Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in und Umgebung (1940 - 1945) Kurt Degen

ie schmerzvolle und traurige Geschichte ler, Oberlützingen und Kriegsgefangene Dder Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft und in Deutschland während des Zweiten Welt- in kriegswichtigen Betrieben tätig, um die Pro- krieges läuft über 70 Jahre nach Kriegsende duktion aufrechtzuerhalten. Gefahr, ganz in Vergessenheit zu geraten. Das Sie sollten die Arbeitskräfte ersetzen, die durch hat mich dazu bewogen, dieses Thema aus mei- Einberufungen der Männer zur Wehrmacht, zu- ner Erinnerung heraus und nach Gesprächen rückgehende U-K-Stellungen (unabkömmlich) mit Zeitzeugen zu bearbeiten und das Wenige, und die unerwarteten hohen Verluste an den das auch noch lückenhaft überliefert ist, für Fronten überall fehlten. Burgbrohl und Umgebung zusammenzutragen. Um den Arbeitskräftemangel zu vermindern, Während des Zweiten Weltkrieges (1939 - 1945) kamen aus den verbündeten und von der Wehr- waren auch in den Gemeinden Burgbrohl, Wei- macht besetzten Ländern auch ins Brohltal ita-

162 u Heimatjahrbuch Kreis 2017 lienische Maurer (1940), französische Kriegs- Trier in Burgbrohl ein. Für die Unterbringung gefangene (1940) und russische Zwangsarbei- war in der ehemaligen Turnhalle ein Lager mit ter (ab 1942), 1944 auch noch Ingenieure aus Küche eingerichtet worden. Luxemburg. Bei der Firma Gebr. Rhodius arbeiteten sieb- Im Brohltal gelang es sogar, die kriegswichtige zehn der Kriegsgefangenen, die anderen in Produktion von feuerfesten Steinen und Mas- Burgbrohl und Weiler an kleinen Arbeitsstel- sen für die Stahlerzeugung im Werk Burgbrohl len und auf Bauernhöfen, so in Burgbrohl bei der Brohltal AG unter Mitwirkung der Gefange- den Familien Schoor, Wolter, Rick, Kerich und nen und Zwangsarbeiter von 38 000 Tonnen im Meyer, in Weiler bei H. Pannes, Th. Ferking- Jahr 1938 auf 41 000 Tonnen im Jahr 1943 zu hoff, Fronnert, J. Daub, J. Schumacher, M. Seul, steigern. Über den Einsatz der Zwangsarbeiter, J. Einig, Gebr. Rothbrust und Diewald-Rörig. ihre genauen Lebens- und Arbeitsbedingungen Diejenigen, die auf Bauernhöfen bei allen an- liegen leider keine detaillierten Informationen fallenden Arbeiten im Einsatz waren, wurden vor. dort auch verpflegt. Offiziell sollten sie gemäß der Vorschrift für die Italiener Behandlung von Kriegsgefangenen / Zwangs- Schon im Winter 1940 kamen die ersten 8 - 10 arbeitern in besonderen Räumen getrennt von Männer aus dem damals verbündeten Italien den Familien, für die sie arbeiten mussten, ihre zum Arbeiten ins Brohltal. Durch die von ih- Mahlzeiten einnehmen. Oft aßen sie aber nach nen ausgeführten Reparaturen an den Ring- einer Eingewöhnungsphase mit den Familien und Kammeröfen der Brohltal AG sollte deren täglich zusammen an einem Tisch. Funktions- und Leistungsfähigkeit gewährleis- Morgens wurden die Zwangsarbeiter mit Be- tet werden. wachung zu ihren Arbeitsstellen gebracht und Ihr Verhalten und ihr Arbeitseifer wurden von abends wieder abgeholt, um die Nacht im Lager der Werksleitung und Mitarbeitern allgemein zu verbringen. gelobt. Ihr besonderer Einsatz ist verständlich, Außer einem Fluchtversuch, verhielten sich die denn in Italien wären sie anstelle des Arbeits- Gefangenen sehr ruhig, weil die Gefahr sehr einsatzes in Deutschland zur Armee eingezogen groß war, auch nach einer geglückten Flucht worden. wieder in Frankreich aufgegriffen zu werden. Zwei Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner Vorschrift war, dass die Gefangenen nie allein, ins Brohltal im März 1945 sorgte einer der Ita- das heißt ohne deutsche Begleitung, zu arbeiten liener dafür, dass die rechtzeitige Abdeckung hatten. des riesigen Hakenkreuzes an der Stirnseite der Dem Gefangenen Victor Leclercq glückte aber Brohltal AG durchgeführt werden konnte. dennoch im Juni 1943 die Flucht in seinen Hei- Dadurch sollte eine anzunehmende Beschädi- matort Souchez. Dort wurde er wie ein Held ge- gung des Werkes bei eventuellen Kampfhand- feiert, aber von der französischen Verwaltung lungen vermieden werden. sofort gefasst und wieder nach Deutschland Diese Aktion führte aber dazu, dass die Ver- verbracht. antwortlichen, Direktor Hans Pohl und Joseph Die Namen von 7 Gefangenen, die bei der Fa- Degen, sich danach vor einem der äußerst ge- milie Schoor im Ton- und Mahlbetrieb und in fährlichen Standgerichte verantworten muss- der Landwirtschaft arbeiteten, sind bekannt: ten. Ihnen gelang aber mit List und Glück der Victor Leclercq aus Souchez (Pas der Calais), Weg in die Freiheit und so entgingen sie ver- André Chaussarieu (Bauingenieur), Georg, Al- mutlich einer drohenden Verurteilung. bert, Robert Gilbert und Bernhard Foss aus Poix du Nord. Franzosen Als die Luftangriffe ab Ende 1944 auch in un- Am 26. Juni 1940, kurz nach dem Waffenstill- serer Region stärker wurden und sich die Front stand mit Frankreich, trafen 70 französische näherte, begann die Familie Schoor und ihre Kriegsgefangene aus einem Sammellager bei Nachbarn unter Anleitung von Bauingenieur

