Donnerstag,18. Juli2019 –Nr. 164 LOKALES GEMñKARñMARñLOH -Seite25

Das ObereTor in Steinfeld mit der ehemaligen gemeindeeigenen Dorfschenke(Foto um 1930 vonFranz Schaub). Im Verzeichnis des Klosters von1606 wirddiese Stelle „vormobernThor beym Wirts- haus“ genannt. Das Gasthaus hieß später „ZumRoss“. FOTO:FRANZ SCHAUB Ein eigenesLändchen mit elfOrten

Großherzoglich-badisches : Vor200 Jahren wurden Steinfeld undzehnandere Orte wieder fränkisch. Wie es überhaupt zurFremdherrschaft durchBaden im Jahre1806kam,erzählt Teil 1dieser Geschichte.

...... Von MARTIN LOSCHERT Im Februar 1806 kam es nach dem Zerfall ebenso die „mit großer Rücksichtslosigkeit ...... des deutschen Reiches und dem Rücktritt des durchgeführte Aufhebung des nahe gelege- or 200 Jahren „brach heller Jubel“ deutschen Kaisers Franz II. zu weiteren Be- nen Klosters Neustadt am “, das in je- unter den Bewohnern im damali- sitzveränderungen. Fürst Löwenstein verlor dem der Dörfer des Steinfeld Güter und genGroßherzoglich-badischen die volle Staatsgewalt über das Amt Rothen- einen Klosterhof besaß. Dabei seien „un- V ersetzliche Werkeder Kunst, Wissenschaft Amt Steinfeld aus.Der Grund: fels. Dieses Ländchen mit elf Dörfern, 5400 Ein- Die elf Dörfer links des Mains gingen in und gewöhnlicher Art sinnlos vernichtet (…) wohnern und dem Kloster Mariabuchen den Besitz des Großherzogs vonBaden über, worden“. wurde 1819 wieder fränkisch und dem Kö- als Belohnung für dessen Beitritt zum Rhein- Daraus folgerte Apfelbacher: „All dies zei- nigreich Bayern zugeteilt. „Man versprach bund, einem Bündnis deutscher Staaten mit tigte auch im Landvolk gefährliche Gedan- sich vonder Regierungsänderung goldene Napoleon. (Die Gebiete des ehemaligen Am- ken“, das feststellen musste,„wie alte Rechte Berge“, schriebPeter Apfelbacher,ehemals tes auf der Spessartseite mit dem der Gewalt weichen mussten und dass Ver- langjähriger Lehrer in Karbach und Bezirks- Kloster Neustadt und Lohr wurden dem Fürs- träge, Urkunden und Herkommen aus alter schulrat, über 100 Jahre später. tentum Aschaffenburg und später dem Zeit keine Bedeutung mehr hatten (...) Die „Soll man es für möglich halten, dass die Großherzogtum Frankfurt zugesprochen). Begriffe vonEigentum und Recht wurden er- Dörfer Greußenheim, Birkenfeld, Karbach, Bald darauf übernahm der Großherzog schüttert. Die Ehrfurcht vorGesetz und Zimmern, Erlach, Pflochsbach, Sendelbach, vonBaden die Gerichtsbarkeit, bildete aus Eigentum schwand auch beim gewöhnli- Steinfeld, Waldzell, Ansbach und Roden den elf Ortschaften links des Mains das Badi- chen Volke. Diebstähle aller Art beunruhig- sowie das Kloster Mariabuchen in der Zeit sche Amt Steinfeld, das dem zweiten badi- ten die Dörfer und besonders die Einöden.“ von1806 bis November 1819 ein eigenes schen Landamt Wertheim zugeteilt wurde. „Die sehr lang gestreckte Grenze unseres ,Ländchen‘ unter dem Namen ,Amt Stein- Der Sitz der Verwaltung verbliebinder Burg schmalen und dabei sehr kleinen badischen feld‘bildeten und zum Staate ,Baden‘gehör- Rothenfels.Das badische Amt Steinfeld als Gebietsteilchens bot gewissen Leuten, die ten, während die umliegenden Nachbarge- Exklave hatte keine direkte Landverbindung ernten wollten, wo sie nicht gesät hatten, al- meinden Bestandteile teils des Großherzog- zu Baden. So gehörten etwa Steinfelds Nach- lerlei Vorteile.Entlassene Soldaten und tums Würzburg,teils des Fürstentums bardörfer Hausen, Rohrbach, Stadelhofen Kriegsinvaliden, vondenen damals infolge Aschaffenburg waren?