hin zu den Zielen der optimalen Vernetzung der Verkehrswege, der minimalen Beein- trächtigung der Landwirtschaft sowie zugleich minimalen Herstellungs- und Bauun- terhaltungskosten. Diese Änderung der Zielsetzung erfordere deshalb die Ausfüh- rung des Knotenpunkts auf Bellheimer Gemarkung als Kreisverkehrsanlage. Zur Kostenminimierung solle die Kreisverkehrsanlage westlich „neben“ die derzeit in Bau befindliche Trasse der Südumgehung Bellheim platziert werden.

Des Weiteren kreuze die Trasse zwei Wander- und Radwege sowie eine Kraftstoff- fernleitung. Seitens der Verbandsgemeindeverwaltung werde die Beibehaltung die- ser Routen durch ein Brückenbauwerk oder eine Kreisverkehrsanlage gefordert.

Ferner werde mitgeteilt, dass die Aussiedlerhöfe Gärtnerhof, Rosenhof und Eichen- hof in Ottersheim einen Anschluss des bestehenden landwirtschaftlichen Weges an die geplante Trasse beantragen würden.

Die Kreisverwaltung Südliche Weinstraße, in der Pfalz, erklärt, dass die Planung der Umgehungsstraße mit Anschluss an die in Bau befindliche Südumge- hung der Ortsgemeinde Bellheim folgerichtig und sinnvoll sei. Der Landkreis und die Gemeinde Offenbach an der Queich seien lediglich von den Varianten 0, 1 und 2 betroffen. Da die Varianten 0 und 1 als schlechteste und zweitschlechteste bewertet würden, sei davon auszugehen, dass diese nicht zur Ausführung kämen.

Die Ortsumfahrung sei im Einheitlichen Regionalplan Rhein-Neckar bereits als „Tras- se mit unbestimmtem Verlauf ausgewiesen worden.

Nach den Darstellungen des Flächennutzungsplanes der Verbandsgemeinde Offen- bach an der Queich würden alle Varianten landwirtschaftliche Flächen, Grabungs- schutzgebiete und geplante Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur

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Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft durchqueren. Die Variante 0 führe zusätzlich durch eine Waldfläche.

Man folge der in den Planungsunterlagen dargelegten Argumentation, dass die Vari- ante 2 aus ökologischen und die Variante 3 aus Kostengründen zu bevorzugen sei.

Die Verbandsgemeinde Offenbach an der Queich, Offenbach an der Queich, er- klärt, dass der Streckenverlauf durch wertvolles Ackerland führe. Zudem werde in Naturschutz- und Gewässerflächen des Brühlgrabens eingegriffen. Sowohl die Was- serführung des Brühlgrabens als auch der Erhalt des oberflächennahen Grundwas- sers müsse weiterhin gewährleistet werden.

Die Streckenführung sei so zu wählen, dass bestehende Wirtschaftswege und land- wirtschaftliche Ansiedlungen so wenig wie möglich in ihrer Funktion beeinträchtigt würden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass es in diesem Bereich zu keiner Beeinträchtigung der ansässigen Freizeitanlage des Flugmodellclubs (Fl.-Nr. 7440) komme.

Von daher werde die Variante 3 bevorzugt, mit der Maßgabe, dass die Belange der Landwirtschaft, des Gewässers und der Vereinsanlage mit Betrieb des Flugmodell- clubs berücksichtigen würden. Ferner wäre es für die Offenbach an der Queich wich- tig zu erfahren, welche perspektivische Weiterführung der L 509 in Richtung Westen vorgesehen sei.

Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bun- deswehr, Bonn und die Fernleitungsbetriebsgesellschaft mbH, Idar-Oberstein, teilen mit, dass von der Maßnahme eine Produktenfernleitung betroffen sei, die von allen Varianten gekreuzt werde.

Gegen das Vorhaben bestünden keine grundsätzlichen Bedenken, sofern die ange- führten Hinweise und Auflagen zur Gewährleistung der Sicherheit der Produktenfern- leitung beachtet und eingehalten würden.

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Die Zentralstelle der Forstverwaltung, Neustadt/W., erklärt, dass die Variante 0 als einzige Variante im westlichen Teilstück durch Wald- und Gehölzflächen führe. Die- ses bachbegleitende Wäldchen erfülle, wenn auch nur in bescheidenem Umfang, Waldfunktionen wie lokalen Klima- und Immissionsschutz. Zudem würden sie dem Lärmschutz dienen und hätten eine Funktion als Vogelschutzgehölz und Fleder- maushabitat. Aus diesen Gründen werde die Variante 0 abgelehnt.

Aus rein forstlicher Sicht würden die übrigen Varianten keine Beeinträchtigung für Wald und Forstwirtschaft darstellen. Von daher schließe man sich der Wahl der Vari- ante 2 als Vorzugsvariante an.

Das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinland-Pfalz, Neustadt/W., führt aus, dass der östliche Bereich des Planungsgebiets (zwischen Südumgehung Bellheim und Gemarkungsgrenze Bellheim/Knittelsheim) im Gebiet der laufenden Unternehmensflurbereinigung Bellheim Südumgehung L 509 liege. Die Fortführung der Ortsumgehung Bellheim nach Westen sei zum Zeitpunkt der Einleitung des Flur- bereinigungsverfahrens nicht thematisiert worden. Eine Berücksichtigung einer An- schlussplanung in Richtung Westen sei daher im Rahmen der laufenden Unterneh- mensflurbereinigung bisher nicht vorgesehen.

Bereits durch den Bau der Ortsumgehung Bellheim würden in großem Umfang land- wirtschafte Flächen der Gemarkung Bellheim verloren gehen. Der Anschluss in Rich- tung Westen mit der Trassenvariante 2 würde einen weiteren, überproportional ho- hen Verlust landwirtschaftlicher Flächen bedeuten. Mit dieser Trassenführung wür- den die landwirtschaftlichen Flächen auch derart zerschnitten (u.a. Schräganschnitte, Spitzen), dass sie trotz Arrondierung und Neuordnung landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar seien. Dies bedeute, dass für die aktiven Landwirte zwei Gewanne an wert- vollen Bewirtschaftungsflächen verloren gingen. Ein solcher Flächenverlust ließe sich nur durch eine geradlinige Weiterführung auf ein geringes Maß reduzieren.

Um möglichst große Schlaglängen zu erhalten, solle die geradlinige Weiterführung dabei in Richtung Süden auf den vorhanden, befestigten Weg verlegt werden. Durch

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den Wegfall des vorhandenen Feldwegs ließe sich, ggf. durch eine Regelung im lau- fenden Flurbereinigungsverfahren, eine Vergrößerung der Schlaglängen erzielen.

Der Anschluss der geplanten Ortsumgehung an die Südumgehung Bellheim sollte zur Reduzierung des Landverlusts und der Schräganschnitte nicht durch eine Links- abbiegespur, sondern durch einen Kreisel erfolgen.

Für die laufende Unternehmensflurbereinigung Bellheim Südumgehung L509 sei die Zuteilung der neuen Flächen (vorläufige Besitzeinweisung) für das Jahr 2023 vorge- sehen. Daher sei eine frühzeitige Abstimmung hinsichtlich der weiteren Vorgehens- weise und einer möglichen Berücksichtigung der Planung im laufenden Flurbereini- gungsverfahren mit dem LBM, der Landwirtschaft und der Flurbereinigungsbehörde erforderlich.

Von Seiten des Landesamtes für Geologie und Bergbau, Mainz, werden folgende Anregungen und Hinweise gegeben:

Bergbau / Altbergbau:

Die Prüfung der hier vorhandenen Unterlagen ergab, dass im Bereich der Vorzugs- variante 2 kein Altbergbau dokumentiert sei und aktuell kein Bergbau unter Bergauf- sicht erfolge.

Das in Rede stehende Gebiet befinde sich innerhalb der Aufsuchungserlaubnisse "Offenbach/Pfalz" (Kohlenwasserstoffe), "Storchenaue" sowie "" (beide Erdwärme).

Da das LGB über keine Informationen zu den genaueren Planungen und Vorhaben verfüge, sei es zu empfehlen, die zuständigen Inhaberinnen der jeweiligen Berechti- gungen zu kontaktieren.

Boden:

Sofern die Vorgaben der Landesverordnung über die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft vom 12. Juni 2018 eingehalten würden, seien aus bodenkund-

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licher Sicht zu den im Planungsvorhaben genannten Informationen keine ergänzen- den Aussagen zu machen.

Ingenieurgeologie:

Gegen die geplante neue Ortsumgehung bestünden aus ingenieurgeologischer Sicht keine Einwände. Es werde darauf hingewiesen, dass bei Eingriffen in den Baugrund grundsätzlich die einschlägigen Regelwerke (u.a. DIN 4020, DIN EN 1997-1 und -2, DIN 1054) zu berücksichtigen seien. Für Neubauvorhaben würden objektbezogene Baugrunduntersuchungen empfohlen.

Rohstoffgeologie:

Es bestehen aus Sicht der Rohstoffsicherung keine Einwände gegen das geplante Vorhaben, sofern es durch eventuell erforderliche landespflegerische Kompensati- onsmaßnahmen außerhalb der Trasse zu keinen Überschneidungen mit ausgewie- senen Rohstoffsicherungsflächen komme.

Die Generaldirektion Kulturelle Erbe, Direktion Landesarchäologie, Speyer, er- klärt, dass in der Fundstellenkartierung im Geltungsbereich der Maßnahme insge- samt fünf Fundstellen verzeichnet seien. Hierbei handele es sich um Gräber und Siedlungsfunde aus der Römischen Kaiserzeit sowie um Einzelfunde aus der Vorge- schichte bis in die Neuzeit.