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2017 u 163 Chaussarieu hinter ihrem Haus am Finkenberg aufgefunden. Die Beerdigung hatte nach An- einen Schutzbunker zu bauen. ordnung der amerikanischen Militärbehörde Am 9. März 1945, als die amerikanischen Trup- ohne Teilnahme der Bevölkerung stattzufin- pen sich dem Ortseingang näherten, waren die den. Franzosen nicht auffindbar. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu Kon- Sie waren den Amerikanern entgegengegangen takten zwischen ehemaligen Kriegsgefangenen und hatten sie bereits am Herchenberg begrüßt. und auch zu Besuchen von ihnen in Burgbrohl. Zur Überraschung aller saßen sie auf den anrol- Bernhard Foss verdanken wir die Partnerschaft lenden ersten Panzern. Burgbrohl fiel kampflos. mit dem nordfranzösischen Poix-du-Nord. Es dauerte im März 1945 nur einige wenige Burgbrohl war dann einer der ersten Orte, die Tage bis die ehemaligen französischen Kriegs- mit einer französischen Gemeinde eine „Jume- gefangenen mit Hilfe der Amerikaner in ihre lage“ eingingen. Was mit einem freundschaft- Heimat abgereist waren. Vor der endgültigen lichen Fußballspiel im Jahr 1965 begann, setzte Abreise ereignete sich noch ein nie ganz ge- sich dann jährlich in gegenseitigen Besuchen klärtes tragisches Ereignis. Den ankommenden bis in die Gegenwart fort. US-Soldaten war von einem der Kriegsgefange- Eine lang andauernde Verbindung und Freund- nen berichtet worden, dass es anlässlich einer schaft entstand mit Robert Caste, der während Beschwerde über schlechte Verpflegung zu ei- des Krieges auf dem Bauernhof der Familie Rick ner Schlägerei mit dem Wachpersonal gekom- gearbeitet hatte. men sei. Eine der Wachen soll sich dabei als besonders brutal hervorgetan haben. Bei dem Russen / Ukrainer Verhör des Angeschuldigten im Haus der Fa- Anfang des Jahres 1942 kamen aus den gerade milie Laux durch einen amerikanischen Offizier besetzten Gebieten in der Ukraine und Russland muss es zu einem nie geklärten Unfall gekom- vereinzelt Arbeitskräfte ins Brohltal wie Ilko men sein, bei dem der bekanntermaßen leicht zur Familie Paul Krimmel und die junge Taisja erregbare Beschuldigte zu Tode kam. Filimanowa aus Kursk zur Familie Schoor und Sein Leichnam wurde kurz danach an der Luba, die es verstand, Schafswolle zu spinnen. Trafostation des Ortes an der Gleeserstraße Polnische Landarbeiter In Glees waren 1941 zwei polnische Landarbei- ter beschäftigt: Franz Garus und Stephano Wo- ronin. Sie kamen bei Bauarbeiten ums Leben und wurden im Mai 1941 auf dem Burgbrohler Friedhof in der nord-östlichen Ecke beerdigt. Die Grabsteine existieren noch. Russische Zwangsarbeiter Im Sommer 1942 gingen in der Bevölkerung Gerüchte um, dass eine größere Anzahl rus- sischer Zwangsarbeiter zur Unterstützung der Produktion der Stein- und Ton-Industrie kom- men würde. Tatsächlich trafen am 26. Juni 1942 204 in der Ukraine rekrutierte Hilfskräf- te ein, darunter 60 junge Mädchen und meh- rere Frauen mit Kindern. Mit Personenwagen der Brohltaleisenbahn wurden sie nach Weiler transportiert und dort von Polizei mit Haupt- Robert Caste war als Landarbeiter bei der wachtmeister Nikolaus Gügel und anderem Familie Rick eingesetzt. Aufsichtspersonal empfangen.