“Das fragte sich Apfel- und alle zum Großherzogtum der unaufhörlichen Kriegeunter Napoleon bacher in der Einleitung seines Berichts über Würzburg. auch unsere Gegend sozusagenüber- „Das vormaligeGroßherzoglich-badische Den Verwaltungssitz im Amt Steinfeld be- schwemmt war,verbanden sich mit allerlei Amt Steinfeld bei “. Karte vonJohann Gottfried Tulla: „Charte desGroßherzogtums Baden 1814“aus dem Lan- kam Karbach. Es war der einzigeMarktfle- Gesindel, überfielen kleinere Dörfer und ein- desarchiv Baden-Württemberg. REPRO: MARTIN LOSCHERT cken und die größte unter den elf Gemein- sam liegende Mühlen (…), ohne fürchten zu Wie es zum Badischen Amt Steinfeld kam den. Dort hielten badische Beamte aus Wert- müssen, erwischt zu werden; denn bis ein ba- Jahrhundertelang gehörten die genannten heim auch regelmäßig Gerichtstage ab. discher Gendarm eintraf,waren die Halun- elf Dörfer dem Fürstbistum Würzburg an. Fürstentum“. Kaiser Napoleon verschob nach Der Großteil des Hochstifts Würzburg kenlängst über die Grenze ins Würzburgi- Nach Apfelbacher war „die Mehrzahl der seinen militärischen Erfolgen die Landesgren- wurde 1803 mit dem Reichsdeputations- „Unersetzliche Werkesinnlos vernichtet“ sche geflüchtet. Dort war dem badischen Si- Fürstbischöfe Würzburgs vonden aufrichtigs- ze zwischen Frankreich und Deutschland an hauptschluss dem Kurfürstentum Bayern zu- „Böse Beispiele verderben gute Sitten“: cherheitswächter jede Amtshandlung unter- ten Bestrebungen beseelt, ihr Volk glücklich den Rhein und enteignete die geistlichen geschlagen, der Rest ging an verschiedene Mit diesen Worten beklagte Apfelbacher die sagt, wie auch umgekehrt der würzburgische zu machen“, gemäß dem Sprichwort Fürstentümer,darunter Würzburg.Die weltli- Fürstentümer.Fürst Löwenstein-Wertheim- Auswirkungen der verwickelten Besitzverän- Landjäger rat- und tatenlos dastand, wenn „Unterm Krummstab(=Bischofsstab) ist gut chen Fürsten in Deutschland erhieltenzur Rosenberg erhielt als Entschädigung für ab- derungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. ein Missetäter (…) insbadische Ländlein ge- leben“. Doch dann „zerriss ein schweres poli- Entschädigung für Gebiete,die sie jenseits des getretene Gebiete im Elsass unter anderem Die bösen Beispiele waren „die große Härte langte (…)Schlupfwinkel fanden die Galgen- tisches Gewitter vonFrankreich her das fest Rheins an Frankreich abtreten mussten, die das Amt Rothenfels und die ehemaligen Be- der mächtig gewordenen Großfürsten“, mit vögel da und dort in Steinbrüchen, Ziegel- gefügte,aus 54 Ämtern bestehende geistliche ehemals kirchlichen Gebiete. sitztümer des Klosters Neustadt. der sie „die kleinen Fürsten beraubten“, hütten und Höhlen“. Anekdoten ausgroßherzoglich-badischer Zeit Ausden Jahren, als Steinfeld und zehn weiterefränkischeOrte zu Baden gehörten, istmanchamüsante Geschichte überliefert, so auchdiesevon einer Fürstenjagd