Die archäologischen Bereiche würden zunächst ein Planungshemmnis darstellen. Eventuell seien vor dem Baubeginn der Straße auch weitere Untersuchungen (Son- dagen) oder die Ausgrabung einzelner Abschnitte durchzuführen.

Genauere Aussagen seien aber erst möglich, wenn die Feinplanung mit dem genau- en Trassenverlauf vorliege. Von daher sei im Rahmen des nachfolgenden Planfest- stellungsverfahrens die weitere Vorgehensweise mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Landesarchäologie abzustimmen.

Eine Zustimmung der Direktion Landesarchäologie sei darüber hinaus an die Über- nahme mehrerer Punkte gebunden.

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Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass sich im Planungsgebiet bisher nicht bekannte Kleindenkmäler (wie Grenzsteine) befinden könnten. Diese seien selbst- verständlich zu berücksichtigen bzw. dürften von Planierungen o.ä. nicht berührt oder von ihrem angestammten, historischen Standort entfernt werden.

Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Neustadt/W., teilt mit, dass aus den nachfolgenden Gründen grundsätzliche Bedenken gegen die geplante Ortsumfah- rung Ottersheim - Knittelsheim bestünden:

Alle dargestellten Varianten würden durch landwirtschaftlich äußerst wertvolle Gunststandorte sowohl in Bezug auf die Agrarstruktur als auch in Bezug auf die na- türliche Ausstattung der Flächen und die vorhandenen Infrastruktureinrichtungen ver- laufen. Die betroffenen Flächen würden bis auf die Brühlgrabenniederung zwischen 80 und 100 Bodenpunkte und entsprechend der Kartierung des Landesamtes für Geologie und Bergbau durchweg ein sehr hohes Ertragspotenzial aufweisen. Dar- über hinaus seien die betroffenen Flächen mit Beregnungsbrunnen, einschließlich der zugehörigen Infrastruktur wie z.B. kilometerlange Erdleitungen mit Hydranten und elektrifizierten Brunnenanlagen, ausgestattet und würden somit neben dem Anbau von Ackerkulturen auch zum Sonderkulturanbau genutzt werden. Insbesondere der Sonderkulturanbau zeichne sich durch ein arbeitsintensives Bewirtschaften der Flä- chen i.V.m. mit einem extrem hohen Aufwand an Fahrbewegungen zu den Bewirt- schaftungsflächen aus. Ein großer Teil der Nutzflächen diene dem Anbau von Ge- müse, z.T. nach den Bioland-Richtlinien.

Die Bedeutung der Flächen finde ihren Niederschlag auch im Einheitlichen Regional- plan Rhein-Neckar, in dem diese Flächen als landwirtschaftliche Vorrangstandorte gekennzeichnet seien. Für die Vorrangflächen sei als regionalplanerisches Ziel defi- niert „In den Vorranggebieten für die Landwirtschaft ist eine außerlandwirtschaftliche Nutzung nicht zulässig“. Ziele der Regionalplanung seien It. Regionalplan „verbindli- che Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten und bestimmbaren, abschließend abgewogenen Festlegungen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung

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des Raumes.“ Vorranggebiete würden der langfristigen Sicherung der verschiedenen Funktionen der Landwirtschaft (Ernährungs-, Einkommens-, Arbeitsplatz-, Erholungs- und Schutzfunktion) dienen.

Darüber hinaus würden sich weitere landwirtschaftliche Betroffenheiten ergeben, die zu berücksichtigen seien.

• Der geplante Straßenbau bedeute einen Eingriff in Natur und Landschaft. Die da- für erforderlichen naturschutzfachlichen Kompensationsmaßnahmen würden zu- sätzliche Landwirtschaftsflächen mit Vorrangfunktion in Anspruch nehmen. Von daher seien sie raumordnerisch relevant und im Rahmen der vereinfachten raumordnerischen Prüfung zu berücksichtigen. • Das Ergebnis der faunistischen Untersuchung schließe aus artenschutzrechtli- chen Gründen eine Ost-Variante, die das Industriegebiet „Interpark“ östlich um- fahre, aus. Die Diskussion um eine mögliche Weiterführung der geplanten Umge- hungstraße nach Westen, südlich der Ortslage von Offenbach an der Queich, würde neue landwirtschaftliche Betroffenheiten auslösen. • Des Weiteren sei bekannt, dass in den Gemeinden Herxheim, Herxheimweyher und auch Rülzheim Überlegungen und Gespräche bzgl. Ortsumgehungen (Ver- bindungsspange von der B 9 zur A 65 als Weiterführung der geplanten Südum- gehung von Bellheim) laufen würden. In diesem Zusammenhang fehle ein über- greifendes Straßenkonzept und es sei zu befürchten, dass zukünftig ortsgemein- despezifische Verfahren ohne Berücksichtigung eines ganzheitlichen Ansatzes angestrebt würden. • Die dem Projekt zugrunde liegende Verkehrsuntersuchung aus dem Jahr 2019 sei aufgrund der im Bau befindlichen Ortsumgehung Bellheim und der damit ver- bundenen Vollsperrung auf Basis des Landesverkehrsmodells Rheinland-Pfalz erstellt worden. Dies könne eine detaillierte Verkehrsuntersuchung nicht ersetzen und die Ergebnisse seien daher nur eingeschränkt nutzbar. Demnach sei nach der Fertigstellung der Ortsumgehung Bellheim eine Aktualisierung der Verkehrs-

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untersuchung als Basis für die weiterführende Planung des vorliegenden Projek- tes erforderlich.

Zu den einzelnen Trassenvarianten äußere man sich folgendermaßen:

Im Osten zweige die geplante Trasse von der im Bau befindlichen Ortsumgehung Bellheim ab. Für die Umsetzung und Bereitstellung von Flächen für den Straßenbau und zur Minimierung der agrarstrukturellen Nachteile werde derzeit in Bellheim ein Bodenordnungsverfahren durchgeführt. Daher werde der Verlauf der Vorzugsvarian- te 2, die im Flurbereinigungsgebiet Flächen auf der Gemarkung Bellheim sowie die benachbarte Gewanne in Knittelsheim diagonal durchschneide, abgelehnt. Durch die Zerschneidung und die dadurch entstehenden unwirtschaftlichen Strukturen und Restflächen sei keine sinnvolle Neuzuteilungsmöglichkeit im Flurbereinigungsverfah- ren zu sehen. Zudem würde die existierende Nord-Süd-Hauptwirtschaftswege- verbindung für die Landwirtschaft unterbrochen werden, mit der Konsequenz, dass in Bellheim eine neue Wegequerung über die neue Trasse erforderlich wäre. Daher werde für die Anbindung an die Umgehung Bellheim ein Kreisel (eine Gewanne wei- ter südlich der projizierten Variante 2) vorgeschlagen, von dem aus die neue Trasse nach Westen geführt und an den gleichzeitig Wirtschaftswege angebunden werden könnten.

Im Verlauf nach Westen solle die Trasse an die bestehenden Wirtschaftswege ange- passt werden, um südlich von Ottersheim in einem Bogen an die Variante 3 (eine Gewanne nördlich des Aussiedlerhofes) anzuschließen. Damit wären aus landwirt- schaftlicher Sicht geringere Eingriffe in die Agrarstruktur verbunden als bei Variante 2 bzw. der Raumordnungsvariante. Durch die Verschiebung der Trasse um eine Ge- wanne nach Süden, auf den dort verlaufenden Wirtschaftsweg, sei auch eine Scho- nung der „ortsnäheren Gewanne“, inklusive ihrer flächendeckenden Beregnungsein- richtungen, möglich. Außerdem sei die Einhaltung eines größeren Abstandes zur Aussiedlung Gensheimer auf der Gemarkung Knittelsheim möglich.

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Variante 3 stelle somit im Westen die für die Landwirtschaft „verträglichere“ Variante dar, da sie den geringsten Flächenverbrauch habe und die geringsten Eingriffe in die Agrarstruktur verursache.

Die Gewährleistung der Erschließung der Nutzflächen für den landwirtschaftlichen Verkehr und der Betriebsstandorte sei von besonderer Bedeutung, da die Flächen des arbeitsintensiven Sonderkulturanbaus in der Vegetationsperiode mehrmals täg- lich angefahren werden müssten. Von daher seien drei Querungen über die geplante Trasse erforderlich:

1. Querung des Alsheimer Weges in Ost-West-Richtung in der Gemarkung Ot- tersheim 2. Querung in Nord-Süd-Richtung in der Gemarkung Ottersheim 3. Querung in Nord-Süd-Richtung in der Gemarkung Knittelsheim

Die geplante Ortsumgehung löse erhebliche einzelbetriebliche Betroffenheiten aus, mit massiven Konsequenzen für die Betriebe wie Flächenverlust, Zerstörung von Bewirtschaftungseinheiten und Infrastruktur.

Nach Einschätzung der Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bo- denschutz der SGD Süd, Neustadt/W., bestünden keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine der dargelegten Varianten.

Bei allen Varianten sei eine Querung des Gewässers Brühlgraben und somit der an- grenzenden Aue erforderlich. Von daher sei im Rahmen der nachfolgenden Geneh- migungsplanung eine frühzeitige wasserwirtschaftliche Abstimmung sowie eine Ab- stimmung zum Umgang mit anfallendem Niederschlagswasser erforderlich.

Die Obere Naturschutzbehörde der SGD Süd, Neustadt/W., erklärt, dass entspre- chend der Empfehlung der faunistischen Kartierung („Erfassung von Haselmaus, Fledermäusen, Brutvögeln, Reptilien, Amphibien, Libellen und Tagfaltern“ von Januar 2020) beim Vergleich der einzelnen Trassenvarianten die beiden neu entwickelten

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alternativen Anbindungsvarianten (Varianten 2 und 3) hinsichtlich der jeweils negativ betroffenen Arten sowie deren Schutzstatus und Gefährdungsgrad am besten ab- schneiden würden. Dies sei aus Sicht der Oberen Naturschutzbehörde nachvollzieh- bar.