164 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2017 Gesamtansicht der Stein- und Ton-Industrie- Gesellschaft in Burgbrohl, um 1935

Wie Zeitzeugen berichteten, sind die ausgehun- Küche übernahm wieder Martha Schmitz, als gerten Menschen mit einer Suppe und belegten Küchenhilfen waren Christine Kierig, Agathe Brötchen nach der langen und strapaziösen Rei- Andre, Angela Weidenbach und Gertrud Dietz- se von der NS-Frauenschaft versorgt worden. ler tätig. Bis zur Inbetriebnahme dieser Küche Die Frauen und Mädchen wurden in Weiler wurde das Essen, wie zuvor zum Herchenberg, in der ehemaligen Brennerei, die Männer im von der Werksküche von Anton Wasserscheid ehemaligen Tonschuppen am Herchenberg un- per Pferdefuhrwerk transportiert. tergebracht. Die Überwachung des Lagers erfolgte durch Po- Obschon die für jeden ersichtliche und un- lizeiwachtmeister N. Gügel mit einigen Werks- menschliche Rekrutierung und Behandlung angehörigen. Ob es Beschwerden, Widerstands- dieser Menschen an ihrer Kleidung und ihrem handlungen oder Unruhen im Lager gab, ist Aussehen deutlich war - sie waren ja auch in der Bevölkerung nicht bekannt geworden. durch Zeichen deutlich gekennzeichnet, wagte Solche Vorkommnisse hätten gewiss auch zu unter den damaligen Verhältnissen wohl nie- drastischen Bestrafungen geführt. mand, ein Wort zu viel zu sagen. Wer nicht Ärztliche Hilfe wurde den Gefangenen von Dr. direkt mit ihnen zu tun hatte, nahm sie und ihr Andreas Breuer geleistet. Von den Zwangs- trauriges Schicksal vermutlich auch nicht wahr. arbeitern sind in dieser Zeit 5 verstorben. Sie Es stellte sich heraus, dass in den Gebäuden am wurden auf dem Friedhof in Weiler beerdigt. Herchenberg die Unterbringung und Verpfle- 1950 sind sie von einer Koblenzer Bestattungs- gung trotz Umbauten dennoch unzureichend firma exhumiert und auf einem Friedhof auf waren. Es wurde entschieden, im Greimerstal der Horchheimer Höhe bei beigesetzt auf werkseigenem Gelände Baracken aufzustel- worden. len, die eine Küche, Ess- und Schlafräume sowie Als im März 1945 die amerikanischen Truppen Aufenthaltsräume erhalten sollten. Der Firma ins Brohltal einrückten, nahmen sie die rus- Stephansdach in Brohl wurde im Frühjahr 1943 sischen Zwangsarbeiter in ihrem Lager sofort der Auftrag erteilt, in Zusammenarbeit mit der unter strenge Bewachung, wohl um eventuelle Firma Arnold, die für die Erdarbeiten zuständig Unruhen oder Übergriffe zu vermeiden. Sie war, die Gebäude zu erstellen. Die Leitung der wurden danach in den folgenden Wochen in

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2017 u 165 Sammellagern in Österreich zusammengeführt wurden sie einen Tag später wieder entlassen. und dort einem Vertrag zwischen den Alliier- Nachdem die Amerikaner in dieser Zeit die ein- ten zufolge den Russen überstellt. Wie später geführte Isolierung und Bewachung der rus- bekannt wurde, warf man den Zwangsarbeitern sischen Zwangsarbeiter etwas gelockert hatten, dann im eigenen Land vor, durch ihre Arbeit kam es zu Ausschreitungen. Einzelne Gruppen die Feinde unterstützt zu haben. Sie wurden drangen in Wohnungen im Greimerstal bei den als Kollaborateure angesehen und sollen darum Familien Distelrath, Vogel und Schwarz und vielfach in Russland zu erneuter Zwangsarbeit in Häuser des Oberdorfes (Pohl, Dieges u. a.) verurteilt worden sein. ein. Sie versorgten sich dort mit Kleidung und, Teile der für die Unterbringung der Zwangsar- soweit dies möglich war, mit Lebensmitteln. beiter erbauten Baracken im Greimerstal wur- Nach diesen Vorkommnissen wurde das Lager den 1947 von der Brohltal AG an Familien in wieder durch die Amerikaner bewacht und die Weiler (Klöppel, Kapp und Laux) und Burgbrohl befreiten Zwangsarbeiter wurden bis zu ihrer (E. Buhr), verkauft. Zeichnungen und Fotos der Rückführung nach Russland von der Bevölke- Unterkünfte sind nicht mehr vorhanden. rung isoliert. In der Nachkriegszeit und in den Aufbaujahren Ausschreitungen der russischen wurde das Kapitel Zwangsarbeit weitgehend Zwangsarbeiter vergessen oder verdrängt. Russische Zwangsarbeiter beschwerten sich bei den Amerikanern wegen schlechter Be- handlung. Daraufhin wurden u. a. Angestellte Anmerkung: der Firma Stein- und Ton-Industrie verhaftet - Die Ausführungen beruhen auf eigenem Erleben, Erzählungen und Zeit- zeugenaussagen. und zu Verhören nach Waldorf gefahren. Da - Der vorliegende Text ist ein gestraffter Auszug aus einer umfangreicheren ihnen aber nichts zu Last gelegt werden konnte, Darstellung des Autors zum Thema aus dem Jahre 2016.

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