Dresdner Heldenbuch‘
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Universität Stuttgart Institut für Literaturwissenschaft Abteilung für Germanistische Mediävistik Betreuer: Prof. Dr. Manuel Braun Wissenschaftliche Arbeit für das Lehramt an Gymnasien (WPO) Abgabetermin: 15.01.2015 Von kundern, risen und teuffellichen man – Monsterdarstellungen im ‚Dresdner Heldenbuch‘ von Nora Echelmeyer Studienfächer: Deutsch, Französisch Fachsemester: 10 FS, 10 FS Matrikelnummer: 2559397 Anschrift: Finkenweg 13 70839 Gerlingen Kontakt: [email protected] Inhaltsverzeichnis 1. Themenstellung und Aufbau der Arbeit ................................................................ S. 2 2. Grundlagen der Arbeit............................................................................................. S. 5 2.1. Begriffsbestimmungen ........................................................................................ S. 5 2.1.1. Das „Monstrum“ .......................................................................................... S. 5 2.1.2. Inszenierung, Wahrnehmung und Wirkung von Monstrosität .................. S. 11 2.2. Monstren in der Forschung................................................................................ S. 13 2.3. Das ‚Dresdner Heldenbuch‘ .............................................................................. S. 18 3. Monsterdarstellungen im ‚Dresdner Heldenbuch‘.............................................. S. 20 3.1. Das äußere Erscheinungsbild ............................................................................ S. 20 3.1.1. Typische Erscheinungsmerkmale von Monstren ....................................... S. 21 3.1.1.1. Die Riesen als typische Beispiele .................................................... S. 21 3.1.1.2. Ausweitung: andere Monstren ......................................................... S. 25 3.1.1.3. Deutung der Merkmale .................................................................... S. 27 3.1.2. Überblendungen ......................................................................................... S. 29 3.1.2.1. Ritterliche Riesen ............................................................................. S. 29 3.1.2.2. Zwei Besonderheiten: der Gattungskontext, die Zwergenfiguren ... S. 36 3.1.2.3. Deutung der Unterschiede: das Eigene vs. das Andere ................... S. 42 3.1.3. Übertragungen ........................................................................................... S. 45 3.1.3.1. Der wilde Mann: monströse Aufladung ........................................... S. 45 3.1.3.2. Das wilde wîp: monströse Transformation ...................................... S. 48 3.1.4. Zwischenfazit ............................................................................................. S. 51 3.2. Charakter- und Verhaltensmerkmale................................................................. S. 54 3.2.1. Typische Eigenheiten von Monstren ......................................................... S. 55 3.2.1.1. Der monströse Sohn: Verhalten als Signum für Monstrosität ......... S. 55 3.2.1.2. Typische Merkmale am Beispiel der Riesen ................................... S. 58 3.2.1.3. Die Zwerge: Relevanz der Charakter- und Verhaltensmerkmale .... S. 65 3.2.2. Überblendungen ......................................................................................... S. 69 3.2.2.1. Ecke: der ritterliche Riese ................................................................ S. 69 3.2.2.2. Angleichung von Dietrich und Ecke ................................................ S. 76 3.2.3. Übertragungen ........................................................................................... S. 80 3.2.3.1. Der wilde Mann und das wilde wîp: monströse Aufladungen ......... S. 80 3.2.3.2. Ein Sonderfall: der wilde Wunderer ................................................ S. 84 4. Fazit und Ausblick .................................................................................................. S. 94 5. Literaturverzeichnis ............................................................................................... S. 98 5.1. Primärliteratur ................................................................................................... S. 98 5.2. Sekundärliteratur ............................................................................................... S. 98 5.3. Internetquellen ................................................................................................. S. 102 1. Themenstellung und Aufbau der Arbeit dar nach sie do ein kint gepar: sein haut die was mit schwartzem har geleich der peren orden. der her und auch die fraw erschrack, do si das kint an sahen. der her sprach: „was das deuten magk? ob mich got wil verschmahen? des gleich ich nie gesehen han, wan das kint ist rauch als ein per, sein augen rot und schwartze gran.