Sowohl die im Raumordnerischen Entscheid von 1993 bevorzugte Variante Ost, als auch die Varianten West (Variante 0) und Mitte (Variante 1) seien im Hinblick auf die Betroffenheit bestandsgefährdeter Brutvogelarten schlechter zu werten, die Variante West zudem auch im Hinblick auf den größeren Flächenverbrauch.

Die beiden alternativen Anbindungsvarianten seien mit dem Ziel entwickelt worden, eine Trasse zu finden, die möglichst geringe artenschutzfachliche Betroffenheiten auslöse, insbesondere im Umfeld des Brühlgrabens im Bereich der Anbindung an die L 509 westlich von Ottersheim.

Im Vergleich dieser beiden Varianten werde in der naturschutzfachlichen Unterlage der alternativen Anbindung West der Vorzug gegeben. Dies jedoch allein mit der Be- gründung, dass bei der alternativen Anbindung Ost Unsicherheiten aufgrund der La- ge am Rand des Untersuchungsgebietes bestünden und daher zusätzliche arten- schutzfachliche Betroffenheiten nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen seien.

Für die alternative Anbindung Ost würden seitens der Oberen Naturschutzbehörde der geringere Flächenverbrauch (14,0 ha statt 14,6 ha) und die geringere Zerschnei- dungswirkung aufgrund der ortsnäheren Trassierung sprechen. Im Hinblick auf die Nähe zur Ortschaft sei es zudem zumindest nicht unwahrscheinlich, dass hier keine zusätzlichen gewichtigen artenschutzfachlichen Betroffenheiten bestünden. In der Folge sei diese Trassenvariante aus naturschutzfachlicher Sicht als Vorzugsvariante einzustufen.

Allerdings sei eine abschließende Wertung aufgrund der oben benannten Unsicher- heiten derzeit nicht möglich. Um einen Vergleich der beiden Varianten vornehmen und eine eindeutige Entscheidung treffen zu können, sei daher zunächst eine Ver- vollständigung der Datengrundlage erforderlich.

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Zum Trassenverlauf südlich der Ortslagen Ottersheim und Knittelsheim, der bei allen untersuchten Varianten nahezu identisch sei, merkt die Obere Naturschutzbehörde an, dass hier mit Blick auf die Zerschneidung der Feldflur und der zahlreichen vor- kommenden stark gefährdeten Arten der Feldvogelfauna aus naturschutzfachlicher Sicht eine ortsnähere Trassierung vorzunehmen sei. Hinsichtlich der großen Betrof- fenheit dieser Arten sei der Fokus bei der Wahl einer geeigneten Variante nicht nur auf die Anbindung der Umgehungsstraße an die L 509 im Westen, sondern auch auf den Trassenverlauf südlich der Ortslagen zu lenken.

Auch in den Antragsunterlagen würden die Gefährdung der Arten und die Betroffen- heit durch die geplante Ortsumgehung hervorgehoben.

Im Hinblick auf das Vermeidungs- und Minimierungsgebot des Bundesnaturschutz- gesetzes und die Verbote des § 44 BNatSchG (Artenschutz) sei daher die Möglich- keit einer ortsnähere Trassierung zu prüfen.

Darüber hinaus seien die in der naturschutzfachlichen Unterlage enthaltenen Pla- nungsempfehlungen bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen.

Gemäß § 28 Abs. 5 LNatSchG sei der Beirat für Naturschutz bei der SGD Süd über das Vorhaben unterrichtet worden.

Der Fachbeirat Naturschutz schließe sich der Stellungnahme der Oberen Natur- schutzbehörde an.

Im Übrigen gibt der NABU - Regionalstelle Süd, Landau in der Pfalz, zu Bedenken, dass grundsätzlich bei der Planung und der Ausführung der Ortsumgehung eine Va- riante zu suchen sei, die die wenigsten ökologischen Beeinträchtigungen verursache. Entsprechend dem faunistischen Gutachten treffe dies am ehesten auf die alternati- ven Anbindungen West (Variante 2) und Ost (Variante 3) zu, wobei die Variante 2 als Vorzugsvariante genannt werde. Um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, gebe es aber noch weitergehenden Informationsbedarf, u.a. zum Thema Fledermäu- se im Bereich des Brühlgrabens (u.a. lokale Populationen, Hauptflugrouten und

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Quartiersstandorte). So sei im Rahmen entsprechender Folgeuntersuchungen u.a. das Kollisionsrisiko von Fledermäusen mit dem Straßenverkehr aufzuzeigen und entsprechende Minimierungsmaßnahmen auszuarbeiten. Des Weiteren weise man darauf hin, dass sich die alternative Variante 3 am Rande des Untersuchungsgebiets befinde und von daher weiter östlich gelegene, bisher nicht untersuchte Betroffenhei- ten auslösen könnten.

Der finale Trassenverlauf könne daher erst nach Vorlage und Berücksichtigung die- ser Folgeuntersuchung(en) festgelegt werden.

Die Querung des Brühlgrabens beeinträchtige auch laut NABU vor allem Fledermäu- se, die diese linienförmige Struktur mit ihren Höhlenbäumen als Quartierstandort, Nahrungshabitat und Flugroute verwenden. Aber auch verschiedene Vogelarten, wie Star, Grünspecht, Gartenrotschwanz, Kuckuck, Goldammer und Singdrossel seien mit Brutrevieren nachweisbar. Hier sei bei der Variantenfindung darauf zu achten, dass möglichst wenige Brutreviere und Fledermausquartiere betroffen wären. Dabei seien nicht nur der direkte Lebensraumverlust, sondern auch die Störung und Scheuchwirkung durch die Trasse sowie die Kollisionsgefahr mit dem Verkehr zu berücksichtigen. Um die Beeinträchtigungen für die betroffenen Arten zu minimieren, seien die Eingriffe angemessen auszugleichen und alle Planungsempfehlungen des Gutachtens (u.a. Dimensionierung des Brückenbauwerks) unbedingt umzusetzen.

Der größte Teil der Trasse werde südlich der Ortschaften Ottersheim und Knittels- heim durch intensiv bewirtschaftetes Ackerland verlaufen. Dies bedeute den Verlust von Anbaufläche für die Landwirtschaft, aber auch den Verlust an Lebensraum für typische Arten der Agrarlandschaft, wie z.B. Feldlerche, Grauammer, Kiebitz, Reb- huhn und Wachtel. Diese Arten seien ohnehin schon von starken Bestandseinbrü- chen betroffen, so dass weitere Verluste innerhalb der Populationen durch geeignete Ausgleichsmaßnahmen dringend verhindert werden müssten.

Alle Ausgleichsmaßnahmen sollten zeitnah erfolgen, klar terminiert sein und regel- mäßig überprüft werden.

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Die Ausgleichsmaßnahmen sollten südlich der L 509 umgesetzt werden. Dabei sei ein sicherer Abstand zu bestehenden Verkehrswegen, aber auch zur zukünftigen Trasse der Südumgehung und zu den Windkraftanlagen im Gebiet einzuhalten. Da- gegen würden Ausgleichsmaßnahmen entlang von Wegen abgelehnt werden, da diese für die im Offenland lebenden Arten nicht zielführend seien. Eine solche Fläche würde durch permanente Störungen und dem Kollisionsrisiko extrem an ökologi- schem Wert verlieren.

Aus Sicht des NABU seien bestimmte Ausgleichsmaßnahmen erforderlich, wie z.B. die Schaffung von Heckenstrukturen, die Herstellung von Feldgehölzen und Baum- reihen für Fledermäuse und verschiedene Vogelarten sowie von Brachen / Blüh- und Grasstreifen für Feldvogelarten, die Anlage von Kiebitzinseln sowie die Extensivie- rung bestehender Ackerflächen. Eine Extensivierung, bei der die Belange von Land- wirtschaft und Naturschutz berücksichtigt würden, sei ebenfalls durch bestimmte Maßnahmen möglich (z.B. Einsaat mehrjähriger Blühmischungen für die Biogaser- zeugung, Einsaat von Sommergetreide zusammen mit Feldblumenmischungen und große Saatreihenabstände).

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Rheinland-Pfalz e.V., Kreisgruppe Südpfalz, Landau in der Pfalz, äußert sich wie folgt:

Der Bau einer Umgehungsstraße werde vor allem die an den südlichen Ortsrändern gelegenen Wohngebiete mit Abgasemissionen und Verkehrslärm belasten. Von da- her werde die Aussagekraft der 2019 durchgeführten Verkehrsuntersuchung ange- zweifelt und es werde eine Verkehrserhebung mit fundierter Datengrundlage gefor- dert.

Besonders gefährdete bzw. besonders gefährdete Arten wie Rebhuhn, Haubenlerche und Kiebitz sowie u.a. Wildbienen und Schmetterlinge seien von der Planung betrof- fen. Bei der faunistischen Kartierung seien alle diese Arten im Plangebiet nachge- wiesen worden. Aus Sicht des BUND sei nicht die Landwirtschaft der Hauptverursa-

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cher des Artensterbens bei Insekten und Vögeln des Offenlandes, sondern der un- gebremste Flächenverbrauch für Straßen, Gewerbe- und Wohnflächen. Ein weiterer negativer Effekt der fortschreitenden Flächenversiegelung sei auch der Verlust der Attraktivität für die Naherholung und den regionalen Tourismus in Ottersheim und Knittelsheim.