STEINFELD DerBezirksschulratund Heimat- Bock gwesn, aber dös wäss ich gwiss,der Bam Kraus aus Pflochsbach „die Hochachtung des Ja,die Namen und Ämter waren so gut forscher Peter Apfelbacher,der eine Abhand- da it za LebtagaBirnbaum und ke Apfel- Volkes gegendie vorgesetzten Behörden und eingedrillt worden, dass die gleichen Ant- lung über das von1806 bis 1819 bestehende baum“. Ob dieser unnötigen, plumpen Auf- Lehnsherren schon in der Schule gepflegt worten sogar gegeben wurden, als später in Großherzoglich-badische Amt Steinfeld klärung kicherte verstohlen mancher Jagd- wissen wollte,(…) paukten die Lehrer den der Vaterlandsstunde gefragt wurde,wer das schrieb, würzte seinen Bericht mit einigen gast; die umstehenden Treiber aber sahen an Kleinen die Namen der nächststehenden Schießpulver erfunden habe.Dakam aber Anekdoten, die uns einen Einblick in das der ernsten Miene Seiner Durchlaucht, dass Ämter und ihrer Vorstände ein.“ der Rodener Magister denn doch in Aufre- Verhältnis zwischen den hohen Herren und der Flurschütz ebenfalls einen Bock, freilich Als Visitator Kraus in der Religionsstunde gung und schrie die Rangen an: „All die ge- den Untertanen geben. bloß mit seinem gefürchteten Mundwerk ge- die Frage stellte: „Wer ist der Herr des Him- nannten Männer haben das Pulver nicht er- Die erste Anekdote erzählt voneiner Jagd, schossen hatte. mels und der Erde?“, platzte der erste in der funden, wenn es auch schon ein Badener bei der die Bauern als Treiber eingesetzt wa- Als Schusslohn erhielt der Vorlaute einen Bank heraus: „Der Herr des Himmels und der war,nämlich der Mö-,Mö,...“„…der Mönch ren: Bei einer solchen Treibjagd saß ein Fürst TagArrest vomHerrschaftsrichter zugespro- Erde ist der gnädigeHerr Herrschaftsrichter Berthold“, ergänzten die Schüler. vonWertheim unter einem Birnbaum, den chen, abzusitzen in Rothenfels „wegen zu Ta- in Rothenfels“. Da nundie Klassenkamera- Als die badische Regierung bald darauf er aber für einen Apfelbaum hielt. Vom ge gelassener impertinence“(Ungebührlich- den am Kopfschütteln und Lächeln des Ins- vonder „absonderlichen Affäre in Roden Glück begünstigt, brach vorihm ein prächti- keit). So hatte der voreiligeMann Gelegen- pektors merkten, dass die Antwort nicht Kenntnis erhalten“ hatte,verlangte sie zu gerRehbock zusammen. „Sehen Sie,meine heit bekommen, in der Stille der Arreststube stimmte,suchten sie den Fehler zu verbes- wissen, ob der Schullehrer bei seinen Erklä- Lieben“, sprach er nicht ohne Eitelkeit zu nachdenken zu können über das Sprichwort: sern. So trompeten sie einer nach dem ande- rungen über den Erfinder des Pulvers die den herbeigeeilten Jagdgästen und Dienern, „Mit hohen Herren ist nicht gut Kirschen es- ren heraus: „Der Herr des Himmels und der Herren verspotten wollte.Erst als Schulins- „unter diesem Apfelbaume erlegte ich vor sen.“ Erde ist unser wohllöblicher Dorfschulz –der pektor Kraus versicherte,das sei mitnichten vier Jahren ebenfalls ein so schönes Tier wie Voneiner Schulprüfung in Roden –da- Obersteuereinnehmer in Karbach –der so und der Lehrer sei „von der ehrfurchts- dieses; der Apfelbaum ist ein Glücksbaum!“. mals hatten noch die Pfarrer den Unterricht hochgelehrte Dorfchirurg und Bader Schuh- vollsten Gesinnung gegenStaatsoberhaupt Der Karbacher Fluraufseher konnte sich da der Volksschullehrer zu besuchen und zu be- mann ebenfalls in Karbach –der Herr Direk- und Höchtsderogetreuen Diener angefül- nicht bremsen: „I will grad nit sag, fürstliche werten –berichtet eine zweite Anekdote: Da tor in Wertheim –der Allerdurchlauchtigste Peter Apfelbacher (geb.1859, gest. 1940). let“, wich „das Gewitter vonRoden, das wo- Durchlaucht, es wär vorvier Jahren gerad a Schulinspektor und Dechantpfarrer Franz Fürst und Herr vonBaden!“ REPRO: JOSEF LAUDENBACHER chenlang darüber hing“. (LOS)