“ (13,413)1 Dieses Zitat aus dem ‚Meerwunder‘, einem wohl eher unbekannten Text aus dem ‚Dresdner Heldenbuch‘, behandelt die Geburt eines Kindes, das die Protagonistin der Erzählung, Königin Teudalinda, nach einem geheim gehaltenen Übergriff durch ein Meerungeheuer zur Welt bringt. Die Geburtsszene ist die zentrale Stelle dieser langobardischen Erzählung und soll hier als Einführung in die Monster-Thematik dienen. Was zeigt diese Textstelle auf? Zunächst wird das Erscheinungsbild des neugeborenen Kindes beschrieben, das stark behaart ist, womit es offenbar (wie mehrmals wiederholt wird) viel mehr einem Bären als einem Menschen ähnelt, und überdies schwarze Barthaare sowie rote Augen besitzt. Daneben wird die Reaktion der Eltern dargestellt, die beim Anblick des dicht behaarten und rotäugigen neugeborenen Kindes Schreck und Bestürzung empfinden. Die Reaktion des Königspaars macht deutlich, dass der Anblick des Neugeborenen ihren Erwartungen zuwiderläuft. Als Reflex darauf sucht der vermeintliche Vater nach einer Deutung für das entstellte Kind. Inszeniert wird in dieser Szene also eine anormale Geburt, eine sogenannte Missgeburt. Der Körper des Kindes weicht vom normalen Äußeren eines Neugeborenen ab, die Eltern reagieren auf diesen unerwarteten Anblick entsprechend mit Entsetzen. Dennoch wird das Neugeborene in der Geschichte zunächst als Nachkomme des Königspaars angesehen und als solcher aufgezogen, d. h. es erhält, trotz seiner abschreckenden und dem Menschlichen sich widersetzenden Erscheinung, den Status eines adeligen Menschen. Ob es tatsächlich als menschlich angesehen werden kann, ist zumindest aus Sicht des Rezipienten anzuzweifeln, weiß dieser doch, dass es nicht vom König, sondern von einem mer wunder abstammt, welches die Königin überwältigt hatte. Es wird also die Perspektive des Vaters eingenommen, der von der Abkunft des Kindes 1 Die Zitate aus dem ‚Dresdner Heldenbuch‘ sind, sofern nicht anders ausgewiesen, der folgenden Ausgabe entnommen: Walter Kofler (Hg.): Das Dresdner Heldenbuch und die Bruchstücke des Berliner- Wolfenbütteler Heldenbuchs. Edition und Digitalfaksimile, Stuttgart 2006. Der Stellennachweis erfolgt im Weiteren über Strophen- und Versangaben in Klammern. 2 noch nichts weiß und in dessen Augen das Kind seines sein muss. Im Verlauf der Geschichte wird die wahre, d. h. die monströse Natur des Bastard-Sohnes, die sich hier bereits durch sein Äußeres ankündigt, aber immer weiter aufgedeckt, u. a. durch sein ungestümes Verhalten und seine übermenschliche Stärke, so dass der Vater es schließlich als das Kind eines Monstrums erkennt und als solches tötet. Im vorliegenden Text kommt es folglich zu einer Verquickung von menschlichem Status, tierischen Attributen und monströser Abstammung. Aufschlussreich erscheint hier besonders die nach und nach erfolgende Revision des vorgeblich menschlichen Status bei gleichzeitiger Erkenntnis der über verschiedene Aspekte immer weiter entfalteten Monstrosität des Wesens. Diese Geschichte als Ausgangspunkt nehmend, soll im Folgenden untersucht werden, wie im ‚Dresdner Heldenbuch‘ – dem Überlieferungsträger des zitierten ‚Meerwunders‘ – Monstrosität inszeniert bzw. über welche Aspekte sie generiert wird. Hier fällt zunächst auf, dass im Textbestand des ‚Dresdner Heldenbuchs‘ neben dem Meerwunder und dessen Nachkomme noch eine ganze Reihe anderer monströser Wesen auftreten: Klein- und Großwüchsige, anthropomorph-zoomorphe Hybridformen sowie an der Grenze des Menschlichen stehende Figuren, wie das wilde wîp im ‚Wolfdietrich‘ oder der wilde Mann im ‚Sigenot‘. All diese Wesen scheinen sich, trotz ihrer Heterogenität, auf den ersten Blick stark zu ähneln. Gleichzeitig irritieren Einzelfälle, die aus dem Schema herausfallen, beispielsweise der ritterliche Riese Ecke, der den diversen wilden Vertretern dieser Art konträr gegenübersteht. Diese Beobachtungen werfen die Frage auf, was Monstren eigentlich sind bzw. wodurch sie sich auszeichnen: Welche Merkmale sind konstitutiv dafür, dass gewisse Wesen als monströs, andere hingegen nicht als monströs wahrgenommen werden? Sind es körperliche Attribute, spezifische Charaktereigenschaften oder bestimmte Verhaltens- weisen? Über welche Merkmale wird – und diese Frage soll die folgenden Untersuchungen leiten – im ‚Dresdner Heldenbuch‘ Monstrosität generiert und erfahrbar gemacht? Um sich der Fragestellung zu nähern, gilt es in einem ersten Schritt, einige Grundlagen zu erarbeiten. In diesem Kapitel soll zunächst der Begriff „Monstrum“ definiert werden, wobei nach einem allgemeinen Überblick insbesondere die Vorstellung von Monstren im Mittelalter herausgearbeitet und anschließend die Bedeutung von Inszenierung, Wahrnehmung und Wirkung für die Frage nach Monstrosität geklärt werden