Die geplante Trasse führe mit ihren begleitenden Brückenbauten südlich der beiden Ortschaften durch flache Landschaft, die sich durch sehr gute bis gute Böden mit geringer Erosionsgefährdung und sehr guten Bearbeitungseigenschaften auszeich- ne. Zudem handele es sich hierbei um eines der letzten Südpfälzer Anbaugebiete, welches nicht von Straßen durchkreuzt werde. Ferner bestünde das Areal aus relativ kleinen Parzellen mit vielfältigen Anbaukulturen, die in Zusammenarbeit mit den Landwirt*innen als Lebensraum und Trittsteine im Biotopverbund für viele geschützte Arten erhalten und aufgewertet werden könnten.

Grundsätzlich werde die Untersuchung alternativer und zeitgemäßer Lösungen bzw. Trassenvarianten gefordert, die die Belange des Umwelt-, Klima- und Naturschutzes und der Landwirtschaft berücksichtigen würden.

Der Großteil der Bedenken und Anregungen der privaten Einwender richtet sich ebenfalls gegen die Inanspruchnahme und Zerschneidung wertvoller landwirtschaftli- cher Nutzflächen und den damit einhergehenden Folgen für die örtliche Landwirt- schaft, u.a. dauerhafter Verlust hochwertiger Nutzflächen, Zerschneidung des beste- henden Wirtschaftswegenetzes i.V.m. mit langen Umwegen, Beeinträchtigung beste- hender Bewässerungssysteme sowie Existenzgefährdung bestehender landwirt- schaftlicher Betriebe.

Auch werden gegen die geplante Trassenführung südlich von Ottersheim und Knit- telsheim wegen befürchteter Lärm- und Abgasimmissionen Bedenken geltend ge- macht. Ein Teil der Einwender fordert zudem die Verlagerung der geplanten Trasse nach Süden auf einen bestehenden Wirtschaftsweg, die Anbindung der geplanten Ortsumgehung an die Südumgehung Bellheim über einen Kreisverkehr (inklusive

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Anschluss der Wirtschaftswege) sowie die Aktualisierung der Verkehrsuntersuchung (Verkehrszahlen).

Allerdings wird die geplante Ortsumgehung auch von einigen Privaten ausdrücklich begrüßt und eine Fortführung nach Westen, südlich von Offenbach an der Queich, gefordert.

Weitere Einwendungen richten sich gegen die Beeinträchtigung der örtlichen Flora und Fauna und fordern entsprechende naturschutzfachliche Folgeuntersuchungen.

Schließlich werden noch Bedenken gegen die Variante 0 vorgebracht, da diese den örtlichen Flugmodellplatz beeinträchtigen würde.

E. Raumordnerische Bewertung und Abwägung

Die raumordnerische Bewertung des Vorhabens erfolgt unter Beachtung der im LEP IV und im Einheitlichen Regionalplan (ERP) Rhein-Neckar enthaltenen Ziele der Raumordnung und Landesplanung sowie der sich aus § 2 Abs. 2 ROG i.V.m. § 1 Abs. 4 LPlG, dem LEP IV und dem ERP Rhein-Neckar ergebenden Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung. Bei der Bewertung werden ferner die während der schriftlichen Anhörung vorgebrachten Bedenken und Anregungen be- rücksichtigt.

1. Landesplanerische Beurteilung

Im Landesverkehrsprogramm Rheinland-Pfalz 2000 wird darauf hingewiesen, dass die Entlastung der rheinland-pfälzischen Städte und Gemeinden vom starken Durch- gangsverkehr, u.a. durch den Bau von Ortsumgehungen, ein wesentliches Ziel der Landesregierung sei.

Der Bau einer Ortsumgehung von Ottersheim und Knittelsheim (L 509) wird entspre- chend der Bewertung von Landesstraßenneubauprojekten in Rheinland-Pfalz 2018 seitens des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau als Maßnahme von besonderer Dringlichkeit zur Minderung der Belastung in den Orts-

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durchfahrten genannt. Mit dem Bau der Ortsumgehung von Ottersheim und Knittels- heim würden sich aus städtebaulicher Sicht große Vorteile für die Ortszentren erge- ben (u.a. geringere Umweltbelastungen, Verkehrsberuhigung, Aufwertung Ortsbild). Hinsichtlich der raumordnerischen Bewertung der Ortsumgehung würde diese zur regionalen Netzbildung beitragen und gleichzeitig als Verbindungsspange zwischen den Grundzentren Bellheim und Offenbach a. d. Queich, den Mittelzentren Germers- heim und Landau in der Pfalz sowie der B 9 und der BAB 65 dienen.2

Gemäß LEP IV tragen umweltgerechte Ortsumgehungen dazu bei, Gesundheit und Leben der Bewohner*Innen zu schützen, Energie einzusparen und den Wohnwert der Gemeinden zu erhöhen. Sie entlasten die Ortsdurchfahrten und ermöglichen eine ortsgerechte Gestaltung und Nutzung der Ortszentren, schützen erhaltenswerte Siedlungsstrukturen, vermindern die innerörtliche Lärm- und Abgasbelästigung und erhöhen die Verkehrssicherheit (Begründung zu Z 148 bis Z 150).

Auch der Einheitliche Regionalplan (ERP) Rhein-Neckar verfolgt grundsätzlich die Zielsetzung, dass in der Region ein leistungsfähiges Straßennetz vorzuhalten ist. Darüber hinaus sind Verbindungen zwischen den Räumen und Zentren zu verbes- sern und flächendeckend gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen (Plansatz 3.1.2.1, G).

Die geplante Ortsumgehung der L 509 bei Ottersheim und Knittelsheim ist im ERP als regionale Straßenverbindung (Kategorie III) ausgewiesen. Dabei wird unter Punkt 3.1.2.4 des ERP Rhein-Neckar aufgeführt, dass u.a. die L 509, Ortsumgehungen Bellheim, Knittelsheim, Ottersheim als Straße für den regionalen Verkehr funktions- gerecht aus- bzw. neugebaut werden soll. Entsprechend ist die geplante Ortsumge- hung in der Raumnutzungskarte des ERP Rhein-Neckar bereits als „Trasse mit un- bestimmten Verlauf“ dargestellt.

2 vgl. Homepage des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, aufgerufen unter https://mwvlw.rlp.de/de/themen/verkehr/aktuelles/landesstrassenneubauprojekte/, Stand: 18.06. 2020.

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Mit dem Bau der geplanten Ortsumgehung wird die Verbindung zwischen den Grundzentren (Bellheim - Offenbach a.d. Queich) und den Mittelzentren (Germers- heim – Landau in der Pfalz) verbessert. Ferner werden die Gemeinden Ottersheim und Knittelsheim vom täglichen Pendlerverkehr zwischen Landau in der Pfalz bzw. Offenbach an der Queich und Bellheim entlastet und damit das Wohnumfeld und die Verkehrssicherheit insbesondere entlang der Hauptstraßen verbessert. Damit ent- spricht das Vorhaben generell den oben genannten Vorgaben.

Aus der Sicht von Raumordnung und Landesplanung bestehen daher keine grund- sätzlichen Bedenken gegen das Vorhaben.

2. Landwirtschaftliche Belange

Gemäß dem ERP Rhein-Neckar liegt die geplante Ortsumgehung innerhalb eines Vorranggebiets für die Landwirtschaft. Diese Vorranggebiete dienen der langfristigen Sicherung und Entwicklung der landwirtschaftlichen Flächen und deren wirtschaftli- chen, ökologischen und sozialen Funktionen (Plansatz 2.3.1.1, G und 2.3.1.2, Z). Zur Sicherung der landwirtschaftlichen Bodennutzung ist in den Vorranggebieten eine außerlandwirtschaftliche Nutzung daher nicht zulässig (Plansatz 2.3.1.2, Z).

Grundsätzlich zielen die Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung im Be- reich der Landwirtschaft darauf ab, diese zu erhalten und zu sichern. Der Entzug landwirtschaftlicher Flächen ist daher grundsätzlich auf das unvermeidbare Maß zu beschränken.

Alle Trassenvarianten führen zu einer Inanspruchnahme von landwirtschaftlicher Nutzfläche und somit zum dauerhaften Verlust von wertvollen Bewirtschaftungsflä- chen. Während der Landwirtschaft beim Bau der Varianten 0 und 1 ca. 16,7 ha bzw. 14,6 ha und bei der Variante von 1993 ca. 13,5 ha entzogen werden, sind es bei den Varianten 2 und 3 ca. 14,6 ha bzw.14,0 ha.

Wie die Landwirtschaftskammer mitteilt, verlaufen alle Varianten durch äußerst wert- volle Gunststandorte. Die Flächen würden zum großen Teil zum Anbau von Acker-

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kulturen sowie zum Anbau von Sonderkulturen, z.T. nach Bioland-Richtlinien, ge- nutzt. Hinzu komme, dass die Bewirtschaftungsflächen mit Beregnungsbrunnen, ent- sprechenden Erdleitungen mit Hydranten etc. ausgestattet seien. Die Bedeutung der Flächen schlage sich deshalb auch im ERP nieder, indem die Flächen in einem Vor- ranggebiet für die Landwirtschaft liegen würden. Vor diesem Hintergrund bestünden grundsätzliche Bedenken gegen die Ortsumgehung.

Hinzu komme, dass es Diskussionen darüber gebe, die geplante Trasse nach Wes- ten zu verlängern. Ferner seien auch für die Gemeinden Rülzheim und Herxheim Ortsumfahrungen in der Planung. Dies würde weitere Betroffenheiten auslösen.

Letztlich löse die Trasse erhebliche einzelbetriebliche Betroffenheiten aus, mit mas- siven Konsequenzen wie Flächenverlust, Zerstörung von Bewirtschaftungseinheiten und Infrastruktur. Dies sei im weiteren Verfahren zu berücksichtigen.

Um die Trasse „verträglicher“ zu gestalten, schlage man daher vor, die Trasse um eine Gewanne nach Süden zu verschieben. Damit könnten die ortsnäheren Gewan- ne mit den Beregnungseinrichtungen, die hier nahezu flächendeckend und in optima- ler Ausgestaltung vorhanden seien, schonen.

Die Obere Landesplanungsbehörde ist sich bewusst, dass der Bau der Ortsumge- hung zu einem großen Flächenverlust für die Landwirtschaft führt. Die damit einher- gehenden Bedenken einzelner Betriebe, die ihre Existenz bedroht sehen, ist aus raumordnerischer Sicht nachvollziehbar. Allerdings besteht für die vorliegende Orts- umgehung keine geeignete Alternativtrasse. Bereits 1993 wurde im Rahmen einer raumordnerischen Prüfung eine Trassenführung nördlich von Ottersheim und Knit- telsheim geprüft, welche jedoch aufgrund nicht ausgleichbarer ökologischer Beein- trächtigungen (Lage ein einem FFH- und Vogelschutzgebiet) als raumordnerisch nicht verträglich beurteilt wurde. Wie die aktuelle naturschutzfachliche Kartierung zeigt, hat sich an dieser Bewertung bis heute nichts geändert.

Wie bereits oben ausgeführt, liegt die geplante Ortsumgehung vollständig in einem Vorranggebiet für die Landwirtschaft. Von einigen betroffenen Landwirten wird daher

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vorgeschlagen, die Trasse um ca. 1 km nach Süden in Richtung „Gollenberg“ zu ver- legen, da hier geringwertigere Böden vorlägen und keine Sonderkulturen angebaut würden.

Dazu ist anzumerken, dass auch die vorgeschlagene Alternativtrasse in einem Vor- ranggebiet für die Landwirtschaft liegt. Eine geringere Bodengüte oder die Bodennut- zung spielt insofern aus Sicht der Raumordnung keine Rolle. Gerade unter dem Ge- sichtspunkt des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden sowie der Vermeidung von Flächenzerschneidungen würde eine Trasse im Bereich des „Gollenbergs“ zu einer zusätzlichen Inanspruchnahme von ca. 4,5 ha landwirtschaftlicher Fläche füh- ren und ist deshalb abzulehnen. Letztlich würde eine mögliche Verschiebung der Trasse nur zu einer Verlagerung der Betroffenheiten hin zu anderen Landwirten füh- ren. Insofern stellt eine südlich verlaufende Trasse keine Alternative dar. Die Obere Landesplanungsbehörde ist daher der Auffassung, dass die nun geplante Trasse in direkter Verlängerung zu der in Bau befindlichen Ortsumgehung von Bellheim die am besten geeignete Trasse darstellt.

Dem Vorschlag der Landwirtschaftskammer, die Trasse um eine Gewanne nach Sü- den zu verschieben, kann dabei aus raumordnerischer Sicht grundsätzlich gefolgt werden. Wie die Kammer sowie einige Landwirte ausführen, sind gerade im Sonder- kulturanbau die ortsnahen Flächen von besonderer Bedeutung, da diese oft mehr- mals täglich angefahren werden müssen. Insofern würden die ortsnahen landwirt- schaftlichen Flächen geschont und gleichzeitig der Abstand zu den am Ortsrand lie- genden Aussiedlungen erhöht.

Im Übrigen lässt der ERP die Inanspruchnahme von Landwirtschaftsflächen u.a. für Verkehrsanlagen, die aufgrund besonderer Standortanforderungen nur im Außenbe- reich realisiert werden können, ausnahmsweise zu (Plansatz 2.3.1.2, Z). Ein grund- sätzlicher Zielkonflikt ist aus Sicht der Raumordnung deshalb nicht erkennbar.

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Die von der Landwirtschaftskammer u.a. thematisierte Weiterführung der Trasse nach Westen ist nach Aussage des LBM derzeit weder vorgesehen noch durch den „Mobilitätskonsens 2021“ abgedeckt.

Ferner wird von der Landwirtschaftskammer sowie den tangierten Landwirten kriti- siert, dass es durch den Bau der Ortsumgehung zur Unterbrechung des landwirt- schaftlichen Wegenetzes und folglich zu langen Umwegen zwischen Hofstellen und Bewirtschaftungsflächen kommen werde. Gerade im arbeitsintensiven Sonderkultur- anbau sei eine möglichst direkte Wegeverbindung notwendig, weshalb drei Straßen- querungen gefordert würden.

Dem ist aus raumordnerischer Sicht zuzustimmen. Um die Erreichbarkeit der Aus- siedlerhöfe bzw. der am Ortsrand liegen Höfe sowie der Bewirtschaftungsflächen sicherzustellen, ist die Errichtung von je einem Querungsbauwerk (Brücke) in Nord- Süd-Richtung in den Gemarkungen Ottersheim und Knittelsheim vorzusehen. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass nach Auskunft des Antragstellers für die Querungs- bauwerke ein Flächenverbrauch von ca. jeweils 1 ha anfällt. Ob in Anbetracht des zusätzlichen Flächenverlustes weitere Querungen, z.B. im Bereich des Alsheimer Weges, notwendig sind, ist im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens mit der Landwirtschaftskammer und den betroffenen Landwirten zu klären.

Hierzu zählt auch die von der Landwirtschaftskammer, dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum und der Verbandsgemeinde Bellheim vorgebrachte Forderung, die Ortsumgehung im Osten über einen Kreisverkehr an die Umgehung Bellheim anzu- binden, um bestehende Wirtschaftswege an den Kreisverkehr anzuschließen und somit landwirtschaftliche Querungen zu ermöglichen. Durch den Wegfall des „An- schlussbogens“ könne auch der Flächenverlust reduziert werden. Aus raumordneri- scher Sicht ist es dabei unerheblich, ob die Anbindung mit Hilfe eines Kreisverkehrs oder über eine Einmündung mit Abbiegestreifen erfolgt. Von Bedeutung ist jedoch, dass die Anbindung an die Umgehung Bellheim im nachfolgenden Planfeststellungs- verfahren so optimiert wird, dass es beim Anschluss zu einer deutlich geringeren In- anspruchnahme bzw. Zerschneidung landwirtschaftlicher Flächen kommt. Dabei ist

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sicherzustellen, dass auch hier die landwirtschaftlichen Nutzflächen südlich der neu- en Ortsumgehung für den landwirtschaftlichen Verkehr erreichbar bleiben. Ob ggf. zusätzliche Querungen notwendig sind, ist im Rahmen des nachfolgenden Verfah- rens zu entscheiden.

Der Forderung der Landwirtschaft nach Erhalt des gut ausgebauten Bewässerungs- systems ist grundsätzlich nachzukommen. Sollte es baubedingt zur Beeinträchtigung des vorhandenen Bewässerungssystems kommen, so ist dessen Funktionsfähigkeit auf Kosten des Straßenbaulastträgers wiederherzustellen.

Die Bedenken einiger Landwirte, dass durch die geplante Ortsumgehung eine erhöh- te Schadstoffbelastung für die entlang der Trassen angebauten (Bio-)Produkte ent- stehe und diese damit nicht mehr vermarktet werden könnten, sind zwar verständ- lich, dürften aber unbegründet sein. So soll gemäß den aktuellen Bioland-Richtlinien der Anbau nicht in der Nähe von Industriezentren und stark befahrenen Straßen, z.B. Autobahnen, erfolgen. Ein Anbau in unmittelbarer Nähe einer geplanten Ortsumge- hung ist hiernach grundsätzlich möglich, vor allem auch vor dem Hintergrund, dass die Anbauflächen aufgrund von Banketten, Böschungen usw. nicht unmittelbar an die Fahrbahn angrenzen, sondern einige Meter davon entfernt liegen.

Wie bereits aufgeführt, geht die geplante Ortsumgehung mit einer starken Belastung für die Landwirtschaft einher. Für die Anbindung im Westen sollte daher die Variante mit den geringsten Betroffenheiten für die Landwirtschaft gewählt werden. Die Obere Landesplanungsbehörde geht daher mit der Auffassung der Landwirtschaftskammer konform, dass Variante 3 noch am ehesten mit den Belangen der Landwirtschaft zu vereinbaren ist, da sie mit dem geringsten Flächenverbrauch und den geringsten Eingriffen in die Agrarstruktur einhergeht.

Im Ergebnis ist aus Sicht der Raumordnung die Modifizierung der Variante 3 geeig- net, die Beeinträchtigungen für die Landwirtschaft auf ein raumverträgliches Maß zu minimieren. Die ortsansässigen landwirtschaftlichen Betriebe sind grundsätzlich in ihrem Fortbestand zu sichern. Entsprechende landwirtschaftliche Ersatzflächen sind,

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sofern vorhanden, in der näheren Umgebung bereitzustellen. Sollte der Entzug von Teilflächen eines landwirtschaftlichen Betriebs sowie die mit der Ortsumgehung ein- hergehenden Bewirtschaftungserschwernisse dennoch einen existenzbedrohenden Eingriff darstellen, ist dies durch den Antragsteller in angemessener Art und Weise zu entschädigen. Im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren hat der Antragsteller dafür ein Existenzgefährdungsgutachten für die betroffenen landwirtschaftlichen Be- triebe in Auftrag zu geben.

Die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Nutzflächen für naturschutzfachliche Kompensationsmaßnahmen ist möglichst zu vermeiden. Sollte dies unumgänglich sein, ist die Landwirtschaftskammer bei der Suche bzw. Festlegung der Flächen frühzeitig zu beteiligen.

Aus Sicht der Raumordnung und Landesplanung bleibt im Ergebnis festzuhalten, dass mit der modifizierten Variante 3 und unter Einhaltung der oben genannten Maßgaben den landwirtschaftlichen Belangen grundsätzlich Rechnung getragen werden kann.

3. Verkehrliche Belange

Nach einem Grundsatz der Regionalplanung ist in der Region ein funktionales und leistungsfähiges Straßennetz vorzuhalten. Verbindungen zwischen den Räumen und Zentren sind zu verbessern und es sind flächendeckend gleichwertige Lebensbedin- gungen zu schaffen. Diese raumordnerischen Erfordernisse sind über den Ausbau des regionalbedeutsamen Straßennetzes und den Ausbau einzelner Abschnitte zu erfüllen (Plansatz 3.1.2.1, G und 3.1.2.4, G).

Darüber hinaus stellen Ortsumgehungen ein wirkungsvolles Instrument zur Entlas- tung von Ortszentren vom Durchgangsverkehr und von Lärm-/Abgasemissionen dar und können gleichzeitig u.a. zur innerörtlichen Verkehrsberuhigung und städtebauli- chen Aufwertung beitragen.

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Raumordnerischer Entscheid „Ortsumfahrung Ottersheim und Knittelsheim“ vom 31.07.2020

Gemäß der Verkehrsuntersuchung sind die Ortsdurchfahrten im Analyse-Nullfall 2019 mit 7.900 Kfz/24h in Ottersheim und mit 8.000 Kfz/24h in Knittelsheim belastet. Im Prognose-Nullfall 2030 zeichnet sich ein leichter Rückgang (7.600 Kfz/24h in Ot- tersheim und 7.800 Kfz/24h in Knittelsheim) ab.

Gem. Prognose-Planfall 2030 würde die Belastung auf der neu geplanten Ortsumge- hung im Jahr 2030 bei 7.300 Kfz/24h liegen. Die Ortsdurchfahrten wären dagegen nur noch mit etwa 2.000 Kfz/24h in Ottersheim und etwa 2.700 Kfz/24h in Knittels- heim belastet. Dies entspricht einer zu erwartenden deutlichen Verkehrsentlastung von ca. 74 % innerhalb von Ottersheim und ca. 65 % innerhalb von Knittelsheim. Ebenfalls könnten die Verkehrsströme im Westen von Bellheim (i.V.m. der Südum- gehung) um ca. 40 % reduziert werden. 3

Mit dem Bau der Ortsumgehung sollen die bisher stark vom Durchgangsverkehr be- lasteten Ortsdurchfahrten von Ottersheim und Knittelsheim entlastet werden. Gleich- zeitig soll die derzeit in Bau befindliche Südumgehung Bellheim sinnvoll nach Wes- ten in Richtung Offenbach an der Queich fortgeführt und eine verbesserte Verbin- dung zwischen der B 9 und der A 65 hergestellt werden.

Grundsätzlich sind alle untersuchten Trassenvarianten zur Entlastung der Ortsdurch- fahrten geeignet. Hinsichtlich der prognostizierten verkehrlichen Entlastungswirkung bestehen zwischen den Trassenvarianten keine Unterschiede.

Sowohl die betroffenen Kommunen als auch der Verband Region Rhein-Neckar sind jedoch der Auffassung, dass die derzeitige Prognose noch zwingend auf Basis detail- lierter Verkehrserhebungen zu ergänzen und zu aktualisieren wäre. Wie der Gutach- ter in der Verkehrsuntersuchung selbst ausführt, seien detaillierte Verkehrszählungen aufgrund der derzeit laufenden Baumaßnahmen im Zuge der L 509 nicht möglich gewesen. Die vorliegende Untersuchung diene daher mehr einer Grobeinschätzung.

3 vgl. VERTEC – Ingenieurbüro für Verkehrsplanung und –technik: Verkehrsuntersuchung – L 509 Ortsumgehung Ottersheim - Knittelsheim, Koblenz, S. 3ff..

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Auch aus Sicht des Gutachters sei eine detaillierte Untersuchung daher noch erfor- derlich.

Dem ist aus raumordnerischer Sicht grundsätzlich zuzustimmen. Eine Nachfrage beim LBM hat ergeben, dass von der detaillierten Verkehrsuntersuchung zwar keine wesentlichen Abweichungen gegenüber der derzeitigen Prognose zu erwarten sind. Dennoch sind detaillierte Verkehrsberechnungen für die Begründung der Notwendig- keit der geplanten Trasse im anschließenden Planfeststellungsverfahren unumgäng- lich.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass unter verkehrlichen Gesichtspunkten grundsätzlich alle Varianten den Erfordernissen der Raumordnung und Landespla- nung entsprechen.

Die Nullvariante entspricht dagegen nicht den raumordnerischen Erfordernissen, da sie nicht zu einer Verbesserung der Verkehrssituation vor Ort führt.

3.1. Lärm- und Abgasemissionen

Gemäß den Zielaussagen des LEP IV und des ERP Rhein-Neckar sind im Bereich von Ortsdurchfahrten kritische Belastungen durch Lärm- und Abgasemissionen sys- tematisch abzubauen. Hierzu kommen als geeignete Maßnahmen u.a. Ortsumge- hungen, verbunden mit aktiven oder passiven Einrichtungen zum Schallschutz, in Frage. Gleichzeitig können dadurch die Ortszentren einer Umgestaltung zugeführt, der Wohnwert und die Verkehrssichert erhöht sowie die Herstellung funktionsgerech- ter und gleichwerter Verkehrsnetze im Raum gewährleistet werden.

Aufgrund der bestehenden und noch zu erwartenden Verkehrsbelastung (vgl. prog- nostizierter Planfall 2030)4 ist im Falle der Nullvariante für die Ortsdurchfahrten von Ottersheim und Knittelsheim mit keiner Verbesserung der Lärm- und Abgasbelästi- gung zu rechnen.

4 vgl. VERTEC – Ingenieurbüro für Verkehrsplanung und –technik: Verkehrsuntersuchung – L 509 Ortsumgehung Ottersheim - Knittelsheim, Koblenz, S. 7ff..

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Mit dem Bau der Ortsumgehung Ottersheim – Knittelsheim wird dagegen eine erheb- liche Verkehrsminderung um bis zu 74 % im Bereich der beiden Ortskerne und damit einhergehend eine deutliche Verbesserung der dortigen Lärm- und Abgassituation zur Folge haben.

Die von einigen Privaten im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung vorgetragenen Bedenken, dass die geplante Ortsumgehung zur Belastung der südlichen Ortsränder von Ottersheim und Knittelsheim mit Lärm- und Abgasemissionen sowie zu einem Verlust der Wohnqualität führe, kann nicht gefolgt werden.

Gemäß der anzuwendenden Richtlinie „RAL 2012“ ist aus Lärmschutzgründen ein Abstand von mindestens 100 m zur Bebauung einzuhalten.

Dieser Mindestabstand wird selbst bei Variante 3 mit einem Abstand von mindestens ca. 215 m zur Wohnbebauung eingehalten. Auf Nachfrage hat der Antragsteller be- stätigt, dass die Grenzwerte im Anschlussbereich der Variante 3 nach der 16. BIm- SchV eingehalten und sogar deutlich unterschritten werden.

Alle übrigen Varianten im westlichen Anschlussbereich sind weiter, zwischen 290 m und 760 m, von der Wohnbebauung entfernt. Ebenso wird mit dem südlichen Tras- senverlauf ein ausreichend großer Abstand (mindestens 275 m) zur Wohnbebauung eingehalten, so dass davon auszugehen ist, dass es auch hier zu keinen Belastun- gen durch Lärm- / Abgasemissionen für die Anwohner kommt.

Das konkrete Ausmaß einer evtl. Lärmbetroffenheit kann allerdings erst mit Vorliegen detaillierter Planunterlagen im Planfeststellungsverfahren ermittelt werden. Im Plan- feststellungsverfahren ist daher die Einhaltung der 16. BImSchV für die von einer neuen Trasse berührten Siedlungsbereiche nachzuweisen. Dabei haben aktive Lärmschutzmaßnahmen grundsätzlich Vorrang vor passiven Maßnahmen.

Unter dem Gesichtspunkt des Lärmschutzes entsprechen alle Varianten gleicherma- ßen den Erfordernissen der Raumordnung und Landesplanung. Die Nullvariante würde dagegen die Lärmsituation in der Ortslage weiter verschärfen und entspricht daher nicht den Zielen der Raumordnung und Landesplanung.

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4. Naturschutzfachliche Belange

Gemäß LEP IV ist eine Gesamtentwicklung anzustreben, die die ökonomische Leis- tungsfähigkeit und die natürlichen Lebensgrundlagen gleichrangig sichert und entwi- ckelt. Der nachhaltige Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und die Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes sind insbesondere durch einen schonen- den Umgang mit den natürlichen Ressourcen und der Reduzierung von Beeinträchti- gungen sicherzustellen.

Auch nach einem Grundsatz des ERP Rhein-Neckar sollen die ökonomischen und sozialen Ansprüche an Natur und Landschaft mit deren ökologischen Funktionen in Einklang gebracht werden. Weiterhin sind Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes grundsätzlich zu vermeiden sowie Trassen für die Infrastruktur möglichst zu bündeln.

Gemäß dem ERP Rhein-Neckar liegt die geplante Ortsumgehung innerhalb eines Regionalen Grünzuges, der als großräumiges Freiraumsystem u.a. dem langfristigen Schutz und der Entwicklung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und der Gliederung und dauerhaften Trennung von Siedlungsflächen dient. Innerhalb Regio- naler Grünzüge ist die Inanspruchnahmen von Flächen für technische Infrastrukturen und Verkehrsinfrastrukturen, die im überwiegenden öffentlichen Interesse notwendig sind oder die aufgrund besonderer Standortanforderungen nur im Außenbereich er- richtet werden können, zulässig (Plansatz 2.1.3., Z). Dies trifft auf die geplante Orts- umgehung zu, weshalb hier grundsätzlich kein Zielkonflikt vorliegt.

Das gesamte Untersuchungsgebiet ist durch intensive landwirtschaftliche Nutzung geprägt. Im westlichen Anschlussbereich zwischen Ottersheim und Offenbach an der Queich fließt südlich der Landesstraße 509 der Brühlgraben, dessen zum Teil be- waldete Aue von der geplanten Trasse gequert werden muss.

Zwecks Auslotung einer möglichst verträglichen Trassenvariante auf der Grundlage der zu ermittelnden artenschutzrelevanten Auswirkungen der geplanten Ortsumge-

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hung wurde eine faunistische Kartierung erstellt.5 Hierbei wurde die Betroffenheit ge- fährdeter und besonders gefährdeter Tierarten durch das Vorhaben untersucht und entscheidungsrelevante Unterschiede zwischen den Trassenvarianten 0, 1 und Raumordnungsvariante 1993 dargelegt.

Dabei kommt die faunistische Kartierung zunächst zu dem Ergebnis, dass die Raumordnungsvariante 1993 und die Variante 0 aus artenschutzfachlichen Erwä- gungen ausscheiden und die Variante 1 am besten abschneidet.

In einem Folgeschritt wurden noch zwei weitere Alternativvarianten (2 und 3) ausge- arbeitet, die möglichst geringe artenschutzfachliche Betroffenheiten auslösen und trotzdem die verkehrlichen Anforderungen nebst Lärmschutz der Wohnbebauung berücksichtigen sollen. Durch die beiden Alternativvarianten (2 und 3) würden wert- volle Gehölzstrukturen im Bereich der Brühlgraben-Aue, inklusive der dort vorkom- menden Fauna, geschont und insgesamt die geringsten Beeinträchtigungen von Brutrevieren von gefährdeten Feldvogelarten ausgelöst.

Entsprechend der faunistischen Kartierung gehen mit allen untersuchten Trassenva- rianten (in unterschiedlichem Maße) Betroffenheiten bei Tagfalterarten, Reptilienar- ten, Fledermäusen und Vögeln (insbesondere Feldvogelarten) einher.

Grundsätzlich löst eine Querung des Brühlgrabens bei Tagfaltern (u.a. stark gefähr- deter Großer Feuerfalter), Reptilien (streng geschützte Zauneidechse) sowie Fle- dermäusen durch Eingriffe in die Randstrukturen des Brühlgrabens und die Überbrü- ckung des Grabens Betroffenheiten aus. Die Gehölzbestände des Brühlgrabens die- nen auch einigen Brutvogelarten als Lebensraum. Insbesondere bei Fledermäusen könnte es zu einer teilweise hohen vorhabenbedingten Betroffenheit kommen, da Nahrungshabitate und Quartiere verloren gingen, Flugrouten gestört würden und ein erhöhtes Kollisionsrisiko mit dem Straßenverkehr auftreten könnte. Dagegen hat der

5 vgl. Ber.G (Januar 2020): L 509, OU Ottersheim - Knittelsheim – Erfassung von Haselmaus, Fleder- mäusen, Brutvögeln, Reptilien, Amphibien, Libellen und Tagfaltern 2019, Berg (Pfalz).

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intensiv landwirtschaftlich genutzte Offenlandbereich südlich von Ottersheim und Knittelsheim für diese Arten eine nur geringe Bedeutung als Lebensraum.

Grundsätzlich ist das Untersuchungsgebiet als überdurchschnittlich artenreich und wertvoll im Hinblick auf gefährdete und stark gefährdete Arten der Brutvogelfauna sowie weitere Offenlandarten einzustufen. Insbesondere die geplante Trasse im Of- fenlandbereich südlich von Ottersheim und Knittelsheim bis zur Anbindung an die Südumgehung Bellheim löst diesbezüglich starke Betroffenheiten aus (u.a. Verlust bedeutender Brut- und Nahrungshabitate, Lärmemissionen, Scheuchwirkung). Am stärksten wird hiervon die Feldlerche durch Lebensraumverluste (Brutreviere) betrof- fen sein.

Die Untersuchung kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Alternativ- variante West (Variante 2) die Vorzugsvariante sei, da sie gegenüber der Alternativ- variante Ost (Variante 3) keine Unsicherheiten bezüglich möglicher zusätzlicher ar- tenschutzfachlicher Betroffenheiten nach Osten mit sich bringe. Unabhängig davon löse die Trassenführung südlich von Ottersheim und Knittelheim eine starke Betrof- fenheit der teilweise hochgradig gefährdeten Feldvogelarten aus.

Sowohl die Untere als auch die Obere Naturschutzbehörde fordern, dass der Brühl- graben in einem gehölzarmen Abschnitt gequert werde. Während sich die Untere Naturschutzbehörde jedoch für Variante 2 ausspricht, bevorzugt die Obere Natur- schutzbehörde die Variante 3, da diese einen deutlich geringeren Flächenverbrauch und eine geringere Zerschneidungswirkung aufgrund der ortsnäheren Trassierung im Bereich des Brühlgrabens aufweise. Aus Sicht der Oberen Naturschutzbehörde sei es wahrscheinlich, dass durch die Nähe zur Ortschaft keine zusätzlichen arten- schutzfachlichen Betroffenheiten ausgelöst würden.

Auch aus raumordnerischer Sicht sind bei den Anschlussvarianten West gundsätz- lich diejenigen Varianten zu bevorzugen, die insgesamt die geringsten Betroffenhei- ten auslösen. Dabei schneidet Variante 0 allein aufgrund des deutlich größeren Flä- chenverbrauchs schlechter als die anderen Varianten ab. Zusätzlich quert die Varian-

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te 0 den Brühgraben in einem relativ gehölzreichen Abschnitt, was zum Verlust zahl- reicher Brutvogelreviere führen würde. Auch durch die Variante 1 und die raumord- nerische Variante von 1993 käme es bei der Querung des Grabens zum Verlust von Gehölzen und damit zum Verlust von Brutrevieren. Die Varianten 2 und 3 queren den Brühlgraben dagegen in einem gehölzarmen bzw. -freien Abschnitt, sodass hier gem. der Kartierung keine Reviere zerstört werden. Im Bereich der westlichen Anbindung sind die Varianten 2 und 3 daher mit den naturschutzfachlichen Belangen grundsätz- lich vereinbar. Die Varianten 0 und 1sowie die Variante von 1993 gehen dagegen mit den naturschutzfachlichen Belangen nicht konform.

Ferner stellen die Obere Naturschutzbehörde, der NABU und der BUND fest, dass die südlich der Ortschaften verlaufende Trasse die zahlreichen hier vorkommenden Arten der Feldvogelfauna beeinträchtige. Um die Betroffenheit der stark gefährdeten Arten der Agrarlandschaft zu verringern, fordert die Obere Naturschutzbehörde die Prüfung einer ortsnäheren Trassierung.

Aus Sicht der Raumordnung kann die Forderung des Naturschutzes grundsätzlich nachvollzogen werden. Gem. der Abbildung 12 der Kartierung ist die Betroffenheit die Feldvogelfauna innerhalb des untersuchten Korridors nahezu gleichermaßen hoch. Die Betroffenheit der Revierzentren besonders planungsrelevanter Brutvogel- arten nimmt jedoch am nördlichen Rand des untersuchten Korridors, in Richtung der Siedlungen, ab. Eine Verschiebung der Trasse nach Norden ist unter naturschutz- fachlichen Gesichtspunkten der beantragten Trasse daher prinzipiell vorzuziehen.

Grundsätzlich ist im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren zu untersuchen, wie die Auswirkungen auf die betroffenen Vogelarten vermieden bzw. minimiert werden können. Die Festlegung der entsprechenden Maßnahmen hat in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden zu erfolgen.

Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass die Varianten 2 und 3 unter Einhaltung bestimmter Maßgaben grundsätzlich mit den naturschutzfachlichen Belangen in Ein-

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klang gebracht werden können. Die Varianten 0, 1 und die Variante von 1993 gehen dagegen mit den naturschutzfachlichen Belangen nicht konform.

5. Weitere fachliche Belange 5.1. Forstwirtschaftliche Belange

Gemäß dem ERP Rhein-Neckar sind bestehende Waldflächen grundsätzlich zu schützen, da ihnen für die Erhaltung der Leistungsfähigkeit eines ausgeglichenen Naturhaushaltes, für die Erholung sowie für die Rohstoffproduktion eine besondere Bedeutung zukommt (Plansatz 2.3.2.1, G).

Die Zentralstelle der Forstverwaltung steht der Variante 0 ablehnend gegenüber, da diese Variante im westlichen Anschlussbereich zwischen Ottersheim und Offenbach an der Queich bedeutsame Wald- und Gehölzflächen des dortigen Auwaldes quert. Die übrigen Varianten würden dagegen keine Beeinträchtigungen für den bachbe- gleitenden Auwald am Brühlgraben darstellen.

Die Obere Landesplanungsbehörde teilt die Auffassung der Zentralstelle der Forst- verwaltung, dass eine Querung des Auwaldes aufgrund seiner vielfältigen Waldfunk- tionen (lokaler Klima- und Immissionsschutz, Lärmschutz, Vogelschutzgehölz, Fle- dermaushabitat) und Relevanz als Habitat von u.a. Brutvogelarten zu vermeiden ist.

Die Variante 0 durchschneidet südlich von Offenbach an der Queich den Auwald im Bereich des Brühlgrabens auf ca. 70 m Länge. Die Varianten 1, 2 und 3 queren den Brühlgraben dagegen in gehölzarmen Abschnitten, so dass keine Waldflächen tan- giert werden.

Die Variante 0 geht daher mit den forstwirtschaftlichen Belangen nicht konform. Da- gegen sind die Varianten 1 bis 3 aus raumordnerischer Sicht grundsätzlich mit den forstwirtschaftlichen Belangen vereinbar.

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5.2. Siedlungswesen

Gemäß dem Flächennutzungsplan der Verbandsgemeinde Bellheim liegen die ge- planten Wohnbauflächen von Ottersheim am nördlichen und südlichen Rand der Ortsgemeinde. Die laut Flächennutzungsplan geplanten Wohnbauflächen von Knit- telsheim liegen nordwestlich und nordöstlich der Ortsgemeinde.

Sowohl die geplanten als auch die bestehenden Wohnbauflächen der beiden Orts- gemeinden werden durch keine der Varianten tangiert. Selbst die Variante 3, die mit der westlichen Anschlussstelle näher an die Ortslage von Ottersheim heranrückt, führt zu keinen Beeinträchtigungen.

Dagegen entstehen für die innerörtlichen Bereiche erhebliche Entlastungen. Erfah- rungsgemäß zieht der Bau einer Ortsumgehung Instandsetzungsmaßnahmen an Gebäuden der ehemaligen Durchgangsstraße nach sich.

Grundsätzlich gehen somit alle Varianten mit den raumordnerischen Belangen kon- form.

5.3. Sonstige Belange Die geplante Trasse führt zu keinen Konfliktsituationen mit der vorhandenen Lei- tungsinfrastruktur (Produktenleitung). Die von dem Betreiber vorgegebenen techni- schen Regelwerke zu Abstands- und Schutzstreifenregelungen sind einzuhalten. Die Fernleitungs-Betriebsgesellschaft mbH (FBG) ist im Rahmen des nachfolgenden Planfeststellungsverfahrens zu beteiligen.

Die seitens der Regionalstelle Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Bodenschutz der SGD Süd formulierten Hinweise bezüglich der Querung des Brühlgrabens und dem Umgang mit Niederschlagswasser sind im nachfolgenden Planfeststellungsver- fahren zu berücksichtigen.

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Die geplante Trasse tangiert in ihrem Verlauf, je nach Variante, archäologische Fundstellen. Im Rahmen des nachfolgenden Planfeststellungsverfahrens ist deshalb eine frühzeitige Abstimmung mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe / Direktion Landesarchäologie erforderlich.

6. Raumordnerische Gesamtabwägung

Mit dem Bau der Ortsumgehung südlich von Ottersheim und Knittelsheim im Zuge der L 509 wird das Ziel verfolgt, die Ortsdurchfahrten vom starken Durchgangsver- kehr zu entlasten.

Der Verkehr kann im Prognose-Planfall 2030 um ca. 74 % in Ottersheim und ca. 65 % in Knittelsheim gegenüber dem Prognose-Nullfall reduziert und damit eine spürbare Lärm- und Schadstoffentlastung der Anwohner erreicht werden. Die geplan- te Ortsumgehung leistet somit einen Beitrag zur innerörtlichen Verkehrsberuhigung und städtebaulichen Aufwertung.

Wie sich gezeigt hat, sind von der Trasse hauptsächlich landwirtschaftliche und na- turschutzfachliche Belange betroffen. Dabei wurde deutlich, dass letztendlich nur Variante 3 mit den naturschutzfachlichen und landwirtschaftlichen Belangen grund- sätzlich in Einklang gebracht werden kann. Variante 3 weist mit den geringsten Flä- chenverbrauch aus, liegt relativ ortsnah und quert der Brühlgraben an einer gehölz- freien Stelle. Die anderen Varianten führen dagegen allein aufgrund des z.T. höheren Flächenverbrauchs zu einer Mehrbelastung. Hinzu kommt, dass die Varianten 0 bis 2 ortsferner liegen und damit der Landschaftsraum deutlich mehr zerschnitten wird, zumal die Querung des Brühlgrabens, mit Ausnahme von Variante 2, in sehr struktur- reichen Abschnitten erfolgen würde.

Sowohl die Obere Naturschutzbehörde als auch die Landwirtschaftskammer schla- gen jedoch eine Modifizierung der Variante 3 für den südlich von Ottersheim und Knittelsheim liegenden Trassenverlauf vor. Während sich die Naturschutzbehörde

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die Prüfung einer ortsnäher verlaufenden Trasse wünscht, bevorzugt die Landwirt- schaftskammer die Verschiebung der Trasse um eine Gewanne nach Süden.

Eine Verschiebung der Trasse nach Norden würde sicherlich geringere Auswirkun- gen auf die Feldvögel mit sich bringen, wenngleich auch hier Revierzentren von ge- fährdeten Brutvogelarten betroffen wären. Dafür müsste die Trasse jedoch relativ ortsnah verlaufen, was bedeutet, dass die Trasse in einem Abstand von ca. 100 m zu den südlichen Ortsrändern von Ottersheim und Knittelheim geführt würde. Der relativ geringe Abstand zur Wohnbebauung führt aus Sicht der Raumordnung jedoch dazu, dass der Lärm aus der Ortsmitte lediglich an die südlichen Ortsränder verlagert wird. Vor allem auch im Hinblick auf die höheren Fahrgeschwindigkeiten dürfte es sogar zu einer Steigerung der Lärmbelastung für die Anwohner der südlichen Wohnbebau- ung kommen.

Hinzu kommt, dass eine weiter nördlich verlaufende Trasse mehr oder weniger direkt südlich der am Ortsrand liegenden landwirtschaftlichen Höfe vorbeiführen würde und somit gerade die für die Landwirtschaft besonders bedeutsamen ortsnahen landwirt- schaftlichen Flächen zerschneiden bzw. von der Hofstelle abtrennen.

Schließlich gilt es zu berücksichtigen, dass es nach Auskunft des LBM aus techni- schen Gründen kaum möglich ist, die für die Aufrechterhaltung der Wirtschaftswege- verbindungen zwinge notwenigen Brückenbauwerke zu errichten. Die Rampen, die eine gewisse Länge zur Querung der Trasse benötigen, würden dann bereits im Ort beginnen.

Eine Verschiebung der Trasse in Ortsnähe ist daher im Hinblick auf die Belange des Lärmschutzes sowie der landwirtschaftlichen Belange nicht mit den Zielen der Raumordnung vereinbar, zumal auch hier der Brutvogelreviere, wenn auch in gerin- gerem Maße, betroffen wären.

Eine Verschiebung der Trasse nach Süden führt dagegen zu keiner größeren Betrof- fenheit für den Naturschutz, verringert allerdings die Belastungen für die Landwirt-

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schaft in nicht unerheblichem Maße, vor allem im Hinblick auf die Schonung der für den Sonderkulturanbau wichtigen hof- bzw. ortsnahen Flächen.

Nach einer überschlägigen Berechnung des Antragstellers ist der Flächenverbrauch für diese modifizierte Variante mit rund 14, 1 ha ähnlich hoch wie für die ursprüngli- che Variante 3.

Wie dabei der östliche Anschluss an Umgehung Bellheim ausgestaltet wird (Kreisel oder Einmündung mit Abbiegestreifen), ist aus raumordnerischer Sicht unerheblich. Letztlich sollte unter Beachtung der verkehrlichen und landwirtschaftlichen Belange die Anbindung mit dem vergleichsweise geringsten Flächenverbrauch gewählt wer- den.

Die Obere Landesplanungsbehörde ist sich bewusst, dass mit der Variante 3 im Westen die Trasse gewählt wird, die Ottersheim am nächsten liegt. Eine Nachfrage beim LBM hat jedoch ergeben, dass die entsprechenden Immissionswerte problem- los eingehalten werden können. Dennoch sollte die Trasse im westlichen Bereich soweit wie möglich vom Ortsrand abgerückt werden. Dabei ist allerdings zu beach- ten, dass der Brühlgraben noch innerhalb des gehölzfreien Abschnitts gequert wird.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die modifizierte Variante 3 unter Berück- sichtigung von Maßgaben mit den Erfordernissen der Raumordnung und Lan- desplanung in Einklang gebracht werden kann.

F. Abschließende Bemerkungen

Ziel der vereinfachten raumordnerischen Prüfung war es, festzustellen, ob die ge- plante Ortsumfahrung Ottersheim und Knittelsheim mit den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung und Landesplanung übereinstimmt und wie die Planung mit ande- ren raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen abgestimmt werden kann. Im Entscheid wird somit vor dem eigentlichen Planfeststellungsverfahren die grundsätz- liche Zulässigkeit des Vorhabens unter raumordnerischen und landesplanerischen Aspekten beurteilt.

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Im Unterschied zum nachfolgenden Planfeststellungsverfahren können bei der raumordnerischen Prüfung daher ausschließlich die für die raumordnerische Zuläs- sigkeit des Vorhabens erheblichen öffentlichen Belange Berücksichtigung finden. Rein privatrechtliche Belange sowie evtl. Enteignungs- und Anpassungsmaßnahmen sind nicht Gegenstand des Verfahrens. Diese sind den nachfolgenden Planfeststel- lungsverfahren vorbehalten. Dadurch ergibt sich in der vereinfachten raumordneri- schen Prüfung eine großräumigere Betrachtungsweise als im eigentlichen Planfest- stellungsverfahren.

Der raumordnerische Entscheid als Ergebnis der Prüfung entfaltet gegenüber den Trägern des Vorhabens und gegenüber Einzelnen keine unmittelbare Rechtswirkung und ersetzt nicht die zur Verwirklichung des Vorhabens nach anderen Rechtsvor- schriften erforderlichen Genehmigungen, Erlaubnisse oder sonstigen behördlichen Entscheidungen. Der raumordnerische Entscheid ist jedoch bei diesen Entscheidun- gen zu berücksichtigen.

Durch die Mitteilung des Ergebnisses der vereinfachten raumordnerischen Prüfung wird das Verfahren abgeschlossen. Die Verfahrensbeteiligten erhalten einen Abdruck dieses Entscheides.

Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd -Obere Landesplanungsbehörde-

Neustadt an der Weinstraße, den 31.07.2020 Im Auftrag

Sylvia Götz

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